KI-Anwendung in der Energietechnik: Einsatz maschineller Lernverfahren für die Wärmelastprognose - Prof. Dr.-Ing. Matthias Finkenrath Hochschule ...
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KI-Anwendung in der Energietechnik: Einsatz maschineller Lernverfahren für die Wärmelastprognose Projektpartner Bild: denisismagilov-stock.adobe Prof. Dr.-Ing. Matthias Finkenrath Hochschule Kempten
Team Wissenschaftliche Mitarbeiter • Till Faber - M. Eng. (Energietechnik) • Fabian Behrens - M. Sc. (Informatik - Game Engineering) • Stefan Leiprecht - M. Sc. (Informatik - Game Engineering) Projektleitung • Prof. Dr.-Ing. Matthias Finkenrath Institut für Energie- und Antriebstechnik Labor für Prozesssimulation 2 © Hochschule Kempten
Ausgangssituation & Überblick über Forschungsprojekte Bild: Fotoclub Ulm Bild: Steag Bild: lambdalabs.com Bild: FUG Bild: lambdalabs.com 3 © Hochschule Kempten
Überblick Motivation für Erstellung von Wärmelastprognosen • Optimierung von Anlageneinsatz bzw. Wärmebereitstellung Ziele • Benchmarking maschineller Lernverfahren (Prognosen bis zu 72 h im Voraus) • Automatisierung der Prognosen & Bereitstellung über Web-Interface • Wirtschaftliche Bewertung von Verbesserungen der Prognosegüte Nutzen • Identifizierung geeigneter maschineller Lernverfahren • Einsparung fossiler Brennstoffe zugunsten erneuerbarer Energien • Optimierung von Brennstoffbeschaffung oder Wartungsarbeiten Wärmelastprognose ist eine zentrale Randbedingung für den wirtschaftlichen Betrieb und die Vermeidung von CO2 Emissionen 4 © Hochschule Kempten
Datenbasis Wärmelastgänge aus allen Fernwärmenetzen (Wohn-, Industrie- und Mischgebiete) • Aktuelle & vergangene Lasten (bis zu 15 Jahre zurückliegend) Beispiellastgang über 3 Tage Weitere Parameter: • Wetterdaten • kalendarische Daten (z.B. Stunde, Monat, Wochentag, Jahreszeit, Feiertag) Umfangreiche Datenbasis zum Training, Validieren und Testen vorhanden 5 © Hochschule Kempten
Wetterdaten • Verwendung statistisch aufbereiteter Wettervorhersagen vom Deutschen Wetterdienst (DWD) • Basis sind frei zugängliche Vorhersagen („MOSMIX“), verfügbar für ca. 5400 Standorte weltweit bis zu 10 Tage im Voraus, u.a.: - Temperatur und Taupunkt in 2 m Höhe, - Windgeschwindigkeit und -richtung, - Niederschlagsmenge und -art, - Sonnenscheindauer - Luftdruck • Tägliche Archivierung der Prognosen für alle Standorte seit 2020 an der Hochschule Hochwertige standortgenaue Wetterprognosen sind verfügbar 6 © Hochschule Kempten
Datenanalyse Analyse von Korrelationen in Bezug auf die Wärmelast (Auszug) Korrelationskoeffizient nahe 1 oder -1: starke Korrelation Korrelationskoeffizient nahe 0: keine/geringe Korrelation Parameter Pearson (linear) MIC (nicht-linear) Letzte Last 0,9905 0,9309 Durchschnittliche Last der letzten 6 Stunden 0,9718 0,9010 Temperatur -0,8304 0,5958 Jahreszeitwert (Sinus-Funktion) -0,8218 0,7948 Taupunkt -0,8073 0,5541 … … … Jahr -0,1254 0,0613 Windrichtung -0,0825 0,0474 Datenanalyse unterstützt Auswahl wichtiger Einflussgrößen Bildquelle:http://glossar.item24.com/de/start/view/glossary/ll/de%7Cen/item/korrelationsdiagramm/ 7 © Hochschule Kempten
Datenaufbereitung Aufbereitungsschritte • Zusammenführen benötigter Daten (z.B. Last und Wetter) • Plausibilitätsprüfung • Korrektur fehlerhafter Daten und Vervollständigung von Datenlücken: - Verfahren der Imputation, z.B. über Nächste Nachbarn Klassifikation (KNN) - Verwendung von Nachbarwetterstationen • Kategorisierung von Daten und Berechnung zusätzlicher Eingangsgrößen • Ablegen der Daten in der Datenbank • Aufteilung in Trainings-, Validierungs- und Testdaten • Automatisierung der oben genannten Verarbeitungsschritte (stündliches Update) Vielschichtige Aufbereitung zur Bereitstellung einer fehlerfreien Datengrundlage erforderlich 8 © Hochschule Kempten
Untersuchte maschinelle Lernverfahren 1. Entscheidungsbäume Aufteilung des Wertebereiches der Zielgröße (hier: Wärmebedarf) unter Berücksichtigung externer Einflussgrößen Werktag Beispiel: ja nein Temperatur Temperatur < 15°C > 15°C < 15°C > 15°C Last = Last = Last = Last = 5 MW 4 MW 3 MW 2 MW Einfaches & gut nachvollziehbares Verfahren 9 © Hochschule Kempten
Untersuchte maschinelle Lernverfahren 2. Künstliche Neuronale Netze Zusammenhang zwischen Daten muss vom Netz erlernt werden Beispiel: Eingangsdaten Modell Prädiktion Temperatur Werktag Windrichtung Feiertag Wärme- Vortagslast last Stunde Wochentag Luftdruck Wachsende Bedeutung durch größere Datenmengen, höhere Rechenleistungen & verbesserte Algorithmen 10 © Hochschule Kempten
Untersuchte maschinelle Lernverfahren „Deep Learning“ Sonderfall künstlicher neuronaler Netze mit umfangreicher bzw. komplexer innerer Struktur Beispiel Long-Short-Term-Memory Zelle (LSTM): • Erlaubt längerfristige Speicherung von Informationszuständen („Gedächtnis“) • Möglichkeit der Verknüpfung von Zusammenhängen, die zeitlich länger auseinander liegen • Aktuelle Frameworks verfügbar (z.B. Google Tensorflow) Stand der Technik in Sprach- und Bilderkennung, hohes Potenzial auch für die Fernwärmelastprognose 11 © Hochschule Kempten Bild: http://www.onalytica.com/wp-content/uploads/2017/05/Word-Cloud-2.png
Untersuchte maschinelle Lernverfahren 3. Ensemble Methoden Kombination mehrerer Lernverfahren („Stacking“) Einzel- Übergeord- Lernverfahren (Beispiel) netes Lern- verfahren Random Forest AdaBoost Eingangs- Meta- Meta- Wärme- daten daten modell last FNN LSTM Weitere Steigerungen der Prognosegenauigkeit durch Kombination verschiedener Lernverfahren erwartet 12 © Hochschule Kempten – Prof. Dr.-Ing. Matthias Finkenrath
Beispiele untersuchter Verfahren Autoregressive Verfahren • SARIMAX (Seasonal Autoregressive Integrated Moving Average Exogenous model) Entscheidungsbäume • Random Forest • AdaBoost (Adaptive Boosting) • Extreme Gradient Boosting Neuronale Netze • Echo State Network (ESN) • LSTM (Long short-term memory) Unterschiedliche Typologien, Training & Vergleich für Winter, Sommer, Übergangszeit und über ein ganzes Jahr 13 © Hochschule Kempten
Beispielprognose Vergleich einer 72 h-Vorhersage mit der tatsächlich eingetretenen Last Absoluter Prozentualer Fehler [%] 25 100 20 Fernwärmelast [MW] 80 15 60 10 40 5 20 0 0 0 4 8 12 16 20 24 28 32 36 40 44 48 52 56 60 64 68 72 Zeit [h] Prädiktionen über 72 h-Intervall mit hoher Genauigkeit möglich 14 © Hochschule Kempten
Vergleich der Prognosefehler 72 h im Voraus Zeitraum Prognosefehler ESN 15,7 Gütemaß: Normalized Mean Random Forest 14,3 Absolute Error (nMAE) Gesamtjahr SARIMAX 11,5 AdaBoost 8,5 1 n n LSTM 7,5 n ∑ ei ∑ ei ESN 15,2 nMAE = i=0n = i=0n 1 ∑ di ∑ Random Forest 13,3 SARIMAX 14,7 di Sommer AdaBoost 9,1 n i=0 i=0 LSTM 9,5 ESN 26,4 Random Forest 15,7 SARIMAX 12,3 Übergang AdaBoost 9,1 LSTM 7,8 ESN 10,2 Random Forest 9 SARIMAX 4,7 AdaBoost 4,7 Winter LSTM 4,1 0 5 10 15 20 25 30 nMAE (%) Lernverfahren „LSTM“ und „AdaBoost“ zeigen höchste Prognosegüten 15 © Hochschule Kempten
Wirtschaftliche Auswirkungen unterschiedlicher Prognosegüten Erwartung • Genauere Lastprognose ermöglicht wirtschaftlicheren Betrieb Herausforderung • Quantifizierung des Vorteils genauerer Lastprognosen ist schwierig, da sich der reale Anlageneinsatz nicht wiederholen lässt Lösungsansatz • Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher Lastprognosen mittels numerischer Anlageneinsatzplanungsoptimierung: 1. Optimierung mit gemessener Wärmelast („Referenzfall“, Optimum) 2. Wiederholung der Optimierung mit Wärmelast mit 5 %, 10 % und 15 % aufgeprägtem mittlerem Prognosefehler Numerische Anlageneinsatzplanungsoptimierung ermöglicht systematische Untersuchung des Fehlereinflusses 16 © Hochschule Kempten
Wirtschaftliche Auswirkungen unterschiedlicher Prognosegüten Spitzenlastkesseleinsatz bei unterschiedlichen Prognosegüten 140% Abrufhäufigkeit Volllaststunden 118% 119% relative Abweichung zu 120% 111% 111% gemessenen Werten 103% 101% 100% 80% 60% 40% 20% 0% 5 % Prognosefehler 10 % Prognosefehler 15 % Prognosefehler Steigende Betriebskosten (Brennstoff, CO2, Verschleiß, etc.) bei steigendem Prognosefehler 17 © Hochschule Kempten
Darstellung in Webanwendung B Automatisierte Datenverarbeitung & Live-Testbetrieb auf Server der Fernwärme Ulm, Zugriff über alle Geräte (PC, Handy) aus Firmennetz möglich 18 © Hochschule Kempten
Webanwendung – weitere Features Weitere Features (Wetterdaten, Regenradar) wurden in die Webanwendung implementiert 19 © Hochschule Kempten
Beispiele für Übertragbarkeit der Methodik auf andere Zeitreihen- bzw. Bedarfsprognosen Anwendungsbeispiele: • Wärme- / Kältebedarfsprognosen Optimierung von: • Strombedarfsprognosen - Anlageneinsatz, Wartung - Wärmespeichereinsatz • Prognose des Gasverbrauches - Einkauf • Rohstoffbedarf (Gas/Strom/Wärme/Rohstoffe/Waren) • Maschineneinsatz • Vorhersage von Preisentwicklungen usw. Methodik ist auf viele Problemstellungen und andere Nutzerkreise übertragbar 20 © Hochschule Kempten
Zusammenfassung & Ausblick • Maschinelle Lernverfahren wurden evaluiert & besonders geeignete ermittelt. • Die Lastprognosen laufen vollautomatisiert über ein Webinterface beim Fernwärmeunternehmen. • Weitere Lernverfahren werden untersucht & eine Automatisierung des Lernvorgangs implementiert (“selbstlernende Verfahren”). • Methodik ist auf viele Problemstellungen und andere Nutzerkreise übertragbar. Bild: denisismagilov-stock.adobe Projekthomepage: www.deepDHC.de Das in diesem Vortrag zugrundeliegende Vorhaben wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) unter dem Förderkennzeichen 03EN3017 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor. 21 © Hochschule Kempten
Veröffentlichungen & Patentanmeldungen [1] Leiprecht, S., Behrens, F., Faber, T., Finkenrath, M.: A comprehensive thermal load forecasting analysis based on machine learning algorithms, Energy Reports, Volume 7, Supplement 4, October 2021, Pages 319-326, https://doi.org/10.1016/j.egyr.2021.08.140 [2] Finkenrath, M., Faber, T., Behrens, F., Leiprecht, S.: Holistic modelling and optimisation of thermal load forecasting, heat generation and plant dispatch for a district heating network. 34rth International Conference on Efficiency, Cost, Optimization, Simulation and Environmental Impact of Energy Systems, June 27 - July 2, 2021, Taormina, Italy [3] Faber, T., Finkenrath, M.: KWK-Flex - Hochflexible stromgeführte Kraft-Wärme-Kopplung durch thermische Speicher und "Power-to-Heat"-Technologien, AGFW Forschungsbericht, AGFW Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung mbH, Frankfurt am Main, 2020, ISBN 3-89999-085-4 [4] Finkenrath, M., Faber, T.: KWK-Flex - Anwenderleitfaden für die Fernwärmebranche, Hochschule Kempten, 2020 [5] Finkenrath, M., Faber, T.: Optimierte Wärmelastprognose mittels Deep Learning, Kraftwerkstechnik 2019, ISBN 978-3- 934409-93-4, 2019 [6] Faber, T., Finkenrath, M.: Lastprognose für Wärmenetze, 5. KWK.NRW-Forum: Perspektiven für die KWK in NRW, 2019 [7] Faber, T., Groß, J., Finkenrath, M.: Innovative Lastprognosen mit »Deep Learning«-Methoden, EuroHeat&Power, 2018, Volume 47, 1-2, pp. 35-38 [8] Faber, T.; Brauer, J.; Finkenrath, M.; Mayer, W.; Schott, M: Optimierung eines Querverbundsystems mittels neuronaler Netze. Europäische Patentanmeldung EP3.432.234.A1. 2017 22 © Hochschule Kempten
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