Klagenfurter Geographische Schriften Heft 28 - Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention

Die Seite wird erstellt Julian Schütte
 
WEITER LESEN
Klagenfurter Geographische Schriften Heft 28 - Eine Zukunft für die Landschaften Europas und die Europäische Landschaftskonvention
Klagenfurter
                 Geographische
                 Schriften Heft 28
                 Institut für Geographie und Regionalforschung
                 der Universität Klagenfurt 2012

Hans Peter JESCHKE und Peter MANDL (Hrsg.)

Eine Zukunft für die Landschaften Europas
und die Europäische Landschaftskonvention
Titelblatt: „Unsere Umwelt beginnt in der Wohnung und endet in der Weite der Landschaft“
Aus: IVWSR (1973): Wiener Empfehlungen. Luxemburg. In: Jeschke, Hans Peter (Hrsg.)
    (1982): Problem Umweltgestaltung. Ausgewählte Bestandsaufnahme, Probleme, Thesen
    und Vorschläge zu Raumordnung, Orts- und Stadtgestaltung, Ortsbild- und
    Denkmalschutz, Landschaftspflege und Umweltschutz. Verlag Stocker, Graz.
    (= Schriftenreihe für Agrarpolitik und Agrarsoziologie, Sonderband 1)

Medieninhaber (Herausgeber und Verleger):
Institut für Geographie und Regionalforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Universitätsstraße 65-67, A-9020 Klagenfurt

Herausgeber der Reihe:       Ass.-Prof. Mag. Dr. Peter MANDL
                             Prof. Mag. Dr. Friedrich PALENCSAR

Schriftleitung:              Prof. Mag. Dr. Friedrich PALENCSAR

Redaktionelle Betreuung:     Dipl.-Ing. Stefan JÖBSTL, Bakk.
Webdesign und –handling:     Natalie SCHÖTTL, Dipl.-Geogr. Philipp AUFENVENNE

ISBN 978-3-901259-10-4

Webadresse: http://geo.aau.at/kgs28
Hans Peter Jeschke, Peter Mandl (Hrsg.) (2012): Eine Zukunft für die Landschaften Europas und
die Europäische Landschaftskonvention. Institut für Geographie und Regionalforschung an der
Alpen-Adria Universität Klagenfurt. Klagenfurter Geographische Schriften, Heft 28.

          KULTURLANDSCHAFTEN IN SCHWEDEN – SCHUTZ UND ENTWICKLUNG
                                               Eva EFFERTZ

          1.      Einleitung
In der Forschungstradition der schwedischen Geographie hatte die Beschäftigung mit
Kulturlandschaften stets eine zentrale Bedeutung.1 Ein sehr umfangreicher Bestand
historischer Karten sichert eine gute Forschungsinfrastruktur, die mit dem Projekt „Digitale
Historische Karten für das Kulturerbe-Management“ im Schwedischen Amt für
Denkmalpflege ausgebaut wird.2 Im folgenden werden zunächst kulturlandschaftliche
Gliederungen Schwedens vorgestellt, dann Gesetze und Instrumente zum Schutz der
Kulturlandschaft und ihre Handhabung aufgezeigt und schließlich drei konkrete Beispiele zur
Pflege und Entwicklung historischer Kulturlandschaften diskutiert.3

          2.      Kulturlandschaftliche Gliederungen Schwedens
Vor einem sinnvollen Schutz und einer Entwicklung der Kulturlandschaft hat deren
Aufnahme zu stehen, die Inventarisation, Dokumentation, Gliederung und Beschreibung. Die
schwedischen      Kollegen     legten      in    den     vergangenen     Jahren    zwei
Kulturlandschaftsgliederungen unterschiedlichen Maßstabs vor.

2.1       Großmaßstäbige Kulturlandschaftsgliederung Schwedens
Ulf Sporrong vom Institut für Anthropogeographie der Universität Stockholm war Leiter
eines Forschungsprojekts, das darauf abzielte, Leitlinien für eine koordinierte, systematische
Landschaftsanalyse zu entwickeln. Ziel der entwickelten kulturlandschaftlichen Gliederung
ist, auf der Basis dieser homogenen Regionen, ihrer Beschreibung und Analyse Vergleiche
zu ziehen und Bewertungen zu ermöglichen.
Fünf Gruppen von Kriterien wurden der Gliederung zugrundegelegt. Die naturräumliche
Ausstattung (1) umfasst Landschaftsformen, Hygrographie und Böden, Vegetation, hier
speziell die Frage nach Laub- oder Nadelwald, sowie Besonderheiten wie ausgedehnte Gras-
oder Heideflächen, aber auch die landwirtschaftliche Nutzung. Die historische Entwicklung
vor allem bezüglich der Siedlungsstruktur (2) berücksichtigt Form und Lage
landwirtschaftlicher Siedlungen, Parzellenformen und die Art der Landnutzung.
Mit dem heutigen Landschaftsbild (3) wurde der Landschaftscharakter beschrieben, z.B. das
Vorherrschen industrieller Agrarwirtschaft, städtisch-industrieller Kennzeichen oder
traditioneller Siedlungs- und Nutzungsformen. Besondere regionale Charakteristika (4)
entstehen aus kulturellen und naturräumlichen - und vor allem durch deren Zusammenspiel
bestimmten - Unterschieden mit Auswirkungen auf Siedlung und Landnutzung, wie

1
      HELMFRID 1988.
2
      RENTZHOG 2000.
3
      Der Beitrag beruht auf dem Vortrag „Kulturlandschaften in Schweden – Schutz und Entwicklung“ bei der 9.
      Tagung der Arbeitsgruppe für Angewandte Historische Geographie im Arbeitskreis für Genetische
      Siedlungsforschung in Mitteleuropa im März 2002 in Linz / Österreich zum Thema „Internationalisierung
      der Kulturlandschaftspflege“.

                                                     141
142                                                              EVA EFFERTZ
___________________________________________________________________________
beispielsweise in Bergbauregionen. Schließlich berücksichtigte man einzigartige Phänomene
von wissenschaftlicher Bedeutung (5).
Die bei der Ausweisung von neun Regionen entstehenden Grenzen werden aufgrund der
Vielzahl der Abgrenzungskriterien als Übergangsregionen gesehen. In Schweden liegen zwei
Hochland-Regionen, die sich vom Rest des Landes unterscheiden, das südschwedische
Hochland und die inländischen, gebirgigen Teile Norrlands. Der Rest des Landes liegt
unterhalb der ehemaligen höchsten Küstenlinie vor der Landhebung, wo sich heute der
Großteil der landwirtschaftlich genutzten Flächen befindet, an den Küsten, auf Tonschichten
der Moränen, in den mittelschwedischen Tiefländern und entlang der Flusstäler.
Unter kulturhistorischen und geologischen Aspekten ist die Fläche südlich der alten Grenze
zu Dänemark vom Rest des Landes zu unterscheiden, die Region Schonen ist eng mit
Dänemark und dem nördlichen Kontinent verbunden. Auch der östliche Bereich Schwedens,
vom Kalmarsund im Süden bis nach Gästrikland im Norden, hat seine eigenen Merkmale.
Das Siedlungsmuster war möglicherweise, in Teilen sicher, vom feudalen Europa geprägt.
Die Siedlungen und das kultivierte Land sind streng reguliert und kleinräumige Muster bilden
ein mosaikartiges Landschaftsbild aus. Die Insel Gotland ist anders als das übrige östliche
Schweden. Auffälligstes Merkmal ist das Vorherrschen von Einzelhöfen, das Fehlen von
Dörfern. Auch das westliche Schweden und das südliche Norrland haben sich anders als
Ostschweden entwickelt. Siedlungen und Agrarlandschaft sind der Topographie angepasst,
haben vielfältigere Formen und möglicherweise ältere historische Wurzeln. Die Nähe nach
Norwegen einerseits und Finnland andererseits erklären Ähnlichkeiten dieser Landesteile mit
Merkmalen der Nachbarländer. Die Flusstäler Norrlands bilden ebenfalls eine eigene
Kulturlandschaft. Die Siedlungen sind hier jünger als im Süden und es gab nie einheitliche
Regeln zur Landnutzung. Daraus resultiert eine große Variationsbreite der Siedlungs- und
Flurformen. In den weiten Wäldern Norrlands liegen kleinere Regionen, die sich vom
vorherrschenden Bild abheben: Das Obere Dalarna rund um den Siljansee, die Region um den
Storsjön, den großen See, und das Tornetal.4

2.2       Kulturlandschaftsgliederungen Schwedens in mittlerem Maßstab
Eine differenziertere Kulturlandschaftsgliederung wird von Staffan Helmfrid im Themenband
Kulturlandschaft und Besiedlung des Schwedischen Nationalatlas vorgestellt. Rund 50
homogene Regionen wurden abgegrenzt, benannt und beschrieben. Auch hier liegen fünf
Aspekte der Gliederung zugrunde, die naturräumliche Ausstattung, Vegetation und Klima,
Besiedlung und Landnutzungsformen, regionale Besonderheiten, die mit umfangreichen
jüngeren Veränderungen verloren gehen können sowie regionale historisch-landschaftliche
Identitäten und dazu gehörige Regionalnamen.

Mit der Ausweisung von Gebieten als „Küstenlandschaft oder landwirtschaftlich genutzte
Gebiete mit erhaltenen regionalen Eigenheiten“ erfolgen auch eine Bewertung des Befundes
und damit ein Anwendungsbezug. Es fällt die deutlich kleinräumigere Gliederung im Süden
des Landes, hier auch mit höherem Anteil historischer Strukturen, gegenüber dem später und
dünner besiedelten Norden auf.5

4
      SPORRONG u.a. 1995.
5
      HELMFRID in Kulturlandskapet och bebyggelsen 1994, S.62 ff.
KULTURLANDSCHAFTEN IN SCHWEDEN – SCHUTZ UND ENTWICKLUNG                  143
___________________________________________________________________________
Darüber hinaus gibt es weitere Ansätze, auch beispielsweise in historischen Zeitschnitten zu
arbeiten, wie eine mit 21 ausgewiesenen Regionen recht differenzierte
Kulturlandschaftsgliederung Schwedens um 1750.6

        3.      Gesetze und Instrumente zum Schutz der Kulturlandschaft
Die Geschichte von Denkmalschutz und –pflege setzt in Schweden bereits im 17. Jahrhundert
mit staatlicher Inventarisierung und Kartierung von Bodendenkmälern ein.7
Die heute relevante Schutz- und Planungsgesetzgebung stammt teilweise aus dem Ende der
1980er Jahre: Das Kulturdenkmalgesetz 1988 (Kulturminneslagen) schützt Boden- und
Baudenkmäler und ihre unmittelbare Umgebung, das Naturschutzgesetz 1987
(Naturresurslagen) umfasst Umweltaspekte und führt den zentralen Begriff Kulturmilieu
(„kulturmiljö“) ein. Hinzu tritt seit 1999 die neue Umweltgesetzgebung (Miljöbalken) mit
weiteren Zuständigkeiten für die Kulturlandschaftspflege.
Gemäß dem Naturschutzgesetz wurden im Jahr 1987 Kulturmilieus von nationalem Interesse
ausgewiesen und beschrieben. Das Verzeichnis dokumentiert etwa 1700 Bereiche auf rund
200 Seiten.8 Diese Auswahl wurde 1996-97 überarbeitet und in einigen Fällen modifiziert.
Der im schwedischen Gesetz verwendete Begriff Kulturmilieu („kulturmiljö“) soll in den
folgenden Ausführungen übernommen werden. Er bezieht sich auf kulturell bedingte
Elemente und Eigenschaften in einer von Menschen beeinflussten und genutzten Landschaft.
Der als allgemeiner verstandene – aber rechtlich nicht definierte - Begriff Kulturlandschaft
wird ebenfalls verwendet, häufig um den Aspekt der Gesamtheit herauszustellen.
Die als „Kulturmilieu“ ausgewiesenen Landschaften und Bereiche beziehen Anlagen, die
nach dem Denkmalschutzgesetz geschützt sind, wie Bau- und Bodendenkmäler, mit ein. Doch
muss ein schützenswertes Kulturmilieu keine derartigen Anlagen enthalten. Stattdessen kann
es wichtig sein, dass es viele alltägliche oder typische Anlagen beinhalten, gute Beispiele für
humanökologische Verhältnisse bietet, historische Landnutzungsformen bewahrt hat, typische
kulturelle „Zeitbilder“ oder kontinuierliche, chronologische Sequenzen beinhaltet. Es ist die
Ganzheitlichkeit, die den Wert eines Kulturmilieus ausmacht, sozusagen die Verdichtung von
Informationen und Atmosphäre durch historische Elemente und Strukturen in der Landschaft.
Dem Kulturmilieu wird gesellschaftlich ein Wert oder Nutzen von großer Bedeutung
zuerkannt, als kulturelles Erbe aller und in jedermanns Verantwortung. 9
Erst nach der neuen Umweltschutzgesetzgebung von 1999 (Miljöbalken) sind diese
Kulturmilieus auch tatsächlich geschützt und zu pflegen. Die Handhabung dieser
ausgewiesenen „nationalen Interessen“ wird geregelt in 3 Kap. 6 §, nach dem diese Bereiche
gegen solche Eingriffe oder Maßnahmen zu schützen sind, die einen „offensichtlichen
Schaden“ verursachen können.
Zuständig für die Durchsetzung der staatlichen Aufgabe, der Kulturmilieupflege, gegenüber
den Kommunen sind die Bezirksregierungen. Die Kommunen haben in ihren
Flächennutzungsplänen (ÖV = Översiktsplan) die Kulturmilieus von nationalem Interesse
darzustellen. Dabei handelt es sich aber nicht nur eine nachrichtliche Übernahme, wie in
Deutschland, sondern es ist zusätzlich anzugeben, wie sich das jeweilige konkrete
Kulturmilieu für die kommunale Entwicklungsplanung sinnvoll nutzen lässt. Die Kommunen

6
    SPORRONG in Kulturlandskapet och bebyggelsen 1994, S.32.
7
    SCHNELL 1990, S.150.
8
    RIKSANTIKVARIEÄMBETET 1990.
9
    BLOMKVIST in Kulturminnen och Kulturmiljövård 1994, S.147, S.155.
144                                                              EVA EFFERTZ
___________________________________________________________________________
sind also gezwungen, sich mit positiven Szenarien zur Nutzung des kulturellen Erbes
auseinander zu setzen.10

Abbildung 1: Mit der Ausweisung von rund 1700 national bedeutsamen Kulturmilieus wird
die schwedischen Kulturlandschaft auch in großräumigen Bezügen geschützt, wie
beispielsweise im Regierungsbezirk Uppsala (Riksantikvarieämbetet 1990)

10
     TARSALA 2000; Riksantikvarieämbetet im Internet: www.raa.se/kml/index.asp.
KULTURLANDSCHAFTEN IN SCHWEDEN – SCHUTZ UND ENTWICKLUNG                  145
___________________________________________________________________________
         Aussagekraft der Kulturmilieus im Gesamtzusammenhang
Der Auswahl der Kulturmilieus durch das staatliche Amt für Denkmalpflege lag ein
übergeordnetes Leitbild, ein programmatischer Ansatz zugrunde: Die Aussagekraft der
ausgewählten Bereiche im Zusammenspiel soll ermöglichen, Hauptzüge der historischen
Entwicklung in der Landschaft wieder zu finden. Es fanden agrarische und maritime,
dörfliche und städtische sowie gewerbliche oder industrielle Milieus Berücksichtigung und
die Geschichte aller sozialen Gruppen einschließlich des samischen Kulturkreises war zu
berücksichtigen. Auch abstrakte Begriffe wie Kommunikation und Macht finden ihren
Niederschlag in der Kulturlandschaft und sind entsprechend ausgewiesen. Dieser
konzeptionelle Anspruch soll am Beispiel der Insel Gotland deutlich werden: Gotland hat eine
ausgesprochen reiche vorgeschichtliche Landschaft aus der im Mittelalter die Hansestadt
Visby hervorgetreten ist. Sie erlangte Wohlstand durch den Warenhandel der Hanse im
Ostseeraum und wurde im 13. Jahrhundert zur internationalen Großstadt mit einem großen
Anteil deutschsprachiger Bevölkerung. Doch Konflikte mit der übrigen Insel führten 1288
zum Krieg der Stadt gegen den Rest der Insel. Die Auswahl der Kulturmilieus auf Gotland
soll die historischen Macht-Spannungen zwischen Stadt (Visby) und Land erkennen lassen
und umfassen neben Visby als UNESCO-Weltkulturerbe sehr viele ländliche
Gemeindezentren mit den monumentalen mittelalterlichen Wehrkirchen, elf Hafenanlagen der
Dörfer („fiskeläge“) und fast alle Bauernhöfe mit mittelalterlicher Bausubstanz. 11
Damit wird und bleibt der rote Faden der Geschichte in der Landschaft erfahrbar durch die
Konservierung der Kulturmilieus als verdichtete Ensembles.
         Das kulturelle Erbe in der Gesellschaft: Umsetzung der Schutzgesetze
Die Planungsgesetzgebung beinhaltet die übergeordneten Gesichtspunkte und Interessen des
Kulturmilieuschutzes oder in der Umsetzung der Kulturlandschaftspflege. Ihre Umsetzung
erfolgt dreifach abgestuft:12
Die Kommunen sind inhaltlich und ökonomisch für die Kommunalplanung und Entwicklung
zuständig, damit auch für die Kulturmilieu- bzw. Kulturlandschaftspflege. Für Kirchen liegt
die Verantwortung bei den Kirchengemeinden.
Die Hauptverantwortung für die rechtliche Aufsicht über Kulturmilieuaspekte liegt bei den
Verwaltungen der Regierungsbezirke, die die meisten Angelegenheiten gemäß
Kulturdenkmalgesetz beschließen.13 Deren interne Organisation kann unterschiedlich sein.
Eine ungewöhnliche Konstruktion ist die nichtformalisierte Zuständigkeit der
Bezirksmuseen.14 In jedem Regierungsbezirk befindet sich ein Bezirksmuseum, das Natur,
Kultur und Geschichte der Region darstellt, erforscht und publiziert, zunehmend finden sich
im Rahmen der Forschungstätigkeiten auch kulturlandschaftliche Inventarisierungen. Die
Bezirksmuseen erhalten staatliche finanzielle Unterstützung für ihre Tätigkeit in der Beratung
und Unterstützung der Bezirksregierungen in der Kulturlandschaftspflege. Jeder
Regierungsbezirk hat ein regionales Bodendenkmalpflegeprogramm. Für jedes
Bodendenkmal existiert ein Pflegeplan mit Beschreibung, Zielsetzung und
Maßnahmenprogramm. Die Durchführung erfolgt gemeinsam mit den Forstämtern und den
genannten Museen, zunehmend auch mit den Kommunen. Die Unterschutzstellung eines
Baudenkmals (auch Parks und Gärten, Brücken etc.) erfolgt auf Regierungsbezirksebene,
wenn das Denkmal in privatem oder kommunalem Eigentum befindlich ist. Ist der Staat

11
     BLOMKVIST in Kulturminnen och Kulturmiljövård 1994, S.147-153.
12
     KULTURMINNEN och Kulturmiljövård 1994.
13
     Schweden ist in 20 Regierungsbezirke („län“) eingeteilt, die die Funktion der Mittelbehörde haben.
14
     „Länsmuseum“
146                                                              EVA EFFERTZ
___________________________________________________________________________
Eigentümer des Objekts, entscheidet die Regierung auf Vorschlag des staatlichen Amtes für
Denkmalpflege über die Unterschutzstellung.
Die Oberaufsicht über Denkmalpflege und die Kulturmilieu- oder -landschaftspflege wird
vom staatlichen Amt für Denkmalpflege in Stockholm ausgeübt, das für Forschung und
Entwicklung zuständig ist, insgesamt die Interessen von Denkmalschutz und –pflege und
explizit auch die der Kulturlandschaftspflege vertritt und mit anderen zentralstaatlichen
Ämtern zusammenarbeitet, wie dem Naturschutzamt oder dem Amt für Agrarwesen. Die
Tatsache, dass dieses Amt in einem Land von 9 Mio. Einwohnern rund 670 MitarbeiterInnen
hat (Jahresende 2001) betont die gesellschaftliche Wertschätzung des Themas Denkmalschutz
im weitesten Sinne.15

4. Ansätze zur Pflege und Entwicklung historischer Kulturlandschaften
Generell gehen Inventarisierungen kulturlandschaftlicher Werte oder Zustände umfassend in
die Bauplanung, Flächennutzungsplanung, aber auch in eine umfassender verstandene und
zukünftig in neuen Organisationsformen umzusetzende Regionalentwicklung ein. Anhand
von drei Beispielen gewerblich-industrieller, hauptstädtischer und peripherer
Kulturlandschaften sind konkrete Aspekte der Pflege und Entwicklung von
Kulturlandschaften in Schweden zu diskutieren.

4.1       Regionalentwicklung durch Ernennung zum Weltkulturerbe?
Die Welterbekommission der UNESCO hat im Dezember 2001 die „historische
Industrielandschaft um den Großen Kupferberg und die Stadt Falun“ in der
mittelschwedischen Provinz Dalarna zum Weltkulturerbe ernannt. Damit werden in der
gewerblich und industriell geprägten Kulturlandschaft intensive Hoffnungen auf
wirtschaftlichen Aufschwung gehegt.16
Ab Mitte der 1970er erfuhren in Schweden industrielle Kulturlandschaften eine positive
Bewertung. Vielerorts bedeutete die Erhaltung industrieller Kulturlandschaften oder
ihrer Bestandteile auch die Bewahrung der lokalen Identität.17 Industrie-Denkmalpflege
wird in hohem Maße als lokale und auch regionale Aufgabe angesehen und landesweit
sind rund 2000 Industriemuseen und didaktisch aufbereitete industriekulturelle
Ensembles bekannt.18
In Schweden wurden früh dezentrale Ansätze einer eigenständigen Regionalentwicklung
propagiert und umgesetzt, industrielle Kulturlandschaften erhielten bereichsweise eine
wichtige Rolle nach dem Leitbild „Industriekultur fördert Regionalentwicklung“. Die
Regionen Bergslagen mit einem der ältesten „Eko-Museen“ einschließlich UNESCO-
Weltkulturerbe Eisenhütte Engelsbergs Bruk und Uppland mit einem Netzwerk wallonischer
Eisenhütten nutzen ihre historische industriekulturelle Raumstruktur und -prägung als Motor
der Imagebildung für Regionalentwicklung und Fremdenverkehr. „Eisenreich“ Gästrikland,
„Holzreich“ Västernorrland und „Glasreich“ Småland entwickeln ein Image aufgrund ihrer
natürlichen Ressourcen, die historische Bedeutung für die Regionalentwicklung hatten und

15
      Riksantikvarieämbetet Årsredovisning (Jahresbericht) 2001, S. 11.
16
      KISTEMANN 2002.
17
      Vgl. dazu KISTEMANN 2000a.
18
      Vgl. z.B. KISTEMANN 1999, 2000b, 2000c.
KULTURLANDSCHAFTEN IN SCHWEDEN – SCHUTZ UND ENTWICKLUNG                  147
___________________________________________________________________________
teilweise noch immer von wirtschaftlicher Bedeutung sind. Stets profitieren Tourismus und
Handel von der historischen Industriekultur, die sich auch kulturlandschaftlich manifestiert.19
Das jüngste Projekt „Kopparberget“, der Kupferberg, etabliert ein weiteres Ekomuseum um
Dalarnas Provinzhauptstadt Falun. Bereits zu Beginn des ersten vorchristlichen Jahrtausends
gab es Montanaktivitäten im Bereich der heutigen Stadt Falun. Um 1650 stellte die Grube
über zwei Drittel der Weltkupferproduktion und förderte Gold und Silber, Blei, Zink und
Schwefelkies. Für die Expansionspolitik Schwedens im 16. und 17. Jahrhundert war der
„Große Kupferberg“ zentrale Rohstoffbasis, Falun war mit 6.000 Einwohnern zweitgrößte
Stadt des schwedischen Reiches und internationales Zentrum technologischer Innovationen.
Bergbaugeschichte, Gewerbetradition und Siedlungsgeschichte sind in der heutigen
Kulturlandschaft deutlich ablesbar: Die Grube selbst mit ihrem umfangreichen Tagebau und
unterirdischen Spuren stellt den Kernbereich des Schutzgebietes dar. Das Kupfergewerbe war
im 17. Jahrhundert mit rund 140 Kupferhütten vertreten, Betriebsgebäude blieben erhalten,
blassgelbe Steine auskristallisierten Schwefels finden sich auf den Schlackenhalden.
Transportwege bezeugen die vielfältigen Warenströme: Bauholz wurde aus den Wäldern zur
Grube, Erz von der Grube zu den Hütten, Rohkupfer von den Hütten zu den Waagen und von
dort zur Weiterverarbeitung im In- und Ausland transportiert. Wasserkraft war Energiequelle
und Voraussetzung für alle Aktivitäten, Stauteiche, Kanäle und Mühlgräben durchsetzen die
Kulturlandschaft. Die Stadt Falun weist Gruben- und Hüttenarbeitersiedlungen sowie
Bergmannshöfe und repräsentative Villen der Kupferhändler auf.20
Das Geltungsgebiet des Ekomuseums Kopparberg umfasst die Grube sowie große Teile der
Stadt Falun als Kerngebiet sowie in einem Radius von etwa 20 km weiten Bereichen der
bergmännisch geprägten Kulturlandschaft. Die wichtigste Aufgabe des Ekomuseums als
Institution wird in der Schaffung eines Netzwerks von Akteuren zur lokalen und regionalen
Entwicklung gesehen. Die Verantwortlichen vor Ort setzen auf die Förderung der lokalen und
regionalen Identität, von Kreativität und „Unternehmergeist“ am Ort und in der Region durch
die Ernennung als Weltkulturerbe der UNESCO.21
Fazit: Für Falun mit dem „Großen Kupferberg“ sind Schutzstatus und der Wille zu Pflege und
Entwicklung der charakteristischen Kulturlandschaft – als Ressource – sehr günstig zu
nennen.

4.2      Landnutzungskonflikte in der Hauptstadtregion Stockholm
Das Park-Gelände von Ulriksdal – Haga – Brunnsviken - Djurgården in der schwedischen
Hauptstadt Stockholm und der Nachbarstadt Solna ist seit dem 1.1.1995 zum ersten
„National-Stadt-Park“ Schwedens erklärt worden und unterliegt damit weitreichendem
Schutz. Das ausgewiesene Park-Gelände ist 27 km² groß, davon sind etwa zwei Drittel Land
und ein Drittel ist Wasser, es deckt sich größtenteils mit einem ausgewiesenen „Ekopark“.
Bereits im Verzeichnis der Kulturmilieus von nationalem Interesse von 1990 waren die
fraglichen Bereiche unter den beiden beteiligten Städten Stockholm und dem nordwestlich
anschließenden Solna mit ihren historischen und landschaftlichen Werten ausgewiesen und
benannt worden.22
Seit dem späten 17. Jahrhundert wurde das Gelände als zusammenhängendes königliches
Jagdgebiet nach kontinental-europäischen Vorbildern angelegt. Vier der zehn königlichen

19
      KISTEMANN 2001.
20
      NISSER 1993, SUNDSTRÖM 1998.
21
      Application for inclusion ... 1999, S.14-23.
22
      Stockholms län: Solna kommun Nr. 37, Stockholms kommun Nr. 115;Riksantikvarieämbetet 1990.
148                                                              EVA EFFERTZ
___________________________________________________________________________
Schlösser finden sich hier, englische Parks wurden an den Rändern des langgestreckten Sees
Brunnsviken angelegt. Mit der Anlage von Eisenbahnen, Industriegebieten und Hafen im
nördlichen Djurgården (= Tiergarten) seit dem späten 19. Jahrhundert und der Verwendung
als Verfügungsgelände für Stadterweiterung und Sondereinrichtungen wie Universität und
Museen wurde der Charakter dieses „königlichen Grüngürtels“ zwar beeinträchtigt. Dennoch
besitzen die Flächen, die diagonal die Hauptstadt durchziehen und nicht unwesentlich an
Wasserflächen gebunden sind, herausragende ökologische, kulturhistorische und touristische
Qualitäten.23
In der Umweltgesetzgebung wurde ein Zusatz hinsichtlich des National-Stadt-Parks
verankert: "Das Gelände Ulriksdal-Haga-Brunnsviken-Djurgården ist ein Nationalstadtpark.
In einem Nationalstadtpark dürfen neue Gebäude und Anlagen nur dann errichtet werden und
weitere Maßnahmen ergriffen werden, wenn sie keine Beeinträchtigung der Parklandschaft
oder der Natur verursachen und ohne dass die Natur- und Kulturwerte der historischen
Landschaft Schaden nehmen.“ Um die vielfältige Kulturlandschaft des National-Stadt-Parks
zu bewahren, ist neben den Kenntnissen der kulturlandschaftlichen Werte und der
Bereitstellung finanzieller Mittel auch eine Vision des kulturlandschaftlichen Potentials
erforderlich. Die Beschreibung und Charakterisierung der kulturlandschaftlichen Qualitäten
und ihrer Vielfalt beinhaltet die Forderungen nach der Bewahrung, Restaurierung und
Erneuerung der prägenden Bestandteile, nach einem Verzicht auf maßstabssprengende
Neubauten und einer Verbesserung der Zugänglichkeit. Das Leitbild sieht die Entwicklung
über Einzelschritte und –Maßnahmen zu einem Park im Stil der Romantik vor.24
Trotz der prominenten Schutzausweisung sind die Freiflächen des National-Stadt-Parks durch
die Landnutzungskonkurrenz großstädtischer Funktionen gefährdet. So sind im
Flächennutzungsplan für Stockholm sechs „Hauptbereiche der Veränderung“ ausgewiesen,
das Universitätsgelände im Ekopark ist eins davon.25 Erstes Resultat der ausgehenden 1990er
Jahre ist ein maßstabsprengendes und weithin sichtbares Physikzentrum. Weiterhin sind die
Landzungen zwischen den Wasserläufen schon in historischen Zeiten bedeutende
Verkehrswege von der Hauptstadt zu den nördlichen Landesteilen gewesen, deren weiterer
großmaßstäbiger Ausbau innerhalb des National-Stadt-Parks für die nahe Zukunft zu
befürchten ist.
Fazit: Die kritische Informations- und Öffentlichkeitsarbeit der Dachorganisation „Förbundet
för Ekoparken“, die sich 1992 als aus 45 Vereinen bildete, um den Ekopark zu forcieren und
seine Natur- und Kulturwerte gegen die Bedrohung der Nutzung dieser Freiflächen zu
verteidigen, ist im Sinne der behutsamen Kulturlandschaftsentwicklung weiterhin
erforderlich.26
4.3       Kulturlandschaft, Naturschutz und Tourismus auf einer Ostseeinsel
Die Insel Gotska Sandön ist ein Beispiel für eine Landschaft mit herausragenden
landschaftlichen wie kulturellen Werten. Sie ist als „Kulturmilieu von nationalem Interesse“
ausgewiesen27 und seit 1963 zum Nationalpark erklärt worden. Ein Zehntel der Insel (386 ha)
wurde bereits 1910 zum Nationalpark, gemeinsam mit acht anderen Gebieten als erste

23
      LINDER 1997, THURDIN 1995.
24
      KOINBERG 1995.
25
      [The] Stockholm City Planning Department (Hrsg.): Structure Plan for Stockholm. 1992.
26
      Der Förbundet för Ekoparken (FFE) stellt seine Aktivitäten auf der Internetseite www.ekoparken.org vor.
27
      Riksantikvarieämbetet 1990, Gotlands län Nr. 46.
KULTURLANDSCHAFTEN IN SCHWEDEN – SCHUTZ UND ENTWICKLUNG                  149
___________________________________________________________________________
Nationalparks Schwedens. Hier sind ökologische und kulturlandschaftliche Aspekte
abzustimmen.28

Abbildung 2: Kulturlandschaftspflege im Nationalpark Gotska Sandön: Die größte Fläche bleibt
natürlichen Prozessen vorbehalten, doch für 12 kulturhistorisch bedeutsame Gebiete werden
detaillierte Pflegepläne aufgestellt (Naturvårdsverket: Skötselplan bilaga 9)

Die Insel Gotska Sandön ist 9 km lang und 6 km breit. Ihre isolierte Lage in der Ostsee 40 km
nördlich von Gotland hat ihr das Attribut als einsamste oder isolierteste Insel der Ostsee
eingebracht. Es gibt keine dauerhafte Siedlung mehr auf der Insel. Die „Sandinsel“ tauchte
vor 5.000 Jahren aus dem Meer auf. Größeren Wanderdünen sind mächtige Randdünen
vorgelagert. In Strandnähe sind sie von Segge, Gras, Moos und Flechten bewachsen, im
Hinterland binden ausgedehnte Kieferwälder den Sand, es finden sich aber auch Waldpartien,
die von Wanderdünen überrollt wurden. Der höchste Punkt liegt 43m üNN. Der rund 4.500 ha
große Nationalpark hat 3.648 ha Landfläche, deren Nutzung wird dominiert von Nadelwald

28
     SKÖTSELPLAN 1990. - Grundsätzlich erfolgt seit 1998 eine formelle Zusammenarbeit zwischen den
     staatlichen Ämtern für Denkmalschutz und für Naturschutz. Unter Einbeziehung eines dritten Partners, dem
     staatlichen Amt für Bau- und Siedlungswesen, stehen dabei drei Fragenkreise im Vordergrund:
     „Zusammenarbeit zwischen Natur- und Kulturpflege im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung“, „Strategien
     und Argumente“ sowie „Methoden der Landschaftsanalyse“ (Riksantikvarieämbetet Årsredovisning 2000,
     S. 18).
150                                                              EVA EFFERTZ
___________________________________________________________________________
mit 2.913 ha, 542 ha Sanddünen und 186 ha Sandstränden, lediglich 6 ha Laubwald, 6 ha
Wiese und 13 ha Kulturfläche finden sich.29
Trotz der Dominanz naturlandschaftlicher Aspekte gibt es interessante kulturlandschaftliche
Zusammenhänge. Seit der späten Steinzeit haben sich gelegentlich Menschen auf Gotska
Sandön aufgehalten. Im Mittelalter gab es eine wohlhabende Bevölkerung auf der Insel.
Schriftliche Quellen aus dem 16. und 17. Jahrhundert bezeichnen die Insel als unbewohnt. Bis
Ende 18. Jahrhundert wurde sie von Einwohnern der Nachbarinsel Fårö extensiv saisonweise
für die Robbenjagd und als Schafweide genutzt. Ende 18. bis Mitte 19. Jahrhundert war die
Insel im Besitz von Kaufleuten und Unternehmern. Sie legten Gamla Gården (dt.: Alter Hof)
an, schufen erstmals Ackerflächen und hegten Weiden ein. Wirtschaftlicher Schwerpunkt war
die Forstwirtschaft mit Windsägen und Schiffsbau bei einer Bevölkerung von mehreren
hundert Personen. Als der letzte Inseleigentümer in Konkurs ging, erwarb der schwedische
Staat 1859 die Insel und legte einen Leuchtturm an, kurzzeitig einen zweiten. Die stationäre
Wohnbevölkerung bestand aus dem Leuchtturmpersonal, fünf Männer bzw. deren Familien.
Nach Schließung der Volksschule 1962 und bald folgender Umstellung auf automatisierte
Leuchtfeuer verlegten die Familien ihren Wohnort nach Gotland. Der Fremdenverkehr nahm
seit den 1950er Jahren allmählich zu. Ende der 1960er Jahre lag die Besucherzahl bei 1000
Personen im Jahr, als 1978 die Schiffsverbindung vom Festland aufgenommen wurde, erhöhte
sich die Anzahl auf 2.500 Personen im Jahr.30
        Entwicklungsaspekte
Das staatliche Amt für Naturschutz hat 1990 ein Pflegekonzept für die Insel aufgestellt, das
auch der Entwicklung der Kulturlandschaft Rechnung trägt. 31 Als Allgemeines Ziel (II 1.2.1)
sollen die natürlichen Prozesse der Inselbildung und -gestaltung in Zukunft im Vordergrund
der natürlichen Inselentwicklung stehen, die zukünftige Landschafts- und
Vegetationsentwicklung soll sich ohne menschliches Einwirken vollziehen. Festgelegte Wege
sind offen zu halten. Für einige kleine, kulturgeprägte Bereiche wie Heuwiesen,
Bodendenkmäler oder bebaute Bereiche bedarf es dennoch gewisser Rodungs- und
Pflegearbeiten, die aus Gründen der Denkmalpflege erforderlich sind. Der übrige Wald und
die Vegetation sollen im Naturpark – abgesehen von Maßnahmen zur Bekämpfung des
Waldbrandes – unberührt bleiben. Zu diesem Zweck ist der Nationalpark in 13 Pflegebereiche
aufgeteilt worden. Pflegebereich 1 umfasst alle Wald-, Strand- und Dünenbereiche und soll
der freien Vegetationsentwicklung überlassen bleiben mit Ausnahme kleiner Maßnahmen bei
eventuellen Boden- oder Kulturdenkmälern. Die übrigen 12 Pflegegebiete mit
kulturhistorischen Bezügen werden im Einzelnen detailliert behandelt. Zur Bewahrung der
Kulturlandschaft wird beispielsweise die Heumahd und Offenhaltung der Wiesen genau
reguliert, etwa für die Wiese an Gamla Gården und wie folgt beschrieben für die
Kapellenwiese: „Wiesenpflege auf traditionelle Art mit jährlicher Heumahd Mitte Juli. Nach
der Mahd soll das Gras etwa 10 Tage liegen bleiben, danach eingesammelt und kompostiert
werden. Keine Mahd nördlich der Kapelle. Die Haselsträucher sind bei Bedarf zu schneiden.
Beweidung mit Schafen ist zugelassen. Um den Vogelteich bleibt das Gras erhalten, außer
nach Südwesten hin“ (II. 1.2.3).
Zugang und Pflege der Gebäude sind ebenfalls geregelt. Die 1 ha große Fläche Gamla
Gården, das ehemalige Siedlungszentrum der Insel, wird beschrieben als „Offenes Grasland
mit einigen alten Eichen sowie im nördlichen Teil einige schöne Wacholder“, Pflegeziel ist
„Offenes Grasland mit historischen, rekonstruierten Gebäuden“. Entsprechend bestehen die

29
     HANNEBERG / LÖFGREN 1998, S.49.
30
     SILTBERG 1997³.
31
     NATURVÅRDSVERKET 1990.
KULTURLANDSCHAFTEN IN SCHWEDEN – SCHUTZ UND ENTWICKLUNG                  151
___________________________________________________________________________
Maßnahmen der Landschaftspflege in „Grasmahd nach Bedarf, frühestens am 15. Juli.
Eindringende Bäume oder Sträucher werden im Zusammenhang mit dem Mähen entfernt,
dabei werden einige schöne Wacholder am Rand ausgespart. Beweidung mit Schafen ist
zugelassen. Die Hausfundamente und Ruinen werden freigehalten von höherer Vegetation.
Sträucher und Bäume werden aus der unmittelbaren Nähe der Gebäude entfernt.“ Hier
existieren drei rekonstruierte Gebäude, die im Besitz des Naturschutzamtes sind und
unterhalten werden vom Heimatverein Gotska Sandö (II. 1.2.10).
Im Bereich des Gamla Gården entstehen gewisse Konflikte, da der Heimatverein historisch
nachgewiesene, aber nur noch in Fundamenten bestehende Gebäude rekonstruieren möchte,
andere Institutionen wie Naturpark und Staatliches Denkmalpflegeamt sind damit nicht
einverstanden.
Potentielle Bedrohungen der Insel stellen wirtschaftliche Aktivitäten dar: Die Pläne eines
Unternehmers, nahe der Insel Sand zu gewinnen sind jedoch abgewendet worden. Im Oktober
2000 wurde die Küste durch 8-10 t Öl verschmutzt, die in einem dreiwöchigen Arbeitseinsatz
freiwilliger Helfer aus dem Heimatverein bekämpft wurde. Das Öl wurde auf der Insel
kompostiert und biotechnologisch umgewandelt.32 Die Insel ist attraktiv für den Individual-
und Abenteuer-Tourismus, doch der Zugang ist stark eingeschränkt durch unregelmäßige und
unkomfortable Fährverbindungen, die Festlegung der Höchstzahl von 125 Gästen pro Nacht
und deren maximaler Aufenthaltsdauer von sieben Tagen sowie durch die Tatsache, dass auf
der Insel kein Geschäft existiert und damit keine Möglichkeit, Lebensmittel zu erwerben.
Fazit: Der dreifache Schutz der Insel als national bedeutendes Kulturmilieu, als Nationalpark
mit Pflegeplan und ihre eingeschränkte Zugänglichkeit sichern die kulturlandschaftlichen
Werte in ausreichender Weise.

         5.      Ausblick
Die Kulturlandschaftspflege in Schweden, ihre Organisation, Ziele und Instrumente, können
auch zukünftig mit Gewinn beobachtet werden.
In der Anwendung für Schutz und Pflege der Kulturlandschaften kommt mit der
Umweltgesetzgebung (Miljöbalken) von 1999 ein neues Schutzinstrument ins Spiel, das
„Kulturreservat“. Damit liegt ein Instrument vor, mit dem in „wertvollen, kulturell geprägten
Landschaften“ eine aktive Landschaftspflege, kein rein passiver Schutz, betrieben werden
kann. Drei Kulturreservate sind bis zum Jahr 2001 bereits eingerichtet worden,33 die
Einrichtung weiterer acht Kulturreservate ist für die nahe Zukunft vorgesehen. Insgesamt ist
für etwa 50 Kulturmilieus die Unterschutzstellung als Kulturreservat vorgesehen. Etwa die
Hälfte davon sind traditionell-agrarische Bereiche.34 Die Wirksamkeit des neuen Schutz- und
Entwicklungsinstruments bleibt zu überprüfen.
In der Forschung zeigt das Projekt „Moderne Landschaft mit Geschichte“ („Nutida landskap
med historia“) des Staatlichen Amtes für Denkmalpflege neue Dimensionen und Erkenntnisse
der Wahrnehmung durch die Bevölkerung und behördlicher Erwartungen an
Kulturlandschaften und das landschaftsgebundene kulturelle Erbe auf.35

32
     ELVERS 2001.
33
     Eine umfangreiche Hofanlage in Östergötland, Smedstorps dubbelgård in Ydre, und der Hof Juhola
     finngård in Värmland sowie das Dorf Åsen in Småland, dessen bereits bestehender Schutzstatus von einem
     Naturreservat in ein Kulturreservat umgewandelt wurde.
34
     Riksantikvarieämbetet Årsredovisning 2001, S.16.
35
     Burström 2000, Tarsala 2000.
152                                                              EVA EFFERTZ
___________________________________________________________________________
        Literatur
Application for inclusion on the world heritage list. The Great Copper Mountain and its Cultural Landscape in
  Falun, Sweden. 1999.
BLOMKVIST, NILS: Riksintressen – att göra historien synlig. In: Kulturminnen och kulturmiljövård. Sveriges
  Nationalatlas. Redaktion: SELINGE, KLAS-GÖRAN. Höganäs 1994. S. 146-153.
BURSTRÖM, MATS: Present-day Landscapes with a History. In: National Heritage Board (Hrsg.): Projects and
  Progress in Archaeology at the Swedish National Heritage Board. Stockholm 2000. S. 24-26.
ELVERS, ERIK: Oljeutsläppet vid Gotska Sandön. In: NOS. Medlemsorgan för Föreningen Natur och Samhälle i
   Norden. Nr. 1, 2001, S. 11-14.
HÄGERSTRAND, THORSTEN: Die Kräfte, welche die schwedische Kulturlandschaft formten. In: GEIPEL, ROBERT
  u.a. (Hrsg.): Kulturlandschaft und Freizeitraum in Schweden. Kallmünz / Regensburg 1989. S. 15-60. =
  Münchener Geographische Hefte Nr. 62.
HANNEBERG, PETER UND ROLF LÖFGREN: Nationalparks in Schweden. Stockholm 1998.
HELMFRID, STAFFAN: Genetische Siedlungsforschung in Schweden mit besonderer Berücksichtigung der
  Siedlungsgeographie. In: FEHN, KLAUS U.A. (Hrsg.): Genetische Siedlungsforschung in Mitteleuropa und
  seinen Nachbarräumen. Bonn 1988, S. 201-212.
KISTEMANN (JETZT: EFFERTZ), EVA: Eisenbahn und Denkmalpflege in Schweden. Tag des Denkmals 1999. In:
   industrie-kultur 4, 1999, S.12-13.
KISTEMANN (JETZT:EFFERTZ), EVA: Gewerblich-industrielle Kulturlandschaft in Schutz- und Planungskonzepten.
   Bergisch Gladbach 1820-1999. Essen 2000. (=2000a)
KISTEMANN (JETZT:EFFERTZ), EVA: Die Ölinsel „Oljeön“. Das Industriedenkmal des Jahres 1999 in Schweden.
   In: industrie-kultur 2, 2000, S.30-31. (= 2000b)
KISTEMANN (JETZT:EFFERTZ), EVA: Wira Bruk – Waffenschmiede der Großmacht Schweden. In: industrie-kultur
   4, 2000. (= 2000c)
KISTEMANN (JETZT:EFFERTZ), EVA: Industrielle Kulturlandschaften in Schweden: Nachhaltige
   Regionalentwicklung durch Kulturlandschaftspflege und Tourismus. In: Kulturlandschaftsforschung und
   Industriearchäologie. Hrsg.: F.N.NAGEL. = Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg, Band
   91. Hamburg 2001. S.69-100.
KISTEMANN (JETZT:EFFERTZ), EVA: Kupfergrube Falun / Schweden: Industrielle Kulturlandschaft als
   Weltkulturerbe der UNESCO. In: industrie-kultur 3, 2002.
KOINBERG, STURE: Drömmen om Haga. In: Ekoparken. Nationalstadsparken Ulriksdal – Haga – Brunnsviken –
  Djurgården. Uppsala 1995. S. 171-183.
Kulturlandskapet och bebyggelsen. Sveriges Nationalatlas. Redaktion: STAFFAN HELMFRID. Höganäs 1994.
Kulturmiljö – Historien in landskapet. Redaktion: NILS BLOMKVIST. Arlöv 1990.
Kulturminnen och kulturmiljövård. Sveriges Nationalatlas. Redaktion: SELINGE, KLAS-GÖRAN. Höganäs 1994.
LINDER, PER: The First National City Park in Sweden. In: Swedish Planning. Towards Sustainable Development.
   Hrsg.: GUINCHARD, CLAES GÖRAN. Gävle 1997. S. 126-129.
Naturvårdsverket (Hrsg.): Skötselplan för Gotska Sandöns nationalpark. Solna 1990.
NISSER, MARIE: Tidig gruvindustri – Falu koppargruva, Dalarna. In: Läsa Landskap. En fälthandbok om svenska
   kulturmiljöer. Stockholm 1993. S.96-97.
RENTZHOG, SVEN: Digital Historical Maps for Cultural Heritage Management. In: National Heritage Board
  (Hrsg.): Projects and Progress in Archaeology at the Swedish National Heritage Board. Stockholm 2000. S.
  27-28.
KULTURLANDSCHAFTEN IN SCHWEDEN – SCHUTZ UND ENTWICKLUNG                  153
___________________________________________________________________________
RIKSANTIKVARIEÄMBETET (Hrsg.): Riksintressanta Kulturmiljöer i Sverige. Förteckning. Underlag för
   tillämpning av naturresurslagen 2 kap 6 §. Stockholm 1990.
RIKSANTIKVARIEÄMBETET: Årsredovisning 2000.
RIKSANTIKVARIEÄMBETET: Årsredovisning 2001.
SCHNELL, JAN-BERTIL: Hur kann vi skydda och vårda våra kulturmiljöer? In: Kulturmiljö. Historien i landskapet.
   Arlöv 1990. S. 145-163.
SILTBERG, TRYGGVE: Gotska Sandöns historia – en översikt. In: Gotska Sandön. En tvärfacklig beskrivning.
   Hrsg.: Föreningen Natur och Samhälle i Norden. Halmstad 1997³. S. 101-133.
SOYEZ, DIETRICH: Geowissenschaften und Naturschutz in Schweden. In: Erdkunde Bd. 27, 1973, S.140-146.
SPORRONG, ULF, EKSTAM, URBAN UND KJELL SAMUELSSON: Swedish Landscapes. Värnamo 1995.
[THE] STOCKHOLM CITY PLANNING DEPARTMENT (Hrsg.): Structure Plan for Stockholm. 1992.
SUNDSTRÖM, KJELL: Falubygden berättar. Kulturmiljöprogram för Falu kommun. Hrsg.: Falu kommun. Falun
   1998.
TARSALA, ILSE: Statsmakterna och landskapsvärden (Projektbericht, unveröff. Manuskript). Stockholm 2000.
THURDIN, GÖREL: Nationalstadsparken Ulriksdal – Haga – Brunnsviken – Djurgården. In: Ekoparken.
  Nationalstadsparken Ulriksdal – Haga – Brunnsviken – Djurgården. Uppsala 1995. S. 147-156.

Die Autorin:
DR. EVA EFFERTZ
Reuterstr. 208
D-51467 Bergisch Gladbach
Tel. +49 (0)2202 250560
land.und.leute@netcologne.de
www.landundleute-kontor.de
Sie können auch lesen