Klima- und Kulturgerechtes Bauen Bauen in unterschiedlichen Klimazonen I Leseprobe - Master Online Klima- und ...
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Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministerium für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 16OH22045 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor/ bei der Autorin. Master Online Klima- und Kulturgerechtes Bauen Klima- und Kulturgerechtes Bauen - Bauen in unterschiedlichen Klimazonen I Leseprobe Prof. Dr.-Ing. Schew-Ram Mehra Pia Krause, M.Sc. Adrian Eitle, M.Sc. Gefördert durch:
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2 2. Bauliche Maßnahmen in der trocken-warmen Klimazone 3 2.1 Autochthone Gestaltungsprinzipien 4 2.2 Zeitgenössische Architektur – University of Qatar 14 3. Bauliche Maßnahmen in der feucht-warmen Klimazone 21 3.1 Autochthone Gestaltungsprinzipien 22 3.2 Zeitgenössische Architektur – Primary School in Gando 27 Literaturverzeichnis 33
2 1. Einleitung Der Forscher und Planer Victor Olgyay machte bereits im Jahr 1963 darauf aufmerksam, dass durch die Gestaltung der Gebäude die natürlichen Ressourcen der Umgebung zur positiven Beeinflussung des Mikro - und Raumklimas bestmöglich auszunutzen sind [19]. Bild 1 zeigt die sogenannte bioklimatische Chart nach [19]. Das Diagramm bezieht die Parameter Raumlufttemperatur und relative Feuchte auf den menschlichen Komfort. Weiter bewertet es die potenzielle Anwendbarkeit ausgewählter bioklimatischer Maßnahmen (z.B. passive Solarheizung, natürliche Belüftung, hohe thermische Masse usw.), um die gewünschten Komfortbedingungen durch passive, bauliche Designelemente zu erzielen. Bild 1: Bioklimatische Chart zur Darstellung von Maßnahmen zum klimagerechten Bauen nach [19].
3 Der Einsatz von bioklimatischen Maßnahmen zur bewussten Beeinflussung des Innenraumklimas ist insbesondere bei autochthonen Bauten hervorragend zu erkennen (vgl. Lernmodul 1 – KKB Ziele und Grundprinzipien). Aber auch ausgewählte Beispiele von zeitgenössischen Bauten setzen bioklimatische Maßnahmen entsprechend Bild 1 um. Das Lernmodul 4 – KKB Bauen in unterschiedlichen Klimazonen l befasst sich mit dem klimagerechten Bauen sowohl von autochthonen, als auch von zeitgenössischen Bauten in den Klimazonen trocken – warm sowie feucht – warm. Darauf aufbauend werden im Lernmodul 5 – KKB Bauen in unterschiedlichen Klimazonen ll die Klimazonen kalt und gemäßigt behandelt. 2. Bauliche Maßnahmen in der trocken-warmen Klimazone Wie im Lernmodul 3 – Meteorologische Grundlagen ausführlich dargestellt, zeichnet sich das Klima in der trocken-warmen Zone durch intensive Sonneneinstrahlungen, hohe Tag-/ Nachttemperaturdifferenzen und geringe Niederschlagsmengen aus. Bild 2 zeigt die Spanne von Außentemperatur und relativer Feuchte der Monate Juli und Januar der Stadt Teheran im Iran bezogen auf das bioklimatische Diagramm. Entsprechend Bild 2 kann das Innenraumklima bei Bauten in Teheran durch den richtigen Umgang mit solaren Energien, natürlichen Belüftungssystemen, dem Einsatz von Speichermasse sowie Kühlung durch Transpiration und Evaporation positiv beeinflusst werden. Im Folgenden werden diese Prinzipien anhand von gebauten Beispielen näher erläutert.
4 Bild 2: Bioklimatische Chart zur Darstellung von Maßnahmen zum klimagerechten Bauen der Stadt Teheran nach [19]. 2.1 Autochthone Gestaltungsprinzipien Außenraum und Bauform Historisch gewachsene Städte in der trocken-warmen Klimazone weisen eine dichte Siedlungsstruktur mit engen Gassen auf. Dadurch wird die solare Einstrahlung auf die opaken und transparenten Bauteile reduziert (vgl. Bild 3) [26]. Weiter ist aus Bild 3 das hohe Vorkommen von begrünten Innenhöfen zu erkennen. Die Kubatur der Hofhäuser begünstigt zum einen die gegenseitige Verschattung der Fassadenteile (vgl. Lernmodul 2 – SBP Einfluss der Bebauung auf die Temperatur und Bild 4). Zum anderen kann durch den Einsatz von Wasser und Bepflanzungen im Innenhof das Mikroklima durch Transpiration und Evaporation positiv beeinflusst werden.
5 Bild 3: Qaleh kohneh-Viertel in der Stadt Yazd, Iran [8]. Bild 4: Verschattung des Innenhofes eines Gebäudes im Oman [18].
6 In [14] wurden traditionelle Hofhäuser in Damaskus und deren Wirkungsweisen messtechnisch untersucht. Bild 5 stellt zusammengefasst die Ergebnisse eines sogenannten Fakhry Hofhauses mit den Lufttemperaturverläufen von Innenhof und -raum im Vergleich zu den Außentemperaturen über drei Tage dar. Die Temperaturen des Innenhofes sind im Vergleich zu den Außentemperaturen deutlich geringer. Maximal werden im Hof Temperaturen von 32 °C erreicht; im Außenraum steigen diese hingegen auf bis zu 41 °C an. Eine weitere Reduzierung der Temperaturen wird in dem nördlichen Wohnraum erzielt. Die maximalen Temperaturen liegen hier bei 28 °C. Bild 5: Messtechnische Untersuchung eines traditionellen Hofhauses in Damaskus [14]. Neben dem gängigen, und häufig vorkommenden Flachdach, ist die gewölbte Dachform ein typisches Designelement im trocken-warmen Klima (vgl. Bild 6). Diese Dachform wird häufig mit einem Windturm kombiniert und weist gegenüber dem Flachdach einige Vorteile auf. Unter dem gewölbten Dach sammelt sich, aufgrund der geringeren Dichte von warmer Luft gegenüber kalter Luft (thermische Schichtung), die erwärmte Luft. Entsprechend weist der Wohnraum niedrigere Raumtemperaturen als der Dachraum auf. Aufgrund der hohen Temperaturen im Dachraum, wird zusätzlich der Wärmestrom durch Leitung von außen nach innen begrenzt.
7 Die Luftzirkulation bzw. die Kühlungseffektivität kann darüber hinaus durch Öffnungen im Dach erhöht werden. Wenn Luft über eine gekrümmte Fläche strömt, nimmt ihre Geschwindigkeit zu, was zu einem Absinken des Drucks an der Spitze des gewölbten Daches (d.h. an den Öffnungen) führt und einen Unterdruck erzeugt. Die warme Luft strömt durch die Öffnungen nach außen, zieht frische Luft von außen nach und fördert dadurch eine stetige Rumluftzirkulation [3]. Bild 6: Skizze eines gewölbten Daches mit Öffnung inkl. bauphysi- kalischer Effekte nach [3]. Speichermasse Eines der bedeutendsten passiven Designelemente in der trocken-warmen Klimazone stellt der Einsatz von Speichermasse dar. Speichermasse nimmt über den Tag Wärmeenergie auf und reduziert dadurch die Temperaturspitze im Gebäudeinneren. In der Nacht wird die Wärmeenergie wieder an die kühle Umgebung abgegeben. Als Speichermasse fungierte bei autochthonen Bauten insbesondere Erde in Form von Lehm, luftgetrocknetem Lehmziegel sowie gebranntem Ziegel. Diese Baustoffe besitzen ein hohes Wärmespeichervermögen und eine relativ niedrige Wärmeleitfähigkeit. Die
8 massiven Baumaterialien stellten zudem auch bei ungünstigen Klimaverhältnissen das Funktionieren der Windtürme (vgl. folgender Abschnitt) sicher. Die direkte Nutzung von Erde bzw. Gestein erfolgte im trocken -warmen Klima auch bspw. durch sogenannte „Erdwohnungen“. Bild 7 zeigt Erdwohnungen aus dem Nord-Iran. Hier wurde sich das Erdreich als Wärmetauscher mit einer hohen Wärmekapazität zu Nutze gemacht, wodurch im Inneren der Wohnungen die Lufttemperatur ganzjährig auf ca. 22 °C gehalten werden konnte (bei Außenlufttemperaturen von 40 bis 45 °C) [7]. Bild 7: Erdwohnungen im Nord-Iran [7]. Belüftung - Windturm Bereits vor etwa 1300 Jahren wurde der Windturm als Designelement vor allem im Iran erbaut. Danach hat sich diese Bauweise in anderen Ländern im Nahen Osten z.B. Irak, Dubai und Katar verbreitet [4]. In verschiedenen Regionen existieren unterschiedliche Typen von Windtürmen, deren Form und Funktion von den jeweiligen klimatischen Bedingungen der Regionen abhängig sind. Zu den am häufigsten vorkommenden Typen gehören der „Malqaf“ und der „Badgir“.
9 Der Malqaf wurde zur Hauptwindrichtung ausgerichtet und ist deswegen nur für eine spezifische Windrichtung wirksam. Gegenüber dem Malqaf kann der Badgir (eine verbesserte Version des Malqafs) Wind aus mehreren Richtungen ab- bzw. einfangen. Der Badgir hat Öffnungen auf mehreren Seiten [4]. Dadurch wurde die Effektivität der Gebäudebelüftung auch bei wechselnder Windrichtung sichergestellt. Bild 8: Links – Skizzenhafter Schnitt eines Malqafs [25] Rechts – Fotographie eines Badgirs [10]. Je nach Tageszeit und Windverhältnissen hat der Windturm (Badgir) verschiedene Funktionsprinzipien: - An windstillen Tagen strömt die warme Außenluft langsam durch die Öffnungen in den Windturm. Diese warme Luft wird durch die kälteren massiven Wände des Turms abgekühlt und sinkt anschließend aufgrund der vergrößerten Dichte nach unten ab. Dadurch strömt die kühle Luft in die Wohnräume und verdrängt die vorhandene warme Innenluft über den von der Windseite abgewandten Schacht sowie über die Fenster und die Türen. - In einer windstillen Nacht dreht sich die Strömungsrichtung um und der Windturm funktioniert wie ein Kamin. Die warmen massiven Wände erwärmen in der Nacht die Luft im Schacht (aufgrund der Phasenverschiebung im Lehm) sowie die Luft in den Innenräumen. Die
10 Dichte der Luft nimmt dadurch ab und steigt im Turm hoch. Dabei wird frische Luft durch Fenster und Türen des Gebäudes nachgezogen. - Weht Wind in der Nacht, gelangt dieser in Form von kalter Luft durch die Öffnungen der Windtürme ins Innere. Durch einen Unterdruck an der Öffnung des Windturmes und dem Auslass im Raum wird Luft von dem Wohnraum herangezogen und die Luftzirkulation wird gefördert (vgl. Bild 9). Bild 9: Statistisches Druckbild eines traditionellen Verdunstungskühlwindturm mit einer Einströmgeschwindigkeit von 3 m/s [11]. Die Wirkungsweise des Windturmes ist am effektivsten wenn das Gebäude mit weiteren passiven Designelementen gekoppelt ist. So ist beispielsweise die Verbindung mit einem Innenhof oder unterirdischen Räumen sinnvoll. Bild 10 zeigt die Effektivität eines Windturms in Verbindung mit einem unterirdischen Raum. In [13] wurden die Temperaturen eines solchen Gebäudes messtechnisch erhoben. Bild 11 stellt die in [13] erhobenen Ergebnisse über den Verlauf von 24 h dar. Die Innentemperatur im Keller ist über den gemessenen Zeitraum stets niedriger als die Außentemperatur. Die größte Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Außentemperatur ist um 16 Uhr mit 14 K.
11 Bild 10: Funktion eines Windturmes in Verbindung mit einem Kellerraum und einem Innenhof nach [13, 25]. Bild 11: Vergleich der Außen- und Innenlufttemperatur im Keller [13].
12 Die Kühlwirkung eines Windturms kann durch den Effekt der Verdunstungskühlung zusätzlich gefördert werden und dadurch die Innenraumbehaglichkeit weiter verbessern. In vernakularen Bauten wurde der Effekt der Verdunstungskühlung vielzählig eingesetzt. Beispielsweise wurde die Effektivität von Windtürmen, durch die Installation eines kleinen Brunnens im Windturm verbessert. Diese sind insbesondere in der Stadt Yazd im Iran vorzufinden. Bevor die warme Luft ins Gebäude tritt, strömt diese über die Wasserfläche des Brunnens. Dabei wird sensible (fühlbare) Wärme der Luft aufgrund von Wasserverdunstung entzogen und erzeugt dadurch eine Absenkung der Lufttemperatur. Die Effektivität dieses Kühlungsvorgangs hängt von der Luftgeschwindigkeit und -feuchtigkeit ab und ist besonders im trocken-warmen Klima aufgrund der extrem trockenen Luft wirksam. Neben der Luftkühlung durch Wasserverdunstung an der Oberfläche des Brunnens fand auch eine Kombination aus Tropfkammern und befeuchteten Kohleschüttungen Verwendung (vgl. Bild 12) [15]. Durch die Vergrößerung der Kontaktfläche der Luft mit dem Wasser erhöht sich dabei die Wirkung der Verdunstungs kühlung. Bild 12: Tropfkammern mit Wasseroberfläche in einem Malqaf [25].
13 Eine weitere Möglichkeit der Verdunstungskühlung wurde durch die Einbeziehung eines unterirdischen Bachs als passives Designelement erzeugt. Ein Beispiel stellt das Bild 13 dar. Die Luft aus dem Windturm strömt durch eine Tür über der Schachtöffnung in den Keller. Da die Türöffnung kleiner ist als die Windturmöffnung, nimmt die Strömungsgeschwindigkeit bei gleichbleibendem Luftvolumen im Türbereich zu. Somit reduziert sich der Luftdruck im Türbereich. Ein weiterer Schacht im Außenraum fördert Frischluft im Bachverlauf. Durch die erzeugte Druckabnahme im Türbereich wird die abgekühlte Luft aus dem unterirdischen Schacht in den Keller geleitet. Durch die konstante Kühle solcher unterirdischen Bäche über den Jahresverlauf, sind diese Systeme im Allgemeinen sehr effektiv. Stand kein unterirdischer Bach zur Verfügung, wurden auch unterirdische Luftkanäle aufgrund der hohen Speichermasse des Erdreichs als Lufterdwärmetauscher eingesetzt [3]. Bild 13: Passive Kühlung durch Windturm und unterirdischen Bach [3].
14 2.2 Zeitgenössische Architektur – University of Qatar Im Jahr 1973 wurde der ägyptische Architekt Kamal El Kafrawi von der UNESCO beauftragt erste Studien für Bildungseinrichtungen, sogenannte Colleges, für den Standort Doha durchzuführen. Die Universität wurde schließlich im Jahr 1977 mit den Colleges für Bildung, Geistes - und Sozialwissenschaften, Scharia-, Recht-, und Islamwissenschaften sowie Natur- , Human-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften in Betrieb genommen. Bild 14 zeigt ein Luftbild des Universitätsgeländes. Es ist zu erkennen, dass der Campus aus vielen Gebäuden, ähnlich wie die Altstadtstruktur von Yazd oder Qatar besteht. Die Grundstruktur der Bauten basieren auf derselben Rasterform von 8,4 m x 8,4 m großen Oktogonen und 3,4 m breiten Qu adraten [24]. Bild 14: Luftbild des Universitätsgeländes [22]. Ein Vorlesungssaal ist oktogonal und mit mindestens zwei quadratischen Lobbys mit je einer Breite von 3,4 m verbunden. Die erste Lobby wird als Eingang verwendet, während die zweite als natürliche Lichtquelle, Aufenthalts - und Übergangsraum für die Studierenden dient. In Bild 15 ist die Kubatur eines
15 typischen Vorlesungssaals inkl. Aufenthalts- und Übungsraum der Universität zu sehen. Bild 15: Kubatur eines Seminar- bzw. Vorlesungssaal [24]. Die Oktogone laufen pyramidenförmig zusammen, sodass auf dem Dach eine quadratische Grundfläche entsteht an dieser jeweils ein Windturm platziert ist. Die oktogonale Form wurde aus mehreren Gründen gewählt. Zum einen handelt es sich dabei um eine geeignete Form als Unterbau der quadratischen Windtürme. Außerdem erlaubt die Form viele verschiedene Tischgruppierungen um die Hörsäle auch für wechselnde Veranstaltungen sinnvoll gestalten zu können. Primär wurde zum Bau der Universitätsgebäude Beton verwendet. Dabei wurde sowohl auf Ortbeton als auch auf vorgefertigte Elemente für die äußere Fassadenbekleidung zurückgegriffen. Tabelle 1 gibt den Aufbau einzelner Bauteile sowie den dazugehörigen Wärmedurchgangskoeffizienten wieder.
16 Tabelle 1: Zusammenfassung Bauteile der Universität Katar [24]. University Qatar Bauteil Aufbau von Außen nach Innen U-Wert Skizze Betonpaneele 10 cm Außenwand Mineralfaser 10 cm 0,3 W/m²K Ortbeton 50 cm Betonplatte 25 cm Dach EPS Dämmung 10 cm 0,3 W/m²K Innenputz 1,5 cm Terrazzo Oberschicht 1,5 cm Terrazzo Unterschicht 3,5 cm EPS Dämmung 10 cm Decken 0,3 W/m²K Betonplatte 25 cm Innenputz 1,5 cm Bauliches Konzept Der Architekt Kamal El Kafrawi führte während der Planungsphase der Universität mehrere Studien durch, die sich sowohl auf die klimatischen als auch auf die sozial-kulturellen Faktoren in Katar bezogen. Kafrawi erkannte einen starken Einfluss der traditionellen Lebensweise der Beduinen. Dennoch beschloss Kafrawi, dass die direkte Übertragung und das sture Festhalten an traditionellen Bauweisen ohne eine Verbesserung durch moderne Techniken ein Fehler wären. In gleicher Weise wäre es aber auch falsch, Gebäudekonzepte beispielsweise aus Amerika zu importieren, da diese nicht ausreichend den gesellschaftlichen und kulturellen Ansprüchen sowie den islamischen Werten der Nutzenden entsprechen. Demnach definierte Kafrawi das Ziel traditionelle Elemente bei der Gestaltung der Gebäude aufzugreifen sowie diese durch moderne Techniken zu bereichern [24]. Bei den Gebäuden der Universität sind viele Elemente der arabischen Architektur wiederzufinden, die in gleicher Weise eine klimagerechte Architektur repräsentieren. Die Baukörper bzw. Oktogone sind so angeordnet,
17 dass durch den Wechsel von Innen- und Außenraum stets ein Innenhof entsteht. Wie bereits erläutert, haben Innenhöfe in der trocken -heißen Klimazone eine wichtige bauphysikalische Bedeutung. Durch die sich gegenseitig verschattenden Fassaden und durch die Vegetation im Hof, entsteht ein eigenes, wesentlich angenehmeres Mikroklima. Außerdem dienen die Innenhöfe in traditionellen, arabischen Gebäuden als gesellschaftlicher Treffpunkt. Dieses Prinzip wurde bei der Universität übertragen; hier dienen die Höfe als Übergangs-, Aufenthalts- und Lernplatz. Die Fassaden der dem Hof zugewandten Seiten bestehen aus Mashrabiya- Wänden. Mashrabiya-Wände stammen aus der traditionellen islamischen Architektur und sind dekorative Holzgitter. Sie dienen als Lichtfilter und bieten Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung. Weiter fördern sie die Wahrung von privater und religiöser Sphäre ohne die dahinterliegenden Räume voll ständig zu isolieren. Durch die Holzgitter kann Luft hindurchzirkulieren und diffuse Strahlung in den Raum gelangen. Durch die stetig zirkulierende Luft von Hof und Innenraum sind die Mashrabiya-Wände für die Funktion der Windtürme bedeutend [24]. Bild 16: Links – Fotographie der Mashrabiya Wänden vor dem Innenhof . Rechts – Fotographie eines Innenhofes [24].
18 Bild 17: Abbildung zur Wind- und Orientierungsstudie der Bauten [23]. Die Orientierung der Bauten ist für die Windzirkulation und das Funktionieren der Windtürme ebenfalls von Bedeutung. Wie in Bild 17 zu sehen ist, wurden mehrere Studien durchgeführt und entsprechende Erkenntnisse abgeleitet. Die Bauten wurden 90° zur Windrichtung errichtet, um die Durchlüftung der Räume zu maximieren. Dabei wurde ebenfalls beachtet, dass mit dem Wind auch feine Sandkörner aus der nördlich gelegenen Wüste mittransportiert werden. Durch die Orientierung der Öffnungen in Richtung Innenhöfe sind die Räume dennoch
19 vor Sandeintrag geschützt. Zudem wurde die Fassadenoberfläche so gestaltet, dass der feine Wüstensand nicht an dieser haften bleibt. Wie bereits erläutert stellen die Windtürme ein wichtiges passives Design - Element dar. Beim Zirkulieren der Luft durch den Windturm gibt die Zuluft, die im Vergleich zum Baustoff des Turms nur über ein geringes Wärmespeichervermögen verfügt, Energie an die kühlere Masse des Gebäudes ab. Die Abkühlung der eintretenden Außenluft führt zu einer Luftdichteerhöhung, wodurch diese absinkt und warme Innenraumluft entweicht. Bild 18: Fotographie der Windtürme [24]. Zur Unterstützung des Windturms dient die Speichermasse . Tagsüber ist es in Doha wesentlich wärmer als in der Nacht, sodass sich die Bauteile über den Tagesverlauf erwärmen. Durch die hohe Wärmekapazität der Bauteile wird die Temperatur im Bauteile jedoch nur allmählich und zeitverzögert höher. Gleiches gilt für die Innenraumtemperatur. Durch das TAV (vgl. Lernmodul 1 – KKB Ziele und Grundprinzipien) sind in dem Gebäude der Universität am späten Abend, wenn im Allgemeinen keine Veranstaltungen mehr stattfinden, die Tageshöchstwerte zu verzeichnen. Da es in den Abendstunden bzw. in der Nacht außen kälter als innen ist, geben die Bauteile die gespeicherte Wärme wieder nach außen ab, sodass sie bis am Morgen abgekühlt sind und der
20 Prozess von vorne beginnt. Dieser Prozess ist dem Bild 19 zu entnehmen. Dargestellt ist der Temperaturverlauf einer nach Süden gerichteten Außenwand eines Seminarraumes bzw. Vorlesungssaal. Oben ist der Verlauf am Tag um 13 Uhr dargestellt, unten in der Nacht um 24 Uhr. Bild 19: Temperaturverlauf einer südlichen Außenfassade um 13 Uhr (oben) sowie um 24 Uhr (unten). Wenn außenseitig ein Temperatursturz z.B. die Nachtkühle einsetzt, kühlt sich das Bauteil nach außen hin ab. An der Innenoberfläche des Bauteils ist der Temperatursturz zunächst noch nicht spürbar. Die nach außen abfließende Wärme kommt daher nicht vom Innenraum, sondern stammt aus dem Bauteil selbst. Das Bauteil zehrt gewissermaßen aus seinem Energievorrat, es wird „entladen“. Im Falle einer Erwärmung z.B. am Tag setzt der umgekehrte Vorgang ein. Das Bauteil speichert die Wärme. Wichtig ist, dass eine Wärmespeicherung nur dann wirksam wird, wenn sich die Temperaturen zeitlich ändern. D.h. in der feucht-warmen Klimazone, in der die Tag- und Nachttemperaturdifferenz gering ausfallen, ist die Speichermasse kontraproduktiv. Zudem ist die Wärme- speicherung an den sogenannten "instationären" Temperaturzustand gebunden. Im stationären Zustand tritt keinerlei Speicherung auf. Schlussfolgerung
21 Zur Zeit der Planungs- und Ausführungsphase der Gebäude herrschte weltweit ein noch relativ junges Umweltbewusstsein. Erst die Energiekrise in den 1970er Jahren, von der Katar jedoch gänzlich unberührt blieb, änderte insbesondere im europäischen Raum die Sichtweise auf den Umgang mit Ress ourcen. Umso bemerkenswerter ist es, dass sich Kafrawi das Ziel setzte, sowohl eine dem Klima, als auch der Kultur angepasste Architektur zu entwickeln. Kafrawi kombinierte die traditionellen passiven Design-Element der Windtürme mit einem modernen Gebäudeentwurf. Weiter nahm er in besonderem Maße auf kulturell geprägte Nutzerwünsche Rücksicht. In puncto Baumaterialien ist dennoch Optimierungspotential. Primär kam Beton zum Einsatz. Dieser ist durch die Zementherstellung und das Brennen von Kalkstein und Ton bei ca. 1500 °C sehr energieintensiv. Interessant wäre die Integration von beispielsweise Lehmsteinen gewesen. Diese hätten nicht nur ein hervorragendes Wärmespeicherungsvermögen gehabt, sondern stehen zudem auch regional zur Verfügung. In Summe ist das Gebäude ein wichtiges Zeugnis einer modernen arabischen Architektur. Die Form der Bauwerke wurde sowohl als Reaktion auf das Klima als auch auf die Kultur und die Anforderungen als Universität angepasst [6]. 3. Bauliche Maßnahmen in der feucht-warmen Klimazone Die feucht-warme Klimazone ist durch ein dauerndes, stationäres, feucht- schwüles Klima definiert (vgl. Lernmodul 3 – Meteorologische Grundlagen). Es gibt keine ausgeprägten Sommer oder Winter, sowie keine ausgeprägten Tag- / Nacht- Temperaturunterschiede. Bild 20 zeigt die Spanne von Außentemperatur und relativer Feuchte der Monate Juli und Januar der Stadt Rabual in Papua-Neuguinea bezogen auf das bioklimatische Diagramm. Entsprechend Bild 20 ist zu erkennen, dass zum einen hohe Temperaturen, aber insbesondere hohe relative Feuchten vorherrschen. Das Innenraumklima bei Gebäuden ist daher durch Belüftungs- und Verschattungssystemen, sowie Kühlung durch Transpiration und Evaporation positiv zu beeinflussen. Im Folgenden werden diese Prinzipien anhand von gebauten Beispielen näher erläutert.
22 Bild 20: Bioklimatische Chart zur Darstellung von Maßnahmen zum klimagerechten Bauen der Stadt Rabaul nach [19]. 3.1 Autochthone Gestaltungsprinzipien Außenraum und Bauform In der feucht-warmen Klimazone sind historische Siedlungsstrukturen offen gestaltet, so dass eine Durchlüftung der Innenräume bei allen Bauten sichergestellt wird. Beispielsweise sind in den tropischen Regenwäldern primär Streusiedlungen vorzufinden. Diese sind locker um einen Mark tplatz bzw. in die Landschaft eingebettet. Die Entwicklung von Streusiedlungen ist auch darin zu begründen, dass die Böden in den Tropen sehr fruchtbar sind. Somit mussten sich bauliche Strukturen nicht an den wenig fruchtbaren Orten orientieren [21]. Bild 21 zeigt eine Siedlungsstruktur im tropischen Regenwald mit weiten Straßenräumen im afrikanischen Regenwald.
23 Bild 21: Offene Bebauung mit weiten Straßenräumen im tropischen Regenwald in Afrika [21]. Eine offene Bebauung mit schattiger Veranda als Aufenthaltsort und zur Förderung der natürlichen Durchlüftung zeigt die thailändische Siedlung in Bild 22. Die schattigen Räume zwischen den einzelnen Häusern haben eine wärmepuffernde Funktion für das Innenraumklima. Der Wind kann in diese Zwischenräume geleitet und zur Abkühlung der Raumluft, sowie zur Abfuhr der durch Personen und ihre Aktivitäten erzeugte Feuchtigkeit, genutzt werden. Traditionelle Bauten sind meist aufgeständert, um sich dadurch nicht nur vor Kriechtieren und Insekten, sowie starken Monsunregen bzw. Überschwemmungen zu schützen, sondern auch um die Windzirkulation im Gebäude weiter zu fördern. Die Wohnböden wurden, vergleichbar mit den Wänden, luftdurchlässig gestaltet, so dass stetig frische Luft von unten in das Gebäudeinnere strömen kann.
24 Bild 22: Traditionelle thailändische Siedlungsform [9]. Im feucht-warmen Klima tragen weit auskragenden Dächer zur Sicherstellung eines Sonnen- sowie Regenschutzes bei. Dadurch werden Solareinträge in den Raum reduziert und die meist aus Holz oder Gräsern erstellten Gebäude vor Feuchteschäden geschützt. Aufgrund der vielzähligen, sich unterscheidenden Kulturen die in dieser Klimazone lebten, haben sich bei den Dachformen auch unterschiedliche Gestaltungsvarianten entwickelt (vgl. Bild 23). Gemein sind den Dächern die großen Dachüberstände sowie –Neigungen. Bild 23: Verschiedene Dachformen im feucht-warmen Klima.
25 Materialien In der Konstruktion und Materialität der vernakularen Bauten spiegelt sich die reichhaltige Flora der feucht-warmen Klimazone wider. Die Bauten bestanden aus Holz, Gräsern, Schilf oder Bambus. Die Dachhaut wu rde dicht und wasserundurchlässig, meist durch eine Art Webtechnik, ausgeführt. Bild 24 zeigt ein sumbanisches Haus, bestehend aus einer Bambuskonstruktion mit Grasdeckung. Durch die große Dachneigung konnte das Wasser direkt abfließen und drang somit nicht in die Dachhaut ein. Bei dieser Dachform wird, eine thermische Schichtung der Luft begünstigt, so dass die warme Luft in den Dachraum steigt und frische, kühlere Luft von unten nachkommt. Im Gegensatz zu der trocken-warmen Klimazone ist der Einsatz von Speichermasse wie z.B. von Lehmsteinen meist kontraproduktiv. Herrscht eine geringe Temperaturdifferenz zwischen Tag und Nacht kann eine effektive Phasenverschiebung nicht stattfinden. Die Speichermasse würde daher nicht auskühlen und eine zusätzliche Wärmequelle darstellen. Bild 24: Traditionelles Haus im Dorf Ratenggaro im Westen Sumbas, Indonesien [17].
26 Lüftung Wie bereits erläutert, förderten die weitläufigen Siedlungsformen eine stetige Durchlüftung der Innenräume. Die Gebäude wurden meist zur Hauptwind - richtung ausgerichtet, um den Wind bestmöglich ins Gebäude zu leiten. Die leichten, luftdurchlässigen Außenwände ermöglichten eine Querlüftung der Räume. Oftmals waren im Dachraum zusätzliche Öffnungen vorgesehen, so dass die aufsteigende Wärme abgeführt wurde. In Bild 25 wird das Lüftungskonzept am Bespiel eines traditionellen Gebäudes in Kerala in Indien veranschaulicht. Das Gebäude besitzt einen Innenhof, der sich positiv auf das Raumklima der umschließenden Räume auswirkt. Da sich die Luft im oberen Abschnitt des Innenhöfs erwärmt, entsteht im unteren Bereich des Hofes ein Unterdruck. Der Unterdruck erzeugt eine Luftbewegung von außen durch die dem Hof umliegenden Räume (vgl. Bild 25). Auch nach Sonnenuntergang hält dieses Phänomen weiter an, solange die Luft im Hof durch konvektive Strömung vollständig abgekühlt ist. Bild 25: Konzept der Luftbewegung eines vernakularen Gebäudes in Kerala in Indien [1]. Die Effektivität der baulichen Maßnahmen wurde in [1] messtechnisch untersucht. Bild 26 zeigt die Ergebnisse im Winter (links) und Sommer (rechts). Im Winter schwanken die Außentemperaturen um 18 K von 18 °C bis 36 °C. Die Innenraumtemperaturen haben mit einer Temperaturspanne von 23.5 °C bis 28 °C deutlich geringe Schwankungen. Sowohl Überhitzungen , als auch zu niedrige Temperaturen können durch die bauliche Qualität de s Gebäudes vermieden werden. Im Sommer haben die Außentemperaturen eine Schwankung von 25 °C bis 38 °C. Vergleichbar wie im Winter sind die
27 Temperaturschwankungen im Inneren des Gebäudes mit 28°C bis 32 °C deutlich geringer. Auch im Sommer zeigt sich die Effektivität der baulichen Maßnahmen durch eine deutliche Reduzierung der Temperaturen. Bild 26: Messtechnische Untersuchung eines traditionellen Hofhauses in Kerala in Indien von Winter (links) und Sommer (rechts) [1]. 3.2 Zeitgenössische Architektur – Primary School in Gando In Burkina Faso ist fast die Hälfte der Bevölkerung unter 16 Jahre alt. Für die jungen Menschen ist es in Burkina Faso nicht selbstverständlich eine Schule zu besuchen. Wie viele Dörfer in Westafrika leiden die Bewohner Gandos unter starker Ungleichheit sowie einer unzureichenden schulischen Ausbildungsperspektive. So haben in dem Dorf sehr wenige Kinder Chance n auf eine schulische Ausbildung. Um das Überleben der Gemeinschaft und der Familie zu sichern, arbeiten diese oftmals sehr früh auf den Feldern [5]. Dies führt in der Konsequenz dazu, dass nur jeder vierte Erwachsene in Burkina Faso lesen und schreiben kann. Vor diesem Hintergrund ist es zwingend notwendig gute Bildungschancen und – Einrichtungen zu schaffen. Die Primary School in Gando wurde 2001 erbaut und war die Reaktion von Diébédo Francis Kéré auf die marode gewordene ehemalige Grundschule. Bei dem Bau des Gebäudes setzte er vor allem auf lokale Materialien, wie Lehm und Steine sowie auf passive dem Klima angepasste Techniken [2]. Zudem integrierte Kéré bei dem Bau der Schule die Dorfbewohner und Schüler und band sie in den Bauprozess ein. So stellten die Bewohner beispielsweise den Lehmboden sowie die Lehmbausteine her. Durch die aktive Beteiligung der
28 Bewohner bezogen diese zum einen, während der Bauzeit der Schule ein festes Gehalt, zum anderen erlernten sie neue Fähigkeiten in Bezug auf den Umgang mit den örtlichen Ressourcen. Die Schule wurde im Jahr 2004 mit den Aga Khan Award für eine menschengerechte Architektur ausgezeichnet. Das Gebäude besteht aus drei separaten Klassenräumen, die sich ein zusammenhängendes Dach teilen. Bild 27 zeigt die Westansicht des Gebäudes, Bild 28 die Südansicht sowie Bild 29 eine Aufnahme des Innenraumes. Bild 27: Primary School in Gando, Ansicht West [12]. Bild 28: Primary School in Gando, Ansicht Süd [12].
29 Bild 29: Aufnahme des Innenraumes [20]. Das Gebäude hat eine Nord-Süd Orientierung. Jedes Klassenzimmer bietet Platz für bis zu 50 Schüler. Zwischen den einzelnen Klassenzimmern befinden sich offene, überdachte Bereiche, die Raum für Erholung bieten. Die Form des Daches wurde so konzeptioniert, dass Regenwasser gezielt abläuft und in einem Brunnen gesammelt werden kann. Mit dem Wasser wird ein kleiner Gemüsegarten, der ebenfalls zu Lernzwecken angebaut wurde, bewässert. Tabelle 2 gibt den Aufbau der Konstruktionen von Wand, Dach und Boden wieder. Primäres Baumaterial ist Lehm. Dieser wurde direkt vor Ort gewonnen und wie bereits erwähnt von den Dorfbewohnern zu Lehmsteinen verarbeitet. Ton ist in der Region reichlich vorhanden und wird traditionell im Wohnungsbau verwendet. Die traditionelle Lehmbautechnik wurde modifiziert und modernisiert, um eine strukturell robustere Konstruktion in Form von Ziegeln zu schaffen.
30 Tabelle 2: Zusammenfassung der verwendeten Bauteile der Primary School [2]. Primary School, Gando Bauteil Aufbau von Außen nach Innen Skizze Außenwand Lehmziegelwand Wellblech Dach Luftraum Lehmziegelkonstruktion Lehm und Steinfüllung Boden Gestampfter Lehm Bauliches Konzept Das prägende Gestaltungselement der Schule ist das Dach aus Wellblech. Wellblechdächer sind in Burkina Faso eine weit verbreitete Dachkonstruktion. Jedoch verursacht das Material bei direktem Kontakt mit dem Raum sowohl akustische, als auch thermische Probleme. Dadurch beschloss Kéré das Wellblechdach durch eine Stahlgitterkonstruktion aus Bewehrungsstahl von den Klassenzimmern zu entkoppeln (vgl. Bild 30). Als Decke für das Klassenzimmer dienen Lehmsteine, die nicht luftdicht verlegt wurden, so dass eine stetige Luftzirkulation durch die Decke möglich ist. Weiter hat auch die Wahl der Dachform mehrere bauphysikalische Vorteile. Zum einen wird durch den großen Dachüberstand sowohl ein adäquater Sonnen- als auch ein Regenschutz sichergestellt. Bei 29,14° östlicher Länge
31 und 11,5° nördlicher Breite liegt das Dorf zwischen dem nördlichen Wendekreis und dem Äquator. Daher steht die Sonne sehr steil zur Erdoberfläche. Durch die Nord-Süd Orientierung in Verbindung mit dem weit vorkragenden Dach wird die solare Einstrahlung auf die Fassadenoberfläche minimiert. Zudem schützt das Dach vor dem Auswaschen der Lehmfassade bei Regenfällen. Zwar hat die Provinz Boulgou über das Jahr betrachtet eher mit Trockenheit zu kämpfen, jedoch kommen in den Monaten Juli und August intensive Regenfälle vor. Zwischen der aus Wellblech gefertigten Dachhaut und der Decke der Klassenräume ist ein Zwischenraum integriert. Bild 30 zeigt schematisch den Luftstrom im Gebäude. Auf der sonnenabgewandten Seite ist das Dach leicht gebogen, die warme Luft steigt nach oben, entweicht und die kühle Luft zirkuliert. Auf diese Weise wird eine ganzheitliche Durchlüftung der Klassenräume sichergestellt sowie Schutz vor Regen gewährleistet [2]. Die trocken gestapelte Lehmdecke bietet maximale Belüftung, zieht kalte Luft in den Innenraum und gibt die erwärmte Luft durch die perforierte Decke ab. Darüber hinaus wird die Querlüftung in den Klassenräumen durch den Einsatz von Fensteröffnungen an den nördlichen und südlichen Wänden weiter verstärkt [16]. Bild 30: Schematische Darstellung des Luftstroms in der Primary School [12].
32 Schlussfolgerung Laut Kéré soll das Projekt „an die Bedürfnisse und die wirtschaftliche Situation der Menschen in der Region angepasst werden und auf die vorherrschenden klimatischen Bedingungen reagieren und somit in der Lage sein, Nachhaltigkeit zu erreichen“ [2]. Durch den partizipativen Bauprozess erzielte Kéré nicht nur eine Wertschätzung der Bevölkerung für das Gebäude, sondern durch die durchdachte Konstruktion auch eine hervorragende Anpassung an das Klima. Die klimatischen Rahmenbedingungen bestimmten weitestgehend die Formgebung, Ausrichtung und Materialität des Gebäudes. Die Aufklärung und Integration der Dorfgemeinschaft in den Bauprozess sensibilisierte diese für die Verwendung und Verarbeitung von lokalen Baumaterialien und die Integration von traditionellen Designprinzipien mit modernen Gestaltungs - formen [2].
33 Literaturverzeichnis [1] Dili, A.S; Naseer, M.A.; Zacharia Varghese, T.: Passive control methods of Kerala traditional architecture for a comfortable indoor environment: A comparative investigation during winter and summer. Building and Environment, 5, S. 1134–1143 (2010). [2] Aga Khan Award for Architecture: Primary School, Gando Burkina Faso (2001). [3] Bahadori, M. N.: Passive Cooling Systems in Iranian Architecture. Scientific American, 2, S. 144–154 (1978). [4] Battle McCarthy Consulting Engineers: Wind towers. Wiley, Chichester (1999). [5] Burkina Faso http://www.worldbank.org/en/country/burkinafaso (Stand: 24.06.2020). [6] Coulson, J., Roberts, P., Taylor, I.: University planning and architecture. Routledge, Abingdon, Oxon (2011). [7] Gertis, K.: Klimagerechtes Bauen. Umdruck zur Vorlesung, Lehrstuhl für Bauphysik (2007). [8] HCY base archive, I.: Qaleh kohneh-Viertel, Yazd. Lizenziert durch Creative Commons - Lizenz CC-BY-ND https://www.unesco.de/kultur- und-natur/welterbe/welterbe-weltweit/historische-stadt-von-yazd-neue- welterbestaette-2017. [9] Hindrichs, D. U., Daniels, K., Berthold, S.: Plusminus 20°/40° latitude. Menges, Stuttgart (2007). [10] Javaheri, A.: Yazd - Badgir - Windcatcher - panoramio.jpg - Wikimedia Commons https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Yazd_ -_Badgir_- _Windcatcher_-_panoramio.jpg (Stand: 24.06.2020). [11] Calautit, J.; Hughes, B.; Chaudhry, H. et al.: CFD analysis of a heat transfer device integrated wind tower system for hot and dry climate. Applied Energy, S. 576–591 (2013). [12] Kéré Architecture http://www.kere-architecture.com/projects/primary- school-gando/ (Stand: 24.06.2020). [13] Khalili, M., Amindeldar, S.: Traditional solutions in low energy buildings of hot-arid regions of Iran. Sustainable Cities and Society, S. 171 –181 (2014). [14] Mousli, K.; Semprini, G.: Thermal Performances of Traditional Houses in Dry Hot Arid Climate and the Effect of Natural Ventilation on Thermal Comfort: A Case Study in Damascus. Energy Procedia, S. 2893–2898 (2015). [15] Kraft, G.: Heizungs- und Raumlufttechnik. Verl. Technik, Berlin (1991). [16] Lepik, A., Museum of Modern Art (New York, N.Y.): Small Scale, Big Change: New Architectures of Social Engagement. The Museum of Modern Art (2010).
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