Das Wirtschaftswunder in den USA. Was lehrt die Ära Clinton?

Die Seite wird erstellt Sebastian Wendt
 
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Das Wirtschaftswunder in den USA. Was lehrt die Ära Clinton?
Man mag in dem knappen Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 ein Ungeschick
der Wähler sehen. Für das umstrittene Ergebnis ließen sich auch technische Pannen und
überkommene Regelungen des Wahlverfahrens verantwortlich machen. Oder man führt die
verworrene Wahl des 43. US-Präsidenten auf erbitterte politische Machtkämpfe und eine tiefe
Spaltung der amerikanischen Gesellschaft zurück. So lauten einige der gängigen Erklärungen für
ein innenpolitisches Patt, das der Urnengang vom 7. November 2000 erzeugt hat.

Die Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien können ein klares Mandat aber auch
deshalb verfehlt haben, weil sich die gute Wirtschaftslage nicht einer bestimmten Politik verdankt.
Mehrere, nicht nur politische Kräfte haben vielleicht zusammengewirkt und sich gleichermaßen um
das Erreichte verdient gemacht. Gerade was die erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung der letzten
zehn Jahre betrifft, könnten sie sich die Waage halten. Nicht nur faktisch, sondern auch in der
Wahrnehmung der Wähler ließe sich dann eine politische Verantwortung für den bislang längsten
Konjunkturaufschwung in der amerikanischen Geschichte nicht eindeutig ausmachen. Dabei darf
vorausgesetzt werden, dass wirtschaftliche Erwägungen hinsichtlich Ausbildung, Einkommen und
sozialer Absicherung für die Wahlentscheidung bedeutsam waren.

Die Clinton-Gore-Administration hat sich sehr bemüht, die beeindruckende Wirtschaftsbilanz der
letzten acht Jahre vor allem sich selbst zuzuschreiben (The Clinton-Gore Economic Record 2000).
Wer indessen das amerikanische Regierungssystem der verschränkten Staatsgewalten bedenkt, wird
von vornherein zurückhaltender urteilen. Der Präsident ist für seine Politik bekanntlich auf die
Zusammenarbeit mit dem Kongress angewiesen. Ohne parlamentarische Zustimmung rührt sich in
der Bundesgesetzgebung nichts. In sechs von acht Jahren der Clinton-Präsidentschaft beherrschte
zudem eine Partei den Kongress, die in Daueropposition zur Exekutive stand. Wären sich die
Wähler über die Vorzüge des präsidentiellen Wirtschaftsprogramms einig gewesen, hätten sie
Clinton kam für drei Viertel seiner Amtszeit einen aggressiven innenpolitischen Widerpart zur Seite
gestellt. Und Vize Gore, zuverlässiger Wasserträger für den Präsidenten über zwei volle
Amtszeiten, hätte als Bewahrer des Clinton-Erbes bei der Wahl triumphieren müssen.

Für die andere Seite des politischen Spektrums gilt freilich dasselbe. Hätte die Politik des
konservativen Gegenschlags von 1994 die Mehrheit der US-Wähler wirklich überzeugt, wären die
Kongressrepublikaner nicht aus allen darauffolgenden Wahlen mit erheblichen Verlusten bis hin
zum hauchdünnen Vorsprung von 2000 hervorgegangen. In den Augen einer breiten Öffentlichkeit
sind die Wirtschaftsvorstellungen der republikanischen Partei eher umstritten. Jedenfalls wird in der
konservativen Wende von 1994 nicht der entscheidende Grund für den Höhenflug der US-
Wirtschaft gesehen. Andernfalls wäre weder der republikanische Präsidentschaftskandidat 1996 so
deutlich gescheitert noch hätte der Bewerber von 2000 weniger Wählerstimmen erreicht als sein
demokratischer Konkurrent.

Schließlich kann man von ökonomischer Seite bestreiten, dass die Politik von Präsident und
Kongress überhaupt einen wesentlichen Beitrag zu der beispiellosen Aufschwungphase geleistet
hat. Ausschlaggebender wären danach die Geldpolitik, günstige außenwirtschaftliche Bedingungen
und typische Merkmale der US-Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund scheidet jeder einspurige
Ansatz aus, die Beschäftigungs-, Wachstums- und Konsolidierungserfolge in der Ära Clinton zu
erklären. Vielmehr gilt es aufzuzeigen, welche Triebkräfte wie ineinander griffen und sich
wechselseitig verstärkten. Das soll hier zuerst geschehen. Danach werde ich die bemerkenswerte
Wirtschaftsbilanz der Clinton-Jahre darauf prüfen, wie viel gesunde Substanz hinter den Zahlen
steht (2.). Endlich werden Chancen und Risiken abgewogen, die sich künftig für die US-Wirtschaft
ergeben (3.).
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1. Ein Erfolg, der auf mehreren Säulen ruht:

Seit Anfang der neunziger Jahre hat sich die Lage der US-Wirtschaft stetig verbessert. Geht man
von den einschlägigen makroökonomischen Kennziffern aus, lässt der Aufschwung des letzten
Jahrzehnts fast keine Wünsche offen. Robustes Wirtschaftswachstum, hoher Beschäftigungsstand,
niedrige Inflation und rückläufige Staatsverschuldung. Auf diesen Feldern befindet sich die
amerikanische Volkswirtschaft in hervorragender Verfassung. Der Unterschied zu den achtziger
Jahren ist markant. Zwar expandierte die US-Wirtschaft auch von 1982 bis 1989 kräftig,
verzeichnete reale Wachstumsraten von durchschnittlich vier Prozent und einen deutlichen
Rückgang der Arbeitslosigkeit auf knapp 5,5 Prozent (DIW 1997: 852) Jedoch lasteten auf der
Reagan-Ära hohe Defizite des Bundeshaushalts und starke Ausschläge der konjunkturellen
Entwicklung. Sowohl 1982 wie 1989 erlebte die US-Wirtschaft eine Rezession. Mithin scheint man
in den achtziger Jahren eine Konjunkturrakete gezündet zu haben, die zunächst steil nach oben
schoss, dann aber mit Triebwerksschaden abstürzte.

Ganz anders das Bild für die neunziger Jahre. Die Hochkonjunktur steht nicht nur auf soliderer
Grundlage, indem eine Überdehnung des Bundeshauhalts à la Reagan vermieden worden ist. Die
fiebrige Expansion aus Steuersenkungen und anschwellenden Staatsausgaben hat sich nicht
wiederholt. Der Wirtschaftsboom der Clinton-Ära zeichnete sich auch durch einen festeren Verlauf
aus, der immer mehr nach oben wies, je länger er sich fortsetzte. Bis heute. Anzeichen für einen
dramatischen Einbruch gibt es einstweilen nicht. In der Amtszeit von Präsident Clinton stieg die
US-Wirtschaft wie ein Ballon auf, langsam und sicher, bevor ihn starke Strömungen in eine stabile
Höhe trugen.

Die ersten drei Jahre der Expansion verzeichneten Wachstumsraten von unter drei Prozent des BIP.
So mäßig und kontrolliert hatte noch keiner der Aufschwünge seit dem Zweiten Weltkrieg
begonnen (Wyss 2000: 5). Danach gewann die US-Wirtschaft allerdings immer mehr an Fahrt. Von
1996 an stieg das reale Wirtschaftswachstum auf weit über 4 Prozent pro Jahr an. Dieser
präzedenzlose Aufschwung ist das herausragende Kennzeichen der Clinton-Ära. Es stellt sich die
Frage, welchen tatsächlichen Anteil die Politik der Clinton-Administration daran hat. An der
Mitverantwortung der republikanischen Präsidenten Reagan und Bush für die vormaligen
finanzpolitischen Fehlentwicklungen ist nicht zu zweifeln. Hat der demokratische Nachfolger für
die Korrektur gesorgt? Oder war Clinton ein schwacher Präsident, der den vergangenen acht Jahren
lediglich seinen Namen gab, bestenfalls als sozialpolitische Radarfalle für republikanische Raser
diente? Die gute Entwicklung der US-Wirtschaft im letzten Jahrzehnt speiste sich im wesentlichen
aus drei Quellen: der Geldpolitik, der Finanzpolitik und günstigen Beschäftigungsvoraussetzungen.
Am nachdrücklichsten beeinflusste die Clinton-Administration dabei die Budgetpolitik Hier übte sie
einen durchgreifenden politischen Impuls aus.

a) Die Geldpolitik:

Als der neu gewählte Präsident im Januar 1993 die Regierungsgeschäfte aufnahm, fand er ein sehr
günstiges geldpolitisches Umfeld vor. Dir kurzfristigen Realzinsen waren auf einen historischen
Tiefstand von unter 1 Prozent gesunken (Congressional Budget Office 2000: 26). Zur Überwindung
der Rezession von 1990/91 hatte die US-Notenbank eine starke monetäre Lockerung eingeleitet.
Auf absehbare Zeit würden die Investitionen wegen der niedrigen Finanzierungslasten anziehen.
Kapitalbeschaffungskosten, also Zinsen und Tilgungsraten für Kredite, bedeuten einen Abschlag
auf die erwartete Rendite einer Investition. Je niedriger der Zinssatz, desto höher versprechen die
Gewinne aus Unternehmensinvestitionen zu werden (Dornbusch / Fischer 1988: 111). Dagegen war
die Reagan-Administration zu Beginn ihrer Amtszeit mit einer Hochzinspolitik der Fed konfrontiert
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worden, die zur Bekämpfung der Inflation den Basiszins auf vorübergehend bis zu 18 Prozent
angehoben hatte. Gleichfalls war dem Abschwung von 1990/91 eine monetäre Straffung
vorausgegangen.

Im Unterschied dazu durfte die Clinton-Administration eine geldpolitische Unterstützung des
Aufschwungs erwarten, sofern sie selbst keine finanzpolitischen Fehler beging. In der Tat hielt die
Fed bis zur endgültigen Überwindung der Rezession an der geldpolitischen Lockerung fest. Ihr
zinspolitisches Regime war in Maßen expansiv. Diese Weichenstellung währte die gesamten
neunziger Jahre hindurch. Die US-Notenbank bewies hohe Flexibilität, Phasen der konjunkturellen
Überhitzung durch schnelle Zinsschritte zu begegnen (1995/96 sowie seit 1999) und in
Abschwüngen die Auftriebskräfte von geldpolitischer Seite wieder zu beleben (1997/98). Während
der Clinton-Ära lag der kurzfristige Realzins fast durchgängig unter der Wachstumsrate der
Wirtschaft (Holtfrerich 2000: 49). Mit anderen Worten: der US-Wirtschaft wurde mehr Geld
zugeführt, als sie an unmittelbarer Wertschöpfung produzierte. Relativ billiges Kapital war für
Investitionen reichlich vorhanden. Und die Gewinne daraus überstiegen ebenso erkennbar die
Kreditbeschaffungskosten wie die Rendite aus festverzinslichen Wertpapieren.

Da die Kapitalversorgung der Wirtschaft jederzeit ausreichend war, konnte sich eine ungebrochene
Investitionsdynamik mit all ihren Vorteilen für Wachstum, Beschäftigung, Einkommen und
öffentliche Finanzen entfalten. Freilich legte die US-Zentralbank dafür das Gebot der Preisstabilität
weniger eng aus, unterblieb ein inflationstreibender Lohndruck und ging die Kreditnachfrage des
Staates zurück. Über den Zeitraum der letzten zehn Jahre hat die Fed toleriert, dass die
Verbraucherpreise zeitweilig um deutlich mehr als 2 Prozent anstiegen. Eingedenk der schwierigen
Messung des Preisniveaus steuert die US-Notenbank erst gegen, wenn die Inflation an den
Schwellenwert von drei Prozent stößt.

Die Fed verfolgt eine relative, keine absolute Stabilität der Preise. Nach ihrem gesetzlichen Auftrag
ist die Zentralbank gehalten "to promote effectively the goals of maximum employment, stable
prices, and moderate long-term interest rates." (Statutes At Large of the United States 1978: 1387).
Keines dieser Ziele hat die Fed in der Clinton-Ära einseitig zu Lasten der anderen angestrebt.
Vielmehr hat sie ihre zinspolitischen Entscheidungen daran ausgerichtet, einen hohen
Beschäftigungsstand bei annähernd stabilen Preisen zu gewährleisten. Indessen wäre die
geldpolitischen Lockerung seit den frühen neunziger Jahre nicht von Dauer gewesen, wenn der
Bund nicht gleichzeitig seine Inanspruchnahme der Kapitalmärkte gedrosselt hätte. Erst dadurch
eröffneten sich Spielräume für anhaltend niedrige Zinsen.

b) Die Finanzpolitik:

Das Wahlprogramm des Präsidentschaftsbewerbers Clinton enthielt keinen ausgefeilten Plan zum
Defizitabbau. Eher ließ die Ankündigung von Steuersenkungen für die "vergessene Mittelklasse"
und Mehrausgaben für Sozial- und Bildungszwecke erwarten, dass auch dieser Präsident der
Haushaltssanierung ausweichen würde (Thunert 2000: 25). Unmittelbar nach der Amtseinführung
warf Clinton das Steuer jedoch herum. Dazu dürfte die Einsicht in die schwerwiegenden
Folgeprobleme einer weiterhin hohen Neuverschuldung erheblich beigetragen haben. Im letzten
Amtsjahr des Vorgängers Bush war das Defizit im Bundeshaushalt erneut auf fast 5 Prozent des
BIP angestiegen. Wollte Clinton den einsetzenden Aufschwung nicht torpedieren, indem eine
ungebremste Kreditnachfrage bald wieder Zinserhöhungen nach sich gezogen hätte, und wollte er
sich langfristig aus dem einschnürenden Schuldendienst befreien, gab es zum Sparen keine
Alternative (Woodward 1994: 84).
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Bereits in seinem ersten Amtsjahr legte Clinton dem Kongress ein Konsolidierungspaket von rund
500 Milliarden US-Dollar vor. Dadurch sollte die Nettoneuverschuldung bis 1998 auf unter 3
Prozent des BIP sinken (Klages 1998: 177). Das Paket setzte sich ungefähr zu gleichen Teilen aus
Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen zusammen und wurde von der demokratischen
Kongressmehrheit mit Abstrichen angenommen. Nachhaltige Wirkung sollte dieses
Maßnahmenbündel vor allem auf der Einnahmenseite zeigen. Während sich die republikanischen
Präsidenten Reagan und Bush durchgreifenden Steuererhöhungen widersetzt hatten, scheute sich
die Clinton-Administration nicht, die Etatlage von dieser Seite her aufzubessern. Mit Erfolg.

In der Hochkonjunktur der Folgejahre legten vor allem die Einkommensteuereinnahmen des
Bundes zu. Für den Haushalt ergab sich daraus eine doppelte Dividende. Einmal führte der Boom
gerade bei den oberen Einkommensgruppen zu kräftigen Einkommenszuwächsen.
Dementsprechend stieg das Steueraufkommen, das sich freilich nochmals ausweitete, weil die
Clinton-Administration mit dem Sparpaket von 1993 eine verschärfte Progression durchgesetzt
hatte. Seit 1992 haben allein die Einkommensteuereinnahmen des Bundes um volle zwei
Prozentpunkte des BIP zugenommen (Congressional Budget Office 2000: 59). Mit einem
Gesamtumfang von fast 10 Prozent des BIP hat das Einkommensteueraufkommen des Bundes
inzwischen einen Rekordwert erreicht.

Hingegen ist die Ausgabendisziplin des Bundes seit 1993 eine Leistung, die die Clinton-
Administration nicht ausschließlich für sich beanspruchen kann. Einmal griffen die
Konsolidierungsauflagen des Budget and Enforcement Act (BEA) von 1990. Dieses Regelwerk
verbietet Steuersenkungen und gesetzgeberische Erhöhungen der Transferausgaben, sofern solche
Maßnahmen nicht in vollem Umfang gegenfinanziert werden. Präsident und Kongress sind damit
die Hände gebunden, neue Gesetze zu beschließen, die wissentlich zu Einnahmenausfällen führen
oder das entitlement spending ausweiten. Gleichwohl erzwingt der BEA keine Sparschritte, falls die
konjunkturelle Entwicklung nachlässt. Sein atmender Charakter erlaubt unvermeidliche
Mindereinnahmen und Mehrausgaben im Abschwung. Da der BEA das Wirken der automatischen
Stabilisatoren zulässt, zügelte er das Finanzgebaren erst nach der Überwindung der Rezession von
1990/91.

Seitdem haben sich die verfahrensmäßigen Vorkehrungen gegen die Verschuldungsspirale
eindeutig bewährt. Ausgabengesetze mit unkontrollierbaren Folgekosten unterblieben ebenso wie
Steuersenkungen, die Nettoverluste bei den Bundeseinnahmen ergeben hätten. Zudem legte der
BEA Obergrenzen für die jährlich zu bewilligenden Ausgaben fest. Faktisch wurden die
diskretionären Mittel damit auf dem Stand des Jahres 1991 eingefroren. Real bedeute das eine
starke Ausdünnung. Der Anteil der diskretionären Bundesausgaben am BIP fiel um fast ein Drittel
von 9 Prozent (1991) auf derzeit 6,3 Prozent (Congressional Budget Office 2000: 73). Die
Einschnitte betrafen hautsächlich den Verteidigungsetat, der nach dem Ende des Kalten Krieges
kräftig zusammengestrichen wurde. Mit einem Gewicht von nur noch 3 Prozent des BIP ist er
inzwischen auf den niedrigsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg gefallen und liegt um ein Viertel
unter den Werten der achtziger Jahre.

Diese Haushaltsentlastung hätte vermutlich auch ohne die Clinton-Administration stattgefunden. Es
erschient überdies fraglich, ob sich der Präsident in der Ausgabenpolitik gleichermaßen
zurückhalten hätte, wenn ein republikanischer Kongress nicht massiv auf den Budgetausgleich
gedrängt hätte. Seit 1994 standen alle Ausgabenprogramme unter dem Bewilligungsvorbehalt der
Defizitfalken im Parlament. Andererseits hat sich die Clinton-Administration der zweimaligen
Verlängerung des BEA um jeweils fünf Jahre (1993 und 1997) nicht verweigert. Und der Präsident
trat den Kongressrepublikanern bis zum Vetoeinsatz entgegen, wenn diese mit Steuersenkungen die
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Haushaltssanierung zu verspielen drohten. Insofern hat das divided government den Defizitabbau
sogar vorangebracht. Präsident und Kongress hielten sich in der Einnahmen- und Ausgabenpolitik
gegenseitig in Schach.

Bei alledem war das Ergebnis am wichtigsten: ein gelungener policy-mix aus expansiver Geldpolitik
und restriktiver Finanzpolitik. Dazu hat die Clinton-Administration maßgeblich beigetragen, indem
sie eine antizyklische Haushaltspolitik mit ihrem Sparprogramm rechtzeitig begann und im
Wirtschaftsboom durchhielt. Geld- und Fiskalpolitik harmonierten in der Clinton-Ära wie aus dem
volkswirtschaftlichen Lehrbuch. Wegen der disziplinierten Haushaltspolitik konnte die Fed Anfang
der neunziger Jahren mit extrem niedrigen Zinsen einen schnellen Weg aus der Rezession ebnen.
Und danach musste die Notenbank keine fortgesetzte Staatsverschulung fürchten, die zu monetären
Gegenstößen gezwungen hätte. Vielmehr konnte die Zentralbank ihre Geldpolitik darauf
abstimmen, Wachstum und Beschäftigung so weit zu fördern, wie sie es mit der Preisstabilität für
vereinbar hielt. Flankenschutz für ein verträgliches Wachstumstempo lieferte wiederum die
Finanzpolitik. Der Sparkurs bewahrte vor einer überschießenden Konjunktur und bewies
gleichzeitig, dass ein nachhaltiger Aufschwung am ehesten aus der Schuldenfalle führt. Der
Ausgabendruck ließ nach, während das Steueraufkommen stieg. Damit bestanden günstige
Voraussetzungen für eine Haushaltskonsolidierung, die in den USA unter Präsident Clinton auch
die nötige politische Unterstützung erfuhr.

c) Der Beschäftigungsboom:

Aus der wirtschaftspolitischen Bilanz der Clinton-Ära sticht nicht allein die vollständige
Beseitigung des Defizits im Bundeshaushalt hervor. Für noch mehr Aufsehen hat unter
europäischen Beobachtern die Beschäftigungsentwicklung gesorgt. Annähernd 20 Millionen
zusätzliche Arbeitsplätze dürften in den Vereinigten Staaten während der neunziger Jahre
entstanden sein. Die Arbeitslosenrate ist seit 1996 weit unter ihren vormals als "natürlich"
eingestuften Wert von 5 Prozent gefallen. Mit einer Arbeitslosenquote von aktuell 4,1 Prozent
herrscht in den USA zweifellos Vollbeschäftigung. Ein nüchterner Blick auf den Wirtschaftsverlauf
der letzten zehn Jahre macht verständlich, wie es zu dem vermeintlichen "Beschäftigungswunder"
kam. Von 1990 bis 2000 ist die US-Wirtschaft im Jahresdurchschnitt um real über 3 Prozent (genau
3,2 Prozent) gewachsen (Congressional Budget Office 2000: 44). Damit hat die US-Wirtschaft, die
Wachstumsrate von 2,5 Prozent, ab der sich nach dem Okunschen Gesetz Beschäftigungseffekte
einstellen, erheblich und lange übertroffen.

Dazu kann man weiterhin von einer hohen Beschäftigungsintensität des Wirtschaftswachstums in
den USA ausgehen. Gleich, ob damit gegen europäische Sozialstandards verstoßen wird, an der
Tatsache eines sehr beweglichen Arbeitsmarktes in den USA lässt sich nicht rütteln. Geringe
Lohnersatzleistungen schaffen starke Anreize zur Arbeitsaufnahme. Die Clinton-Administration ist
hier keineswegs "soft" gewesen. Der Präsidenten stimmte 1996 einer Sozialhilfereform zu, nach der
Kürzungen für arbeitsfähige Leistungsempfänger drohen, die eine Beschäftigung ablehnen (Burtless
2000: 156). Niedriglöhne halten den Arbeitsmarktzugang für Geringqualifizierte offen, was für die
Betroffenen immerhin durch die negative Einkommensteuer des Earned Income Tax Credit
abgemildert wird. Eine dezentrale Lohnfindung beugt der Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale vor. Der
gewerkschaftliche Organisationsgrad ist schwach. Zwischen Brutto- und Nettolohn hat sich nur ein
schmaler Keil geschoben. Ein Kündigungsschutz fehlt weitgehend. Kurz: die Angebotsbedingungen
auf dem US-Arbeitsmarkt sind so, dass sie einen schnellen Beschäftigungsaufbau im Boom und
eine raschen Abbau im Bust erlauben. Man mag diese Verhältnisse loben oder tadeln. Die Politik
der Clinton-Administration hat an ihnen nichts Grundsätzliches geändert.
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Gleichwohl darf in einem flexiblen Arbeitsmarkt nicht der Hauptgrund für das amerikanische
Beschäftigungsphänomen gesehen werden. Die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt können aus
Unternehmersicht noch so vorteilhaft sein, sie führen nicht zu Neueinstellungen, wenn es an
Absatz- und Gewinnerwartungen mangelt. Durchgreifende Beschäftigungseffekte hängen nicht
davon ab, dass Löhne niedrig und Arbeitnehmer schnell kündbar sind. Den Ausschlag gibt ein
robuster und beständiger Aufschwung, der weder von schweren Rezessionen noch
Stagnationsphasen unterbrochen wird. Sieht man von der Minirezession von 1990/91 ab, dann hat
es in den USA eine konjunkturelle Aufwärtsentwicklung seit 1982 gegeben. Durch die lange, nur
kurzeitig unterbrochene Expansionsphase wurde eine hohe Sockelarbeitslosigkeit vermieden.

Infolgedessen haben die Vereinigten Staaten weit weniger mit dem Problem der
Langzeitarbeitslosigkeit, der Demotivierung, des Qualifizierungsrückstandes und einer
übervorsichtigen Einstellungspraxis der Unternehmen zu kämpfen. Durch das anhaltende
Wachstum blieben tiefe Störungen und Stockungen im Wirtschaftskreislauf aus. Gerade in den
neunziger Jahren war dafür der makroökonomische policy-mix weit mehr verantwortlich als die
mikroökonomische Angebotssituation. Für sich genommen fördert ein deregulierter Arbeitsmarkt
nicht die Beschäftigung. Erst durch zusätzliche, konjunkturelle Impulse, die eine lockere
Geldpolitik gab, erreichte sie in den USA einen neuen Höchststand.

Ohnehin hat die amerikanische Wirtschaft in den neunziger Jahren eine übliche angebotspolitische
Annahme erschüttert. Nach dieser Ansicht würden relativ niedrige Löhne die Schaffung von
Arbeitsplätzen erleichtern, weil sich der Kostendruck für die Unternehmen in Grenzen halte.
Gleichzeitig mache der preiswerte Faktor Arbeit große Produktivitätsfortschritte entbehrlich.
Niedrige Löhne gingen also mit hohen Beschäftigungszuwächsen und schwacher Produktivität
einher. Umgekehrt würden hohe Löhne zu einem schnellen Produktivitätsanstieg zwingen, der
allerdings den Bedarf an Beschäftigten verringere. Dieser Gegensatz ist immer wieder als Grund
angeführt worden, warum die Beschäftigungslage zwischen den USA und Westeuropa auseinander
fällt (DIW 1998: 175).

Für die Vereinigten Staaten trifft die These nur noch eingeschränkt zu. Nominal sind die Löhne dort
seit langem auf breiter Front gestiegen. Stagnierten bis Mitte der neunziger Jahre noch die
Reallöhne, weil die Inflationstoleranz der Notenbank Preisanpassungen der Unternehmen
ermöglichte, so haben sich seitdem die Realeinkommen nicht mehr allein für Spitzenverdiener
erhöht. Alle Einkommensgruppen verzeichnen nun reale Zuwächse (Thunert 2000: 23). Und
dennoch hat weder die Beschäftigung gelitten noch sind Preissprünge aufgetreten. Im Gegenteil.
Seit 1996 ist die Arbeitslosenquote noch weiter zurückgegangen. Der jährliche Anstieg der
Verbraucherpreise ist sogar auf Tiefstände unter 2 Prozent gesunken. Letzteres konnte bei
steigenden Reallöhnen nur stattfinden, wenn parallel die Produktivität sichtbar zunahm. Daran
besteht seit 1996 kein Zweifel mehr. Während die US-Wirtschaft von 1973 bis zu diesem Zeitpunkt
einen durchschnittlichen Produktivitätszuwachs von lediglich 1,5 Prozent erzielte, liegt die jährliche
Rate seit vier Jahren bei 2,6 Prozent (Congressional Budget Office 2000: 11).

Es ist bislang nicht vollständig geklärt, ob dafür allein die flächendeckende Computerisierung der
Wirtschaft und ein enormes Investitionsvolumen verantwortlich sind. Auch bleibt die Fortsetzung
des Trends ungewiss. Der frühere Stillstand ist aber einstweilen überwunden. Zuwächse bei
Wachstum, Beschäftigung, Einkommen und Produktivität schließen einander also nicht aus. Sie
sind kein Nullsummenspiel. Der Produktivitätsanstieg mag nur als Fußnote einer insgesamt sehr
positiven Entwicklung erscheinen. Gewiss ragen aus dem Gesamtbild der US-Wirtschaft am Ende
der Clinton-Ära vor allem der Budgetüberschuss und die Vollbeschäftigung heraus. Aber auch in
einem Detail zeigt sich, dass die Vereinigten Staaten eine volkswirtschaftliche Wende vollzogen
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haben, die ihnen vor einem Jahrzehnt kaum jemand zugetraut hätte. Befindet sich die US-Wirtschaft
inzwischen in der besten aller Welten?

2. Die aktuelle Wirtschaftslage: Viel Licht, wenig Schatten:

Im vierten Quartal 2000 hat sich die zur Jahresmitte noch an ihre Kapazitätsgrenze stoßende
Hochkonjunktur spürbar beruhigt. Nachdem die US-Wirtschaft in den ersten sechs Monaten dieses
Jahres noch um über 5 Prozent gewachsen war, ermäßigte sich die Rate im dritten Quartal auf 2,7
Prozent und dürfte auch bis zum Jahresschluss unter 3 Prozent bleiben (Bureau of Economic
Analysis 2000). Damit scheint die sanfte Landung der amerikanischen Wirtschaft zu gelingen. Auf
Dauer strebt die US-Notenbank an, die jährliche Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts in einer
spannungsfreien Marge von 3 bis 3,5 Prozent zu halten. Um eine überschäumende Konjunktur zu
verhindern, hat die Fed seit Juni 1999 insgesamt sechsmal die Federal Funds Rate erhöht. Derzeit
beträgt der Basiszins 6,5 Prozent. Angesichts einer unter 2,5 Prozent verharrenden Preissteigerung
und verglichen mit den Vorjahren ist das Realzinsniveau gegenwärtig relativ hoch. Jedenfalls liegt
der Realzins nun oberhalb der wirtschaftlichen Wachstumsrate und zieht eine konjunkturelle
Abkühlung nach sich, die freilich beabsichtigt ist. Sollte das Wirtschaftswachstum stärker leiden,
wird die Zentralbank gewiss mit Zinssenkungen antworten.

In der jüngeren Vergangenheit hat die Fed immer wieder unterstrichen, dass sie auf Abweichungen
des optimalen Wachstumspfades rasch und energisch mit geldpolitischen Maßnahmen reagiert.
Konjunkturelle Bremsspuren und geringer Preisauftrieb lassen für das Jahr 2001 eher sinkende als
steigende Zinsen erwarten. Der höhere Ölpreis hat in den USA bislang keinen inflationären Druck
erzeugt. Während die Realeinkommen bis 1999 von niedrigen Energiekosten profitierten, kann nun
das Produktivitätswachstum Lohnsteigerungen infolge höherer Lebenshaltungskosten auffangen
(Congressional Budget Office 2000: 30). Zwar bleibt die Lage auf dem amerikanischen
Arbeitsmarkt angespannt. Doch scheint sich die Arbeitslosenquote oberhalb von 4 Prozent
einzupendeln, was gegen eine dramatische Verschärfung der Arbeitskräfteknappheit spricht. Die
Furcht vor entsprechendem Lohndruck ist in der Clinton-Ära immer wieder aufgekommen, zumal
die Quote zeitweilig sogar nur 3,8 Prozent betrug. Bislang gibt es in der US-Wirtschaft aber keine
Anzeichen, dass der angespannte Arbeitsmarkt zu überzogenen Lohnforderungen führt.

Auch nach zehnjährigem Wirtschaftsboom nehmen sich die Arbeitskosten für die Unternehmen
moderat aus. Dazu dürfte die gegenüber früherer Perioden vergleichsweise niedrige Steuerbelastung
der Durchschnittsverdiener beigetragen haben. Von den fünf Einkommensquintilen sind die beiden
unteren Gruppen mit Bundessteuern so gering belastet wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Für die
mittleren Gruppen hat der Steuerdruck nur unverhältnismäßig zugenommen. Allein für das oberste
Einkommensfünftel ist die Steuerbelastung deutlich gestiegen, was freilich auch aus einer
außerordentlichen Zunahme der Brutto- und Nettoverdienste rührt. (Aaron / Gale / Sly 2000: 225).

Die ehedem so bedrohliche Zuspitzung der Staatsverschuldung ist unter Präsident Clinton
vollständig abgewendet worden. Aus den Defizitrekorden im Bundeshaushalt sind inzwischen
Überschussrekorde geworden. Der Saldo hat sich von tiefroten zu tiefschwarzen Zahlen gewandelt.
Belief sich der Fehlbetrag im Jahr 1992 noch auf fast 300 Milliarden US-Dollar, so verzeichnet der
Bundeshaushalt seit 1998 ein Plus, das im Etatjahr 2000 mit 237 Milliarden beinahe 2 Prozent des
BIP umfasste (Wolber 2000: 11). Selbst ein hartnäckiges, um konjunkturelle Einflüsse bereinigtes
strukturelles Defizit von durchschnittlich 3 Prozent des BIP zwischen 1982 und 1992 wurde unter
Clinton komplett abgebaut. Die Gesamtverschuldung des Bundes ist von rund 50 Prozent des BIP
Mitte der neunziger Jahre auf inzwischen unter 40 Prozent gefallen. Sollten sich die bisherigen
Wirtschafts- und Budgettrends fortsetzen, könnte schon in fünf Jahren der bisher niedrigsten
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Verschuldungsstand nach dem Zeiten Weltkrieg von einem Viertel des BIP im Jahr 1974
unterschritten werden (Congressional Budget Office 2000: 21). Damit würde auch der Zinsendienst
um mehr als zwei Drittel gegenüber 1992 abnehmen.

Die Verwandlung der früheren Defizite in Überschüsse beruht auf Mehreinnahmen und
Ausgabensenkungen mit einem leichten Übergewicht bei den Mittelkürzungen. Die drastische
Zunahme steuerpflichtiger Beschäftigter hat die Bundeseinnahmen auf einen Höchstwert von über
20 Prozent des BIP geschraubt. Zugleich sind die Bundesausgaben mit 18,5 Prozent des BIP in
2000 auf die niedrigen Stände der sechziger Jahre gefallen. Indessen setzt sich der
Haushaltüberschuss bis auf weiteres nur zu einem Drittel aus tatsächlich verfügbaren Mitteln
zusammen. Zwei Drittel des Überschusses beruhen auf Mehreinnahmen aus der gesetzlichen
Rentenversicherung. Infolge der hohen Beschäftigung ist das Beitragsaufkommen kräftig gestiegen,
wird aber auch dringend für Rücklagen benötigt, um den Übergang der geburtenstarken Jahrgänge
in die Rente ab 2010 zu bewältigen. Ohne die Überschüsse aus dem Social Security Fund wäre der
Bundeshaushalt einstweilen nur ausgeglichen und würde in den nächsten zehn Jahren auch bei
günstigen Wirtschaftsvoraussagen ein Plus von kaum mehr als 1 Prozent des BIP ausweisen. Die
Clinton-Administration tat deshalb gut daran, massive Steuersenkungen abzulehnen, zu denen die
Haushaltüberschüsse seit zwei Jahren verlocken. Diese Disziplin steht mit dem Präsidentenwechsel
jetzt auf dem Spiel.

Bei den Bundesausgaben hat man in der Ära Clinton Sparmöglichkeiten gründlich ausgeschöpft,
zumindest was die jährlich zu bewilligenden Mittel betrifft. In die großen
Sozialversicherungsprogramme wie Social Security und Medicare, hinter denen die
Rechtsansprüche von Millionen US-Bürgern stehen, wagt kein politischere Akteur einzugreifen.
Umso mehr hat man die diskretionären Ausgaben beschnitten. Durch eine strikte Plafondierung, die
zunächst von 1991 bis 1995 galt, dann bis 1998 und 2002 ausgedehnt wurde, strich man diese
Ausgabenkategorie um 40 Prozent gegenüber ihrem Umfang Anfang der achtziger Jahre zusammen.
Die Hauptlast trug dabei der Verteidigungshaushalt. Inzwischen dürfte dieses Sparpotential
ausgereizt sein. Weitere Einschnitte bei den Militärausgaben scheinen ausgeschlossen, solange die
USA an ihrer bisherigen Sicherheitsdoktrin festhalten und das Maß an weltweiter Truppenpräsenz
fortführen. Zudem besteht Modernisierungsbedarf für die Streitkräfte (Reischauer 2000: 17). Die
diskretionären Ausgaben für zivile Zwecke sind bereits in Clintons letzem Amtsjahr wieder leicht
gestiegen. Um dennoch die Obergrenzen des BEA einzuhalten, deklarierte man sie als
"Notausgaben", die jederzeit bewilligt werden dürfen. Es ist offensichtlich, dass die
Ausgabeneinsparungen einerseits aus der Friedensdividende stammten, andererseits durch die
harten Verfahrensauflagen des BEA zustande kamen. Nach zehn Jahren neigen sie sich nun dem
Ende zu. Weitet man die diskretionären Ausgaben künftig wieder aus, werden die
Budgetüberschüsse abnehmen.

Zwei Schwachpunkte der US-Wirtschaft haben auch die Clinton-Präsidentschaft überdauert: der
freie Fall der private Sparquote und das Handelsbilanzdefizit. Für jeden erwirtschafteten Dollar
werden derzeit ein Dollar und vier Cent ausgegeben. Die Sparrate der privaten Haushalte ist in den
neunziger Jahren unter null gerutscht. Im Vertrauen auf steigenden Wertpapier- und
Aktienwohlstand haben die US-Bürger ihre Konsumausgaben weiter erhöht. Dieser
Zukunftsoptimismus scheint so ausgeprägt, dass alle gesetzgeberischen Versuche, die private
Ersparnisbildung zu fördern, fehlgeschlagen sind. Stattdessen haben Mitnahmeeffekte derartige
Maßnahmen grandios unterlaufen (Aaron / Gale / Sly 2000: 245). Für staatliche Sparprämien hat
man sich nicht selten an anderer Stelle verschuldet. An sinkenden Realeinkommen kann es nicht
länger liegen, dass die Ersparnisbildung zurückgeht. Zutreffender ist die Beobachtung einer mit
jedem Wirtschaftsaufschwung neuerlich ansteigenden Konsumfreude, der schließlich auch die
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Ersparnisse zum Opfer fallen.

Einen bescheidenen Ausgleich schafft gegenwärtig immerhin die öffentliche Hand, die mit
Überschüssen in den Haushalten des Bundes und der Einzelstaaten das gesamte Sparaufkommen
aufbessert. In einer Rezession dürfte es für die Privathaushalte gleichwohl ein böses Erwachen
geben. Aber wer rechnet damit? Zweischneidig ist auch das Handelsbilanzdefizit. Man kann darin
eine offene Flanke sehen, die den Dollar und den Zustrom ausländischen Investitionskapitals
bedroht. Ein Währungsverfall würde die Einfuhren drastisch verteuern, die Inflation beschleunigen
und den Kapitalimport zum Erliegen bringen. Für eine Dollarschwäche gibt es aber keinerlei
Anzeichen. Vielmehr haben die ungetrübten Wachstumsaussichten während der Clinton Ära den
Dollar gestützt, die USA für ausländische Investoren attraktiv gemacht und Importe verbilligt.
Solange die amerikanische Konjunktur rund läuft, streut das Handelsbilanzdefizit kein Sand in ihr
Getriebe. Aber wie verhält es sich mit dieser Grundvoraussetzung? Werden die wirtschafts- und
finanzpolitischen Errungenschaften der Clinton-Ära Bestand haben?

3. "Don't Stop Thinking About Tomorrow": Aussichten für Wirtschaft und
Bundesfinanzen:

In die letzten drei Rezessionen stürzten die USA im Zusammenhang mit außenpolitischen Krisen.
1973 entlud sich der Nahostkonflikt abermals in einem Krieg, 1979 erschütterte der Umsturz im
Iran die Region mit den größten Ölvorkommen, 1990 besetzten irakische Truppen Kuwait. In der
Folge schoss der Ölpreis jeweils in die Höhe, sprang die Inflation nach oben und stiegen die Zinsen.
Gewiss schuldeten sich diese Einbrüche der Konjunktur nicht allein Verwerfungen in der
internationalen Politik. Aber ein auslösender, Unsicherheit schürender und die Rahmenbedingungen
beeinträchtigender Moment waren die außenpolitischen Spannungen allemal. Schon wegen dieser
historischen Erfahrung erscheint die These vom Ende der Konjunkturzyklen fragwürdig. Nur
wirtschaftliche Autisten sind versucht, aus der bisher längsten Hochkonjunktur in der
amerikanischen Geschichte die Überzeugung abzuleiten, es gäbe für die Wirtschaft nur noch eine
Richtung: nach oben.

Die ökonomische Lage kann sich nicht nur aus politischen Gründen umkehren. Die USA begünstigt
noch immer ein unerschütterliches Vertrauen der Investoren und ein Wachstumsvorsprung
gegenüber Europa und Japan. Sollten sich aber Gewinnwarnungen der US-Unternehmen häufen,
eine kräftige Kurskorrektur an der Wall Street stattfinden und ein Inflationsschub die Fed zum
Handeln zwingen, würde das Wachstum sehr rasch abbröckeln. Der Kapitalfluss versiegte. Dass
diese unterschwelligen Gefahren allein durch eine new economy gebannt sind, in der die meisten
Unternehmen um die Begrenzung ihrer Verluste ringen, darf man nicht erwarten. Gelassener
stimmen da andere Tatsachen. So muss die US-Volkswirtschaft heute nur noch 2 Prozent des BIP
für die Kosten importierten Öls aufbringen, während diese Belastung vor zwanzig Jahren bei 6,5
Prozent des BIP lag. Würde man zudem die Kosten pro Barrel Rohöl aus dem Jahr 1981 in heutigen
Preisen angeben, dann ergäbe sich ein Betrag von beinahe 70 US-Dollar pro Fass (Wyss 2000: 8).
Mithin ist der gegenwärtige Anstieg des Ölpreises auf 30 bis 35 US-Dollar pro Barrel verkraftbar.
Gleichfalls verspricht die stetige Zuwanderung von annähernd 900 000 Personen pro Jahr Engpässe
am amerikanischen Arbeitsmarkt etwas zu entschärfen. Die Lohnentwicklung wird auch unter
diesem Einfluss verhaltener ausfallen und die Preisstabilität weniger bedrohen.

Am wenigsten würde die US-Wirtschaft in den nächsten Jahren einen finanzpolitischen Populismus
vertragen. Die Überschüsse im Bundeshaushalt mögen bis auf weiteres noch so üppig ausfallen,
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ihre Entstehung ist nicht selbstverständlich, ihre Verwendung sollte sorgfältig überlegt werden und
ihr Ende ist absehbar. Die Überschüsse fließen im wesentlichen aus zwei Kanälen: einmal der
Beschäftigungsexplosion, die das Steueraufkommen gewaltig vermehrt. Zum anderen aus dem
Verfahrenskorsett des BEA, der die US-Politiker in ihrem Finanzgebaren an einer sehr kurzen Leine
führt. Beide Voraussetzungen können in der Zukunft entfallen. Wie viele Jahre die US-Wirtschaft
das Wachstumstempo der Clinton-Ära noch durchhält, weiß niemand. Und die disziplinierenden
Regelungen des BEA laufen im Jahr 2002 aus. Dass sich Präsident und Kongress weiterhin einem
Mechanismus der Selbstfesselung freiwillig unterwerfen, wo doch Überschüsse für den Kampf um
Wählerstimmen brachliegen, ist sehr zweifelhaft. Einstweilen zeigt man sich nur darin einig, die
Überschüsse aus der Sozialversicherung zu schonen, sie vielmehr zur Schuldentilgung und für
Rücklagen zu verwenden (Reischauer 2000: 13. Das ist auch geboten.

Der Anteil der Rentner an der US-Bevölkerung steigt bis 2040 von 13 auf 20 Prozent. Im Jahr 2010
erreichen die ersten, 2030 die letzten Jahrgänge der baby-boomer Generation das Rentenalter.
Damit nimmt der Ausgabendruck auf die Sozialversicherung enorm zu. Ab 2020 wird der
Alterssicherungsfonds auf seine Reserven zurückgreifen müssen (Aaron / Reischauer 2000: 171.
Wegen der tendenziellen Alterung der Gesellschaft wird der Anteil der Transferausgaben am
Bundeshaushalt steil ansteigen. Ausgaben, die auf gegebenen Rechtsansprüchen beruhen, sich
mithin der jährlichen Bewilligung entziehen, dürften von aktuell knapp 60 Prozent des Bundesetats
auf fast 80 Prozent in 2010 zunehmen. Renten und staatliche Gesundheitsleistungen für Alte und
Arme werden statt heute 40 Prozent im Jahr 2030 zwei Drittel der Bundesausgaben umfassen
(Congressional Budget Office 2000: 7).

Dieses demographische Szenario kündigt sich früh genug an. Im Grunde befinden sich die USA in
der vortrefflichen Situation, die entsprechenden Belastungen für den Bundeshaushalt rechtzeitig
kalkulieren und über den Zeitablauf glätten zu können. So ließen sich auch jene Budgetüberschüsse,
die derzeit außerhalb der Sozialversicherung entstehen, dem Alterssicherungsfonds zuführen. Einen
Teil der Reserven könnte man – wie von der Clinton-Administration angeregt – in Aktienfonds
parken. Eine vorausschauende Finanzpolitik wird sich von den augenblicklichen
Haushaltüberschüssen nicht blenden lassen. An Belastungen fehlt es auf lange Sicht nicht. Es wäre
gut, Budgetüberschüsse bis auf weiteres als ein Erbe der Clinton-Präsidentschaft zu bewahren, das
der Bund in einigen Jahren dringend benötigen wird. Ungleich besser als mit überflüssigen
Steuersenkungen einen Konsumschub auszulösen, Sprengsätze für künftige Defizite zu legen oder
mit unzähligen Abschreibungen das Steuersystem zu durchlöchern. Der neue US-Präsident sollte
ein Lied von Fleetwood Mac im Ohr behalten. Es erklang nach Clintons Abschiedsrede auf dem
diesjährigen Wahlkonvent der Demokraten: "Don't Stop Thinking About Tomorrow".

Literatur:

Aaron, Henry J. / Gale, William / Sly, James, 2000: The Rocky Road to Tax Reform, in: Henry J.
Aaron / Robert D. Reischauer (ed.), Setting National Priorities. The 2000 Election and Beyond,
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ders., / Reischauer, Robert D., 2000: Paying for an Aging Population, in: dies. (ed.), Setting
National Priorities. The 2000 Election and Beyond, Washington, D.C., 167-209.

Burtless, Gary, 2000: Growing American Inequalitiy: Sources and Remedies, in: Henry J. Aaron /
Robert D. Reischauer (ed.), Setting National Priorities. The 2000 Election and Beyond,
Washington, D.C., 137-165.
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Congressional Budget Office, 2000: The Budget and Economic Outlook: Fiscal Years 2001-2010,
Washington, D.C.

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 1997: Zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit in
ausgewählten Industrieländern, Wochenbericht Nr. 44, Berlin.

dass., 1998: Beschäftigungswachstum in den USA – ein erklärbares Wunder, Wochenbericht Nr. 9,
Berlin.

Dornbusch, Rüdiger / Fischer, Stanley, 1988: Makroökonomik, 3. Aufl. München-Wien.

Holtfrerich, Carl-Ludwig, 2000: Erfolgreiche Rezepte für mehr Beschäftigung, in: Handelsblatt v.
18. Januar 200, 49.

Klages, Wolfgang, 1998: Staat auf Sparkurs. Die erfolgreiche Sanierung des US-Haushalts (1981-
1997), Frankfurt/M. 1998.

Reischauer, Robert D., 2000: The Dawning of a New Era, in: Henry J. Aaron / Robert D.
Reischauer (ed.), Setting National Priorities. The 2000 Election and Beyond, Washington, D.C., 1-
34.

Statutes At Large of the United States 91 (1977): Amendments to the Federal Reserve Act,
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Thunert, Martin, 2000: Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaftspolitik in den USA unter der
Clinton-Administration, in Aus Politik und Zeitgeschichte 44, 23-30.

Wolber, Cornelia, 2000: Rekord-Überschuss im US-Haushalt, in: Die Welt v. 26 Oktober, 11.

Woodward, Bob, 1994: The Agenda. Inside the Clinton White House, New York.

Wyss, David A., 2000: Why Slow Down?, in: Standard & Poor's. The U.S. Economy, September, 5-
11.

Internetverweise:

Bureau of Economic Analysis:

http://www.bea.doc.gov/bea/glance.htm

Congressional Budget Office:

http://cbo.gov

The Clinton-Gore Economic Record:

http://www.whitehouse.gov/WH/Accomplishments/summary.html
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US-Notenbank:

http://www.federalreserve.gov

© 2000 Wolfgang Klages. Verwertung nur mit Genehmigung des Verfassers.
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