Klimareport 2021 www.kas.de - Konrad-Adenauer-Stiftung

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Impressum

Herausgeberin:
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. 2021, Berlin

Umschlagfoto: © iStock by Getty images/pixelfusion3d
Bildnachweise: S. 6 © Konrad-Adenauer-Stiftung; S. 8 © Konrad-Adenauer-­
Stiftung; S. 10 © Konrad-Adenauer-Stiftung; S. 14 © Konrad-Adenauer-­
Stiftung; S. 17 © iStock by Getty Images/Joa_Souza; S. 18 © Adobe Stock/­
piyaset; S. 19 © Adobe Stock/javier_garcia; S. 20 © Adobe Stock/Kletr; S. 21
© ACNUR/Roger Arnold; S. 22 © Adobe Stock/jozsitoeroe; S. 25 © iStock by
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© by Satoshi KINOKUNI/https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/; S. 38
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by Getty Images/pixelfusion3d
Gestaltung und Satz: yellow too Pasiek Horntrich GbR
Die Printausgabe wurde bei der Druckerei Kern GmbH, Bexbach,
klimaneutral produziert und auf FSC-zertifiziertem Papier gedruckt.
Printed in Germany.

Gedruckt mit finanzieller Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland.

Der Text dieses Werkes ist lizenziert unter den Bedingungen von „Creative
Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
international”, CC BY-SA 4.0 (abrufbar unter: https://creativecommons.org/
licenses/by-sa/4.0/legalcode.de).

ISBN 978-3-95721-985-5
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Auf einen Blick

›   Im Mittelpunkt des diesjährigen Klimareports      ›   Migrationsbewegungen können durch den
    stehen die potenziellen Auswirkungen des              Klimawandel und durch Extremwetterereig-
    Klimawandels auf den Agrarsektor und die              nisse verstärkt werden, die sich in lokalen
    daraus resultierenden Veränderungen, die sich         Migrationsbewegungen manifestieren. Ein
    beispielsweise in Migrationsbewegungen oder           direkter kausaler Zusammenhang ist jedoch
    sicherheitspolitischen Fragestellungen mani-          fraglich, weil Migrationsbewegungen auf eine
    festieren können. Dabei gilt es zu beachten,          Vielzahl von Gründen zurückzuführen sind.
    dass der Klimawandel und seine Folgen hoch-
    komplex und voreilige Rückschlüsse wenig ziel-    ›   Die Anpassungsfähigkeit der Landwirtschaft
    führend sind.                                         an den Klimawandel muss gestärkt werden.
                                                          Climate Smart Agriculture (CSA) und Agrar-
›   Der Klimawandel und der Agrarsektor sind              technologien verbessern die Anpassung und
    eng miteinander verbunden. Einerseits ist             tragen gleichzeitig zu mehr Nachhaltigkeit bei.
    der Agrarsektor weltweit ein wichtiger Wirt-
    schaftszweig, in dem schätzungsweise rund         ›   Die internationale Politik muss den Agrar-
    866 Millionen Menschen beschäftigt sind.              sektor noch stärker in den Mittelpunkt neh-
    Andererseits ist die Landwirtschaft eine Haupt-       men, da dieser einen Schlüssel im Kampf
    verursacherin von schädlichen Treibhausgas-           gegen den Klimawandel darstellt.
    emissionen und trägt somit aktiv zum Klima-
    wandel bei.

›   Die Klimawandelfolgen verschärfen mit
    hoher Wahrscheinlichkeit bereits existie-
    rende Konflikte, da beispielsweise Res-
    sourcen- und Nahrungsmittelknappheit zu
    Verteilungskonflikten führen können, die
    ihrerseits destabilisierend wirken.

                                                                                          Auf einen Blick   3
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Inhaltsverzeichnis

    Vorwort                                                       5

    Gerhard Wahlers

    1 Die Auswirkungen des Klimawandels in Subsahara-Afrika auf
    den Agrarsektor, Migration und menschliche Sicherheit         6

    Anja Berretta

    2 Klimawandel und Landwirtschaft – Zusammenhang und
    Folgen für Migration und Sicherheit in Zentralamerika         17

    Nicole Stopfer

    3 Klimawandel und Landwirtschaft in Asien und Pazifik –
    Migration, Anpassung und Innovation                           25

    Christian Hübner

    4 Klima und Konflikt:
    Chancen für ein „Environmental Peacebuilding“                 38

    Tobias Zumbrägel

    Fazit                                                         44

    André Algermißen

    Die Autoren                                                   48

4   Klimareport 2021
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Gerhard Wahlers                                       Die Frage nach den möglichen Auswirkungen
                                                      des Klimawandels auf den Agrarsektor und die
Vorwort                                               daraus resultierenden Veränderungen, beispiels-
                                                      weise Migrationsbewegungen und sicherheits-
                                                      politische Fragestellungen, stehen im Mittelpunkt
Liebe Leserinnen und Leser,                           unseres diesjährigen Klimareports. Mit dem nun-
                                                      mehr fünften Report setzen wir die Serie nach
der Agrarsektor ist weltweit ein wichtiger Wirt-      den Jahren 2007, 2011, 2014 und 2017 fort. Die
schaftszweig, in dem schätzungsweise rund             Beiträge aus den weltweiten Klima- und Energie-
866 Millionen Menschen beschäftigt sind. Vor          programmen der Konrad-Adenauer-­Stiftung
dem Hintergrund einer wachsenden Weltbe-              beschreiben nicht nur die Konsequenzen der kli-
völkerung und des steigenden Nahrungsmittel-          matischen Veränderungen in unterschiedlichen
bedarfs, ist eine produktive Landwirtschaft           Weltregionen, sondern zeigen auch potenzielle
einerseits der Schlüssel im Kampf gegen den           Lösungsmöglichkeiten auf. Die Beiträge machen
Hunger. Andererseits steht der Agrarsektor auf-       deutlich: Der Klimawandel und seine Folgen sind
grund hoher Treibhausgasemissionen und nega-          hochkomplex, voreilige Rückschlüsse sind oft-
tiven Auswirkungen auf die biologische Vielfalt in    mals wenig zielführend. Vielmehr geht es darum,
der Kritik.                                           zu differenzieren und pragmatische und lang-
                                                      fristige Mittel und Wege zu identifizieren, um den
Die Rolle der Landwirtschaft als Mitverursacherin     Herausforderungen begegnen zu können. Ergänzt
des Klimawandels darf in der gesellschaftlichen       werden die Texte darüber hinaus erstmals durch
Diskussion nicht vernachlässigt werden. Gleich-       Videointerviews auf unserer Homepage, in denen
zeitig gilt es hervorzuheben, dass es vor allem die   renommierte Expertinnen und Experten aus ver-
Landwirtinnen und Landwirte sind, die täglich         schiedenen Ländern zu Wort kommen.
mit den Auswirkungen des Klimawandels kon-
frontiert werden. Extremwetterereignisse wie          Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Dürren und Überschwemmungen bedrohen nicht
nur ihre wirtschaftliche Existenz, sondern auch       Gerhard Wahlers
die Lebensmittelversorgung ganzer Regionen und
können im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren
zu Migrationsbewegungen führen.                       Gerhard Wahlers ist stellvertretender General-
                                                      sekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) und
                                                      leitet die Abteilung Europäische und Internationale
                                                      Zusammenarbeit.

                                                                                                  Vorwort   5
Klimareport 2021 www.kas.de - Konrad-Adenauer-Stiftung
Anja Berretta

    1 Die Auswirkungen des Klimawandels
    in Subsahara-Afrika auf den Agrarsektor,
    Migration und menschliche Sicherheit

6   Klimareport 2021
Klimareport 2021 www.kas.de - Konrad-Adenauer-Stiftung
In Afrika südlich der Sahara beeinflussen sich        grund des Bevölkerungswachstums muss zudem
Klimawandel und Landwirtschaft gegenseitig, und       immer mehr Nahrung produziert werden, um
das rasante Bevölkerungswachstum erhöht den           Ernährungssicherheit zu garantieren. Der wach-
Druck auf knapper werdende Ressourcen. Den            sende afrikanische Mittelstand konsumiert zudem
Folgen des Klimawandels ist Subsahara-Afrika          mehr Fleisch. Um mehr Nahrung zu produzie-
(SSA) in besonderer Weise ausgeliefert, denn          ren, werden Wälder gerodet, wird mehr Wasser
die Region verfügt nur über minimale finanzielle      benötigt und Pestizide verwendet, deren Nutzung
und technische Ressourcen für die Adaption an         in Europa verboten sind. Dies führt zu Wasser-,
den Klimawandel und damit einhergehend eine           Luft und Bodenverschmutzung und schmälert die
schwache Resilienz.1,2,3 Regenfeldbau dominiert die   Ertragsproduktivität langfristig.
landwirtschaftliche Produktion in SSA und bedeckt
etwa 97 Prozent der gesamten Anbaufläche.4,5          Der Agrarsektor ist der wichtigste Wirtschaftssektor
Damit ist die landwirtschaftliche Produktion in       in Subsahara-Afrika, rund 65 Prozent der Men-
besonderem Maße den immer stärkeren saisona-          schen arbeiten in der Landwirtschaft. Der Lebens-
len Niederschlagsschwankungen ausgesetzt.             unterhalt von rund 85 Prozent der Bevölkerung
                                                      hängt von landwirtschaftlichen Aktivitäten ab.12,13
Gleichzeitig ist der Agrarsektor in Subsahara-        Der Sektor trägt erheblich zum nationalen Brutto-
Afrika selbst Hauptverursacher von Treibhaus-         inlandsprodukt bei,14,15 in einigen Ländern liegt die-
gasemissionen (THG). Zwar ist Afrika südlich der      ser Anteil sogar zwischen 40 und 60 Prozent.16 Der
Sahara global betrachtet nur für rund 3,9 Prozent     Anteil landwirtschaftlicher Produktion am Gesamt-
aller THG-Emissionen verantwortlich6 (ohne Süd-       export afrikanischer Länder beläuft sich auf 55 Pro-
afrika wären es 2,5 Prozent). Global gesehen ist      zent.17,18
der Hauptverursacher von Emissionen Energie. In
Afrika allerdings stammen die meisten Emissio-        Prognosen für die Region südlich der Sahara
nen aus dem AFOLU-Sektor (englische Abkürzung         deuten auf einen Erwärmungstrend hin, ins-
für Agriculture, Forestry and Other Land Use;         besondere im subtropischen Landesinneren,
zu Deutsch Landwirtschaft, Forstwirtschaft und        sowie die Zunahme von extremen Wetterereig-
andere Landnutzung). Während global gesehen           nissen.19 Dazu zählen häufigeres Auftreten von
die THG-Emissionen aus diesem Sektor 14,8 Pro-        extremer Hitze, zunehmende Trockenheit und
zent ausmachen,7 sind Landwirtschaft, Forstwirt-      Veränderungen der Niederschläge – mit einem
schaft und andere Landnutzung in Afrika südlich       besonders ausgeprägten Rückgang im süd-
der Sahara für 61 Prozent der THG-Emissionen          lichen Afrika und einer Zunahme in Ostafrika.20
verantwortlich.8 Hinzu kommt, dass die Produktivi-    Besonders anfällig für diese klimatischen Ver-
tät im Landwirtschaftsbereich niedrig und von         änderungen sind die landwirtschaftlichen Regen-
traditionellen Anbaupraktiken geprägt ist,9 jedoch    feldbausysteme, die mit rund 70 Prozent den
pro Nutztier/Ertragsprodukt der Anteil von THG-       Hauptanteil der landwirtschaftlichen Aktivitäten
Emissionen global gesehen höher liegt.10,11 Auf-      ausmachen.21

                                                                         1 Die Auswirkungen des Klima-         7
                                                                           wandels in Subsahara-Afrika
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Die Auswirkungen extremer Klimaereignisse brin-        Die Herausforderung, künftig Nahrungssicherheit
    gen ein erhöhtes Risiko für Investitionen im Land-     für eine steigende Bevölkerung so herzustellen,
    wirtschaftssektor mit sich, sodass Investitions-       dass diese nachhaltig und im Einklang mit dem
    anreize langfristig abnehmen und das benötigte         Pariser Klimaschutzabkommen steht und gleich-
    Kapital für Innovationen zur Produktivitäts-           zeitig den Lebensunterhalt der Menschen, die in
    steigerung durch unsichere Renditeprognosen            diesem Sektor arbeiten, sichert, ist eine enorme
    abnehmen könnte. Das Intergovernmental Panel           Aufgabe für den afrikanischen Kontinent.
    on Climate Change (IPCC) stellt fest, dass mit hoher
    Wahrscheinlichkeit der Gesamteffekt des Klima-
    wandels auf die Erträge der wichtigsten Getreide-
    arten wie zum Beispiel Hirse, Mais und Teffin der
    afrikanischen Region negativ sein wird, mit starken
    regionalen Unterschieden.22 Gleichzeitig werden
    Prognosen zufolge bis zum Jahr 2050 voraussicht-
    lich 2,4 Milliarden Menschen zusätzlich in Ent-
    wicklungsländern leben, vor allem in Afrika süd-
    lich der Sahara.23 In dieser Region wird sich der
    Gesamtgetreidebedarf schätzungsweise bis 2050
    auf 317 Millionen Tonnen fast verdoppeln.24

    Auch der Viehbestand ist anfällig für Trockenheit,
    vor allem dort, wo er von der lokalen Biomasse-
    produktion abhängt. Es besteht eine starke Kor-
    relation zwischen Trockenheit und Tiersterben.25
    Erwartet wird, dass die für die Landwirtschaft
    geeigneten Flächen, die Länge der Vegetations-
    perioden und die Ertragspotenziale, insbesondere
    an den Rändern der semiariden und ariden
    Gebiete in SSA, weiter abnehmen werden, was
    sich negativ auf die Ernährungssicherheit auswirkt
    und die Nahrungsknappheit verstärken könnte.

8   Klimareport 2021
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Die Anfälligkeit für extreme Wetterereignisse hängt    In Regionen, die durch schwache staatliche
davon ab, inwiefern die Bevölkerung von natür-         Strukturen, niedrige Resilienz und hohe Armut
lichen Ressourcen und dem Ökosystem abhängig           gekennzeichnet sind und über schlechte sozioöko-
ist, wie empfindlich das Ökosystem selbst auf den      nomische Prognosen verfügen, können Klima-
Klimawandel reagiert und inwiefern die Menschen        wandelfolgen als sogenannter Push-Faktor bereits
in der Lage sind, sich den durch den Klimawandel       bestehende Konflikte verschärfen. Zwar gibt es
verursachten Veränderungen anzupassen, also die        auch hier keinen kausalen Zusammenhang zwi-
Möglichkeit der Adaption. Mit anderen Worten: Je       schen Klimawandel und Konflikt, aber es ist zu
mehr Menschen von klimasensitiven Formen des           vermuten, dass zum Beispiel sich verändernde
Ökosystems abhängig sind, desto stärker sind sie       Regenzeiten und Temperaturanstiege in volatilen
durch den Klimawandel gefährdet.                       Szenarien konfliktbeschleunigend wirken.29 Sofern
                                                       diese zu weniger Beschäftigungsmöglichkeiten
Es ist davon auszugehen, dass die große Abhängig-      in der Landwirtschaft führen und gleichzeitig mit
keit der Menschen in Subsahara-Afrika von klima-       einer Ressourcen- und Nahrungsmittelknapp-
sensitiver Landwirtschaft, die skizzierte steigende    heit verbunden sind, werden Verteilungskonflikte
Ressourcenknappheit sowie der ungleiche Zugang         befördert und somit die menschliche Sicherheit
zu diesen künftig zu einem schärferen Wettbe­          gefährdet.30
werb um Ressourcen zwischen verschiedenen
Bevölkerungsgruppen in Afrika führen wird.26           Das Beispiel des Tschadseebeckens zeigt jedoch
                                                       eindrücklich, dass die Zunahme gewaltsamer Kon-
Bereits heute gibt es eine Zunahme von Kon-            flikte keinesfalls direkt auf den Klimawandel redu-
flikten zwischen Ackerbauern und Viehhirten in         ziert werden kann. In der Region um den Tschad-
semiariden Gebieten in Subsahara-Afrika, die           see haben extremere Wetterbedingungen einen
aus dem Wettbewerb um die knapper werden-              Beitrag dazu geleistet, dass sich arme Bauern
den Ressourcen wie Weideland und Wasser                und Fischer der islamistischen Terrororganisation
resultieren. Wenn zum Beispiel trockene Weide-         Boko Haram angeschlossen haben. Die Region an
flächen abnehmen, sind Viehhirten in der Regel         der Grenze zu Nigeria, Niger, Tschad und Kame-
gezwungen, auf Ackerland auszuweichen, was             run wurde von einem jahrzehntelangen islamis-
sie oft in Konflikt mit den Ackerbauern bringt.27 In   tischen Aufstand destabilisiert, der 2,5 Millionen
einigen Regionen, darunter Nigeria und das Horn        Menschen in einer der ärmsten Gegenden der
von Afrika, werden diese Konflikte zunehmend           Welt entwurzelte. Gleichzeitig sind rund 40 Millio-
gewalttätig ausgetragen.28                             nen Menschen die im Tschadseebecken leben auf
                                                       das Wasser des Sees angewiesen, um Getreide

                                                                          1 Die Auswirkungen des Klima-      9
                                                                            wandels in Subsahara-Afrika
und Viehzucht, Fischerei und Handel zu betreiben.   wann anbauen. Die Lebensgrundlage vieler Bauern
     Die Regenfälle um den See hinterlassen frucht-      und Fischer wurde zerstört. Um dem Nahrungs-
     bares Land für die Landwirtschaft. Doch die         mangel zu entgehen, erhoffen sich Teile der
     Menge und der Zeitpunkt der Niederschläge sind      Bevölkerung nun ein Überleben im Schatten der
     unvorhersehbar geworden, sodass die Menschen        Terrororganisation.
     nicht mehr verlässlich planen können, was sie

10   Klimareport 2021
Klimabedingte Migration?                                   Menschen, die innerhalb eines Landes in Afrika
                                                           südlich der Sahara migrieren, jünger als 34 Jahre.32
                                                           Dabei ist zwischen kurzfristiger Migration aufgrund
Die Frage, ob und wie Klimawandel Migration beein-         von extremen Wetterereignissen und langfristiger
flusst, ist in den letzten Jahren global kontrovers dis-   Migration zu unterscheiden, die dazu dient, den
kutiert worden und fand ihren (vorläufigen) Höhe-          Lebensunterhalt zu sichern und zur rasanten
punkt in der Verabschiedung des Global Compact             Urbanisierung in Afrikas Städten beiträgt.33,34
for Migration im Dezember 2018. In dem rechtlich
nicht bindenden Dokument erkennen die UN-Mit-              Das Intergovernmental Panel on Climate Change
gliedsstaaten an, dass extreme Wetterereignisse            (IPCC) geht davon aus, dass sich extreme Wetter-
und Klimawandel Migration beeinflussen und Men-            ereignisse wie Überschwemmungen, Dürren und
schen die aufgrund solcher Ereignisse ihre Heimat          Orkane in den nächsten Jahren häufen werden.
(temporär) verlassen mussten, schutzbedürftig sind.        Eine Studie des International Displacement Moni-
                                                           toring Centres (IDMC) wiederum zeigt, dass es eine
Dass der Klimawandel die landwirtschaftliche Pro-          hohe Korrelation zwischen Klimavariablen und
duktion und somit auch die Lebensgrundlage der             internationaler Migration gibt. Die meiste Migra-
ländlichen Bevölkerung in Subsahara-Afrika beein-          tion findet in sogenannten High Risk Environments
flusst, ist unbestritten, inwiefern dies in direkten       statt, die durch schlechte sozioökonomische Pro-
Migrationsbewegungen resultiert, ist jedoch nicht          gnosen, niedrige Resilienz und Adaptionsfähigkeit
kausal zu beantworten. Als gesichert gilt, dass Mig-       sowie hohe Verwundbarkeit gegenüber Umwelt-
ration auf dem afrikanischen Kontinent vor allem           ereignissen und Konflikten gekennzeichnet sind.
innerhalb der eigenen Landesgrenzen stattfindet,           In diesem Kontext fällt es zunehmend schwer, als
seltener innerhalb einer Region und noch selte-            Ursache von Migration gewaltsame Konflikte oder
ner außerhalb des Kontinents.31 Migration ist in           Naturkatastrophen zu benennen. In der Region um
diesem Zusammenhang als Adaptionsstrategie an              das Horn von Afrika (Djibouti, Äthiopien, Eritrea und
geänderte Rahmenbedingungen zu betrachten.                 Somalia) beispielsweise beeinflussen sich Dürre-
Es ist davon auszugehen, dass Migrationsbe-                perioden, fehlender Zugang zur Grundversorgung
wegungen in den nächsten Jahren zunehmen                   und Infrastruktur, Mangel an ökonomischen Per-
werden, wenn die Landwirtschaft immer weniger              spektiven und gewaltsame Konflikte gegenseitig,
Einkommens- und Beschäftigungsmöglichkeiten                sodass für die vulnerable Bevölkerung Migration
bietet. Niedrige Produktivitätsraten, geringe Aus-         oftmals die einzige Möglichkeit darstellt, das Über-
sicht auf Profit und die soziale Wahrnehmung,              leben zu sichern. Dies zeigt deutlich, dass der
Landwirtschaft sei ein altmodischer Beruf, haben           Zusammenhang zwischen Klimawandel und Mig-
zudem dazu geführt, dass der Sektor vor allem bei          ration immer in einem sozioökonomischen Kon-
der jungen Bevölkerung wenig attraktiv ist. Diese          text untersucht werden muss. Die Entscheidung zu
Gruppe migriert überdurchschnittlich häufig:               migrieren, kann nicht monokausal auf den Klima-
Schätzungen zufolge sind mehr als 60 Prozent der           wandel und seine Folgen verengt werden.35

                                                                              1 Die Auswirkungen des Klima-        11
                                                                                wandels in Subsahara-Afrika
Lösungsansätze                                        Unter CSA fallen verschiedene Methoden und Kon-
                                                           zepte, die sich über den gesamten Produktions-
                                                           zyklus erstrecken. Dazu zählen klimaresistentes
     Landwirtschaft als wichtigster Wirtschaftssektor      Saatgut, Agroforstwirtschaft, verbessertes Weide-
     in Afrika südlich der Sahara kann dazu beitragen,     management, Hydroponik, solare Wasserpumpen
     dass die Resilienz der lokalen Bevölkerung gegen-     für die Bewässerung, solare Kühlkettentransparte,
     über den Klimawandelfolgen gestärkt wird, gleich-     Zertifikate für nachhaltige Landwirtschaft, aber
     zeitig ist die Landwirtschaft Voraussetzung, um       auch indexbasierte Versicherungen für den Ernte-
     für die ansteigende Bevölkerung Ernährungs-           ausfall.
     sicherheit zu garantieren. Und drittens bieten sich
     mehrere Möglichkeiten, den Anteil der globalen        CSA-Methoden müssen im länder- und/oder
     Treibhausgasemissionen, der im AFOLU-Sektor           regionalspezifischen Kontext gesehen werden: So
     entsteht, abzumindern.                                sind beispielsweise die Kosten für solarbetriebene
                                                           Wasserpumpen für viele landwirtschaftliche
     Innovative Methoden, die diesen drei Heraus-          Betriebe in Ostafrika mit zu hohen Anschaffungs-
     forderungen begegnen, werden als Climate Smart        und Wartungskosten verbunden. Andere Metho-
     Agriculture (zu Deutsch klimagerechte Landwirt-       den sind nur gewinnbringend, wenn sie in grö-
     schaft, abgekürzt CSA) bezeichnet. CSA steigert die   ßeren landwirtschaftlichen Produktionsstätten
     Landwirtschaftliche Produktivität auf nachhaltige     skaliert werden. Auch diese Methoden sind für
     Weise und sichert Einkommen und Nahrungs-             Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Ost- oder
     sicherheit. CSA Methoden können sich volatilen        Westafrika nur bedingt anwendbar. Wenn ver-
     Klimaverhältnissen anpassen, stärken damit die        schiedene Machbarkeitsaspekte wie etwa Skalier-
     Widerstandsfähigkeit im Getreideanbau oder der        barkeit, Wirtschaftlichkeit und Anschaffungs-
     Viehwirtschaft und reduzieren THG-Emissionen          kosten aber auch die eingesparte Menge an THG
     aus der Nahrungsmittelproduktion-, verarbeitung       berücksichtigt werden, bieten sich zum Beispiel
     und -vermarktung so weit wie möglich.                 für Ostafrika kleinbäuerliche Agroforstwirtschaft,
                                                           der Einsatz von klimaresistentem Saatgut und
                                                           solare Kühlkettenlösungen an. Diese Lösungen
                                                           sind attraktiv, da sie wirtschaftlich nachhaltig sind
                                                           und die Landwirtinnen und Landwirte nach Erhalt
                                                           einer geringen anfänglichen Unterstützung in der
                                                           Lage versetzen, die Methoden eigenständig anzu-
                                                           wenden.36

12   Klimareport 2021
Kleinbäuerliche Agroforstwirtschaft                  Solarbetriebene Kühlketten
Diese Methode erhöht das Einkommen der Land-         Zwischen 20 und 60 Prozent der Lebensmittel in
wirtinnen und Landwirte, indem Brachflächen mit      Ostafrika gehen aufgrund von schlechten Lager-
Bäumen bepflanzt werden und nach einigen Jahren      möglichkeiten, Transportproblemen und feh-
zusätzliches Einkommen durch Abholzung entsteht.     lender Infrastruktur verloren, überdurchschnitt-
Durch die Pflanzung werden THG gebunden und          lich häufig davon betroffen sind Kleinbäuerinnen
die Bodenfruchtbarkeit verbessert. Allerdings ist    und Kleinbauern, die keine Möglichkeiten haben,
für die anfängliche Finanzierung oft Fremdkapital    Produkte angemessen zu konservieren. Die Ein-
notwendig und es dauert einige Zeit, bis die Land-   führung von Kühl- und Kühlkettenlösungen in
wirtinnen und Landwirte Gewinn erzielen. Dafür ist   Ostafrika befindet sich noch im Anfangsstadium
das Mitigationspotenzial der Agroforstwirtschaft     und wird hauptsächlich von exportorientierten
immens, sodass zum Beispiel Kenia Agroforstwirt-     Sektoren wie Obst oder Blumen vorangetrieben.
schaft als Bestandteil seiner Nationalen Strategie   Konventionelle Kühlketten haben angesichts der
zum Erreichen des Abkommens von Paris nennt.         niedrigen Elektrifizierungsraten in den ländlichen
                                                     Gebieten Tansanias und Ugandas eine begrenzte
                                                     Reichweite. Das trägt dazu bei, dass solarbetrie­
Klimaresistentes Saatgut                             bene Kühlketten an Relevanz gewinnen. Aufgrund
Die Verwendung verkürzt die Reifezeit, erhöht die    ihres hohen Wirkungspotenzials erhalten diese
Krankheits- und Schädlingsresistenz und stei-        Anwendungen breite Unterstützung von Entwick­
gert die Erträge in den Wertschöpfungsketten         lungspartnern. Dabei wird besonders darauf
von Mais, Hülsenfrüchten, Reis und Gemüse um         geachtet, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern den
20 bis 30 Prozent. Sie haben das Potenzial, die      Zugang zu Kühlketten zu ermöglichen, etwa durch
Nahrungsmittelversorgung ganzer Regionen             die tageweise Anmietung von Kühlräumen.
zu verändern. Aktuell werden in Ostafrika viele
neue Saatgutsorten erforscht und vermarket,
gleichzeitig findet ein hohes Maß an Wissens-
transfer an Kleinbäuerinnen und Kleinbauern
statt, unterstützt von privaten, aber auch staat-
lichen Initiativen. Es gibt zudem wachsende
Liefer- und Vertriebsketten, was die Nachhaltig-
keit dieser Methode, neben den erschwinglichen
Anschaffungskosten, unterstreicht.

                                                                       1 Die Auswirkungen des Klima-      13
                                                                         wandels in Subsahara-Afrika
Klimagerechte Landwirtschaft kann die Resilienz
     der Bevölkerung stärken, wirtschaftliche Perspek-
     tiven schaffen und THG reduzieren. Allerdings
     wird das Potenzial für CSA in Subsahara-Afrika bis-
     her nicht voll ausgeschöpft. Technologietransfer
     und fehlende Finanzierung sind die wesentlichen
     Gründe dafür. Wie in anderen Sektoren auch
     fehlt es im Wesentlichen an Privatinvestitionen.
     Im globalen Vergleich fließen die wenigsten Gel-
     der aus dem internationalen Klimafonds nach
     Afrika südlich der Sahara. Aber auch der politische
     Spielraum ist noch nicht vollends ausgeschöpft:
     Durch gezielte politische Initiativen könnte die
     Verbreitung von CSA gefördert werden, und die
     sozioökonomischen Bedingungen der ländlichen
     Bevölkerung dauerhaft verbessert werden.

                                                           Anja Berretta leitet das Regionalprogramm Energie­
                                                           sicherheit und Klimawandel Subsahara-Afrika der
                                                           Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Nairobi, Kenia.

14   Klimareport 2021
1    Eriksen, Siri et al. 2007. When not every response to climate   12   AfDB, OECD und UNDP. 2014. African Economic Outlook
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                                                                          Economist Intelligence Unit.
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                                                                          weather-events-and-climate-change-in-africa-grl-trr-
     2: Agriculture in Sub-Saharan Africa: Prospects and chal-
                                                                          04-2020-high-res.pdf (aufgerufen am 14.7 2021).
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                                                                                             1 Die Auswirkungen des Klima-                15
                                                                                               wandels in Subsahara-Afrika
22   Niang, Isabelle et al. 2014. Africa. In Climate change 2014:    29   Hsiang, Solomon M. et al. 2013. Quantifying the Influ-
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16   Klimareport 2021
Nicole Stopfer

2 Klimawandel und Landwirtschaft –
Zusammenhang und Folgen für Migration
und Sicherheit in Zentralamerika

                        2 Klimawandel und Landwirt-     17
                             schaft in Zentralamerika
Der Klimawandel hat die Landwirtschaft in Latein-      Nexus Klimawandel –
     amerika erreicht. Nicht nur Extremwetterereig-         Landwirtschaft
     nisse wie Dürren und Hitzewellen, sondern auch
     Starkregen und Überschwemmungen wirken
     sich unmittelbar auf die Pflanzenproduktion und        Die Auswirkungen des Klimawandels auf den
     Viehwirtschaft aus. Das bedeutet auf lange Sicht       Agrarsektor und daraus resultierende Heraus-
     sinkende Erträge, geringere Umsätze und stei-          forderungen für Migration und Sicherheit sind
     gende Preise. Während die lateinamerikanischen         vor allem in der Subregion Zentralamerika sicht-
     Landwirtinnen und Landwirte versuchen, sich            bar, die überdurchschnittlich stark von Klima-
     an neue Witterungsbedingungen anzupassen,              wandeleinflüssen betroffen ist. Die Verwundbar-
     bedeutet der Klimawandel für den Agrarsektor in        keit der Region wird unter anderem durch den
     der Region vor allem ein Risiko für Einkommens-        jährlichen Klima-Risiko-Index der NGO German-
     und Ernährungssicherheit. Gleichzeitig ist die         watch deutlich, in dem die zentralamerikanischen
     Landwirtschaft in Lateinamerika einer der Haupt-       Länder des sogenannten Trockenkorridors, der
     produzenten klimaschädlicher Treibhausgase und         sich von Südmexiko bis nach Panama erstreckt,37
     wird zunehmend für den Klimawandel mitver-             zu den Ländern gehören, die weltweit am stärks-
     antwortlich gemacht. Die Region Lateinamerika          ten von Klimarisiken betroffen sind. Gleichzeitig
     und die Karibik verursachen 17 Prozent der land-       leben 40 Prozent der insgesamt fast elf Millionen
     wirtschaftlichen Gesamtemissionen und liegen           Menschen in ländlichen Gebieten und 60 Prozent
     damit weltweit auf Platz zwei. Die Debatte um          davon in Armut.
     Klimaschutz kollidiert also einerseits mit Existenz-
     fragen der lateinamerikanischen Landwirtinnen
     und Landwirte. Gleichzeitig führen zunehmende
     Migrationsströme und damit verbundene Sicher-
     heitsfragen zu neuen Konfliktfeldern.

18   Klimareport 2021
Der Klimawandel wirkt sich in der Region unter        Diese Ereignisse betreffen die Landwirtinnen und
anderem durch eine Veränderung der üblichen           Landwirte nicht nur unmittelbar aufgrund der
Regenzeiten aus, die traditionell die Anbauphasen     Zerstörung ihrer Anbaugebiete, sondern indirekt
der lokalen Landwirtschaft bestimmen. Die Ver-        durch Infrastrukturschäden, die dazu führen kön-
änderungen führen dazu, dass der erwartete            nen, dass regionale und nationale Transportrouten
Regen entweder zu spät oder gar nicht eintrifft       nicht genutzt werden können und entsprechende
und es zu länger anhaltenden Dürreperioden            Versorgungsengpässe entstehen. Zum anderen
kommt. Diese anhaltenden Dürren führen im             werden essenzielle Einrichtungen, wie etwa Arzt-
sogenannten Trockenkorridor mittlerweile zu           praxen und Schulen für längere Zeit unzugäng-
Ernte- und Einkommensverlusten im sechs-              lich, wodurch sich die Lebensqualität der lokalen
stelligen Bereich.                                    Bevölkerung kurz- und langfristig verschlechtert.40

Allein im Jahr 2016 gingen in Nicaragua aufgrund      Messungen der letzten Jahre zeigen, dass im Jahr
der Dürreperiode bis zu 90 Prozent der Mais- und      2018 mehr als zwei Millionen Menschen auf-
60 Prozent der Bohnenernte verloren.38 In El Salva-   grund von Ernte- und Einkommensverlusten unter
dor betrug der wirtschaftliche Verlust im Agrar-      Nahrungsmittelknappheit lebten. Im Jahr 2019
sektor aufgrund der Dürreperioden zwischen            verdoppelte sich die Zahl und nicht zuletzt hat die
2014 und 2019 rund 193 Millionen Dollar.39            Corona-Krise dazu geführt, dass seit 2020 mehr als
                                                      sieben Millionen Menschen dem direkten Risiko
Neben der zeitlichen Verschiebung der Regenereig-     der Ernährungsunsicherheit ausgesetzt sind.
nisse führt der Klimawandel zu einer Zunahme der
Intensität von Extremwettereignissen. Vor allem
tropische Stürme, Starkregen und Überflutungen
werden in der Region in Zukunft häufiger zu
beobachten sein.

                                                                          2 Klimawandel und Landwirt-       19
                                                                               schaft in Zentralamerika
„Klimamigration“ als Folge?                             Während dem Klimawandel eher eine Rolle als
                                                             Katalysator zugeschrieben wird, der bereits
                                                             bestehende Engpässe verschärft, verschiedene
     Migration spielt seit mehreren Jahrzenten eine          Konflikte kombiniert und Dynamiken verändert,
     zentrale Rolle zwischen den Beziehungen mittel-         werden als Hauptgründe für Migration häufig
     und nordamerikanischer Staaten. Auf der Flucht          Gewalt und Armut an erster Stelle genannt. Vor
     vor prekären wirtschaftlichen Bedingungen, Gewalt       allem Bandengewalt und politische Unruhen
     und politischer Instabilität, stehen seit Jahrzehnten   bestimmen weiterhin die Migrationsströme in die
     massive, häufig auch medial sichtbare, Migrations-      USA. Zusätzliche Sicherheitskonflikte entstehen
     ströme von Zentralamerika in die USA an der             anschließend sowohl bei der Migration durch
     Tagesordnung.                                           Mexiko als auch durch den illegalen Aufenthalt in
                                                             Mexiko und an der Grenze zu den USA.

                                                             Und obwohl Kleinbäuerinnen und Kleinbauern
                                                             rund 60 Prozent des gesamten landwirtschaft-
                                                             lichen Ertrags beitragen41 und etwa zwei Millionen
                                                             Familien als Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in
                                                             der Subsistenzlandwirtschaft tätig sind,42 hat der
                                                             Klimawandel lange Zeit keine bemerkenswerte
                                                             Rolle in der Debatte um die Ursachen von Migra-
                                                             tion und ihrer Bewältigung gespielt.

                                                             Allerdings zeigt sich vor allem in den ländlichen
                                                             Gebieten Zentralamerikas wie eng Klimawandel-
                                                             auswirkungen, Armut und Migration miteinander
                                                             verknüpft sind. In Nicaragua leben etwa 50 Pro-
                                                             zent aller Haushalte in ländlichen Gebieten (circa
                                                             1,2 Millionen Menschen) unter der Armuts-
                                                             grenze von vier US-Dollar pro Tag.43 Für ganz
                                                             Lateinamerika und die Karibik ist der Anteil der
                                                             Bevölkerung, die unter extremer Armut leidet
                                                             in ländlichen Gebieten über die letzten 20 Jahre
                                                             doppelt so hoch wie für städtische Regionen. Die
                                                             Gründe liegen neben steigenden Getreidepreisen
                                                             in den ertragsarmen Monaten vor allem an direk-
                                                             ten Klimaeinflüssen. Eine Dürreperiode oder
                                                             Überschwemmungen sind Auslöser für erhöhte

20   Klimareport 2021
Land-Stadt-Migration innerhalb eines kurzen
Zeitraums. Durch den sprunghaften Anstieg der
Stadtbevölkerung kommt es in den häufig ohne-
hin überlasteten städtischen Systemen zu einer
weiteren Zunahme von Konflikten. Städte wie San
José in Costa Rica oder auch Guatemala-Stadt in
Guatemala werden zunehmend als erste Chance
für alternative Arbeitsmöglichkeiten gesehen. Auf-
grund der steigenden Zuwanderungsraten sind
die vorhandenen Trink- und Abwasser- sowie
Müllentsorgungs- und Transportsysteme jedoch
zunehmend überlastet. Diese Entwicklung hat
einen direkten Einfluss auf die Lebensqualität und
Armut in den Städten und führt nicht zuletzt zur
Migration großer Bevölkerungsanteile über die
Landesgrenzen hinweg.

Der Klimawandel verstärkt die Engpässe von            Lösungsansätze und Chancen
Familien, Dorfgemeinschaften sowie städtischen
und nationalen Systemen und führt zu Dyna-
miken die unter anderem Gewalt, Armut und             Vor diesem Hintergrund versuchen einige Länder
Massenmigration zunehmen lassen. Dabei ist zu         des Trockenkorridors in ein verbessertes Agrar-
betonen, dass der Einfluss des Klimawandels auf       management und in technologische Innovationen
Migrationsprozesse nicht linear ist und kein direk-   zu investieren. Allerdings finden mit wenigen Aus-
ter kausaler Zusammenhang besteht. Vielmehr           nahmen viele Projekte und Initiativen vor allem auf
ist die Interaktion zwischen vielen verschiedenen     lokaler Ebene und ohne nationale Unterstützung
individuellen, sozioökonomischen und politischen      statt. In Costa Rica wurden in einigen Trocken-
Faktoren sowie den regionalen und zeitlichen          savannen künstliche Bewässerungsanlagen aus-
Komponenten von Extremwettereinflüssen für            gebaut. In Nicaragua finden vereinzelte, häufig
verschiedene Migrationsformen verantwortlich zu       von NGOs angestoßene, Nachhaltigkeitsprojekte
machen. Die Komplexität der Zusammenhänge             zunehmenden Zuspruch in kleineren Gemeinden:
zeigt sich auch durch das Phänomen, das auf-          Mit dem Bau von Biogasanlagen soll etwa die
tretende Extremwetterereignisse nur zu tempo-         Nutzung von Brennholz und somit die Abholzung
rärer Migration führen. Das Hauptziel der Land-       reduziert werden. Gleichzeitig kann das Neben-
wirtinnen und Landwirte besteht in diesem Fall        produkt Biol als organischer Dünger klimaschäd-
darin, wieder nach Hause zurückzukehren, sobald       liche Methanemissionen vermeiden.
lebensnotwendige Grundlagen wie Trinkwasser
und Nahrungsmittelzufuhr wiederhergestellt sind.

                                                                          2 Klimawandel und Landwirt-       21
                                                                               schaft in Zentralamerika
Gemeinden in Honduras und Guatemala ver-               Die Folgen des Klimawandels eröffnen aber auch
     suchen – vereinzelt auch mit nationaler Unter-         Chancen. Um diese langfristig und erfolgreich
     stützung – durch das Ausrufen von Notständen           nutzen zu können, müssen die Landwirtinnen
     das Bewusstsein für die komplexe Problematik zu        und Landwirte in der Lage sein, den Risiken des
     verstärken und internationale Hilfsangebote zu         Klimawandels vorzubeugen. Eine Anpassung
     erhalten. In El Salvador und Guatemala wurden in       an veränderte Bedingungen kann demnach nur
     den letzten Jahren nationale Agrarhilfspakete in       geschehen, wenn die Bevölkerung durch Fort-
     Höhe von mehreren Millionen Dollar angeboten,44        bildungsangebote in Entscheidungsprozesse ein-
     die die Landwirtinnen und Landwirte mit Saat-          gebunden ist und dazu motiviert wird, eigene
     gütern und Düngemitteln unterstützen sollten,          Strategien zu entwickeln und ihr eigenes, teils über
     um so die zunehmenden Migrationsströme inner-          Jahrhunderte überliefertes Wissen im Umgang mit
     halb und außerhalb der Grenzen aufzuhalten.            dem Klimawandel einzubringen.
     Allerdings haben sich diese Hilfspakete bisher nur
     als kurzfristige Lösungsansätze herausgestellt.
     Auch sie können die zunehmende Ernährungs-
     mittelknappheit aufgrund der immer deutlicher
     werdenden Klimawandelfolgen nicht langfristig
     lösen. Versuche internationaler Organisatio-
     nen, wie beispielsweise der Food and Agriculture
     Organization of the United Nations (FAO), durch
     Finanzierungsmodalitäten nachhaltige Agrar-
     projekte zu fördern, nehmen ebenfalls zu.45

     Die fortwährenden Migrationsbewegungen sowie
     die vielfältigen Konfliktpotenziale zeigen jedoch,
     dass es bisher an einer langfristigen Strategie
     des Umgangs mit den geänderten klimatischen
     Gegebenheiten fehlt, um die Landwirtschaft vor
     allem in ländlichen Gebieten tatsächlich zu stärken.
     Um sowohl Vorbeugungs- als auch Anpassungs-
     strategien entschlossen mit dem Klimaschutz ver-
     binden zu können, sind staatliche Kontrollen, kom-
     munale Strukturen und Kompetenzen erforderlich.

22   Klimareport 2021
Die ähnlichen klimatischen Risiken der Region          Zu einer erfolgreichen Anpassung an den Klima-
bieten nicht zuletzt die Chance, regionale Sy­ner­     wandel und zur Gewährung einer nachhaltigen
gien zu schaffen. Costa Rica scheint hier eine         Landwirtschaft, die Ernährungssicherheit und
Vorreiter- und Führungsrolle übernehmen zu             Klimaschutz garantiert, gehören in der Region
wollen. Zum Welttag gegen Wüstenbildung und            letztendlich vor allem langfristige, politische
Dürre am 17. Juni 2021 lud die costa-ricanische        Strategien und institutionelle Strukturen sowie
Regierung alle Länder des Trockenkorridors zu          wirtschaftlich faire Handelsabkommen. Erst
einem virtuellen Kongress ein, um die regio-           wenn die durch den Klimawandel zunehmend
nalen Herausforderungen im Zusammenhang                wirtschaftlich und politisch geschwächte Region
mit Klimawandel, Landwirtschaft und Migra-             gestärkt ist, kann der lateinamerikanische Agrar-
tion zu analysieren und gemeinsame, innovative         sektor nachhaltig zum Klimaschutz beitragen und
Lösungsansätze anzugehen. Derartige Kongresse          sich durch Diversifizierung der Landwirtschaft an
zeigen, dass politischer Wille und das Bewusst-        die veränderten Klimabedingungen anpassen.
sein für die anhaltenden Herausforderungen
bestehen. Die Narrative kommen zeitgleich mit
einem zunehmend schärferen Ton der neuen
US-Administration. Beim ersten Amtsbesuch der          Nicole Stopfer leitet das Regionalprogramm
US-Vizepräsidentin Kamala Harris im Juni 2021          Energiesicherheit und Klimawandel Lateinamerika
machte diese deutlich, dass sie keine illegalen Ein-   der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Lima, Peru.
wanderinnen und Einwanderer an der US-Grenze
akzeptieren würde. Der Druck auf die Länder, die
Landwirtschaft mit innovativen Lösungsansätzen
zu unterstützen und Migrationsströme aufzu-
halten, scheint daher größer zu werden.

                                                                            2 Klimawandel und Landwirt-       23
                                                                                 schaft in Zentralamerika
37   Der Trockenkorridor ist eine tropische Trockenwald-Region     42   etwa 90 Prozent davon in Guatemala, El Salvador, Hondu-
          welche sich von Südmexiko (Bundesstaat Chiapas) über               ras und Nicaragua laut Food and Agriculture Organization
          die Pazifikküsten Guatemalas, Honduras’, El Salvadors und          of the United Nations, Presanca. 2011. Centroamérica en
          Nicaraguas bis über Costa Rica und den Norden Panamas              Cifras: Datos de Seguridad Alimentaria Nutricional y Agri-
          ausstreckt.                                                        cultura Familiar. fao.org. http://www.fao.org/fileadmin/
     38   Deutsche Welle. 2019. Zwischen Überschwemmung und                  user_upload/AGRO_Noticias/docs/CentroAm%C3%A9rica-
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          gerufen am 13.7.2021).                                             insostenible. Connectas.org. https://www.connectas.org/
     40   Imbach, Pablo et al. 2017. Climate Change, Ecosystems and          paquetes-agricolas-un-parche-climatico-insostenible/ (auf-
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          17.8.2021).

24   Klimareport 2021
Christian Hübner

3 Klimawandel und Landwirtschaft
in Asien und Pazifik – Migration,
Anpassung und Innovation

                   3 Klimawandel und Landwirtschaft in Asien und    25
                    Pazifik – Migration, Anpassung und Innovation
Einleitung                                             Dessen ungeachtet ist die Region Asien und Pazi-
                                                            fik nach wie vor durch eine starke soziale und
                                                            landwirtschaftliche Heterogenität geprägt. Es
     Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Land-        gibt auch heute noch Länder in der Region, in
     wirtschaft in Asien und Pazifik sind bereits heute     denen die Nahrungsmittel knapp sind und Unter-
     deutlich zu erkennen und entfalten, unter ande-        ernährung ein weitverbreitetes Phänomen ist.
     rem in Form von absehbaren Ertragseinbußen ein         Ein deutliches Gefälle ist zwischen den Ländern
     Bedrohungspotenzial für die Nahrungsmittelsicher-      Südasiens zu beobachten, die hinter den Län-
     heit in der Region. Die Folgen treten vor Ort jedoch   dern Ost- und Südostasiens zurückfallen. In
     in Abhängigkeit der jeweiligen geografischen und       einer Vielzahl der asiatischen Länder sind zudem
     sozialen Ausgangsituationen sehr unterschiedlich       weiterhin große Teile der Bevölkerung in der
     zu Tage.                                               Landwirtschaft beschäftigt. Es ist heute schon
                                                            absehbar, dass es vor allem diese Regionen und
     In den vergangenen Jahren hat sich der Landwirt-       Bevölkerungsgruppen sind, die der Klimawandel
     schaftssektor in Asien vor allem aufgrund des          am stärksten trifft.
     steigenden Nahrungsmittelbedarfs und weniger
     mit Blick auf die Herausforderungen des Klima-         Für den Umgang mit den Folgen des Klimawandels
     wandels weiterentwickelt. Die Anwendung neuer          in der Landwirtschaft zeichnet sich vor diesem
     Agrartechnologien und Anbaumethoden sowie die          Hintergrund ab, dass die Verfügbarkeit über tradi-
     Nutzung gentechnisch veränderter Kulturen haben        tionelles und neueres landwirtschaftliches Wissen
     die Produktionskapazitäten deutlich steigern kön-      sowie die Fähigkeit zur technologischen Innovation
     nen. Das landwirtschaftliche Hauptanbauprodukt         entscheidend dafür sein wird, wie die Region Asien
     ist heute zwar immer noch Reis, allerdings tragen      und Pazifik diese Herausforderung bewältigt.
     nun auch vermehrt die Fischerei, die Viehwirt-
     schaft sowie Obst und Gemüse zur Ernährung der
     Bevölkerung bei. Der chronische Nahrungsmittel-
     mangel unter den Armen in der Region und die
     damit einhergehenden Gesundheitsrisiken ins-
     besondere bei Neugeborenen und Kleinkindern
     konnte signifikant verringert werden.

26   Klimareport 2021
Auswirkungen, Anpassungs­                        tung, da die Nahrungsmittelnachfrage mit Blick
versuche und Klimamigration                      auf das absehbare Bevölkerungswachstum in der
                                                 Region deutlich steigen wird. Grundsätzlich gilt,
                                                 dass die steigenden Temperaturen in der Region
Die konkreten Auswirkungen des Klimawandels      den Anbau von Nahrungsmitteln negativ beein-
auf die Landwirtschaft in der Region Asien und   trächtigen. Insbesondere der Reisanbau ist durch
Pazifik unterliegen heute einer zunehmenden      verringerte Wachstumszeiten betroffen. Die sich
Beobachtung und wachsender politischen Bedeu­    verändernden klimatischen Bedingungen wirken

                                                  3 Klimawandel und Landwirtschaft in Asien und      27
                                                   Pazifik – Migration, Anpassung und Innovation
sich regional jedoch unterschiedlich aus. Im Nord-   Aufgrund der unterschiedlichen Wirkung des
     osten Kasachstans in Zentralasien führen längere     Klimawandels auf die Landwirtschaft, entstehen
     Wachstumsphasen und mildere Winter voraus-           komplexe Wechselwirkungen, die auch ein Multi-
     sichtlich zu einer besseren Produktivität beim       plikator für örtliche Migrationsbewegungen sein
     Getreideanbau, während im Westen Turkme-             können. Der Nexus Klimawandel, Migration und
     nistans und Usbekistans häufigere Dürren den         Landwirtschaft artikuliert sich auf zwei Ebenen.
     Baumwollanbau gefährden.
                                                          Zum einen können sich die Auswirkungen des
     Besonders dramatisch sind die Auswirkungen           Klimawandels in der Landwirtschaft langsam
     in der fruchtbaren Indo-Ganges-Ebene, die Teile      manifestieren, indem beispielsweise Wasser
     Pakistans, den Norden Indiens mit Ausläufern         immer knapper oder landwirtschaftliche Nutz-
     nach Nepal und ganz Bangladesch umfasst. Dort        fläche geringer werden, sodass die Menschen
     sind umfassende Nahrungsanbaueinbrüche auf-          gezwungen sind nach und nach wegzuziehen.
     grund der steigenden Temperaturen zu erwarten,       Vor allem in den küstennahen Hauptanbau-
     die vor allem den Weizen treffen könnten. In         gebieten für Reis ist diese Entwicklung häufig zu
     Ostasien können die Klimaveränderungen hin-          beobachten. In Vietnam mündet der Mekong-
     gegen neue Reisanbaugebiete ermöglichen, deren       Fluss über ein breit verwinkeltes Flusssystem im
     Anbaubedingungen insgesamt höhere Erträge            chinesischen Meer und bildet das Mekong-Delta.
     zuließen. Der steigende Meeresspiegel schränkt       Die Region ist dicht besiedelt und ein Reishaupt-
     den vor allem in der Küstennähe stattfindenden       anbaugebiet für die gesamte Region. Dane-
     Reisanbau zunehmend ein. Mit erheblichen Kon-        ben werden dort auch Obst und Meeresfrüchte
     sequenzen für die dort lebenden Menschen. Die        geerntet. Schon heute ist in der Region ein
     in ihrer Frequenz zunehmenden Extremwetter-          Anstieg des Meeresspiegels zu beobachten, der
     ereignisse wie Dürren und Wirbelstürme ins-          die landwirtschaftlichen Anbauflächen verringert.
     besondere in den südostasiatischen Inselstaaten      Die Versalzung von Süßwasservorkommen ver-
     können zudem Nahrungsmittelanbaugebiete in           schärft die Situation erheblich. Hinzu kommen
     kurzer Zeit nahezu vollständig zerstören. Bisher     neue Tierkrankheiten sowie Infektionskrank-
     wenig erforscht sind in Asien und Pazifik die Aus-   heiten, die den Menschen betreffen können.
     wirkungen der zusätzlichen CO2-Düngung durch         Prognosen gehen davon aus, dass das vietna-
     die erhöhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre      mesische Wirtschaftswachstum dadurch beein-
     auf die Nahrungsmittelproduktion. Zunehmend          trächtig werden kann. Schon heute ist vor diesem
     in den Fokus gerät der CO2-Ausstoß der Land-         Hintergrund ein Anstieg der Abwanderung aus
     wirtschaft selbst und die daraus resultierenden      dem Mekong-Delta zu beobachten. Die großen
     Wechselwirkungen mit dem Klimawandel.                urbanen Zentren wie Ho-Chi-Minh-Stadt sind oft-
                                                          mals das Ziel. Die lokalen Behörden versuchen
                                                          sich an diese Entwicklung anzupassen, indem sie
                                                          unter anderem wiederstandfähigere Getreide-

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