Klimawandel und Naturgefahren - Veränderungen im Hochgebirge des Berner Oberlandes und ihre Folgen - AG NAGEF - Arbeitsgruppe Naturgefahren des ...
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1 Klimawandel und Naturgefahren – Veränderungen im Hochgebirge des Berner Oberlandes und ihre Folgen AG NAGEF – Arbeitsgruppe Naturgefahren des Kantons Bern
Editorial 3 Der Klimawandel ist Realität – auch bei uns. In Fazit der vorliegenden Studie: Naturereignis- hochalpinen Gebieten des Berner Oberlandes se werden durch den Klimawandel vereinzelt treten seit Jahren immer wieder neue Gefah- grösser oder intensiver, vor allem aber werden renherde auf, die durch den Rückgang von sie häufiger vorkommen. Gletschern und Permafrost entstehen. Sie be- drohen teilweise die Sicherheit von Siedlungen Die Gefahrenhinweiskarte GHKperiGlazial liefert und Infrastrukturen. Der Oberingenieurkreis wichtige Hinweise; die Ergebnisse sind jedoch I Oberland (Tiefbauamt des Kantons Bern, mit Vorsicht zu interpretieren: TBA) und die Abteilung Naturgefahren (Amt • Die Identifizierung potenzieller Gefahrenge- für Wald, KAWA) haben deshalb die Studie biete basiert einzig auf Computermodellie- GHKperiGlazial durchgeführt – eine Pilotstudie rungen ohne Verifikationen im Feld. mit wegweisendem Charakter: Sie zeigt auf, • Zu Gefahren, die erst nach einer Abfolge wo sich aus Gletscher- und Permafrostgebie- von mehreren Ereignissen auftreten oder ten im Berner Oberland die Naturgefahren in durch deren Kombination Gebäude oder Folge des Klimawandels verändern und welche Infrastruktur bedrohen, kann die Gefahren- Räume künftig durch Prozesse wie etwa Mur- hinweiskarte keine Aussagen machen. gänge oder Eislawinen stärker betroffen sein • Die grobe Prozessmodellierung wird den können. mehrheitlich kleinräumigen Gebieten im Berner Oberland nicht vollständig gerecht. Der Begriff periglazial im Namen der Studie bezeichnet Gebiete, die bisher vergletschert Aussagen zu generellen Trends und zu grös- waren oder Permafrost aufweisen. Permafrost seren Einzugsgebieten sind zulässig, punkt- ist Boden, der ab einer gewissen Tiefe das genaue Aussagen für einzelne Gebäude oder ganze Jahr über gefroren ist. Die vorliegende Strassenabschnitte hingegen nicht. Hierfür Broschüre richtet sich an die Gemeinden und sind im Einzelfall detaillierte Untersuchungen andere sicherheitsverantwortliche Stellen sowie notwendig. Die GHKperiGlazial zeigt, wo sol- interessierte Personen aus der Bevölkerung. che weitergehenden Untersuchungen sinnvoll Sie soll Informationen dazu liefern, was in der sind. Letztlich wird in Zukunft nur ein Bruchteil Studie untersucht wurde und welche Schlüs- der untersuchten Gefahrenquellen effektiv zu se daraus gezogen werden können. Für die Konflikten führen. Welche das sein werden, wichtigsten Fachbegriffe besteht am Ende der lässt sich jedoch zum heutigen Zeitpunkt nicht Broschüre ein Glossar. genau voraussagen. In der Gefahrenhinweiskarte (GHK) periGlazial Insgesamt bietet die vorliegende Studie eine sind die aktuellen und potenziellen Gefahren- geeignete Grundlage, um potenzielle Gefahren- quellen der nächsten 50 Jahre erfasst. Bewer- gebiete im Auge zu behalten und ungünstige tet werden deren Gefahrenpotenzial und ihr Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. mutmasslicher Wirkungsbereich. Der Untersu- chungsperimeter konzentriert sich dabei auf Einzugsgebiete im Berner Oberland, welche im Nils Hählen Vorsitzender Arbeitsgruppe Naturgefahren Einflussbereich periglazialer Prozesse liegen, (AG Nagef) also in Zonen rund um die Gletscher- und Per- mafrostvorkommen. Er reicht vom Saanenland im Westen bis zum Gadmen- und Haslital im Osten. Südlich verläuft der Perimeter entlang der hohen Alpengipfel an der Grenze zum Wallis; nördlich bilden Thuner- und Brienzersee sowie das Gental den Abschluss.
4 Inhaltsverzeichnis 5 Zusammenfassung 7 Klimawandel trifft auch die Schweiz Klima ist nicht gleich Wetter Grunddisposition und Auslöser 9 Auswirkungen auf das Hochgebirge Gletscher ziehen sich zurück Permafrost degradiert Kürzere Schneebedeckung 10 Gefahrenprozesse verändern sich Lawinengefahr geht nicht zurück Rutsch-, Sturz- und Murgangprozesse werden häufiger Geschiebefrachten in den Gewässern steigen an 12 Verschiedene Prozessarten und ihre räumliche Ausbreitung Sturzgefahren Eislawinen Rutschungen und Hangmuren Murgang Hochwasser aus Gletscherseen 28 Fazit 31 Umsetzung und Monitoring 34 Glossar 35 Ansprechpartner Gadmen Triftgletscher, 2007
Zusammenfassung 5 Die Gefahrenhinweiskarte GHKperiGlazial gibt auf die Siedlungen und Infrastrukturen er- für das Berner Oberland erstmals einen Über- wartet, weil deren Reichweite stark limitiert blick, wo als Folge der Klimaänderung in von ist. Insgesamt dürften aber nicht die gefähr- Frost geprägten Gebieten am ehesten mit Ver- lichen Naturgefahrenprozesse wie Murgang änderungen der Naturgefahren zu rechnen oder Steinschlag die grosse Herausforderung ist und welche Prozessarten davon betroffen im Zuge der Klimaänderung werden, son- sind. Es kann aufgezeigt werden, dass die dern deren indirekte Folgen auf die Gewäs- grössten Veränderungen weitab von Siedlun- ser. Dadurch dass vermehrt Geschiebe aus gen in Seitentälern und im Hochgebirge statt- destabilisiertem Permafrost und Gletscher- finden. Nur ganz vereinzelt können dauernd rückzugsgebieten mobilisiert wird, steigt die bewohnte Gebäude betroffen sein; die Exis- Geschiebefracht in vielen Gewässern im Ber- tenz ganzer Siedlungen ist aus heutiger Sicht ner Oberland an. F lache Gewässerabschnitte nicht in Frage gestellt. Es zeigt sich, dass die werden so häufiger mit Geschiebe gefüllt und bestehenden Gefahrenkarten robust sind. Geschiebesammler müssen öfter entleert wer- Durch die Klimaänderung sind im Siedlungs- den. Direkt werden dadurch keine Personen gebiet des Berner Oberlandes kaum neue oder Bauten gefährdet. Der Aufwand für den Gefahrenflächen zu erwarten. Hingegen kann Unterhalt der Gewässer kann aber sehr stark die Häufigkeit oder Intensität von einzelnen ansteigen und die Bewirtschaftung der gros- Ereignissen gegenüber der Vergangenheit zu- sen Geschiebemengen wird eine schwierige nehmen. Geographisch liegt der Schwerpunkt Aufgabe darstellen. Die vorliegende Studie der Veränderungen im mittleren und östlichen liefert zur Lösung dieser Herausforderungen Berner Oberland, bedingt durch die dort höhe- eine erste Grundlage, indem die potenziell kri- ren Berge und somit ausgedehnteren Vorkom- tischen Gebiete identifiziert werden können. men von Permafrost und Gletschern. Die Prävention und der Umgang mit den mög- Bei den Prozessarten hat der Murgang die lichen Risiken erfordern eine enge Zusammen- grösste Bedeutung, da er aufgrund seiner arbeit zwischen Gemeinden, den kantonalen grossen Reichweite flächenmässig am meisten Fachstellen und weiteren sicherheitsverant- Gebiete betrifft. Stein- und Blockschlag sowie wortlichen Stellen wie z.B. Strassen- oder Felsstürze und Eislawinen sind demgegenüber Bahnbetreiber. Dabei spielt das Monitoring von deutlich untergeordnet. Bei den Rutschpro- Gebieten, wo grössere Veränderungen erwar- zessen werden keine direkten Veränderungen tet werden, eine wichtige Rolle. Zusammenfassende Übersicht zu den mutmasslich betroffenen Regionen Innertkirchen Schwarzhorn Faulhorn Guttannen Grindelwald Griessalp Gamchi Lauterbrunnen Kandergrund Stechelberg St. Stephan Färmel Grad der möglichen Veränderungen pro Prozessart Adelboden Eislawinen Kandersteg Lenk Sturzprozesse Oberried Murgang Gletscherseen, Impulswellen keine geringe mässige erhebliche grosse Geschiebe Gsteig Innergsteig
Klimawandel trifft auch die Schweiz 7 Die globale Erderwärmung trifft das Schwei- Klima ist nicht gleich Wetter zer Mittelland und den Alpenraum überdurch- schnittlich stark. So stieg z.B. auf der Alpen- Das Zitat «Climate is what you expect, w eather nordseite die mittlere Jahrestemperatur im is what you get.» von Robert A. Heinlein zeigt 20. Jahrhundert um rund 1,7 Grad Celsius den Unterschied zwischen Klima und Wetter an. Die Prognosen der Fachspezialisten rech- sehr anschaulich auf. Beim Wetter handelt nen bis ins Jahr 2060 mit einem weiteren An- es sich um den Zustand der Atmosphäre an stieg von ein bis drei Grad. Durch die höhere einem bestimmten Ort und zu einem bestimm- Lufttemperatur steigt auch die Nullgradgrenze ten Zeitpunkt (während Minuten bis Stunden). in den Bergen. Dadurch nimmt die Fläche der Das Klima hingegen ist der für einen Ort typi- Gletscher ab und der Permafrost wird stärker sche Wetterzustand während eines längeren auftauen, in tieferen Lagen sogar ganz ver- Zeitraumes (Monate bis Jahrzehnte). schwinden. Hänge, Moränen und Felswände werden destabilisiert. So steht künftig mehr Die untenstehende Abbildung zeigt für die Geschiebe zur Verfügung, welches bei Stark Station Interlaken auf, dass die langjährige niederschlägen in die Täler transportiert wird. Monatsmitteltemperatur z.B. im Juli bei ca. Gleichzeitig können neue Rutsch- und Sturz- 18 Grad Celsius liegt. Das effektive Wetter prozesse auftreten, die bisher unbekannte im Juli 2014 zeigte aber starke Temperatur- Gefahrengebiete betreffen. schwankungen, nämlich zwischen knapp 9 und maximal 31 Grad. Das Temperaturmittel Viele Veränderungen laufen weit entfernt von entspricht mit rund 18 Grad dennoch dem den Siedlungsräumen ab und haben daher langjährigen Mittelwert. Das Wetter kann kaum Einfluss auf das Schadenpotenzial. Es also grosse Ausreisser aufweisen, ohne dass gibt daher keinen Grund, die mögliche Ent- sich das Klima verändert. wicklung zu dramatisieren. Lokal können sich allerdings grosse Herausforderungen stellen, wenn etwa eine Häufung von Murgängen wichtige Verkehrsverbindungen gefährdet, zu viel Geschiebe die Transportkapazität der Bäche und Flüsse übersteigt oder Gletscher- seen zu häufigeren und intensiveren Hoch wassern führen. Klima und Wetter: Monatsmitteltemperaturen zwischen 1981 und 2010 im Vergleich zu den Tagestemperaturen 2014, Station Interlaken 35 Tagestemperaturen 2014 30 Monatsmitteltemperaturen 1981 – 2010 25 20 15 10 Quelle: MeteoSchweiz Temperaturen ° C 5 0 –5 Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sep Okt Nov Dez
8 Heutzutage sind v.a. mittlere Temperaturen Dort, wo Niederschlag oft als Schnee fällt, häufig, extrem kalte oder extrem heisse sind sind grundsätzlich Lawinen möglich; wenn seltener. Mit dem Klimawandel könnte eine viel Niederschlag als Regen fällt, kann es Verschiebung zu höheren Temperaturen hin Hochwasser geben. In einem Hang oder Ge- erfolgen. Die Auswirkungen sind bei Extrem rinne bereitliegendes Lockergestein kann eine temperaturen besonders stark: Sehr heisses der Voraussetzungen für Rutschungen oder Wetter wird viel häufiger und extrem kaltes Murgänge sein. seltener werden. Der Auslöser von Gefahrenprozessen ist aber fast in jedem Fall ein Wetterereignis, wie z.B. Grunddisposition und Auslöser ein heftiges Gewitter, das einen Murgang zur Folge hat. Das Klima beeinflusst den Wasser- und Schneehaushalt, die Vegetation oder auch Weil das Klima und seine mögliche Entwick- die Gesteinsverwitterung. Es ist damit neben lung recht gut prognostizierbar sind, lassen Geologie, Geländeneigung etc. einer der wich sich dazu zuverlässigere Aussagen machen tigsten Faktoren, welcher auf die allgemeine als zum Zeitpunkt und Ausmass eines Un Bereitschaft (Grunddisposition) zu gefährli- wetters. chen Hang- und Gerinneprozessen einwirkt. Möglicher Einfluss der Klimaänderung auf die Häufigkeit von E xtremereignissen am Beispiel von Temperaturextremen Basis Grafik: OcCC 2003 Weniger kaltes Wetter Mehr warmes Wetter Weniger extrem Mehr extrem kaltes Wetter warmes Wetter Klima heute Kalt Mittel Warm Klima morgen Gletscher- und Permafrostvorkommen im Untersuchungsperimeter Perimeter GHKperiGlazial Gletscherausdehnung Gletscher bis 2060 verschwunden Gletscher 2060 noch vorhanden Permafrostvorkommen heute Permafrost möglich Permafrost wahrscheinlich Permafrost sehr wahrscheinlich
Auswirkungen auf das Hochgebirge 9 Steigende Temperaturen wirken sich auf das von den steigenden Temperaturen stärker be- Gletscher- und Permafrostvorkommen sowie troffen als südexponierte Felsflächen. Nur im die Schneebedeckung im alpinen Raum aus. östlichen Berner Oberland gibt es grössere Was heisst das konkret? südexponierte Gebiete, in denen eine starke Veränderung zu erwarten ist. Gletscher ziehen sich zurück Im Sommer taut jeweils die oberste Schicht auf. Diese Schicht wird aufgrund der Klima Rund 7 Prozent des Berner Oberlandes sind änderung immer mächtiger. Dabei reagiert von Gletschern bedeckt, wobei ihr Vorkom- Permafrost im Fels wegen seines tieferen Eis men auf lediglich 15 Gemeinden verteilt ist. anteils schneller auf die Erwärmung als Per- Als Folge der Klimaänderung wird sich diese mafrost im Lockermaterial. Je geringer der Eisfläche von heute 210 voraussichtlich auf Eisanteil, desto weniger Wärme braucht es, 91 Quadratkilometer im Jahr 2060 reduzieren. um den Permafrost aufzutauen. Dieses so- Bis Ende des 21. Jahrhunderts könnten die genannte Degradieren bewirkt, dass das Gletscher im Kanton Bern sogar fast vollstän- aufgetaute Gesteinsmaterial durch Rutsch-, dig verschwunden sein. Sturz- oder Murgangprozesse sehr schnell in Bewegung versetzt werden kann. Bedingt durch diesen Rückgang fliesst im Sommer weniger Gletscherwasser in die Bäche und Flüsse. Der Klimawandel destabi- Kürzere Schneebedeckung lisiert zudem Hängegletscher und beschleu- nigt die Bildung neuer Gletscherseen. Einige Der Klimawandel führt zu höheren Tempera könnten im Falle eines Ausbruchs eine Gefahr turen und leicht erhöhten Winternieder für Menschen und Infrastrukturanlagen in den schlägen. Die Nullgradgrenze steigt pro Grad Tälern darstellen. Die nach der Eisschmelze Erwärmung um rund 100 bis 150 Meter an. freigelegten Moränen und Schuttablagerungen Bis ins Jahr 2035 werden die Veränderungen führen darüber hinaus zu erhöhten Geschiebe- oberhalb 2000 m ü. M. nur sehr geringfügig frachten in den Gewässern. sein. Es besteht jedoch ein deutlicher Trend hin zu späterem Einschneien und zu frühe- rem Ausapern. Bis Ende des Jahrhunderts Permafrost degradiert wird eine um 5 bis 9 Wochen pro Jahr kür- zere Schneebedeckung erwartet, was e iner Als Permafrost wird ständig gefrorener Unter- Höhenverschiebung um 400 bis 800 Meter grund bezeichnet, der typischerweise ober- entspricht. Das heisst, dass die Schneever- halb von 2400 m ü. M. in Lockermaterial und hältnisse, wie sie heute auf 1000 m ü. M. Fels zu finden ist. Rund 12 Prozent des Ber- herrschen, Ende des 21. Jahrhunderts in ner Oberlandes (350 Quadratkilometer) sind Höhenlagen von 1400 bis 1800 m ü. M. auf- von Permafrostflächen bedeckt, wobei die treten werden. Da das Zusammenspiel der meisten fernab von Siedlungen in hochalpinen klimabeeinflussenden Faktoren jedoch kom- Regionen liegen. An nordexponierten Flan- plex ist, wird es auch in Zukunft Perioden mit ken reichen sie in tiefere Höhenlagen und sind viel Schnee oder grosser Kälte geben. Permafrostdurchsetzte Nordseite des Schilthorns
10 Gefahrenprozesse verändern sich Für die Entstehung von Naturgefahren sind Rutsch-, Sturz- und Murgang- primär Temperatur und Niederschlag entschei- prozesse werden häufiger dend. Ihre Auswirkungen können je nach Pro- zessart sehr unterschiedlich ausfallen. Was Als Folge des Klimawandels häufen sich heisst das für die einzelnen Naturgefahren? Extremereignisse und werden intensiver. Stark niederschläge können Murgänge und Erd rutsche auslösen. Durch den Gletscherrück- Lawinengefahr geht nicht zug und den auftauenden Permafrost werden zurück Hänge instabiler und damit anfälliger für Fels- Trotz generell abnehmender Schneemengen stürze und Steinschlag. Vermehrte Rutsch-, werden Grosslawinen nicht unbedingt selte Sturz- und Murgangprozesse führen zu mehr ner. Denn sie werden hauptsächlich durch Geschiebe in Wildbächen und Gebirgsflüssen. witterungsbedingte Extremsituationen aus- Flussabwärts kann das bei fl achem Gelände- gelöst und weniger durch klimatische Verän- verlauf zu Problemen führen. derungen. Solche Wetterlagen werden auch künftig immer wieder vorkommen. Da es im Winter mehr Niederschlag geben wird, nimmt Geschiebefrachten in den das Lawinenrisiko in höheren Lagen allenfalls Gewässern steigen an zu. Auch Eislawinen können durch den Glet- scherrückzug oder die Eiserwärmung häu- Generell dürften intensivere Niederschläge figer auftreten – zumindest so lange, bis die häufiger auftreten und auch in höheren La- Gletscher gegen Ende des Jahrhunderts fast gen vermehrt in Form von Regen statt Schnee verschwunden sein werden. fallen. Durch die erwähnten Rutsch-, Sturz- und Murgangprozesse gelangt immer mehr Geschiebe in alpine Bäche und Flüsse. Am stärksten nehmen die Niederschläge in den Berggebieten im Herbst zu, der damit punkto Hochwasser und Murgang zur kritischsten Jahreszeit wird: Weil im Herbst die Auftau- schicht des Permafrosts am mächtigsten ist, können dann grosse geschiebeverlagernde Prozesse auftreten. Die Folgen des Klimawandels Sommer Winter steigende Temperaturen steigende Temperaturen weniger Niederschlag mehr Niederschlag
11 Gletschervorfeld Lämmerenboden unter dem Wildstrubelgletscher
12 Verschiedene Prozessarten und ihre räumliche Ausbreitung Sturzgefahren Bildet sich aber nun der Permafrost im Felsen zurück, werden vorhandene Trennflächen im Als Sturzprozesse werden schnelle Massen- Gestein aktiviert; zusätzlich entstehen neue bewegungen verstanden, bei denen sich das Entlastungsbrüche, an denen sich das Gestein aus dem Gestein losgelöste Material fallend, ablösen kann. Dadurch ergeben sich neue rollend oder springend talwärts bewegt. Den Fliesswege für das Wasser und neue Druck- grössten Teil der Strecke legt es dabei in der verhältnisse, was den Fels zusätzlich desta- Luft zurück, wodurch die Gesteinsmasse hohe bilisiert. Auch in Gletscherrückzugsgebieten Geschwindigkeiten erreichen kann. sind künftig durch freigelegte und entlastete Talflanken neue statische Bedingungen anzu- treffen. Der freigelegte Fels ist der Lufttempe- Fels- und Bergsturz ratur direkt ausgesetzt und erwärmt sich lang- Beim Fels- und Bergsturz lösen sich grössere sam. Dies kann Bergstürze auslösen, welche Gesteinsmassen aus einer Felswand heraus im Gletschervorfeld zu einem Aufstau eines und stürzen ab. Während des Sturzes oder neuen Sees führen können. durch den Aufprall zerschellen sie in kleinere Blöcke und einzelne Steine. Der Bergsturz un- In acht Gemeinden des Berner Oberlandes terscheidet sich anhand des Volumens vom finden sich insgesamt 32 potenzielle Berg Felssturz: Ersterer umfasst mehr als 1 Million sturzgebiete. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kubikmeter Gestein. Bergstürze sind aber sel- einzelnes davon tatsächlich aktiv wird, ist aber tene Ereignisse und treten in der Schweiz nur sehr klein. Zudem liegen sie vorwiegend im alle paar Jahre bis Jahrzehnte auf. Die letzten Hochgebirge und gefährden somit nicht unmit- waren am 27. Dezember 2011 am Piz Cen- telbar Siedlungen oder Infrastrukturanlagen. galo im Bergell (GR), am 24. Januar 1996 in Neun potenzielle Bergsturzgebiete dürften aus der Sandalp Linthal (GL) oder am 18. April heutiger Sicht zu keinen direkten Folgen für 1991 in Randa (VS) zu beobachten. Gut die Menschen und zivile Nutzungen führen. Bei Hälfte der Bergstürze in der Schweiz gehö- weiteren neun wären Alpgebäude betroffen ren zum sogenannten «Grundrauschen», d.h. und drei könnten zu Schäden an Infrastruk- sie treten unabhängig von Veränderungen im turanlagen wie Strassen in Seitentälern oder glazialen und periglazialen Bereich auf. Hochspannungsleitungen führen. Die grössten Prozessräume möglicher Bergsturzereignisse im Periglazialgebiet des Berner Oberlandes Perimeter GHKperiGlazial Bergsturz
13 Auswirkungen haben Fels- und Bergsturzpro- zesse jedoch indirekt via Gewässer, indem der erweiterte Feststoffeintrag … • zu Murgängen und stärkerem Geschiebe- trieb führt, • ein Gewässer staut und so die Gefahr eines Dammdurchbruchs fördert, • durch den Sturz in ein stehendes Gewässer Impulswellen auslöst. > Die Schlossplatte: wenigen Sekunden. Im Fall der Schlossplatte Beispiel eines Felssturzes stützte der darunterliegende Gletscher die Am 10. Juni 2006 stellte der Wirt der Grindel- abgelöste Felsmasse, was den freien Fall des walder Bäregghütte in der gegenüberliegen- Gesteins verhinderte und den Prozess ver- den Felswand Schlossplatte zwei kleine Fels- langsamte. stürze fest und meldete dies dem Geologen. Bei der Besichtigung vor Ort am nachfolgen- Die grossen Felsmassen bewegten sich bis den Tag wurden zwei neue Risse im Felsen zu 125 Zentimeter pro Tag, was diese stark entdeckt. zerrüttete. Dadurch kam es immer wieder zu grösseren Abbrüchen von einigen 100 bis Der Gletscherrückgang in den letzten Jahr- knapp 200 000 Kubikmetern. Der Berg fiel zehnten hatte an dieser Stelle Druck vom Ge- langsam in sich zusammen. Zwischen 2006 birge genommen, was zu Mikrorissen führte. und 2009 betrug die Rutschbewegung der Heftige Regengüsse im August 2005 bauten Schlossplatte rund 24 Meter pro Jahr. Seit in den Klüften grossen Wasserdruck auf und 2009 sind nur noch wenige Abbrüche zu be- brachen so den Fels auf. Normalerweise ver- obachten, da fast die ganze oberirdische Fels- läuft ein Fels- oder Bergsturz innerhalb von masse bereits zerbrochen ist. Einfache Handmessung der Kluftöffnung am 15. Juni 2006 Grafik: GEOTEST AG Juli 2006 Juli 2007 Juli 2008 Oktober 2008 Felsrutschung Schlossplatte in Etappen von Juli 2006 bis Oktober 2008
14 Felssturz Schlossplatte am Unteren Grindelwaldgletscher als Folge des Gletscherrückzugs. Bild oben Juni 2008 Bild Mitte August 2008 Bild unten September 2013
15 Stein- und Blockschlag Ausbruchgebiete von Blockschlägen und klei- Stein- und Blockschläge sind Ereignisse, die neren Felsstürzen sind im Berner Oberland im Berggebiet immer wieder auftreten. Im Ge- räumlich sehr ungleich verteilt – ihr Flächenan- gensatz zu Fels- und Bergsturz bestehen sie teil im Osten ist deutlich höher als im Westen. nicht aus einer grossen Masse, sondern aus Im Zusammenhang mit dem Klimawandel inte- einem oder wenigen Steinblöcken. Aufgrund ressieren jene Sturzereignisse, die aus einem der Klimaänderung besteht die Gefahr, dass Permafrostgebiet stammen, das sich bis 2060 Steinschlag an Felswänden mit degradieren- massgeblich verändert, und die dabei gleich- dem Permafrost häufiger und intensiver wird. zeitig dauernd bewohnte Gebäude treffen. Die Gelangen die Sturzblöcke in Runsen, werden übrigen Sturzereignisse können zwar ebenfalls sie abgebremst und kommen vielfach inner- eintreten, gehören aber zu den «normalen» halb des Gerinnes zum Stillstand. Da hoch- Ereignissen, die bereits in der Gefahrenkarte gelegenes Gelände generell viele Runsen und berücksichtigt sind. Insgesamt sind im Berner Rinnen aufweist, werden sich die meisten Oberland in Folge des Klimawandels sieben Sturzblöcke aus den periglazialen Ausbruch- Wohnhäuser resp. Häusergruppen potenziell gebieten dort ansammeln und nicht bis in den stärker oder häufiger durch Steinschlag be- Talboden gelangen. Allerdings können sie von troffen. Diese sind in der Gefahrenkarte aber Murgängen weitertransportiert werden und bereits heute als von Steinschlag gefährdet dabei deren Geschiebefracht massgeblich eingestuft. erhöhen. Prozessräume möglicher Stein- und Blockschlagereignisse im Berner Oberland Perimeter GHKperiGlazial Stein- und Blockschlag aus Periglazialraum Stein- und Blockschlag in übrigen Gebieten
16 Eislawinen reichen schon 25 Grad Neigung aus. Bei Hän- gegletschern kann der Temperaturanstieg also Unter dem Begriff «Eislawine» versteht man eine Eislawine auslösen. Auch der Gletscher- den unvermittelten und raschen Abgang von rückzug in steilere, höher gelegene Gebiete grossen Eismassen. Auslöser dafür sind soge- kann den Gletscher instabiler machen oder nannte Gletscherstürze, die sehr selten auftre- Eisabbrüche mit nachfolgenden Lawinen för- ten und nur begrenzt durch den Klimawandel dern. Gleichzeitig kann die Klimaänderung beeinflusst werden. Eislawinen können ent- aber auch heutige Gefahrenquellen eliminieren: weder aus Rampen- oder Klippengletschern Lässt der Gletscherrückzug das Eis in steilen entstehen. Bei letzteren kündigen sich grös- Partien abschmelzen, treten dort künftig keine sere Eisabbrüche in der Regel durch mehrere, Eislawinen mehr auf. aufeinanderfolgende kleine Abbrüche an, wäh- rend beim Rampentyp solche Vorankündigun- Die Studie GHKperiGlazial zeigt potenzielle gen oft fehlen. Gletscherabbruchgebiete und deren maximale Reichweite auf. Es wurde festgestellt, dass im Die Stabilität von Gletschern hängt stark vom Berner Oberland sieben potenzielle Eislawinen Temperaturzustand in ihrem Inneren und an direkt Alpgebäude oder wichtige Infrastruk- ihrer Basis ab. Kalte Gletscher haben Eistem- turanlagen treffen können. Bei weiteren 14 peraturen von deutlich unter 0 Grad Cel- möglichen Abbruchstellen besteht die Gefahr, sius, temperierte Gletscher solche nahe bei dass das Eis in Seen stürzt und dadurch eine 0 Grad und polythermale Gletscher sind eine Prozesskette auslöst. Bei weiteren 15 poten- Mischform. Die meisten Gletscher der Alpen ziellen Abbruchgebieten könnten sich künftig unterhalb von ca. 3000 m ü. M. sind tempe- im Ablagerungsraum Gletscherseen bilden. rierte oder polythermale Gletscher. Durch die Obwohl im mittleren Berner Oberland weniger Klimaänderung können sich kalte Gletscher Gebiete gletscherbedeckt sind als im östlichen oder kalte Teile von polythermalen Gletschern Teil, sind die Siedlungsräume vielerorts näher erwärmen und instabiler werden. Bei kalten an steilen Gletschergebieten und deshalb eher Gletschern treten Eislawinen ab Neigungen durch Eisabbrüche gefährdet. von 45 Grad auf, bei temperierten Gletschern Prozessräume möglicher Gletscherabbrüche im Berner Oberland Perimeter GHKperiGlazial Gletscherabbruchgebiete
17 > Der Altelsgletscher: ser zerrissen. Ein Drittel des Waldes sowie Beispiel einer Eislawine ein grosser Teil des Ertrages an Käse, Butter Am 11. September 1895 ereignete sich auf und Ziger aus diesem Sommer waren vernich- 3340 m ü. M., an der Altels bei Kandersteg der tet. Schon früher, am 18. August 1782, trat wohl grösste Eisabbruch des Alpenraumes. ein ähnliches Ereignis ein, bei dem ebenfalls Rund 5 Millionen Kubikmeter Eis rutschten mehrere Leute und etliches Vieh ums Leben aus dem Gipfelbereich der Altels und donner- kamen. ten auf die darunterliegende Alp. Die Eislawine brandete am Gegenhang 320 Meter hoch auf Die Eislawine an der Altels dürfte hauptsäch- und lagerte sich auf rund 120 Hektaren ab. lich auf die erwärmte Gletschersohle zurück- Ihre Wucht war so gross, dass Kühe über hun- zuführen gewesen sein. Heutzutage ist ein derte von Metern durch die Luft geschleudert ähnliches Ereignis nicht mehr möglich, da der wurden. Sechs Menschen verloren ihr Leben, Gletscher ein viel kleineres Ausmass hat als 169 Tiere wurden erschlagen und vier Häu- damals. Eisablagerungen auf der Spittel matte nach dem Abbruch 1895 Foto der Altels heute
18 Rutschungen und Hangmuren kunft mit langandauernden resp. generell stär- keren Aktivphasen zu rechnen – eine Tendenz, Bewegen sich ganze Hangpartien aus Ge- die in den alpinen Gebieten teilweise schon steins- und Bodenmaterial gleitend talwärts, heute beobachtet wird. Stärkeres resp. häufi- spricht man von Rutschungen. Diese Prozess geres Voranschreiten permanenter Rutschun- art kann in den unterschiedlichsten Formen gen ist vor allem dort zu erwarten, wo sie auftreten und je nach Untergrund, Gesteins- bereits heute aktiv sind und/oder im Einfluss- beschaffenheit oder Wasseranteil anders bereich von Gletschern und Permafrost liegen. verlaufen. Nachfolgend werden die Typen Zu erwarten ist jedoch, dass die Veränderun- «permanente Rutschungen» sowie «spontane gen bei dieser Prozessart eher gering aus Rutschungen» und «Hangmuren» eingehender fallen. betrachtet. Spontane Rutschungen und Hangmuren Permanente Rutschungen In beiden Fällen handelt es sich um ein schnell Permanente Rutschungen verschieben sich abfliessendes Gemisch aus Lockermaterial kontinuierlich und gleichmässig über einen und Wasser, das sich in flacheren Gebieten, längeren Zeitraum hinweg (Jahrhunderte oder Mulden oder Runsen ablagert. Die Unter- sogar Jahrtausende) hangabwärts. Sie sind im schiede zwischen spontanen Rutschprozes- Berner Oberland an mehreren Orten zu finden. sen und Hangmuren liegen im Wassergehalt, In höheren Gebieten versorgen sie Murgänge der daraus entstehenden Verflüssigung sowie mit Geschiebematerial. In tieferen Lagen tan- entsprechend unterschiedlichen Reichweiten. gieren sie diverse Siedlungsräume direkt. Sie treten nach intensiver Schneeschmelze oder langanhaltenden Niederschlägen und je Die klimatischen Veränderungen werden vor nach bestehender Durchnässung der B öden allem im Herbst zu intensiveren Niederschlä- auch bei Gewittern spontan und an relativ gen führen, was die Aktivität permanenter steilen Hängen auf. Rutschungen begünstigt. Deshalb ist in Zu- Prozessräume spontaner Rutschungen und Hangmuren im Berner Oberland Perimeter GHKperiGlazial Rutschungen im Periglazialraum Rutschungen in übrigen Gebieten
19 Gelangen Hangmuren in ein Gerinne, liefern > Die Stiereggmoräne: sie potenziellen Murgängen entweder viel Beispiel eines Rutschprozesses Geschiebematerial oder lösen diese direkt aus. Der Untere Grindelwaldgletscher reichte beim Obschon Hangmuren durch die Druckwirkung letzten Höchststand im Jahr 1860 noch gut Häuser beschädigen oder gar zerstören kön- zwei Kilometer weiter talabwärts als heute. Im nen, ist ihr durch die Klimaveränderung be- Bereich der Stiereggmoräne lag das Eis so- dingtes Gefahrenpotenzial eher bescheiden. gar über 200 Meter höher – es war problemlos Denn ihre Reichweite ist meist auf wenige möglich, über den Gletscher von einer Talseite hundert Meter beschränkt. Und da sich im auf die andere zu gelangen. Durch seinen Periglazialbereich kaum Siedlungsräume und Rückzug wurde eine über 200 Meter hohe, ex- Infrastrukturanlagen finden, sind keine direkten trem steile Moräne freigelegt. Konflikte zu erwarten. Der Gletscherrückgang sowie die starke Ero sion durch Murgänge im Stieregggraben haben diese Moräne sukzessive destabilisiert. Am 16. Mai 2005 wurden um die Stieregg hütte herum Risse im Boden entdeckt. Die Kante der Moräne war zu diesem Zeitpunkt noch 80 Meter vom Gebäude entfernt. Die Reifezeit der Rutschung betrug vom Erken- nen der ersten Risse bis zum Absturz ledig- lich 13 Tage: Am 29. Mai 2005 rutschte eine Masse von ca. 650 000 Kubikmetern Ge- steins- und Bodenmaterial ab und lagerte sich auf dem darunterliegenden Gletscher ab. Die Abrisskante lag direkt unter einer Ecke der Hütte, die abzustürzen drohte. Das Gebäude war nicht mehr bewohnbar und wurde ab- gesperrt. Damit die Gebäudetrümmer später nicht auf dem Unteren Grindelwaldgletscher liegen, wurde die 1952 errichtete Hütte am 3. Juni 2005 von der Feuerwehr kontrolliert abgebrannt. Situation der Stieregghütte vor (Bild links) und nach (Bild rechts) des Moränenabbruchs 2005 Quelle: Geotest AG
20 Murgang mafrost, in Gletscherrückzugsgebieten mit Lo- ckermaterial oder in glazialen Sedimentdepots Murgänge (oder Schlammlawinen) sind ein liegen. Durch die zurückgehenden Gletscher Gemisch aus Wasser, Geröll, Steinen und nimmt die Zahl möglicher Murgang-Anrisse Holz, das sich schubweise und schnell ins bis ins Jahr 2060 um 15 Prozent zu. Bei ent- Tal wälzt. Der Feststoffanteil beträgt dabei bis sprechender Topografie können bisher nicht zu 70 Prozent, was diese Prozessart relativ betroffene Gebiete tangiert werden, die jedoch gefährlich macht. Damit sich Murgänge über- meist fernab von Siedlungen liegen. haupt bilden, braucht es neben mobilisier- barem Geschiebe ein steiles Gewässer und Weil periglazial geprägte Gesteins- und Fels- starke Niederschläge oder sonstige grosse flächen vorwiegend im östlichen Teil des Ber- Wassermassen. Einmal losgelöst, kann ein ner Oberlandes vorkommen, ist dort mit mehr Murgang sehr viel Material umlagern. Das Murgängen aus dem periglazialen Raum zu grösste bekannte neuzeitliche Ereignis im rechnen als im Westen. Berner Oberland wurde an der Rotlaui bei Guttannen beobachtet: Am 23. August 2005 Von den rund 22 000 dauernd bewohnten schüttete ein Murgang mit über 500 000 Ku- Gebäuden im Studienperimeter sind 5000 bikmetern Geschiebe die Aare und die (23 Prozent) durch klimabedingte Murgänge Grimselstrasse stellenweise über zehn Meter potenziell betroffen. Die meisten davon lie- hoch zu. gen schon heute in einem gekennzeichneten Gefahrengebiet. Die anderen hingegen ste- Durch auftauenden Permafrost und den Glet- hen in Regionen, in denen nicht nur Verände- scherrückgang nimmt das verfügbare Ge- rungen im Gletschervorfeld, sondern auch im schiebe in hochgelegenen und steilen Ge- Permafrost stattfinden. Gletscherrückzugs- bieten künftig stark zu. So dürften Murgänge gebiete sind selten allein verantwortlich für häufiger und/oder intensiver werden. Steile eine Zunahme der Murgänge: Zwar ist dort Gletscherrückzugsgebiete mit viel leicht mobi- viel Geschiebematerial vorhanden, aber diese lisierbarem Material können daher über Jahr- Gebiete sind grundsätzlich eher flach. Als viel zehnte oder Jahrhunderte hinweg periglaziale wichtigere Quelle für die Entstehung von Mur- Murgänge auslösen. Sehr grosse Murgänge gängen müssen degradierende Permafrostge- (Volumen über 100 000 Kubikmeter) können biete angesehen werden. aber nur dort auftreten, wo die Anrisse im Per- Prozessräume von Murgangereignissen im Berner Oberland Perimeter GHKperiGlazial Murgänge aus Periglazialraum Murgänge aus übrigen Gebieten
21 Ablagerungen der Murgänge von Ende Juli 2015 im Färmelberg in der Gemeinde St. Stephan
22 > Der Spreitgraben: Beispiel eines wurde. Durch die grossen Ablagerungen in der aktiven Murgang-Gebiets Aare ging kontinuierlich Land verloren, da sich Von 2009 bis 2011 traten im Spreitgraben bei das Gerinnebett um ein Mehrfaches verbrei- Guttannen mehrere sehr grosse Murgänge terte. Zudem führten anwachsende Geschie- auf, welche insgesamt über 600 000 Kubik beablagerungen dazu, dass ein Wohnhaus meter Geschiebe in die Aare verfrachtet und ein Stall abgebrochen werden mussten. haben. Das Einzugsgebiet umfasst rund 4,7 Als Folge haben die verantwortlichen Stellen Quadratkilometer und reicht von der Aare- aufwändige bauliche und organisatorische mündung (950 m ü. M.) bis zum Gipfel des Massnahmen umgesetzt, um die Infrastruk- Ritzlihorns (3263 m ü. M.) hinauf. turanlagen (z.B. Kantonsstrasse sowie Hoch- druck-Gasleitung und Hochspannungsleitung) An der vermutlich mit Permafrost durchsetz- besser zu schützen. ten Nordflanke des Ritzlihorns ereigneten sich am 17. Juli 2009 bei starkem Regen mehrere Das Beispiel Spreitgraben zeigt exemplarisch Felsstürze, die grosse Gesteinsmassen auf auf, wie die Verkettung mehrerer Prozesse zu der Schafegg (ca. 2500 m ü. M.) ablagerten. einem Problem werden kann. Denn der mut- Aus diesen Ablagerungen ergaben sich wiede- massliche Rückgang von Permafrost am Ritz- rum mehrere Murgänge in den Spreitgraben. lihorn löste zunächst den Felssturz aus, ohne Sie bedrohten im Sommer immer wieder die den die grossen Murgänge gar nicht stattge- Strasse, die dadurch periodisch unterbrochen funden hätten. Der ursprüngliche Aarelauf beim Spreitgraben im Jahr 2009 2009 bis 2011 haben mehrere Murgänge das Flussbett mit Geröll aufgefüllt
23 Murgang Spreitgraben Schäden durch Tiefenerosion bei der Galerie der Grimselstrasse Terrainaufschüttung durch die Murgänge 2009 – 2011: Die Aaresohle unterhalb des Spreitgrabens liegt heute 15 bis 20 Meter höher als vor den Ereignissen (Blick talabwärts) neuer Querschnitt alter Querschnitt 965 945 Grimselstrasse neuer Aarelauf 925 Wanderweg 905 alter Aarelauf 0 20 40 60 80 100 120 140 160 180
24 Vatseret-Gletschersee auf der Plaine Morte
25 Hochwasser aus Im Berner Oberland könnten im Zuge der Kli- Gletscherseen maänderung über 100 neue Seen auf insge- samt 39 Gletschern entstehen. Darunter sind Mit dem beschleunigten Gletscherrückgang teils auch potenziell sehr grosse Seen. Rund werden Anzahl und Grösse von Gletscherseen ein Drittel wird voraussichtlich zeitnah (bis künftig zunehmen. Deren Entwicklung lässt 2030) entstehen, ein weiteres Drittel bis ins sich über Jahre hinweg beobachten, wodurch Jahr 2050 und das letzte Drittel nach 2050. gefährliche Situationen frühzeitig erkannt wer- Doch bleibt die Unsicherheit, inwieweit sie sich den können. effektiv ausbilden oder ob sie rasch wieder mit Geröll zugedeckt werden. Darüber hinaus Moränendämme, welche Seen aufstauen, be- liegen viele dieser potenziellen Gletscherseen stehen meist aus losem Lockergestein, das weit entfernt von Siedlungsräumen oder Infra- teilweise mit Toteis durchsetzt ist. Schmilzt strukturanlagen und werden diese daher nicht dieses Eis, wird der Damm zusehends porö- oder nur marginal tangieren. Sie können je- ser und wasserdurchlässiger, was ihn desta- doch in einer Prozesskette gefährlich werden, bilisiert. Als Folge eines kontinuierlich zuneh- wenn zum Beispiel eine grosse Rutschung ei- menden Wasserabflusses kann sich der See nen See zum Überschwappen bringt und so schliesslich entleeren. Eine weitere Gefahr den Wirkungsraum erweitert. Allerdings liegen stellen Impulswellen dar, die durch eine Eis- 27 potenzielle Gletscherseen oberhalb von lawine, einen Erdrutsch oder durch Fels- und Stauseen und stellen im Falle eines spontanen Bergstürze ausgelöst werden und Gletscher- Ausbruchs kaum eine Gefahr für unterliegende seen zum Überschwappen bringen. Sie ver- Siedlungen dar. ursachen ein Hochwasser, das bedeutend grösser sein kann als ein «normales» durch Im Rahmen der GHKperiGlazial wurden auch Niederschlag verursachtes. Ausserdem bre- Flutwellenanalysen durchgeführt, jedoch nur chen durch Gletschereis gestaute Seen sehr für bereits heute bestehende Seen. Das Re- plötzlich aus. Beispielsweise dann, wenn der sultat: Bei allen neun betrachteten Seen kann steigende Wasserspiegel den Eiskörper auf- durch eine Eislawine oder einen Bergsturz eine schwimmen lässt und das Wasser unter dem Flutwelle ausgelöst werden. Das verdrängte Gletscher hindurch oder durch Spalten und Wasservolumen ist aber jeweils relativ klein. Hohlräume entweicht. Somit ist das Gefahrenpotenzial trotz teilweise extrem hoher Abflussspitzen bescheiden. Lage der potenziellen Gletscherseen Perimeter GHKperiGlazial potenzielle Gletscherseen heutige Gletscher
26 > Der Faverges-See: Die Schneeschmelze im Frühling und der Beispiel eines Gletschersees Regen sowie die Gletscherschmelze im Som- Die Plaine Morte ist der grösste Plateauglet- mer füllen das Seebecken. Unter dem Eis scher der Alpen. Er liegt auf einer Hochfläche bilden sich dann jeweils Abflusskanäle, die südwestlich des Wildstrubels (2800 m ü. M.), immer grösser werden, je mehr Wasser durch- auf dem Gebiet der Gemeinde Lenk. Gegen fliesst. Dieser Prozess dauert so lange an, bis Norden hin ist der Gletscher leicht geneigt und der See schliesslich leer ist. Im Herbst und läuft in der schmalen Zunge des Retzliglet- Winter gehen diese Kanäle durch die Eisbewe- schers aus. Hier entspringt der Trüebbach, der gung wieder zu – und das Schauspiel wieder- über mehrere Wasserfälle den steilen Felshang holt sich im nächsten Jahr. hinunter auf den Retzliberg fliesst und sich dort mit dem Quellwasser der Siebenbrunnen Da Wasser immer wärmer ist als Eis, schmilzt zur Simme vereinigt. das Seebecken kontinuierlich ab, das See volumen wird von Jahr zu Jahr grösser. Da- Zwischen 1954 und 2005 hat sich die Fläche durch nimmt auch das Ausmass eines mög- des Plaine-Morte-Gletschers um 16 Prozent lichen Hochwassers zu. Derzeit liegt dieses und sein Volumen um 18 Prozent verringert. unter der Schadenschwelle. Mit dem weiteren Im Jahr 2005 belegte er noch rund 8,4 Quad- Abschmelzen des Gletschers könnte es je- ratkilometer, die Eisdecke war stellenweise bis doch in Zukunft für das darunterliegende Tal zu 235 Metern dick. Seit etlichen Jahren ha- eine gefährliche Grösse annehmen. ben sich am Gletscherrand verschiedene Seen gebildet. Der grösste von ihnen, der Faver- ges-See im Südosten der Plaine Morte, bricht seit 2011 regelmässig einmal pro Jahr aus und führt zu Hochwasser in der Simme. Hochwasser in der Simme beim Seeausbruch 2013
27 > Stiereggmoräne: Der Hauptabbruch fand schliesslich am Beispiel einer Impulswelle 22. Mai 2009 gegen Abend statt. Da die Am 18. Mai 2009 wurden beim Unteren Moräne in einzelnen Portionen abbrach, er- Grindelwaldgletscher frische Anrisse in der reichten die Wellen nur Höhen von rund zehn Stiereggmoräne entdeckt (siehe Rutschung Metern. Der Damm wurde somit nicht über- auf Seite 19). Schon in den Wochen zuvor strömt. ereigneten sich kleinere Abbrüche. Die desta- bilisierte Moränenmasse betrug zwischen Vergleichbare Rutschungen an der Stieregg- 500 000 und 800 000 Kubikmetern. Das moräne sind nach wie vor möglich. Durch alarmierte die Verantwortlichen. Sie mussten den neu gebauten Stollen und den rückläufi- davon ausgehen, dass diese Gesteinsmasse gen Gletscher weist der See auf dem Unteren bei einem Absturz in den See Wellen von bis Grindelwaldgletscher heute aber eine kleinere zu 17 Metern Höhe auslösen und zu einem Ausdehnung auf als noch 2009. Dadurch ist Überschwappen des damals fast randvollen das Gefahrenpotenzial für das Tal aktuell nicht Gletschersees führen würde. Da der seeauf- mehr vorhanden. stauende, natürliche Damm aus Lockermate- rial und Eis bestand, hätte eine Erosion zudem eine grössere Bresche schlagen können, was den Gletschersee teilweise entleert hätte. Eintauchen der Rutschmasse in den Gletschersee Wellenbildung im Gletschersee nach dem Abtauchen der Moränenmasse im See
28 Fazit > Die bestehenden Gefahren- karten sind robust Die vorhandenen Gefahrenkarten müssen auf- grund des heutigen Wissens nicht angepasst werden. Denn die meisten Flächen im Sied- lungsbereich, die durch Prozesse aus dem pe- riglazialen Raum betroffenen werden können, sind bereits heute in der Gefahrenkarte ausge- schieden. Trotz aller Sorgfalt, mit welcher die Studie erstellt wurde, können zukünftige Über- raschungen aber nicht ausgeschlossen wer- den. Deshalb ist es wichtig, dass die weitere Entwicklung des periglazialen Raums aufmerk- sam verfolgt wird. Dazu liefert die GHKperi > Beispiel Oberer Glazial eine wichtige Grundlage. Sie hilft, diese Grindelwaldgletscher sensiblen Gebiete räumlich einzugrenzen und Ende August 2011 nahm die Geschiebefracht deren Entwicklung gezielt zu beobachten. aus dem Oberen Grindelwaldgletscher schlag- artig und massiv zu. Es war eine Phase ohne Niederschläge, aber mit sehr hohen Tempera- > Beim Murgang sind die turen und entsprechend hohem Schmelzwas- grössten Veränderungen zu seranfall. Innerhalb von fünf Tagen wurden aus erwarten dem Gletscher und durch Erosionen im Ge- rinne 100 000 Kubikmeter Geschiebe in den Die durch Sturzprozesse am stärksten betrof- Talboden von Grindelwald ausgetragen. Dank fenen Gebiete liegen in unmittelbarer Umge- der Intervention mit Baggern konnte verhin- bung des Permafrosts, da die Reichweite der dert werden, dass die Lütschine komplett ver- Sturzprozesse nicht so gross ist. Das Gleiche landete und so Landwirtschaftsland und Ge- gilt für die Rutschprozesse. Bei Murgängen bäude überschwemmt worden wären. sind hingegen in einzelnen Einzugsgebieten Veränderungen möglich, die zu massiv grös- seren Geschiebeverlagerungen führen können. Gleichzeitig nimmt die Zahl potenzieller Mur- gang-Anrissbereiche in Gletscherrückzugs- gebieten und Gebieten mit degradierendem Permafrost zu. Beim Murgang sind somit ins- gesamt die grössten Veränderungen zu erwar- ten. > Die Geschiebefracht in den Gewässern nimmt zu Rutsch-, Sturz- und Murgangprozesse werden in Zukunft zu einem viel grösseren Geschie- beangebot in Wildbächen und Gebirgsflüssen führen. Dadurch nimmt die Geschiebefracht zu, was flussabwärts bei Flachstrecken oder Schwachstellen zu Problemen führen kann.
29 > Die Gletscher verändern sich Ein Grossteil der Gletscher wird bis Ende des 21. Jahrhunderts verschwunden sein. Mit den beschleunigten Veränderungen der Gletscher wird die Anzahl an Gletscherseen zunehmen. Steile Gletscher verlieren an Stabilität, was zu mehr Eisabbrüchen führen kann. Die Entwick- lung kann aber auch heutige Gefahrenquellen eliminieren: Wenn der Gletscherrückzug zum Abschmelzen des Eises in steilen Partien führt, können dort künftig keine Eislawinen mehr auftreten. > Nordexpositionen sind stärker betroffen als Südexpositionen In nordexponierten Lagen sind generell grös- sere Veränderungen zu erwarten als in südex- ponierten, weil an Nordseiten der Permafrost heute bis in tiefere Lagen reicht und daher der Erwärmung stärker ausgesetzt ist. > Die Hauptveränderungen geschehen fernab der Siedlungen Im Berner Oberland können das Gebiet um Kandersteg, das Haslital sowie die hinteren Lütschinentäler als die am stärksten betroffe- nen Regionen bezeichnet werden. Sehr viele Veränderungen laufen dort aber weit entfernt von den Siedlungsräumen ab und erreichen daher kaum Schadenpotenzial. Deshalb darf die mögliche Entwicklung nicht dramatisiert werden. Aus heutiger Sicht ist nicht absehbar, dass ganze Siedlungen im Berner Oberland durch die Folgen der Klimaänderung bedroht wären. Lokal können sich jedoch grosse He- rausforderungen stellen, wenn beispielsweise eine Häufung von Murgängen wichtige Ver- kehrsverbindungen gefährdet oder Gletscher- seen zu häufigeren und intensiveren Hoch wassern führen.
30 Strubel-Gletschersee auf der Plaine Morte
Umsetzung und Monitoring 31 Die Studie sorgt dafür, dass potenziellen In Gebieten, in denen sich risikoträchtige Ver- Konfliktstellen grössere Aufmerksamkeit ge- änderungen abzeichnen, müssen lokale Ge- schenkt wird und bereits kleine Veränderun- fahrenbeurteilungen vorgenommen werden. gen hellhörig machen, bevor die ganz gros- Sie schaffen die Grundlagen, um entscheiden sen Ereignisse auftreten. Handlungsbedarf zu können, ob Schutzmassnahmen notwendig entsteht in den allermeisten Fällen erst dann, sind und welcher Art diese sein sollen. wenn Veränderungen beobachtet werden. Dann bietet die GHKperiGlazial gute Grund lagen für weitere Abklärungen. Arten des Monitorings Um mit den Herausforderungen im Periglazial- Zustands-Monitoring gebiet erfolgreich umzugehen, müssen – wie Das Zustands-Monitoring überwacht syste- bei Naturgefahren üblich – sämtliche Akteure matisch die Grunddisposition von Gefahren- effizient zusammenarbeiten. Allen voran sind prozessen im periglazialen Bereich. Die ge- die kommunalen oder lokalen Sicherheitsver- sammelten Daten betreffend Gletscher und antwortlichen und die kantonalen Fachstellen Permafrost helfen den verantwortlichen Stel- in der Pflicht: Sie sollen ihr Wissen und ihre Er- len, die beobachteten Entwicklungen zu ver- kenntnisse regelmässig untereinander austau- stehen und daraus Aussagen zum weiteren schen. Dabei spielt auch das Monitoring eine Verlauf zu formulieren. Das Monitoring erfolgt tragende Rolle, also die systematische Erfas- jedoch nicht flächendeckend, sondern kon- sung und Beobachtung des Zustands der Ein- zentriert sich auf ausgewählte, für bestimmte zugsgebiete und der darin ablaufenden Gefah- Einzugsgebietstypen und Gefahrenprozesse renprozesse. Ein Monitoring ist wiederholt und repräsentative Regionen. Es beinhaltet eine regelmässig durchzuführen, um zuverlässige grossräumige Zustandsanalyse der Gletscher Schlussfolgerungen ziehen zu können. Verläuft resp. des Permafrosts im Berner Oberland. ein beobachteter Prozess nicht wie erwartet Im Zusammenhang mit dem Permafrost inte- bzw. über- oder unterschreitet er bestimmte ressieren vor allem, wie sich die Permafrost- Schwellenwerte, greifen die Verantwortlichen gebiete räumlich entwickeln und wie sich die mit geeigneten Massnahmen ein. Der Haupt- Mächtigkeit der Auftauschicht im Zeitverlauf wert der GHKperiGlazial besteht darin, dass verändert. Bezüglich der Gletschervorkommen die Gebiete, in denen ein Monitoring sinnvoll liegt das Augenmerk darauf, wie schnell sich ist, erkannt und priorisiert werden können. die Gletscher zurückziehen und wie gross das Geschiebepotenzial in Gletscherrückzugsge- bieten ist. > Beispiel Zustands-Monitoring Oberer nahmen können bei Gletschern Längen- und Verlust an Eismächtigkeit zwischen 2009 und 2011 Grindelwaldgletscher Dickenänderungen erfasst über 40 m und die Freilegung 30 bis 40 m Der Obere Grindelwaldgletscher ist im schwei- grosser Schuttflächen oder die Bildung neuer 20 bis 30 m zerischen Gletschermessnetz erfasst. Jährlich Seen erkannt werden. Nicht in jedem Fall sind 10 bis 20 m 5 bis 10 m werden von seinem Gebiet ein Luftbild und dazu Luftbilder nötig.bis 5Der m Zustand der Glet- ein Höhenmodell erstellt. Durch den Vergleich scher kann auch durch periodische Begehun- der Aufnahmen von Jahr zu Jahr kann seine gen beurteilt werden. Entwicklung verfolgt werden. Mit solchen Auf- Verlust an Eismächtigkeit zwischen 2009 und 2011 über 40 m 30 bis 40 m 20 bis 30 m 10 bis 20 m 5 bis 10 m bis 5 m
32 Beobachtet wird zudem, wo neue Seen auf, Ereignis-Monitoring an oder vor Gletschern entstehen und ob sich Seit Jahren erfasst die Abteilung Naturgefah- in deren Umfeld Instabilitäten (z.B. labile Morä- ren des Amts für Wald in einem Ereigniskata- nen) abzeichnen. ster systematisch alle Ereignisse von gravita- tiven Naturgefahren. Neue Ereignisse werden Das Zustands-Monitoring fällt dem Kanton zu dahingehend beurteilt, ob ihr Auslöser oder und wird von der Abteilung Naturgefahren des Prozessablauf durch Veränderungen im Glet- Amts für Wald betrieben. Diese tauscht die er- scher- oder Permafrostbereich hervorgerufen hobenen Daten regelmässig mit dem kantona- wurden. Ist dies der Fall, so wird zusammen len Tiefbauamt aus und hält auch die betroffe- mit der sicherheitsverantwortlichen Stelle ab- nen Gemeinden auf dem Laufenden. geklärt, ob weitere Untersuchungen notwen- dig sind. Gefahren-Monitoring Das Gefahren-Monitoring konzentriert sich auf bestimmte Gefahrenquellen, die innerhalb kur- zer Zeit gefährliche Prozesse hervorbringen können oder bereits hervorgebracht haben. Diese Art des Monitorings entspricht einem Frühwarnsystem. Sobald bestimmte Gefah- renquellen aktiv werden, leiten die jeweiligen Sicherheitsverantwortlichen allfällig notwen- dige Überwachungsmassnahmen ein. Je nach Gefahren- und möglichem Schadenpotenzial sind dafür technische Überwachungen not- wendig. Zuständig für das Gefahren-Moni- toring sind die Gemeinden resp. die sicher- heitsverantwortlichen Stellen. Die kantonalen Fachstellen leisten dabei Unterstützung. > Beispiel Gefahren-Monitoring zu überwachen. Dieses System erzeugt auch Faverges-Gletschersee einen Alarm an die Sicherheitsverantwortli- Aufgrund der jährlich wiederkehrenden Ent- chen, so dass diese über einen bevorstehen- leerung des Faverges-Gletschersees auf der den Seeausbruch informiert werden und da- Plaine Morte, hat die Gemeinde Lenk ein durch rechtzeitig vorsorgliche Massnahmen Frühwarnsystem auf dem Gletscher eingerich- wie das Absperren gefährdeter Wanderweg- tet, welches den Sicherheitsverantwortlichen abschnitte veranlassen können. erlaubt, den Zustand des Sees kontinuierlich Gletschersee Eis Dorf
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