KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL - Country Report N 4 Dezember 2019
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
IMPRESSUM GLOCON Country Report Series Herausgeberin: Nachwuchsgruppe GLOCON, Freie Universität Berlin Prof. Dr. Bettina Engels / Dr. Kristina Dietz Boltzmannstr. 1, 14195 Berlin Layout Design: Janina Rühl / Tobias Kalt Bildnachweis Titelbild: Nicole Geri auf Unsplash (https://unsplash.com/photos/mGXY- 1xE_dVE) und Steven Harolds auf Pixabay (https://pixabay.com/de/photos/mir-tagebau-berg- bau-gro%C3%9Fe-3897039/) ISSN: 2567-3912 Zitationsangabe für diesen Beitrag: Prause, Louisa (2019) : Konflikte um Investitionen in Land im Senegal. GLOCON Country Report, No. 4, Berlin : GLOCON. Alle GLOCON Country Reports sind online verfügbar unter www.land-conflicts.net. GLOCON übernimmt keine Verantwortung für etwaige Fehler im Country Report oder für Konsequenzen aus dem Ge- brauch von darin enthaltenen Informationen. Die Ansichten und Meinungen dieses Country Report spiegeln die der Au- torin wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Nachwuchsgruppe. © Nachwuchsgruppe GLOCON
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL Louisa Prause GLOCON Country Report, N° 4 Dezember 2019
INHALT 1 Einleitung 1 2 Agrarindustrielle Projekte im Senegal 3 3 Die Ausweitung des industriellen Bergbaus im Senegal 5 4 Konflikte um agrarindustrielle und Bergbauprojekte im Senegal 7 4.1 Das Senhuile-Projekt 7 4.1.1 Protestakteure im Kampf gegen das Senhuile-Projekt 8 4.1.2 Zentrale Forderungen der Protestakteure 9 4.1.3 Protestformen im Konflikt um das Senhuile-Projekt 10 4.1.4 Narrative im Konflikt um das Senhuile-Projekt 11 4.2 Die Sabodala-Goldmine 11 4.2.1 Die Protestakteure 13 4.2.2 Die Forderungen im Konflikt um die Sabodala-Goldmine 13 4.2.3 Die Protestformen im Konflikt um die Sabodala-Goldmine 14 4.2.4 Die Narrative im Konflikt um die Sabodala-Goldmine 15 4.3 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Protesten um das Senhuile-Projekt und die Sabodala-Goldmine 15 5 Fazit 20 Literatur 22 Anhang 25 Über die Autorin 28
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS CRAFS - Cadre de Réflexion et d‘Action sur le Foncier au Sénégal Collectif Fanaye - Collectif pour la défense de la terre de Fanaye Collectif Ndiael - Collectif pour la défense de Ndiael CNCR - Conseil National de Concertation et de coopération des Ruraux CSR - Corporate Social Responsibility EIES - Etude d’Impact Environnemental et Social EITI - Extractive Industry Transparency Initiative IPAR - Initiative Prospective Agricole et Rurale KEOH - Kédougou Encadrement Orientation et Développement Humain MDL - Mineral Deposits Limited NGO - Non-Governmental Organization SADEV - Solidarité, Action, Développement SGO - Sabodala Gold Operations SMC - Sabodala Mining Company TGO - Teranga Gold Operations
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL 1 EINLEITUNG Wie in vielen Ländern Afrikas stiegen auch im agrarindustrielle und Bergbau-Projekte wird daher Senegal Investitionen in Land seit Mitte der häufig von Konflikten begleitet (Bebbington/Bury 2000er Jahre an. Hohe Nahrungsmittelpreise, eine 2013b; Hufe/Heuermann 2017; Conde/Le Billon verstärkte Nachfrage nach Agrartreibstoffen sowie 2017; EJ Atlas 2019). fehlende Anlagemöglichkeiten für das Kapital im Meist werden Konflikte um industrielle Minen Zuge der Finanzkrise haben Land wieder zu einem und agrarindustrielle Projekte in voneinander begehrten Investitionsobjekt gemacht (Akram- getrennten Debatten verhandelt. Zumindest was Lodhi 2012; Bush/Martiniello 2017). Neben der den Verlust von Zugang zu Land angeht, stehen Finanzspekulation dienen diese Investitionen lokale Bevölkerungen jedoch vor ähnlichen vor allem der agrarindustriellen Produktion von Herausforderungen, egal, ob das Land für den Nahrungsmitteln und flex crops, wie Zuckerrohr, industriellen Bergbau oder die Agrarindustrie um- Ölpalmen, Mais und Soja (Nolte et al. 2016). gewandelt wird. Zudem sind die beiden Sektoren Letztere können flexibel für die Produktion von zunehmend miteinander verschränkt. Sie finden Nahrungs- und Futtermitteln, Kosmetika oder immer öfter in denselben Gebieten statt (Le Billon/ Agrartreibstoffen verwendet werden. Land wird Sommerville 2017). Zudem verbrauchen beide jedoch nicht nur verstärkt für die agrarindustrielle große Mengen Wasser. Dabei können sie sowohl Nutzung umgewandelt. Parallel dazu hat seit Ende in Konkurrenz um die Ressource Wasser stehen, der 1990er Jahre eine steigende Nachfrage nach als auch indirekt die Landnutzungsmöglichkeiten Mineralien, Metallen und Baumaterialien zu einer lokaler Landnutzer*innen negativ beeinflussen. verstärkten Aneignung von Land für die Erkundung Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die Konflikte und Ausbeutung nicht-erneuerbarer Rohstoffe um industriellen Bergbau und die Ausweitung der geführt. Dieser Rohstoffboom wurde auch durch agrarindustriellen Nutzung nicht als per se getrennt die Entwicklung neuer Bergbautechnologien zu betrachten. begünstigt, die in den vergangenen Jahren Depots Dieser Bericht stellt das Beispiel des Senegals zugänglich machten, die vorher nicht ökonomisch vor. Dort nahmen zwischen den Jahren 2000 und profitabel verwertbar waren (Bebbington/Bury 2018 sieben neue Minen ihre Produktion auf und 2013a). Im Zuge dessen sind seit Beginn der 2000er zahlreiche agrarindustrielle Projekte sind neu zahlreiche neue Minen in vielen Ländern des entstanden. Der Bericht gibt einen Überblick Globalen Südens entstanden. über diese Ausweitung des industriellen Die Aneignung von Land für die Agrarindustrie Bergbaus und der Agrarindustrie im Senegal sowie den Bergbau stellt lokale Gemeinschaften und zeigt die Gemeinsamkeiten, Unterschiede vor große Herausforderungen. Sie verlieren häufig und Besonderheiten in den Konflikten um diese ihren Zugang zu Land, was ihre ökonomische Projekte auf. Dies soll zivilgesellschaftlichen Lebensgrundlage bedroht, aber auch den Verlust Organisationen, die in diesen Bereichen aktiv sind, kulturell oder religiös bedeutender Orte mit- dabei unterstützen, Möglichkeiten zu identifizieren, einschließen kann. Darüber hinaus sind betroffene bei denen sich Kämpfe gegen agrarindustrielle und Anwohner*innen mit den von den Unternehmen Bergbauprojekte miteinander verknüpfen lassen. angebotenen Entschädigungszahlungen oder der Im Folgenden gebe ich zunächst einen Überblick Anzahl der geschaffenen Arbeitsplätze oftmals über die wichtigsten agrarindustriellen und nicht einverstanden. Die Umnutzung von Land für Bergbauprojekte, die in den letzten Jahren 1
GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019 im Senegal entstanden sind, sowie die damit verbundenen Konflikte. Anschließend gehe ich anhand zweier Beispiele näher auf die Ausgestaltung dieser Konflikte ein. Anhand der Konflikte um das agrarindustrielle Senhuile-Projekt und die Sabodala-Goldmine, zwei der am stärksten umkämpften Landaneignungen im Senegal, stelle ich die zentralen Protestakteure, ihre Forderungen, Protestformen und Narrative dar. Anhand dieser Beispiele zeige ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Konflikten im Agrar- und Bergbausektor auf und erarbeite Erklärungsansätze dafür. Abschließend diskutiere ich die Potenziale und Herausforderungen bezüglich der Verbindung von Kämpfen um agrarindustrielle und Bergbau- projekte. Der Länderbericht beruht auf Daten, die ich während dreier Feldforschungsaufenthalte im Senegal 2014, 2015 und 2016 erhoben habe. In dieser Zeit habe ich insgesamt 69 Leitfaden gestützte Interviews und acht Fokusgruppen- diskussionen mit an Konflikten um agrarindustrielle Projekte und industrielle Minen beteiligten Akteuren geführt.1 Zusätzlich stütze ich mich auf ca. 400 Medienberichte, die auf den Internetportalen farmlandgrab.org und allafrica.com zu Konflikten um Land und Rohstoffen im Senegal im Zeitraum von 2005 bis 2018 veröffentlicht wurden. Ich nutzte außerdem von zivilgesellschaftlichen und staatlichen Akteuren veröffentlichte Berichte als Datenquellen. 1 Allen Interviewpartner*innen danke ich sehr für ihre Zeit, die sie in meine Forschung investiert haben, ihre Gastfreundschaft, ihr Vertrauen sowie ihre kritischen Anmerkungen und Rückmeldungen. Mein Dank gilt außerdem dem Team von enda pronat und der Direktorin Mariam Sow, für ihre Zeit, Unterstützung und kritischen Gedanken zu meiner Forschung sowie den Mitarbeiter*innen der NGO La Lumière und ihrem Direktor Ibrahima Sori Diallo. Für einen tollen Büroplatz, Interesse an meiner Forschung und viele spannende Diskussionen danke ich außerdem dem Team der Rosa-Luxemburg Stiftung Dakar, insbesondere Dr. Klaus-Dieter König und Dr. Armin Osmanovic. Meine Forschung wäre außerdem nicht machbar gewesen ohne die Unterstützung von Ardo Sow, Dr. Lamine Diallo und Dr. Aminata Niang. Für viele Gespräche und ihre geduldigen Erklärungen zur senegalesischen Gesellschaft, zu Sprachen und Kulturen danke ich Maimouna Ndao und Ben Barry. 2
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL 2 AGRARINDUSTRIELLE PROJEKTE IM SENEGAL Der Anstieg der Investitionen in Land begann im und des Lac de Guiers im Norden des Landes. Ein Senegal, wie in vielen anderen Ländern des Globalen kleinerer Teil der agrarindustriellen Projekte wird in Südens, Mitte der 2000er Jahre. Die Datenbank dem Gebiet Niayes umgesetzt, dem Küstenstreifen Land Matrix (2019) identifiziert für den Zeitraum zwischen Dakar und Saint Louis (Enda pronat et al. von 2000 bis 2019 17 agrarindustrielle Projekte, die 2017). Tabelle 1 im Anhang gibt einen Überblick über im Senegal von ausländischen Investoren auf 200 die seit dem Jahr 2000 im Senegal entstandenen Hektar oder mehr durchgeführt wurden. Von diesen agrarindustriellen Projekte mit ausländischer 17 verzeichnet die Land Matrix jedoch lediglich Beteiligung. acht Projekte als derzeit produzierend. Zwei Das Senegalflussdelta war bereits vor der Un- Projekte befinden sich noch in der Aufbauphase, abhängigkeit des Senegals ein agrarwirtschaftliches sechs wurden mittlerweile aufgeben und bei Zentrum des Landes. Bereits in der Kolonialzeit einem Projekt ist der Status derzeit unklar. Ein wurde hier die Infrastruktur für großflächige senegalesisches Rechercheteam, bestehend aus Bewässerungslandwirtschaft geschaffen und nach mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen, der Unabhängigkeit weiter ausgebaut (Hesseling geht in einem Bericht aus dem Jahr 2017 hingegen 2009). Außerdem macht die verhältnismäßig gute von 14 derzeit produzierenden agrarindustriellen Infrastruktur das Gebiet für Investoren interessant. Projekten aus, die seit dem Jahr 2000 im Senegal mit Auch die Landwirtschaft im Niayes wurde während ausländischer Beteiligung entstanden sind (Enda der Kolonialzeit umstrukturiert. Das Gebiet ist gut für pronat et al. 2017). Ein Großteil der von Investoren den Gemüse- und Obstanbau geeignet und optimal gepachteten Flächen liegt in der Region Saint an die urbanen Zentren Saint Louis und Dakar, und Louis, insbesondere entlang des Senegalflussdeltas damit auch den dortigen Hafen, angebunden. Senegal, Kühe, Felder (Foto: DEZALB, auf Pixabay: https://pixabay.com/de/photos/senegal-savannah-zebus-her- de-zucht-3977775/) 3
GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019 Die französische Kolonialmacht förderte hier den vorgesehen ist), zones classées (Land, das zum Ausbau von Gemüsegärten in der Region, um die Zweck der Waldwirtschaft oder des Waldschutzes umliegenden Städte zu versorgen, und investierte klassifiziert wurde) und zones de terroires (Land im in die benötigte Bewässerungsinfrastruktur (Touré/ ländlichen Raum, das regelmäßig für Wohnraum, Seck 2005). Auch dieses Gebiet ist damit bei Ackerbau oder Viehzucht genutzt wird). Land in ausländischen Investoren beliebt, die hier seit Mitte den zones pionnières und den zones classées wird der 2000er verstärkt investieren (Enda pronat et al. direkt von der nationalen Regierung verwaltet. 2017). Investitionen in agrarindustrielle Projekte Land in diesen Gebieten kann also direkt von der im Senegal zielen vorwiegend auf den Anbau von Nationalregierung an einen Investor verpachtet Gemüse ab. Ein Großteil hiervon wird nach Europa werden. Der mit Abstand größte Teil des Landes exportiert, ein kleinerer Teil auf dem inländischen im ländlichen Raum gehört jedoch zu den zones Markt verkauft (Enda pronat et al. 2017). Da sich de terroires. In diesen Gebieten sind die lokalen die Investitionen auf Gebiete konzentrieren, die Gemeinderäte für die Landvergabe zuständig. für die Landwirtschaft optimal geeignet und recht Investoren schließen die Pachtverträge also mit den dicht besiedelt sind, stehen die agrarindustriellen Gemeinderäten ab. In einigen Fällen werden zuvor Projekte oftmals in Konkurrenz mit kleinbäuerlichen die lokale Bevölkerung sowie der chef de village Landwirt*innen sowie nomadischen und semi- (Dorfchef ) befragt und mit ihnen Vereinbarungen nomadischen Viehzüchter*innen, die ihren Zugang erzielt (Enda pronat et al. 2017-71). zu Land verlieren oder es nur noch eingeschränkt nutzen können. Die Aneignung von Land für die agrarindustrielle Nutzung findet auf der Grundlage des senegalesischen Landrechts, des Gesetzes zur domaine nationale von 1964, statt (Loi sur la domaine nationale, Gesetz 64-46, 17.06.1964). Das Gesetz unterscheidet drei unterschiedliche Kategorien von Land: Staatsland, privates Land und nationales Land. Staatsland ist Eigentum des senegalesischen Staates. Privates Land bezieht sich auf Land, für das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits private Landtitel registriert waren – viele davon stammen noch aus der Kolonialzeit. Diese beiden Kategorien beziehen sich auf nur etwa fünf Prozent des senegalesischen Territoriums. 95 Prozent sind Teil der domaine nationale und damit nationales Land (Hesseling 2009). Land der domaine nationale ist nicht in Privatbesitz, sondern wird vom Staat verwaltet. Es kann nicht verkauft oder als Pfand genutzt werden (enda pronat 2015). Investoren können Land im Senegal also nicht käuflich erwerben, sondern lediglich pachten. Die domaine nationale ist wiederum in vier Zonen unterteilt: zones urbaines (Land in urbanen Gegenden), zones pionnières (Land, das für die spezifische Inwertsetzung durch den Staat 4
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL 3 DIE AUSWEITUNG DES INDUSTRIELLEN BERGBAUS IM SENEGAL Parallel zu dem Anstieg von Investitionen Euro (Gold.de, 17.08.2017). Ebenso bedeutsam war in Agrarland stiegen auch die Investitionen die Reform des Bergbaugesetzes im Jahr 2003. Die in den industriellen Bergbau im Senegal Regierung unter Präsident Abdoulaye Wade (2000- an. 2017 hatte das Bergbauministerium 21 2012) reformierte das Bergbaugesetz mit dem Bergbaukonzessionen (concessions minière) und erklärten Ziel, ausländische Investoren anzuwerben. drei Abbaugenehmigungen (permis d’exploitation) Wade führte Steuervorteile und Zollbefreiungen für vergeben.2 13 davon stellte das Bergbauministerium Bergbauunternehmen ein und setzte eine Abgabe im Zeitraum zwischen 2000 und 2017 aus. Bis auf das geförderte Metall oder Mineral von lediglich 2017 vergab es zusätzlich 79 Erkundungslizenzen, drei Prozent fest (Code Minier, Gesetz Nr. 2003- davon 39 für Gold und 24 für Phosphate (EITI 36, 24.11.2003). Der 2012 neu gewählte Präsident 2018). 2018 gab es zwölf produzierende Minen. Macky Sall verabschiedete im November 2016 ein Tabelle 2 im Anhang gibt einen Überblick über überarbeitetes Bergbaugesetz. Es schreibt unter die im Senegal aktiven Bergbauunternehmen. Die anderem die Erhöhung der Bergbauabgaben auf wichtigsten Rohstoffe, die im Senegal abgebaut fünf Prozent und eine stärkere Beteiligung der werden, sind Phosphat und Gold. Der Goldabbau betroffenen Gemeinden an den erzielten Einnahmen findet in der Region Kédougou statt. Dort gab vor (Code Minier, Gesetz Nr. 2016-32, 08.11.2016). es 2018 zwei produzierende Goldminen, eine Dafür soll ein Ausgleichsfond (fonds de péréquation) weitere Abbaugenehmigung für Gold wurde eingerichtet werden. Sämtliche Konzessionen, die 2017 erteilt. Der Phosphatabbau konzentriert noch unter dem alten Bergbaugesetz verhandelt sich in den Regionen Thiès und Matam. 2017 wurden, bleiben jedoch zu den alten Konditionen machten die extraktiven Industrien 35,5 Prozent bestehen. Auch wenn die aktuelle Regierung die der Gesamtexporte des Senegals aus (EITI 2018: 9). Abgaben für Bergbauunternehmen erhöht hat, Gold ist davon mit einem Anteil von 14 Prozent an bleibt die Ausweitung des industriellen Bergbaus den Gesamtexporten das wichtigste Exportgut des erklärtes Ziel der Regierung und bildet eine der Landes (EITI 2018: 78). zentralen wirtschaftlichen Säulen des nationalen Während der Phosphatabbau im Senegal Entwicklungsplans (République du Sénégal 2014). bereits in den 1940er Jahren begann, eröffnete Vorangetrieben durch zivilgesellschaftlichen Druck, die erste Goldmine erst 2009. Anreize für die insbesondere der Koalition Publish What You Pay, Expansion des Goldbergbaus im Senegal bot ist der Senegal seit 2013 außerdem Mitglied der der im Zusammenhang mit der Finanzkrise stark Extractive Industry Transparency Initiative (Initiative gestiegene Goldpreis. 2005 lag der Preis für eine für Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor, Unze Gold noch bei etwa 300 Euro. 2011 und 2012 EITI). erzielte eine Unze Höchstpreise von knapp 1.400 Parallel zu dem Anstieg der Investitionen in den industriellen Bergbau kam es im Senegal auch 2 Eine permis d’exploitation erlaubt die Förderung zu einer starken Zunahme des handwerklichen von Mineralien, Metallen oder Baumaterialen. Die Genehmigung ist maximal fünf Jahre lang gültig und Goldbergbaus. Gold wird in der Region Kédougou muss dann alle fünf Jahre verlängert werden. Eine bereits seit vorkolonialer Zeit handwerklich Bergbaukonzession (concession minière) kann im Senegal abgebaut (Niang 2014). In den letzten 15 für einen Zeitraum von fünf bis 25 Jahren ausgestellt und Jahren migrierten jedoch zusätzliche tausende um bis zu 25 Jahren verlängert werden, bis das Depot erschöpft ist. handwerkliche Goldgräber*innen aus den 5
GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019 und Militär sämtliche großen handwerkliche Abbaustätten zu schließen (Barro 16.05.2014). Die Umstrukturierung des handwerklichen Goldbergbaus sieht vor, dass dieser nur noch in vom Bergbauministerium festgelegten Korridoren stattfinden soll, die nicht in Konkurrenz zu den industriellen Förderkonzessionen stehen (Arrêté 009249/MEM/DMG, 14.06.2013). Jede*r handwerkliche Goldgräber*in muss sich registrieren lassen und eine Schürfgenehmigung für einen bestimmten Ort erwerben. Jedoch können nur senegalesische Staatsbürger*innen diese erhalten. Das Bergbauministerium wies 2015 19 Korridore in den Regionen Kédougou und Tambacounda für den handwerklichen Bergbau aus (Arrêté Nr. 535, MIM/SRMG/KDG, 04.06.2015). Ende Februar 2015 wurden die handwerklichen Abbaustätten, die sich innerhalb der Korridore befanden, offiziell wiedereröffnet. Es findet jedoch weiterhin ein Explorationsarbeiten in Kedougou (Foto: Louisa Prause) großer Teil des handwerklichen Goldbergbaus informell statt. Nachbarstaaten nach Kédougou, um dort nach Gold zu suchen. Dies lässt sich insbesondere über den Anstieg des Goldpreises sowie die fehlende staatliche Regulierung erklären (Gerson et al. 2018). Genaue Zahlen darüber, wie viele Menschen auf der Suche nach Gold in die Region gekommen sind, gibt es nicht. Bekannt ist jedoch, dass viele der in der Region lebenden Menschen den Schwerpunkt ihrer ökonomischen Aktivitäten ebenfalls von der Landwirtschaft auf den handwerklichen Goldbergbau verlagert haben (Persaud et al. 2017). Schätzungen zufolge wird mittlerweile deutlich mehr der Haushaltseinkommen im ländlichen Raum Kédougous durch den handwerklichen Gold- bergbau erwirtschaftet als durch die Landwirtschaft (Doucouré 2014; Persaud et al. 2017). Seit Mitte der 2000er Jahre werden im handwerklichen Goldbergbau in Kédougou zunehmend moderne Technologien, wie Golddetektoren, Pumpen und Chemikalien, insbesondere Quecksilber und Zyanid, eingesetzt (Diallo et al. 2016). Seit 2013 versucht die senegalesische Regierung verstärkt den handwerklichen Goldbergbau zu formalisieren. Im Mai 2014 begann sie unter Einsatz von Polizei 6
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL 4 KONFLIKTE UM AGRARINDUSTRIELLE UND BERGBAUPROJEKTE IM SENEGAL Die Ausweitung der agrarindustriellen Produktion 4.1 Das Senhuile-Projekt und die damit einhergehende Aneignung von Land durch ausländische Investoren ist im Senegal 2011 versuchte das Unternehmen Senhuile, stark um-stritten. In der Vergangenheit kam damals noch unter dem Namen Senethanol SA, es zu mehreren offenen Protesten von lokalen 20.000 Hektar Land in der Gemeinde Fanaye im Landnutzer*innen, oftmals unterstützt durch Norden des Senegals zu pachten (CRAFS et al. zivilgesellschaftliche Akteure, gegen die Aneignung 2013). Das Unternehmen unterzeichnete einen von Land durch Investoren (für einen Überblick Vertrag über 300 Hektar sowie ein Protokoll, siehe enda pronat 2015). Die Konflikte entzündeten in dem der Präsident des Gemeinderats seine sich meist daran, dass lokale Landnutzer*innen, Absicht erklärte, weitere 20.000 Hektar an das entweder kleinbäuerliche Landwirt*innen Unternehmen vergeben zu wollen (ActionAid oder nomadische und semi-nomadische 2014). Senhuile hatte zwar bereits begonnen, Teile Viehzüchter*innen, ihren Zugang zu Land an den des Landes zu roden. Als es am 26. Oktober 2011 Investor zu verlieren drohten. Zuletzt protestierten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen beispielsweise die Anwohner*innen der Gemeinde Befürworter*innen und Gegner*innen des Projektes Dodel 2017 erfolgreich gegen die Vergabe von kam, hatte die Produktion allerdings noch nicht mit 10.000 Hektar an einen marokkanischen Investor. begonnen,. Dabei starben zwei Menschen (CRAFS Auch im Umfeld industrieller Minen kam es zu et al. 2013). Diese Ausschreitungen waren der Konflikten. Anwohner*innen der Gemeinde Anlass für den damaligen Präsidenten Abdoualye Diogo protestierten beispielsweise gegen das Wade, das Projekt in der Gemeinde Fanaye vorläufig Unternehmen Grand Côte Operations (für einen zu stoppen. Überblick siehe EJ Atlas 2019). Die am stärksten Anfang 2012 verpachtete Wade jedoch mittels umkämpften Projekte der vergangenen Jahre zweier Dekrete 20.000 Hektar Land für 50 Jahre im waren das agrarindustrielle Senhuile-Projekt und ehemaligen Natur- und Waldschutzgebiet Ndiael die Sabodala-Goldmine. Anhand dieser beiden Fälle an Senhuile (Dekret 2012-366 und Dekret 2012- zeige ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede 367, beide 20.03.2012). Dazu hob der Präsident von Konflikten um agrarindustrielle Projekte und den Status des Landes als geschützter Wald (forêt industrielle Minen im Senegal auf. Im Folgenden classé) auf. Aufgrund dieses Status war zuvor in stelle ich die jeweiligen Landaneignungen kurz vor dem Reservat jegliche landwirtschaftliche Aktivität und erläutere, welche Akteure in den Konflikten aktiv verboten und lediglich nomadische Viehzucht wurden, was ihre zentralen Forderungen waren, erlaubt gewesen. Der neue Präsident Macky Sall, welche Protestformen sie nutzten und welche der 2012 sein Amt antrat, setzte die Dekrete im April Narrative sie konstruierten. Abschließend diskutiere 2012 kurzzeitig aus (Dekret 2012-448), bestätigte ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede sie aber im Anschluss wieder. Die 20.000 Hektar sowie Potenziale und Herausforderungen befinden sich in den drei Gemeinden Ronkh, Diama für sektorübergreifende zivilgesellschaftliche und Gnith; der mit Abstand größte Teil liegt in der Bündnisse. Gemeinde Gnith. Hinter dem Unternehmen Senhuile verbergen sich das Unternehmen Senethanol SA sowie die 7
GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019 italienische Tampieri Financial Group. Nachdem sich herausstellte, dass der ursprünglich geplante Anbau von Sonnenblumen für die Produktion von Öl auf dem Gebiet nicht möglich ist, änderte Senhuile seine Strategie und produziert seit 2014 Reis, Mais und Erdnüsse für den lokalen Markt. Die Reisproduktion vermarktet das Unter- nehmen als Teil des Entwicklungsprogramms autosuffisance en riz Dorf im Reservat Ndiael (Foto: Louisa Prause) (Selbstversorgung mit Reis) der senegalesischen wurde, organisierten sich die betroffenen Regierung, welches das Ziel verfolgt, den Landnutzer*innen auch dort in einem Kollektiv, dem Reisbedarf ohne die bislang hohen Importe zu Collectif pour la défense de Ndiael. In diesem sind decken. Das Unternehmen hat bereits etwa 5.000- überwiegend die Anwohner*innen der 37 Dörfer 7.000 Hektar des Gebiets gerodet (ActionAid organisiert, die sich auf dem Gebiet befinden, das 2014). 2015 verkleinerte Senhuile das gepachtete der Präsident im Ndiael an Senhuile vergeben hat. Land auf 10.000 Hektar. Im April 2016 informierte Auch hier handelt es sich überwiegend um semi- der Geschäftsführer der Tampieri Financial Group nomadische Viehzüchter*innen, die das Land zuvor Giovanni Tampieri in einem Interview jedoch genutzt haben. Ihren Protesten schlossen sich darüber, dass erst 1.500 Hektar bestellt seien auch kleinbäuerliche Landwirt*innen an. In der (farmlandgrab.org 2016). 2017 berichtete das Gemeinde Gnith, in der ein Großteil der vergebenen Internetportal NdarInfo, dass die Tampieri Financial 20.000 Hektar liegen, gibt es kein brachliegendes Group ihre Anteile an dem Unternehmen an den Land mehr. Beim Gemeinderat liegen mehr 2.000 senegalesischen Teilhaber von Senhuile, Gora Seck, Nutzungsanfragen für Land vor (Interviews, abgetreten hätte (Ndar.info 10.05.2017). Gemeinderat Gnith, 16.03.2015 und 28.04.2016, Gnith). Auch viele Bauern und Bäuerinnen in der 4.1.1 Protestakteure im Kampf gegen Gegend hatten daher ein Interesse daran, dass das das Senhuile-Projekt Land nicht an ein agrarindustrielles Unternehmen Von Beginn an gab es starke Widerstände gegen vergeben wird. Die beiden Kollektive werden das Senhuile-Projekt. In Fanaye organisierten sich von dem zivilgesellschaftlichen Netzwerk Cadre die betroffenen Landnutzer*innen im Collectif de Réflexion et d‘Action sur le Foncier au Sénégal, pour la défense de la terre de Fanaye, um gegen die (Reflexions- und Aktionsrahmen zu Land und der Landvergabe an Senhuile vorzugehen. Dies waren Landreform im Senegal, CRAFS) unterstützt. CRAFS überwiegend semi-nomadische Viehzüchter*innen. gründete sich am 28. April 2011. Die Gründung des Das an Senhuile vergebene Land befand sich in Netzwerkes war eine Reaktion der Zivilgesellschaft einem Gebiet, das zuvor fast ausschließlich auf die von der Regierung Abdoulaye Wades (2000- als Weideland genutzt wurde. Nachdem das 2012) initiierte Landreform und auf die Zunahme von Senhuile-Projekt in den Ndiael umgesiedelt Landaneignungen im Senegal durch internationale 8
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL Workshop zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Landrechtsreform (Foto: Louisa Prause) und nationale Investoren. CRAFS kämpft für eine Nutzung sind die Mitgliedsorganisationen von partizipative Landreform, die der klein-bäuerlichen CRAFS zentrale Protestakteure und unterstützen die Landwirtschaft zugutekommen soll, und unterstützt lokalen Landnutzer*innen. lokale Gemeinden in ihrem Widerstand gegen land grabbing. Das Netzwerk umfasst heute etwa 4.1.2 Zentrale Forderungen der 20 Organisationen.3 Dazu gehören lokale Protest- Protestakteure akteure in Form von Zusammenschlüssen der Die von dem Senhuile-Projekt betroffenen von land grabbing betroffenen Landnutzer*innen Anwohner*innen in Fanaye und dem Ndiael ebenso wie nationale Organisationen, befürchten vor allem, dass ihnen das Projekt überwiegend NGOs und Think-Tanks sowie der den Platz für die von ihnen betriebene semi- nationale Bäuerinnen- und Bauernverband nomadische Viehwirtschaft nehmen wird und (Conseil National de Concertation et de coopération so ihre ökonomische Lebensgrundlage zerstört des Ruraux, Nationaler Rat der Zusammenarbeit (Mémorandum du Collectif pour la Défense des Terres und Kooperation der ländlichen Bevölkerung, de Fanaye, 24.11.2011; Lettre au Président de la CNCR). Der CNCR vertritt die Interessen der République du Sénégal à propos du Ndiael, Collectif Kleinbauern- und bäuerinnen, Viehzüchter*innen Ndiael, 08.02.2014). Die Protestkoalition CRAFS und Fischer*innen, die der Verband unter dem formulierte ausgehend von dieser Wahrnehmung Label „ländliche Produzent*innen“ zusammenfasst der negativen Auswirkungen des Senhuile- (CNCR 2018). Darüber hinaus sind einige regionale, Projekts auf die ökonomische Lebensgrundlage in Westafrika aktive Organisationen, sowie die der Anwohner*innen eine klare Forderung: Den nationalen Sektionen internationaler NGOs Teil sofortige Stopp des Projektes und die Rückgabe des Bündnisses. Nicht nur im Konflikt um das des Landes an die lokale Bevölkerung (enda pronat Senhuile-Projekt, auch in anderen Konflikten um 2015: 57-59). Nach dem Umzug des Projektes in die Aneignung von Land für die agrarindustrielle den Ndiael zielte die Forderung nicht mehr darauf ab, den Status Quo aufrechtzuerhalten. Stattdessen 3 Ein Überblick über die Mitgliedsorganisationen von forderten die Protestakteure nun, das zuvor unter CRAFS findet sich in Tabelle 3 im Anhang. 9
GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019 Schutz stehende Waldreservat dauerhaft für zu blockieren. Bei diesem Versuch kam es zu die landwirtschaftliche Nutzung zu öffnen und gewaltsamen Ausschreitungen, bei denen zwei das Land an die Anwohner*innen des Ndiael zu Menschen starben und mehr als 20 verletzt wurden verteilen (Fokusgruppe, Mitglieder des Collectif (Bagnoli et al. 2015). Sowohl in Fanaye als auch im Ndiael, Thiamène, 16.03.2015). Ndiael griffen die Landnutzer*innen Arbeiter*innen Als der Kampf gegen das Senhuile-Projekt noch von Senhuile an, als diese versuchten, das Land zu in der Gemeinde Fanaye stattfand, richtete die roden. Außerdem blockierten sie deren Maschinen Protestkoalition ihre Forderungen primär an den (Koopman 2012; Agence de Presse Sénégalaise Gemeinderat von Fanaye (enda pronat 2015: 57-59). 01.11.2012; Sylla 02.11.2012). Im Ndiael kam es In zweiter Instanz wandte sich CRAFS auch an den darüber hinaus zu einer kollektiven und gezielten Präsidenten der Republik, der sich Ende 2011 und Sabotageaktion der Maschinen von Senhuile Anfang 2012 gerade im Wahlkampf befand. Nach (Ngom Damel 13.03.2013). Die Anwohner*innen dem Umzug des Projekts in das Reservat Ndiael verweigerten zudem zu verschiedenen Zeitpunkten richteten die Protestakteure die Forderungen dann die Kommunikation mit dem Unternehmen, fast ausschließlich an den Präsidenten der Republik beispielsweise als die Beauftragte für Corporate beziehungsweise seine regierenden Minister*innen. Social Responsibility (CSR) Daten über die Dörfer CRAFS kritisierte die fehlende Mitbestimmung der sammeln wollte, oder im Rahmen der Umwelt- und Gemeinderäte und der Anwohner*innen bei der Sozialverträglichkeitsprüfung (ActionAid 2014). Vergabe des Landes. Auch wenn die Regierung Mitglieder der Kollektive in Fanaye und Ndiael formal das Recht hatte, das Land im Ndiael ohne ließen sich zudem bei den Gemeinderatswahlen Zustimmung des Gemeinderats an Senhuile zu als Kandidat*innen aufstellen (Interview, CNCR, vergeben, kritisierte die Protestkoalition, dass die 04.02.2015, Dakar). lokale Bevölkerung einer solch großen Aneignung CRAFS organisierte darüber hinaus Proteste von Land zustimmen müsse (ActionAid 2014). auf nationaler und internationaler Ebene, u.a. CRAFS kämpft im Konflikt um das Senhuile-Projekt eine erfolgreiche nationale und internationale auch dafür, dass Kontrolle über die Vergabe von Öffentlichkeitskampagne. Diese umfasste Land bei den lokalen Gemeinden liegen solle. Diese die Veröffentlichung von offenen Briefen, Forderung richtete CRAFS auch an die nationale Memoranden, Videodokumentationen, einem Rap- Regierung und die Landrechtsreformkommission. Song und Pressearbeit (Sall/Diallo 2013; Hopsort Nach seiner Wahl zum Präsidenten im Jahr 2012 2014; enda pronat 2015). Mithilfe internationaler hatte sich Macky Sall bemüht, die von seinem Partnerorganisationen wie Re:Common, Peuple Vorgänger begonnenen Verhandlungen zu einer Solidaire, SOS Faim, GRAIN und dem Oakland Reform des Landrechts wiederaufzunehmen. Institute schafften sie es, den Fall Senhuile auch in Europa bekannt zu machen. Verschiedene 4.1.3 Protestformen im Konflikt um das internationale NGOs veröffentlichten gemeinsam Senhuile-Projekt mit CRAFS Berichte. Zudem starteten sie eine Im Konflikt um das Senhuile-Projekt nutzten Onlinepetition, in der sie das Ende des Projektes die lokalen Landnutzer*innen sowie CRAFS forderten (CRAFS et al. 2013; CRAFS et al. 2014). unterschiedliche Formen des Protests. Diese lassen CRAFS unterstützte die Anwohner*innen bei sich in konfrontative und konventionelle Protest- der Organisierung und bei der Beschaffung formen unterscheiden. In Fanaye organisierte die von Informationen über das Projekt und bezog Protestkoalition angemeldete und unangemeldete die Mitglieder der Kollektive zudem eng in die Demonstrationen (Koopman 2012; enda pronat Workshops zur anstehenden Landreform mit ein. 2015 ). Zudem versuchten Gegner*innen des Im Februar und März 2016 organisierte CRAFS mit Projektes eine Sitzung des Gemeinderates zahlreichen internationalen Partnerorganisationen 10
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL eine Karawane durch Westafrika, die unter anderem legitimieren und um Unterstützung für ihren Protest auch im Ndiael Halt machte. Von dort aus zogen sie zu gewinnen, schließen die Protestakteure an dieses gemeinsam mit dem Collectif Ndiael nach Dakar, von der Regierung formuliertes Entwicklungsziel an um Macky Sall in seiner Funktion als Präsidenten (Prause 2019). der Economic Community of West African States (Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen 4.2 Die Sabodala-Goldmine Staaten, ECOWAS) eine Petition zu überreichen (Faye 26.02.2016). Die Sabodala-Goldmine war die erste industrielle Goldmine im Senegal. Sie nahm im März 2009 ihre 4.1.4 Narrative im Konflikt um das Produktion auf (Teranga Gold Corporation 2012: Senhuile-Projekt 5). Bis 2010 gehörte die Mine dem australischen CRAFS und die Kollektive entwickelten ein Unternehmen Mineral Deposits Limited (MDL), Narrativ, also eine Erzählung und Darstellung das am 09. Juni 2005 die Genehmigung für ihres Protests, die diesen erklärt und legitimiert, den Goldabbau erhielt (Dekret 2005-520, um so die Unterstützung der Medien und 09.06.2005). Diese wurde zwei Jahre später in Entscheidungsträger*innen zu erlangen. Sie stellten eine Bergbaukonzession umgewandelt (Dekret den Verlust des Landes und die damit verbundene 2007-564, 30.04.2007), die bis 2022 gilt. MDL Gefahr für die Ernährungssicherheit der lokalen gründete für die Goldförderung im Senegal zwei Landnutzer*innen als zentrales Problem heraus Tochterunternehmen: Sabodala Gold Operations (Mémorandum du Collectif pour la Défense des Terres (SGO) – zuständig für die Förderung und den Betrieb de Fanaye, 24.11.2011; Lettre au Président de la der Mine – und die Sabodala Mining Company (SMC) République du Sénégal à propos du Ndiael, Collectif – zuständig für die Explorationsaktivitäten. Beide Ndiael, 08.02.2014; Weltfriedensdienst/enda pronat Firmen verkaufte MDL im November 2010 an die 2015). Darüber hinaus argumentierten sie, das kanadische Firma TGO. SGO gehört zu 90 Prozent Senhuile-Projekt sei unproduktiv. Sie verwiesen TGO und zu 10 Prozent dem senegalesischen Staat. darauf, wie schlecht das Unternehmen gemanagt SMC ist zu 100 Prozent in Besitz von TGO (Teranga werde, wie wenig Hektar erst bebaut wurden Gold Corporation 2012: 5). und dass die Produktivität von Kleinbauern und 2013 übernahm TGO das Unternehmen Oromin Joint -bäuerinnen pro Hektar höher sei als die des Venture Explorations Ltd. und damit die Golouma- Unternehmens. Sie stellten Senhuile daher als eine Konzession (Teranga Gold Corporation 2013). Gefahr für das von der Regierung ausgegebene Die Golouma-Konzession umfasst ein Gebiet von Entwicklungsziel der Selbstversorgung des 21.260 Hektar und befindet sich in unmittelbarer Senegals mit Nahrungsmitteln, insbesondere Nachbarschaft zum bisherigen Abbaugebiet von mit Reis, dar (Prause 2015). Senegal ist in hohem TGO (Dekret 2010-83, 26.01.2010). TGO verfügte Maße von Nahrungsmittelimporten abhängig. 2018 über ein Konzessionsgebiet von 29.100 Hektar In der Vergangenheit hat dies wiederholt zu und Explorationslizenzen für über 62.900 Hektar. starken Schwankungen der Lebensmittelpreise Von 2013 bis 2017 umfasste die Produktion der geführt. So stieg zwischen Mitte 2007 und Mitte Mine fünf bis sechseinhalb Tonnen Gold pro Jahr 2008 der Preis von Reis im Senegal um 112 (Teranga Gold Corporation 2017a). TGO beschäftigte Prozent an. Als Reaktion darauf kam es 2008 zu 2016 etwa 1.050 Angestellte, 90 Prozent davon spontanen Aufständen (food riots) und Protesten sind Senegales*innen (Teranga Gold Corporation (Berazneva/Lee 2013). Seit Jahren bemüht sich die 09.08.2017). senegalesische Regierung, die Abhängigkeit des Seit Beginn der Produktion benötigt die Mine immer Landes von Nahrungsmittelimporten zu verringern. mehr Land von den umliegenden Gemeinden. 2011 Um ihren Kampf gegen das Senhuile-Projekt zu wurde das kleine Dorf Dambankhoto umgesiedelt, 11
GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019 um Platz für einen Staudamm zu schaffen. 2012 dem Minister hätten sich die Anwohner*innen baute TGO die Kapazitäten seiner Gesteinsmühle von Sabodala mittlerweile für eine Umsiedlung aus und benötigte weitere 400 Hektar Land, um eine ausgesprochen (tambacounda.info 21.04.2018). neue Abraumhalde einzurichten. Das Land wurde Im Jahr 2015 begann TGO darüber hinaus sein bis dato von Anwohner*innen der Dörfer Bransan, erstes Satellitendepot, das Gora-Depot, auf der Medina Bransan, Sabodala, Faloumbou und ehemaligen Golouma-Konzession zu entwickeln. Dambankhoto genutzt (Teranga Gold Corporation Im März und April 2015 wurde die Sozial- 2013: 42). 2013 nahm TGO unterstützt von der und Umweltverträglichkeitsprüfung für den Regierung Verhandlungen mit Anwohner*innen Abbau des Depots erfolgreich abgeschlossen. von Sabodala auf, um Explorationsarbeiten an Anwohner*innen der Dörfer Diakhaling, Kobokhoto, dem Niakafiri-Depot zu beginnen. Das Depot liegt Keniekeniebanding, Tourokhoto, Djegoune and direkt unter dem Dorf Sabodala, dem mit ca. 2.000 Broumbroum, die rund um Gora liegen, protestierten Einwohner*innen und 600 Haushalten größten wiederholt gegen den Abbau des Satellitendepots, Dorf in direkter Umgebung der Mine (Teranga da dieser die Schließung der handwerklichen Gold Corporation 2011; Teranga Gold Corporation Abbaustätte auf dem Gebiet bedeutete (Dabo 2017b). Ein Abbau des Niakafiri-Depots ist nur 13.03.2015). Im Juli 2015 begann TGO mit dem möglich, wenn das Dorf Sabodala umgesiedelt Goldabbau in Gora (Teranga Gold Corporation 2015: wird. Verhandlungen über eine Umsiedlung wurden 17). im August 2015 aufgenommen (Agence de Presse Proteste gegen die Mine gab es bereits, bevor die Sénégalaise 09.09.2015). Vertreter*innen des Dorfes Produktion begonnen hatte, vor allem, weil die brachen diese jedoch kurz darauf wieder ab und lokale Bevölkerung das Gefühl hatte, nicht von lehnten die Umsiedlung ab (Interview, Dorfältester, der Mine zu profitieren, etwa durch die Schaffung Sabodala, 09.04.2016). Im April 2018 kündigte von Arbeitsplätzen. Schon 2007 errichteten der Bergbauminister an, dass ein neuer Standort Anwohner*innen aus den umliegenden Dörfern für das Dorf Sabodala gefunden sei und mit der Straßenblockaden, da sie mit der Vergabe der Konstruktion neuer Häuser begonnen würde. Laut Arbeitsplätze durch das Unternehmen unzufrieden Handwerkliche Goldabbaustätte in Kédougou (Foto: Louisa Prause) 12
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL waren (Diaw 30.11.2007; Niang 2012: 162). Ein Jahr geringen Umfang die semi-nomadische Viehzucht. später, im Dezember 2008, protestierten Studierende Der handwerkliche Bergbau hat hierbei in den und Anwohner*innen in der Stadt Kédougou gegen letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. die fehlende Beteiligung der lokalen Bevölkerung Zwei internationale NGOs unterstützen ins- an den Gewinnen der Mine. Dabei kam es auch zu besondere die Arbeit von La Lumière und Angriffen auf die Préfecture (Tambacounda.info führen selbst Kampagnen im Senegal durch: 23.12.2008). Bei Auseinandersetzungen mit den Amnesty International und Oxfam. Oxfam hat Sicherheitskräften starben zwei Menschen, mehrere im Senegal die Gründung der Koalition Publish wurden verletzt und etwa 25 Protestierende What You Pay vorangetrieben. Die Koalition ist verhaftet (Tamba 11.01.2009). Zuletzt protest- Teil eines internationalen von Oxfam ins Leben ierten die Anwohner*innen 20014 und 2016 gerufenen Netzwerks, das sich für Transparenz gegen die Schließung zweier handwerklicher und Umweltschutz im Bergbausektor sowie Goldabbaustätten, die auf dem Konzessionsgebiet einen fairen Transfer der Bergbauabgaben an die von TGO lagen (Pressafrik.com 20.05.2014; Barro betroffenen lokalen Gemeinden einsetzt (Publish- 16.05.2014; Tamba 17.02.2016; Diop 22.02.2016). what-you-pay 2017). Der Koalition gehören 25 zivilgesellschaftliche Organisationen im Senegal 4.2.1 Die Protestakteure an.4 Vorsitzender ist der Präsident der NGO La Anders als im Agrarsektor sind die zivil- Lumière. Darüber hinaus initiierte La Lumière die gesellschaftlichen Akteure, die im Konflikt um Gründung eines journalistischen Netzwerkes zu die Sabodala-Goldmine aktiv sind, noch recht extraktiven Industrien, das Réseau National de la jung. Alle drei nationalen NGOs, die sich mit dem Presse sur l‘Industrie Extractive. Thema befassen, gründeten sich erst zu Beginn oder Mitte der 2000er Jahre. Dabei handelt es sich 4.2.2 Die Forderungen im Konflikt um um Solidarité, Action, Développement (Solidarität, die Sabodala-Goldmine Aktion, Entwicklung, SADEV), Kédougou Orientation Die Forderungen der Protestakteure im Konflikt Humain (Kédougou Ausrichtung auf die Menschen, um die Sabodala-Goldmine sind vielfältiger als im KEOH) und La Lumière (Das Licht). Letztere ist die Konflikt um das Senhuile-Projekt. Sie umfassen die einflussreichste NGO im Bergbausektor im Senegal. Sicherung des Zugangs der lokalen Bevölkerung zu La Lumière arbeitet seit Beginn der Arbeiten an der ihren handwerklichen Goldabbaustätten (Fokus- Sabodala-Goldmine in Kédougou mit den von der gruppen, Anwohner*innen der Dörfer Sabodala Mine betroffenen Dörfern zusammen. und Faloumbou, Sabodala, Faloumbou; beide Vor Ort wird der Protest gegen die Sabodala- 09.04.2016), den Schutz kulturell bedeutsamer Goldmine von den betroffenen Anwohner*innen Orte, insbesondere von Friedhöfen und religiösen geführt, insbesondere von Einwohner*innen der Stätten (Tamba 16.01.2012; Tamba 15.05.2013), Dörfer Sabodala, Faloumbou und Dambankhoto. sowie mehr Arbeitsplätze für ungelernte Seit das Satellitendepot Gora entwickelt wird, sind Arbeiter*innen und deren Besetzung mit lokalen auch Anwohner*innen des Dorfes Diakhaline sowie Arbeitskräften (Fokusgruppen, Anwohner*innen fünf weiterer kleinerer Dörfer in dem Konflikt aktiv. der Dörfer Sabodala und Faloumbou, Sabodala, Die Dörfer um die Abbaustätte Gora haben ein loses Faloumbou, beide 09.04.2016). Die Anwohner*innen Netzwerk gebildet und einen Sprecher ernannt. Die des Dorfes Sabodala kämpfen zudem gegen die Dörfer Sabodala, Faloumbou und Dambankhoto Umsiedlung ihres Dorfes, wobei sie darin von den in werden vor allem durch ihren jeweiligen chef de dem Konflikt aktiven NGOs nur eingeschränkt unter- village vertreten. Zentrale ökonomische Aktivitäten 4 Für eine Übersicht über die Mitgliedsorganisationen von in diesen Dörfern sind der handwerkliche Bergbau, Publish what you pay Senegal, siehe https://www.pwyp. kleinbäuerliche Landwirtschaft sowie in einem org/pwyp_members/senegal/ (Zugriff am 29.01.2019) 13
GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019 stützt werden. Gemeinsam mit den involvierten kam. Die lokalen Gemeinschaften organisierten NGOs fordern sie bessere Entschädigungen für mehrfach Blockaden der Zufahrtsstraßen zur verlorenes landwirtschaftlich genutztes Land. Ihre Mine und zum Satellitendepot Gora (Diallo 2009: Forderungen beziehen sich sowohl auf monetäre Kompensationen als auch auf die Größe und Qualität der von TGO als Alternative zur Verfügung gestellten Flächen (Fokusgruppen, Anwohner*innen der Dörfer Sabodala und Faloumbou, Sabodala, Faloumbou; beide 09.04.2016; Interview, La Lumière, Tambacounda, 06.03.2015). Die Protestakteure fordern eine bessere Kontrolle der Umweltrisiken und -schäden sowie einen Fonds, der die Renaturierung des Tagebaugebietes Bei Protesten abgebranntes Auto der Sous-Préfecture (Foto:Louisa Prause) nach dem Ende des Abbaus finanziell sicherstellt (Interview, NGO, Tambacounda, 5; Tamba 17.02.2016). Um die Erkundung des 06.03.2015). Außerdem setzen sie sich für eine Niakafiri-Depots zu verhindern, verwehrten sie Verbesserung und Ausweitung der im Sinne den Arbeiter*innen der Mine den Zugang zum der Unternehmensverantwortung Dorf und dem Friedhof (Faye 30.07.2013; Interview, durchgeführten Entwicklungsprojekte ein Service Régional d‘Appui au Dévéloppment local, (Interview, NGO, Dakar, 27.02.2015; Interview, 03.03.2015, Kédougou). Zu mehreren Zeitpunkten NGO, Tambacounda, 06.03.2015). Auf nationaler griffen sie Verwaltungsgebäude wie die Préfécture Ebene forderten die zivilgesellschaftlichen oder die Sous-Préfécture an, etwa bei den Aus- Akteure im Zusammenhang mit der Reform des einandersetzungen 2016 um die Schließung einer Bergbaugesetzes 2016 eine höhere finanzielle handwerklichen Abbaustätte des Dorfes Khossanto Beteiligung und Mitbestimmung der Gemeinden (Diop 22.02.2016). Vertreter*innen der lokalen an den Bergbauabgaben (Publish-what-you-pay Gemeinden verweigerten die Kommunikation mit Senegal 04.03.2015). Ihre Forderungen richten TGO und boykottierten öffentliche Verhandlungen die Protestakteure sowohl an das Unternehmen und Anhörungen im Rahmen der Umwelt- und als auch an die nationale Regierung bzw. deren Sozialverträglichkeitsprüfung. Vertreter in Form des Préfét und Sous-Préfét. Wie auch im Konflikt um das Senhuile-Projekt nutzten vor allem die lokalen Landnutzer*innen 4.2.3 Die Protestformen im Konflikt um die konfrontativen Protestformen. Dies geschah die Sabodala-Goldmine oftmals als Reaktion auf den Verlust handwerklicher Die lokalen Gemeinden und ihre zivil- Goldabbaustätten wie 2015 in Gora und 2016 in gesellschaftlichen Verbündeten nutzten vielfältige Sabodala oder als Reaktion auf die Gefährdung konfrontative und konventionelle Formen des oder Beschädigung religiöser Orte wie des Protests. Um ihren Forderungen Nachdruck Friedhofs von Sabodala 2007. Die involvierten zu verleihen, nahmen sie an unangemeldeten zivilgesellschaftlichen Akteure organisierten Demonstrationen wie 2008 in Kédougou oder 2016 vorwiegend konventionelle Protestformen. in Sabodala teil, wobei es auch zu gewaltsamen Dabei handelte es sich beispielsweise um eine Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften nationale Medien- und Öffentlichkeitskampagne, 14
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL Lobbyarbeit gegenüber politischen Eliten und 4.3 Gemeinsamkeiten und die Veröffentlichung kritischer Berichte über Unterschiede in den Protesten die negativen Auswirkungen der Mine auf die um das Senhuile-Projekt und die lokale Bevölkerung (Amnesty International 2014). Sabodala-Goldmine Sie organisierten zahlreiche Workshops in der Region mit dem Ziel, die lokale Bevölkerung zu Die Beispiele der Konflikte um das Senhuile-Projekt organisieren und zu sensibilisieren (Diallo 2009). Das und die Sabodala-Goldmine zeigen einige wichtige Netzwerk Publish What You Pay erarbeitete darüber Gemeinsamkeiten, aber auch viele Unterschiede hinaus konkrete Forderungen für die Reform des bei den Protesten gegen die Aneignung von Land Bergbaugesetzes 2016 (Publish what you pay 2017). für unterschiedliche Zwecke. Erstens unterscheiden sich die aktiven zivilgesellschaftlichen Orga- 4.2.4 Die Narrative im Konflikt um die nisationen. Zweitens werden in den beiden Sabodala-Goldmine Konflikten unterschiedliche Forderungen Um ihre Proteste zu legitimieren und formuliert. Drittens konstruieren die Protestakteure Unterstützer*innen für ihre Forderungen und unterschiedliche Narrative. Die Protestformen sind ihre Arbeit zu gewinnen, entwickelten auch die hingegen in beiden Konflikten ähnlich. Protestakteure im Konflikt um die Sabodala- Dass unterschiedliche zivilgesellschaftliche Orga- Goldmine Narrative. Ähnlich wie im Konflikt um nisationen in den beiden Konflikten aktiv sind, das Senhuile-Projekt identifizierten sie den Verlust zeigt, dass Kämpfe um Landaneignungen für den der Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung industriellen Bergbau und die Agrarindustrie noch als das zentrale Problem der Sabodala-Goldmine. weitgehend getrennt voneinander verlaufen. Sie stellten die Mine hierbei als eine Gefahr für die Anders als im Bergbausektor gib es im Senegal im lokale wirtschaftliche Entwicklung dar, die soziale Agrarsektor eine lange Tradition von Organisationen, Ungleichheiten durch eine unfaire Verteilung die sich für eine kleinbäuerliche Landwirtschaft der Gewinne verstärke. Die Protestkoalition im einsetzen (McKeon et al. 2004). Bereits in den Konflikt um die Sabodala-Goldmine entwickelte 1970er Jahren formierten sich erste Bauern- und insgesamt jedoch ein weniger kohärentes Bäuerinnenorganisationen. Seit 1993 sind viele Narrativ. Die lokalen Gemeinschaften betonten, dieser Organisationen Teil des CNCR, des nationalen dass ein zentrales Problem der Verlust der Bauern- und Bäuerinnenverbands. Auch zahlreiche handwerklichen Goldabbaustätten sei. Ihr Recht NGOs, beispielsweise enda pronat, engagieren auf die Abbaustätten begründeten sie mit der sich seit vielen Jahrzehnten für die kleinbäuerliche Tradition des handwerklichen Goldbergbaus in Landwirtschaft im Senegal. Diese Organisationen der Region und ihren traditionellen Rechten an haben früh auf die Gefahr, die mit der Ausweitung dem Land (Prause 2017). Die zivilgesellschaftlichen agrarindustrieller Projekte für die kleinbäuerliche Organisationen verwiesen hingegen stärker auf den Landwirtschaft einhergeht, hingewiesen (COPAGEN Verlust des landwirtschaftlich genutzten Landes, et al. 2013; Seneclash.com 2011). Im Konflikt um was sie als die zentrale Lebensgrundlage der das Senhuile-Projekt unterstützen sie insbesondere lokalen Gemeinschaften verstehen. Vor allem die die semi-nomadischen Viehzüchter*innen, deren involvierten Menschenrechts-NGOs stellten dies als Zugang zu Land durch das Projekt gefährdet eine Gefahr für die Sicherung der Menschenrechte ist. Semi-nomadische Viehzüchter*innen sind dar (Prause 2019). Für die Probleme machen die im Senegal häufig von dem Verlust von Land Protestakteure die nationale Regierung und ihre durch agrarindustrielle Projekte bedroht, da regionalen Vertreter – den Préfét und den Sous- ihre Tätigkeit von der Politik meist nicht als Préfét – verantwortlich. produktive Form der Landnutzung anerkannt wird. Die von ihnen genutzten Flächen gelten 15
GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019 daher oft als leer und ungenutzt (Prause 2015). starke Risiken für die Umwelt und vor allem das Industrielle Bergbauprojekte standen lange Zeit Grund- und Oberflächenwasser mit sich. Der nicht im Fokus der Agarorganisationen. Erst als Tagebau verändert die Landschaft eines Gebiets 2014 die Mine in Niayes eröffnete, einem Kern- tiefgreifend und nachhaltig. Da die Bergbaudepots gebiet für die landwirtschaftliche Produktionen, endliche Ressourcen darstellen, stellt sich die engagierten sich zunehmend auch Bauern- und Frage, wie das Land nach einem Ende des Abbaus Bäuerinnenorganisationen und NGOs, die zu genutzt werden kann. Um es landwirtschaftlich kleinbäuerlicher Landwirtschaft arbeiten, in diesem wieder nutzbar zu machen, müssen die Gebiete Sektor. Im Fall der Sabodala-Goldmine kommt gezielt renaturiert werden. Das erklärt, warum erschwerend hinzu, dass ein Großteil der betroffenen Umweltanliegen im Konflikt um die Sabodala- Anwohner*innen vorwiegend handwerklichen Goldmine prominenter sind. Zweitens ist der Abbau Goldbergbau betreibt. Bisher vertreten Bauern- von Gold stärker an bestimmte Orte gebunden. und Bäuerinnenorganisationen, die sich auch für Golddepots sind, wo sie sind, und sie haben Fischer*innen und Viehzüchter*innen einsetzen, einen hohen Wert. Das ist ein wichtiger Anreiz für die Interessen dieser Gruppe von Landnutzer*innen Unternehmen, Dörfer oder kulturell bedeutsame nicht. Die handwerklichen Goldgräber*innen Stätten, die über den unterirdischen Golddepots können jedoch auf keine vergleichbaren liegen, umzusiedeln. Auch TGO hat sich dazu Organisationen zurückgreifen, die ihre Interessen entschlossen, das Dorf Sabodala sowie das Dorf vertreten könnten. Die im Bergbausektor aktiven Dambankhoto umzusiedeln. Das Unternehmen NGOs sind noch recht jung und haben keine breite Senhuile hat hingegen angekündigt, seine Mitgliederbasis, auf die sie sich stützen könnten. Pflanzen um die auf dem Projektgebiet liegenden All das erschwert eine mögliche Zusammenarbeit Dörfer herum anzupflanzen. Dementsprechend mit den landwirtschaftlichen Organisationen sind Umsiedlungen kein Thema im Konflikt um im Senegal. Gleichzeitig wird deutlich, dass, das Senhuile-Projekt. Drittens unterscheidet unabhängig von den beteiligten Akteuren, ein sich die Gesetzeslage für den Bergbau- und den zentrales Anliegen beide Konflikte eint: die Landwirtschaftssektor. Im Bergbaugesetz gibt Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung zu es beispielsweise klare Vorgaben bezüglich der schützen, indem ihr Zugang zu Land gesichert wird. Entschädigungszahlungen, die Unternehmen Es gibt also durchaus Berührungspunkte zwischen zu leisten haben (Code Minier, Loi No 2016-32, den Kämpfen im Agrar- und Bergbausektor. 08 November 2016, Article 93). Zudem gibt es Die konkreten Forderungen unterscheiden sich festgelegte Abgaben, die Unternehmen auf das jedoch in beiden Konflikten. Dies ist einerseits darin von ihnen geförderte Mineral oder Metall leisten begründet, dass unterschiedliche Protestakteure müssen (Code Minier, Loi No 2016-32, 08 November involviert sind, die unterschiedliche Ziele verfolgen. 2016, Article 77). Demgegenüber bleibt das Im Konflikt um das Senhuile-Projekt zielt CRAFS auf senegalesische Landrecht uneindeutig hinsichtlich ein Ende des Projektes ab. Die Protestakteure der Zahlung von Kompensationen. Ebenso wenig im Konflikt um die Sabodala-Goldmine gibt es eine gesetzlich verpflichtende Abgabe in wollen Änderungen in der Ausgestaltung des Form von Pachtzahlungen oder Ähnlichem. Diese Projektes sowie eine bessere Integration der können nur individuell mit den Unternehmen Anwohner*innen erreichen. Die unterschiedlichen ausgehandelt werden. Für die senegalesische Forderungen der Protestakteure sind darüber Zivilgesellschaft, die im Bergbausektor aktiv hinaus auf einige Besonderheiten der Aneignung ist, sind daher Fragen nach der Regelung von von Land für den industriellen Bergbau und die Kompensationszahlungen und der Höhe und Agrarindustrie zurückzuführen. Erstens bringt Verteilung von Abgaben von größerer Bedeutung der Goldbergbau durch den Einsatz von Zyanid als für die Zivilgesellschaft im Agrarsektor. 16
Sie können auch lesen