KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL - Country Report N 4 Dezember 2019

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KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL - Country Report N 4 Dezember 2019
Country Report • N° 4 • Dezember 2019

KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL

Louisa Prause
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL - Country Report N 4 Dezember 2019
IMPRESSUM
GLOCON Country Report Series

Herausgeberin:
Nachwuchsgruppe GLOCON, Freie Universität Berlin
Prof. Dr. Bettina Engels / Dr. Kristina Dietz
Boltzmannstr. 1, 14195 Berlin

Layout Design: Janina Rühl / Tobias Kalt
Bildnachweis Titelbild: Nicole Geri auf Unsplash (https://unsplash.com/photos/mGXY-
1xE_dVE) und Steven Harolds auf Pixabay (https://pixabay.com/de/photos/mir-tagebau-berg-
bau-gro%C3%9Fe-3897039/)

ISSN: 2567-3912
 Zitationsangabe für diesen Beitrag:

 Prause, Louisa (2019) : Konflikte um Investitionen in Land im Senegal. GLOCON Country Report,
 No. 4, Berlin : GLOCON.

Alle GLOCON Country Reports sind online verfügbar unter www.land-conflicts.net.

GLOCON übernimmt keine Verantwortung für etwaige Fehler im Country Report oder für Konsequenzen aus dem Ge-
brauch von darin enthaltenen Informationen. Die Ansichten und Meinungen dieses Country Report spiegeln die der Au-
torin wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Nachwuchsgruppe.

© Nachwuchsgruppe GLOCON
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL - Country Report N 4 Dezember 2019
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND
            IM SENEGAL
                Louisa Prause

          GLOCON Country Report, N° 4
               Dezember 2019
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL - Country Report N 4 Dezember 2019
INHALT
1      Einleitung 									                                                                   1

2      Agrarindustrielle Projekte im Senegal 				                                             3

3      Die Ausweitung des industriellen Bergbaus im Senegal 		                                5

4      Konflikte um agrarindustrielle und Bergbauprojekte im Senegal                          7

       4.1 Das Senhuile-Projekt                                                                7
		4.1.1 Protestakteure im Kampf gegen das Senhuile-Projekt                                     8
		4.1.2 Zentrale Forderungen der Protestakteure                                                9
		4.1.3 Protestformen im Konflikt um das Senhuile-Projekt                                     10
		4.1.4 Narrative im Konflikt um das Senhuile-Projekt                                         11
       4.2 Die Sabodala-Goldmine                                                              11
		4.2.1 Die Protestakteure                                                                    13
		4.2.2 Die Forderungen im Konflikt um die Sabodala-Goldmine                                  13
		4.2.3 Die Protestformen im Konflikt um die Sabodala-Goldmine                                14
		4.2.4 Die Narrative im Konflikt um die Sabodala-Goldmine                                    15
       4.3 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Protesten um das Senhuile-Projekt und
       die Sabodala-Goldmine                                                                  15

5      Fazit                                                                                  20

Literatur                                                                                     22

Anhang                                                                                        25

Über die Autorin                                                                              28
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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
CRAFS - Cadre de Réflexion et d‘Action sur le Foncier au Sénégal
Collectif Fanaye - Collectif pour la défense de la terre de Fanaye
Collectif Ndiael - Collectif pour la défense de Ndiael
CNCR - Conseil National de Concertation et de coopération des Ruraux
CSR - Corporate Social Responsibility
EIES - Etude d’Impact Environnemental et Social
EITI - Extractive Industry Transparency Initiative
IPAR - Initiative Prospective Agricole et Rurale
KEOH - Kédougou Encadrement Orientation et Développement Humain
MDL - Mineral Deposits Limited
NGO - Non-Governmental Organization
SADEV - Solidarité, Action, Développement
SGO - Sabodala Gold Operations
SMC - Sabodala Mining Company
TGO - Teranga Gold Operations
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KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL

     1      EINLEITUNG

    Wie in vielen Ländern Afrikas stiegen auch im          agrarindustrielle und Bergbau-Projekte wird daher
    Senegal Investitionen in Land seit Mitte der           häufig von Konflikten begleitet (Bebbington/Bury
    2000er Jahre an. Hohe Nahrungsmittelpreise, eine       2013b; Hufe/Heuermann 2017; Conde/Le Billon
    verstärkte Nachfrage nach Agrartreibstoffen sowie      2017; EJ Atlas 2019).
    fehlende Anlagemöglichkeiten für das Kapital im        Meist werden Konflikte um industrielle Minen
    Zuge der Finanzkrise haben Land wieder zu einem        und agrarindustrielle Projekte in voneinander
    begehrten Investitionsobjekt gemacht (Akram-           getrennten Debatten verhandelt. Zumindest was
    Lodhi 2012; Bush/Martiniello 2017). Neben der          den Verlust von Zugang zu Land angeht, stehen
    Finanzspekulation dienen diese Investitionen           lokale Bevölkerungen jedoch vor ähnlichen
    vor allem der agrarindustriellen Produktion von        Herausforderungen, egal, ob das Land für den
    Nahrungsmitteln und flex crops, wie Zuckerrohr,        industriellen Bergbau oder die Agrarindustrie um-
    Ölpalmen, Mais und Soja (Nolte et al. 2016).           gewandelt wird. Zudem sind die beiden Sektoren
    Letztere können flexibel für die Produktion von        zunehmend miteinander verschränkt. Sie finden
    Nahrungs- und Futtermitteln, Kosmetika oder            immer öfter in denselben Gebieten statt (Le Billon/
    Agrartreibstoffen verwendet werden. Land wird          Sommerville 2017). Zudem verbrauchen beide
    jedoch nicht nur verstärkt für die agrarindustrielle   große Mengen Wasser. Dabei können sie sowohl
    Nutzung umgewandelt. Parallel dazu hat seit Ende       in Konkurrenz um die Ressource Wasser stehen,
    der 1990er Jahre eine steigende Nachfrage nach         als auch indirekt die Landnutzungsmöglichkeiten
    Mineralien, Metallen und Baumaterialien zu einer       lokaler Landnutzer*innen negativ beeinflussen.
    verstärkten Aneignung von Land für die Erkundung       Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, die Konflikte
    und Ausbeutung nicht-erneuerbarer Rohstoffe            um industriellen Bergbau und die Ausweitung der
    geführt. Dieser Rohstoffboom wurde auch durch          agrarindustriellen Nutzung nicht als per se getrennt
    die Entwicklung neuer Bergbautechnologien              zu betrachten.
    begünstigt, die in den vergangenen Jahren Depots       Dieser Bericht stellt das Beispiel des Senegals
    zugänglich machten, die vorher nicht ökonomisch        vor. Dort nahmen zwischen den Jahren 2000 und
    profitabel verwertbar waren (Bebbington/Bury           2018 sieben neue Minen ihre Produktion auf und
    2013a). Im Zuge dessen sind seit Beginn der 2000er     zahlreiche agrarindustrielle Projekte sind neu
    zahlreiche neue Minen in vielen Ländern des            entstanden. Der Bericht gibt einen Überblick
    Globalen Südens entstanden.                            über diese Ausweitung des industriellen
    Die Aneignung von Land für die Agrarindustrie          Bergbaus und der Agrarindustrie im Senegal
    sowie den Bergbau stellt lokale Gemeinschaften         und zeigt die Gemeinsamkeiten, Unterschiede
    vor große Herausforderungen. Sie verlieren häufig      und Besonderheiten in den Konflikten um diese
    ihren Zugang zu Land, was ihre ökonomische             Projekte auf. Dies soll zivilgesellschaftlichen
    Lebensgrundlage bedroht, aber auch den Verlust         Organisationen, die in diesen Bereichen aktiv sind,
    kulturell oder religiös bedeutender Orte mit-          dabei unterstützen, Möglichkeiten zu identifizieren,
    einschließen kann. Darüber hinaus sind betroffene      bei denen sich Kämpfe gegen agrarindustrielle und
    Anwohner*innen mit den von den Unternehmen             Bergbauprojekte miteinander verknüpfen lassen.
    angebotenen Entschädigungszahlungen oder der           Im Folgenden gebe ich zunächst einen Überblick
    Anzahl der geschaffenen Arbeitsplätze oftmals          über die wichtigsten agrarindustriellen und
    nicht einverstanden. Die Umnutzung von Land für        Bergbauprojekte, die in den letzten Jahren

1
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL - Country Report N 4 Dezember 2019
GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019

im Senegal entstanden sind, sowie die damit
verbundenen Konflikte. Anschließend gehe
ich anhand zweier Beispiele näher auf die
Ausgestaltung dieser Konflikte ein. Anhand der
Konflikte um das agrarindustrielle Senhuile-Projekt
und die Sabodala-Goldmine, zwei der am stärksten
umkämpften Landaneignungen im Senegal, stelle
ich die zentralen Protestakteure, ihre Forderungen,
Protestformen und Narrative dar. Anhand dieser
Beispiele zeige ich die Gemeinsamkeiten und
Unterschiede in den Konflikten im Agrar- und
Bergbausektor auf und erarbeite Erklärungsansätze
dafür. Abschließend diskutiere ich die Potenziale
und Herausforderungen bezüglich der Verbindung
von Kämpfen um agrarindustrielle und Bergbau-
projekte. Der Länderbericht beruht auf Daten, die
ich während dreier Feldforschungsaufenthalte im
Senegal 2014, 2015 und 2016 erhoben habe. In
dieser Zeit habe ich insgesamt 69 Leitfaden
gestützte Interviews und acht Fokusgruppen-
diskussionen mit an Konflikten um agrarindustrielle
Projekte und industrielle Minen beteiligten
Akteuren geführt.1 Zusätzlich stütze ich mich auf ca.
400 Medienberichte, die auf den Internetportalen
farmlandgrab.org und allafrica.com zu Konflikten
um Land und Rohstoffen im Senegal im Zeitraum
von 2005 bis 2018 veröffentlicht wurden. Ich
nutzte außerdem von zivilgesellschaftlichen und
staatlichen Akteuren veröffentlichte Berichte als
Datenquellen.

1 Allen Interviewpartner*innen danke ich sehr für ihre
Zeit, die sie in meine Forschung investiert haben, ihre
Gastfreundschaft, ihr Vertrauen sowie ihre kritischen
Anmerkungen und Rückmeldungen. Mein Dank
gilt außerdem dem Team von enda pronat und der
Direktorin Mariam Sow, für ihre Zeit, Unterstützung und
kritischen Gedanken zu meiner Forschung sowie den
Mitarbeiter*innen der NGO La Lumière und ihrem Direktor
Ibrahima Sori Diallo. Für einen tollen Büroplatz, Interesse
an meiner Forschung und viele spannende Diskussionen
danke ich außerdem dem Team der Rosa-Luxemburg
Stiftung Dakar, insbesondere Dr. Klaus-Dieter König und
Dr. Armin Osmanovic. Meine Forschung wäre außerdem
nicht machbar gewesen ohne die Unterstützung von
Ardo Sow, Dr. Lamine Diallo und Dr. Aminata Niang. Für
viele Gespräche und ihre geduldigen Erklärungen zur
senegalesischen Gesellschaft, zu Sprachen und Kulturen
danke ich Maimouna Ndao und Ben Barry.

                                                                                                              2
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL - Country Report N 4 Dezember 2019
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL

     2        AGRARINDUSTRIELLE PROJEKTE IM SENEGAL

    Der Anstieg der Investitionen in Land begann im                 und des Lac de Guiers im Norden des Landes. Ein
    Senegal, wie in vielen anderen Ländern des Globalen             kleinerer Teil der agrarindustriellen Projekte wird in
    Südens, Mitte der 2000er Jahre. Die Datenbank                   dem Gebiet Niayes umgesetzt, dem Küstenstreifen
    Land Matrix (2019) identifiziert für den Zeitraum               zwischen Dakar und Saint Louis (Enda pronat et al.
    von 2000 bis 2019 17 agrarindustrielle Projekte, die            2017). Tabelle 1 im Anhang gibt einen Überblick über
    im Senegal von ausländischen Investoren auf 200                 die seit dem Jahr 2000 im Senegal entstandenen
    Hektar oder mehr durchgeführt wurden. Von diesen                agrarindustriellen Projekte mit ausländischer
    17 verzeichnet die Land Matrix jedoch lediglich                 Beteiligung.
    acht Projekte als derzeit produzierend. Zwei                    Das Senegalflussdelta war bereits vor der Un-
    Projekte befinden sich noch in der Aufbauphase,                 abhängigkeit des Senegals ein agrarwirtschaftliches
    sechs wurden mittlerweile aufgeben und bei                      Zentrum des Landes. Bereits in der Kolonialzeit
    einem Projekt ist der Status derzeit unklar. Ein                wurde hier die Infrastruktur für großflächige
    senegalesisches Rechercheteam, bestehend aus                    Bewässerungslandwirtschaft geschaffen und nach
    mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen,                der Unabhängigkeit weiter ausgebaut (Hesseling
    geht in einem Bericht aus dem Jahr 2017 hingegen                2009). Außerdem macht die verhältnismäßig gute
    von 14 derzeit produzierenden agrarindustriellen                Infrastruktur das Gebiet für Investoren interessant.
    Projekten aus, die seit dem Jahr 2000 im Senegal mit            Auch die Landwirtschaft im Niayes wurde während
    ausländischer Beteiligung entstanden sind (Enda                 der Kolonialzeit umstrukturiert. Das Gebiet ist gut für
    pronat et al. 2017). Ein Großteil der von Investoren            den Gemüse- und Obstanbau geeignet und optimal
    gepachteten Flächen liegt in der Region Saint                   an die urbanen Zentren Saint Louis und Dakar, und
    Louis, insbesondere entlang des Senegalflussdeltas              damit auch den dortigen Hafen, angebunden.

    Senegal, Kühe, Felder (Foto: DEZALB, auf Pixabay: https://pixabay.com/de/photos/senegal-savannah-zebus-her-
    de-zucht-3977775/)

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GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019

Die französische Kolonialmacht förderte hier den          vorgesehen ist), zones classées (Land, das zum
Ausbau von Gemüsegärten in der Region, um die             Zweck der Waldwirtschaft oder des Waldschutzes
umliegenden Städte zu versorgen, und investierte          klassifiziert wurde) und zones de terroires (Land im
in die benötigte Bewässerungsinfrastruktur (Touré/        ländlichen Raum, das regelmäßig für Wohnraum,
Seck 2005). Auch dieses Gebiet ist damit bei              Ackerbau oder Viehzucht genutzt wird). Land in
ausländischen Investoren beliebt, die hier seit Mitte     den zones pionnières und den zones classées wird
der 2000er verstärkt investieren (Enda pronat et al.      direkt von der nationalen Regierung verwaltet.
2017). Investitionen in agrarindustrielle Projekte        Land in diesen Gebieten kann also direkt von der
im Senegal zielen vorwiegend auf den Anbau von            Nationalregierung an einen Investor verpachtet
Gemüse ab. Ein Großteil hiervon wird nach Europa          werden. Der mit Abstand größte Teil des Landes
exportiert, ein kleinerer Teil auf dem inländischen       im ländlichen Raum gehört jedoch zu den zones
Markt verkauft (Enda pronat et al. 2017). Da sich         de terroires. In diesen Gebieten sind die lokalen
die Investitionen auf Gebiete konzentrieren, die          Gemeinderäte für die Landvergabe zuständig.
für die Landwirtschaft optimal geeignet und recht         Investoren schließen die Pachtverträge also mit den
dicht besiedelt sind, stehen die agrarindustriellen       Gemeinderäten ab. In einigen Fällen werden zuvor
Projekte oftmals in Konkurrenz mit kleinbäuerlichen       die lokale Bevölkerung sowie der chef de village
Landwirt*innen sowie nomadischen und semi-                (Dorfchef ) befragt und mit ihnen Vereinbarungen
nomadischen Viehzüchter*innen, die ihren Zugang           erzielt (Enda pronat et al. 2017-71).
zu Land verlieren oder es nur noch eingeschränkt
nutzen können.
Die Aneignung von Land für die agrarindustrielle
Nutzung findet auf der Grundlage des
senegalesischen Landrechts, des Gesetzes zur
domaine nationale von 1964, statt (Loi sur la domaine
nationale, Gesetz 64-46, 17.06.1964). Das Gesetz
unterscheidet drei unterschiedliche Kategorien
von Land: Staatsland, privates Land und nationales
Land. Staatsland ist Eigentum des senegalesischen
Staates. Privates Land bezieht sich auf Land, für
das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes
bereits private Landtitel registriert waren – viele
davon stammen noch aus der Kolonialzeit. Diese
beiden Kategorien beziehen sich auf nur etwa
fünf Prozent des senegalesischen Territoriums.
95 Prozent sind Teil der domaine nationale und
damit nationales Land (Hesseling 2009). Land
der domaine nationale ist nicht in Privatbesitz,
sondern wird vom Staat verwaltet. Es kann nicht
verkauft oder als Pfand genutzt werden (enda
pronat 2015). Investoren können Land im Senegal
also nicht käuflich erwerben, sondern lediglich
pachten. Die domaine nationale ist wiederum
in vier Zonen unterteilt: zones urbaines (Land in
urbanen Gegenden), zones pionnières (Land, das
für die spezifische Inwertsetzung durch den Staat

                                                                                                                 4
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL

     3       DIE AUSWEITUNG DES INDUSTRIELLEN
             BERGBAUS IM SENEGAL
    Parallel zu dem Anstieg von Investitionen                   Euro (Gold.de, 17.08.2017). Ebenso bedeutsam war
    in Agrarland stiegen auch die Investitionen                 die Reform des Bergbaugesetzes im Jahr 2003. Die
    in den industriellen Bergbau im Senegal                     Regierung unter Präsident Abdoulaye Wade (2000-
    an. 2017 hatte das Bergbauministerium 21                    2012) reformierte das Bergbaugesetz mit dem
    Bergbaukonzessionen (concessions minière) und               erklärten Ziel, ausländische Investoren anzuwerben.
    drei Abbaugenehmigungen (permis d’exploitation)             Wade führte Steuervorteile und Zollbefreiungen für
    vergeben.2 13 davon stellte das Bergbauministerium          Bergbauunternehmen ein und setzte eine Abgabe
    im Zeitraum zwischen 2000 und 2017 aus. Bis                 auf das geförderte Metall oder Mineral von lediglich
    2017 vergab es zusätzlich 79 Erkundungslizenzen,            drei Prozent fest (Code Minier, Gesetz Nr. 2003-
    davon 39 für Gold und 24 für Phosphate (EITI                36, 24.11.2003). Der 2012 neu gewählte Präsident
    2018). 2018 gab es zwölf produzierende Minen.               Macky Sall verabschiedete im November 2016 ein
    Tabelle 2 im Anhang gibt einen Überblick über               überarbeitetes Bergbaugesetz. Es schreibt unter
    die im Senegal aktiven Bergbauunternehmen. Die              anderem die Erhöhung der Bergbauabgaben auf
    wichtigsten Rohstoffe, die im Senegal abgebaut              fünf Prozent und eine stärkere Beteiligung der
    werden, sind Phosphat und Gold. Der Goldabbau               betroffenen Gemeinden an den erzielten Einnahmen
    findet in der Region Kédougou statt. Dort gab               vor (Code Minier, Gesetz Nr. 2016-32, 08.11.2016).
    es 2018 zwei produzierende Goldminen, eine                  Dafür soll ein Ausgleichsfond (fonds de péréquation)
    weitere Abbaugenehmigung für Gold wurde                     eingerichtet werden. Sämtliche Konzessionen, die
    2017 erteilt. Der Phosphatabbau konzentriert                noch unter dem alten Bergbaugesetz verhandelt
    sich in den Regionen Thiès und Matam. 2017                  wurden, bleiben jedoch zu den alten Konditionen
    machten die extraktiven Industrien 35,5 Prozent             bestehen. Auch wenn die aktuelle Regierung die
    der Gesamtexporte des Senegals aus (EITI 2018: 9).          Abgaben für Bergbauunternehmen erhöht hat,
    Gold ist davon mit einem Anteil von 14 Prozent an           bleibt die Ausweitung des industriellen Bergbaus
    den Gesamtexporten das wichtigste Exportgut des             erklärtes Ziel der Regierung und bildet eine der
    Landes (EITI 2018: 78).                                     zentralen wirtschaftlichen Säulen des nationalen
    Während der Phosphatabbau im Senegal                        Entwicklungsplans (République du Sénégal 2014).
    bereits in den 1940er Jahren begann, eröffnete              Vorangetrieben durch zivilgesellschaftlichen Druck,
    die erste Goldmine erst 2009. Anreize für die               insbesondere der Koalition Publish What You Pay,
    Expansion des Goldbergbaus im Senegal bot                   ist der Senegal seit 2013 außerdem Mitglied der
    der im Zusammenhang mit der Finanzkrise stark               Extractive Industry Transparency Initiative (Initiative
    gestiegene Goldpreis. 2005 lag der Preis für eine           für Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor,
    Unze Gold noch bei etwa 300 Euro. 2011 und 2012             EITI).
    erzielte eine Unze Höchstpreise von knapp 1.400             Parallel zu dem Anstieg der Investitionen in den
                                                                industriellen Bergbau kam es im Senegal auch
    2 Eine permis d’exploitation erlaubt die Förderung          zu einer starken Zunahme des handwerklichen
    von Mineralien, Metallen oder Baumaterialen. Die
    Genehmigung ist maximal fünf Jahre lang gültig und
                                                                Goldbergbaus. Gold wird in der Region Kédougou
    muss dann alle fünf Jahre verlängert werden. Eine           bereits seit vorkolonialer Zeit handwerklich
    Bergbaukonzession (concession minière) kann im Senegal      abgebaut (Niang 2014). In den letzten 15
    für einen Zeitraum von fünf bis 25 Jahren ausgestellt und
                                                                Jahren migrierten jedoch zusätzliche tausende
    um bis zu 25 Jahren verlängert werden, bis das Depot
    erschöpft ist.                                              handwerkliche       Goldgräber*innen      aus      den

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GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019

                                                           und Militär sämtliche großen handwerkliche
                                                           Abbaustätten zu schließen (Barro 16.05.2014).
                                                           Die Umstrukturierung des handwerklichen
                                                           Goldbergbaus sieht vor, dass dieser nur noch in
                                                           vom Bergbauministerium festgelegten Korridoren
                                                           stattfinden soll, die nicht in Konkurrenz zu
                                                           den industriellen Förderkonzessionen stehen
                                                           (Arrêté 009249/MEM/DMG, 14.06.2013). Jede*r
                                                           handwerkliche Goldgräber*in muss sich registrieren
                                                           lassen und eine Schürfgenehmigung für einen
                                                           bestimmten Ort erwerben. Jedoch können nur
                                                           senegalesische Staatsbürger*innen diese erhalten.
                                                           Das Bergbauministerium wies 2015 19 Korridore
                                                           in den Regionen Kédougou und Tambacounda
                                                           für den handwerklichen Bergbau aus (Arrêté Nr.
                                                           535, MIM/SRMG/KDG, 04.06.2015). Ende Februar
                                                           2015 wurden die handwerklichen Abbaustätten,
                                                           die sich innerhalb der Korridore befanden, offiziell
                                                           wiedereröffnet. Es findet jedoch weiterhin ein
Explorationsarbeiten in Kedougou (Foto: Louisa Prause)     großer Teil des handwerklichen Goldbergbaus
                                                           informell statt.
Nachbarstaaten nach Kédougou, um dort nach
Gold zu suchen. Dies lässt sich insbesondere über
den Anstieg des Goldpreises sowie die fehlende
staatliche Regulierung erklären (Gerson et al. 2018).
Genaue Zahlen darüber, wie viele Menschen auf
der Suche nach Gold in die Region gekommen sind,
gibt es nicht. Bekannt ist jedoch, dass viele der in
der Region lebenden Menschen den Schwerpunkt
ihrer ökonomischen Aktivitäten ebenfalls von
der Landwirtschaft auf den handwerklichen
Goldbergbau verlagert haben (Persaud et al. 2017).
Schätzungen zufolge wird mittlerweile deutlich
mehr der Haushaltseinkommen im ländlichen
Raum Kédougous durch den handwerklichen Gold-
bergbau erwirtschaftet als durch die Landwirtschaft
(Doucouré 2014; Persaud et al. 2017). Seit Mitte
der 2000er Jahre werden im handwerklichen
Goldbergbau in Kédougou zunehmend moderne
Technologien, wie Golddetektoren, Pumpen
und Chemikalien, insbesondere Quecksilber und
Zyanid, eingesetzt (Diallo et al. 2016). Seit 2013
versucht die senegalesische Regierung verstärkt
den handwerklichen Goldbergbau zu formalisieren.
Im Mai 2014 begann sie unter Einsatz von Polizei

                                                                                                                  6
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL

     4       KONFLIKTE UM AGRARINDUSTRIELLE UND
             BERGBAUPROJEKTE IM SENEGAL
    Die Ausweitung der agrarindustriellen Produktion          4.1 Das Senhuile-Projekt
    und die damit einhergehende Aneignung von
    Land durch ausländische Investoren ist im Senegal         2011 versuchte das Unternehmen Senhuile,
    stark um-stritten. In der Vergangenheit kam               damals noch unter dem Namen Senethanol SA,
    es zu mehreren offenen Protesten von lokalen              20.000 Hektar Land in der Gemeinde Fanaye im
    Landnutzer*innen, oftmals unterstützt durch               Norden des Senegals zu pachten (CRAFS et al.
    zivilgesellschaftliche Akteure, gegen die Aneignung       2013). Das Unternehmen unterzeichnete einen
    von Land durch Investoren (für einen Überblick            Vertrag über 300 Hektar sowie ein Protokoll,
    siehe enda pronat 2015). Die Konflikte entzündeten        in dem der Präsident des Gemeinderats seine
    sich meist daran, dass lokale Landnutzer*innen,           Absicht erklärte, weitere 20.000 Hektar an das
    entweder         kleinbäuerliche       Landwirt*innen     Unternehmen vergeben zu wollen (ActionAid
    oder      nomadische       und      semi-nomadische       2014). Senhuile hatte zwar bereits begonnen, Teile
    Viehzüchter*innen, ihren Zugang zu Land an den            des Landes zu roden. Als es am 26. Oktober 2011
    Investor zu verlieren drohten. Zuletzt protestierten      zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen
    beispielsweise die Anwohner*innen der Gemeinde            Befürworter*innen und Gegner*innen des Projektes
    Dodel 2017 erfolgreich gegen die Vergabe von              kam, hatte die Produktion allerdings noch nicht mit
    10.000 Hektar an einen marokkanischen Investor.           begonnen,. Dabei starben zwei Menschen (CRAFS
    Auch im Umfeld industrieller Minen kam es zu              et al. 2013). Diese Ausschreitungen waren der
    Konflikten. Anwohner*innen der Gemeinde                   Anlass für den damaligen Präsidenten Abdoualye
    Diogo protestierten beispielsweise gegen das              Wade, das Projekt in der Gemeinde Fanaye vorläufig
    Unternehmen Grand Côte Operations (für einen              zu stoppen.
    Überblick siehe EJ Atlas 2019). Die am stärksten          Anfang 2012 verpachtete Wade jedoch mittels
    umkämpften Projekte der vergangenen Jahre                 zweier Dekrete 20.000 Hektar Land für 50 Jahre im
    waren das agrarindustrielle Senhuile-Projekt und          ehemaligen Natur- und Waldschutzgebiet Ndiael
    die Sabodala-Goldmine. Anhand dieser beiden Fälle         an Senhuile (Dekret 2012-366 und Dekret 2012-
    zeige ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede            367, beide 20.03.2012). Dazu hob der Präsident
    von Konflikten um agrarindustrielle Projekte und          den Status des Landes als geschützter Wald (forêt
    industrielle Minen im Senegal auf. Im Folgenden           classé) auf. Aufgrund dieses Status war zuvor in
    stelle ich die jeweiligen Landaneignungen kurz vor        dem Reservat jegliche landwirtschaftliche Aktivität
    und erläutere, welche Akteure in den Konflikten aktiv     verboten und lediglich nomadische Viehzucht
    wurden, was ihre zentralen Forderungen waren,             erlaubt gewesen. Der neue Präsident Macky Sall,
    welche Protestformen sie nutzten und welche               der 2012 sein Amt antrat, setzte die Dekrete im April
    Narrative sie konstruierten. Abschließend diskutiere      2012 kurzzeitig aus (Dekret 2012-448), bestätigte
    ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede                  sie aber im Anschluss wieder. Die 20.000 Hektar
    sowie      Potenziale     und     Herausforderungen       befinden sich in den drei Gemeinden Ronkh, Diama
    für     sektorübergreifende      zivilgesellschaftliche   und Gnith; der mit Abstand größte Teil liegt in der
    Bündnisse.                                                Gemeinde Gnith.
                                                              Hinter dem Unternehmen Senhuile verbergen
                                                              sich das Unternehmen Senethanol SA sowie die

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GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019

italienische Tampieri
Financial Group. Nachdem
sich herausstellte, dass
der ursprünglich geplante
Anbau von Sonnenblumen
für die Produktion von Öl
auf dem Gebiet nicht
möglich      ist,   änderte
Senhuile seine Strategie
und produziert seit 2014
Reis, Mais und Erdnüsse
für den lokalen Markt.
Die          Reisproduktion
vermarktet das Unter-
nehmen als Teil des
Entwicklungsprogramms
autosuffisance     en    riz                                          Dorf im Reservat Ndiael (Foto: Louisa Prause)
(Selbstversorgung mit Reis) der senegalesischen          wurde, organisierten sich die betroffenen
Regierung, welches das Ziel verfolgt, den                Landnutzer*innen auch dort in einem Kollektiv, dem
Reisbedarf ohne die bislang hohen Importe zu             Collectif pour la défense de Ndiael. In diesem sind
decken. Das Unternehmen hat bereits etwa 5.000-          überwiegend die Anwohner*innen der 37 Dörfer
7.000 Hektar des Gebiets gerodet (ActionAid              organisiert, die sich auf dem Gebiet befinden, das
2014). 2015 verkleinerte Senhuile das gepachtete         der Präsident im Ndiael an Senhuile vergeben hat.
Land auf 10.000 Hektar. Im April 2016 informierte        Auch hier handelt es sich überwiegend um semi-
der Geschäftsführer der Tampieri Financial Group         nomadische Viehzüchter*innen, die das Land zuvor
Giovanni Tampieri in einem Interview jedoch              genutzt haben. Ihren Protesten schlossen sich
darüber, dass erst 1.500 Hektar bestellt seien           auch kleinbäuerliche Landwirt*innen an. In der
(farmlandgrab.org 2016). 2017 berichtete das             Gemeinde Gnith, in der ein Großteil der vergebenen
Internetportal NdarInfo, dass die Tampieri Financial     20.000 Hektar liegen, gibt es kein brachliegendes
Group ihre Anteile an dem Unternehmen an den             Land mehr. Beim Gemeinderat liegen mehr 2.000
senegalesischen Teilhaber von Senhuile, Gora Seck,       Nutzungsanfragen für Land vor (Interviews,
abgetreten hätte (Ndar.info 10.05.2017).                 Gemeinderat Gnith, 16.03.2015 und 28.04.2016,
                                                         Gnith). Auch viele Bauern und Bäuerinnen in der
4.1.1 Protestakteure im Kampf gegen                      Gegend hatten daher ein Interesse daran, dass das
das Senhuile-Projekt                                     Land nicht an ein agrarindustrielles Unternehmen
Von Beginn an gab es starke Widerstände gegen            vergeben wird. Die beiden Kollektive werden
das Senhuile-Projekt. In Fanaye organisierten sich       von dem zivilgesellschaftlichen Netzwerk Cadre
die betroffenen Landnutzer*innen im Collectif            de Réflexion et d‘Action sur le Foncier au Sénégal,
pour la défense de la terre de Fanaye, um gegen die      (Reflexions- und Aktionsrahmen zu Land und der
Landvergabe an Senhuile vorzugehen. Dies waren           Landreform im Senegal, CRAFS) unterstützt. CRAFS
überwiegend semi-nomadische Viehzüchter*innen.           gründete sich am 28. April 2011. Die Gründung des
Das an Senhuile vergebene Land befand sich in            Netzwerkes war eine Reaktion der Zivilgesellschaft
einem Gebiet, das zuvor fast ausschließlich              auf die von der Regierung Abdoulaye Wades (2000-
als Weideland genutzt wurde. Nachdem das                 2012) initiierte Landreform und auf die Zunahme von
Senhuile-Projekt in den Ndiael umgesiedelt               Landaneignungen im Senegal durch internationale

                                                                                                                      8
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL

    Workshop zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Landrechtsreform (Foto: Louisa Prause)

    und nationale Investoren. CRAFS kämpft für eine                  Nutzung sind die Mitgliedsorganisationen von
    partizipative Landreform, die der klein-bäuerlichen              CRAFS zentrale Protestakteure und unterstützen die
    Landwirtschaft zugutekommen soll, und unterstützt                lokalen Landnutzer*innen.
    lokale Gemeinden in ihrem Widerstand gegen
    land grabbing. Das Netzwerk umfasst heute etwa                   4.1.2 Zentrale Forderungen der
    20 Organisationen.3 Dazu gehören lokale Protest-                 Protestakteure
    akteure in Form von Zusammenschlüssen der                        Die von dem Senhuile-Projekt betroffenen
    von land grabbing betroffenen Landnutzer*innen                   Anwohner*innen in Fanaye und dem Ndiael
    ebenso       wie     nationale      Organisationen,              befürchten vor allem, dass ihnen das Projekt
    überwiegend NGOs und Think-Tanks sowie der                       den Platz für die von ihnen betriebene semi-
    nationale Bäuerinnen- und Bauernverband                          nomadische Viehwirtschaft nehmen wird und
    (Conseil National de Concertation et de coopération              so ihre ökonomische Lebensgrundlage zerstört
    des Ruraux, Nationaler Rat der Zusammenarbeit                    (Mémorandum du Collectif pour la Défense des Terres
    und Kooperation der ländlichen Bevölkerung,                      de Fanaye, 24.11.2011; Lettre au Président de la
    CNCR). Der CNCR vertritt die Interessen der                      République du Sénégal à propos du Ndiael, Collectif
    Kleinbauern- und bäuerinnen, Viehzüchter*innen                   Ndiael, 08.02.2014). Die Protestkoalition CRAFS
    und Fischer*innen, die der Verband unter dem                     formulierte ausgehend von dieser Wahrnehmung
    Label „ländliche Produzent*innen“ zusammenfasst                  der negativen Auswirkungen des Senhuile-
    (CNCR 2018). Darüber hinaus sind einige regionale,               Projekts auf die ökonomische Lebensgrundlage
    in Westafrika aktive Organisationen, sowie die                   der Anwohner*innen eine klare Forderung: Den
    nationalen Sektionen internationaler NGOs Teil                   sofortige Stopp des Projektes und die Rückgabe
    des Bündnisses. Nicht nur im Konflikt um das                     des Landes an die lokale Bevölkerung (enda pronat
    Senhuile-Projekt, auch in anderen Konflikten um                  2015: 57-59). Nach dem Umzug des Projektes in
    die Aneignung von Land für die agrarindustrielle                 den Ndiael zielte die Forderung nicht mehr darauf
                                                                     ab, den Status Quo aufrechtzuerhalten. Stattdessen
    3 Ein Überblick über die Mitgliedsorganisationen von
                                                                     forderten die Protestakteure nun, das zuvor unter
    CRAFS findet sich in Tabelle 3 im Anhang.

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GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019

Schutz stehende Waldreservat dauerhaft für               zu blockieren. Bei diesem Versuch kam es zu
die landwirtschaftliche Nutzung zu öffnen und            gewaltsamen Ausschreitungen, bei denen zwei
das Land an die Anwohner*innen des Ndiael zu             Menschen starben und mehr als 20 verletzt wurden
verteilen (Fokusgruppe, Mitglieder des Collectif         (Bagnoli et al. 2015). Sowohl in Fanaye als auch im
Ndiael, Thiamène, 16.03.2015).                           Ndiael griffen die Landnutzer*innen Arbeiter*innen
Als der Kampf gegen das Senhuile-Projekt noch            von Senhuile an, als diese versuchten, das Land zu
in der Gemeinde Fanaye stattfand, richtete die           roden. Außerdem blockierten sie deren Maschinen
Protestkoalition ihre Forderungen primär an den          (Koopman 2012; Agence de Presse Sénégalaise
Gemeinderat von Fanaye (enda pronat 2015: 57-59).        01.11.2012; Sylla 02.11.2012). Im Ndiael kam es
In zweiter Instanz wandte sich CRAFS auch an den         darüber hinaus zu einer kollektiven und gezielten
Präsidenten der Republik, der sich Ende 2011 und         Sabotageaktion der Maschinen von Senhuile
Anfang 2012 gerade im Wahlkampf befand. Nach             (Ngom Damel 13.03.2013). Die Anwohner*innen
dem Umzug des Projekts in das Reservat Ndiael            verweigerten zudem zu verschiedenen Zeitpunkten
richteten die Protestakteure die Forderungen dann        die Kommunikation mit dem Unternehmen,
fast ausschließlich an den Präsidenten der Republik      beispielsweise als die Beauftragte für Corporate
beziehungsweise seine regierenden Minister*innen.        Social Responsibility (CSR) Daten über die Dörfer
CRAFS kritisierte die fehlende Mitbestimmung der         sammeln wollte, oder im Rahmen der Umwelt- und
Gemeinderäte und der Anwohner*innen bei der              Sozialverträglichkeitsprüfung (ActionAid 2014).
Vergabe des Landes. Auch wenn die Regierung              Mitglieder der Kollektive in Fanaye und Ndiael
formal das Recht hatte, das Land im Ndiael ohne          ließen sich zudem bei den Gemeinderatswahlen
Zustimmung des Gemeinderats an Senhuile zu               als Kandidat*innen aufstellen (Interview, CNCR,
vergeben, kritisierte die Protestkoalition, dass die     04.02.2015, Dakar).
lokale Bevölkerung einer solch großen Aneignung          CRAFS organisierte darüber hinaus Proteste
von Land zustimmen müsse (ActionAid 2014).               auf nationaler und internationaler Ebene, u.a.
CRAFS kämpft im Konflikt um das Senhuile-Projekt         eine erfolgreiche nationale und internationale
auch dafür, dass Kontrolle über die Vergabe von          Öffentlichkeitskampagne.        Diese      umfasste
Land bei den lokalen Gemeinden liegen solle. Diese       die Veröffentlichung von offenen Briefen,
Forderung richtete CRAFS auch an die nationale           Memoranden, Videodokumentationen, einem Rap-
Regierung und die Landrechtsreformkommission.            Song und Pressearbeit (Sall/Diallo 2013; Hopsort
Nach seiner Wahl zum Präsidenten im Jahr 2012            2014; enda pronat 2015). Mithilfe internationaler
hatte sich Macky Sall bemüht, die von seinem             Partnerorganisationen wie Re:Common, Peuple
Vorgänger begonnenen Verhandlungen zu einer              Solidaire, SOS Faim, GRAIN und dem Oakland
Reform des Landrechts wiederaufzunehmen.                 Institute schafften sie es, den Fall Senhuile auch
                                                         in Europa bekannt zu machen. Verschiedene
4.1.3 Protestformen im Konflikt um das                   internationale NGOs veröffentlichten gemeinsam
Senhuile-Projekt                                         mit CRAFS Berichte. Zudem starteten sie eine
Im Konflikt um das Senhuile-Projekt nutzten              Onlinepetition, in der sie das Ende des Projektes
die lokalen Landnutzer*innen sowie CRAFS                 forderten (CRAFS et al. 2013; CRAFS et al. 2014).
unterschiedliche Formen des Protests. Diese lassen       CRAFS unterstützte die Anwohner*innen bei
sich in konfrontative und konventionelle Protest-        der Organisierung und bei der Beschaffung
formen unterscheiden. In Fanaye organisierte die         von Informationen über das Projekt und bezog
Protestkoalition angemeldete und unangemeldete           die Mitglieder der Kollektive zudem eng in die
Demonstrationen (Koopman 2012; enda pronat               Workshops zur anstehenden Landreform mit ein.
2015 ). Zudem versuchten Gegner*innen des                Im Februar und März 2016 organisierte CRAFS mit
Projektes eine Sitzung des Gemeinderates                 zahlreichen internationalen Partnerorganisationen

                                                                                                               10
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL

     eine Karawane durch Westafrika, die unter anderem     legitimieren und um Unterstützung für ihren Protest
     auch im Ndiael Halt machte. Von dort aus zogen sie    zu gewinnen, schließen die Protestakteure an dieses
     gemeinsam mit dem Collectif Ndiael nach Dakar,        von der Regierung formuliertes Entwicklungsziel an
     um Macky Sall in seiner Funktion als Präsidenten      (Prause 2019).
     der Economic Community of West African States
     (Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen        4.2 Die Sabodala-Goldmine
     Staaten, ECOWAS) eine Petition zu überreichen
     (Faye 26.02.2016).                                    Die Sabodala-Goldmine war die erste industrielle
                                                           Goldmine im Senegal. Sie nahm im März 2009 ihre
     4.1.4 Narrative im Konflikt um das                    Produktion auf (Teranga Gold Corporation 2012:
     Senhuile-Projekt                                      5). Bis 2010 gehörte die Mine dem australischen
     CRAFS und die Kollektive entwickelten ein             Unternehmen Mineral Deposits Limited (MDL),
     Narrativ, also eine Erzählung und Darstellung         das am 09. Juni 2005 die Genehmigung für
     ihres Protests, die diesen erklärt und legitimiert,   den Goldabbau erhielt (Dekret 2005-520,
     um so die Unterstützung der Medien und                09.06.2005). Diese wurde zwei Jahre später in
     Entscheidungsträger*innen zu erlangen. Sie stellten   eine Bergbaukonzession umgewandelt (Dekret
     den Verlust des Landes und die damit verbundene       2007-564, 30.04.2007), die bis 2022 gilt. MDL
     Gefahr für die Ernährungssicherheit der lokalen       gründete für die Goldförderung im Senegal zwei
     Landnutzer*innen als zentrales Problem heraus         Tochterunternehmen: Sabodala Gold Operations
     (Mémorandum du Collectif pour la Défense des Terres   (SGO) – zuständig für die Förderung und den Betrieb
     de Fanaye, 24.11.2011; Lettre au Président de la      der Mine – und die Sabodala Mining Company (SMC)
     République du Sénégal à propos du Ndiael, Collectif   – zuständig für die Explorationsaktivitäten. Beide
     Ndiael, 08.02.2014; Weltfriedensdienst/enda pronat    Firmen verkaufte MDL im November 2010 an die
     2015). Darüber hinaus argumentierten sie, das         kanadische Firma TGO. SGO gehört zu 90 Prozent
     Senhuile-Projekt sei unproduktiv. Sie verwiesen       TGO und zu 10 Prozent dem senegalesischen Staat.
     darauf, wie schlecht das Unternehmen gemanagt         SMC ist zu 100 Prozent in Besitz von TGO (Teranga
     werde, wie wenig Hektar erst bebaut wurden            Gold Corporation 2012: 5).
     und dass die Produktivität von Kleinbauern und        2013 übernahm TGO das Unternehmen Oromin Joint
     -bäuerinnen pro Hektar höher sei als die des          Venture Explorations Ltd. und damit die Golouma-
     Unternehmens. Sie stellten Senhuile daher als eine    Konzession (Teranga Gold Corporation 2013).
     Gefahr für das von der Regierung ausgegebene          Die Golouma-Konzession umfasst ein Gebiet von
     Entwicklungsziel der Selbstversorgung des             21.260 Hektar und befindet sich in unmittelbarer
     Senegals mit Nahrungsmitteln, insbesondere            Nachbarschaft zum bisherigen Abbaugebiet von
     mit Reis, dar (Prause 2015). Senegal ist in hohem     TGO (Dekret 2010-83, 26.01.2010). TGO verfügte
     Maße von Nahrungsmittelimporten abhängig.             2018 über ein Konzessionsgebiet von 29.100 Hektar
     In der Vergangenheit hat dies wiederholt zu           und Explorationslizenzen für über 62.900 Hektar.
     starken Schwankungen der Lebensmittelpreise           Von 2013 bis 2017 umfasste die Produktion der
     geführt. So stieg zwischen Mitte 2007 und Mitte       Mine fünf bis sechseinhalb Tonnen Gold pro Jahr
     2008 der Preis von Reis im Senegal um 112             (Teranga Gold Corporation 2017a). TGO beschäftigte
     Prozent an. Als Reaktion darauf kam es 2008 zu        2016 etwa 1.050 Angestellte, 90 Prozent davon
     spontanen Aufständen (food riots) und Protesten       sind Senegales*innen (Teranga Gold Corporation
     (Berazneva/Lee 2013). Seit Jahren bemüht sich die     09.08.2017).
     senegalesische Regierung, die Abhängigkeit des        Seit Beginn der Produktion benötigt die Mine immer
     Landes von Nahrungsmittelimporten zu verringern.      mehr Land von den umliegenden Gemeinden. 2011
     Um ihren Kampf gegen das Senhuile-Projekt zu          wurde das kleine Dorf Dambankhoto umgesiedelt,

11
GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019

um Platz für einen Staudamm zu schaffen. 2012                     dem Minister hätten sich die Anwohner*innen
baute TGO die Kapazitäten seiner Gesteinsmühle                    von Sabodala mittlerweile für eine Umsiedlung
aus und benötigte weitere 400 Hektar Land, um eine                ausgesprochen (tambacounda.info 21.04.2018).
neue Abraumhalde einzurichten. Das Land wurde                     Im Jahr 2015 begann TGO darüber hinaus sein
bis dato von Anwohner*innen der Dörfer Bransan,                   erstes Satellitendepot, das Gora-Depot, auf der
Medina Bransan, Sabodala, Faloumbou und                           ehemaligen Golouma-Konzession zu entwickeln.
Dambankhoto genutzt (Teranga Gold Corporation                     Im März und April 2015 wurde die Sozial-
2013: 42). 2013 nahm TGO unterstützt von der                      und Umweltverträglichkeitsprüfung für den
Regierung Verhandlungen mit Anwohner*innen                        Abbau des Depots erfolgreich abgeschlossen.
von Sabodala auf, um Explorationsarbeiten an                      Anwohner*innen der Dörfer Diakhaling, Kobokhoto,
dem Niakafiri-Depot zu beginnen. Das Depot liegt                  Keniekeniebanding, Tourokhoto, Djegoune and
direkt unter dem Dorf Sabodala, dem mit ca. 2.000                 Broumbroum, die rund um Gora liegen, protestierten
Einwohner*innen und 600 Haushalten größten                        wiederholt gegen den Abbau des Satellitendepots,
Dorf in direkter Umgebung der Mine (Teranga                       da dieser die Schließung der handwerklichen
Gold Corporation 2011; Teranga Gold Corporation                   Abbaustätte auf dem Gebiet bedeutete (Dabo
2017b). Ein Abbau des Niakafiri-Depots ist nur                    13.03.2015). Im Juli 2015 begann TGO mit dem
möglich, wenn das Dorf Sabodala umgesiedelt                       Goldabbau in Gora (Teranga Gold Corporation 2015:
wird. Verhandlungen über eine Umsiedlung wurden                   17).
im August 2015 aufgenommen (Agence de Presse                      Proteste gegen die Mine gab es bereits, bevor die
Sénégalaise 09.09.2015). Vertreter*innen des Dorfes               Produktion begonnen hatte, vor allem, weil die
brachen diese jedoch kurz darauf wieder ab und                    lokale Bevölkerung das Gefühl hatte, nicht von
lehnten die Umsiedlung ab (Interview, Dorfältester,               der Mine zu profitieren, etwa durch die Schaffung
Sabodala, 09.04.2016). Im April 2018 kündigte                     von Arbeitsplätzen. Schon 2007 errichteten
der Bergbauminister an, dass ein neuer Standort                   Anwohner*innen aus den umliegenden Dörfern
für das Dorf Sabodala gefunden sei und mit der                    Straßenblockaden, da sie mit der Vergabe der
Konstruktion neuer Häuser begonnen würde. Laut                    Arbeitsplätze durch das Unternehmen unzufrieden

Handwerkliche Goldabbaustätte in Kédougou (Foto: Louisa Prause)

                                                                                                                       12
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL

     waren (Diaw 30.11.2007; Niang 2012: 162). Ein Jahr      geringen Umfang die semi-nomadische Viehzucht.
     später, im Dezember 2008, protestierten Studierende     Der handwerkliche Bergbau hat hierbei in den
     und Anwohner*innen in der Stadt Kédougou gegen          letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen.
     die fehlende Beteiligung der lokalen Bevölkerung        Zwei internationale NGOs unterstützen ins-
     an den Gewinnen der Mine. Dabei kam es auch zu          besondere die Arbeit von La Lumière und
     Angriffen auf die Préfecture (Tambacounda.info          führen selbst Kampagnen im Senegal durch:
     23.12.2008). Bei Auseinandersetzungen mit den           Amnesty International und Oxfam. Oxfam hat
     Sicherheitskräften starben zwei Menschen, mehrere       im Senegal die Gründung der Koalition Publish
     wurden verletzt und etwa 25 Protestierende              What You Pay vorangetrieben. Die Koalition ist
     verhaftet (Tamba 11.01.2009). Zuletzt protest-          Teil eines internationalen von Oxfam ins Leben
     ierten die Anwohner*innen 20014 und 2016                gerufenen Netzwerks, das sich für Transparenz
     gegen die Schließung zweier handwerklicher              und Umweltschutz im Bergbausektor sowie
     Goldabbaustätten, die auf dem Konzessionsgebiet         einen fairen Transfer der Bergbauabgaben an die
     von TGO lagen (Pressafrik.com 20.05.2014; Barro         betroffenen lokalen Gemeinden einsetzt (Publish-
     16.05.2014; Tamba 17.02.2016; Diop 22.02.2016).         what-you-pay 2017). Der Koalition gehören 25
                                                             zivilgesellschaftliche Organisationen im Senegal
     4.2.1 Die Protestakteure                                an.4 Vorsitzender ist der Präsident der NGO La
     Anders als im Agrarsektor sind die zivil-               Lumière. Darüber hinaus initiierte La Lumière die
     gesellschaftlichen Akteure, die im Konflikt um          Gründung eines journalistischen Netzwerkes zu
     die Sabodala-Goldmine aktiv sind, noch recht            extraktiven Industrien, das Réseau National de la
     jung. Alle drei nationalen NGOs, die sich mit dem       Presse sur l‘Industrie Extractive.
     Thema befassen, gründeten sich erst zu Beginn
     oder Mitte der 2000er Jahre. Dabei handelt es sich      4.2.2 Die Forderungen im Konflikt um
     um Solidarité, Action, Développement (Solidarität,      die Sabodala-Goldmine
     Aktion, Entwicklung, SADEV), Kédougou Orientation       Die Forderungen der Protestakteure im Konflikt
     Humain (Kédougou Ausrichtung auf die Menschen,          um die Sabodala-Goldmine sind vielfältiger als im
     KEOH) und La Lumière (Das Licht). Letztere ist die      Konflikt um das Senhuile-Projekt. Sie umfassen die
     einflussreichste NGO im Bergbausektor im Senegal.       Sicherung des Zugangs der lokalen Bevölkerung zu
     La Lumière arbeitet seit Beginn der Arbeiten an der     ihren handwerklichen Goldabbaustätten (Fokus-
     Sabodala-Goldmine in Kédougou mit den von der           gruppen, Anwohner*innen der Dörfer Sabodala
     Mine betroffenen Dörfern zusammen.                      und Faloumbou, Sabodala, Faloumbou; beide
     Vor Ort wird der Protest gegen die Sabodala-            09.04.2016), den Schutz kulturell bedeutsamer
     Goldmine von den betroffenen Anwohner*innen             Orte, insbesondere von Friedhöfen und religiösen
     geführt, insbesondere von Einwohner*innen der           Stätten (Tamba 16.01.2012; Tamba 15.05.2013),
     Dörfer Sabodala, Faloumbou und Dambankhoto.             sowie mehr Arbeitsplätze für ungelernte
     Seit das Satellitendepot Gora entwickelt wird, sind     Arbeiter*innen und deren Besetzung mit lokalen
     auch Anwohner*innen des Dorfes Diakhaline sowie         Arbeitskräften (Fokusgruppen, Anwohner*innen
     fünf weiterer kleinerer Dörfer in dem Konflikt aktiv.   der Dörfer Sabodala und Faloumbou, Sabodala,
     Die Dörfer um die Abbaustätte Gora haben ein loses      Faloumbou, beide 09.04.2016). Die Anwohner*innen
     Netzwerk gebildet und einen Sprecher ernannt. Die       des Dorfes Sabodala kämpfen zudem gegen die
     Dörfer Sabodala, Faloumbou und Dambankhoto              Umsiedlung ihres Dorfes, wobei sie darin von den in
     werden vor allem durch ihren jeweiligen chef de         dem Konflikt aktiven NGOs nur eingeschränkt unter-
     village vertreten. Zentrale ökonomische Aktivitäten
                                                             4 Für eine Übersicht über die Mitgliedsorganisationen von
     in diesen Dörfern sind der handwerkliche Bergbau,
                                                             Publish what you pay Senegal, siehe https://www.pwyp.
     kleinbäuerliche Landwirtschaft sowie in einem           org/pwyp_members/senegal/ (Zugriff am 29.01.2019)

13
GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019

stützt werden. Gemeinsam mit den involvierten             kam. Die lokalen Gemeinschaften organisierten
NGOs fordern sie bessere Entschädigungen für              mehrfach Blockaden der Zufahrtsstraßen zur
verlorenes landwirtschaftlich genutztes Land. Ihre        Mine und zum Satellitendepot Gora (Diallo 2009:
Forderungen beziehen sich sowohl
auf monetäre Kompensationen als
auch auf die Größe und Qualität
der von TGO als Alternative zur
Verfügung       gestellten    Flächen
(Fokusgruppen,       Anwohner*innen
der Dörfer Sabodala und Faloumbou,
Sabodala,       Faloumbou;      beide
09.04.2016; Interview, La Lumière,
Tambacounda, 06.03.2015). Die
Protestakteure fordern eine bessere
Kontrolle der Umweltrisiken und
-schäden sowie einen Fonds, der die
Renaturierung des Tagebaugebietes             Bei Protesten abgebranntes Auto der Sous-Préfecture (Foto:Louisa Prause)
nach dem Ende des Abbaus finanziell
sicherstellt (Interview, NGO, Tambacounda,                5; Tamba 17.02.2016). Um die Erkundung des
06.03.2015). Außerdem setzen sie sich für eine            Niakafiri-Depots zu verhindern, verwehrten sie
Verbesserung und Ausweitung der im Sinne                  den Arbeiter*innen der Mine den Zugang zum
der Unternehmensverantwortung                             Dorf und dem Friedhof (Faye 30.07.2013; Interview,
durchgeführten        Entwicklungsprojekte     ein        Service Régional d‘Appui au Dévéloppment local,
(Interview, NGO, Dakar, 27.02.2015; Interview,            03.03.2015, Kédougou). Zu mehreren Zeitpunkten
NGO, Tambacounda, 06.03.2015). Auf nationaler             griffen sie Verwaltungsgebäude wie die Préfécture
Ebene forderten die zivilgesellschaftlichen               oder die Sous-Préfécture an, etwa bei den Aus-
Akteure im Zusammenhang mit der Reform des                einandersetzungen 2016 um die Schließung einer
Bergbaugesetzes 2016 eine höhere finanzielle              handwerklichen Abbaustätte des Dorfes Khossanto
Beteiligung und Mitbestimmung der Gemeinden               (Diop 22.02.2016). Vertreter*innen der lokalen
an den Bergbauabgaben (Publish-what-you-pay               Gemeinden verweigerten die Kommunikation mit
Senegal 04.03.2015). Ihre Forderungen richten             TGO und boykottierten öffentliche Verhandlungen
die Protestakteure sowohl an das Unternehmen              und Anhörungen im Rahmen der Umwelt- und
als auch an die nationale Regierung bzw. deren            Sozialverträglichkeitsprüfung.
Vertreter in Form des Préfét und Sous-Préfét.             Wie auch im Konflikt um das Senhuile-Projekt
                                                          nutzten vor allem die lokalen Landnutzer*innen
4.2.3 Die Protestformen im Konflikt um                    die konfrontativen Protestformen. Dies geschah
die Sabodala-Goldmine                                     oftmals als Reaktion auf den Verlust handwerklicher
Die lokalen Gemeinden und ihre zivil-                     Goldabbaustätten wie 2015 in Gora und 2016 in
gesellschaftlichen Verbündeten nutzten vielfältige        Sabodala oder als Reaktion auf die Gefährdung
konfrontative und konventionelle Formen des               oder Beschädigung religiöser Orte wie des
Protests. Um ihren Forderungen Nachdruck                  Friedhofs von Sabodala 2007. Die involvierten
zu verleihen, nahmen sie an unangemeldeten                zivilgesellschaftlichen      Akteure        organisierten
Demonstrationen wie 2008 in Kédougou oder 2016            vorwiegend         konventionelle         Protestformen.
in Sabodala teil, wobei es auch zu gewaltsamen            Dabei handelte es sich beispielsweise um eine
Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften           nationale Medien- und Öffentlichkeitskampagne,

                                                                                                                         14
KONFLIKTE UM INVESTITIONEN IN LAND IM SENEGAL

     Lobbyarbeit gegenüber politischen Eliten und             4.3 Gemeinsamkeiten und
     die Veröffentlichung kritischer Berichte über            Unterschiede in den Protesten
     die negativen Auswirkungen der Mine auf die              um das Senhuile-Projekt und die
     lokale Bevölkerung (Amnesty International 2014).         Sabodala-Goldmine
     Sie organisierten zahlreiche Workshops in der
     Region mit dem Ziel, die lokale Bevölkerung zu           Die Beispiele der Konflikte um das Senhuile-Projekt
     organisieren und zu sensibilisieren (Diallo 2009). Das   und die Sabodala-Goldmine zeigen einige wichtige
     Netzwerk Publish What You Pay erarbeitete darüber        Gemeinsamkeiten, aber auch viele Unterschiede
     hinaus konkrete Forderungen für die Reform des           bei den Protesten gegen die Aneignung von Land
     Bergbaugesetzes 2016 (Publish what you pay 2017).        für unterschiedliche Zwecke. Erstens unterscheiden
                                                              sich die aktiven zivilgesellschaftlichen Orga-
     4.2.4 Die Narrative im Konflikt um die                   nisationen. Zweitens werden in den beiden
     Sabodala-Goldmine                                        Konflikten       unterschiedliche       Forderungen
     Um ihre Proteste zu legitimieren und                     formuliert. Drittens konstruieren die Protestakteure
     Unterstützer*innen für ihre Forderungen und              unterschiedliche Narrative. Die Protestformen sind
     ihre Arbeit zu gewinnen, entwickelten auch die           hingegen in beiden Konflikten ähnlich.
     Protestakteure im Konflikt um die Sabodala-              Dass unterschiedliche zivilgesellschaftliche Orga-
     Goldmine Narrative. Ähnlich wie im Konflikt um           nisationen in den beiden Konflikten aktiv sind,
     das Senhuile-Projekt identifizierten sie den Verlust     zeigt, dass Kämpfe um Landaneignungen für den
     der Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung              industriellen Bergbau und die Agrarindustrie noch
     als das zentrale Problem der Sabodala-Goldmine.          weitgehend getrennt voneinander verlaufen.
     Sie stellten die Mine hierbei als eine Gefahr für die    Anders als im Bergbausektor gib es im Senegal im
     lokale wirtschaftliche Entwicklung dar, die soziale      Agrarsektor eine lange Tradition von Organisationen,
     Ungleichheiten durch eine unfaire Verteilung             die sich für eine kleinbäuerliche Landwirtschaft
     der Gewinne verstärke. Die Protestkoalition im           einsetzen (McKeon et al. 2004). Bereits in den
     Konflikt um die Sabodala-Goldmine entwickelte            1970er Jahren formierten sich erste Bauern- und
     insgesamt jedoch ein weniger kohärentes                  Bäuerinnenorganisationen. Seit 1993 sind viele
     Narrativ. Die lokalen Gemeinschaften betonten,           dieser Organisationen Teil des CNCR, des nationalen
     dass ein zentrales Problem der Verlust der               Bauern- und Bäuerinnenverbands. Auch zahlreiche
     handwerklichen Goldabbaustätten sei. Ihr Recht           NGOs, beispielsweise enda pronat, engagieren
     auf die Abbaustätten begründeten sie mit der             sich seit vielen Jahrzehnten für die kleinbäuerliche
     Tradition des handwerklichen Goldbergbaus in             Landwirtschaft im Senegal. Diese Organisationen
     der Region und ihren traditionellen Rechten an           haben früh auf die Gefahr, die mit der Ausweitung
     dem Land (Prause 2017). Die zivilgesellschaftlichen      agrarindustrieller Projekte für die kleinbäuerliche
     Organisationen verwiesen hingegen stärker auf den        Landwirtschaft einhergeht, hingewiesen (COPAGEN
     Verlust des landwirtschaftlich genutzten Landes,         et al. 2013; Seneclash.com 2011). Im Konflikt um
     was sie als die zentrale Lebensgrundlage der             das Senhuile-Projekt unterstützen sie insbesondere
     lokalen Gemeinschaften verstehen. Vor allem die          die semi-nomadischen Viehzüchter*innen, deren
     involvierten Menschenrechts-NGOs stellten dies als       Zugang zu Land durch das Projekt gefährdet
     eine Gefahr für die Sicherung der Menschenrechte         ist. Semi-nomadische Viehzüchter*innen sind
     dar (Prause 2019). Für die Probleme machen die           im Senegal häufig von dem Verlust von Land
     Protestakteure die nationale Regierung und ihre          durch agrarindustrielle Projekte bedroht, da
     regionalen Vertreter – den Préfét und den Sous-          ihre Tätigkeit von der Politik meist nicht als
     Préfét – verantwortlich.                                 produktive Form der Landnutzung anerkannt
                                                              wird. Die von ihnen genutzten Flächen gelten

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GLOCON Country Report Series • N° 4 Dezember 2019

daher oft als leer und ungenutzt (Prause 2015).            starke Risiken für die Umwelt und vor allem das
Industrielle Bergbauprojekte standen lange Zeit            Grund- und Oberflächenwasser mit sich. Der
nicht im Fokus der Agarorganisationen. Erst als            Tagebau verändert die Landschaft eines Gebiets
2014 die Mine in Niayes eröffnete, einem Kern-             tiefgreifend und nachhaltig. Da die Bergbaudepots
gebiet für die landwirtschaftliche Produktionen,           endliche Ressourcen darstellen, stellt sich die
engagierten sich zunehmend auch Bauern- und                Frage, wie das Land nach einem Ende des Abbaus
Bäuerinnenorganisationen und NGOs, die zu                  genutzt werden kann. Um es landwirtschaftlich
kleinbäuerlicher Landwirtschaft arbeiten, in diesem        wieder nutzbar zu machen, müssen die Gebiete
Sektor. Im Fall der Sabodala-Goldmine kommt                gezielt renaturiert werden. Das erklärt, warum
erschwerend hinzu, dass ein Großteil der betroffenen       Umweltanliegen im Konflikt um die Sabodala-
Anwohner*innen vorwiegend handwerklichen                   Goldmine prominenter sind. Zweitens ist der Abbau
Goldbergbau betreibt. Bisher vertreten Bauern-             von Gold stärker an bestimmte Orte gebunden.
und Bäuerinnenorganisationen, die sich auch für            Golddepots sind, wo sie sind, und sie haben
Fischer*innen und Viehzüchter*innen einsetzen,             einen hohen Wert. Das ist ein wichtiger Anreiz für
die Interessen dieser Gruppe von Landnutzer*innen          Unternehmen, Dörfer oder kulturell bedeutsame
nicht. Die handwerklichen Goldgräber*innen                 Stätten, die über den unterirdischen Golddepots
können jedoch auf keine vergleichbaren                     liegen, umzusiedeln. Auch TGO hat sich dazu
Organisationen zurückgreifen, die ihre Interessen          entschlossen, das Dorf Sabodala sowie das Dorf
vertreten könnten. Die im Bergbausektor aktiven            Dambankhoto umzusiedeln. Das Unternehmen
NGOs sind noch recht jung und haben keine breite           Senhuile hat hingegen angekündigt, seine
Mitgliederbasis, auf die sie sich stützen könnten.         Pflanzen um die auf dem Projektgebiet liegenden
All das erschwert eine mögliche Zusammenarbeit             Dörfer herum anzupflanzen. Dementsprechend
mit den landwirtschaftlichen Organisationen                sind Umsiedlungen kein Thema im Konflikt um
im Senegal. Gleichzeitig wird deutlich, dass,              das Senhuile-Projekt. Drittens unterscheidet
unabhängig von den beteiligten Akteuren, ein               sich die Gesetzeslage für den Bergbau- und den
zentrales Anliegen beide Konflikte eint: die               Landwirtschaftssektor. Im Bergbaugesetz gibt
Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung zu                 es beispielsweise klare Vorgaben bezüglich der
schützen, indem ihr Zugang zu Land gesichert wird.         Entschädigungszahlungen, die Unternehmen
Es gibt also durchaus Berührungspunkte zwischen            zu leisten haben (Code Minier, Loi No 2016-32,
den Kämpfen im Agrar- und Bergbausektor.                   08 November 2016, Article 93). Zudem gibt es
Die konkreten Forderungen unterscheiden sich               festgelegte Abgaben, die Unternehmen auf das
jedoch in beiden Konflikten. Dies ist einerseits darin     von ihnen geförderte Mineral oder Metall leisten
begründet, dass unterschiedliche Protestakteure            müssen (Code Minier, Loi No 2016-32, 08 November
involviert sind, die unterschiedliche Ziele verfolgen.     2016, Article 77). Demgegenüber bleibt das
Im Konflikt um das Senhuile-Projekt zielt CRAFS auf        senegalesische Landrecht uneindeutig hinsichtlich
ein Ende des Projektes ab. Die Protestakteure              der Zahlung von Kompensationen. Ebenso wenig
im     Konflikt     um     die    Sabodala-Goldmine        gibt es eine gesetzlich verpflichtende Abgabe in
wollen Änderungen in der Ausgestaltung des                 Form von Pachtzahlungen oder Ähnlichem. Diese
Projektes sowie eine bessere Integration der               können nur individuell mit den Unternehmen
Anwohner*innen erreichen. Die unterschiedlichen            ausgehandelt werden. Für die senegalesische
Forderungen der Protestakteure sind darüber                Zivilgesellschaft, die im Bergbausektor aktiv
hinaus auf einige Besonderheiten der Aneignung             ist, sind daher Fragen nach der Regelung von
von Land für den industriellen Bergbau und die             Kompensationszahlungen und der Höhe und
Agrarindustrie zurückzuführen. Erstens bringt              Verteilung von Abgaben von größerer Bedeutung
der Goldbergbau durch den Einsatz von Zyanid               als für die Zivilgesellschaft im Agrarsektor.

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