KoopBLATT N 1 MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG - Stadt Nürnberg

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KoopBLATT N 1 MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG - Stadt Nürnberg
koopBLATT 1                                     N°
MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG

                                        PR I NZ I P
                                     G OV E R NA NCE
                                                 —
                                Die Stadt als Steuermann, der
                                die Richtung vorgibt, dabei aber
                                Impulse von Marktakteuren und
                                Zivilgesellschaft aufgreift.
                                Der versucht, für die oft wider-
                                streitenden Logiken einen
                                gemeinsamen Kurs zu finden.
                                Die Akteure von koopstadt haben
                                den Alltag der Stadtentwicklung
                                in Bremen, Leipzig und Nürnberg
                                zum Leuchtturm erklärt und
                                tauschen sich darüber aus.
                                Das kann als neue Form von
                                Governance verstanden werden.

                                                          NATIONALE
                                                              STADT
                                                       ENTWICKLUNGS
                                                             POLITIK
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KoopBLATT N 1 MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG - Stadt Nürnberg
> > > Mit dem Magazin koopBLATT wollen wir, die drei Städte im Gemeinschaftsvorhaben
IMPRESSUM                                        koopstadt, Ihnen von den Leuchttürmen des Alltags und vom Austausch der Projektpro-               EDITORIAL
                                                 tagonisten in Bremen, Leipzig und Nürnberg erzählen. Die erste Ausgabe greift dabei
Herausgeber                                      das Thema »Governance« auf. Nach einer Positionsbestimmung im Dialog mit den fünf
Freie Hansestadt Bremen
Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr
                                                 »Kuratoren auf Zeit« stellen wir unsere städteübergreifende Arbeitsweise und das Leben
Stadt Leipzig                                    in den Projektfamilien vor. Die Reportagen und Porträts zeigen, dass es bei koopstadt
Dezernat Stadtentwicklung und Bau
                                                 um eine ressortübergreifende Arbeit geht, um den Austausch und das Vermitteln von Er-
Stadt Nürnberg
Wirtschaftsreferat                               fahrungen sowie um Kommunikation und Beteiligung. Und um das Zusammenwirken von
                                                 Partnern, die eine gemeinsame Sache verbindet.
Koordinierende Geschäftsstelle
www.koopstadt.de
info@koopstadt.de
                                                 Die drei Städte sehen sich ganz im Sinne der Leipzig-Charta der Stärkung der europä-
                                                 ischen Stadt verpflichtet: als eines kompakten, gemischten, vielfältigen und lebendigen
Redaktion                                        Organismus, orientiert an einer integrierten Stadtentwicklungspolitik, mit besonderer Auf-
Dr. Stefan Bege, Antje Heuer, Christina Kahl,
Andreas Paul, Ruth Rabenberg,                    merksamkeit für benachteiligte Stadtquartiere. So haben sich die Städte 2007 mit einer
Prof. Stefan Rettich, Prof. Dr. Iris Reuther,    Initiative im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik bis 2015 auf den gemein-
Detlef Schobeß, Dr. Arne Sünnemann
                                                 samen Weg gemacht.
Inhalt und Konzept
KARO* architekten –                              Kommuniziert und intensiv miteinander gearbeitet wird mittlerweile auf vielen Ebenen:
Antje Heuer, Stefan Rettich und                  Die aus allen drei Verwaltungen zusammengesetzte koopstadt-Gruppe sowie die Projekt-
Büro für urbane Projekte –
Iris Reuther, Andreas Paul                       akteure aus den Städten treffen sich zu gemeinsamen Workshops. Stadträte aller drei
                                                 Kommunen kommen im September 2011 bereits das dritte Mal zusammen. Die Universitä-
Text
Antje Heuer, Stefan Rettich, Iris Reuther        ten und Hochschulen kooperieren zum Thema Stadtentwicklung im Rahmen studentischer
                                                 Projekte, und auch die großen kommunalen Wohnungsbauunternehmen sind in einen
Grafische Gestaltung
Timo Grimberg ARC
                                                 Austausch getreten.
Infografik
Andreas Paul                                     Mit diesem Magazin bleiben wir uns treu und probieren mutig Neues.
Projekticons                                     Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre – Bühne frei für koopBLATT!
Daniela Weirich

Fotos                                            Franz-Josef Höing
PHOTOGRAPIEDEPOT                                 Senatsbaudirektor der Freien Hansestadt Bremen
Frank-Heinrich Müller
                                                 Martin zur Nedden
mit Ausnahme der Fotos                           Bürgermeister und Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau der Stadt Leipzig
Seite 1: Stefan Bege; Seite 20 (1):
Udo Pankratius, Umweltamt Nürnberg;              Dr. Michael Fraas
Seite 20 (2): Susanne Reiche, Umweltamt          Berufsmäßiger Stadtrat und Wirtschaftsreferent der Stadt Nürnberg
Nürnberg; Seite 26 (1): Peter Meyer; Seite 27:
Ralph Baumheier; Seite 44 (8), (9), (12):
Büro für urbane Projekte

Redaktionsschluss
September 2011

Druck
DS Druck-Strom GmbH
Auflage 2.500

—
Im Text verwendete generische Maskulina
beziehen sich grundsätzlich auf männliche
und weibliche Personen. Herausgeber und
Redaktion bekennen sich ausdrücklich zur
Gleichwertigkeit von Mann und Frau.

—
»koopstadt – Stadtentwicklung Bremen,
Leipzig, Nürnberg« ist ein Pilotprojekt im
Rahmen der »Nationalen Stadtentwicklungs-
politik« des Bundesinstituts für Bau-, Stadt-
und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt
für Bauwesen und Raumordnung (BBR) des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (BMVBS).

                                                                                                                                              —
                                                                                                                                              (v. l.)
                                                                                                                                              Franz-Josef Höing
                                                                                                                                              Dr. Michael Fraas
ISBN 978-3-00-035973-6                                                                                                                        Martin zur Nedden

                   2                                                                                                                                          1
KoopBLATT N 1 MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG - Stadt Nürnberg
INHALT

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                                                                            G OV E R NA NCE

Editorial								                                              1
   Die Stadt als Steuermann                                    4
Kuratorium auf Zeit		                             			          6
   Governance ist keine Theorie,                               7
   sondern eine Perspektive
   Interview mit Elisabeth Merk und Klaus Selle
Schauplatz Stadt. Einführung		     					                       10
Das 3 × 1 der Stadtentwicklung
Städtenetzwerk Bremen – Leipzig – Nürnberg 					               11
Die Projektfamilien. Übersicht		 					                         12
Wasser-Region							                			                        13
Stadt ist Region							             			                        14
Bildung im Quartier						           			                        15
   ALLES FLIESST. 				                           				          16
   Nutzungskonzepte und produktive Kooperationen
   Beim Einzelhandel muss die Freundschaft            			      22
   nicht aufhören. Regionalentwicklung als politisches Feld
Workshop Bremen				                               					        28
   Unserer Kinder wegen. 			                             			   30
   Bildungslandschaften im Wachsen
   Man muss Gesellschaft mitnehmen		                    		     36
   Interview mit Thomas Olk
Workshop Nürnberg			                              					        39   Versuch der Steuerung
                                                                    von Governance-Ansätzen:
Schauplatz Stadt                                                    Das Projekt koopstadt lebt von
                                                                    seinen Workshops, vom
Bremen       										                                        41   konkreten, gelebten Austausch
Leipzig      										                                        42   und dem Aufeinandertreffen
Nürnberg        										                                     43   von authentischen Personen an
                                                                    authentischen Orten.
KOopKÖPFE             									                                44
                                                                                3
KoopBLATT N 1 MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG - Stadt Nürnberg
T
                                                                                                                        wird einmal im Jahr ein Kuratorium mit bundesweit bekannten Experten der Stadtentwicklung
                                                     Die Stadt                                                          einberufen, die den Arbeitsstand querbürsten, dem Prozess neue Impulse verleihen und ihn mit
                                                                                                                        ihrem Erfahrungsschatz anreichern.
                                                  als Steuermann                                                           koopstadt kann auch als der Versuch zur Steuerung von Governance-Ansätzen durch Aus-
                  > > > Warum schon wieder ein Anglizismus, möchte man fragen, gibt es denn wirklich keinen             tausch bezeichnet werden, ist also Governance hoch drei oder wie die Städte selbstbewusst sa-
                  besseren Begriff als Governance? – Tatsächlich klingt »Steuerungs- und Regelungssystem einer          gen: »Das 3 × 1 der Integrierten Stadtentwicklung«. Bei aller Strategie lebt das Vorhaben aber
                  politisch-gesellschaftlichen Einheit« etwas sperrig und technokratisch zugleich. Den durchaus         von seinen Workshops, vom konkreten, gelebten Austausch, den lokalen Projekten und dem
                  sinnlich-sozialen Kern der Sache trifft diese deutsche Definition aus den Politikwissenschaften       Aufeinandertreffen von »authentischen Personen« an »authentischen Orten«.
                  jedenfalls nicht. Denn im Falle der Stadtentwicklung geht es um nicht weniger als um die kon-         Zum Beispiel letzten Mai in Bremen, mitten auf dem Land, auf Gut Varrel. Der Ort eignete sich
   TH EM A        krete räumliche, wirtschaftliche und soziale Ausprägung unseres Demokratieverständnisses in           gut, um die These »Stadt ist Region« zu diskutieren, denn die historisch ländliche Anlage befin-
G OV ER NA N CE   Form von Städten. Dass dies nicht ohne die Voraussetzungen von Teilhabe, Partizipation und            det sich unweit eines neuen Einkaufscenters auf der grünen Wiese. Damit solche Entwicklungen
                  Transparenz der Entscheidungswege zu haben ist, liegt auf der Hand. Dem Prinzip Govern-               die Ausnahme bleiben, bringen Bremen und seine Nachbargemeinden gerade ein Regionales
                  ment, dem rein staatlich fokussierten Handeln durch Regieren, wird deshalb seit einiger Zeit          Zentren- und Einzelhandelskonzept auf den Weg. Das ist hilfreich und notwendig, denn die
                  auch in der Planungstheorie das Prinzip Governance als alternative Lenkungsform gegenüber-            Region Bremen ist per se administratives Grenzland: zwei Bundesländer, in Niedersachsen fünf
                  gestellt, das ein gemeinschaftliches Handeln von staatlichen, privatwirtschaftlichen und zivil-       Landkreise und eine kreisfreie Stadt stoßen hier aneinander.
                  gesellschaftlichen Akteuren auf Augenhöhe verfolgt: Die Stadt als aktiver Steuermann, der die         Ausgehandelt wurde das Konzept in einem Kommunalverbund, der im Übrigen ein Verein ist.
                  Richtung vorgibt, dabei aber Impulse der Marktakteure und der Zivilgesellschaft aufgreift und         Weichere Modelle der Steuerung eignen sich offenbar für manche Formen der Kooperation
                  versucht, für die oft widerstreitenden Logiken einen gemeinsamen Kurs zu finden.                      besser oder befördern sie rascher. Ein Beispiel, von dem die anderen Workshopteilnehmer pro-
                     Komplett neu ist dieser Denkansatz nicht, wie Klaus Selle von der Rheinisch-Westfälischen          fitieren konnten. Denn nicht nur in der Region Bremen ist eine regionale Steuerung des Ein-
                  Technischen Hochschule Aachen im Interview betont. Städte wurden schon immer von der Summe            zelhandels erforderlich. Es gibt kaum eine Stadt-Umland-Konstellation in Deutschland, die
                  der Handlungen all ihrer Akteure und Bewohner bestimmt und entwickelt. Für Klaus Selle ist            diese Frage bisher dauerhaft einvernehmlich klären konnte.
                  Governance deshalb ganz einfach »Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe«. Habe man                    Ein positiver besetztes und dadurch einfacheres regionales Thema ist das Wasser, denn das
                  sich einmal für diese Perspektive entschieden und laufe mit der »Governance-Brille« durch un-         kümmert sich nicht um administrative Grenzen. Es fließt von A nach B und zwingt die regi-
                  sere Städte, werde die Vielzahl der Akteure augenscheinlich, für deren Zusammenwirken es der          onalen Anrainer damit automatisch an einen Tisch und zur Kooperation. In Bremen gilt es,
                  Steuerung bedarf.                                                                                     Ökologie und Wirtschaft an der Weser miteinander zu vereinbaren. Dafür wurde der Integrier-
                  Gerade in unserer komplexer gewordenen Welt seien auch komplexere Formen der Ausein-                  te Bewirtschaftungsplan Weser erarbeitet. In Leipzig ist mit dem Leipziger Neuseenland eine
                  andersetzung nötig, ist sich Münchens Stadtbaurätin Elisabeth Merk sicher. Das gelte beson-           ausgedehnte Seenlandschaft im Entstehen, die dem Braunkohlebergbau nachfolgt und touris-
                  ders für die großen Querschnittsaufgaben wie den Klimawandel, die ökonomische Zukunfts-               tisch vermarktet werden soll. In einem breiten Beteiligungsprozess wurde das »Wassertouris-
                  fähigkeit unserer Städte und damit verbunden für die positive Steuerung der sozialen Frage. In        tische Nutzungskonzept Region Leipzig« auf den Weg gebracht. Die Stadt Nürnberg möchte
                  München wurde beispielsweise schon vor Jahren die »Sozialgerechte Bodennutzung« (SoBoN)               ihre Flüsse, Bäche, Quellen und Seen fühlbarer, erlebbarer machen, etwas herausheben aus dem
                  durch den Stadtrat beschlossen. Sie sieht vor, dass bis zu zwei Dritteln der Wertschöpfung aus        manchmal engen Korsett der betonierten Flussläufe in der Innenstadt. Dies sind verschiedene
                  privaten Investments in den öffentlichen Raum und in den Bau von sozialer Infrastruktur rein-         Themen, und dennoch ähneln sich manche Problemlagen und lohnt sich ein Austausch darüber.
                  vestiert werden müssen. Dass dieses Unternehmen Früchte trägt, und von allen Marktakteuren               Genauso auf der Ebene der lokalen Bildungspolitik in den drei Städten. In der heutigen Wissens-
                  mitgetragen wird, ist das Ergebnis einer seit langem praktizierten Konsenskultur. Für Elisabeth       gesellschaft ist Bildung vermutlich das zentrale Querschnittsthema, denn gute Bildungspolitik
                  Merk ist Kommunikation und die Überzeugung der Marktakteure durch stichhaltige Argu-                  ist gleichermaßen Grundlage für Integration und für ökonomische Zukunftsfähigkeit in einem.
                  mente deshalb ein zentraler Baustein moderner Stadtentwicklung ›Marke München‹.                       Das gilt besonders für sozial benachteiligte Stadtteile wie etwa Huchting und Gröpelingen in
                     Eine Voraussetzung für diese Form der Planung ist die Überwindung des sektoralen Denkens           Bremen. In den beiden Quartieren werden Integrationsaufgaben mittlerweile als gesamtstädti-
                  und Handelns in Politik und Verwaltung. Die drei Städte Bremen, Leipzig und Nürnberg versu-           sche Zukunftsfragen verhandelt, denn schließlich werden in den beiden Stadtteilen die meisten
                  chen dies durch einen integrierten Ansatz, jede für sich und jede auf die ihr eigene Art. In Bremen   Kinder geboren. Bremen reagiert darauf mit Quartiersbildungszentren, die als zentrale Schnitt-
                  hat man das Leitbild der Stadtentwicklung 2020 mit der Aufforderung »Komm mit nach Morgen«            stelle die Aktivitäten verschiedener staatlicher und nichtstaatlicher Bildungseinrichtungen im
                  entwickelt, das aus einem komplexen Beteiligungsprozess hervorgegangen ist. Leipzig hat ein »In-      Stadtteil koordinieren und bündeln. Vergleichbare Konzepte verfolgen die anderen beiden
                  tegriertes Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2020« erarbeitet, das seit 2009 in einer integrativen     Städte im Nürnberger Westen und im Leipziger Osten. Ein neues Bildungsmanagement ist
                  Stadtteilentwicklung umgesetzt wird. In Nürnberg geht man den umgekehrten Weg, erarbeitet             auch hier Basis und Schnittstelle der integrierten Stadtentwicklung. Seit dem PISA-Schock
                  gerade referats- und ämterübergreifend integrierte Stadtteilentwicklungskonzepte, die später in       hat sich in der Bildungslandschaft der Kommunen ohnehin einiges getan, das der Stadtentwick-
                  das integrierte Stadtentwicklungskonzept für die Gesamtstadt münden werden. Das allein ist schon      lung insgesamt zu Gute kommt, weiß Thomas Olk von der Martin-Luther-Universität Halle-
                  die hohe Schule der Governance, Planwerke mit strategischen Schwerpunkten zu schaffen, an             Wittenberg. Im Interview erläutert er »Educational Governance«, berichtet von der wachsenden
                  denen ressortübergreifend mit den unterschiedlichsten Akteuren interdisziplinär gearbeitet wird,      kollektiven Erkenntnis, dass nicht nur Schule Bildung betreibt, und von seiner vergleichenden
                  in verschiedenen städtischen Maßstäben von der Parzelle über das Quartier bis hin zur Region.         Studie zur lokalen Bildungspolitik, die er mit seinem Team in sechs deutschen Städten durchführt.
                  Bei der Europäischen Kommission, im Departement Regional Policy nennt man dies »multiscalar              koopstadt wurde von den Stadtoberhäuptern der drei Städte initiiert. Das spricht für ein aus-
                  governance« und will diese Form der Planung künftig zur Grundlage der Förderpolitik machen.           geprägtes Bewusstsein in Bezug auf die Bedeutung der integrierten Stadtentwicklung in der
                     Aber das war den drei Halbmillionenstädten nicht genug. Im Jahr 2007 haben sie eine Initia-        jeweiligen Stadtpolitik. Das ist heute durchaus noch kein Allgemeingut, denn nicht alle Städte
                  tive zur Kooperation und zum Austausch über strategische Fragen ihrer integrierten Stadtent-          folgen dieser Logik selbstverständlich. So stellt schon der Sozialwissenschaftler Karsten Zim-
                  wicklung gestartet. Das war der Beginn von koopstadt als Pilotprojekt der »Nationalen Stadt-          mermann fest : »Wer die Frage nach der Eigenlogik stellt, interessiert sich in erster Linie für die
                  entwicklungspolitik«. Seitdem schauen sich die drei Städte gegenseitig in die Karten und haben        Performanz lokaler Politik angesichts sich stetig wandelnder Herausforderungen, die für die
                  für ihre unterschiedlichen Ansätze und Planwerke einen gemeinsamen, übergeordneten Rah-               Städte durchaus gleich sein mögen. Warum aber ist eine Stadt in der Lage, ein Problem besser,
                  men aus Themenfeldern, Projektfamilien und konkreten strategischen Projekten geschaffen, auf          früher oder umfassender zu adressieren als eine andere? Welche Kommune eröffnet häufiger
                  dessen Basis ein strukturierter und fundierter Austausch möglich ist. Mehrmals im Jahr trifft         Möglichkeiten der direktdemokratischen Einflussnahme durch die Bürger und warum? Weit-
                  man sich zu Workshops in einer der drei Städte, diskutiert Herausforderungen, Methoden, stra-         reichender als der abweichende Umgang mit identischen Problemen ist die Frage, warum be-
                  tegische Ansätze und deren Anwendung an Hand von konkreten, ausgewählten Projekten. Na-               stimmte Problemstellungen in manchen Städten gar nicht erst als ein Problem wahrgenommen,
                  türlich immer zusammen mit örtlichen Akteuren, die aus vielen gesellschaftlichen Bereichen            sondern ignoriert oder in Routineaufgaben umgedeutet werden.«
                  stammen. Auch Lokalpolitiker der Städte tauschen ihre Erfahrungen bei gemeinsamen Treffen             Nein, in Bremen, Leipzig und Nürnberg ist der Alltag alles andere als eine Routineaufgabe.
                  aus, um sich von der direkten Diskussion inspirieren zu lassen und im Anschluss als Botschafter       Man hat den Alltag mit koopstadt zum Leuchtturm erhoben und tauscht sich darüber aus, das
                  im heimischen Stadtparlament zu berichten, Projekte auszuloten und anzustoßen. Nicht zuletzt          ist tatsächlich neu und eine Form der Governance, die Schule machen könnte. sr

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KoopBLATT N 1 MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG - Stadt Nürnberg
I
                                               > > > Das fünfköpfige Kuratorium auf Zeit ist ein kritischer Begleiter von koopstadt.      > > > In der integrierten Stadtentwicklung ist Governance heute als alternativer Weg zur
 KURATORIUM                                    In offenen Gesprächen mit den für Stadtentwicklung Verantwortlichen aus Politik und        Steuerung komplexer Aufgaben in aller Munde. Gleichzeitig ist der Begriff schwer zu fassen.
                                               Verwaltung leistet es Supervision für die Projektpartner. Die Kuratorinnen und Kuratoren   koopBLATT hat zwei Kuratoriumsmitglieder des Projekts koopstadt, Elisabeth Merk und
   AUF ZEIT                                    geben fachlichen und wissenschaftlichen Rat, schärfen Argumente und liefern Stichworte.    Klaus Selle, als Experten aus den Bereichen Theorie und Praxis befragt.
                                               Sie fragen nach der Relevanz übergreifender koopstadt-Themen und nach vermittelbaren
                                               Erkenntnissen. Damit geben sie dem gemeinsamen Arbeitsprozess wichtige Impulse und
                                                                                                                                          koopBLATT Frau Merk, Governance ist ein sperriger Fachbegriff. Haben Sie in ihrem Alltag
                                               stellen die Außensicht her.
                                                                                                                                          als Stadtbaurätin von München einen Weg gefunden, den komplexen Ansatz allgemeinver-
                                                                                                                                                                                                                                                                INTERVIEW
                                                                                                                                          ständlich zu vermitteln?
                                                                                                                                          Elisabeth Merk In der Praxis nutze ich den Begriff tatsächlich nicht. Im Alltagsjargon
                                                                                                                                          würde ich eher sagen, es geht darum, zuerst zuzuhören und dann zu steuern. Es gibt in jeder Stadt            Governance ist
                                                                                                                                          so etwas wie eine innere Befindlichkeit, die gilt es herauszufinden und dann weiß man auch, was
                                                                                                                                          einer Stadt gut tut und wie man sich ihrer Bürger annehmen kann. Dafür braucht es eine Dis-
                                                                                                                                                                                                                                                         keine Theorie
                                                                                                                                          kussionskultur jenseits der klassischen baurechtlichen Beteiligungsverfahren. Wir haben in                       sondern
                                                                                                                                          München eine Reihe von Runden Tischen etabliert, beispielsweise mit der Immobilienwirtschaft
—                                                                                                                                         oder den Naturschutzverbänden. Da treffen wir uns etwa zweimal im Jahr und tauschen uns
                                                                                                                                                                                                                                                       eine Perspektive
Kuratorium auf Zeit: (v. l.)
                                                                                                                                          ganz zwanglos darüber aus, was die jeweilige Partei gerade umtreibt. Diese lockeren Formen des
> Sabine Süß
                                                                                                                                          Austauschs haben in München Tradition. Auf bürgerschaftlicher Seite gibt es zum Beispiel
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied
der Schader-Stiftung                                                                                                                      das Münchner Forum. Das wurde in den 1970er Jahren als Reaktion und Kritik der Bürgerschaft
»Der direkte Erfahrungsaustausch ist das                                                                                                  auf die damals umfassenden städtischen Veränderungen gegründet. Heute ist das eine feste
Geniale. Um Menschen in ihrer Motivation                                                                                                  Institution mit eigener Geschäftsstelle, die die Interessen der Bürgerschaft und der Fachöffent-
und Kompetenz zu stärken, brauchen sie
den Austausch und die Überprüfung ihrer
                                                                                                                                          lichkeit bündelt, Veranstaltungen und dergleichen organisiert. Finanziert wird das Münchner
Erfahrungen auf der eigenen Ebene.«                                                                                                       Forum übrigens von der Stadt.
> Ullrich Hellweg                                                                                                                         kB Herr Selle, gibt es in der Planungstheorie eine einfache, griffige Formel, die den Begriff
Geschäftsführer der IBA Hamburg GmbH
                                                                                                                                          Governance auf den Punkt bringt?
»Der interne Erkenntnisgewinn von koopstadt
ist eindrücklich. Nun gilt es, mit solider                                                                                                Klaus Selle Im UN-Bericht »Our Global Neighborhood« ist Governance so definiert
Planungs- und Entwicklungsarbeit ein
strategisches Gerüst zu entwickeln, in dem                                                                                                worden: »Governance ist die Gesamtheit der zahlreichen Wege, auf denen Individuen sowie öf-
die ›großen Themen‹ in den Prozessen und                                                                                                  fentliche und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln. […] Der Begriff
Projekten zum Tragen kommen.«                                                                                                                                                                                                                     —
                                                                                                                                          umfasst sowohl formelle Institutionen und mit Durchsetzungsmacht versehene Herrschafts-                 > Prof. Dr. (I) Elisabeth Merk, 47, hat Archi-

> Prof. Dr. Elisabeth Merk                                                                                                                systeme als auch informelle Regelungen, die von Menschen und Institutionen vereinbart […]               tektur studiert und in Florenz promoviert.
Stadtbaurätin der Landeshauptstadt                                                                                                                                                                                                                2005–2007 war sie Professorin für Städte-
                                                                                                                                          werden.« Auf die Städte übertragen heißt Governance für uns ganz einfach Stadtentwicklung               bau/Stadtplanung an der Hochschule für
München
                                                                                                                                          als Gemeinschaftsaufgabe. Auf die Frage, von wem die Städte entwickelt werden, gibt es aus der          Technik Stuttgart und ist dort seit 2009 Ho-
»Mir gefallen die Haltung und der konse-                                                                                                                                                                                                          norarprofessorin. Vor ihrer aktuellen Tätig-
quente Fokus auf die Normalität und Praxis                                                                                                Governance-Perspektive eine einfache Antwort: Von allen. Gerd Albers hat das schon vor vielen           keit als Stadtbaurätin von München war sie
der Stadtentwicklung. Gegenstand von                                                                                                      Jahren auf die einfache Formel gebracht: »Stadtentwicklung ist der Niederschlag vieler unter-           in leitenden Funktionen verschiedener Pla-
koopstadt sind nicht die großen Masterplä-
ne, sondern das Alltagsgeschäft einer Stadt                                                                                               schiedlicher Bemühungen über lange Zeiträume«. In diesem Geflecht der Akteure und ihrer                 nungsämter tätig – unter anderem als Leiterin
                                                                                                                                                                                                                                                  der Stadtentwicklung und Stadtplanung in
mit ihrer Stadtpolitik, ihrer Verwaltung und                                                                                              Bezüge untereinander handlungsfähig zu bleiben – das ist Governance, das ist die Gestaltung             Halle (Saale) von 2000-2006. Elisabeth Merk
ihren Bürgern. Das kann ich in meiner Stadt
ebenfalls gut gebrauchen.«
                                                                                                                                          von Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe.                                                          wirkt in Ausschüssen des Deutschen und des
                                                                                                                                                                                                                                                  Bayrischen Städtetags mit, ist Mitglied der
                                                                                                                                          kB Was ist eigentlich neu daran, Städte wurden doch schon immer im Zusammenspiel sowie                  Deutschen Akademie für Städtebau und Lan-
> Prof. Dr. Klaus Selle
                                                                                                                                                                                                                                                  desplanung, im Kuratorium der Nationalen
RWTH Aachen, Lehrstuhl für Planungstheorie                                                                                                in der Auseinandersetzung mehrerer Parteien geplant und entwickelt?                                     Stadtentwicklungspolitik sowie im UNESCO
und Stadtplanung.                                                                                                                                                                                                                                 Network conservation of modern architecture
»koopstadt ist geprägt vom Prinzip ›Peer to                                                                                               KS Sie haben völlig Recht. Die Politik- und Planungswissenschaften haben nur eine Zeit lang             and integrated territorial urban conservation.
Peer‹. In deutscher Übertragung könnte man                                                                                                wie gebannt allein auf das Handeln des Staates und der Kommunen geschaut und die vielen
auch von ›kollegialer Beratung‹ sprechen:
Fachleute, die Stadtentwicklung tagtäglich                                                                                                anderen Einflussfaktoren und Akteure außer acht gelassen. Das hat sich glücklicherweise nach-
machen, reden miteinander, tauschen                                                                                                       haltig geändert. Weil also die Sache selbst nicht neu ist, sondern die Art sie zu betrachten,
Erfahrungen aus und generieren gemeinsame
Erkenntnisse. Weder ihre Inhalte noch ihre                                                                                                spricht man auch von »Governance-Perspektive«.
Gegenstände, Ressourcen und Praktiken sind
ein Ausnahmezustand, sondern im wahrsten                                                                                                  EM Dadurch, dass die Welt komplexer geworden ist, sind auch die Notwendigkeiten der
Sinne des Wortes Normalfälle von Stadtent-                                                                                                Auseinandersetzung komplexer geworden. Wir sind heute in einer zweiten Phase der Bürgerbe-
wicklung. Dieser Austausch, diese Lernpro-
zesse sind ungemein anregend – wohl die                                                                                                   teiligung angekommen. Die 1968er haben Partizipation erstritten, in den 1970ern und 1980ern
beste Form überhaupt, um über Stadtent-                                                                                                   wurde sie standardisiert und institutionalisiert und heute ist sie eben zu stark formalisiert oder in
wicklung zu sprechen.«
                                                                                                                                          manchen Belangen schlicht nicht mehr verständlich. Bei manchen Projekten haben wir heute
> Prof. Elke Pahl-Weber                                                                                                                   mehrere Kartons Aktenordner mit juristischen Dokumenten, die es auszuwerten und abzuwägen
Technische Universität Berlin,
                                                                                                                                          gilt. Wie will sich da ein Bürger zurechtfinden und seine Meinung einbringen. Das ist eine neue
Institut für Stadt- und Regionalplanung.
                                                                                                                                                                                                                                                  ­—
Bis September 2011:                                                                                                                       Herausforderung für die Verwaltungen, wie man diese Komplexität kommunizieren und allge-                > Prof. Dr. Klaus Selle, 61, hat Stadtplanung
(ständiger Gast im Kuratorium)                                                                                                            mein verständlich übersetzen kann.                                                                      studiert und war an den Hochschulen in Dort-
Direktorin des Bundesinstituts für Bau,                                                                                                                                                                                                           mund und Hannover tätig, bevor er 2001 den
Stadt- und Regionalforschung.
                                                                                                                                          kB Weshalb spielen diese komplexen Steuerungsmodelle heute eine so wichtige Rolle bei der               Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadt-
»Im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklung                                                                                                                                                                                                        entwicklung an der RWTH Aachen übernahm.
ist koopstadt ein vergleichsweise großes
                                                                                                                                          Bewältigung von Zukunftsaufgaben?                                                                       Neben der Arbeit in Forschung und Lehre
Projekt und muss deshalb hohen Ansprüchen                                                                                                                                                                                                         ist Klaus Selle seit seinem Studium auch in
genügen. Das betrifft die Wahl der Themen                                                                                                 KS Versuchen Sie sich einmal an einem schlichten Redevelopment in der Stadt: Sie haben es               der Praxis tätig – unter anderem als Berater
ebenso wie den Erkenntniszuwachs und den                                                                                                  gleich mit vielen Akteuren zu tun. Ich denke da noch gar nicht an die Bürger, sondern an die            von Bürgerinitiativen, als Mitgründer des
Ertrag an konkreten Ergebnissen.«                                                                                                                                                                                                                 Bürgerbüros Stadtentwicklung Hannover und
                                                                                                                                          Akteure der Märkte. Und an die der öffentlichen Sphäre – denn auch hier gibt es viele einzelne          als Mitgestalter kommunikativer Planungs-
                                                                                                                                          Akteure, die jeweils ihren Logiken folgen. Weder der Staat noch die Kommune können in den               prozesse in zahlreichen Kommunen.

                               6                                                                                                                                                                                                                                   7
KoopBLATT N 1 MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG - Stadt Nürnberg
zentralen Handlungsfeldern der Stadtentwicklung allein agieren.         Hand sprechen könnte. Dazu gehört in Deutschland vor allem die
Ob es nun um Mobilität geht oder die energetische Ertüchtigung          mutwillige Zerstörung des Systems der Wohnungsgemeinnützig-
des Gebäudebestandes, um Impulse für die wirtschaftliche Ent-           keit. Zudem muss man »Schwäche« und »Stärke« ja an Aufgaben
wicklung oder die Stabilisierung von Quartieren – immer müssen          bemessen. Die öffentlichen Akteure haben heute in vielen Hand-
viele Akteure mitwirken.                                                lungsfeldern der Stadtentwicklung neue Aufgaben übernommen.
                                                                        Dabei geht es um komplexe Sachverhalte wie lokale Klimapolitik.
EM Ich kann das nur bestätigen. In München gibt es heute keine
                                                                        Das sind Aufgaben, die sich nur kooperativ bewältigen lassen.
einfachen Projekte mehr. Die Grundstücke im Bestand, die heute
noch unbebaut sind, weisen eine unglaublich komplexe Überlage-          kB Governance wird meist in Verbindung mit Planungskultur
rung von Interessenslagen und baurechtlichen Problemen auf.             und neuen Beteiligungsformaten genannt. Wo sehen Sie hier die
Damit sind Zielkonflikte vorprogrammiert. Es ist eine besondere         größten Potenziale?
Konsenskultur erforderlich, bei der die einzelnen Parteien verstehen
                                                                        KS Ich sehe nicht, dass wir in erster Linie neue Formate benöti-
lernen müssen, dass nicht alle Belange und Interessen in gleichem
                                                                        gen. Es gibt einen schier unerschöpflichen Methoden-Fundus
Maße berücksichtigt werden können, wenn man ein sinnvolles und
                                                                        für die Gestaltung kommunikativer und kooperativer Prozesse.
gutes Ergebnis erzielen will.
                                                                        Was sich allerdings ändern muss, sind Einstellungen und Rollen-
kB Funktioniert die Theorie auch in der Praxis – gibt es ein            bilder vieler Akteure. Viele Fachleute haben zum Beispiel noch
Beispiel, das Sie für besonders gelungen halten?                        große Schwierigkeiten, ihre fachlichen Einzelstandpunkte in einen
                                                                        gemeinsamen Entwicklungsprozess einzubringen und dort zu
KS Governance ist keine Theorie. Mit Governance wird vielmehr
                                                                        verändern.
ein anderer Blick auf die Praxis bezeichnet. Wenn Sie einmal die
Governance-Brille aufgesetzt haben und den Alltag der Städte,           EM Aus meiner Sicht müssen Beteiligungsformen stärker auf die
die Praxis der Stadtentwicklung aus dieser Perspektive betrachten,      jeweilige Aufgabe zugeschnitten werden. Allerdings muss man sich
sehen Sie überall ein Gewusel von Akteuren. Insofern ist auch die       auch die Grenzen von Beteiligung bewusst machen, es ist eben
Vorstellung irreführend, eine Stadtregierung zum Beispiel könne         nicht alles verhandelbar. Die Frage ist doch, wo hat echte Beteili-
zwischen den Modi von Government und Governance wählen.                 gungskultur eine Chance und wo gibt es Dinge, die man schlicht-
Wenn Sie sich die Definition des UN-Berichts noch einmal vor            weg akzeptieren muss. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass Min-
Augen führen, dann sind zum Beispiel hoheitliche Akte, die man          derheiten, die großen Lärm schlagen, parlamentarisch getroffene
ja gemeinhin mit Government verbindet, Teil lokaler Governance.         Entscheidungen einfach vom Tisch wischen können. Es muss also
                                                                        auch darum gehen, gute Kommunikationsformen zu praktizieren,
EM Für München muss man zunächst das strategische Stadtent-
                                                                        mit denen man Akzeptanz für ungeliebte Entscheidungen schaffen
wicklungskonzept »Die Perspektive München« nennen, zu dem
                                                                        kann. Meine Erfahrung ist, wenn man offen und ehrlich diskutiert
sich alle Akteure bekennen und das die Grundlage für eine Viel-
                                                                        und die Grundlagen von Entscheidungen transparent kommuni-
zahl an gelungenen Einzelprojekten bildet. Besonders interessant
                                                                        ziert, dann bietet man den Bürgern die Möglichkeit eines Perspek-
finde ich persönlich die »Sozialgerechte Bodennutzung« (SoBoN)
                                                                        tivenwechsels.
in München, die besagt, dass bis zu zwei Dritteln der Wertschöpf-
ung von privaten Investments in den Bau von öffentlichen Räumen         kB Frau Merk, Integration und Teilhabe sind zentrale Fragen der
und sozialer Infrastruktur reinvestiert werden müssen. Die SoBoN        Stadtentwicklung.Welche Voraussetzungen sind dafür erforderlich?
ist bereits seit 1994 in Kraft und wurde damals einstimmig vom
                                                                        EM Generell geht es darum, zu den entscheidenden Fragen einen
Stadtrat beschlossen. Heute besteht ein breiter gesellschaftlicher
                                                                        übergreifenden Konsens zu erreichen. In München ist das sicher
Konsens, dass dies die richtige Strategie zum Umgang mit der
                                                                        der Umgang mit der Wohnungsfrage, und hier wurde kürzlich
problematischen Wohnungsfrage in München ist. Übrigens steht
                                                                        vom Stadtrat ein Beschluss gefasst, innerhalb von fünf Jahren
auch die Immobilienwirtschaft voll dahinter.
                                                                        650 Millionen Euro an kommunalen Eigenmitteln für den geför-
kB Bedeutet das Umschwenken von Government auf Governance               derten Wohnungsbau bereitzustellen. Das ist die Voraussetzung
eigentlich eine Schwächung der öffentlichen Hand?                       dafür, dass die Stadt gemischt und die Mitte der Gesellschaft in
                                                                        der Stadt bleibt.
EM Ich sehe in meinen persönlichen Erfahrungen keine Schwä-
chung. Für mich geht es um eine konkret gelebte Kommunika-              kB Welchen Beitrag kann koopstadt aus Ihrer Sicht zur allgemei-
tionskultur: Zuhören, aber klare Position beziehen. Ich glaube nicht,   nen Diskussion um Governance-Modelle und integrierte Stadt
dass man mit einer harten Regierungsstruktur die Dinge hart             entwicklung leisten?
durchsetzen und damit die Welt verbessern kann. Genauso wenig
                                                                        KS Im koopstadt-Kontext wird an vielen praktischen Beispielen
glaube ich, dass man mit einer ausufernden Beteiligungskultur, die
                                                                        deutlich, was Stadtentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe heißen
auf alles Rücksicht nimmt, zu guten Ergebnissen kommt.
                                                                        kann. Hier lassen sich – nicht theoretisch, sondern praktisch – Auf-   Kommunikative Prozesse zu
Der richtige Weg liegt wohl in der Mitte.
                                                                        gaben diskutieren, Akteurskonstellationen analysieren, Stolpersteine   gestalten ist ein Teil von
KS Aus der Governance-Perspektive kann man den Eindruck ge-             identifizieren, Folgerungen ziehen. Das ist spannend und lehrreich.    Governance:
winnen, dass kooperative Handlungsformen zugenommen haben.                                                                                     Nürnbergs Oberbürgermeister
                                                                        EM Als Kollegin bin ich richtig neidisch geworden. Mir gefal-
Allerdings täuscht das: Wer sich zum Beispiel die Stadtentwick-                                                                                Ulrich Maly lädt regelmäßig zu
                                                                        len die Haltung und der konsequente Fokus auf die Normalität
lung des 19. Jahrhunderts anschaut, wird auch dort eine intensive
                                                                        und die Praxis der Stadtentwicklung. Gegenstand von koopstadt          mobilen Bürgerversammlungen
Präsenz der Marktakteure in der Stadtentwicklung beobachten
                                                                        sind nicht die großen Masterpläne, sondern das Alltagsgeschäft         mit dem Fahrrad ein. Im Juni 2011
können. Es gab lediglich eine Phase in den 1960er und 1970er Jah-
                                                                        einer Stadt mit ihrer Stadtpolitik, ihrer Verwaltung und ihren         fahren die Teilnehmer der koop-
ren, in der die Planer den Eindruck hatten, es seien vor allem sie,
                                                                        Bürgern. Das kann ich in meiner Stadt ebenfalls gut gebrauchen.        stadt-Workshops mit und erkunden
die die Geschicke der Städte lenkten. Aber auch das war eine Täu-
schung. Kurzum: Es gibt in der Stadtentwicklung nur wenige              —                                                                      Nürnberg am Wasser.
Punkte, in denen man von einer Schwächung der öffentlichen              Das Interview für koopBLATT führte Stefan Rettich.

                      8                                                                                                                                    9
KoopBLATT N 1 MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG - Stadt Nürnberg
SCHAU                                                                                                                                                                                                                                                                                   STÄDTE
                                                                                                                                                                       > > > Das Gemeinschaftsvorhaben koopstadt stellt vier zentrale Aufgaben
                                                                                             das 3 × 1 der                                                             in den Vordergrund:
                                                                                          stadtentwicklung                                                             >    Partizipation und bürgerschaftliche Mitgestaltung von Prozessen und Projekten

       PLATZ                                         > > > koopstadt ist ein Gemeinschaftsvorhaben der drei Städte Bremen, Leipzig und
                                                     Nürnberg. Kern des Projekts sind Austausch und Kommunikation zu aktuellen Fragen der
                                                                                                                                                                       >
                                                                                                                                                                       >
                                                                                                                                                                       >
                                                                                                                                                                            Sozialer Zusammenhalt und gesellschaftliche Teilhabe
                                                                                                                                                                            Wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der Städte
                                                                                                                                                                            Umgang mit ökologischen und energetischen Herausforderungen.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                NETZ
       STADT                                                                                                                                                                                                                                                                                    WERK
                                                     Stadtentwicklung.
                                                     > Die drei Städte interpretieren ihre Rolle und Perspektive als Kernstädte europäischer                           koopstadt ist dabei auf zwei Ebenen angelegt. Die Praxis der Stadtentwicklung wird an-
                                                     Metropolregionen und im Zusammenhang ihrer jeweiligen Stadtregion aus ihren jeweiligen                            hand von konkreten Projekten ausprobiert, dargestellt und vermittelt. Darüber hinaus wer-                               —
         EINFÜHRUNG                                  strukturellen und soziodemographischen Rahmenbedingungen heraus.                                                  den leistungsfähige, effiziente und innovative Methoden, Instrumente und Verwaltungs-                                   Die koopstadt-Gruppe bildet das Zentrum
                                                                                                                                                                                                                                                                                               der städteübergreifenden Kooperation und
                                                                                                                                                                       praktiken herausgearbeitet, die ein Gelingen erst ermöglichen. Schon jetzt ist feststellbar:
                                                     > Sie praktizieren Integration als fachübergreifenden konzeptionellen und räumlichen                                                                                                                                                      Kommunikation. Sie führt die inhaltliche Dis-
                                                                                                                                                                       im offenen und kritischen Austausch können die Städtepartner voneinander lernen, trotz                                  kussion und trifft als Plenum in gemeinsamen
                                                     stadtentwicklungsplanerischen Ansatz. Sie verstehen Integration zugleich als Angebot                                                                                                                                                      Workshops alle strategischen Entschei-
                                                                                                                                                                       unterschiedlicher Herangehensweisen.
                                                     einer kooperativen und partnerschaftlichen Kommune an ihre Bürger. Sie suchen Koope-                                                                                                                                                      dungen. Mitglieder der koopstadt-Gruppe
                                                                                                                                                                                                                                                                                               fungieren zugleich als fachliche Mentoren für
                                                     ration mit ihren Nachbarn.                                                                                        Mit Blick auf die zentralen Aufgaben der Stadtentwicklung werden drei Themenfelder                                      eine Projektfamilie.
                                                                                                                                                                       bearbeitet, in denen jeweils mehrere Projektfamilien mit einem besonderen themati-
                                                     > Sie kultivieren strategische Projekte als Lernfeld, Medium und Zielrichtung einer in-                                                                                                                                                   Die koopstadt-Gruppe setzt sich aus den drei
                                                                                                                                                                       schen Fokus agieren. In den Projektfamilien wirken Vertreter aus den Verwaltungen so-                                   Städteteams zusammen, die gleichzeitig
                                                     tegrierten und integrativen Stadtentwicklung, die sie als Anschauungsbeispiel kommuni-
                                                                                                                                                                       wie externe Partner aller drei Städte zusammen. Sie tauschen ihre Erfahrungen vor allem                                 den jeweils stadtinternen Prozess steuern.
                                                     zieren.                                                                                                                                                                                                                                   Ihre Mitglieder arbeiten in der Verwaltung und
                                                                                                                                                                       direkt im Rahmen von mehrtägigen Workshops aus. Im Zeitraum 2009 bis 2012 sind die                                      sind hier unmittelbare Ansprechpartner für
                                                                                                                                                                       Projektfamilien jedes Jahr in einer anderen Partnerstadt zu Gast. Parallel dazu beraten                                 Fachressorts, Wirtschaft, Institutionen, die
                                                     Diesem Anspruch folgt das Gemeinschaftsvorhaben koopstadt mit seinen Themenfeldern,                                                                                                                                                       Stadtpolitik und Projektakteure. Damit bilden
                                                                                                                                                                       die für Stadtentwicklung zuständigen Verwaltungsbereiche aus den drei Städten in der
                                                     Projektfamilien und Schlüsselprojekten, die jeweils in eine integrierte Stadtentwicklungs-                                                                                                                                                sie die Basis von koopstadt vor Ort.
                                                                                                                                                                       koopstadt-Gruppe über relevante Planungsinstrumente und bringen spezifische Erkennt-
                                                     planung und Umsetzungsstrategie von Bremen, Leipzig und Nürnberg eingebettet sind.                                                                                                                                                        Zur inhaltlichen Projektsteuerung haben die
                                                                                                                                                                       nisse ihrer jeweiligen Stadtentwicklung in das Vorhaben ein.                                                            drei Städte jeweils eigene Gremien geschaf-
                                                     Dabei gehen die drei Städte durchaus unterschiedliche Wege.
                                                                                                                                                                                                                                                                                               fen, in denen benachbarte Fachressorts
                                                     Alle drei Städte nutzen koopstadt als städteübergreifend angelegte Austauschplattform                             2012 ist das Jahr der Zwischenbilanz, in dem auch die Zielstellungen bis 2015 präzisiert                                mitwirken. Hier findet der Abgleich zwischen
                                                     und zugleich für ihre eigenen Stadtentwicklungsprozesse. koopstadt fungiert dabei als                             werden. Die Ergebnisse von koopstadt und die im Arbeitsprozess gewonnenen Erkennt-                                      koopstadt und den jeweiligen strategischen
—                                                                                                                                                                                                                                                                                              Zielen der Stadtentwicklung statt.
Zum 3 × 1 der Organisation Integrierter Stadt-       unterstützendes Medium, das Kommunikation befördert und vor allem Prozesse anstößt                                nisse sollen zur Zwischenbilanz aufbereitet und in einer überregionalen Veranstaltung
entwicklung in Bremen, Leipzig und Nürnberg                                                                                                                                                                                                                                                    Die städteübergreifende Steuerungsgruppe
                                                     oder beschleunigt. koopstadt gibt Raum für das Lernen neuer Methoden sowie das Experi-                            präsentiert werden. ir                                                                                                  trifft die inhaltlichen Entscheidungen zwi-
sowie zur jeweiligen Rolle von koopstadt lesen
Sie im Magazin ab Seite 41.                          mentieren bei der Beteiligung von Partnern und Bürgern. ir                                                                                                                                                                                schen den Workshops der koopstadt-Grup-
                                                                                                                                                                                                                                                                                               pe. Ihr gehören die Projektverantwortlichen
                                                                                                                                                                                                                                                                                               aller drei Städte an. In der koordinierenden
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Geschäftsstelle wirken Verwaltungsmitar-
                                                                                                                                                                                                                                                                                               beiter aus allen drei beteiligten Städten an
                                             BREMEN                                                                                                                                                                                                                                            der operativen Geschäftsführung mit. Sitz der
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Geschäftsstelle ist Leipzig.
                                                 > Einwohner:                             > Arbeitslosenquote:                  > Regionale Kooperationen:
                                                 547.188 (März 2011)                      11,3 % (Juli 2010)                    Kommunalverbund Niedersachsen/                                                                                                                                 Die externe Prozessteuerung hat das Büro
                                                 Sitz der Landesregierung im Zwei-        > Hochschulen:                        Bremen e. V., Metropolregion Bre-                                                                                                                              für urbane Projekte in Kooperation mit dem
                                                 Städte-Staat »Freie Hansestadt           Insgesamt 28.747 Studierende          men/Oldenburg im Nordwesten e. V.,                                                                                                                             Fachgebiet Stadt- und Regionalplanung an
                                                 Bremen«                                  (WS 2010/11), Universität Bre-        Zweckverband Verkehrsverbund                                                                                                                                   der Universität Kassel übernommen. Das
                                                 > Wichtige Wirtschaftszweige:            men, Jacobs University Bremen,        Bremen/Niedersachsen (ZVBN)                                                                                                                                    Büro berät die koopstadt-Gruppe, mode-
                                                 Maritime Industrien, Fahrzeugbau,        Hochschule Bremen, Hochschule für                                                                                                                                                                    riert die Workshops der Projektfamilien und
                                                 Luft- und Raumfahrt, Logistik, Nah-      Künste Bremen, Hochschule für öf-                                                                                                                                                                    dokumentiert den Ertrag in Reports und
                                                 rungs- und Genussmittelindustrie,        fentliche Verwaltung, Apollon Hoch-                                                                                                                                                                  Forschungsberichten.
                                                 Windenergie, Forschung und unter-        schule für Gesundheitswirtschaft
                                                                                                                                                                       Arbeitsstruktur des Gemeinschaftsvorhabens koopstadt                                                                    Das Büro KARO* architekten hat ein
                                                 nehmensnahe Dienstleistungen
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Kommunikationskonzept zum Gesamtpro-
                                                                                                                                                                                                                                                                                               zess entwickelt und zeichnet für Konzeption,
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Redaktion und Produktion des Magazins
                                             LEIPZIG                                                                                                                                                                                                                                           koopBLATT verantwortlich.

                                                 > Einwohner:                             > Arbeitslosenquote:                   > Regionale Kooperationen:
                                                 522.883 (Dez. 2010)                      13,1 % (Juni 2011)                    Metropolregion Mitteldeutschland,             Gemeinsame Repräsentanz                                                                                              Koordinierende Geschäftsstelle
                                                 zweitgrößte Stadt im Freistaat           > Hochschulen:                        Regionaler Planungsverband West-
                                                 Sachsen                                  Insgesamt 36.892 Studierende          sachsen, Grüner Ring Leipzig, Kom-     Bei überörtlichen Veranstaltungen o. ä.                                                                                  Operative Geschäftsführung
                                                 > Wichtige Wirtschaftszweige:            (WS 2010/11), Universität             munales Forum Südraum Leipzig,         Mitglieder: Oberbürgermeister
                                                 Messe- und Kongresswesen, Logis-         Leipzig, Hochschule für Graphik und   Zweckverband Neue Harth, Via Regia     bzw. Bürgermeister / Senator                                                                                            Mitglieder: Vertreter aus Bremen,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                Leipzig, Nürnberg
                                                 tik, Automobil- und Zulieferindustrie,   Buchkunst, Hochschule für Musik       Plus, Regionalmanagement Leipzig                                                                         koopstadt-Gruppe
                                                                                                                                                                                                                                                                                                Sitz: Leipzig
                                                 Medien- und Kommunikationstech-
                                                 nik/IT, Gesundheit/Biotechnologie,
                                                                                          und Theater »Felix Mendelsohn
                                                                                          Bartholdy«, Handelshochschule
                                                                                                                                – Westsachsen, Wirtschaftsinitiative
                                                                                                                                Mitteldeutschland, Raumordnungs-                 Städteübergreifende                                        als Plenum
                                                 Querschnittstechnologien/Dienstleis-     Leipzig, Hochschule für Technik,      kommission Halle-Leipzig                          Steuerungsgruppe
                                                 tungen                                   Wirtschaft und Kultur, Hochschule                                                                                                            regelmäßige Workshops
                                                                                          für Telekommunikation                                                        Steuerungsebene                                                     trifft langfristige
                                                                                                                                                                       Mitglieder: Vertreter der koopstadt-Gruppe                          Entscheidungen
                                                                                                                                                                       aus Bremen, Leipzig, Nürnberg                                                                                            Prozesssteuerung       Kommunikations-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         konzept
                                             Nürnberg
                                                                                                                                                                                                                                                                                               Büro für urbane         KARO* architekten
                                                 > Einwohner:                             > Arbeitslosenquote:                  > Regionale Kooperationen:                                                                                                                                     Projekte
                                                 506.100 (März 2011) zweitgrößte          7,7 % (Juli 2011)                     Metropolregion Nürnberg, Lernende                                                                                                                              Beratung                Konzeption
                                                 Stadt im Freistaat Bayern                > Hochschulen:                        Region Nürnberg-Fürth, Städteachse                                                                                                                             Moderation              Beratung
                                                 > Wichtige Wirtschaftszweige:            Insgesamt 17.200 Studierende          Nürnberg-Fürth-Erlangen-Schwa-                                                                                                                                 Bericht                 koopBLATT-Magazin
                                                                                                                                                                           Städteteams koopstadt
                                                 Druck, Marktforschung, Information,      (WS 2010/11), Friedrich-Alexander-    bach
                                                 Kommunikation, Energie- und              Universität Erlangen-Nürnberg,
                                                 Leistungselektronik, Verkehr, Logistik   Georg-Simon-Ohm-Hochschule,                                                   Bearbeiterebene                    BREMEN                                           LEIPZIG                                    NÜRNBERG
                                                                                          Akademie der Bildenden Künste,
                                                                                                                                                                        Prozessmanagement               Senator für Umwelt, Bau und Verkehr (SUBV)        Dezernat Stadtentwicklung und Bau           Wirtschaftsreferat (Ref VII)
                                                                                          Evangelische Fachhochschule,                                                                                  Stab Regionale und ressortübergreifende           (Dez.VI)                                    Amt für Wohnen und Stadtentwicklung
                                                                                          Hochschule für Musik                                                                                          Kooperation / Referat Raumordnung,                Stadtplanungsamt                            Abteilung Stadtentwicklung und
                                                                                                                                                                                                        Stadtentwicklung und Flächennutzungsplanung       Abteilung Stadtentwicklungsplanung          Stadterneuerung

                          10                                                                                                                                                                                                                                                                                     11
KoopBLATT N 1 MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG - Stadt Nürnberg
PROJEKT                                                                                                                                                                                                   WASSER
                   > > > koopstadt arbeitet auf drei breit angelegten Themenfeldern und dabei jeweils in      > > > Die Projektfamilie hat zwei Facetten:
                   mehreren Projektfamilien mit besonderem thematischen Fokus. In der Ausrichtung der         Einerseits geht es um eine regionale Kooperation zum Thema. Wasser verfügt auf Grund
                   Projektfamilien wird deutlich, dass für einen ressortübergreifenden Ansatz der Stadtent-   seiner räumlichen Struktur als Gewässernetz und seiner Bedeutung für die Funktionsfähig-

FAMILIEN                                                                                                                                                                                                  REGION
                   wicklung die sozialen, ökonomischen und räumlichen Dimensionen der Stadt zusam-            keit und Lebensqualität einer Stadt bereits über gute Voraussetzungen für eine produktive
                   menspielen müssen. Im Denk- und Arbeitsprozess haben Themenfelder und Projekt-             Kooperation auf stadtregionaler Ebene. Hier gibt es ganz offensichtliche Win-Win-Effekte
                   familien bereits mehrere inhaltliche Präzisierungen erfahren – und damit teilweise auch    und damit auch Strategien, Konzepte und Projekte, die sowohl auf der Ebene der Stadt
                   modifizierte Bezeichnungen und Zuordnungen.                                                und ihrer Teilräume als auch der Region angesiedelt sind. Andererseits geht es um kon-
                   > Im Folgenden werden die derzeit acht Projektfamilien in ihrer Zugehörigkeit zum jewei-   krete Fragestellungen zur Stadt- und Regionalentwicklung am und mit dem Wasser. Das
                   ligen Themenfeld benannt. Unsere erste Magazinausgabe stellt drei Projektfamilien          betrifft Beteiligung und Kommunikation, Nutzungskonflikte und mögliche Synergien und
                   etwas ausführlicher vor – mit einem kurzen »Familienbericht« sowie einer Reportage.        schließlich teilweise länderübergreifende, großräumige regionale Kooperationen zur Ent-
                   Lesen Sie über weitere Projektfamilien in der nächsten Ausgabe unseres Magazins.           wicklung von Gewässernetzen als Wirtschaftsfaktoren und für touristische Nutzungen.

                                                                                                                                                                                                          —
                                                                                                                                                                                                          3× Wasser
                                                                                                                                                                                                          ­—
                                                                                                                                                                                                          Das Stadtgebiet von Bremen und das
                                                                                                                                                                                                          Bremische Selbstverständnis werden durch
                                                                                                                                                                                                          die Weser als Lebensader und die Anbindung
    THEMENFELD         Bildung im Quartier               Stärkung                    Klimagerechte                                                                                                        der Hansestadt an die Nordsee geprägt.
                           > S. 15/30                  der Innenstadt               Stadtentwicklung                                                                                                      In den vergangenen 15 Jahren wurden die
                                                                                                                                                                                                          »Schlachte« als Weserpromenade ausgebaut,
Urbane Lebens-                                                                                                                                                                                            die Hafenbrachen revitalisiert und wesernahe
                                                                                                                                                                                                          Bauvorhaben verwirklicht, wodurch der Fluss

   qualität,                                                                                                                                                                                              deutlich stärker wahrgenommen wird. Das
                                                                                                                                                                                                          Verbundprojekt »Lebensraum Weser« soll
                                                                                                                                                                                                          diesen Bedeutungs- und Attraktivitätsgewinn
ökologischer                                                                                                                                                                                              verstetigen. Dabei stehen bei den Aktivitäten
                                                                                                                                                                                                          der integrative Ansatz und der Interessen-
 Wandel und                                                                                                                                                                                               ausgleich unterschiedlicher Ansprüche an
                                                                                                                                                                                                          den über 40 km der Bundeswasserstraße im
   sozialer                                                                                                                                                                                               Vordergrund.

Zusammenhalt
                                                                                                                                                                                                          —
                                                                                                                                                                                                          Die Stadt Leipzig prägt der Zusammenfluss
                                                                                                                                                                                                          von Weißer Elster, Pleiße und Parthe. Erst die
                                                                                                                                                                                                          Maßnahmen im Zuge des wirtschaftlichen
                                                                                                                                                                                                          Transformationsprozesses seit 1990, bei de-
    THEMENFELD          Zwischennutzung              Räume für Kultur-         Transformationsstandorte                                                                                                   nen ehemals verrohrte Wasserläufe in der In-
                        als Normalfall der          und Kreativwirtschaft          als Teil der Stadt                                                                                                     nenstadt geöffnet, Freizeit- und Hafenanlagen
                        Stadtentwicklung                                                                                                                                                                  entwickelt und ehemalige Braunkohletage-
 Ökonomische                                                                                                                                                                                              baue an den Stadtgrenzen im Süden sowie
                                                                                                                                                                                                          im Nordraum geflutet wurden, haben bewirkt,
  Innovation,                                                                                                                                                                                             dass Leipzig heute wieder als Wasserstadt
                                                                                                                                                                                                          gelten kann. Mit dem »Touristischen Gewäs-
kreative Milieus                                                                                                                                                                                          serverbund Leipziger Neuseenland« wird
                                                                                                                                                                                                          die neue Landschaft schrittweise erschlos-

und Beteiligung                                                                                                                                                                                           sen, qualifiziert und erlebbar gemacht. Ihre
                                                                                                                                                                                                          Standorte und Schauplätze finden sich dabei
                                                                                                                                                                                                          sowohl in innerstädtischen Lagen als auch
                                                                                                                                                                                                          im Umland.

                                                                                                                                                                                                          —
                                                                                                                                                                                                          In einer sonst eher wasser- und nieder-
    THEMENFELD           Stadt ist Region              Wasser-Region                                                                                                                                      schlagsarmen Region gelegen, versteht sich
                           > S. 14/22                   > S. 13/16                                                                                                                                        Nürnberg dennoch als Stadt am Wasser.
                                                                                                                                                                                                          Durch den Main-Donau-Kanal mit dem Hafen
   Regionale                                                                                                                                                                                              im Südwesten ist Nürnberg an die internati-
                                                                                                                                                                                                          onalen Wasserstraßen angeschlossen. Das
 Kooperation,                                                                                                                                                                                             dort gelegene trimodale Güterverkehrszent-
                                                                                                                                                                                                          rum ist das größte multifunktionale seiner Art

   räumliche                                                                                                                                                                                              in Deutschland. Durch die Altstadt fließt die
                                                                                                                                                                                                          Pegnitz, einstmals Lebensader, Transportweg
                                                                                                                                                                                                          und Hochwassergefahrenquelle. Allerdings
  Vernetzung                                                                                                                                                                                              ist der Fluss in der steinernen Altstadt
                                                                                                                                                                                                          kaum spürbar. Deshalb sollen die Bereiche
    und neue                                                                                                                                                                                              der Innenstadt intensiver mit dem Wasser
                                                                                                                                                                                                          verbunden und erlebbar gemacht werden.
 Aktionsräume                                                                                                                                                                                             Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept
                                                                                                                                                                                                          »Nürnberg am Wasser« widmet sich einer
                                                                                                                                                                                                          Vision und konkreten Strategien zugleich,
                                                                                                                                                                                                          verbunden mit einem ökologischen und
                                                                                                                                                                                                          wirtschaftlichen Wassermanagement.

          12                                                                                                                                                                                                              13
KoopBLATT N 1 MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG - Stadt Nürnberg
STADT                                                                                                                                                                                                                                         BILDUNG
                                                > > > Im Mittelpunkt der Projektfamilie stehen die Erfahrungen mit regionaler Koopera-              > > > Das Ermöglichen von Chancen und Teilhabe ist ein wesentlicher Faktor für die Zu-
                                                tion in variablen Raumstrukturen. Nach einer ersten Auseinandersetzung mit sehr unter-              kunftsfähigkeit der Städte. In allen drei Städten werden – bei unterschiedlichen Rahmen-
                                                schiedlichen regionalen Arbeitsstrukturen (Metropolregionen, Gewerbeflächenmanage-                  bedingungen, Handlungsmöglichkeiten und Ansätzen – ressortübergreifende Strukturen

       IST                                                                                                                                                                                                                                            IM
                                                ment etc.) fokussierte die Projektfamilie ihre Arbeit inhaltlich auf die regionale Abstimmung       genutzt oder sukzessive aufgebaut. Dabei wirken die Bereiche Bildung, Kultur, Soziales
                                                zur Entwicklung des Einzelhandels. Dieses Thema wird von den drei Städtepartnern und                und Stadtentwicklung schon jetzt eng zusammen. Der Diskurs zum Begriff und Anspruch
                                                ihren institutionellen Partnern bei der Wirtschaft und in den Regionen als »Nagelprobe«             an Bildung im umfassenden Sinne hat den Weg in die Quartiere und Stadtteile geöffnet

     REGION                                                                                                                                                                                                                                        QUARTIER
                                                dafür verstanden, ob und wann die Arbeits- und Entscheidungsstrukturen auch im Kon-                 und einen auf den Sozialraum orientierten Ansatz gestärkt.
                                                fliktfall funktionieren und welche Instrumente hierfür erforderlich sind. Konkret werden            Da alle drei Städtepartner parallel zu koopstadt auch im Bundesprogramm »Lernen vor
                                                deshalb Fragen der regionalen, kommunalen und innerstädtischen Zentren- und Einzel-                 Ort« (LVO) mitwirken, konnten die personellen Schnittstellen hergestellt, die Ergebnisse
                                                handelsentwicklung in der Projektfamilie vertieft bearbeitet.                                       übertragen und die wissenschaftliche Expertise der Begleitforschung seitens der Uni-
                                                                                                                                                    versität Halle-Wittenberg genutzt sowie in die städteübergreifende Arbeit eingebracht
                                                                                                                                                    werden. Insbesondere Quartiersbildungszentren und Bildungsnetzwerke oder auch Bil-
                                                                                                                                                    dungslandschaften für Stadtteile haben sich als konkrete Handlungsansätze herauskris-
                                                                                                                                                    tallisiert, die in der Projektfamilie genauer untersucht, dargestellt und entwickelt werden.

—                                                                                                                                                                                                                                                  —
3 × Stadtregion                                                                                                                                                                                                                                    3 × Kommunale Bildungslandschaft
—                                                                                                                —                                       —                                                                                         —
Die Freie Hansestadt Bremen ist als Kom-                                                                         Metropolregion Nordwest                 LVO Bremerhaven                                                                           Bremen lotet das Thema Quartiersbildungs-
mune und Bundesland in eine durch die                                                                                                                                                                                                              zentren als Standort- und Gebäudekonzept
gezeitenabhängige Weser geprägte Kultur-                                                                                                                                                                                                           mit einem komplexen Nutzungsprogramm an
landschaft sowie einen Wirtschaftsraum mit                                                                                                                                                                                                         drei Projekten (Robinsbalje, Blockdiek, Grö-
weiteren Kernstädten eingebunden.                                                                                                                                                                                                                  pelingen) aus. Die Vertreter der Stadt leisten
Dabei haben sich verschiedene Entwicklungs-                                                                                                                                                                                                        im Rahmen des kommunalen Bildungsma-
achsen und vielfältige Verflechtungen im                                                                                                                                                                                                           nagements und vor dem Hintergrund der
Rahmen des Kommunalverbundes Nieder-                                                                                                                                                                                                               besonderen Konstellation von Bremen einen
sachsen/Bremen e. V. sowie der Metropol-                                                                                                                                                                                                           Beitrag zur Diskussion gesetzlicher Grund-
region Bremen-Oldenburg im Nordwesten                                                                                                                                                                  —                                           lagen und Perspektiven der Zuständigkeit
ergeben. Die Kooperation in der Region                                                                                                                                                                                                             auf Landes- und kommunaler Ebene. Dieses
hinsichtlich der Zentren- und Einzelhandels-                                                                                                                                                           LVO Bremen                                  Know-How kommt den Partnern in Leipzig
entwicklung ist hierfür ein strategisches                                                                                                                                                                                                          und Nürnberg zugute.
Projekt der Stadtentwicklung, von dem die
Städtepartner bei koopstadt partizipieren
können.

—                                                                                                                —                                      —                                                                                          —
Die Stadt Leipzig, im Herzen der Metropol-                                                                       Metropolregion Mitteldeutschland       LVO Leipzig                                                                                Leipzig richtet seinen Fokus auf beispielge-
region Mitteldeutschland gelegen, bildet                                                                                                                                                                                                           bende Projekte und integriert das Thema
zusammen mit dem benachbarten Halle                                                                                                                                                                                                                vor allem in die Stadtteilstrategien für die
(Saale) und den umliegenden Mittelzentren                                                                                                                                                                                                          Schwerpunkträume der Stadtentwicklung
einen leistungsfähigen Wirtschaftsraum. Ins-                                                                                                                                                                                                       (Campus Grünau, Leipziger Osten und Leip-
besondere die infrastrukturell hervorragend                                                                                                                                                                                                        ziger Westen). Dies geschieht im Rahmen der
angebundenen Flächen im Umfeld des Flug-                                                                                                                                                                                                           Umsetzung des Fachkonzeptes »Kommu-
hafens Leipzig-Halle und des benachbarten                                                                                                                                                                                                          nale Bildungslandschaft« zum Integrierten
Autobahnkreuzes bilden ein großes Potenzial                                                                                                                                                                                                        Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2020 und
für die weitere Entwicklung der Stadtregion,                                                                                                                                                                                                       wird mit den Aktivitäten von »Lernen vor
die in ihren funktionalen und kulturland-                                                                                                                                                                                                          Ort« abgestimmt. Dabei fließen methodische
schaftlichen Bezügen über die Landesgrenze                                                                                                                                                                                                         Erfahrungen einer ressortübergreifenden
zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt                                                                                                                                                                                                                Strategie beim Aufbau eines kommuna-
hinwegreicht. Zukünftig wird es darum gehen,                                                                                                                                                                                                       len Bildungsmonitoring (Bildungsbericht,
die Stadt- und Regionalentwicklung im Raum                                                                                                                                                                                                         Bildungskonferenz) ein, die z. B. über einen
Leipzig-Halle zu profilieren und damit die                                                                                                                                                                                                         Thementisch »Bildungslandschaft« in einer
regionale Dimension einer Integrierten Stadt-                                                                                                                                                                                                      Strategiewerkstatt für den Leipziger Osten
entwicklung zu erproben.                                                                                                                                                                                                                           zum Tragen kommen konnten.

—                                                                                                                —                                      —                                                                                          —
Die Stadt Nürnberg ist traditionell gemeinsam                                                                    Metropolregion Nürnberg                LVO Nürnberg                                                                               Nürnberg nutzt die wissenschaftliche Beglei-
mit ihren Nachbarstädten Erlangen, Fürth und                                                                                                                                                                                                       tung durch Professor Thomas Olk von der
Schwabach der Kernraum einer Europäischen                                                                                                                                                                                                          Universität Halle-Wittenberg bei der Analyse
Metropolregion, die auf Grund ihres polyzen-                                                                                                                                                                                                       und Konzeption für eine Bildungslandschaft
trischen Systems einen großen und leistungs-                                                                                                                                                                                                       für die Weststadt auf Stadtteilebene. Hier
starken Wirtschaftsraum repräsentiert. Die                                                                                                                                                                                                         kommt die ressortübergreifende Zusammen-
Genese der Metropolregion verweist auf einen                                                                                                                                                                                                       setzung des Gebietsteams zum Tragen, in
nachhaltigen Kooperationsprozess mit starken                                                                                                                                                                                                       dem neben den Referaten Bau und Wirtschaft
Knoten und zahlreichen Partnern, der sich                                                                                                                                                                                                          sowie dem 3. Bürgermeister Geschäftsbe-
sowohl auf die Raumstrukturen als auch auf                                                                                                                                                                                                         reich Schule auch die Referate Kultur und
mentale Momente und kulturlandschaftliche                                                                                                                                                                                                          Soziales vertreten sind. Parallel dazu werden
Wurzeln gründet. Diese Konstellation ist ein                                                                          Metropolregion                                                                                                               auf dieser Basis prototypische Projekte (Inte-
solides Fundament, auf das in der Stadtre-                                                                                                                                                                                                         gration von Schule und Kindergarten, Fami-
gion angesiedelte Projekte einer Integrierten                                                                         Engerer Kooperationsraum                                                                                                     lienzentrum, Einrichtung eines kommunalen
Stadtentwicklung von Nürnberg bauen                                                                                                                                                                                                                Kulturbüros im Stadtteil) entwickelt und eine
können.                                                                                                               Kernstadt                                                                                                                    Kommunikations- und Beteiligungsstrategie
                                                                                                                                                                                                                                                   aufgebaut.
                                                                                                                      koopstädte

                          14                                                                                                                                                                                                                                       15
KoopBLATT N 1 MAGAZIN FÜR INTEGRIERTE STADTENTWICKLUNG - Stadt Nürnberg
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