Kopfschmerzattacken und autonome Symptome

 
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Schwerpunkt: Kopfschmerz

    Schmerz 2004 · 18:370–377                     A. May · Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
    DOI 10.1007/s00482-004-0359-6
    Online publiziert: 31. Juli 2004

                                                  Kopfschmerzattacken
    © Springer Medizin Verlag 2004

                                                  und autonome Symptome

    W    ährend bei der Migräne in den letz-
    ten 20 Jahren große Fortschritte im patho-
                                                  Sie unterscheiden sich in Dauer, Frequenz,
                                                  Rhythmik und Intensität der Schmerzat-
                                                                                               von symptomfreien Zeitspannen unter-
                                                                                               schiedlicher Länge (mindestens 2 Wo-
    physiologischen Verständnis und in der        tacken, autonome Begleitsymptome tre-        chen, meist wenige Monate) unterbro-
    Therapie erreicht werden konnten, gilt        ten mehr oder weniger stark ausgeprägt       chen. Während der aktiven Phase treten
    dies nicht im selben Umfang für die selte-    auf [9]. Die pathophysiolgischen Zusam-      kurze, gruppenartig gehäufte Attacken
    neren Kopfschmerzsyndrome. Zu diesen          menhänge werden derzeit intensiv unter-      (ein- bis 8-mal täglich) auf, welche durch
    gehört die in der 2003 überarbeiteten Klas-   sucht [14]. Eine besondere Untergruppe       Triggerfaktoren wie Alkohol, Nitroglyce-
    sifikation der IHS (International Heada-      der trigeminoautonomen Kopfschmer-           rin, Histamin oder Stress auslösbar sind.
    che Society) neu definierte Gruppe, die       zen spricht fast ausschließlich auf Indo-    In der individuell unterschiedlich langen
    sog. trigeminoautonomen Kopfschmer-           metacin an. Zu dieser Gruppe gehören         inaktiven Phase besteht eine komplette Be-
    zen (TAK; [10]:                               die chronisch paroxysmale Hemikranie,        schwerdefreiheit ohne Triggerbarkeit ein-
                                                  die episodische paroxysmale Hemikranie,      zelner Attacken. Bei der selteneren chro-
    F der episodische und chronische Clus-        die Hemicrania continua und die primär       nischen Verlaufsform (
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Hier ste          er t i se m  e n t
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Schwerpunkt: Kopfschmerz
        Tabelle 1
                                                                                                      wird diskutiert, ob die sog. Clustermi-
        IHS-Kriterien für den Clusterkopfschmerz. (Nach [1])                                          gräne eine Sonderform mit fließendem
             Ein streng halbseitiger Kopfschmerz mit wenigstens 5 Attacken,                           Übergang dieser beiden Kopfschmerzfor-
             welche die Kriterien B–D erfüllen:                                                       men ist. Unterschieden werden hier CK-
        A.   Starke oder sehr starke einseitig orbital, supraorbital und/oder temporal lokalisierte   Attacken, die mit der Anfallsfrequenz ei-
             Schmerzattacken, die unbehandelt 15–180 min anhalten                                     ner Migräne auftreten (z. B. 1–2/Woche)
                                                                                                      bzw. Migräneattacken, die die typischen
        B.   Begleitend tritt wenigstens eines der nachfolgend angeführten Charakteristika auf:
                                                                                                      Begleitsymptome einer Clusterkopf-
             Ipsilaterale konjunktivale Injektion und/oder Lakrimation
             Ipsilaterale nasale Kongestion und/oder Rhinorrhö
                                                                                                      schmerzattacke aufweisen wie ipsilatera-
             Ipsilaterales Lidödem                                                                    le Miosis, orbitale Schwellung und Lakri-
             Ipsilaterales Schwitzen im Bereich der Stirn oder des Gesichts                           mation, und evtl. sogar ein zyklisches Ver-
             Ipsilaterale Miosis und/oder Ptosis                                                      halten zeigen. Die Therapie richtet sich
             Körperliche Unruhe oder Agitiertheit                                                     nach der jeweils vorherrschenden Kom-
                                                                                                      ponente. Im Zweifelsfall führt eine pro-
        C.   Die Attackenfrequenz liegt zwischen einer Attacke jeden 2. Tag und 8/Tag
                                                                                                      batorische Therapie zur Klärung: Beta-
        D.   Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen
                                                                                                      blocker sind ohne Einfluss auf den Clus-
                                                                                                      terkopfschmerz, Verapamil wirkt nicht
                                                                                                      bei Migräne.
    Hälfte) des Zeitverlaufs des Clusterkopf-           derung des Gefäßtonus, eine Steigerung
    schmerzes die Attacken weniger schwer               der Tränensekretion, Rhinorrhö und das        Therapie
    sein und/oder kürzer oder länger andau-             meist inkomplette Horner-Syndrom mit
    ern können. Eine tabellarische Übersicht            Miosis und Ptosis. Welche Faktoren im         Angesichts des Fehlens eines allgemein
    der IHS-Kriterien für den Clusterkopf-              Einzelnen zur Stimulation des trigemina-      anerkannten pathophysiologischen Kon-
    schmerz findet sich in . Tabelle 1.                 len Systems führen und diese Kaskade aus-     zepts stützt sich die Therapie des Cluster-
                                                        lösen, ist nicht bekannt.                     kopfschmerzes v. a. auf empirische Daten.
    Epidemiologie                                                                                     Prinzipiell wird zwischen der Therapie der
                                                         Differenzialdiagnose                         Einzelattacke (. Tabelle 2) und der Pro-
    Die Prävalenz des Clusterkopfschmerzes                                                            phylaxe (. Tabelle 3; [12, 15]) unterschie-
    liegt zwischen 0,1 und 0,9%. Das Verhält-           Differenzialdiagnostisch sind vom Cluster-    den. Wichtig ist herauszustreichen, dass
    nis von Männer zu Frauen liegt bei 3:1.             kopfschmerz andere primäre Kopfschmerz-       der Placeboeffekt bei Clusterkopfschmerz-
    Vererbungsfaktoren sind bislang nicht be-           und Gesichtsschmerzsyndrome wie Migrä-        patienten nicht geringer ist als bei Migrä-
    kannt, es wird jedoch eine familiäre Be-            ne, Trigeminusneuralgie, atypischer Ge-       nepatienten.
    lastung von ca. 2–7% angenommen. Der                sichtsschmerz, zervikogener Kopfschmerz
    Kopfschmerz beginnt im Mittel mit 28–               und chronisch paroxysmale Hemikranie          Attackenkupierung
    30 Jahren, kann aber in jedem Lebensalter           abzugrenzen. Die sehr ähnliche chronisch
    beginnen. Bei einigen Patienten remittiert          paroxysmale Hemikranie ist durch eine         Sauerstoff. Die Inhalation von >8 l
    der Schmerz in höherem Alter.                       höhere Attackenfrequenz (bis zu 30 Atta-      100%igem Sauerstoff/min bis zu einer Dau-
                                                        cken/24 h), eine kürzere Attackendauer (5–    er von 20 min in sitzender vornüber gebeug-
    Ätiologie und Pathogenese                           30 min) und das fast obligate Ansprechen      ter Haltung stellt bei frühzeitiger Anwen-
                                                        auf Indometacin gekennzeichnet. Betrof-       dung eine effiziente Attackenkupierung
    In der Zusammenschau klinischer und ex-             fen sind v. a. jüngere Frauen.                dar. Die Erfolgsquote liegt bei ca. 60%
    perimenteller Parameter wird eine zentra-                                                         [4]. Üblicherweise ist eine Mund- oder
    le Dysregulation im Hypothalamus als das             Cluster-Tic-Syndrom                          Gesichtsmaske nötig, eine sog. Nasenson-
    letztlich auslösende pathophysiologische            Es sind einige Patienten beschrieben wor-     de ist meist nicht ausreichend. Ein Attest
    Substrat des Clusterkopfschmerzes disku-            den, die sowohl Symptome eines Cluster-       und eine Verordnung für Sauerstoffgeräte
    tiert. Für die typische Klinik der TAKs mit         kopfschmerzes als auch die einer Trigemi-     sind als Muster unter http://www.dmkg.
    Kopfschmerzen und autonomen Begleit-                nusneuralgie aufwiesen. Diese Patienten       de zum Herunterladen oder Ausdrucken
    symptomen wird die Aktivierung des kau-             erhalten beide Diagnosen. Das Wichtig-        verfügbar. Wenn nicht bekannt ist, ob Sau-
    dalen, nozizeptiven, trigeminalen Kern-             keit dieser Beobachtung liegt darin, dass     erstoff hilft, ist es empfehlenswert, dies
    komplexes im Hirnstamm verantwortlich               beide Erkrankungen separat behandelt          vor der Verschreibung von Sauerstoff zu
    gemacht, welcher über einen trigeminoau-            werden müssen, um Schmerzfreiheit zu          testen. Hierzu werden Patienten für 1 oder
    tonomen Reflexbogen die parasympathi-               erreichen.                                    2 Tage stationär aufgenommen.
    schen oberen salivatorischen Kerngebie-
    te stimuliert. Dies bewirkt eine Erhöhung            Cluster und Migräne                          Lidocain. Hier führt die nasale Instillation
    der regionalen intra- und evtl. extrakrani-          Neben der Tatsache, dass ein CK und ei-      in das zum Kopfschmerz ipsilaterale Na-
    ellen zerebralen Durchblutung durch Än-              ne Migräne parallel bestehen können,         senloch von 1 ml 4%iger Lidocainlösung

372 |   Der Schmerz 5 · 2004
Zusammenfassung · Abstract

bei um 45° rekliniertem und um ca. 30–40°      Schmerz 2004 · 18:370–377
zur betroffenen Seite rotiertem Kopf bei ca.   DOI 10.1007/s00482-004-0359-6
                                               © Springer Medizin Verlag 2004
25–30% der Patienten ebenfalls innerhalb
weniger Minuten zu einer Attackenkupie-        A. May
rung [11].
                                               Kopfschmerzattacken und autonome Symptome
 Sumatriptan. Der Serotoninagonist Su-
 matriptan führt in einer Dosis von 6 mg       Zusammenfassung                                 tensive, individuell auf den Patienten zu-
 subkutan appliziert bei ca. 75% der Pa-       Nach der neuen IHS-Klassifikation werden        geschnittene Kombination der verschie-
 tienten innerhalb von 5–20 min zur Be-        der Clusterkopfschmerz, die paroxysmale         denen Therapieoptionen. Obwohl ausrei-
 schwerdefreiheit [20] und ist, wenn die       Hemikranie und das SUNCT-Syndrom un-            chend gute, vergleichende Studien rar sind,
 Kontraindikationen beachtet werden,           ter dem Begriff trigeminoautonome Kopf-         kann in der Praxis bei der Mehrzahl der Fäl-
 sehr sicher. Darüber hinaus sind Suma-        schmerzen (TAK’s) zusammengefasst. Sie          le eine positive Beeinflussung der Schmer-
 triptan (Imigran® s.c.) in der Akutbehand-    unterscheiden sich in Dauer, Frequenz,          zattacken erreicht werden.
 lung und Lithium (Quilonum®) für die          Rhythmik und Intensität der Schmerzat-
 präventive Behandlung in Deutschland          tacken. Autonome Begleitsymptome tre-           Schlüsselwörter
 die einzigen für die Indikation Cluster-      ten mehr oder weniger stark ausgeprägt          Trigeminoautonome Kopfschmerzen ·
 kopfschmerz zugelassenen Substanzen.          auf. Die Therapie der trigeminoautono-          Clusterkopfschmerz · Therapie ·
 Inzwischen gibt es eine ganze Familie an      men Kopfschmerzen erfordert eine zeitin-        EBM-Kriterien
„Triptanen“, die theoretisch alle bei Clus-
 terkopfschmerzattacken helfen könnten.
 Für Zolmitriptan wurde dies gezeigt. Da       Headache attacks with ipsilateral autonomic symptoms
 die eigentliche Attacke nur 30–120 min
 dauert, ist eine oral zugeführte Medikati-    Abstract
 on nicht indiziert.                           Following the new IHS-classification, clus-     cin. Acute cluster headache attacks can be
                                               ter headache, paroxysmal hemicrania and         treated with inhalation of oxygen or sero-
Prophylaxe                                     SUNCT syndrome are included into the clas-      tonin agonists, whereas verapamil is the
                                               sification as trigemino-autonomic cephal-       drug of choice in the prophylactic treat-
Verapamil. Ist in der Dosierung von 3- bis     gias (TAC’s). Clinically, they share strictly   ment. This review covers the clinical pic-
4-mal täglich 80 mg das Mittel der 1. Wahl     halfsided head pain with autonomic symp-        ture and therapeutic options. Allthough
bei episodischem und chronischem Clus-         toms. The headaches often occur during          studies following the criteria of evidence
terkopfschmerz [12, 15]. In Abhängigkeit       particular sleep stages and are associated      based medicine (EBM) are rare, most pa-
vom Therapieerfolg muss manchmal von           with other chronobiologic factors. Broadly      tients can be treated sufficiently.
erfahrenen Spezialisten unter kardialer        the management of TAC’s comprises acu-
Kontrolle auch höher (>720 mg) dosiert         te and prophylactic treatment. Paroxysmal       Keywords
werden [12]. Ein EKG und Blutbildkontrol-      hemicrania and hemicrana continua ha-           Trigemino-autonomic cephalgia ·
len vor Therapiebeginn müssen veranlasst       ve a very robust response to indometha-         Cluster headache · Treatment · EBM criteria
werden. Aufdosiert wird in 80-mg-Schrit-
ten alle 3–4 Tage. Ab 480 mg Tagesdosis
sind alle 160 mg EKG-Kontrollen und ggf.
ein Herzecho zu veranlassen, bevor erneut
in 80-mg-Schritten erhöht wird.

Kortikosteroide. Werden meist nur noch
additiv, z. B. im Sinne einer überbrücken-
den Therapie bei langsamem Wirkungs-
eintritt von Verapamil eingesetzt [2]. Emp-
fohlen wird folgendes Dosierungsschema:
Prednison, beginnend mit der morgendli-
chen Einzelgabe zwischen 60 und 100 mg
für 5 Tage, dann alle 4–5 Tage um 10 mg
abdosieren. Eine Wirkung ist ca. bei 70–
80% der Patienten zu erwarten, kontrol-
lierte Studien zum Einsatz von Kortikos-
teroiden bei Clusterkopfschmerzen gibt
es nicht.

                                                                                                                     Der Schmerz 5 · 2004     | 373
Schwerpunkt: Kopfschmerz
        Tabelle 2

        Attackenmedikation des Clusterkopfschmerzes
        Name                   Wirkung/Bemerkungen                                   Dosierung
        Sauerstoff             Erfolg ca. 60%                                        >8 l 100%igen O2 über 15–20 min über Gesichtsmaske(!)
                               Verschreibungsmuster unter http://www.dmkg.de         in sitzender, vornüber geneigter Position
        Lidocain               Erfolg bei ca. 25–30%                                 1 ml 4%ige Lidocainlösung in das ipsilaterale Nasenloch bei 45°
                               Versuch bei Patienten mit KI für Triptane             nach hinten rekliniertem und 30–40° zur ipsilateralen Seite
                                                                                     geneigtem Kopf
        Sumatriptan            Med. Mittel der 1. Wahl zur Attackenkupierung         6 mg s.c. mit Autoinjektor, bei Spritzenphobie oder starken NW
                               Bei >75% der Patienten innerhalb von 5–20 min         20 mg als Nasenspray möglich
                               sicher Beschwerdefreiheit
                               Orale Medikationen wirken zu spät
                               (meist erst nach der Attacke)
        Zolmitriptan           Eine Studie zur Wirksamkeit                           5 mg p.o.; besser 5 mg als Nasenspray
                               Geeignet für Patienten mit moderaten,
                               langandauernden Attacken

        Tabelle 3

        Prophylaktische Medikation des Clusterkopfschmerzes
        Name                   Wirkungsweise                                         Dosierung
        Verapamil              Mittel der 1. Wahl bei episodischem                   80 mg oral (1-1-1) täglich, zunächst Zieldosis bis 360 mg/Tag
                               und chronischem CK                                    Unter Ausschluss von KI bis 720 mg/Tag und in Einzelfällen
                               zur Prophylaxe                                        höher möglich (BB- und EKG-Kontrolle), Mitarbeit Kardiologe
                               Wirkungseintritt abhängig von der Dosis
                               nach ca. 2–3 Wochen
                               Zur Überbrückung bis Wirkeintritt Prednison
                               oder Ergotamintartrat (1–2 mg als Supp. abends)
        Lithium                Einige Studien geben eine dem Verapamil               600–1500 mg retard oral (Beginn mit 400 mg,
                               vergleichbare Wirkung von 70% an                      entspricht 2-mal 10,8 mmol)
                               Daher und aufgrund zahlreicher NW bevorzugt           Nach 4 Tagen steigern auf 2-mal 400 mg usw.
                               bei chron. CKS, bei denen andere Optionen versagen    Regelmäßige Spiegelkontrollen
        Kortikoide             Additiv zur Überbrückung bis zum Wirkungseintritt     Initial morgens 250 oder 500 mg i.v. oder 60–100 mg p.o.
                               von Verapamil                                         über 5 Tage, dann alle 4 Tage um 10 mg reduzieren
                               Begleitend Magenschutz geben
        Valproinsäure          Versuchsweise bei Versagen anderer Therapieoptionen   Initial 5–10 mg/kg KG, dann alle 4 Tage um 5 mg erhöhen
                               indiziert (jedoch immer Mittel 3. Wahl)               (bis 20 mg/kg KG)
                               Wirkungseintritt evtl. erst nach 4 Wochen             Bei Erwachsenen ca. 1200 mg/Tag
        Methysergid            Mittel 2. Wahl                                        Initial 1 mg/Tag
                               Wirkungseintritt nach 3–7 Tagen                       Dann erhöhen auf 8–12 mg/Tag
                               Mindestens ein Monat Pausierung nach Verwendung       Nur über internationale Apotheke
        Topiramat              Wirkungseintritt nach 2–3 Wochen                      Aufdosierung mit 25 mg/Woche bis 200 mg/Tag

    Lithiumkarbonat. Wird in Dosen zwi-                  Woche [3]. Vor Therapiebeginn muss ei-          Der Wirkungseintritt kann bis zu 4 Wo-
    schen 600 und 1500 mg eingesetzt. Es                 ne Überprüfung der Elektrolyte, der Nie-        chen dauern.
    ist die einzige in Deutschland für diese             renwerte, der Schilddrüsenfunktion und
    Indikation (Prophylaxe der Clusterkopf-              des EKG erfolgen.                               Methysergid. War in der retardierten
    schmerzen) zugelassene Substanz (Quilo-                                                              Form in Deutschland bislang beim episo-
    num®). Der Plasmaspiegel von 1,2 mmol/               Valproinsäure. In nur wenigen, meist of-        dischen Clusterkopfschmerz Mittel der
    l sollte nicht überschritten werden, ein             fenen Studien wurde Valproinsäure einge-        2. Wahl. Allerdings ist Methysergid nur
    Serumspiegel von mindestens 0,4 mmol/                setzt. Die Ergebnisse waren heterogen [8].      noch in der nichtretardierten Form über
    l scheint für eine effektive Therapie nötig          Valproinsäure wird initial mit 5–10 mg/         die internationale Apotheke zu beziehen.
    zu sein, ideal sind 0,6–0,8 mmol/l. Der              kg Körpergewicht begonnen und sukzessi-         Die Dosierung beginnt mit 1 mg/Tag und
    Wirkungseintritt erfolgt innerhalb einer             ve bis 20 mg/kg Körpergewicht gesteigert.       sukkzessiver Aufdosierung bis auf 9 mg/

374 |   Der Schmerz 5 · 2004
Tag in 2–3 Einzeldosen/Tag [2]. Die Wir-      Tiefenhirnstimulation des posterioren,         barkeit der Schmerzepisoden durch Kopf-
kung wird durchschnittlich nach 3–7 Ta-       inferioren Hypothalamus diskutiert. Ers-       wendung oder Druck auf die Segmente
gen erzielt. Wegen der Gefahr retroperi-      te hoffnungsvolle Erfahrungen liegen           C2/C3.
tonealer und pulmonaler Fibrosen (Inzi-       vor [7].                                          Ein entscheidendes Unterscheidungs-
denz ca. 1:20.000) sollte es nicht länger                                                    merkmal zum Clusterkopfschmerz ist die
als 3 Monate gegeben werden. Beim episo-      Off-label-Problematik                          Behandelbarkeit mit Indometacin [1]. Das
dischen Clusterkopfschmerz ist jedoch die-                                                   sichere Ansprechen der Patienten auf die-
se Gefahr wegen des begrenzten Einnah-        In zunehmendem Maße haben niederge-            se Substanz ist diagnostisch wegweisend
mezeitraums kaum gegeben. Grundsätz-          lassene Ärzte, aber auch Spezialambulan-       für die CPH oder die Hemicrania conti-
lich gilt, dass Methysergid wegen des ra-     zen Regressforderungen wegen indikati-         nua. Bereits nach einer Woche (oft inner-
schen Wirkungseintritts und der nur be-       onsüberschreitender Verschreibung zu be-       halb von 3 Tagen) ist unter der Medikati-
grenzten zeitlichen Einsatzmöglichkeit        fürchten. Dies gilt insbesondere für die Be-   on mit einem deutlichen Rückgang der Be-
vorwiegend Patienten zugute kommen            handlung primärer Kopfschmerzerkran-           schwerden zu rechnen.
sollte, die unter kurz dauerndem episodi-     kungen. Für die Behandlung von Kopf-
schem Clusterkopfschmerz leiden (in der       schmerzen bei Kindern sind in Deutsch-         Epidemiologie
Regel
Schwerpunkt: Kopfschmerz

    mal täglich) und sind streng einseitig pe-      der Gruppe 3. Im Gegensatz zum Clus-          ten diese Schmerzen bei Patienten mit ei-
    riorbital. Wie alle TAKs geht das SUNCT         terkopfschmerz klagen Patienten mit ei-       nem zugrundeliegenden primären Kopf-
    mit autonomen Begleitsymptomen einher,          ner Hemicrania continua über einen            schmerzsyndrom auf. Unter diese Kopf-
    jedoch beschränken sie sich im Allgemei-        kontinuierlich vorhandenen Schmerz,           schmerzform werden das häufige „Jabs-
    nen auf die konjunktivale Injektion und         auf den einzelne Schmerzattacken un-          and-jolts-Syndrom“ (randomisiert auf-
    die obligtorisch ausgeprägte Lakrimation.       terschiedlicher Länge aufgepfropft sind,      tretende, räumlich eng begrenzte, ste-
    Auch beim SUNCT-Syndrom gibt es eine            die dann häufig mit autonomen Begleit-        chende Kopfschmerzen), die „icepick-
    episodische und eine chronische Verlaufs-       symptomen einhergehen. Darüber hi-            like pains“ (auch auslösbar durch Kälte)
    form.                                           naus sind die Intensität in der Regel et-     und die „Ophthalmodynie“ (Sekunden
        Der Unterschied zum Clusterkopf-            was milder und die autonome Mitbeteili-       andauernde, lancierende Schmerzen im
    schmerz ist die wesentlich höhere Atta-         gung schwächer ausgeprägt. Ebenso wie         Augenwinkel) subsummiert. Autonome
    ckenfrequenz, die kürzere Dauer einzel-         bei der CPH ist ein Indometacinversuch        Begleitsymptome fehlen meist. Bei hoher
    ner Schmerzattacken und der neuralgi-           das entscheidende diagnostische Kriteri-      und beeinträchtigender Attackenzahl
    forme Charakter der Schmerzen. Bei der          um und zugleich die einzig sicher wirksa-     kann bei allen primär stechenden Kopf-
    klassischen Trigeminusneuralgie, die dif-       me Therapie [16].                             schmerzen Indometacin mit z. T. ausge-
    ferenzialdiagnostisch ausgeschlossen wer-           Der hypnische Kopfschmerz weist           zeichnetem Erfolg eingesetzt werden.
    den muss, ist die Attackenfrequenz der          nicht die typischen autonomen Begleit-
    ebenfalls elektrisierend einschießenden         symptome auf [10]. Den TAKs ähnlich           Korrespondierender Autor
    Schmerzepisoden in der Regel noch höher         ist jedoch das attackenartige Auftreten       Priv.-Doz. Dr. A. May
    (bis zu mehreren 100-mal täglich) und es        der Schmerzen, die oftmals auch ei-           Neurologische Klinik,
    fehlen die autonomen Begleitsymptome.           nen der CPH oder der HC ähnlichen             Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE),
    Im Gegensatz zum SUNCT-Syndrom be-              Schmerzcharakter besitzen, außerdem           Martinistr. 52, 20246 Hamburg
    trifft die Trigeminusneuralgie bevorzugt        die zirkadianen Eigenschaften dieses          E-Mail: a.may@uke.uni-hamburg.de
    den 2. und 3. trigeminalen Ast allein oder      Kopfschmerz in Form von streng nächt-
                                                                                                  Interessenkonflikt: Der korrespondierende
    in Kombination.                                 lichem Auftreten der Attacken, oftmals        Autor versichert, dass keine Verbindungen mit
                                                    zu einer bestimmten Uhrzeit oder aus          einer Firma, deren Produkt in dem Artikel ge-
    Epidemiologie                                   den REM-Schlafphasen heraus [5]. Un-          nannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenz-
                                                    terschiedlich sind dagegen das bereits        produkt vertreibt, bestehen.
    Daten zur Prävalenz und zur geschlechtli-       erwähnte Fehlen autonomer Sympto-
    chen Verteilung für dieses Syndrom zu er-       me, die mittlere Intensität und die häu-      Literatur
    heben, gestaltet sich bei der niedrigen Pati-   fig bifrontale Lokalisation der Schmer-
    entenfallzahl äußerst schwierig. Es handelt     zen. Die Dauer der Episoden liegt bei          1. Antonaci F, Sjaastad O (1989) Chronic paroxysmal
                                                                                                      hemicrania (CPH): a review of the clinical manifes-
    sich um eine extrem seltene Kopfschmer-         30–120 min. Als wirksam und hoch spe-             tations. Headache 29(10):648–656
    zerkrankung. Das Verhältnis Frauen zu           zifisch hat sich das Trinken von Kaffee er-    2. Dodick DW, Capobianco DJ (2001) Treatment and
    Männern wird mit 1:17 geschätzt.                wiesen [17]. Medikamentös ist die Gabe            management of cluster headache. Curr Pain Head-
                                                                                                      ache Rep 5(1):83–91
                                                    von Lithium oder Verapamil Mittel der          3. Ekbom K (1981) Lithium for cluster headache: re-
    Therapie                                        1. Wahl. Kontrollierte Studien existieren         view of the literature and preliminary results of
                                                    nicht. Indometacin ist nur bei 20–30%             long-term treatment. Headache 21(4):132–139
                                                                                                   4. Ekbom K (1995) Treatment of cluster headache: cli-
    Derzeit ist eine wirksame Therapie nicht        der Patienten wirksam.                            nical trials, design and results. Cephalalgia 15:33–
    bekannt. Die bei der CPH oder HC erfolg-            Ebenfalls abzugrenzen von den tri-            36
    reich angewendete Substanz Indometacin          geminoautonomen Kopfschmerzen, je-             5. Evers S, Rahmann A, Schwaag S, Ludemann P, Huss-
                                                                                                      tedt IW (2003) Hypnic headache – the first German
    ist nicht wirksam. Studien zur Behandel-        doch differenzialdiagnostisch wich-               cases including polysomnography. Cephalalgia
    barkeit existieren nicht, lediglich einzel-     tig, sind die primär stechenden Kopf-             23(1):20–23
    ne Fallberichte in der Literatur berichten      schmerzen (idiopathic stabbing heada-          6. Förderreuther S, Mayer M, Straube A (2002) Treat-
                                                                                                      ment of cluster headache with topiramate: ef-
    vereinzelte Erfolge durch die Gabe von          ches). Bei dieser eigenständigen Grup-            fects and side-effects in five patients. Cephalalgia
    Lamotrigen, Gabapentin und Topiramat,           pe handelt es sich um paroxysmal auftre-          22(3):186–189
    z. T. in Kombination.                           tende, nur wenige Sekundenbruchteile           7. Franzini A, Ferroli P, Leone M, Broggi G (2003) Sti-
                                                                                                      mulation of the posterior hypothalamus for treat-
                                                    bis Sekunden andauernde Schmerzatta-              ment of chronic intractable cluster headaches:
    Weitere Differenzialdiagnosen                   cken, die einzeln oder in Serien auftre-          first reported series. Neurosurgery 52(5):1095–
    zu den TAK                                      ten und umschriebene Areale am Kopf               1101
                                                                                                   8. Gallagher RM, Mueller LL, Freitag FG (2002) Di-
                                                    betreffen. Der Schmerzcharakter wird              valproex sodium in the treatment of migraine
    Die Hemicrania continua und der hyp-            als stechend (stabbing) und mit Bezug             and cluster headaches. J Am Osteopath Assoc
    nic headache werden nach der neuen              zur Intensität als leicht bis mittelgradig        102(2):92–94
                                                                                                   9. Goadsby PJ (1999) Short-lasting primary heada-
    Klassifikation in der Gruppe 4, „andere         beschrieben. Er tritt einmal/Jahr bis 100-        ches: focus on trigeminal automatic cephalgias
    primäre Kopfschmerzen“, geführt. Jedoch         mal/Tag auf und wiederholt sich in unre-          and indomethacin-sensitive headaches. Curr Opin
    besitzen sie viele Gemeinsamkeiten mit          gelmäßigen Zeitabständen. Gehäuft tre-            Neurol 12(3):273–277

376 |   Der Schmerz 5 · 2004
Fachnachrichten

10. Headache Classification Committee of the Interna-     Disease-Management-Pro-                        des Hausarztes, denn bereits sechs Mo-
    tional Headache Society (2004) The International
    Classification of Headache Disorders, 2nd edn. Ce-    gramm (DMP) Rückenschmerz                      nate reichen, um den Patienten in eine
    phalalgia 24 [suppl 1]:1–160                                                                         chronische Erkrankung mit Verlust des
11. Markley HG (2003) Topical agents in the treat-        80 Prozent aller Deutschen leiden min-         Arbeitsplatzes zu bringen. Eine bessere
    ment of cluster headache. Curr Pain Headache Rep
    7(2):139–143                                          destens einmal in ihrem Leben unter            Versorgung kann aber nur durch eine
12. Matharu MS, Boes CJ, Goadsby PJ (2003)                starken Rückenschmerzen, die bei den           leitliniengerechte Aus- und Weiterbildung
    Management of trigeminal autonomic cephalgi-          Ursachen von Arbeitsausfalltagen auf dem       der Behandler sowie eine professionelle
    as and hemicrania continua. Drugs 63(16):1637–
    1677                                                  ersten Platz rangieren. Bei jedem zehnten      Qualitätssicherung der durchgeführten
13. Matharu MS, Bartsch T, Ward N, Frackowiak RS,         Betroffenen entwickeln sie sich zu einem       Maßnahmen erreicht werden. Beide Punk-
    Weiner R, Goadsby PJ (2004) Central neuromodu-        chronischen Leiden, das nicht nur die Le-      te sieht die DGSS mit dem Pilotprojekt des
    lation in chronic migraine patients with subocci-
    pital stimulators: a PET study. Brain 127             bensqualität erheblich beeinträchtigt, son-    DMP Rückenschmerz verwirklicht, dessen
    (Pt 1):220–230                                        dern auch zum Verlust des Arbeitsplatzes       primäres Ziel es ist, den Patienten vor
14. May A, Leone M (2003) Update on cluster heada-        führen kann. Dennoch gibt es bisher keine      den physischen und psychischen Folgen
    che. Curr Opin Neurol 16(3):333–340
15. May A, Evers S, Straube A, Pfaffenrath V, Diener H    allgemein anerkannten und angewandten          einer chronischen Schmerzkrankheit zu
    (2004) Therapie und Prophylaxe von Cluster            Leitlinien zur Behandlung von Patienten        bewahren.
    Kopfschmerzen und anderen Trigemino-Auto-             mit Rückenschmerzen, deren Versorgung              Eine optimale Versorgung von
    nomen Kopfschmerzen. Nervenheilkunde, im
    Druck                                                 vielfach ungenügend ist. Wesentliche Fort-     Schmerzpatienten zahlt sich aber auch
16. Pareja JA, Vincent M, Antonaci F, Sjaastad O (2001)   schritte verspricht das von der Deutschen      ökonomisch aus. Denn allein chronische
    Hemicrania continua: diagnostic criteria and noso-    Gesellschaft zum Studium des Schmerzes         Rückenschmerzen verursachen in Deutsch-
    logic status. Cephalalgia 21(9):874–877
17. Raskin NH (1995) The cough headache syndrome:         (DGSS) und der Firma Grünenthal initi-         land gesamtwirtschaftliche Kosten in Höhe
    treatment. Neurology 45(9):1784                       ierte Disease-Management-Programm              von 17 Mrd. Euro pro Jahr. Das DMP ist in
18. Schwaag S, Frese A, Husstedt IW, Evers S (2003)       (DMP) Rückenschmerz, das sich auf die          mehreren deutschen Ärztenetzen und in
    SUNCT syndrome: the first German case series. Ce-
    phalalgia 23(5):398–400                               Erkenntnisse der evidenzbasierten Medizin      Kooperation mit Krankenkassen erfolg-
19. Sjaastad O (ed) (1992) Cluster headache syndrome.     gründet und im Dezember letzten Jahres         reich angelaufen, und weitere Krankenkas-
    Saunders, London                                      gestartet wurde.                               sen haben bereits ihr Interesse bekundet,
20. The Sumatriptan Cluster Headache Study Group
    (1991) Treatment of acute cluster headache with           Basis für die Entwicklung des DMP Rü-      das Programm als Basis für Verträge im
    sumatriptan. N Engl J Med 325(5):322–326              ckenschmerz war die Analyse der verfüg-        Rahmen integrierter Versorgungsmodelle
                                                          baren Leitlinien, anhand derer Vorgaben        zu übernehmen. Derzeit läuft es mit rund
                                                          für Diagnostik, Therapie und Kooperation       60 Ärzten, durch deren Feedback das DMP
                                                          der einzelnen Versorgungsebenen erstellt       weiter an die Bedürfnisse in der Praxis
                                                          wurden. Dies erfolgte in interdisziplinärer    angepasst werden konnte. Nach Abschluss
                                                          Zusammenarbeit aller Beteiligten, zu de-       der Pilotphase soll es ab Januar 2005
                                                          nen neben Hausärzten und Orthopäden            evaluiert werden, um anschließend in
                                                          auch Physiotherapeuten und Sprechstun-         verschiedenen Regionen in den regulären
                                                          denhilfen zählten.                             Betrieb zu gehen.
                                                              Ein wesentlicher Unterschied zu ande-
                                                          ren DMPs besteht in der elektronischen                 Quelle: Deutsche Gesellschaft zum
                                                          Datenerfassung. Hierdurch konnte nicht               Studium des Schmerzes e. V. (DGSS),
                                                          nur die Fehlerrate auf Null gesenkt werden,                                      Bochum
                                                          auch erhält der Arzt in kritischen Situati-
                                                          onen umgehend eine Rückmeldung mit
                                                          Hinweisen, die zu einer Veränderung der
                                                          Behandlung umgesetzt werden können.
                                                          Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Pra-
                                                          xiskarte zum Problem der Schmerzchro-
                                                          nifizierung. Auf der einen Seite sind die
                                                          „Yellow Flags“ aufgelistet, die als weiche
                                                          Indikatoren auf die Möglichkeit einer Chro-
                                                          nifizierung hinweisen. Auf der anderen
                                                          Seite finden sich die „Red Flags“, bei denen
                                                          eine enge Beobachtung des Patienten
                                                          erforderlich ist.
                                                              Die Prävention der Schmerzchronifizie-
                                                          rung zählt zu den wichtigsten Aufgaben

                                                                                                                              Der Schmerz 5 · 2004    | 377
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