Krankheit und Yoga Der Versuch einer Annäherung
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THEMA Fragen und diese Fragen sind für viele Krankheit und Yoga die gleichen. Was? Der Versuch einer Zuerst ist da ein großes Bedürfnis zu Annäherung wissen: „Was ist eigentlich los?“. Haben wir sehr hohes Fieber, ohne daß wir uns dies erklären könnten, dann ist das sehr beunruhigend. Können wir das gleiche Fieber aber „verstehen“, weil wir vermuten, uns wohl beim Nachbarn mit einer Grippe angesteckt haben, dann können wir schon viel besser damit umgehen. Jeden Schmerz, den wir spüren, ver- suchen wir einzuordnen, erklärlich zu machen. Erklären zu wollen, was hin- Auch wenn es der Erzählung nach das Gewahrwerden von ter einem Symptom steckt, ist für die Krankheit, (neben Alter und Tod) brauchte, damit sich der ver- meisten Betroffenen von großer Wichtigkeit. Dabei gibt es viele unter- wöhnte Prinz Siddharta auf den WegW machte, Buddha zu werden, schiedliche Ebenen, auf denen solche gibt es sicher noch viele andere und angenehmere Anlässe als Erklärungen gesucht und gefunden werden können. Oft kann einfach die Krankheit, um über uns und unsere Aufgabe im Leben nachzuden- Schulmedizin die gefragten Ant- kken. Wichtig ist die Frage nach Gesundheit und Krankheit aber worten liefern. Nicht selten wird es sogar als Enttäuschung empfunden, dennoch sicherlich für jeden Menschen. Im Berliner Yoga Zentrum wenn etwa selbst eine aufwendige führen wir viele Gespräche mit Menschen, die von Krankheit be- Computer-Röntgenuntersuchung kei- troffen sind. Manche davon kommen zum Yoga wegen ihrer nen Befund zeigt, obwohl an der durchleuchteten Stelle doch so starke Krankheit, manche kommen mit der Frage, ob sie angesichts der Beschwerden zu spüren sind. „Da Einschränkungen, die sich aus einer Erkrakung ergeben, trotzdem muß doch etwas sein!“ Eigentlich könnten wir uns freuen, daß eine Yoga üben können. Oft wird Krankheit aber auch nur deshalb Störung noch keinen Knorpel oder Thema, weil es gilt, in einer Yoga Y praxis Rücksicht zu nehmen auf Knochen ernsthaft verändert hat. Aber das Bedürfnis nach einer hand- eine ansonsten wenig beeinträchtigende Nebensächlichkeit. festen Erklärung für unsere Krankheit Der folgende Artikel möchte einige Fragen zum Umgang mit ist oft so groß, daß wir uns manchmal trotz eines schlechten Befundes nur Krankheit thematisieren. deshalb besser fühlen, weil es eben ein Befund ist. Auch andere Erklärungssysteme als Sich „krank fühlen“ ist in der Regel die Schulmedizin helfen Menschen, eine aktuelle Erfahrung: ein Schmerz ihre Erfahrung einzuordnen, manch- zum Beispiel, ein Unwohlsein oder die mal sogar besser. Jedes System, das Wahrnehmung, daß etwas in mir den Umgang mit dem menschlichen nicht mehr wie gewohnt funktioniert. Körper zu seinem Thema macht, sei Dieses Erleben ist auf der einen Seite es Yoga, Tai Chi, sei es Bewegungs- sehr subjektiv. Vom gleichen Schmerz therapie, Chiropraxis, seien es die ver- betroffen, wird sich der eine „sehr schiedenen naturheilkundlichen und krank“ fühlen, die andere nimmt ihn ganzheitlichen Therapien, sei es noch vielleicht kaum wahr. Andererseits etwas anderes, bietet solche reagieren die meisten Menschen, die Erklärungen an. Sie tun das aber nicht von Krankheit betroffen sind an deshalb, weil sonst das Erklärungs- einem Punkt sehr ähnlich. Sie stellen bedürfnis der Betroffenen enttäuscht V I V E K A 6 , S. 38
THEMA würde. Diese Erklärungen legen viel- aber einen Menschen über lange Zeit, noriert. Manchmal ist es ein langer mehr in ihrem Rahmen den Grund- stellen sich immer wider neu und an- Prozeß innerer Auseinandersetzung, stein dafür, wie je nach Krankheit und ders, je nachdem, wie sich die Krank- bis jemand versteht, daß der Körper Krankheitsverlauf solche Systeme mit heit und wie sich die Person selbst tatsächlich krank ist und diese dem kranken Menschen umgehen. verändert. Situation eine Änderung im gewohn- Selbst hinter jedem kleinen Rat, der ten Verhalten verlangt. Diese sich auf eine Erkrankung bezieht, Schwierigkeiten kennen wir natürlich steckt ja ein ganzes System von Vor- Krankheit als Hindernis auch von unserer Haltung her, wie stellungen, Annahmen, Schluß- wir âsana üben. Wie schwer fällt es folgerungen. Diese Fragen zeigen, daß in der den meisten Yogaübenden, wenn sie Reaktion auf Krankheit zuerst ein einsehen müssen, daß für ihren Aspekt ganz im Vordergrund steht: Körper eine bestimmtes âsana jetzt Wie? Krankheit wird erlebt als Beeinträch- eine Überlastung ist, wo dessen tigung, als Hindernis, so wie es auch Praxis doch bisher noch ohne Was muß ich erwarten, wie werden Patañjali im Yoga Sûtra beschreibt. Probleme möglich war. Dazu brau- sich die Symptome entwickeln? Krankheit schränkt uns ein, nimmt chen wir nicht einmal über Krankheit Vielleicht ist das die entscheidende uns einen Teil unserer Freiheit und wir sprechen. Der normale Prozeß des Frage überhaupt. Wenn wir sicher empfinden dies als Störung. Das Alterns, der den Körper und seine sind, daß unser Leiden nur vorüberge- Bedürfnis nach Einordnung, Benen- Leistungsfähigkeit verändert, gibt hender Natur ist, dann mag es uns nung einer Krankheit und die Fragen genug Beispiele dafür, wie gerne vielleicht in wichtigen Unter- nach deren möglichen Verlauf, sind Veränderung ignoriert wird. nehmungen stören, Pläne durcheinan- deshalb so wichtig, weil wir wissen derbringen, aber wir werden uns wollen, wie sehr die Krankheit unsere schließlich damit zurechtzufinden. bisherigen Möglichkeiten verändert. Leben wir aber mit der Unsicherheit, Wir fürchten Einschränkung, Schmerz, Akzeptanz ist nicht ob es vielleicht mehr werden könnte Leid und das macht uns Angst. Resignation als nur eine Woche Schmerzen oder Gerade in den heutigen Diskussionen Übelfühlen, sieht es schon anders aus. über Krankheit wird dieser Aspekt oft Krankheit als Einschränkung zu ak- Zu wissen, was ich habe, soll Sicher- zu wenig beachtet. Es ist nichts zeptieren, muß aber keineswegs heit darüber bringen, welche Perspek- Falsches daran, Krankheit erst einmal heißen, daß wir in der dadurch ent- tiven sich daraus für mich ergeben als Störung und Hindernis zu sehen. standenen Unfreiheit gefangen blei- (Leider ist dies nicht immer der Fall). Im Gegenteil, diese Reaktion ist ben. Genau das Gegenteil ist der Fall. durchaus positiv. Sie ist auch Wenn ich mich zum Beispiel als Sech- Ausdruck jener Kraft in uns, die uns zigjährigeR einmal damit abgefunden Was kann ich tun? am Leben hält. Wenn ich zum Beispiel habe, daß mein Körper auf Belastun- im Winter nasse Füße bekomme, gen nicht mehr so flexibel wie vor Was kann ich jetzt tun, was muß ich dann ist es das Bedürfnis, eine mögli- zwanzig Jahren reagiert, dann gibt tun, um Einfluß zu nehmen, um die che Erkältung zu verhindern, das mich mir das die Freiheit, mich gut und zu- Störung für mich günstig verlaufen zu rechtzeitig die Schuhe und Socken frieden zu fühlen mit dem, was ich lassen? Manchmal genügt es ja, nur wechseln läßt. Gesund bleiben zu jetzt kann. Gleichzeitig muß das Ak- einfach solange zu warten, bis es mir wollen, ist eine wichtige und positive zeptieren von Einschränkung keines- besser geht. Manchmal brauche ich Kraft in uns. Körperliche Gesundheit wegs heißen, diese Einschränkung Informationen, brauche fremden Rat, gibt uns Freiheit. Krankheit zwingt festzuschreiben. Auch hier ist das um zu einer guten Entscheidung zu uns, einen Teil unserer Energie auf Gegenteil richtig. Wenn ich einmal kommen. Manchmal muß ich mich diese Krankheit zu verwenden. verstanden habe, was ich im Moment auch in die Hände anderer Menschen Krankheit begrenzt die vielfältigen meinem kranken Rücken wirklich zu- begeben, die mich dann „behan- Lebensprozesse des Körpers, manch- muten kann und was ich ihm besser deln“. mal vereinnahmt sie diese sogar ganz. erspare, dann ist damit zweierlei ge- Früher wurden Krankheiten deshalb wonnen. Einmal höre ich auf, ihn im Volksglauben oft dem Umstand durch falsches Verhalten noch in ein Warum ich, warum jetzt? zugeschrieben, von einem Dämon be- immer größeres Ungleichgewicht zu sessen zu sein. Als Beschreibung ist ziehen. Zum anderen weiß ich, von Ist eine Erkrankung ernsthaft genug, das ganz anschaulich: Seine Freiheit wo aus und wie ich beginnen kann, stellen viele Me nschen daran schließ- ist mit der Unfreiheit des oder der meinem Rücken wieder belastbarer, lich auch noch die Frage: Warum ich, Kranken bezahlt. gesünder zu machen. warum gerade jetzt? Welche tiefen Manchmal braucht es allerdings einige Gründe gibt es für mein Leiden? Gibt Zeit, bis wir verstanden haben, daß Krankheit als Tabu T es einen Sinn dahinter, und wenn ja, eine Störung, unter der wir leiden, welchen? Manchmal dauert es nur ein tatsächlich Einschränkung ist. Der Manchmal kann man hören, Yoga- paar Stunden oder Tage, bis auf diese Rücken schmerzt, aber der Betroffene Unterricht sei nur für Gesunde ge- Fragen (und sicher noch einige andere belastet sich weiter ungesund wie ge- dacht. Sehen wir einmal davon ab, mehr) die nötigen Antworten gefun- wohnt. Der Schmerz ist da, aber es daß das natürlich schon deshalb den sind. Oft begleiten diese Fragen werden die nötigen Konsequenzen ig- Unsinn ist, weil sich bei einem einfa- V I V E K A 6 , S. 39
THEMA chen Nachfragen herausstellen würde, hung für die Lebensperspektive zu Um innezuhalten, braucht es Ruhe; daß nicht wenige der Teilnehmer an groß: Eine Tänzerin leidet seit Jahren Ruhe auch von akuten bohrenden Yogakursen gerade deshalb gekom- unter immer massiver wiederkehren- Beschwerden. Deshalb können wir men sind, weil sie sich nicht gesund den Schmerzen im Lendenbereich, uns im Fall eines schmerzenden genug fühlen. Und sehen wir auch sieht für sich aber jedesmal einen Rückens auch ohne Bedenken erst davon ab, daß sich bei einem solchen neuen Grund, warum es gerade die- einmal darum kümmern, wie sich die Herangehen schnell die Frage stellt, ses eine mal so gekommen ist. „Ei- Schmerzen verringern lassen, und was heißt eigentlich „krank“ und wer gentlich“ ist der Rücken in Ordnung, wenn einige Yogaübungen dabei hel- bestimmt, wann das anfängt und auf- „wäre da nicht diese eine dumme fen können, ist das schön. Dahinter hört? Was bleibt, ist die Tatsache, daß Bewegung gewesen...“. die Gefahr zu sehen, ein Symptom solche Vorstellungen Krankheit leicht Die erste Bedingung, Krankheit per- würde nur weggeschoben, ohne wirk- zu einem Makel machen. sönlich oder im Umgang mit anderen lich „bearbeitet“ zu werden, ist Yogaunterrichtende sprechen ja viel nicht zum Tabu werden lassen zu töricht. Innehalten heißt nicht nur, frei von Gesundheit und davon, wie wich- müssen, ist die Einsicht, daß Krankheit sein vom Druck der täglichen tig es ist, etwas für ihre Erhaltung zu immer und für jeden im Bereich des Verpflichtungen und Aufgaben, son- tun. Gerade deshalb müssen sie be- Möglichen liegt. Der erste Schritt hin dern auch einigermaßen frei sein von sonders aufpassen, Krankheit nicht zu zum Tabuisieren von Krankheit be- drängenden körperlichen einem Tabu zu machen, nicht für sich steht tatsächlich in dem Irrglauben, Beschwerden. Selbst für Menschen, selbst und nicht für die Menschen, die wenn wir es nur richtig anstellten, denen es schon im ersten Moment zu ihnen kommen. dann müßten wir einfach gesund blei- ihres Rückenschmerzes „klar ist“, daß Dabei wäre es recht einfach, einen ben. Als hätten wir das wirklich so in sie sich übernommen haben, sich zu- normalen Umgang mit Krankheit, unserer Hand. viel zugemutet haben und daß der auch im Yogaunterricht, zu pflegen. Rückenschmerz eine Antwort darauf Was macht es große Mühe, jeman- ist, auch solche Menschen kümmern dem, der sein Knie nicht gut beugen Krankheit als Chance sich natürlich erst einmal darum, den kann, eine alternative Übung vorzu- Schmerz zu reduzieren. Unter schlagen? Warum sollte nicht die Die Menschen kommen zum Yoga, Schmerzen lassen sich keine klaren Mühe lohnen, jemanden mit einem weil sie sich besser fühlen wollen. Gedanken fassen, über sich reflektie- empfindlichen unteren Rücken beizu- Mag die körperliche Ebene im ren kann man dann schon gar nicht. bringen, daß jetzt bestimmte âsana, Vordergrund stehen, mag es die gei- Die Erfahrung zeigt, daß wir uns als zum Beispiel intensive Vorbeugen stige sein, meist sind es eine Unzu- YogalehrerInnen im Zusammenhang nicht gut tun, sondern schaden? friedenheit, ein Gefühl der Einschrän- mit Krankheit getrost immer nur um Natürlich gibt es immer wieder kung, ein Leiden, das Menschen auf die Frage kümmern können, die von Situationen, in denen wir klarmachen den Weg bringt. dem Betroffenen gerade auch gestellt müssen, daß eine Person zu einem be- Ein alter Text, die „Sâmkhyakârikâ“, wird und dabei nichts versäumen. Ist stimmten Zeitpunkt im Gruppen- in der die Philosophie des Sâmkhya er- jemand bereit, sich auseinanderzuset- unterricht entweder gar nicht oder läutert wird, die auch Grundlage von zen, werden die Fragen kommen. Ist nur mit praktisch nicht leistbarem Patañjalis Yoga Sûtra wurde, beginnt jemand nicht bereit dazu, dann wer- Aufwand gut aufgehoben ist. Aber so: „Aus dem Leid selbst entsteht die den die besten Ratschläge und auch das kann man so vermitteln, daß Suche nach den Mitteln, es zu been- Erkenntnisse keine Wirkung zeigen. es nicht gleichbedeutend mit dem den“. Trotzdem ist der Einschnitt, den eine Ende von âsana -Praxis verstanden Krankheit verursacht solches Leiden Erkrankung mit sich bringt, immer wird. Wenn wir den Menschen, die und so ist für viele Krankheit ein eine große Chance, neue Wege zu wir unterrichten, achtsam begegnen, Anlaß, innezuhalten und über mehr versuchen, neue Einsichten über an- können wir ihnen leicht die Angst nachzudenken als nur die augenblick- dere und sich selbst zu gewinnen. nehmen, eine Einschränkung, die sie lichen Beschwerden. Damit das aber Aber wir dürfen auch nicht so tun, als sich zugezogen haben, würde ein möglich ist, bedarf es einiger Voraus- wären solche oder andere Krisen die Üben unmöglich machen. Wir können setzungen. Nehmen wir einmal starke einzige Möglichkeit, einen Prozeß von ihnen Alternativen aufzuzeigen, die Rückenschmerzen als Beispiel. Das Selbsterkennen zu beginnen. Nach ihre Grenzen respektieren und trotz- erste, was einen Menschen beschäf- einem Vortrag über die Bedeutung dem helfen, sie zu erweitern und viel- tigt, der unter starken Schmerzen lei- und Wichtigkeit von Krisen für den leicht schon verloren geglaubtes det, ist die Frage, wie er sie schnellst- spirituellen Weg fragte eine Zuhörerin Terrain zurückgewinnen. möglich wieder loswerden kann. Das am Ende etwas verzagt: „Und was ist Wenn Betroffene selbst ihre Krankheit ist nicht die Zeit, Antworten auf jetzt mit mir? Ich fühle mich gut, bin tabuisieren, dann tun sie es oft des- grundsätzliche Fragen zu finden, der nicht krank, keine ernsthafte Krise halb, weil ihre Umgebung Kranksein Schmerz dominiert. Überhaupt ist es weit und breit. Bin ich also ohne nicht zuläßt oder sehr negativ belegt. selten so, daß jemand, der von einer Möglichkeit, mich weiter zu ent- Eine Frau hat einen Haushalt und zwei Erkrankung akut betroffen ist, sich so- wickeln?“ Kinder zu versorgen. Ihre chronischen fort grundsätzlichen Gedanken über Alles, was wir an Erkenntnissen aus Kopfschmerzen verheimlicht sie der Ursachen machen kann und möchte. einer Krise, einer Krankheit gewinnen Familie gegenüber, um sie „nicht Natürlich kann auch ein länger an- können, entsteht nicht durch diese damit zu belasten“. dauerndes Leiden so groß sein, daß es Krankheit, sondern offenbart sich nur Manchmal ist aber auch die Bedro- einen Menschen gleichsam auffrißt. durch sie. Wenn uns zum Beispiel ein V I V E K A 6 , S. 40
THEMA Rückenschmerz darüber aufklärt, daß nicht anders“. Krankheit ist Strafe für die Kälte gestellt, weil ich die Nase wir in unserem Alltag überlastet sind, Fehlverhalten. voll habe? Oder wäre es nicht viel- uns an falschen Werten und Dieser Irrtum kann so weit gehen, daß leicht die richtigere Schlußfolgerung, Maßstäben messen, zu viel Zeit für bestimmte Erkrankungen aus be- mir wärmere Schuhe zu kaufen? Überflüssiges vertun, dann war dies stimmten mentalen Mustern abgelei- Manchen verstellen solch schnelle, auch schon vor unserem Einbruch in tet werden. Wer einen Schnupfen hat, plausibel klingende, aber kurzschlüs- die Krankheit so. Deshalb können wir der hat überhaupt „die Nase voll“, sige Begründungen von Problemen Krankheiten oder Krisen vielleicht im wer Verdauungsstörungen hat, „hält und Beschwerden den Blick auf die nachhinein dankbar sein, weil sie uns zu viel fest“, usw. Hinter solchen richtigen Lösungsmöglichkeiten. die Augen für etwas bisher Verbor- Ideen steht die Überzeugung, daß Leicht wird so auch zum Beispiel ein genes geöffnet haben. Das heißt aber körperliche Symptome direkter Aus- ernsthaftes körperliches Problem, das nicht, daß wir die Augen nicht auch druck der Struktur und Entwicklung einfach daraus resultiert, daß jemand anders, unspektakulärer, weniger unseres Geistes seien, daß Knoten in die für ihn oder sie falschen und schmerzhaft hätten öffnen können. unserem Geist im Körper ihren unmit- schädlichen âsana praktiziert, umge- Das ganze Konzept des Yogaweges, telbaren und sofort durchschaubaren deutet zu einem Problem fehlender so wie es Patañjali ausbreitet, braucht Ausdruck fänden. positiver Einstellung zum Üben. Eine keine Krisen, braucht keine Krankheit. So viel an der Vorstellung, daß sich Schlußfolgerung mit manchmal fata- Wir können auch in kleinen, behutsa- unsere geistige Befindlichkeit sich in len Auswirkungen. men Schritten klarer sehen lernen. unserem Körper ausdrücken kann, Auch scheinbar offensichtliche Aber auch das muß nicht so friedlich richtig ist, so viel ist an ihr falsch, Zusammenhänge können trügerisch ablaufen und alles, was uns auf unse- wenn sie auf einen zu einfachen sein. Ein Taxifahrer hat sich durch zu rem Weg begegnet, also auch Nenner gebracht wird. langes Sitzen in schlechten Autositzen Krankheit und Krisen, können wir - al- Sicher, ein Kettenraucher muß sich ein Ungleichgewicht im Rücken zuge- lerdings nur, wenn die Voraus- nicht wundern, wenn er an Lungen- zogen. Seit der Schmerz da ist, stellt setzungen dafür vorhanden sind - krebs erkrankt. Aber wodurch könnte er fest, daß jeder Streß den Schmerz zum Besseren nutzen. er sich den Krebs mehr verdient verstärkt, Ruhe ihn bessert. Das heißt Dennoch ist jede Krankheit auch haben, als sein ebenfalls kettenrau- keineswegs. daß Streß die eigentliche Ausdruck eines Ungleichgewichts und chender Kollege, der mit dem glei- Ursache seines Problems ist. Fast jedes trägt nicht nur die Möglichkeit in sich, chen Konsum steinalt wurde? Was ist Symptom wird sich unter Streß ver- daß wir daran wachsen, sondern auch mit einem Kind, das krank auf die schlechtern, in der Ruhe verbessern. daß wir daran scheitern können. Welt kommt? Wenn in der Dritten Würde unser Taxifahrer für die Lösung Krankheit als den Weg zu mehr Welt Tausende an einer Choleraepe- seines Rückenproblems nur versu- Erkenntnis über sich selbst zu verherr- demie sterben, weil sie kein sauberes chen, allen Streß zu vermeiden, wäre lichen, ist zynisch jenen gegenüber Trinkwasser finden und kein Geld für dies wahrscheinlich vergebliche Mühe. (und das sind sicher die meisten), die Brennholz zum Abkochen haben, was Die Lösung liegt vor allem in der Ver- in ihrer Krankheit stecken bleiben und drückt sich da für den Einzelnen in änderung seiner Arbeitsbedingungen, sich ihr Leben lang mit oberflächli- seiner Krankheit aus? oder auch darin, seinen Rücken stabi- chen Lösungen herumschlagen, weil Westeuropäer haben eine deutlich ler gegen die Anforderungen zu ma- ihr Leiden sie so in die Enge getrieben höhere Lebenserwartung und sind im chen, die langes Autofahren mit sich hat, daß sich kein Ausweg zeigte. Durchschnitt ohne jeden Zweifel kör- bringt, oder in beidem. Wenn er dabei perlich gesünder als etwa südamerika- auch noch besser mit seinem Streß nische Indios. Liegt das etwa daran, umzugehen lernt, ist das allerdings si- daß Europäer von klarerem, oder viel- cher auch von Vorteil. Wieviel Sinn macht leicht von gesünderem Geist wären? Eng ist unser Blick aber noch häufiger Krankheit? Man sollte vorsichtig mit der Behaup- in die andere Richtung. Wir suchen tung sein, in jeder Krankheit, stecke nach „mechanischen“ Erklärungen, Warum trifft einen Menschen eine ein Sinn, der sich aus der persönlichen wo doch eine Reflexion unserer Ge- Krankheit? Unser Bedürfnis nach Biographie eines Menschen ergäbe. Es samtsituation gefragt wäre. Für den Erklärungen läßt uns gerne nach ein- verengt unseren Blick auf die vielfälti- Kopfschmerz ist das Wetter, die fachen Antworten schauen. Eine die- gen Ursachen von Krankheit, wenn schlechte Luft schuld. In Wirklichkeit ser einfachen, zu einfachen wir hinter jedem Ungleichgewicht nur haben wir einen Konflikt mit der Antworten, ist die Vorstellung, daß noch eine Störung unserer psychi- Arbeitskollegin nicht gelöst und das sich jeder Mensch seine Krankheit schen Befindlichkeit vermuten. Wir drückt uns. Wir erforschen akribisch, gleichermaßen „verdiene“. hatten das Beispiel schon: Ich habe wie weit ich noch in dieses oder jenes Diese Vorstellung beruht auf der einen Schnupfen, also „muß ich ja âsana gehen kann, ohne eine Ver- Annahme, daß aus meinem wohl die Nase voll haben“, von der spannung, die mich plagt, zu spüren, Verhalten, Denken auf direktem Weg Arbeit, meiner Familie oder sonst anstatt mir grundsätzlich Gedanken Krankheit entstehe. Krankheit ließe wem. Wenn meine Erkältung nun darüber zu machen, wie leistungsori- sich deshalb also auch aus meinem aber ganz einfach nur einen Grund entiert ich mit mir und meinem bisherigen Verhalten, Denken, Fühlen hat, nämlich daß ich für meine kör- Körper in meinem Üben umgehe. ableiten und erklären. perlichen Möglichkeiten zu lange mit Man kann es auch noch schärfer aus- nassen Füßen in der Kälte gestanden drücken: „Wer krank ist, verdient es habe? Habe ich mich etwa so lange in Körper - Geist V I V E K A 6 , S. 41
THEMA Konflikte eines Menschen schließlich schaffen, weil ihm dadurch ein wichti- Es gibt ohne Zweifel eine enge in einer körperlichen Störung aus- ger Aspekt seiner täglichen Yoga- Verbindung zwischen Körper und drücken. Auf der einen Seite ist dieser praxis verloren gegangen ist. Von den Geist. Schon die Vorstellung, sie beide Mechanismus eine Hilfe, eine im ver- Strategien, die Yoga in einer solchen als etwas wirklich voneinander Ge- borgenen liegende Krise endlich Situation folgt, sind zwei für unsere trenntes zu sehen, ist bei näherem wahrnehmen zu können. Zum ande- Diskussion besonders wichtig. Hinsehen ein recht schwieriges Unter- ren liegt in diesem Mechanismus auch Einmal gibt es im Yoga die Idee, daß fangen. Trotzdem können wir beob- immer das Risiko, daß die Krankheit sich die Blockade im Knie auf der achten, daß Körper und Geist ihre je- eine Eigendynamik entwickelt, die Ebene beeinflussen lassen kann, auf weils eigene Dynamik getrennt von- ihren eigenen Gesetzen folgt. Bei aller der sie auftritt, also auf der des einander entfalten können. Wertschätzung für die Tatsache, daß Körpers. Das hat einige Konse- Die Enge im Geist und Herzen eines Krankheit uns einen Weg zeigen kann quenzen. Zum Beispiel könnten wir Menschen muß ihn keineswegs kör- aus einem verknoteten Konflikt, sollte Karl F. eine besondere Praxis bestimm- perlich krank machen. Offenherzige nicht vergessen werden, daß es auch ter âsana vorschlagen, von der wir aus und weise Menschen können an allen die Möglichkeit gibt, ein Problem Erfahrung wissen, daß sie bei solchen möglichen Krankheiten leiden. Es gibt wahrzunehmen, bevor der Körper zu Beschwerden auf das Knie positiv ein- selten Verbindungen zwischen Körper solch drastischen Hilferufen wie wirken können. Wenn wir uns auf und Geist, die so einfach, direkt und Krankheit greifen muß und daß diese dieser körperlichen Ebene um das durchschaubar sind, wie wir sie uns Möglichkeit uns gesünder und länger Knie kümmern, bleibt aber die Ebene gerne wünschten. Und Verbindungen, leben läßt. von „Geist“ nicht außen vor. Die die einmal bestehen, müssen so nicht Die Eigendynamik, die unser Körper mentale Ausrichtung ist auf zweierlei bleiben. entwickeln kann, ist allerdings nicht Weise wichtig: einmal soll nicht me- Ein Beispiel. In Untersuchungen zeigt nur von Nachteil, weil sie sich auch in chanisch geübt werden, sondern mit sich immer wieder, daß Menschen, Richtung Gesundheit bewegen kann. der passenden mentalen Ausrichtung die an Krebs erkranken sich häufig So sind wir froh, daß sich nicht jede und in Verbindung mit dem Fluß des schon über lange Jahre vor dem mentale Enge als Ungleichgewicht im Atems. Und umgekehrt, wenn wir Ausbruch ihrer Erkrankung in einer Körper niederschlägt. Das gleiche gilt unser Knie über unsere prâna -Energie Situation befanden, die eine zu die- für die Selbständigkeit unseres erreichen wollen, dann müssen die sem Thema angelegte Studie „chroni- Geistes. Jede Auseinandersetzung mit körperlichen Voraussetzungen dafür scher Hoffnungslosigkeit“ nennt. Ja, Krankheit lebt auch von der Mög- stimmen. Wir wählen also eine kör- es gibt sie, diese Verbindung von lichkeit, daß wir uns unter bestimm- perlich günstige Position und zum Geist und Körper. Aber können wir ten Voraussetzungen in einem kran- Beispiel nicht eine Haltung, die neue damit behaupten, jedeR Krebskranke ken Körper wohl und frei fühlen kön- Blockaden oder Schmerzen riskiert. leide vor seiner Erkrankung unter nen. Zum anderen muß es auch gelingen, „chronischer Hoffnungslosigkeit“? Die Beachtung dieser Eigendynamiken so an das Üben heranzugehen, daß Und weiter: Manchen, auf die diese hat im Yoga eine lange Tradition. Das wir Vertrauen fassen und einen Erfolg Beschreibung zutrifft, gelingt es, oft gesamte Konzept vom Fluß des prâna für möglich halten. Ohne diesen gerade in der Auseinandersetzung mit als Grundlage unseres Lebens ver- Glauben werden wir kaum etwas be- ihrer Erkrankung, diese psychische sucht, Körper und Geist in ihren je- wegen können. In der Sprache des Sackgasse zu überwinden. Heißt das, weilig besonderen und manchmal ei- Yoga sind dies Überlegungen, wie ein daß damit der Krebs verschwunden genständigen Rollen und Funktionen blockiertes prâna wieder in Fluß wäre? Keineswegs. Auch ein Magen- ebenso wie in ihrem Zusammenspiel kommt. Dies ist Thema von tapas, der geschwür, das erst einmal nichts an- zu verstehen und zu beeinflussen. Kunst, einen inneren Reinigungs- deres war als Ausdruck von zu viel Weil im letzten Heft von VIVEKA so prozeß in Gang zu setzen. Die Mittel Streß, kann so chronisch werden, daß viel vom Knie die Rede war, nehmen dafür sind âsana, prânâyâma, Medi- es auch unter dem gelungensten wir zur Veranschaulichung folgendes tation, unsere Ernährungsweise, und Streßabbau weiter schwelt und eine kleines Beispiel. Karl F.s Knie schmerzt die Art und Weise, wie wir unseren Tasse zu starker Kaffee neue und läßt sich nur noch schwer bewe- Alltag organisieren. Beschwerden macht. Es gibt eine gen. Er fühlt sich dadurch sehr einge- Das ist die eine Antwort auf die Eigendynamik von Körperprozessen, schränkt, nicht nur im Alltag, sondern „Krankheit“ Knieschmerz. auf die unsere mentale Befindlichkeit auch in seiner täglichen Die andere Strategie, die der Yoga an- nicht automatisch Einfluß hat. Und es Meditationspraxis. Schon vor einigen gesichts von Krankheit verfolgt, wird gibt eine Eigendynamik mentaler Jahren fand Karl F. in der in der auf schöne Weise in der Bhagavad Prozesse, auf die unser Körper nicht Haltung des Lotossitzes sein Ideal von Gîtâ ausgedrückt, wenn dort Yoga automatisch Einfluß nehmen kann. Konzentriertheit, Gelassenheit und definiert wird als: duhkha samyoga Daß im Zusammenhang mit der Ruhe. Dieses Bild hat ihn nicht mehr viyogam, als die „Trennung der Entstehung zum Beispiel von Krebs losgelassen und daß es ihm gelang, Verbindung zum Leid“. (VI, 23). Was psychische Ursachen viel diskutiert sich diesem Ideal auch körperlich könnte das für Karl F. heißen? Zum werden, ist für uns auch noch aus durch die Praxis einer strengen Sitz- Beispiel das: Neben den Bemühungen, einem anderen Grund von großer haltung immer mehr anzunähern, gab die Funktion des kranken Knies wie- Wichtigkeit. Es weist nämlich noch ihm viel innere Kraft. Wie man sich der herzustellen, stellt sich noch eine einmal auf die Zwiespältigkeit hin, die denken kann, machen Karl F. die andere Aufgabe. Sich „vom Leid tren- in der Tatsache liegt, daß sich innere Kniebeschwerden auch deshalb viel zu nen“ heißt einen Weg finden, vom V I V E K A 6 , S. 42
THEMA Ideal „Lotussitz“ zu lassen und bei der 2000 Jahren. Deshalb ist ein Text wie Körpers das zu erreichen, was mög- Meditation auf einem Stuhl trotzdem das Yoga Sûtra des Patañjali auch voll lich ist, sondern gibt ihm den richti- zufrieden zu sein. Das Knie ist nicht von Vorschlägen, wie wir eine solche gen Rahmen. gesünder, aber wir leiden nicht mehr Veränderung in unserer Wahrneh- unter der daraus entstehenden mung bewerkstelligen können. Aber Einschränkung. Daß dies nicht einfach dieses „Trennen vom Leid“ ersetzt “Svastha” ist, wußten die Alten auch schon vor nicht das Bemühen, auf der Ebene des Wenn Mediziner diskutieren, was Krankheit ist. Die Schulmedizin hat sich lange Zeit nur damit beschäf- können, die in aller Regel auch noch auf unterschiedlich- tigt, was Menschen krank macht, weniger damit, was sie ste Weise miteinander verbunden auftreten. Ein Kinostuhl gesund erhält. Diese Orientierung nennt man eine „patho- mag für zwei Stunden auf meinen Rücken „krankma- genetische“, die Beschreibung der Entwicklung von chend“ wirken. Wenn mein Rücken diese Belastung aber Krankheit steht im Mittelpunkt. Inzwischen gibt es andere gut kompensieren kann, warum sollte ich auf den Ansätze, die sich vor allem die Frage stellen, was eigent- Kinospaß verzichten? Wenn aber der Stuhl an meinem lich hält einen Menschen gesund? Warum bleibt ein täglichen Arbeitsplatz so schlecht ist, daß ich jeden Tag Mensch auch unter Belastung gesund? Warum kann ein eine Stunde intensiv mit meinem Rücken üben muß, kranker Mensch wieder gesund werden? Diese modernen damit er mit diesem Stuhl einigermaßen zurecht kommt, Überlegungen entsprechen in vielem den alten und tradi- dann ist es vielleicht besser, den Stuhl zu wechseln. tionellen Vorstellungen, g wie sie etwa der Yoga, g aber auch „Gesundheit ist also ein dynamisches Gleichgewicht zwi- die Âryuveda und andere Systeme wie zum Beispiel die schen dem Individuum, seinem autonomen Potential zur traditionelle chinesische Medizin entwickelt haben. Selbst-Organisation und Selbst-Erneuerung und seiner so- Deshalb sollen diese in der westlichen Medizin noch zial-ökologischen Umwelt. Dieses Gleichgewicht ist ab- recht neuen Gedanken hier kurz vorgestellt werden. Die hängig einerseits von der Verfügbarkeit und Nutzung von Vertreter dieses Konzeptes erläutern ihre Betrachtungs- gesundheitsschützenden bzw. -wiederherstellenden Fak- weise gerne mit folgendem Bid: „Wir alle schwimmen toren in der Person selbst, aber auch in seiner Alltags- während unseres Lebens in einem Fluß voller Gefahren. organisation und Umwelt.“ Was gilt als gesundheitsschüt- Oder, um eine Metapher zu wählen, fahren wir alle eine zenden Faktoren? lange Skipiste hinunter, an deren Ende ein unumgängli- Die psychische Befindlichkeit. Dazu gehört unter ande- cher und unendlicher Abgrund ist. Die pathogenetische rem: Eine positive Einstellung zum Leben, zur Arbeit. Orientierung beschäftigt sich hauptsächlich mit denjeni- Die Anforderungen der Umwelt werden als sinnvoll ver- gen, die an einen Felsen gefahren sind oder in eine standen. Es herrscht ein „instrumentelles Vertrauen“, das Gletscherspalte fielen. Weiterhin versucht sie uns davon wegführt von der Überzeugung die Karten des Lebens zu überzeugen, daß es das beste ist, überhaupt nicht Ski seien gegen einen gemischt. Ist jemand davon überzeugt, zu fahren. Dieser Ansatz beschäftigt sich damit, wie die daß er eine Vielzahl von passenden Hilfen (in den eige- Piste ungefährlicher gemacht werden kann und wie man nen Händen oder in denen von vertrauten Personen) zur Menschen zu sehr guten Skifahrern machen kann“. Verfügung hat, um aktuelle Anforderungen zu bewälti- Gesundheit ist kein statischer Zustand, sondern ein sich gen, kommt er oder sie mit Belastungen besser zurecht. ständig veränderndes Gleichgewicht zwischen Kräften, Die körperliche Befindlichkeit. Dazu gehört unter ande- die uns in Richtung Krankheit und Kräften, die uns in rem: Gesunde Ernährung, gesunder Umgang mit dem Richtung Gesundung drängen. „Der Kampf in Richtung Körper, promptes und richtiges Reagieren auf körperliche Gesundheit ist permanent, aber nie ganz erfolgreich“. Ein Störungen. Teil von uns ist immer „krank“, ein anderer Teil „ge- „Das Gleichgewicht ist andererseits abhängig von den po- sund“, oder besser: Solange wir leben, bewegt sich in uns tentiell krankmachenden Einflüssen der physikalischen immer etwas in Richtung Blockade, etwas anderes immer (zum Beispiel Umweltgifte, Klima), biologischen (zum in Richtung harmonischer Fluß. Grundsätzlich können Beispiel Viren, Bakterien) und sozialen (zum Beispiel uns zwei Mechanismen aus dem Gleichgewicht bringen: Stress, schlechte medizinische Versorgung) Umwelt“. Entweder die Fakoren, die krankmachen können, sind so „Gesundheit muß dabei vom Körper ständig „hergestellt stark, daß die gesunderhaltenden Gegenkräfte, obwohl werden“ - sei es im Sinne einer immunologisch verstan- gut entwickelt, nicht ausreichen, unser inneres denen Abwehr, sei es im Sinne einer Anpassung oder Gleichgewicht zu bewahren. So wird zum Beispiel auch einer zielgerichteten Veränderung der Umweltbedingun- „der Gesündeste“ sich eine schwere Erkältung holen, gen durch das Individuum“. wenn er nur lange genug Kälte und Nässe aussetzt ist. Viele Möglichkeiten also, wie Krankheit entstehen, viele Oder die „gesundmachenden“ Kräfte in uns sind so ge- Möglichkeiten aber auch, wie Gesundheit gestärkt oder schwächt, daß sie einer einer eigentlich „normalen“ Bela- wiederhergestellt werden kann. stung nicht standhalten. Oder beide Faktoren wirken zu- (Alle Zitate aus: Almut Veidt, Salutogenese: Gesundheit als dynamisches sammen. Gleichgewicht, Berliner Ärzteblatt, 11/95) Es engt unser Blickfeld ein, wenn wir die Ursache von Krankheit nur in einer dieser beiden Möglichkeiten sehen V I V E K A 6 , S. 43
THEMA Wir erleben in unserer alltäglichen darin, die Selbstheilungskräfte eines Auseinandersetzung mit der Frage, Menschen zu mobilisieren, mehr was Yoga Menschen anbieten kann, Vertrauen in die eigene Kräfte zu fin- die von Krankheit betroffen sind, daß den. Dazu gehört, einen Weg zu fin- sich darauf vor allem eine Antwort den, auch in schwierigen Situationen geben läßt. Es ist eine Antwort, die in Heilung oder zumindest positive der Tradition als ein wichtiges Ziel von Veränderung für möglich zu halten. Yoga formuliert wird: svastha. „für Yoga kann auch hier helfen, offen zu sich selbst“ (sva) „stehen“ (stha). bleiben. Yoga kann uns helfen, diesem u Schließlich lassen sich körperliche Zustand von svastha, also auf den ei- Blockaden durch eine entsprechende genen Füßen stehen können, auch Praxis positiv beeinflussen. Ein kranker angesichts einer Krankheit näherzu- Rücken kann wieder gesund werden, kommen. eine Migräne sich bessern, ein In der konkreten Arbeit in unserem Ohrgeräusch verschwinden. Zentrum bezieht sich dies auf sehr un- Natürlich gibt es für solche positiven terschiedliche Ebenen. Welche davon Veränderungen keine Garantie. Ob tatsächlich Thema werden, hängt al- Yoga eine Hilfe sein kann, hängt nicht lein vom Bedürfnis, den Möglichkeiten nur ab vom Bemühen des betroffenen und der besonderen Situation ab, die Menschen, nicht nur von der Qualität eine Person uns gegenüber formuliert. der Lehrerin, des Lehrers, sondern u Yoga gibt uns Techniken, auch in eben auch von Vielem, das nicht in turbulenten Zeiten Stabilität und unserer Hand liegt. Klarheit im Geist zu gewinnen, in- nehalten zu können, einen verängstig- ten Geist zu beruhigen. Zu diesen Techniken zählen âsana genauso wie prânâyâma und Meditation. Auf die- ser, aus der Sicht des Yoga vielleicht wichtigsten Ebene in der Auseinandersetzung mit den Folgen von Erkrankung, geht es um die Verbesserung unserer Wahrnehmung uns selbst und anderem gegenüber. Wie kann jemand geholfen werden, die eigene Situation klarer, umfassen- der, richtiger wahrzunehmen? Was kann sich jemand zumuten, welcher nächste Schritt ist der richtige, ist fremde Hilfe nötig? Dies bezieht sich auf den Umgang mit der Krankheit überhaupt, es betrifft aber auch ein- zelne Fragen. Es kann zum Beispiel heißen, daß jemand eine Operation, vor der er oder sie bisher große Angst hatte, als notwendig und sinnvoll sehen lernt und sie optimistisch und vertrauensvoll angeht. Es kann aber auch heißen, eine scheinbar unaus- weichliche Operation vermeiden zu können. Im Prozeß des Übens liegt die Möglichkeit, immer besser unterschei- den zu können, mit was ich mich im Augenblick abfinden muß und was veränderbar ist. Und dies, ohne eine einmal getroffene Position auf ewig festzuschreiben. Yoga kann helfen, selbst und freier zu entscheiden, offen zu werden für unterschiedliche Möglichkeiten. u Yoga kann helfen, eine positive Ausrichtung schaffen. Ein großer Teil der Wirkung von Yogapraxis besteht V I V E K A 6 , S. 44
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