Kreuz und Altar Die Gegenwart des Opfers Christi in der Eucharistie
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Kreuz und Altar Die Gegenwart des Opfers Christi in der Eucharistie von Prof. Dr. Helmut Hoping Exzellenz, hochwürdigster Die Regel ist für mich freilich die Herr Erzbischof Burke, Teilnahme an der Messe Pauls sehr verehrte VI., in der ich seit 1995 als Dia- Frau Rheinschmitt, kon meinen Assistenz- und Pre meine sehr geehrten digtdienst ausübe. An der klas Damen und Herren! sischen Form des römischen Ritus schätze ich ihre dichte Ganz herzlich bedanke ich mich Sakralität sowie ihren manife- bei der Laienvereinigung „Pro sten latreutischen Charakter, Missa Tridentina“ für die Ein der mich oft intensiver als sonst ladung, bei der diesjährigen Jah- erleben läßt, was es heißt, daß resversammlung den öffentlichen sich die Darbringung der Eucha- Vortrag zu halten. Gerne habe ristie in danksagender Anbetung ich die Einladung in die Nach- vollzieht. In meinem Vortrag zum barschaft meiner norddeutschen Thema „Die Gegenwart des Op Heimat angenommen. Meinen fers Christi in der Eucharistie“ ersten Zugang zur klassischen geht es mir um den für das christ- Prof. Dr. Helmut Hoping Form des römischen Ritus ver liche Opferverständnis zentralen mittelte mir mein emsländischer Zusammenhang von Kreuz und sen. Dies hängt nicht nur mit ei- Heimatpfarrer, der mich zu Be- Altar. Ich gliedere meinen Vor- nem unklaren Kultbegriff zusam ginn des 2. Vatikanischen Kon trag in drei Teile. Da das Opfer men. Das Frühchristentum hatte zils außerhalb des Jahrgangs der Eucharistie voraussetzt, daß von Beginn an ein dialektisches zur Frühkommunion führte und der Tod Jesu ein Opfertod war, Verhältnis zum Kult: Während es unmittelbar danach zum Mini will ich zunächst auf die sakrifi- den zentralen jüdischen Kult an stranten machte. Es folgten die zielle Dimension des Sterbens entscheidender Stelle transfor Feier der Messe nach dem Inte- Jesu als Grundlage des eucha- mierte, grenzte es sich von der rimsmissale von 1965 und eine ristischen Opfers aufmerksam Idolatrie des paganen Kultes längere Zeit des Übergangs, machen. scharf ab (Röm 1,25; 1 Kor 5,10f; bis schließlich 1975 das Meß 10,14.19-22; 2 Kor 6,15-17).1 Für buch für den deutschen Sprach das Neue Testament ist der Tod raum erschien. Erst Anfang der 1. Kreuz und Kult Jesu das Heilsereignis schlecht- neunziger Jahre kam ich an der hin. Eine Heilsbedeutung kann Ostküste Nordamerikas wieder Der Tod Jesu als Opfertod der Tod Jesu aber nur haben, in Kontakt mit dem usus anti- Daß das Christentum ursprüng- wenn Jesus mehr war als das quior des römischen Ritus. Seit lich eine kultlose Religion gewe- passive Opfer des Gerechten, dem Motu Proprio „Summorum sen sei, wird in der Theologie dessen Viktimisierung den in al- Pontificum“ (2007) nehme ich in ebenso behauptet wie das Ge- len Kulturen wirksamen Sünden unregelmäßigen Abständen an genteil, das Christentum sei von bockmechanismus offenlegte, der „tridentinischen“ Messe teil. Anfang an kultorientiert gewe- den René Girard in seinem Werk 1 Vgl. Knut Backhaus, Kult und Kreuz. Zur frühchristlichen Dynamik ihrer Beziehung, in: ders., Der sprechende Gott. Gesammelte Studien zum Hebräerbrief, Tübingen 2009, 239-260: 240. – Der Lektüre des in jeder Hinsicht lesenswerten Beitrages des Münchener Neutesta- mentlers verdanke ich sehr viel für die Behandlung meines Themas. 4
so eindrucksvoll beschrieben vertretenden Sühnetod Christi untrennbar verbundene spezifi- hat.2 Jesus wurde – das steht aufzugeben, wäre für Paulus sche Opfersemantik nicht mehr außer Zweifel – ein Opfer (vic- wohl dasselbe wie die Aufgabe verstanden wird. Vielmehr wird tima) staatlicher Gewalt. „Ge der christlichen Identität.“5 Ja es der Tod Jesu auf der Linie Fried- kreuzigt“ bzw. „gelitten unter spricht alles dafür, daß Jesus rich Nietzsches mit rituellen Op- Pontius Pilatus“ – so heißt es beim letzten Abendmahl selbst fern archaischer Religionen in im Glaubensbekenntnis. Doch auf das kultisch konnotierte Verbindung gebracht, die einen ist der Tod Jesu ausschließlich Sühnemotiv zur Deutung sei- als bedrohlich scheinenden Gott das Resultat eines politisch- nes Sterbens Bezug genommen zu besänftigen suchten. In sei- religiösen Konflikts? Gehört er hat.6 nem Werk „Der Antichrist. Fluch nicht zugleich in die Reihe der In den letzten fünfzig Jahren ist auf das Christentum“ (1888) sacrificia?3 Die Achse der neu es zu einer massiven Erosion schreibt Nietzsche: „Auf die Ka- testamentlichen Aussagen zur des Glaubens an den stellver tastrophe des Kreuzes fand die Heilsbedeutung des Todes be- gestörte Vernunft der kleinen steht in dem Bekenntnis, daß Gemeinschaft eine geradezu Jesus „für uns“ gestorben ist (1 schrecklich absurde Antwort: Thess 5,10; Röm 5,8; 1 Kor 15,3 Gott gab seinen Sohn zur Ver- u.a.).4 Sowohl in den Evangelien gebung der Sünden, als Opfer. und im Corpus Paulinum als Wie war es mit einem Male zu auch in der übrigen neutesta Ende mit dem Evangelium! Das mentlichen Briefliteratur wird der Schuldopfer, und zwar in seiner Tod Jesu sühnetheologisch ver widerlichsten, barbarischsten standen: Jesus hat sein Leben Form, das Opfer des Unschul- stellvertretend für unsere Sün- digen für die Sünden der Schul- den dahingegeben. Bis hinein digen! Welches schauderhafte in die Rechtfertigungslehre des Heidentum!“7 Apostels Paulus begegnet uns Die Vorstellung eines durch Opfer Maria und Johannes unter dem Kreuz diese Deutung des Todes Jesu. zu besänftigenden Gottes war aber Der Exeget Helmut Merklein hat tretenden Sühnetod Jesu ge schon mit dem nachexilischen daher Recht, wenn er schreibt: kommen, die daher rührt, daß Sühnopferkult des Jerusalemer „Den Glauben an den stell die mit der Deutung dieses Todes Heiligtums überwunden. Für 2 Vgl. René Girard, Der Sündenbock. Aus dem Französichen von E. Mainberger-Ruth, Düsseldorf 1998 (1988); ders., Das Heilige und die Gewalt. Aus dem Französischen von E. Mainberger-Ruth, Düsseldorf 2006 (1987). – Die Opfertheorie Girards kreist um das Sündenbock ritual. Der Sündenbock hat die kulturelle Funktion, die mimetische Wirkung der Gewalt zu durchbrechen. Die Gewalt richtet sich gegen ein stellvertretendes Opfer, in dessen Tötung die Gewalt gleichsam „gereinigt“ wird. – In seinem späteren Werk kommt es bei Girard zur Differenzierung seiner Position. Jetzt nimmt Girard den Opferbegriff auch positiv auf und spricht vom Tod Jesu als sacrificum (vgl. René Girard, Hiob. Ein Weg aus der Gewalt, Zürich-Düsseldorf 1990, 195-211; ders., Mimetische Theorie und Theologie, in: Vom Fluch und Se gen der Sündenböcke. FS R. Schwager, hg. von J. Niewiadomski und J. Palaver, Thaur 1995, 15-29). 3 Vgl. Christof Gestrich, Christentum und Stellvertretung. Religionsphilosophische Untersuchungen zum Heilsverständnis und zur Grundlegung der Theologie, Tübingen, 2001, 353. 4 Vgl. Karl Lehmann, Er wurde für uns gekreuzigt. Eine Skizze zur Neubesinnung in der Soteriologie, in: Theologische Quartalschrift 162 (1982) 298-317: 305. 5 Helmut Merklein, Der Sühnegedanke in der Jesustradition und bei Paulus, in: Das Opfer. Biblischer Anspruch und liturgische Gestalt (QD 186), hg. von A. Gerhards und K. Richter, Freiburg-Basel-Wien: 2000, 59-91: 91. 6 Vgl. Helmut Merklein, Jesu Botschaft von der Gottesherrschaft. Eine Skizze (SBS 111), Stuttgart 31989 (1983) 93-131: 96-109.263f; ders., Der Tod jesu als stellvertretender Sühnetod (1984), in: ders., Studien zu Jesus und Pauus (WUNT 43), Tübingen 1987, 181-191: 184. 7 Friedrich Nietzsche, Der Antichrist (WW II, 1203). Dominus vobiscum Nr.1 – August 2010 5
3,25), so faßt der Apostel Pau- „ewiges Leben“ ist (Röm 6,23). lus die Heilsbedeutung des To- Für das vierte Evangelium ist des Jesu zusammen. Das Neue Gottes Liebe dadurch offenbar Testament legt auf den stell geworden, daß er „seinen ein vertretenden Sühnetod Jesu so zigen Sohn gab“ (Joh 3, 16), da- großen Wert, daß es die ganze mit wir das Leben haben. Breite der in den Schriften Isra- Sollte sich eine Interpretation els anzutreffenden Opfersprache des Todes Jesu durchsetzen, bemüht – nicht nur als litera die diesen als Beendigung al- rische Reminiszenz, sondern im ler Opfer durch Überwindung Sinne theologisch bedeutsamer der Opferidee versteht, wäre Metaphorik und Typologie.8 Zur die Identität des katholischen Deutung des Todes Jesu reicht Glaubens bis hinein in seinen es aber nicht aus, nur von seiner Kult von Grund auf zerstört.11 Hingabe für uns zu sprechen. Kultgeschichtlich gesehen ist Denn Jesu Hingabe für uns ist das Opfer ein religiöses Zentral die Preisgabe seines Lebens, phänomen, die sakrale Hand- das heißt das Opfer seines Le- lung schlechthin. Bei aller Dif bens. Doch der Kern des Kreu ferenz im Opferverständnis gilt zesopfers Jesu besteht nicht in dies auch für das Christentum. seiner Viktimisierung, sondern In seinem Buch „Das christli- Kreuzigung Jesu Christi (Peter Rubens) in der äußersten Gabe, die Gott che Kultmysterium“, konstatiert uns im Sterben Christi schenkt. Odo Casel deshalb: „Es gibt kei das Neue Testament gilt, daß Das Kreuzesopfer Christi ist das ne Religion ohne Opfer.“12 Das der Tod Jesu die Identität Gottes „radikal gewendete Opfer“ (Chri- Frühchristentum beanspruchte nicht wie einen Souverän betrifft, stof Gestrich), die Gabe, die nicht, den Kult zu überwinden, der zur Genugtuung ein Men Gott selbst gibt. Es handelt sich sondern wollte ihn zu sich selbst schenopfer fordert. Dies wäre in um ein göttliches „Opfer jenseits führen. Dabei wurde der Kult der Tat ein Gott der Gewalt, der der Gewalt“9. Das eine Opfer der vom Kreuz her verstanden. Für keinen Glauben verdient. Nicht Erlösung ist die „äußerste Ga den Begriff des Kultes kann man der Mensch ist es, der Gott mit be“ einer gott-menschlichen Lie- auf die von Günter Lanczkowski sich versöhnt, indem er ihm ein be, über die hinaus Größeres vorgeschlagene Definition zu- Opfer darbringt, sondern Gott nicht gedacht werden kann. Wie rückgreifen. Danach bezeichnet hat den Menschen mit sich ver- Marcel Mauss und andere nach Kult „festgesetzte und geord- söhnt: „Gott war es, der in Chri- ihm gezeigt haben, ist das We nete Formen des Umgangs mit stus die Welt mit sich versöhnt sen des Opfers nicht die Tötung, dem Göttlichen, die einerseits hat“ (2 Kor 5,19). „Christus hat sondern die Gabe.10 Gabe ist der Verehrung der Gottheit die- Gott dazu bestimmt, Sühne zu ein Ur-wort der christlichen Re- nen, andererseits der Förderung leisten mit seinem Blut, Sühne, ligion. Der Apostel Paulus nennt und Heiligung des menschlichen wirksam durch Glauben“ (Röm Christus die „Gabe Gottes“, die Lebens“13. 8 In der Verbindung mit dem Tod Jesu ist vom Opferlamm (1 Kor 5,7; Joh 1,29.36; Apg 8,32 (Jes 53,7); 1 Petr 1,19; Abendmahlsworte umstritten), vom Bundesopfer (Mk 14,24; Mt 26,28; Lk 22,20; 1 Kor 11,25; 1 Petr 1,2; Hebr 9,15.18.20.22; 10,29; 13,20), vom Sühnopfer (Röm 3,25 [Hebr 9,5]; Hebr 2,17; 1 Joh 2,2; 4,10), vom Sündopfer (2 Kor 5,21; Röm 8,3; Hebr 10,6.8; 13,11; vgl. 5,3; 10,12.18.26), vom Schlachtopfer (Eph 5,2; Hebr 7,27; 9,23.26), vom Brand- und Ganzopfer (Eph 5,2; Hebr 10,10.14.18) die Rede, in denen das einzigartige Opfer (1 Petr 3,18; Hebr 9,25-28; Röm 6,10; Hebr 7,27; 9,12; 10,10) des Neuen Bundes gesehen wird. – Es handelt sich um Bilder von „ritueller, dinglicher Schwere“, deren Materialität rational nicht auflösbar ist (Günter Bader, Jesu Tod als Opfer, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 80 (1983) 411-431: 412.414). 9 Josef Wohlmuth, Opfer – Verdrängung und Wiederkehr eines schwierigen Begriffs, in: Das Opfer 125. 10 Vgl. Marcel Mauss, Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, Frankfurt/Main 1968. 11 Vgl. Robert Spaemann, Bemerkungen zum Opferbegriff, in: Zur Theorie des Opfers. Ein interdisziplinäres Gespräch (Collegium Philosophi- cum 1), hg. von R. Schenk, Stuttgart-Bad Cannstatt 1995, 11-24: 15. 12 Odo Casel, Das christliche Kultmysterium, Regensburg 21935, 39. 13 Günther Lanczkowski, Einführung in die Religionsphänomenologie, Darmstadt 31992, 114 6
Kreuz und Altar Das Kreuz war und ist bis heute Das Opfer Christi besteht darin, Brot und Wein opfern soll? Hört die Basis und Norm des christli- „daß er sich selbst dargebracht ihr nicht? Christus hat einst sich chen Kultes.14 Die Geheime Of- hat“ (Hebr 7,27). Mit seinem selbst geopfert, er will von kei- fenbarung des Johannes erkennt einmaligen Opfer hat Christus nem anderen hinfort geopfert im geschlachteten Lamm (Offb den Zugang zu einem nicht von werden. Er will, daß man sei- 5,6.9) die Mitte der himmlischen Menschenhand gemachten Hei nes Opfers gedenken soll. Wie Liturgie. Der gekreuzigte und ligtum eröffnet, das er ein für al- seid ihr denn so kühn, daß ihr erhöhte Herr, der für uns sein lemal durchschritten hat (Hebr aus dem Gedächtnis ein Opfer Leben dahingegeben hat und 9,23-26). Der Raum der Kirche macht.“17 dem wie Gott, dem Vater, Lob, soll Abbild dieses Heiligtums Mit Blick auf die katholische Ehre und Anbetung gebühren, sein, sollen die Christen sich Lehre vom Meßopfer erklärte ist das Zentrum der christlichen als geheiligte Kultgemeinde ver- Luther sechzehn Jahre später in stehen (Hebr 10,29-22; vgl. Eph den „Schmalkaldischen Artikeln“ 5,25-26; Offb 1,5f). (1537): „Also sind und bleiben In der Dogmatischen Konstitu- wir ewig geschieden und wider tion „Lumen Gentium“ über die einander.“ Ich weiß nicht, ob Kirche erklären die Väter des 2. Luther mit seiner Skepsis recht Vatikanischen Konzils, das „Op- behalten wird. Eines aber ist ge- fer der Eucharistie“ (sacrificum wiß: Zwischen Lutheranern und eucharistiae) sei „Quelle und Katholiken gibt es in der Fra- Höhepunkt des ganzen christli- ge des eucharistischen Opfers Opferlamm als Sieger chen Lebens“16. Mahatma Gan- dhi soll einmal gesagt haben: Liturgie (Offb 6,13f). Mit den „Es gibt keinen Gottesdienst Worten aus dem Hochgebet der ohne Opfer.“ Das ist in dieser Chrysostomusliturgie faßt der Allgemeinheit sicher richtig, „Katechismus der Katholischen doch wird unter Opfer jeweils Kirche“ den Angelpunkt des sehr Unterschiedliches verstan- christlichen Kultes so zusam- den, vom Speise- und Tieropfer, men: Das Lamm ist „der gekreu- das in archaischen Religionen zigte und auferweckte Christus, Gott dargebracht wird, um ihn der einzige Hohepriester des zu ernähren oder zu versöhnen, wahren Heiligtums, der zugleich bis zum geistigen Lob- und Dan opfert und geopfert wird, dar- kopfer. Martin Luther akzeptierte bringt und dargebracht wird“15. für das evangelische Abend- Der Gedanke des Priestertums mahl nur das Lob- und Dankop- Christi steht im Zentrum des He fer zum Gedächtnis des Kreu- bräerbriefs, der Jesu Heilstod zestodes Jesu. In seiner Schrift auf dem Hintergrund des leviti- „Vom Mißbrauch der Messe“ schen Opferkultes beschreibt. (1521) schrieb er im Jahr seiner während des Vortrags von Prof. Hoping Christus ist Priester „durch die Exkommunikation: „Sagt uns, Kraft unzerstörbaren Lebens“ ihr Pfaffen Baals: Wo steht ge- ebenso wenig einen Lehrkon- (Hebr 7,16). Ein Priester aber schrieben, daß die Messe ein sens wie in der Frage der leib wird bestellt, „um Gaben und Opfer ist, oder wo hat Christus lichen Realpräsenz Christi über Opfer darzubringen“ (Hebr 8,3). gelehrt, daß man gesegnetes die Feier der Eucharistie hinaus, 14 Vgl. Backhaus, Kult und Kreuz 257. 15 KKK 1137 (kursiv: Zitat aus der Chrysostomus-Anaphora). 16 LG 11. 17 Martin Luther, De abroganda Missa privata: WA 8, 411-563: 421.493. Dominus vobiscum Nr.1 – August 2010 7
Hauptartikel geschweige denn in der Frage der Eucharistie“, so erklären die ristie besteht, sondern in ihrer des geistlichen Amtes, worüber Konzilsväter, vollzieht sich das Darbringung als Opfergabe. die ökumenische Theologie zu- „Werk unserer Erlösung“24. „In der meist hinwegtäuscht. Das Opfer Teilnahme am eucharistischen der katholischen Messe, so das Opfer“ bringen die Gläubigen 2. Opfergabe und Trienter Meßopferdekret, ist das „das göttliche Opferlamm Gott „göttliche Opfer“ (sacrificium dar und sich selbst mit ihm; so Konsekration divinum) des Pascha Christi18, übernehmen alle bei der liturgi- Die Darbringung der das in dieser Feier nicht nur in schen Handlung ihren eigenen Eucharistie der Form des Gedächtnisses Teil, sowohl in der Darbringung gegenwärtig ist, sondern sicht- wie in der heiligen Kommunion, In der klassischen Form des rö- bar in unblutiger Form vollzogen nicht unterschiedslos, sondern mischen Meßritus ist der Opfer- wird.19 Zur Feier der heiligen jeder auf seine Art.“25 Wenn es gedanke textlich wie rituell über- Messe gehört konstitutiv die daher im Abschlußbericht des all mit Händen zu greifen. In sei- Darbringung der auf dem Altar Ökumenischen Arbeitskreises ner modernen Form ist er zwar bereiteten und konsekrierten evangelischer und katholischer abgeschwächt, dank mehrerer Opfergaben, weshalb das Konzil Theologen „Das Opfer Christi Interventionen Pauls VI. aber von Trient die Messe ein „wah- und der Kirche“ heißt, „das Zei- gleichwohl bewahrt worden. res“ und „eigentliches“ Opfer chen für die Opferhingabe Jesu Im Meßbuch für das deutsche nennt, das „unter den sichtba- Christi in der Eucharistiefeier Sprachgebiet, das derzeit einer ren Zeichen“ von Brot und Wein und unser Einbezogenwerden Revision unterzogen wird, ist dargebracht wird20. Natürlich ist in diese Selbsthingabe“ sei kein dagegen mehrfach die Tendenz die Feier der Messe kein „eigen „Darbringungsritus“, sondern bemerkbar, den Opfergedanken ständiges, in sich beruhendes das „Mahl“, also das „Anbieten zu unterlaufen. Dies beginnt da Opfer“21, losgelöst vom Kreuzes- und Austeilen“ Jesu Christi als mit, daß beim Offertorium nicht opfer Christi. Wohl aber handelt „Speise“26, so entspricht dies von „Darbringung der Gaben“, es sich dabei um ein „sichtbares nicht der katholischen Lehre sondern schlicht von „Gaben Opfer“, durch das das Kreuzes- vom Meßopfer. bereitung“ die Rede ist, so als ob opfer Christi vergegenwärtigt Von den grundsätzlichen Gedan- es sich beim Offertorium nur um wird (repraesentaretur) und das ken zum Kreuzesopfer Jesu und den technischen Vorgang des darin begründete Heil, die Ver- seiner Gegenwart in der Eucha Bereitstellens der Gaben von gebung der Sünden, den Gläu- ristie komme ich nun zum zwei- Brot und Wein auf den Altar in bigen zugewendet wird.22 Mit ten Teil meines Vortrags. In ihm Verbindung mit der Kollekte der der Vätertheologie sieht das Tri will ich einen Blick auf die Opfer Gläubigen handeln würde. Die dentinum in der Eucharistie das aussagen im Offertorium und im Oratio super oblata, das Gebet „reine Opfer“ (Mal 11,1), in dem Canon Romanus des Meßbuchs über die Opfergaben am Ende alle vorausgehenden Kultopfer von 1962 werfen – mit einem des Offertoriums, wird als Ga an ihr Ziel kommen.23 kurzen Seitenblick auf das Meß- bengebet bezeichnet, während Das 2. Vatikanische Konzil hat buch Pauls VI. Dabei soll deut- Offertorium unübersetzt bleibt. die katholische Lehre vom eu lich werden, daß das Opfer der Die traditionellen Begleitgebete charistischen Opfer mit der Au- Eucharistie nach katholischem zur Darbringung der Opferga- torität eines allgemeinen Kon- Verständnis nicht nur im Austei- ben von Brot (Suscipe, sanc- zils bestätigt: Im „heiligen Opfer len und Empfangen der Eucha te Pater) und Wein (Offerimus, 18 DH 1741.1743. 19 Vgl. DH 1753. 20 DH 1740.175 21 DH 1740 22 Vgl. DH 1740. 23 Vgl. DH 1742. 24 SC 2. 25 LG 11. 26 Vgl. Das Opfer Christi und der Kirche. Erklärung zum Opfercharakter des Herrenmahls (DiKi 3), hg. von K. Lehmann und E. Schlink, Freiburg-Basel-Wien 1983, 215-238: 233. 8
Kreuz und Altar tibi), die in theologisch nicht „etwas vor Gottes Angesicht tra- bedeutet: Zum einen zeigt das ganz einfacher Antizipation gen“ letztlich aus dem seman Darbringungsgebet, daß die schon von der makellosen Op- tischen Feld des Opfers, doch Messe im Lebensraum des drei fergabe (immaculata hostia) und wer weiß das? einen Gottes gefeiert wird. Zum dem Kelch des Heiles (calix sa- Das Segensgebet Veni, sancti anderen bringt es die Einheit mit lutaris) sprechen, wurden durch ficator über die Opfergaben, das den Heiligen, die unsere Fürbitt neue, den jüdischen berakhot der Händewaschung voraus sprecher im Himmel sind, zum nachempfundene Begleitgebete geht, wurde ersatzlos gestri- Ausdruck. ersetzt. Diese Gebete sind ohne chen, weil man darin eine Vor Das Paul VI. zur Überprüfung vor- Zweifel sehr schön. In der Fas- wegnnahme der Wandlungs gelegte Meßschema sah auch sung, die Paul VI. zur Überprü- epiklese des Hochgebets sah. die Gebetsbitte Orate fratres so- fung vorgelegt wurden, enthiel- Wenn man im Offertorium aber wie das nachfolgende Suscipiat ten sie aber keinerlei Opferaus- mehr sieht als ein „zeremonielles nicht mehr vor. Wiederum auf sage mehr. Der Zusatz „quem Tischdecken“28 mit anschließen Drängen des Papstes wurden (quod) tibi offerimus“, das Brot, dem Tischsegen, dann hat eine beide wieder in das Offertorium das wir dir opfern, den Kelch, dem Hochgebet vorausgehende eingefügt.29 Im Meßbuch für das deutsche Sprachgebiet wird das „Betet Brüder“ freilich als letzte von insgesamt drei Varianten für die Gebetseinladung aufgeführt. Ergebnis dieses Sonderwegsist es, daß die Gebetseinladung„Be- tet Brüder“ im deutschsprachi- gen Raum kaum mehr Verwen dung findet. In der Regel wird die zweite Gebetseinladung ge- nommen, die in einem schlich- ten, von jeder Opferaussage freien Oremus besteht. Das Offertorium erschöpft sich aber nicht nur in einer praeparatio donorum, der Bereitung der Ga- ben. Dazu gehört auch die Dar- Kardinal Canizares beim Pontifikalamt in der Lateran-Basilika: Inzens von Kreuz und Altar bringung der Opfergaben, die mit dem Gebet über die Opfer den wir dir darbringen, wurde Segnung der für die Feier der gaben abschließt.30 erst auf Drängen des Papstes Eucharistie ausgesonderten Die Gaben von Brot und Wein eingefügt.27 Die deutsche Über- und bereitgestellten Opfergaben werden Gott dargebracht, damit setzung hat die von Paul VI. ge- durchaus einen guten Sinn. sie für uns der Leib und das Blut wünschte Opferaussage wieder Ersatzlos gestrichen wurde im Christi werden. Natürlich hat die unkenntlich gemacht. Denn hier Novus Ordo Missae ebenfalls Kirche das, was sie darbringt heißt es: „wir bringen dieses das an den dreieinen Gott ge und reicht, zuerst zu empfangen Brot bzw. diesen Kelch vor dein richtete Darbringungsgebet Sus und sich immer neu schenken Angesicht“. Natürlich stammt cipe, sancta Trinitas, was aus zu lassen. Doch Brot und Wein die alttestamentliche Redeweise zwei Gründen einen Verlust werden nicht nur auf den Altar 27 Vgl. Annbibale Bugnini, Die Liturgiereform 1948-1975. Zeugnis und Testament. Deutsche Ausgabe herausgegeben von J. Wagner unter Mitarbeit von F. Raas, Freiburg-Basel-Wien 1988, 398 28 Alex Stock, Gabenbereitung. Zur Logik des Opfers, in: Liturgisches Jahrbuch 53 (2003) 33-51: 37. 29 Vgl. Bugnini, Die Liturgiereform 398. 30 Vgl. Institutio Generalis Missalis Romani Nr. 73-74. Dominus vobiscum Nr.1 – August 2010 9
Hauptartikel gelegt, sondern dargebracht. trum des eucharistischen Op- Dies verdeutlicht auch ihre Ele fers. Der erhöhte Herr wird un- vation über dem Altar, die beim ter den Gestalten von Brot und Offertorium, anders als bei der Wein gegenwärtig als Opferga- postkonsekratorischen Elevati- be und Opferpriester zugleich. on, nicht eine Geste zur Anbe- Die Doppelkonsekration deutet tung darstellt, sondern ein Zei- auf das blutige Sterben Christi chen der Darbringung. Also wer- am Kreuz. Die Verba testamen- den Gaben von Brot und Wein ti sind mehr als ein Zitat, das Gott dargeboten: offerimus. Das Jesu Letztes Abendmahl mit aber ist der „Elementarakt des seinen Apostel in Erinnerung Opfers“31. ruft. Durch die Verba testamen- Daß von der eucharistischen Li ti geschieht die Konsekration turgie ihre sakramentale Opfer- der Opfergaben. Dies ist nicht gestalt nicht zu trennen ist, zeigt eine mittelalterliche Theorie, die neben dem Offertorium auch sich erst mit der Transsubstan die große Oratio des Eucharisti tiationslehre durchgesetzt hätte. schen Hochgebets. Beim Canon Vielmehr geht die Lehre, daß „Wunder der Messe” Romanus verdienen folgende die Opfergaben durch die Wor- Gebete Beachtung. In der An te Christi konsekriert werden, darbringen kann, was sie zuvor nahmebitte Hanc igitur, die ihre auf Ambrosius von Mailand empfangen hat. Die Darbringung heutige Form durch Gregor den zurück, der hier für die katho- von Leib und Blut Christi erfolgt Großen erhalten hat, wird die ob lische Kirche traditionsbildend im Gedächtnis (memores) des latio, die Opfergabe, zwar nicht wurde. Der geweihte Priester, Paschamysteriums Christi. Im direkt auf die Gaben von Brot und der den zentralen Sprechakt der Supra quae, der Bitte um An- Wein bezogen. Sie sind aber ge- Wandlungsepiklese und der Ver- nahme des Opfers, wird das Op- meint, da die Annahmebitte die ba Testamenti vollzieht, macht fer des Leibes und Blutes Christi Intention der Darbringung for- als „Ikone“ Christi manifest, daß in einer Typologie des Opfers muliert und den ersten Teil der Christus uns die göttliche Gabe mit den Opfern Abels (Gen 4,1- Interzessionen abschließt. Bei der Eucharistie schenkt, die al- 16), Abrahams (Gen 22,2-18) der Wandlungsbitte Quam ob- ler menschlichen Verfügbarkeit und Melchisedechs (Gen 14,17- lationem, die bereits bei Ambro- entzogen ist. Der Augenblick der 19) in Verbindung gebracht. Da- sius überliefert wird und daher Wandlung bleibt auch unsichtbar bei nimmt das Opfer Abrahams zum ältesten Bestand des Rö- und kann nur angezeigt werden. eine Sonderstellung ein. Denn mischen Kanon gehört, handelt Nach der Konsekration von Brot es besteht in einer rituellen es sich um eine indirekte Epik und Wein folgt die postkonse- Doppelhandlung, der Bindung lese. Auch wenn der Geist nicht, kratorische Darbringung. Im Isaaks und der ersatzweisen wie bei der Wandlungsepiklese Unde et memores, dem Ge- Darbringung des im Gestrüpp der drei neuen Hochgebete des dächtnis des Erlösungswerkes hängenden Opfertieres, das wie Meßbuchs von 1970, auf die Ga Christi, bringt der Priester das Isaak in der christlichen Tradi ben von Brot und Wein herab heilige Brot des ewigen Lebens tion als Typos des Gekreuzigten gerufen wird, so bittet doch der (Panem sanctum vitae aeter- erscheint. Demgegenüber ver- Priester darum, daß die Opfer nae) und den Kelch des immer weist das Opfer Melchisedechs gabe durch Gottes Segen der währenden Heiles (Calicem sa- auf die eucharistischen Gaben Leib und das Blut Christi werde. lutis perpetuae) als reines, hei- von Brot und Wein. Die Doppelkonsekration von liges und makelloses Opfer dar Das Gebet Supplices, te roga- Brot und Wein bildet zusammen (offerimus). Ausdrücklich wird mus vor der zweiten Reihe der mit der Wandlungsbitte das Zen dabei gesagt, daß die Kirche nur Interzessionen formuliert eine 31 Stock, Gabenbereitung 38. 10
Kreuz und Altar zweifache Bitte. Rätselhaft bleibt Zweiten Hochgebet: „Dir, Herr, 3. Altar und Gebet die erste Bitte, der heilige Engel bringen wir das Brot des Lebens Die Hinwendung zum Herrn möge das Opfer emportragen und den Kelch des Heiles dar“ zum himmlischen Altar vor das (tibi, Domine, panem vitae et ca- Der christliche Altar ist der Ort, Angesicht Gottes – ist dieser En- licem salutis offerimus). Im Vier- an dem die Darbringung der gel Christus selbst oder ein be- ten Hochgebet betet der Prie- Eucharistie erfolgt. Der Altar ist sonderer Opferengel? Manche ster: „Wir bringen dir seinen Leib nicht nur Symbol für Christus, wollen in der Bitte das ursprüng- und sein Blut dar“ (offerimus tibi sondern Opferstein. Man sieht liche epikletisch-konsekratori eius Corpus et Sanguinem). So dies daran, daß Brot und Wein, sche Element des römischen wird Christus von der Kirche aber auch der Altar selbst, in- Kanons sehen. In der überlie- Gott als ihr Opfer präsentiert. zensiert werden (in der moder- ferten Fassung des Canon Ro Die Messe ist also mehr als eine nen Form der Messe nur noch manus bezieht sie sich freilich Gedächtnisfeier des Todes und ad libitum) und so der Meßri- auf das Emportragen der schon der Aufers tehung Jesu, nämlich tus etwas vom Brandopferkult konsekrierten Opfergaben.32 In selbst ein Opfer. in sich aufnimmt. Die Darbrin der zweiten Bitte, die Gläubi- Nach der Analyse der Opferaus- gung der Kirche und ihr Gebet gen, die Anteil am Leib und Blut sagen in Offertorium und Eucha sollen wie Weihrauch vor das Christi erhalten, mögen mit allen ristischem Hochgebet möchte Angesicht Gottes emporsteigen Segensgaben des Himmels er- ich abschließend im dritten Teil (vgl. Ps 140 [141] 2).33 Die Be füllt werden, kann man eine Art meines Vortrages noch kurz auf zeichnung des Altares als „Tisch Kommunionepiklese sehen. Die die Bedeutung des Altares so- des Mahles“ ist in hohem Maße Darbringung der Opfergaben wie die seit einigen Jahren wie- erklärungsbedürftig. Denn das zielt auf Verwandlung der Ga- der intensiver diskutierte Frage letzte Abendmahl ist nicht die ben, diese selbst aber auf die der Gebetsrichtung zu sprechen erste Eucharistie. Zwar stiftete Verwandlung der Gläubigen. kommen. Wie der zweite Teil be- Jesus das Gedächtnis seines Die aufgezählten Gebete vom rührt auch der dritte und letzte Todes und seiner Auferstehung Quam oblationem bis zum Sup- Teil Fragen einer „Reform der im Rahmen eines jüdischen plices, te rogamus, die zum älte Reform“. Festmahls. Doch hat er nicht das sten Bestand des Canon Ro- Mahl selbst zur Wiederholung manus gehören, dokumentieren die signifikante Opfergestalt der Eucharistie. Diese besteht nicht nur im Bereiten und Austeilen der Gaben in Verbindung mit dem Lobopfer der Kirche – so die These Martin Luthers. Zum Opfer der Eucharistie gehört nach katholischem Verständ- nis auch ihre Darbringung vor und nach der Konsekration. Die Struktur der prä- und postkon sekratorischen oblatio besitzen auch die drei neuen Hochgebete des Meßbuchs von 1970. Im Memores igitur wird die post konsekratorische Darbringung sogar noch verstärkt. So heißt es vom Opfer der Kirche im Notre-Dame du Haut de Ronchamps mit Außenaltar 32 Umstritten ist, ob der heilige Engel Christus selber ist oder ein besonderer Opferengel. 33 Vgl. AEM Nr. 51. Dominus vobiscum Nr.1 – August 2010 11
Hauptartikel aufgetragen, sondern den dank sich dabei an die liturgische sem Geheimnis, die Scheu vor sagenden Lobpreis über Brot Ordnung der Kirche hält. Rich- dem Mysterium des Todes erfül- und Wein, in denen uns der Leib tig verstanden meint „Tisch des len, der anwesend wird in unse- und das Blut Christi geschenkt Mahles“ also, daß uns vom Al- rer Mitte“35. Die Feier der Eucha- werden. Die Eucharistie ist kein tar aus, an dem der Priester das ristie droht, oberflächlich zu wer- Sättigungsmahl, auch wenn sie Opfer der Eucharistie in der Per- den, wo sie nicht mehr bis in die damit mancherorts anfänglich son Christi vollzieht, die Kom Tiefe des Todes hinabreicht. Da- verbunden gewesen ist. Bei der munion gereicht wird. her wird der Altar in der Traditi- Feier der heiligen Messe handelt Der Altar ist an erster Stelle der on nicht nur mit der Krippe, dem es sich nicht um eine Darstel Ort der Darbringung des Op- Ort der Menschwerdung des Gottessohnes, sondern mit dem Grab Christi verglichen. Zugleich symbolisiert der erhöhte Altar, in Verbindung mit nach oben hin geöffnetem Altarraum, Öffnung hin zur himmlischen Liturgie, an der die sichtbare Liturgie teil- hat. Der Altar überschreitet also den Kreis der zur Feier der Eu charistie versammelten Gläubi gen. Die Mitte der Gemeinde ist nicht einfach der sichtbare Altar. Die Mitte der Gemeinde ist viel mehr „ex-zentrisch“36. Letztlich ist sie positionslos, also auch durch und im Priester nicht ein fach abbildbar: „The true sacred centre is unplaceable and lies Kardinal Canizares beim Pontifikalamt in der Lateran-Basilika beyond place itself, in God.“37 In der klassischen Form des rö- lung des Letzten Abendmahls. fers der Eucharistie. In der Dar mischen Meßritus werden die Der Altar ist daher auch nicht Ort bringung der Eucharistie ver priesterlichen Präsidialgebete des gemeinsamen Essens. Nur gegenwärtigt sich der erhöhte am Altar gesprochen. Mit weni- für den Priester ist der Altar der Herr, der zugleich Priester und gen Ausnahmen sind alle prie Platz, an dem der Leib und das Opfergabe ist. Die Darbringung sterlichen Präsidialgebete in der Blut Christi empfangen werden. der Eucharistie wird von Chri römischen Liturgie an Gott den Die Gläubigen kommunizieren stus, dem Hohenpriester, als Vater gerichtet. Dies gilt auch nicht am Altar, sondern – wie es principalis agens vollzogen. In für das Eucharistische Hoch im Supplices, te rogamus heißt oratio und oblatio, Gebet und gebet. Darin spiegelt sich die – ex hac altaris participatione, Darbringung, leiht der mensch trinitarische Grundstruktur im also durch Teilhabe am Altar. liche Priester Christus Mund und Beten der Kirche: ad Patrem Dies gilt nicht nur für den usus Hände. Da die Eucharistie „einen per Iesum Christum in Spiritu antiquior der römischen Messe, Tod gekostet“34 hat, muß uns in Sancto. Diese Grundstruktur sondern auch für ihre moderne der Eucharistie – so Josef Rat- hat Canon 21 der Synode von Form – zumindest, wenn man zinger – „die Ehrfurcht vor die- Hippo Regius von 393 im Blick, 34 Ebd. 43. Vgl. Ratzinger, 40 Jahre Konstitution über die heilige Liturgie 213. 35 Ratzinger, Quelle des Lebens 43. 36 Vgl. Reinhard Meßner, Gebetsrichtung, Altar und die exzentrische Mitte der Gemeinde, in: Communio-Räume. Auf der Suche nach der angemessenen Raumgestalt katholischer Liturgie, Regensburg 2003, 27-36. 37 Catherine Pickstock, After writing. On the Liturgical Consummation of Philosophy, Oxford/UK 22000, 174. 12
Kreuz und Altar wenn darin gefordert wird: „Et cum altari assistitur, semper ad Patrem dirigatur oratio.“ Wenn am Altar der Dienst vollzogen wird, soll das Gebet immer an den Vater gerichtet sein. Der heilige Augustinus, der diesem Prinzip zum Durchbruch verhalf, nahm an der nordafrikanischen Synode als Presbyter teil. Die Liturgie der Kirche wurde aber immer auch im Bewußtsein der Gegenwart Christi und in der Erwartung seiner Parusie gefei- ert. So war die Apsis der Kirchen schon früh mit einem Kruzifix oder einem Bild des Christus triumphans ausgemalt, auf den Altarraum der Kapelle in Ronchamps die Blicke des Priesters und der Gläubigen gerichtet waren. Die heute immer wieder vorgetragen ziehung erweckt dagegen sehr Kirche betete versus orientem wird. Das Bewußtsein, bei der oft den Eindruck des geschlos bzw. versus Dominum, was aus Feier der Eucharistie zum Volk senen Kreises. So ist das nach topographischen Gründen frei- hin zu zelebrieren, war in der dem 2. Vatikanischen Konzil vor lich nicht immer identisch war. alten Kirche und darüber hinaus herrschende Eucharistiemodell, Das Gebet versus orientem unbekannt.41 Unabhängig vom das bis in die Kirchenarchitek bzw. Dominum ist die christliche Kirchenbau und der Ausrichtung tur wirksam wurde, die um den Form der sacred direction, der der Kirche, war es entscheidend, „Tisch des Mahles“ versammel heiligen Gebetsausrichtung, wie daß die versammelte Gemeinde te Gemeinde geworden. wir sie auch im orthodoxen Ju zusammen mit dem Zelebranten Da eine gemeinsame Gebets- dentum und im Islam antreffen, zu Gott hin ausgerichtet betet, in richtung nicht von heute auf wo die Gebete nach Jerusalem der Erwartung der Wiederkunft morgen wiedergewonnen wer oder Mekka hin ausgerichtet Christi.42 Die sacred direction den kann, hat Joseph Ratzinger gesprochen werden.38 Die Be der traditionellen Gebetsrichtung in seinem Buch „Der Geist der hauptung, ursprünglich habe öffnet die versammelte Ge- Liturgie“ (2000) den Vorschlag der Bischof bzw. Priester versus meinde auf ihren göttlichen Ur gemacht, auf den Altar ein weit- populum zelebriert, ist eine von sprung hin und richtet sie auf ihr hin sichtbares Kruzifix zu stel Otto Nußbaum verbreitete Le- eschatologisches Ziel aus. Die len, um so deutlich zu machen, gende39, die zwar schon bald celebratio versus populum mit daß Priester und Gläubige bei durchschaut wurde40, aber bis ihrer ständigen face-to-face Be- der eucharistischen Liturgie ge- 38 Es ist das Verdienst von Uwe Michael Lang, in der katholischen Kirche eine sachliche Diskussion über die gemeinsame Gebetsrichtung ad Dominum angestoßen zu haben (vgl. Uwe Michael Lang, Conversi ad Dominum. Zur Geschichte der christlichen Gebetsrichtung. Mit einem Geleitwort von Joseph Ratzinger, Freiburg 32005; ders., The Direction of Liturgical Prayer, in: Ever Directed Towards the Lord, 90-107). 39 Otto Nußbaum, Der Standort des Liturgen am christlichen Altar vor dem Jahr 1000. Eine archäologische und liturgiegeschichtliche Unter- suchung (Theophaneia 18), 2 Bde., Bonn 1965. 40 Vgl. Marcel Metzger, La place des liturges à l’autel, in: RevScRel 45 (1971) 113-145. 41 Vgl. auch Stefan Heid, Gebetshaltung und Ostung in frühchristlicher Zeit, in: Rivista di Archeologia Cristiana 82 (2006 [2008]) 347-404. 42 Für die nicht apsisgeosteten Basiliken Roms ist vermutet worden, daß die eucharistische Liturgie in Richtung der geöffneten Türen gefeiert wurde, wobei die Gläubigen in den Seitenschiffen standen (vgl. Louis Bouyer, Liturgie und Architektur, Freiburg 1993, 56-57; Klaus Gam ber, Liturgie und Kirchenbau. Studien zur Geschichte der Meßfeier und des Gotteshauses in der Frühzeit, Regensburg 1976, 23-25). Eine andere These besagt, daß Zelebrant und Gläubige bei der eucharistischen Liturgie im Sinne einer „ideellen Ostung“ zum Apsisbogen, der mit seinen Mosaiken die Einheit der irdischen mit der himmlischen Liturgie symbolisiert, ausgerichtet waren (vgl. Lang, Conversi ad Domi num, 90-92). Dominus vobiscum Nr.1 – August 2010 13
Hauptartikel sakralen Handlung, die sich an ihm vollzieht, widerspricht, hätte bei Beibehaltung der gemein samen Gebetsrichtung ab dem Offertorium vermieden werden können. An dieser Stelle sei abschließend noch einmal daran erinnert, daß die celebratio versus populum nicht aus theologischen Grün den, etwa einer Abkehr vom katholischen Verständnis des eucharistischen Opfers, erlaubt wurde, sondern dafür pastorale Überlegungen entscheidend wa- ren. Die veränderte Gebetsrich Gertrudissaal in Essen: während des Hauptvortrags tung ist auch bis heute niemals vorgeschrieben worden.44 Noch meinsam auf den gekreuzigten daß ihr latreutischer Charakter während des 2. Vatikanischen und erhöhten Herrn ausgerichtet immer weniger wahrgenom Konzils erklärte die Gottes sind.43 Denn unbeschadet der men und daher ein Kruzifix auf dienstkongregation, daß eine in Patrozentrik der eucharistischen dem Altar als störend für die gemeinsamer Gebetsrichtung Liturgie im römischen Ritus, ist Kommunikation zwischen Prie zelebrierte eucharistische Litur- sie zugleich auf den Herrn be ster und Gemeinde empfunden gie voll und ganz dem Geist der zogen, der in ihr gegenwär- wird. Die Änderung der Position erneuerten Liturgie entspricht.45 tig wird, der uns vor Gott ver des Priesters hat das Bewußt Participatio actuosa und sacred sammelt und den wir in seiner sein dafür schwinden lassen, direction schließen einander kei Parusie erwarten. Das auf dem daß wir die Eucharistie im An- neswegs aus; zumindest sahen Altar stehende Kruzifix mit je- gesicht Gottes feiern, der sich die Konzilsväter46 und die römi- weils drei Leuchtern rechts und uns im gekreuzigten und auf- sche Kirche zur Zeit des Konzils links ist das Emblem der von Be- erstandenen Herrn geoffenbart darin keinen Gegensatz. Wer nedikt XVI. verfolgten „Reform hat. Die Positionsänderung des heute dagegen für die Darbrin- der Reform“. Die Zentralstellung Priesters hat auch die Wahr gung der Eucharistie am Altar des Altarkreuzes in der päpstli- nehmung der Eucharistie als eine Rückkehr zur traditionellen chen Liturgie, die einen wichti- sichtbares, von ihm am Altar zu- Gebetsrichtung empfiehlt, der gen Beitrag zur Wahrnehmung sammen mit den Gläubigen dar- gilt den meisten in unserer Kir- der Einheit von klassischer und gebrachtes Opfer beeinträchtigt. che schon als Feind des 2. Vati moderner Form des römischen Daher sehe ich im Verlust der kanischen Konzils. Fast fünfzig Meßritus darstellt, ist bislang gemeinsamen Gebetsrichtung Jahre nach Verabschiedung freilich nur sporadisch aufgegrif für die eucharistische Liturgie der Konstitution „Sacrosanctum fen worden. das Hauptproblem der nachkon Concilium“ (1963) ist eine De Der Verlust der sacred direc- ziliaren Liturgie. Vieles von dem, batte um die Früchte der nach- tion für die Darbringung der was wir heute rund um den Al- konziliaren Liturgiereform immer Eucharistie hat dazu geführt, tar erleben müssen und was der noch ein vermintes Gelände. 43 Joseph Ratzinger/Benedikt XVI., Der Geist der Liturgie. Eine Einführung (2000), Freiburg-Basel-Wien Neuausgabe 2006, 73. 44 Vgl. Congregatio de Cultu Divino et Disciplina Sacramentorum, Editoriale: Pregare “ad orientem versus” in: Notitiae 29 (1993), 245-249, 247. - Ein Brief der Kongregation vom 25. September 2000 weist darauf hin, daß die celebratio versus populum keine Verpflichtung darstellt und es gute Gründe geben kann, warum man die celebratio versus orientem, die auch eine symbolische sein kann, wählt. Vgl. Congregatio de Cultu Divino et Disciplina Sacramentorum, Responsa ad quaestiones de nova Institutione Generali Missalis Romani, in: CCCIC 32 (2000) 171-174. 45 Vgl. Congregatio de Cultu Divino et Disciplina Sacramentorum, in: Notitiae 2 (1965) 251. 46 Vgl. LG 33. 14
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