Krieg und Frieden Sonntag, 22. Juli, 19 Uhr Helmut List Halle - Styriarte

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Krieg und Frieden Sonntag, 22. Juli, 19 Uhr Helmut List Halle - Styriarte
Sonntag, 22. Juli, 19 Uhr
                                         Helmut List Halle

                           Krieg und Frieden

              KRIEG UND FRIEDEN
       zur Zeit des Heiligen Römischen Reiches
 Von Kaiser Maximilian I. bis Kaiser Karl V., 1459–1558

          Maximilian I., der letzte Ritter

                            I

     1459    Geburt von Maximilian in Wiener Neustadt

  Anonym (Glogauer Liederbuch)
Canzona
  (instrumental)

     1462    Maximilian erlebt als Kleinkind zusammen mit
             seinen Eltern die Belagerung der Wiener Hofburg
             wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen
             zwischen Friedrich III. und seinem jüngeren Bruder
             Erzherzog Albrecht VI. von Österreich.
Krieg und Frieden Sonntag, 22. Juli, 19 Uhr Helmut List Halle - Styriarte
Heinrich Isaac (ca. 1450–1517)
Motette: Parce, Domine

      1477    Maximilian heiratet Maria von Burgund (Herzogin
              von Burgund 1477–1482), was ihm Flandern
              einbringt.

   Josquin Desprez (um 1450/55–1521)
Saltarello: Une musque de Buscaye
   (instrumental)

      1482    Tod der Maria von Burgund infolge eines
              Jagdunfalls

   Claudin de Sermisy (ca. 1490–1562)
Benedic, anima mea

      1482    Maximilian wird Regent von Flandern.

   Josquin Desprez
Vive le Roy
   (instrumental)

      1488    Im flandrischen Brügge warfen seine
              unzufriedenen Untertanen Maximilian sogar
              von Januar bis Mai 1488 ins Gefängnis. Sein Vater
              Friedrich stellte aber eine Armee zusammen,
              befreite ihn und schaffte es, die Lage in Burgund
              einigermaßen zu stabilisieren.
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Anonym (Petrucci Notendruck)
Dit le burguygnon
   (instrumental)

      1492   Ende der Spanischen Reconquista gegen das
             Königreich von Granada

   Carlos Verardi (1440–1500)
Canción: Viva el gran Re Don Fernando

                            II

      1492   Vertreibung der Juden aus Spanien

   Anonym sephardisch
El pan de la aflicción
   (Gebet auf Ladinisch)

      1494   Am 16. März vermählt sich Maximilian I. in Hall
             in Tirol in zweiter Ehe mit Bianca Maria Sforza
             (1472–1510).

   Anonym (Montecassino Liederbuch, Nr. 132)
O tempo bono

      1496   Heinrich Isaac bleibt bis zu seinem Tod in den
             Diensten von Kaiser Maximilian, reist aber dabei
             frei umher und hält sich in Florenz auf.
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Heinrich Isaac
Motette: Christ ist erstanden, à 5

      1496    Maximilian verheiratet seinen Sohn Philipp mit
              Ferdinands Tochter Johanna von Kastilien.

   Juan del Encina (1468–1529)
Villancico: Amor con fortuna

      1500    Geburt des zukünftigen Karl V.

   Alonso Mudarra (um 1510–1580)
Pavana Real
   (instrumental)

                            III

      1508    4. Februar: Maximilian nimmt mit Zustimmung
              von Papst Julius II. im Dom von Trient den Titel
              eines Erwählten Römischen Kaisers an, nachdem
              sein Romzug am Widerstand der Republik Venedig
              gescheitert war.

   Heinrich Isaac
Motette: Virgo prudentissima quæ pia, à 6

      1509    Maximilian verlässt Italien, Isaac begleitet ihn
              nach Augsburg und Konstanz. Die Kathedrale
              dieser Stadt beauftragt ihn mit dem „Choralis
              Constantinus“.
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1519     Maximilian stirbt am 12. Januar auf der beschwer-
               lichen Reise von Innsbruck zum Landtag nach Linz
               in der Burg von Wels (vermutlich an Darmkrebs).

   Heinrich Isaac
Motette: Circumdederunt me gemitus mortis
   (aus dem „Choralis Constantinus“)

     Licht und Schatten in der Zeit Karls V.

                             IV

      1519     Karl V. ist der neue Kaiser des Heiligen
               Römischen Reiches.

   Anonym
Fanfare

   Cristóbal de Morales (um 1500–1553)
Sanctus, a 6
   aus der Messe „Mille regretz“

      1525     Schlacht von Pavia

   Mateo Flecha, der Ältere (1481–1553)
Todos los buenos soldados
   Fragment der „Ensalada La Guerra“
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V

      1526    Karl V. heiratet Isabella von Portugal.

   Thoinot Arbeau (1519–1595)
Chanson: Belle qui tiens ma vie

   Antonio de Cabezón (1510–1566)
Diferencias sobre „La dama le demanda“

      1527    Sacco di Roma

   Adrian Willaert (ca. 1490–1562)
Villanesca alla napolitana: Vecchie letrose

                            VI

      1532    Friede von Nürnberg

   Hieronimus Parabosco (1524–1557)
Ricercare XIV: Da Pacem Domine

      1538    Friede von Nizza

   Cristóbal de Morales
Motette: Jubilate Deo omnis terra, a 6
Krieg und Frieden Sonntag, 22. Juli, 19 Uhr Helmut List Halle - Styriarte
1539   Karls Gattin Isabella stirbt

   Josquin Desprez
Chanson: Mille regretz

                            VII

      1547   Schlacht bei Mühlberg

  Tielman Susato (ca. 1510–nach 1570)
Pavana „La Battaglia per sonar“
   (instrumental)

      1555   Abdankung Karls V.

   Josquin Desprez / Luis de Narváez (um 1505–nach 1549)
La Canción del Emperador „Mille regretz“
   (instrumental)

      1556   Ferdinand I. neuer Kaiser des Heiligen Römischen
             Reiches

   Ludwig Senfl (ca. 1490–1543)
Fortuna desperata: „Nasci, pati, mori“

      1558   Tod Karls V.

   Cristóbal de Morales
Motette: Circumdederunt me gemitus mortis
Krieg und Frieden Sonntag, 22. Juli, 19 Uhr Helmut List Halle - Styriarte
LA CAPELLA REIAL DE CATALUNYA:
Lucía Martín-Cartón, Sopran
Viva Biancaluna Biffi, Mezzosopran
Kristin Mulders, Mezzosopran
Pascal Bertin, Countertenor
David Sagastume, Countertenor
Víctor Sordo, Tenor
Lluís Vilamajó, Tenor
Furio Zanasi, Bariton
Daniele Carnovich, Bass

HESPÈRION XXI:
Jean-Pierre Canihac, Zink
Béatrice Delpierre, Schalmei
Daniel Lassalle, Posaune
Elies Hernandis Posaune
Joaquim Guerra, Dulzian

Jordi Savall, Diskantviola
Imke David, Tenorviola
Philippe Pierlot, Bassviola
Lorenz Duftschmid, Bassviola

Xavier Díaz-Latorre, Vihuela & Gitarre
Marco Vitale, Orgel
Dimitri Psonis, Perkussion

Leitung: Jordi Savall

Konzertdauer:
Erster Teil: ca. 50 Minuten
Pause: ca. 30 Minuten
Zweiter Teil: ca. 50 Minuten
Krieg und Frieden Sonntag, 22. Juli, 19 Uhr Helmut List Halle - Styriarte
Krieg und Frieden

Ein Jahrhundert voller Kriege und der

Sehnsucht nach Frieden: Jordi Savall lenkt

Auge und Ohr auf die waffenstarrenden

Heere, die um 1500 halb Europa mit Krieg

überzogen: Die Franzosen fielen in Italien

ein, Spanier und Mauren lieferten sich in

Andalusien blutige Schlachten. Maximi-

lian I. musste um Kaiserkrone und Reich

kämpfen, und sein Enkel Karl V. eröffnete

eine   neue   Front   im   Glaubenskrieg,

nicht mehr nur gegen die Muslime, son-

dern auch gegen die Protestanten.
Ad notam

       Musik der Hoffnung in Zeiten des Krieges
Musik vermag wenig gegen den Lärm der Kanonen, die um 1500
immer raffiniertere Formen annahmen. Doch sie kann der Ver-
zweiflung der Menschen Ausdruck verleihen und ihrer Hoffnung.
Die Inbrunst kann dabei sehr unterschiedliche Formen annehmen,
je nachdem, woher die Bitten stammten, die damals zum Himmel
aufstiegen: aus den Palästen der Mächtigen oder den Hütten der
Armen, aus einer jüdischen Synagoge oder einer christlichen Kir-
 che. Fromm waren sie jedoch alle, die Menschen um 1500, unab-
hängig davon, an welchen Gott und welches Credo sie glaubten.
„Parce Domine, populo tuo“, „Schütze, Herr, dein Volk und gibt es
nicht dem Verderben preis.“ Diese Bitte in den Tönen von Heinrich
Isaac steht wie eine Überschrift über dem gesamten Programm.

                        Heinrich Isaac
Da die Musik des großen Niederländers am Hof Maximilians das
gesamte Programm durchzieht, seien ihm eingangs ein paar Worte
gewidmet. Als Maximilian I. 1497 in Italien auf den bereits berühm-
ten Komponisten traf, war dieser gerade arbeitslos geworden:
Nach dem Tod Lorenzo des Prächtigen hatte man in Florenz die
„Cantori di S. Giovanni“ aufgelöst. Acht Jahre lang hatte der Flame
Isaac zu den Elite-Sängern des großen Medici gehört und im Her-
zen der Florentiner Renaissance seine wundervollen Motetten
aufgeführt. Lorenzo hatte für ihn die Ehefrau ausgesucht, eine
 echte Florentinerin, und der zukünftige Papst Leo X. hatte zu
 seinen Schülern gezählt. Nun, anno 1497, machte sich der Mitt-
vierziger Isaac nach Tirol auf, um in Innsbruck dem Hof Maximi-
lians neuen musikalischen Glanz zu verleihen. Dies tat er 15 Jahre
lang unermüdlich, auch unermüdlich reisend wie sein Herr. Man
traf Isaac beim Reichstag in Konstanz, in Nürnberg und Augsburg,
Wels und Wien und immer wieder in Italien, zwischen Ferrara und
Rom. Am meisten aber zog es ihn ins schöne Florenz, wo er sich
endlich 1512 ein Haus kaufte und sein Rentnerdasein genoss, das
ihm Leo X. durch eine Pension zu versüßen suchte. In Österreich
war die Schönheit seiner großen Motetten ebenso unvergessen
wie die Lieblichkeit seiner Lieder. Man denke nur an das berühm-
teste: „Insprugk, ich muss dich lassen.“

                         Reconquista
Bevor in der Mitte des ersten Programmteils Isaacs grandiose
Vertonung des „Christ ist erstanden“ die Osterhoffnung aufscheinen
lässt, lenkt Jordi Savall den Blick auf den alles entscheidenden
Konflikt in der Geschichte Spaniens: die Reconquista, die „Rück-
 eroberung“ des Landes von den muslimischen Mauren. Sie war
 ein Werk von 770 Jahren, begonnen 722 und gekrönt durch die
Eroberung Granadas am 2. Januar 1492. Die „Katholischen Könige“
Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón ließen ihren
Triumph in Liedern feiern: 1493 brachte in Rom der Dichter Carlo
Verardi seine „Historia Baetica“ heraus. Daraus stammt die Frot-
tola „Viva el gran Re Don Fernando“, in der die Eroberung der
„mächtigen Festung Granada“ in freudigen Tanzrhythmen gefeiert
wird. Die letzten Nasriden-Herrscher auf spanischem Boden hat-
ten den christlichen Waffen nichts entgegenzusetzen, waren aber
vom Verdacht des Fanatismus und der Grausamkeit nicht frei. Die
Zeiten des toleranten, blühenden Al-Andalus unter almohadischer
Herrschaft waren lange vorbei. Von Marokko aus hatten religiöse
Fanatiker Spanien infiltriert. Der Konflikt mit den immer mächti-
geren Christen war also unausweichlich. Die eigentlichen Leid-
tragenden der Eroberung Granadas waren aber die Juden: Ausge-
rechnet in der Alhambra erließen die Katholischen Könige das
Edikt, das die Juden zur Konversion oder Auswanderung zwang,
innerhalb weniger Monate bis zum 31. Juli 1492!
Savalls Musikauswahl reflektiert alle diese Aspekte: Auf den Tri-
umphgesang zu Ehren Fernandos folgt ein Klagelied der sephar-
dischen Juden: „Dies ist das Kummerbrot, das unsere Väter in
Ägypten aßen.“ Auch den einfachen Christen erging es im eroberten
Spanien kaum besser, wie ein Klagelied aus dem Canzoniere di
Montecassino verrät und vor allem ein Villancico des Juan del
Enzina. Er beklagt, dass ihn Liebe und Glück verlassen haben.

                Die allerklügste Jungfrau
In Österreich trafen Musiker um 1500 auf vergleichsweise geord-
nete Verhältnisse, nicht nur Heinrich Isaac in Innsbruck, sondern
auch die Hofmusiker des Kaisers in Wien. Seit dem Jahr 2000
verleiht die Erzdiözese Wien den Bischof-Slatkonia-Preis für neue
liturgische Musik. Denn jener 1456 in Laibach geborene Kleriker
namens Georg von Slatkonia, der 1513 im Wiener Stephansdom
zum Bischof der jungen Diözese geweiht wurde, war zuvor Kantor
und Leiter der Wiener Hofmusikkapelle. Als solcher wirkte er so
innovativ und zum Ruhme seines Herrn, Maximilians I., dass man
noch heute seiner gedenkt, wenn es um fortschrittliche Musik zur
Liturgie geht. Um 1500 hieß Fortschritt in der Kirchenmusik vor
allem eines: Glorifizierung des Hauses Habsburg und seines Ober-
haupts Maximilian als eines weisen, gerechten, christlichen Herr-
schers. Anno 1507 berief Maximilian den Reichstag nach Konstanz
am Bodensee ein, um seine Wahl zum Kaiser von langer Hand
vorzubereiten. Propaganda in musikalischer Form durfte dabei
nicht fehlen, wofür der geniale Komponist Heinrich Isaac genau
der Richtige war. Das wusste auch Georg Slatkonia. Geschickt
nutzte der Rektor der Wiener Hofmusiker die Anwesenheit so
vieler Fürsten auf dem Reichstag, um bei Isaac eine der großar-
tigsten sechsstimmigen Motetten in Auftrag zu geben, die jemals
geschrieben wurden: „Virgo prudentissima“ über die Magnifi-
cat-Antiphon zum Fest Mariae Himmelfahrt. Denn Kaiser Maxi-
milian wollte unbedingt eine Parallele zwischen der leiblichen
Aufnahme Mariens in den Himmel und seiner eigenen Erhöhung
zum Kaiser ziehen – ganz ähnlich, wie es Dürer in seinem gewal-
tigen Gemälde vom Rosenfest Mariens mit dem Kaiser in der
Mitte dargestellt hat. Im Text der wahrhaft grandiosen „Staats-
motette“ von Isaac wird diese Parallele gezogen und zugleich der
Auftraggeber genannt: „Dieses devote, kunstvolle Lied bestellte
Georgius, Kantor und Rektor der kaiserlichen Kapelle, Slatkonius,
der Leiter des Bistums von Pedena.“ Erst im Jahr davor war er zum
Administrator des Bistums Pedena in Istrien erhoben worden, dem
heutigen Pican in Kroatien. Dieses uralte, wenn auch arme Bistum
war für den Einfluss der Habsburger auf Norditalien so wichtig,
dass noch hundert Jahre später Ferdinand II. von Graz aus seinen
Vertrauensmann Antonio Zara dort als Bischof platzierte.

Man sieht: Die Habsburger in Wien zogen heimlich, still und leise
die Fäden der Politik. Der relativ komplexe Zusammenhang zwi-
schen der Hofmusik in Wien, einem Reichstag in Konstanz, einem
Bistum im heutigen Kroatien, der Madonna und Maximilian ist
typisch für die Gemengelage im Reich des „letzten Ritters“ um
1500. Uns Nachgeborenen hat sie die wahrhaft grandiose Motette
von Isaac beschert, die Jordi Savall ins Zentrum seines Programms
stellt. Von hier aus strahlt die Sonne der Habsburger gewisser-
maßen in alle Teile Europas aus sowie unter Maximilians Enkel
Karl V. weit darüber hinaus.

                Wettstreit der Hofkapellen
Anno 1503 durfte Maximilian I. seinen Sohn Philipp den Schönen
und dessen spanische Ehefrau Johanna in Innsbruck willkommen
heißen. Es war kein Familientreffen, sondern ein Staatsbesuch. Die
Weichen für die spanische Thronfolge wurden gestellt, denn der
Infant Juan von Aragón und Kastilien war 1497 gestorben. Nun
hatte Maximilians Schwiegertochter Johanna den Erbanspruch,
den ihr Ehemann Philipp gleich auf sich selbst ausdehnte. Als
Königin Isabella starb, zog das junge Paar von Brüssel nach Spanien,
und Philipp beanspruchte einen Titel, der ihm eigentlich nicht
zustand: „Philippe par la grace de Dieu roy de Castille, de Leon, de
Grenade, archiduc d’Autriche etc.“ Dieser usurpierte Anspruch auf
Spanien ging später auf den Sohn Carlos über, Kaiser Karl V., der
über Spanien herrschen konnte, nachdem sich seine Mutter Jo-
hanna, die angeblich „Wahnsinnige“, ins Kloster zurückgezogen
hatte.

 Bei der denkwürdigen Begegnung seiner Eltern mit seinem Groß-
vater in Innsbruck 1503 war der kleine Karl erst drei Jahre alt, doch
 die Liebe zur Musik war ihm gleichsam in die Wiege gelegt worden.
 Die vorzügliche Hofkapelle, die seine Eltern aus Brüssel mit nach
 Innsbruck brachten, schulte nicht nur seine eigenen Ohren, sondern
 setzte auch die Hofmusiker seines Großpapas in Zugzwang. Beim
„Wettstreit der Hofkapellen“ wurden die schönsten Werke auf-
 geführt. Isaacs Motette „Circumdederunt me“ zum Sonntag
 Septuagesimae hüllte selbst die Bußübungen der Herrscher in
 schönsten Klang. Ein halbes Jahrhundert später wurde sie in dem
 monumentalen Druck „Choralis constantinus“ in Nürnberg ver-
 öffentlicht, so dass sich auch einfache Gläubige, Katholiken wie
 Protestanten, daran erfreuen konnten.

                              Karl V.
Wer sich schon als Kind daran gewöhnt hat, jeden öffentlichen
Auftritt von feierlicher Musik umrahmt zu hören, der wird auch
als Kaiser seine Ansprüche hoch stecken: Wenn sich Karl V. später
in Bologna mit Papst Clemens VII. traf, durften die Messen des
Spaniers Cristóbal de Morales nicht fehlen. Der Meister aus
Sevilla entzückte seine Landsleute und die Italiener mit seinen
Messen so sehr, dass ihn 1535 der neue Papst Paul III. Farnese in
die Sixtinische Kapelle holte. In Rom veröffentlichte er 1544 seine
beiden grandiosen Bücher mit vier- bis sechsstimmigen Messen,
darunter auch die „Missa Mille regretz“ über jene Chanson von
Josquin Desprez, die erklärtermaßen das Lieblingslied Karls V. war.
Der Kaiser und der Farnesepapst waren unversöhnliche Gegner
in der Politik, doch musikalisch hatten sie denselben Geschmack.
Man kann sich die Wirkung von Morales’ Musik nicht grandios
genug vorstellen, wenn jene Messe in der Sixtinischen Kapelle
erklang, vor dem „Jüngsten Gericht“ Michelangelos, das gerade
erst 1541 enthüllt worden war.

Neben all den Höhenflügen der prunkvollen polyphonen Messen
vergisst Jordi Savall auch das Leid der einfachen Menschen nicht,
in jenem Reich Karls V, in dem die Sonne nicht unterging: Mateo
Flecha besang in seiner Ensalada „La Guerra“ das harte Los der
guten Soldaten, die vom Kaiser in den nächsten Krieg für Spanien
geschickt wurden und ihren Lohn erst im Himmel empfangen
konnten. Eine süße französische Chanson von Thoinot Arbeau
lenkt den Blick auf jene verfeinerte Erotik, die am französischen
Hof herrschte. Katharina de Medici und ihre drei regierenden
Söhne standen für diese Epoche Frankreichs, die der alte Kaiser
Karl nur noch in ihren Anfängen miterlebte.

Am 25. Oktober 1555 dankte er in Brüssel ab und zog sich in ein
spanisches Kloster zurück – zu Betrachtungen über die Vergäng-
lichkeit und den Tod, wie sie am Ende des Programms durch Wer-
ke von Ludwig Senfl und noch einmal Morales verkörpert werden.
Neben dem Kloster San Jerónimo de Yuste hatte sich Karl eine
Villa im italienischen Stil bauen lassen. Dort verbrachte er die
letzten Lebensjahre bis zu seinem Tod 1558 fast wie ein Einsiedler,
aber auch wie eine „Eminence grise“, immer noch in Staatsge-
schäfte verwickelt. Die „Tausend reuigen Gedanken“, die seine
Lieblingschanson „Mille regretz“ besingt, werden dem Kaiser oft
genug durch den Kopf gegangen sein. In seiner Abdankung erklär-
te er:

„Große Hoffnungen hatte ich – nur wenige haben sich erfüllt, und nur
wenige bleiben mir: und um den Preis welcher Mühen! Das hat
mich schließlich müde und krank gemacht. Ihr wisst alle, wie sehr
… Ich habe alle Wirrnisse nach Menschenmöglichkeit bis heute
 ertragen, damit niemand sagen könne, ich sei fahnenflüchtig
geworden. Aber jetzt wäre es unverantwortlich, die Abdankung
noch länger hinauszuzögern. Glaubt nicht, dass ich mich irgend
Mühen und Gefahren entziehen wolle: Meine Kräfte reichen ein-
fach nicht mehr hin. Vertraut meinem Sohn, wie er euch vertraut,
seid einig, übt stets Gerechtigkeit und lasst den Unglauben nicht
in eure Reihen. Was mich betrifft: Ich weiß, dass ich viele Fehler
begangen habe, große Fehler, erst wegen meiner Jugend, dann
wegen des menschlichen Irrens und wegen meiner Leidenschaften,
und schließlich aus Müdigkeit. Aber bewusst habe ich niemandem
Unrecht getan, wer es auch sei. Sollte dennoch Unrecht entstanden
sein, geschah es ohne mein Wissen und nur aus Unvermögen: Ich
bedaure es öffentlich und bitte jeden, den ich gekränkt haben
könnte, um sein Verzeihen.“

                                                   Josef Beheimb
Die Interpreten

           Jordi Savall, Diskantviola & Leitung
Jordi Savall ist eine der vielseitigsten Persönlichkeiten unter den
Musikern seiner Generation. Seit mehr als fünfzig Jahren macht
er die Welt mit musikalischen Wunderwerken bekannt, die er dem
Dunkel der Gleichgültigkeit und des Vergessens entreißt. Er wid-
met sich der Erforschung der Alten Musik, weiß sie zu lesen und
interpretiert sie mit seiner Gambe oder als Dirigent. Seine Kon-
zerte, aber auch sein Wirken als Pädagoge, Forscher und Initiator
neuer musikalischer oder kultureller Projekte haben wesentlich
zu einer neuen Sichtweise der Alten Musik beigetragen. Zusammen
mit Montserrat Figueras gründete er die Ensembles Hespèrion
XXI (1974), La Capella Reial de Catalunya (1987) und Le Concert des
Nations (1989). Mit ihnen erforscht und erschafft er seit Jahrzehn-
                           ten ein Universum voller Emotion und
                               Schönheit für Millionen von Liebha-
                                  bern Alter Musik in der ganzen Welt.

                                  In seiner Musikerlaufbahn hat
                                  Savall mehr als 230 Platten auf-
                                  genommen. Das Repertoire reicht
                                  von Musik des Mittelalters über
                                 Renaissance-Musik bis hin zu Kom-
                               positionen des Barock und des Klas-
                            sizismus, wobei er einen besonderen
                       Schwerpunkt auf die iberische und medi-
terrane Tradition legt. Die CDs erhielten zahlreiche Auszeichnun-
gen, darunter mehrere Midem Classical Awards, International
Classical Music Awards und einen Grammy. Seine Konzertpro-
gramme haben die Musik zu einem Mittel der Verständigung und
des Friedens zwischen unterschiedlichen und manchmal auch
verfeindeten Völkern und Kulturen gemacht. Nicht ohne Grund
wurde Jordi Savall 2008 zum „Botschafter der Europäischen
Union für den kulturellen Dialog“ und gemeinsam mit Montserrat
Figueras im Rahmen des UNESCO-Programms „Botschafter des
guten Willens“ zum „Künstler für den Frieden“ ernannt.

Jordi Savalls ertragreiches Musikschaffen wurde mit den höchsten
nationalen und internationalen Auszeichnungen gewürdigt, dar-
unter der Titel des Doctor Honoris Causa der Universitäten von
Évora (Portugal), Barcelona (Katalonien), Löwen (Belgien) und
Basel (Schweiz). Die französische Republik verlieh Jordi Savall den
Titel eines „Chevalier dans l’Ordre national de la Légion d’Hon-
neur“-und vom niedersächsischen Kultusministerium erhielt er
 den „Praetorius Musikpreis Niedersachsen 2010“ in der Kategorie
„Internationaler Friedensmusikpreis“; die katalanische Landes-
regierung zeichnete ihn mit der Goldmedaille für besondere Ver-
 dienste aus, und im Jahr 2012 wurde sein Lebenswerk mit dem
angesehenen, einem Nobelpreis für Musik gleichkommenden,
 dänischen Musikpreis Léonie Sonning prämiert. „Jordi Savall steht
ein für die unendliche Vielfalt eines gemeinsamen kulturellen
Erbes. Er ist ein Mann unserer Zeit.“ (The Guardian, 2011).

               La Capella Reial de Catalunya
Nach dem Modell der berühmten Capelles Reials, der höfischen
Musikensembles im Mittelalter, für die auf der Iberischen Halb-
insel große Meisterwerke sakraler und profaner Musik komponiert
wurden, haben Montserrat Figueras und Jordi Savall im Jahr 1987
La Capella Reial gegründet, eines der ersten Vokalensembles, das
sich, basierend auf historischen Kriterien, der Interpretation der
Musik des spanischen Barocks, des sogenannten Goldenen Zeit-
alters, widmet und dem ausschließlich Sänger und Sängerinnen
Iberiens und Lateinamerikas angehören. Seit die katalanische
Landesregierung (Generalitat de Catalunya) im Jahr 1990 die Schirm-
herrschaft übernommen hat, nennt sich das Ensemble La Capella
Reial de Catalunya.

Die Gruppe widmet sich der Wiederentdeckung und Aufführung
der polyphonen Vokalmusik des Mittelalters und des spanischen
Goldenen Zeitalters sowie der vor dem 19. Jahrhundert entstan-
denen europäischen Musik, wobei die Erforschung der historischen
Aufführungspraxis die Grundlage ihrer Interpretation ist. Auf der
gleichen künstlerischen Linie wie das Instrumentalensemble
Hespèrion XXI, kombiniert La Capella Reial de Catalunya meister-
haft, immer mit Achtung vor der tiefen spirituellen und künst-
lerischen Dimension der Werke, die Qualität der Ausführung und
Anpassung an den Stil der jeweiligen Epochen mit dem ausdrucks-
vollen Vortrag der poetischen Texte.

Das umfassende Repertoire des Ensembles reicht von der mittel-
alterlichen Musik der mediterranen Kulturen bis hin zu den gro-
ßen Meistern der katalanischen, iberischen und europäischen
                                      Renaissance und des Barock.
                                           Zu seinen Erfolgen ge-
                                             hören aber auch die
                                              Aufführung einiger
                                                Opern des Barock
                                                und des Klassizis-
                                                mus und ein Ab-
                                              stecher in die zeit-
                                             genössische Musik
                                          mit Kompositionen von
                                     Arvo Pärt. Hervorzuheben ist
ebenfalls die Mitgestaltung der Filmmusik zu „Jeanne La Pucelle“
(1993) von Jacques Rivette über das Leben der Jeanne d’Arc.

Im Jahr 1992 debütierte La Capella Reial de Catalunya im Opern-
genre und begleitete als Chor alle Aufführungen des Orchesters
Le Concert des Nations. Die mehr als 40 CDs umfassende Disko-
grafie des Ensembles hat zahlreiche Auszeichnungen und Preise
erhalten. Unter der Leitung von Jordi Savall gibt La Capella Reial
de Catalunya zahlreiche Konzerte in der ganzen Welt, nimmt
Platten auf und hat als Teil der Stiftung Centre Internacional de
Música Antiga einen festen Platz bei den wichtigsten internatio-
nalen Festivals Alter Musik.
Hespèrion XXI
Im Jahr 1974 gründeten Jordi Savall und Montserrat Figueras zu-
sammen mit Lorenzo Alpert und Hopkinson Smith in Basel Hes-
pèrion XX, ein Ensemble für Alte Musik, das das reiche und faszi-
nierende Repertoire vor dem 19. Jahrhundert unter neuen Vor-
aussetzungen erhalten und bereichern wollte. Diese neuen Vor-
aussetzungen waren die historischen Kriterien, die angewendet
wurden, und die Originalinstrumente. Der Name Hespèrion be-
deutet „aus Hesperien“, im Altgriechischen die Bezeichnung für
die beiden westlichsten Halbinseln Europas, Hispanien und Italien.
Es war auch der Name, den der Planet Venus erhielt, wenn er im
Westen erschien. Hespèrion XX wurde im Jahr 2000 in Hespèrion
XXI umgetauft.
Hespèrion XXI ist heute ohne Zweifel eine Referenz, wenn man
die Entwicklung der Musik in dem Zeitraum zwischen dem Mit-
telalter bis zum Barock verstehen möchte. Die Arbeit dieses En-
sembles, das in der Erhaltung von Werken, Partituren, Instrumenten
und nicht veröffentlichten Dokumenten besteht, ist von unbere-
chenbarem Wert. Auf der einen Seite steht die strenge Forschungs-
arbeit, mit der neue Daten und Interpretationen zu den historischen
Kenntnissen einer Epoche beigetragen werden, und zum anderen
ist da die ausgezeichnete Qualität der Interpretationen, durch die
das Publikum die Möglichkeit hat, auf natürliche Weise die ästhe-
tische Zartheit und die eigene Spiritualität der Werke jener Zeit
zu hören.
Von Anfang an schlug Hespèrion XXI einen klaren und innovativen
künstlerischen Kurs ein, der dazu führte, dass auf weltweiter
Ebene eine Schule der Alten Musik entstand, denn man empfand
und gestaltete die Alte Musik wie ein Werkzeug des musikalischen
Experimentierens. Man suchte in ihr die größte Schönheit und
Ausdruckskraft der Interpretation. Jeder, der Alte Musik inter-
pretiert, ist dem ursprünglichen Geist jedes Werkes verpflichtet,
und er muss lernen, durch das Studium des Komponisten, der
Instrumente der Epoche, des Werkes und seiner konkreten Um-
stände eine Verbindung mit dem Werk aufzunehmen. Aber als
Handwerker der Kunst ist er auch dazu gezwungen, Entscheidungen
über das zu fällen, was er interpretiert. Von seinem Talent, seiner
Kreativität und seiner Kapazität, Emotionen zu vermitteln, hängt
seine Kapazität ab, mit der Vergangenheit und der Gegenwart, mit
der Kultur und ihrer Verbreitung Verbindung aufzunehmen.
Das Repertoire von Hespèrion XXI umfasst unter anderem Werke
aus dem Repertoire der Sepharden, kastilische Romanzen, Werke
aus dem Goldenen Zeitalter Spanien und des Europa der Nationen.
Zu den erfolgreichsten Programmen des Ensembles gehören die
Cantigas de Santa Maria de Alfonso X El Sabio, La Diáspora Sefardí,
und die Musik aus Jerusalem, Istanbul, Armenien und die kreoli-
schen Folias. Dank der ausgezeichneten Arbeit zahlreicher Musi-
ker und Mitarbeiter, die in all diesen Jahren mit dem Ensemble
                                        zusammengearbeitet ha-
                                           ben, spielte und spielt
                                              Hespèrion XXI eine
                                                entscheidende Rol-
                                                le in der Erhaltung
                                                und Aufwertung
                                                des musikalisch-
                                               en Nachlasses mit
                                            großem Einfluss auf
                                          weltweiter Ebene. Das
                                    Ensemble hat mehr als 60 Al-
ben veröffentlicht, und auch in der Gegenwart spielt es auf der
ganzen Welt und ist auf allen internationalen Festivals der Alten
Musik zu hören.

Mit der Unterstützung von
Das Team der styriarte bedankt sich bei seinem
  sehr verehrten Publikum für seine Neugier,
 für seine Begeisterung und Treue. Wir freuen
 uns, dass Sie uns auch 2018 wieder auf unse-
 ren mannigfaltigen Pfaden durch die schöne
 Musikwelt folgten. Wir verabschieden uns für
diesen Sommer und freuen uns auf ein Wieder-
       sehen von 20. Juni bis 21. Juli 2019.
Langeweile
 gehört sich nicht.

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Fotomontage; Foto: F. J. Böhm, undatiert,
Universalmuseum Joanneum, Multimediale Sammlungen
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