Krieg und Frieden Sonntag, 22. Juli, 19 Uhr Helmut List Halle - Styriarte
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Sonntag, 22. Juli, 19 Uhr Helmut List Halle Krieg und Frieden KRIEG UND FRIEDEN zur Zeit des Heiligen Römischen Reiches Von Kaiser Maximilian I. bis Kaiser Karl V., 1459–1558 Maximilian I., der letzte Ritter I 1459 Geburt von Maximilian in Wiener Neustadt Anonym (Glogauer Liederbuch) Canzona (instrumental) 1462 Maximilian erlebt als Kleinkind zusammen mit seinen Eltern die Belagerung der Wiener Hofburg wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Friedrich III. und seinem jüngeren Bruder Erzherzog Albrecht VI. von Österreich.
Heinrich Isaac (ca. 1450–1517) Motette: Parce, Domine 1477 Maximilian heiratet Maria von Burgund (Herzogin von Burgund 1477–1482), was ihm Flandern einbringt. Josquin Desprez (um 1450/55–1521) Saltarello: Une musque de Buscaye (instrumental) 1482 Tod der Maria von Burgund infolge eines Jagdunfalls Claudin de Sermisy (ca. 1490–1562) Benedic, anima mea 1482 Maximilian wird Regent von Flandern. Josquin Desprez Vive le Roy (instrumental) 1488 Im flandrischen Brügge warfen seine unzufriedenen Untertanen Maximilian sogar von Januar bis Mai 1488 ins Gefängnis. Sein Vater Friedrich stellte aber eine Armee zusammen, befreite ihn und schaffte es, die Lage in Burgund einigermaßen zu stabilisieren.
Anonym (Petrucci Notendruck) Dit le burguygnon (instrumental) 1492 Ende der Spanischen Reconquista gegen das Königreich von Granada Carlos Verardi (1440–1500) Canción: Viva el gran Re Don Fernando II 1492 Vertreibung der Juden aus Spanien Anonym sephardisch El pan de la aflicción (Gebet auf Ladinisch) 1494 Am 16. März vermählt sich Maximilian I. in Hall in Tirol in zweiter Ehe mit Bianca Maria Sforza (1472–1510). Anonym (Montecassino Liederbuch, Nr. 132) O tempo bono 1496 Heinrich Isaac bleibt bis zu seinem Tod in den Diensten von Kaiser Maximilian, reist aber dabei frei umher und hält sich in Florenz auf.
Heinrich Isaac Motette: Christ ist erstanden, à 5 1496 Maximilian verheiratet seinen Sohn Philipp mit Ferdinands Tochter Johanna von Kastilien. Juan del Encina (1468–1529) Villancico: Amor con fortuna 1500 Geburt des zukünftigen Karl V. Alonso Mudarra (um 1510–1580) Pavana Real (instrumental) III 1508 4. Februar: Maximilian nimmt mit Zustimmung von Papst Julius II. im Dom von Trient den Titel eines Erwählten Römischen Kaisers an, nachdem sein Romzug am Widerstand der Republik Venedig gescheitert war. Heinrich Isaac Motette: Virgo prudentissima quæ pia, à 6 1509 Maximilian verlässt Italien, Isaac begleitet ihn nach Augsburg und Konstanz. Die Kathedrale dieser Stadt beauftragt ihn mit dem „Choralis Constantinus“.
1519 Maximilian stirbt am 12. Januar auf der beschwer- lichen Reise von Innsbruck zum Landtag nach Linz in der Burg von Wels (vermutlich an Darmkrebs). Heinrich Isaac Motette: Circumdederunt me gemitus mortis (aus dem „Choralis Constantinus“) Licht und Schatten in der Zeit Karls V. IV 1519 Karl V. ist der neue Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Anonym Fanfare Cristóbal de Morales (um 1500–1553) Sanctus, a 6 aus der Messe „Mille regretz“ 1525 Schlacht von Pavia Mateo Flecha, der Ältere (1481–1553) Todos los buenos soldados Fragment der „Ensalada La Guerra“
V 1526 Karl V. heiratet Isabella von Portugal. Thoinot Arbeau (1519–1595) Chanson: Belle qui tiens ma vie Antonio de Cabezón (1510–1566) Diferencias sobre „La dama le demanda“ 1527 Sacco di Roma Adrian Willaert (ca. 1490–1562) Villanesca alla napolitana: Vecchie letrose VI 1532 Friede von Nürnberg Hieronimus Parabosco (1524–1557) Ricercare XIV: Da Pacem Domine 1538 Friede von Nizza Cristóbal de Morales Motette: Jubilate Deo omnis terra, a 6
1539 Karls Gattin Isabella stirbt Josquin Desprez Chanson: Mille regretz VII 1547 Schlacht bei Mühlberg Tielman Susato (ca. 1510–nach 1570) Pavana „La Battaglia per sonar“ (instrumental) 1555 Abdankung Karls V. Josquin Desprez / Luis de Narváez (um 1505–nach 1549) La Canción del Emperador „Mille regretz“ (instrumental) 1556 Ferdinand I. neuer Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Ludwig Senfl (ca. 1490–1543) Fortuna desperata: „Nasci, pati, mori“ 1558 Tod Karls V. Cristóbal de Morales Motette: Circumdederunt me gemitus mortis
LA CAPELLA REIAL DE CATALUNYA: Lucía Martín-Cartón, Sopran Viva Biancaluna Biffi, Mezzosopran Kristin Mulders, Mezzosopran Pascal Bertin, Countertenor David Sagastume, Countertenor Víctor Sordo, Tenor Lluís Vilamajó, Tenor Furio Zanasi, Bariton Daniele Carnovich, Bass HESPÈRION XXI: Jean-Pierre Canihac, Zink Béatrice Delpierre, Schalmei Daniel Lassalle, Posaune Elies Hernandis Posaune Joaquim Guerra, Dulzian Jordi Savall, Diskantviola Imke David, Tenorviola Philippe Pierlot, Bassviola Lorenz Duftschmid, Bassviola Xavier Díaz-Latorre, Vihuela & Gitarre Marco Vitale, Orgel Dimitri Psonis, Perkussion Leitung: Jordi Savall Konzertdauer: Erster Teil: ca. 50 Minuten Pause: ca. 30 Minuten Zweiter Teil: ca. 50 Minuten
Krieg und Frieden Ein Jahrhundert voller Kriege und der Sehnsucht nach Frieden: Jordi Savall lenkt Auge und Ohr auf die waffenstarrenden Heere, die um 1500 halb Europa mit Krieg überzogen: Die Franzosen fielen in Italien ein, Spanier und Mauren lieferten sich in Andalusien blutige Schlachten. Maximi- lian I. musste um Kaiserkrone und Reich kämpfen, und sein Enkel Karl V. eröffnete eine neue Front im Glaubenskrieg, nicht mehr nur gegen die Muslime, son- dern auch gegen die Protestanten.
Ad notam Musik der Hoffnung in Zeiten des Krieges Musik vermag wenig gegen den Lärm der Kanonen, die um 1500 immer raffiniertere Formen annahmen. Doch sie kann der Ver- zweiflung der Menschen Ausdruck verleihen und ihrer Hoffnung. Die Inbrunst kann dabei sehr unterschiedliche Formen annehmen, je nachdem, woher die Bitten stammten, die damals zum Himmel aufstiegen: aus den Palästen der Mächtigen oder den Hütten der Armen, aus einer jüdischen Synagoge oder einer christlichen Kir- che. Fromm waren sie jedoch alle, die Menschen um 1500, unab- hängig davon, an welchen Gott und welches Credo sie glaubten. „Parce Domine, populo tuo“, „Schütze, Herr, dein Volk und gibt es nicht dem Verderben preis.“ Diese Bitte in den Tönen von Heinrich Isaac steht wie eine Überschrift über dem gesamten Programm. Heinrich Isaac Da die Musik des großen Niederländers am Hof Maximilians das gesamte Programm durchzieht, seien ihm eingangs ein paar Worte gewidmet. Als Maximilian I. 1497 in Italien auf den bereits berühm- ten Komponisten traf, war dieser gerade arbeitslos geworden: Nach dem Tod Lorenzo des Prächtigen hatte man in Florenz die „Cantori di S. Giovanni“ aufgelöst. Acht Jahre lang hatte der Flame Isaac zu den Elite-Sängern des großen Medici gehört und im Her- zen der Florentiner Renaissance seine wundervollen Motetten aufgeführt. Lorenzo hatte für ihn die Ehefrau ausgesucht, eine echte Florentinerin, und der zukünftige Papst Leo X. hatte zu seinen Schülern gezählt. Nun, anno 1497, machte sich der Mitt- vierziger Isaac nach Tirol auf, um in Innsbruck dem Hof Maximi- lians neuen musikalischen Glanz zu verleihen. Dies tat er 15 Jahre
lang unermüdlich, auch unermüdlich reisend wie sein Herr. Man traf Isaac beim Reichstag in Konstanz, in Nürnberg und Augsburg, Wels und Wien und immer wieder in Italien, zwischen Ferrara und Rom. Am meisten aber zog es ihn ins schöne Florenz, wo er sich endlich 1512 ein Haus kaufte und sein Rentnerdasein genoss, das ihm Leo X. durch eine Pension zu versüßen suchte. In Österreich war die Schönheit seiner großen Motetten ebenso unvergessen wie die Lieblichkeit seiner Lieder. Man denke nur an das berühm- teste: „Insprugk, ich muss dich lassen.“ Reconquista Bevor in der Mitte des ersten Programmteils Isaacs grandiose Vertonung des „Christ ist erstanden“ die Osterhoffnung aufscheinen lässt, lenkt Jordi Savall den Blick auf den alles entscheidenden Konflikt in der Geschichte Spaniens: die Reconquista, die „Rück- eroberung“ des Landes von den muslimischen Mauren. Sie war ein Werk von 770 Jahren, begonnen 722 und gekrönt durch die Eroberung Granadas am 2. Januar 1492. Die „Katholischen Könige“ Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón ließen ihren Triumph in Liedern feiern: 1493 brachte in Rom der Dichter Carlo Verardi seine „Historia Baetica“ heraus. Daraus stammt die Frot- tola „Viva el gran Re Don Fernando“, in der die Eroberung der „mächtigen Festung Granada“ in freudigen Tanzrhythmen gefeiert wird. Die letzten Nasriden-Herrscher auf spanischem Boden hat- ten den christlichen Waffen nichts entgegenzusetzen, waren aber vom Verdacht des Fanatismus und der Grausamkeit nicht frei. Die Zeiten des toleranten, blühenden Al-Andalus unter almohadischer Herrschaft waren lange vorbei. Von Marokko aus hatten religiöse Fanatiker Spanien infiltriert. Der Konflikt mit den immer mächti- geren Christen war also unausweichlich. Die eigentlichen Leid- tragenden der Eroberung Granadas waren aber die Juden: Ausge- rechnet in der Alhambra erließen die Katholischen Könige das Edikt, das die Juden zur Konversion oder Auswanderung zwang, innerhalb weniger Monate bis zum 31. Juli 1492!
Savalls Musikauswahl reflektiert alle diese Aspekte: Auf den Tri- umphgesang zu Ehren Fernandos folgt ein Klagelied der sephar- dischen Juden: „Dies ist das Kummerbrot, das unsere Väter in Ägypten aßen.“ Auch den einfachen Christen erging es im eroberten Spanien kaum besser, wie ein Klagelied aus dem Canzoniere di Montecassino verrät und vor allem ein Villancico des Juan del Enzina. Er beklagt, dass ihn Liebe und Glück verlassen haben. Die allerklügste Jungfrau In Österreich trafen Musiker um 1500 auf vergleichsweise geord- nete Verhältnisse, nicht nur Heinrich Isaac in Innsbruck, sondern auch die Hofmusiker des Kaisers in Wien. Seit dem Jahr 2000 verleiht die Erzdiözese Wien den Bischof-Slatkonia-Preis für neue liturgische Musik. Denn jener 1456 in Laibach geborene Kleriker namens Georg von Slatkonia, der 1513 im Wiener Stephansdom zum Bischof der jungen Diözese geweiht wurde, war zuvor Kantor und Leiter der Wiener Hofmusikkapelle. Als solcher wirkte er so innovativ und zum Ruhme seines Herrn, Maximilians I., dass man noch heute seiner gedenkt, wenn es um fortschrittliche Musik zur Liturgie geht. Um 1500 hieß Fortschritt in der Kirchenmusik vor allem eines: Glorifizierung des Hauses Habsburg und seines Ober- haupts Maximilian als eines weisen, gerechten, christlichen Herr- schers. Anno 1507 berief Maximilian den Reichstag nach Konstanz am Bodensee ein, um seine Wahl zum Kaiser von langer Hand vorzubereiten. Propaganda in musikalischer Form durfte dabei nicht fehlen, wofür der geniale Komponist Heinrich Isaac genau der Richtige war. Das wusste auch Georg Slatkonia. Geschickt nutzte der Rektor der Wiener Hofmusiker die Anwesenheit so vieler Fürsten auf dem Reichstag, um bei Isaac eine der großar- tigsten sechsstimmigen Motetten in Auftrag zu geben, die jemals geschrieben wurden: „Virgo prudentissima“ über die Magnifi- cat-Antiphon zum Fest Mariae Himmelfahrt. Denn Kaiser Maxi- milian wollte unbedingt eine Parallele zwischen der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel und seiner eigenen Erhöhung
zum Kaiser ziehen – ganz ähnlich, wie es Dürer in seinem gewal- tigen Gemälde vom Rosenfest Mariens mit dem Kaiser in der Mitte dargestellt hat. Im Text der wahrhaft grandiosen „Staats- motette“ von Isaac wird diese Parallele gezogen und zugleich der Auftraggeber genannt: „Dieses devote, kunstvolle Lied bestellte Georgius, Kantor und Rektor der kaiserlichen Kapelle, Slatkonius, der Leiter des Bistums von Pedena.“ Erst im Jahr davor war er zum Administrator des Bistums Pedena in Istrien erhoben worden, dem heutigen Pican in Kroatien. Dieses uralte, wenn auch arme Bistum war für den Einfluss der Habsburger auf Norditalien so wichtig, dass noch hundert Jahre später Ferdinand II. von Graz aus seinen Vertrauensmann Antonio Zara dort als Bischof platzierte. Man sieht: Die Habsburger in Wien zogen heimlich, still und leise die Fäden der Politik. Der relativ komplexe Zusammenhang zwi- schen der Hofmusik in Wien, einem Reichstag in Konstanz, einem Bistum im heutigen Kroatien, der Madonna und Maximilian ist typisch für die Gemengelage im Reich des „letzten Ritters“ um 1500. Uns Nachgeborenen hat sie die wahrhaft grandiose Motette von Isaac beschert, die Jordi Savall ins Zentrum seines Programms stellt. Von hier aus strahlt die Sonne der Habsburger gewisser- maßen in alle Teile Europas aus sowie unter Maximilians Enkel Karl V. weit darüber hinaus. Wettstreit der Hofkapellen Anno 1503 durfte Maximilian I. seinen Sohn Philipp den Schönen und dessen spanische Ehefrau Johanna in Innsbruck willkommen heißen. Es war kein Familientreffen, sondern ein Staatsbesuch. Die Weichen für die spanische Thronfolge wurden gestellt, denn der Infant Juan von Aragón und Kastilien war 1497 gestorben. Nun hatte Maximilians Schwiegertochter Johanna den Erbanspruch, den ihr Ehemann Philipp gleich auf sich selbst ausdehnte. Als Königin Isabella starb, zog das junge Paar von Brüssel nach Spanien, und Philipp beanspruchte einen Titel, der ihm eigentlich nicht
zustand: „Philippe par la grace de Dieu roy de Castille, de Leon, de Grenade, archiduc d’Autriche etc.“ Dieser usurpierte Anspruch auf Spanien ging später auf den Sohn Carlos über, Kaiser Karl V., der über Spanien herrschen konnte, nachdem sich seine Mutter Jo- hanna, die angeblich „Wahnsinnige“, ins Kloster zurückgezogen hatte. Bei der denkwürdigen Begegnung seiner Eltern mit seinem Groß- vater in Innsbruck 1503 war der kleine Karl erst drei Jahre alt, doch die Liebe zur Musik war ihm gleichsam in die Wiege gelegt worden. Die vorzügliche Hofkapelle, die seine Eltern aus Brüssel mit nach Innsbruck brachten, schulte nicht nur seine eigenen Ohren, sondern setzte auch die Hofmusiker seines Großpapas in Zugzwang. Beim „Wettstreit der Hofkapellen“ wurden die schönsten Werke auf- geführt. Isaacs Motette „Circumdederunt me“ zum Sonntag Septuagesimae hüllte selbst die Bußübungen der Herrscher in schönsten Klang. Ein halbes Jahrhundert später wurde sie in dem monumentalen Druck „Choralis constantinus“ in Nürnberg ver- öffentlicht, so dass sich auch einfache Gläubige, Katholiken wie Protestanten, daran erfreuen konnten. Karl V. Wer sich schon als Kind daran gewöhnt hat, jeden öffentlichen Auftritt von feierlicher Musik umrahmt zu hören, der wird auch als Kaiser seine Ansprüche hoch stecken: Wenn sich Karl V. später in Bologna mit Papst Clemens VII. traf, durften die Messen des Spaniers Cristóbal de Morales nicht fehlen. Der Meister aus Sevilla entzückte seine Landsleute und die Italiener mit seinen Messen so sehr, dass ihn 1535 der neue Papst Paul III. Farnese in die Sixtinische Kapelle holte. In Rom veröffentlichte er 1544 seine beiden grandiosen Bücher mit vier- bis sechsstimmigen Messen, darunter auch die „Missa Mille regretz“ über jene Chanson von Josquin Desprez, die erklärtermaßen das Lieblingslied Karls V. war. Der Kaiser und der Farnesepapst waren unversöhnliche Gegner
in der Politik, doch musikalisch hatten sie denselben Geschmack. Man kann sich die Wirkung von Morales’ Musik nicht grandios genug vorstellen, wenn jene Messe in der Sixtinischen Kapelle erklang, vor dem „Jüngsten Gericht“ Michelangelos, das gerade erst 1541 enthüllt worden war. Neben all den Höhenflügen der prunkvollen polyphonen Messen vergisst Jordi Savall auch das Leid der einfachen Menschen nicht, in jenem Reich Karls V, in dem die Sonne nicht unterging: Mateo Flecha besang in seiner Ensalada „La Guerra“ das harte Los der guten Soldaten, die vom Kaiser in den nächsten Krieg für Spanien geschickt wurden und ihren Lohn erst im Himmel empfangen konnten. Eine süße französische Chanson von Thoinot Arbeau lenkt den Blick auf jene verfeinerte Erotik, die am französischen Hof herrschte. Katharina de Medici und ihre drei regierenden Söhne standen für diese Epoche Frankreichs, die der alte Kaiser Karl nur noch in ihren Anfängen miterlebte. Am 25. Oktober 1555 dankte er in Brüssel ab und zog sich in ein spanisches Kloster zurück – zu Betrachtungen über die Vergäng- lichkeit und den Tod, wie sie am Ende des Programms durch Wer- ke von Ludwig Senfl und noch einmal Morales verkörpert werden. Neben dem Kloster San Jerónimo de Yuste hatte sich Karl eine Villa im italienischen Stil bauen lassen. Dort verbrachte er die letzten Lebensjahre bis zu seinem Tod 1558 fast wie ein Einsiedler, aber auch wie eine „Eminence grise“, immer noch in Staatsge- schäfte verwickelt. Die „Tausend reuigen Gedanken“, die seine Lieblingschanson „Mille regretz“ besingt, werden dem Kaiser oft genug durch den Kopf gegangen sein. In seiner Abdankung erklär- te er: „Große Hoffnungen hatte ich – nur wenige haben sich erfüllt, und nur wenige bleiben mir: und um den Preis welcher Mühen! Das hat mich schließlich müde und krank gemacht. Ihr wisst alle, wie sehr … Ich habe alle Wirrnisse nach Menschenmöglichkeit bis heute ertragen, damit niemand sagen könne, ich sei fahnenflüchtig
geworden. Aber jetzt wäre es unverantwortlich, die Abdankung noch länger hinauszuzögern. Glaubt nicht, dass ich mich irgend Mühen und Gefahren entziehen wolle: Meine Kräfte reichen ein- fach nicht mehr hin. Vertraut meinem Sohn, wie er euch vertraut, seid einig, übt stets Gerechtigkeit und lasst den Unglauben nicht in eure Reihen. Was mich betrifft: Ich weiß, dass ich viele Fehler begangen habe, große Fehler, erst wegen meiner Jugend, dann wegen des menschlichen Irrens und wegen meiner Leidenschaften, und schließlich aus Müdigkeit. Aber bewusst habe ich niemandem Unrecht getan, wer es auch sei. Sollte dennoch Unrecht entstanden sein, geschah es ohne mein Wissen und nur aus Unvermögen: Ich bedaure es öffentlich und bitte jeden, den ich gekränkt haben könnte, um sein Verzeihen.“ Josef Beheimb
Die Interpreten Jordi Savall, Diskantviola & Leitung Jordi Savall ist eine der vielseitigsten Persönlichkeiten unter den Musikern seiner Generation. Seit mehr als fünfzig Jahren macht er die Welt mit musikalischen Wunderwerken bekannt, die er dem Dunkel der Gleichgültigkeit und des Vergessens entreißt. Er wid- met sich der Erforschung der Alten Musik, weiß sie zu lesen und interpretiert sie mit seiner Gambe oder als Dirigent. Seine Kon- zerte, aber auch sein Wirken als Pädagoge, Forscher und Initiator neuer musikalischer oder kultureller Projekte haben wesentlich zu einer neuen Sichtweise der Alten Musik beigetragen. Zusammen mit Montserrat Figueras gründete er die Ensembles Hespèrion XXI (1974), La Capella Reial de Catalunya (1987) und Le Concert des Nations (1989). Mit ihnen erforscht und erschafft er seit Jahrzehn- ten ein Universum voller Emotion und Schönheit für Millionen von Liebha- bern Alter Musik in der ganzen Welt. In seiner Musikerlaufbahn hat Savall mehr als 230 Platten auf- genommen. Das Repertoire reicht von Musik des Mittelalters über Renaissance-Musik bis hin zu Kom- positionen des Barock und des Klas- sizismus, wobei er einen besonderen Schwerpunkt auf die iberische und medi- terrane Tradition legt. Die CDs erhielten zahlreiche Auszeichnun- gen, darunter mehrere Midem Classical Awards, International Classical Music Awards und einen Grammy. Seine Konzertpro- gramme haben die Musik zu einem Mittel der Verständigung und des Friedens zwischen unterschiedlichen und manchmal auch verfeindeten Völkern und Kulturen gemacht. Nicht ohne Grund wurde Jordi Savall 2008 zum „Botschafter der Europäischen
Union für den kulturellen Dialog“ und gemeinsam mit Montserrat Figueras im Rahmen des UNESCO-Programms „Botschafter des guten Willens“ zum „Künstler für den Frieden“ ernannt. Jordi Savalls ertragreiches Musikschaffen wurde mit den höchsten nationalen und internationalen Auszeichnungen gewürdigt, dar- unter der Titel des Doctor Honoris Causa der Universitäten von Évora (Portugal), Barcelona (Katalonien), Löwen (Belgien) und Basel (Schweiz). Die französische Republik verlieh Jordi Savall den Titel eines „Chevalier dans l’Ordre national de la Légion d’Hon- neur“-und vom niedersächsischen Kultusministerium erhielt er den „Praetorius Musikpreis Niedersachsen 2010“ in der Kategorie „Internationaler Friedensmusikpreis“; die katalanische Landes- regierung zeichnete ihn mit der Goldmedaille für besondere Ver- dienste aus, und im Jahr 2012 wurde sein Lebenswerk mit dem angesehenen, einem Nobelpreis für Musik gleichkommenden, dänischen Musikpreis Léonie Sonning prämiert. „Jordi Savall steht ein für die unendliche Vielfalt eines gemeinsamen kulturellen Erbes. Er ist ein Mann unserer Zeit.“ (The Guardian, 2011). La Capella Reial de Catalunya Nach dem Modell der berühmten Capelles Reials, der höfischen Musikensembles im Mittelalter, für die auf der Iberischen Halb- insel große Meisterwerke sakraler und profaner Musik komponiert wurden, haben Montserrat Figueras und Jordi Savall im Jahr 1987 La Capella Reial gegründet, eines der ersten Vokalensembles, das sich, basierend auf historischen Kriterien, der Interpretation der Musik des spanischen Barocks, des sogenannten Goldenen Zeit- alters, widmet und dem ausschließlich Sänger und Sängerinnen Iberiens und Lateinamerikas angehören. Seit die katalanische Landesregierung (Generalitat de Catalunya) im Jahr 1990 die Schirm- herrschaft übernommen hat, nennt sich das Ensemble La Capella Reial de Catalunya. Die Gruppe widmet sich der Wiederentdeckung und Aufführung der polyphonen Vokalmusik des Mittelalters und des spanischen
Goldenen Zeitalters sowie der vor dem 19. Jahrhundert entstan- denen europäischen Musik, wobei die Erforschung der historischen Aufführungspraxis die Grundlage ihrer Interpretation ist. Auf der gleichen künstlerischen Linie wie das Instrumentalensemble Hespèrion XXI, kombiniert La Capella Reial de Catalunya meister- haft, immer mit Achtung vor der tiefen spirituellen und künst- lerischen Dimension der Werke, die Qualität der Ausführung und Anpassung an den Stil der jeweiligen Epochen mit dem ausdrucks- vollen Vortrag der poetischen Texte. Das umfassende Repertoire des Ensembles reicht von der mittel- alterlichen Musik der mediterranen Kulturen bis hin zu den gro- ßen Meistern der katalanischen, iberischen und europäischen Renaissance und des Barock. Zu seinen Erfolgen ge- hören aber auch die Aufführung einiger Opern des Barock und des Klassizis- mus und ein Ab- stecher in die zeit- genössische Musik mit Kompositionen von Arvo Pärt. Hervorzuheben ist ebenfalls die Mitgestaltung der Filmmusik zu „Jeanne La Pucelle“ (1993) von Jacques Rivette über das Leben der Jeanne d’Arc. Im Jahr 1992 debütierte La Capella Reial de Catalunya im Opern- genre und begleitete als Chor alle Aufführungen des Orchesters Le Concert des Nations. Die mehr als 40 CDs umfassende Disko- grafie des Ensembles hat zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhalten. Unter der Leitung von Jordi Savall gibt La Capella Reial de Catalunya zahlreiche Konzerte in der ganzen Welt, nimmt Platten auf und hat als Teil der Stiftung Centre Internacional de Música Antiga einen festen Platz bei den wichtigsten internatio- nalen Festivals Alter Musik.
Hespèrion XXI Im Jahr 1974 gründeten Jordi Savall und Montserrat Figueras zu- sammen mit Lorenzo Alpert und Hopkinson Smith in Basel Hes- pèrion XX, ein Ensemble für Alte Musik, das das reiche und faszi- nierende Repertoire vor dem 19. Jahrhundert unter neuen Vor- aussetzungen erhalten und bereichern wollte. Diese neuen Vor- aussetzungen waren die historischen Kriterien, die angewendet wurden, und die Originalinstrumente. Der Name Hespèrion be- deutet „aus Hesperien“, im Altgriechischen die Bezeichnung für die beiden westlichsten Halbinseln Europas, Hispanien und Italien. Es war auch der Name, den der Planet Venus erhielt, wenn er im Westen erschien. Hespèrion XX wurde im Jahr 2000 in Hespèrion XXI umgetauft. Hespèrion XXI ist heute ohne Zweifel eine Referenz, wenn man die Entwicklung der Musik in dem Zeitraum zwischen dem Mit- telalter bis zum Barock verstehen möchte. Die Arbeit dieses En- sembles, das in der Erhaltung von Werken, Partituren, Instrumenten und nicht veröffentlichten Dokumenten besteht, ist von unbere- chenbarem Wert. Auf der einen Seite steht die strenge Forschungs- arbeit, mit der neue Daten und Interpretationen zu den historischen Kenntnissen einer Epoche beigetragen werden, und zum anderen ist da die ausgezeichnete Qualität der Interpretationen, durch die das Publikum die Möglichkeit hat, auf natürliche Weise die ästhe- tische Zartheit und die eigene Spiritualität der Werke jener Zeit zu hören. Von Anfang an schlug Hespèrion XXI einen klaren und innovativen künstlerischen Kurs ein, der dazu führte, dass auf weltweiter Ebene eine Schule der Alten Musik entstand, denn man empfand und gestaltete die Alte Musik wie ein Werkzeug des musikalischen Experimentierens. Man suchte in ihr die größte Schönheit und Ausdruckskraft der Interpretation. Jeder, der Alte Musik inter- pretiert, ist dem ursprünglichen Geist jedes Werkes verpflichtet, und er muss lernen, durch das Studium des Komponisten, der Instrumente der Epoche, des Werkes und seiner konkreten Um- stände eine Verbindung mit dem Werk aufzunehmen. Aber als
Handwerker der Kunst ist er auch dazu gezwungen, Entscheidungen über das zu fällen, was er interpretiert. Von seinem Talent, seiner Kreativität und seiner Kapazität, Emotionen zu vermitteln, hängt seine Kapazität ab, mit der Vergangenheit und der Gegenwart, mit der Kultur und ihrer Verbreitung Verbindung aufzunehmen. Das Repertoire von Hespèrion XXI umfasst unter anderem Werke aus dem Repertoire der Sepharden, kastilische Romanzen, Werke aus dem Goldenen Zeitalter Spanien und des Europa der Nationen. Zu den erfolgreichsten Programmen des Ensembles gehören die Cantigas de Santa Maria de Alfonso X El Sabio, La Diáspora Sefardí, und die Musik aus Jerusalem, Istanbul, Armenien und die kreoli- schen Folias. Dank der ausgezeichneten Arbeit zahlreicher Musi- ker und Mitarbeiter, die in all diesen Jahren mit dem Ensemble zusammengearbeitet ha- ben, spielte und spielt Hespèrion XXI eine entscheidende Rol- le in der Erhaltung und Aufwertung des musikalisch- en Nachlasses mit großem Einfluss auf weltweiter Ebene. Das Ensemble hat mehr als 60 Al- ben veröffentlicht, und auch in der Gegenwart spielt es auf der ganzen Welt und ist auf allen internationalen Festivals der Alten Musik zu hören. Mit der Unterstützung von
Das Team der styriarte bedankt sich bei seinem sehr verehrten Publikum für seine Neugier, für seine Begeisterung und Treue. Wir freuen uns, dass Sie uns auch 2018 wieder auf unse- ren mannigfaltigen Pfaden durch die schöne Musikwelt folgten. Wir verabschieden uns für diesen Sommer und freuen uns auf ein Wieder- sehen von 20. Juni bis 21. Juli 2019.
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