Kulturen im digitalen Wandel - Perspektiven des Bundes für Vermittlung, Vernetzung und Verständigung - Bundesregierung
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Kulturen im digitalen Wandel Perspektiven des Bundes für Vermittlung, Vernetzung und Verständigung
3 Liebe Leserinnen und Leser! Der Kulturbereich hat durch die Corona-Krise tivere und bessere Vermittlung bis hin zu einer einen ungekannten Digitalisierungsschub erlebt. effektiveren, Einrichtungen und Sparten über- Vom live gestreamten Wohnzimmerkonzert bis greifenden Vernetzung. zur digitalen Konzerthalle, von der Autorenlesung mit Online-Chat bis zur virtuellen Museumsfüh- Die Kontaktbeschränkungen und der Lockdown rung: Es gab viele gute Ideen, die es Einrichtun- haben zugleich gezeigt, wie sehr wir auf physische gen und Kreativen ermöglicht haben, auf digita- Nähe angewiesen sind. Das Bildschirmerlebnis len Wegen mit ihrem Publikum in Verbindung kann das Gemeinschaftserlebnis nicht ersetzen. zu bleiben. Der Bund hat diese Entwicklung mit Digitale Technologien können aber mit großem einer Digitalisierungsoffensive und gezielten Gewinn Kultur für alle verfügbar machen, verbrei- Corona-Hilfsmaßnahmen massiv unterstützt. ten und vermitteln. Sie bringen Menschen mitei- nander in Kontakt und tragen dazu bei, dass wir Der digitale Wandel verläuft weiter so dynamisch, voneinander lernen und Wissen teilen. Mit dem dass wir uns mit dem Erreichten nicht zufrieden- Perspektivpapier formulieren wir gemeinsam geben dürfen. Deshalb haben wir in den vergan- mit den beteiligten Einrichtungen und Fachleuten genen Monaten mit einer Kernarbeitsgruppe − den Anspruch, die gesamtgesellschaftliche De- bestehend aus Einrichtungen unterschiedlicher batte und die Verständigung über die Werte des Sparten und Kulturverbänden − sowie unter Ein- digitalen Kultur-Wandels mitzuprägen. Sie alle beziehung zahlreicher weiterer Expertinnen und sind weiterhin herzlich eingeladen, sich an dieser Experten einen partizipativen Strategieprozess zukunftsweisenden Diskussion zu beteiligen. gestartet, der zum Perspektivpapier des Bundes „Kulturen im digitalen Wandel“ geführt hat. Ich freue mich darüber, dass das Ergebnis von den Beteiligten mitgetragen wird. Stellvertretend für alle Mitwirkenden bedanke ich mich ausdrück- lich für das Engagement der Deutschen National- bibliothek und ihres Generaldirektors Frank Prof. Monika Grütters MdB Scholze, die diesen Prozess gemeinsam mit dem Staatsministerin für Kultur und Medien Bundeskulturressort moderiert haben. Das Perspektivpapier zeigt, wo wir stehen und auf welchen Feldern weiterer Handlungsbedarf besteht. Die Herausforderungen reichen dabei von der stärkeren Verlässlichkeit und Verfügbar- keit digitaler Infrastrukturen über eine attrak-
5 Inhalt Ziele des Perspektivpapiers 7 Arbeitsfelder des Kultur-Wandels 17 1. Verständigung 17 2. Verlässlichkeit 21 3. Verfügbarkeit 23 4. Vermögen 28 5. Vermittlung 30 6. Vernetzung 34 Fazit 39 Impressum 42
7 Ziele des Perspektiv- papiers Kultur wirkt als Motor für soziale Teilhabe, demo- gehen von ihr Ästhetik, Abenteuer und Spiel, kratische Bildung, ökonomischen Wohlstand und Amüsement und Emotion, sinnliche und intel- nachhaltiges Wachstum. Sie stiftet Identität – für lektuelle Erkenntnis aus. Des Weiteren ist Kultur Einzelne wie für eine ganze Gesellschaft. Sie in- ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die geistigen, spiriert, gibt Anstoß zu Innovationen und trägt kreativen, emotionalen und ästhetischen, aber so zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes bei. Sie auch die integrativen, sozialen und ethischen gibt Anregungen und Denkanstöße, reflektiert Impulse des Kulturbereichs sind verfassungs- und kritisiert. Sie bildet einen Resonanzraum rechtlich geschützte Kernbestandteile unserer und ist Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. demokratischen Gesellschaft. All das gilt in Zei- Sie ist zentraler Ort von Dialog und Debatten, ten des digitalen Wandels mehr denn je. von Konflikten und Wertediskussionen. Zugleich Begriffsbestimmung Eine abgeschlossene Definition des Begriffs nisatorischer, finanzieller und auch sozialer der Digitalisierung soll hier nicht vorgege- Hinsicht zusammengefasst, die sich durch ben werden. Eine Annäherung erlaubt die die Entwicklung und Nutzung digitaler Formulierung der Deutschen Forschungs- Technologien“ ergeben. Diese Beschreibung gemeinschaft (DFG) in ihrem im Okto- lässt sich auch als Ausgangspunkt für den ber 2020 veröffentlichten Impulspapier Kulturbereich nutzbar machen. „Digitaler Wandel in den Wissenschaften“. Mit dem Begriff „digitaler Wandel werden alle relevanten Veränderungen und Auswir- kungen in epistemischer, ethischer, recht- licher, technischer, infrastruktureller, orga-
8 Digitale Technologien und Prozesse beeinflussen dynamische und unabgeschlossene Entwicklung, ebenso wie digital geprägte Denkweisen, Arbeits- die viel Bewährtes im Kulturbereich in Frage stellt. formen und Erwartungshaltungen zunehmend alle Bereiche von Gesellschaft, Wirtschaft, Wissen- Der digitale Kultur-Wandel löst vielfach auch schaft und Kultur. Bei allen Parallelen vollzieht Ängste aus. So besteht gerade bei den vielen klei- sich der digitale Wandel im Kulturbereich auf spe- nen, die Vielfalt in Deutschland aber maßgeblich zifische Weise. Er nimmt hier eigene Wege, findet ausmachenden Kulturakteurinnen und -akteuren eigene Lösungen, formuliert zudem eigene Werte, die Sorge, mangels Sichtbarkeit im digitalen Raum Ziele und Ansprüche. Und gerade deshalb leistet abgehängt zu werden. Die von wenigen großen der Kulturbereich einen wichtigen Beitrag zum Unternehmen dominierte Aufmerksamkeitsöko- umfassenden gesellschaftlichen Transformations- nomie droht kulturelle Relevanz auf wirtschaft- prozess insgesamt. Dieses Papier will aus Sicht lich nutzbare Kategorien wie Nutzerzahlen und des Bundes Perspektiven aufzeigen für einen digi- Klicks zu verengen. Auf Nutzerinnen- und Nutzer- talen Kultur-Wandel. Jene digitale Transforma- seite ist dies mit dem Verlangen verbunden, dass tion des Kulturbetriebs gilt es darüber hinaus in alles kulturell Bedeutungsvolle in Echtzeit jeder- Beziehung zum allgemeinen Kulturwandel zu zeit digital konsumierbar sein muss. Noch nie war setzen – also zum gesellschaftlichen Wandel, der es so schwer zu verdeutlichen, dass künstlerisches mit der Digitalisierung generell einhergeht. Schaffen nicht nur Wertschätzung, sondern auch den Schutz der Werke vor unberechtigter Nutzung Als Treiberin des Kultur-Wandels und des Kultur- durch Dritte erfordert. Noch nie war es so schwer wandels ist die Digitalisierung mit vielfältigen He- zu vermitteln, dass Künstlerinnen und Künstler rausforderungen verbunden. Diese beziehen sich einen angemessenen Anteil an dem erhalten müs- auf die grundlegenden Bedingungen des digitalen sen, was mit ihren kreativen Leistungen erwirt- Arbeitens wie Informationstechnologie, Infra- schaftet wird. struktur, Bestandsdigitalisierung, Datenstandards, Langzeitarchivierung und digitale Kompetenz Indes war Kultur noch nie so einfach und so nied- der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gerade in rigschwellig zugänglich wie heute. Noch nie war Kultureinrichtungen berührt der digitale Wandel es so unkompliziert, selbst kulturell produktiv zu dabei den Kern des Kulturellen selbst – die Ar- werden und dabei unmittelbar eine breite Öffent- beitsweise und Organisation, die Produktion und lichkeit zu erreichen. Bei allen Herausforderun- Präsentation, das Selbstverständnis der Kultur- gen überwiegen die Möglichkeiten und Chancen akteurinnen und -akteure sowie deren Rolle in der des digitalen Wandels. Einst ungeahnte Mög- Gesellschaft. Der Kultur-Wandel ist eine komplexe, lichkeiten der Zugänglichkeit von und Teilhabe an Kultur entwickeln sich: Neue Chancen für die Kulturgutsicherung. Neue Vermittlungsformen. Neue kulturelle Teilhabepraktiken in Partizipation und Interaktion. Neue Wege, kulturelles Wissen zu erschließen. Neue agile, themenorientierte und spartenübergreifende Arbeitsformen. Der digitale Kultur-Wandel zwingt allerdings dazu, die eigene Arbeit auf den Prüfstand zu stellen und neu zu gestalten. Zentrale Erscheinungsformen
9 des Kulturellen werden bleiben, manche ver- schwinden, wieder andere eine veränderte Ge- stalt annehmen oder ein neues Mischungsver- hältnis finden. Soll der Kultur-Wandel zum Wohle möglichst vieler wirken und dabei gleichermaßen den Potenzialen des Analogen, des originär Digita- len und des Digitalisierten gerecht werden sowie • bietet die Chance zu einer mutigeren Innovati- die unterschiedlichen Interessen und Anliegen ons-, Transfer- und Wagniskultur, im Blick behalten, bedarf es aktiver kulturpoli- tischer Gestaltung und Entwicklung. Vielfalt, • unterstützt den Erwerb und die permanente Qualität, Nachhaltigkeit, Teilhabe und Diversität Weiterentwicklung von Digitalkompetenz und sind nicht selbstverständlich, sondern können technologischer Souveränität bei Kreativen, und müssen erkämpft werden. So groß also die Kultureinrichtungen sowie Kulturinteressierten, aktuellen und zukünftigen Aufgaben sind: Der digitale Kultur-Wandel sollte kein Anlass für • lädt ein zu kooperativen, sparten- und sektions- Kulturpessimismus sein. Wir begreifen ihn als übergreifenden digitalen Ansätzen im Kultur- Chance zu positiver Veränderung. Seine aktive bereich, politische Gestaltung ist möglich und lohnt sich. • eröffnet neue, erweiterte Zugänge zu kultureller So einschneidend die Erfahrungen der zurücklie- Produktion, Interaktion und Partizipation, genden Pandemiemonate gerade für den an vie- len Stellen existenziell getroffenen Kulturbereich • ermöglicht Standards für Interoperabilität, waren, so viel Optimismus lässt sich zugleich aus Kompatibilität, Präsentation und Langzeitver- dem Mut, der Energie und der Kreativität ziehen, fügbarkeit digitaler kultureller Informationen, die sich in den zahllosen digitalen Aktionen und Reaktionen, Ideen und Initiativen zeigen. Ihnen • zeigt neue Wege auf, Wissen zu gewinnen, zu gemeinsam war das Bestreben, eine digitale Ant- erschließen, es zu erhalten und zu vermitteln, wort darauf zu finden, dass Kultureinrichtungen stärkt so Transparenz und baut Brücken zu physisch geschlossen waren. Auf diesen Ideen einer strukturierteren Kooperation der Kultur und Erfahrungen lässt sich aufbauen. mit Wissenschaft und Forschung und Sie bilden die Prämissen dieses Perspektiv- • hat das Potenzial, die Kultur als souveräne und papiers, das sich in erster Linie auf öffentliche produktive Schrittmacherin des Kulturwandels Kultureinrichtungen konzentriert. Der digitale zu profilieren, die ihn im Sinne von Demokratie, Kultur-Wandel Teilhabe und Vielfalt mitgestaltet. • verstärkt die Profilierung und Reichweite sowie Die Eigenarten dieses Kultur-Wandels zu verste- die Sichtbarkeit und Zugänglichkeit öffentli- hen und die Stärken des Kulturbereichs für den cher Kulturinstitutionen, indem er dezentrale allgemeinen Kulturwandel gesellschaftlich pro- und ortsungebundene kulturelle Angebote duktiv zu machen, sind Anliegen und Ausgangs- möglich macht, punkte dieses Papiers.
10 Umsetzung der Koalitionsvereinbarung Im Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode ist „eine mit substanziellen und fi- nanziellen Mitteln unterlegte Strategie für die Zukunft von Kultureinrichtungen und ihre digitale Transformation“ vorgesehen. Ihre Erarbeitung ist eine von sieben kulturpolitischen Maßnahmen der Umsetzungsstrategie der Bundesregierung „Digitalisierung gestalten“. Sie ist von dem Anspruch getragen, neue Wege aufzuzeigen, wie Kultureinrichtungen auch in einer zunehmend von digitalen Entwicklungen geprägten Umgebung ihre Aufgaben erfül- len können. Die Grundrichtung dieser Strategie hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters am 7. Oktober 2019 in einem Artikel für den „Tagesspiegel“ formuliert: Digitalisierung sei im Kulturbereich genauso notwendig wie in Wirtschaft oder Wissenschaft. Daher gelte es, die Chancen der Digitalisierung konsequent dazu zu nutzen, einen Mehrwert für Kultur- interessierte zu schaffen und neue Zielgruppen anzusprechen. „Vermittlung, Vernetzung und Verständigung sind der Dreiklang, der uns helfen kann, die Chancen der Digitalisierung für die Kultur zu nutzen“, so die Staatsministerin. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur Der Kulturbereich ist gekennzeichnet vom vielfach und Medien (BKM) flankiert diesen strategischen verschränkten Zusammenspiel öffentlicher, pri- Prozess mit einer Digitalisierungsoffensive und vater und intermediärer Akteure. Die kulturpoli- fördert zahlreiche besonders innovative und tische Gestaltung der digitalen Transformation transformative Projekte. Die Offensive ermutigt in Deutschland ist deshalb eine Aufgabe, die weit dazu, digitale Technologien zu erproben, anzu- über den unmittelbaren Zuständigkeitsbereich wenden und miteinander zu teilen. Dabei können der Kulturförderung des Bundes hinausreicht. gerade Leuchtturmprojekte modellhaft aufzei- gen, wie die digitale Transformation in ausgewähl- ten Bereichen gelingen kann. Die geförderten Vorhaben betreffen unterschiedliche der nachfol- gend skizzierten Arbeitsfelder des Perspektivpa- piers. Die BKM will diese Digitalisierungsoffensive fortführen. Sie soll einerseits die Entfaltung und Entwicklung von Kultur in einer Umgebung un- terstützen, die zunehmend von digitalen Entwick- lungen geprägt ist. Andererseits gilt es, die Teilha- be am kulturellen Leben zu fördern.
11 Diese verteilten Rollen und Verantwortungen gelten auch für die Digitalisierung, sollten aber gerade bei diesem Thema noch stärker in den Kategorien von Kooperation und Vernetzung im Verbund gedacht werden. Das Perspektivpapier „Kulturen im digitalen Wandel“ formuliert da- her über die konkrete Agenda für den eigenen Zuständigkeitsbereich hinaus gemeinsame He- rausforderungen oder macht Angebote für ein gemeinsames Agieren. Manche Aspekte des di- gitalen Wandels – zum Beispiel die Etablierung technischer Standards wie der Gemeinsamen Normdatei (GND) oder die Entwicklung zen- traler Plattformen wie der Deutschen Digita- len Bibliothek (DDB) – bedürfen übergreifender Zusammenarbeit. Nur so kann sich ihr Mehr- wert für Kulturinteressierte entfalten. Viele Aspekte des digitalen Wandels gehen alle an, etwa die Gewinnung digitaler Fachkräfte oder der Umgang mit der Notwendigkeit, spezia- lisierte technische Dienstleistungen und deren Knowhow zu sichern. Die digitale Kulturland- schaft von morgen muss also als Gemeinschafts- aufgabe begriffen werden, für die alle Ebenen des Staates, die beteiligten gesellschaftlichen Gruppen sowie die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft zusammenwirken. Die BKM hat zuletzt mit dem Rettungs- und Zukunftspaket NEUSTART KULTUR einen wichtigen Beitrag für den Erhalt und die Sicherung der kulturellen Inf- rastruktur Deutschlands geleistet.
12 Förderung digitaler Angebote im • KULTUR.GEMEINSCHAFTEN: Förderung digita- Rahmen des Zukunftsprogramms ler Technik für Contentproduktion und zur Be- NEUSTART KULTUR auftragung entsprechender Dienstleistungen (gemeinsam mit der Kulturstiftung der Länder), Neben Wirtschaftshilfen für Soloselbststän- dige und Kleinstunternehmen, die im Kultur- • museum4punkt0: Fortsetzung der Förderung bereich an vielen Stellen prägend sind, und zur Entwicklung innovativer Möglichkeiten der dem Sonderfonds des Bundes für Kultur- Anwendung digitaler Technologien für die veranstaltungen fördert der Bund mit NEU- Vermittlung, Kommunikation, Interaktion und START KULTUR insbesondere individuelle Partizipation in Museen (über die Stiftung Künstlerinnen und Künstler sowie Kultur- Preußischer Kulturbesitz), einrichtungen, die nicht überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert werden. • WissensWandel – Digitalprogramm für Biblio- Digitalisierung ist dabei ein Querschnitts- theken und Archive: Förderung der Angebote thema, das sich durch viele der rund 60 För- digitaler Medien, der Vermittlung digitaler Bil- derprogramme von NEUSTART KULTUR dung, Kompetenz und Kultur, der Digitalisie- zieht. Der überwiegende Teil von ihnen um- rung und Aufbereitung von Beständen und der fasst auch Mittel, die für die Stärkung digita- Infrastruktur für digitale Vermittlungsangebote ler Strukturen eingesetzt werden können – (über den Deutschen Bibliotheksverband), sei es im Rahmen pandemiebedingter Investitionen oder bei Projektförderungen. • Neustart für bildende Künstlerinnen und Künstler: Einen dezidierten Digitalschwerpunkt ha- Förderung von Fortbildungs- und Modernisie- ben mehr als ein Dutzend Programme bzw. rungsmaßnahmen im Bereich digitale Medien Maßnahmen. Zu den vielfach sparten- und sowie Stipendien für digitale Vermittlungsfor- sektionsübergreifend wirkenden Digital- mate (über den Deutschen Künstlerbund), programmlinien von NEUSTART KULTUR gehören u. a. • Art Cologne: Förderung einer Digitalplattform für Verkäufe von Kunstwerken, • dive in. Programm für digitale Interaktionen: Förderung der Entwicklung und Umset- • Nutzerorientierte Neustrukturierung des Portals zung von digitalen Projekten und Forma- Deutsche Digitale Bibliothek: Förderung von ten, die Kulturinstitutionen neue Wege Objektdigitalisierung, Metadatenanreicherung, des Austauschs und der Interaktion mit Projektmanagement, Qualitätskontrolle und ihrem Publikum ermöglichen (über die Hosting der Digitalisate (über die Deutsche Kulturstiftung des Bundes), Digitale Bibliothek);
13 • Modellprojekt zur Digitalisierung von Kon- Der öffentliche Kulturbereich ist charakterisiert zerthäusern und Bühnen der Barenboim- durch Zuständigkeiten und Verantwortlichkei- Said Akademie in Kooperation mit dem ten, Trägerschaften und Förderinstrumente vor Beethovenfest Bonn und dem Ensemble allem von Ländern und Kommunen. Die damit Resonanz (Hamburg), einhergehende Finanzierungsverantwortung muss deshalb gerade auf dem Feld des digitalen • die Digitale Bühne für Kunst-, Musik- und Kultur-Wandels von den jeweiligen Trägern Theaterensembles, wahrgenommen werden. • Neustart Literatur: digitales, interaktives Eine demokratische Gesellschaft zeichnet sich Programm für Kinder und Jugendliche besonders dadurch aus, dass Kunst und Kultur (über den Deutschen Literaturfonds), an vielen Stellen privatwirtschaftlich geschaf- fen und verbreitet werden. Kulturunternehmen • Digitalisierungsprojekte Übersetzung: tragen wesentlich dazu bei, dass Kultur sicht- Förderung einer digitalen Fortbildungs- bar und zugänglich wird. Das geschieht zum Teil reihe und des Online-Archivs Babelwerk – im Zusammenspiel mit öffentlicher Förderung, Das Wissen der Übersetzer (über den wie sie etwa in Stipendien, Projektfinanzierun- Deutschen Übersetzerfonds) und gen, Aufträgen und Anstellungen zum Ausdruck kommt. Künstlerinnen und Künstler schaffen • Digitalisierung der Vertriebswege der Buch- das, was Kultur ausmacht, und bewegen sich handlungen: Förderung aller Aspekte digi- mit oft wechselnden Schwerpunkten in diesem taler Vertriebswege (über den Börsenverein komplexen System. des Deutschen Buchhandels).
14 Das Perspektivpapier „Kulturen im digitalen Wandel“ nimmt deshalb dieses Wechselspiel zu Digitalstrategien öffentlicher und privater Träger Kulturetat und Einrichtungen in den Blick. Dabei steht es im Zusammenhang Das nachhaltige politische Engagement aller staatlichen Akteurinnen und Ak- • mit der weiteren Digitalpolitik der Bundesregie- teure im öffentlichen Kulturbereich, zu rung: In der Umsetzungsstrategie der Bundes- dem der Bund seinen Teil beiträgt, wird regierung „Digitalisierung gestalten“ ist die hierzulande als zentrale öffentliche Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie des Aufgabe angesehen und ist mit erheb- Bundes für den Kulturbereich eines von sieben lichen finanziellen Mitteln verbunden. Vorhaben im Bereich Kultur und Medien. Die Mit über 11,4 Milliarden Euro im Jahr 2018 veröffentlichte Strategie Künstliche Intel- (Stand 2017 gemäß dem Kulturfinanz- ligenz (KI) der Bundesregierung (2018, Fort- bericht 2020 der Statistischen Ämter schreibung 2020) sieht ausdrücklich die För- des Bundes und der Länder) sind die derung und den Ausbau von KI-Projekten zur Bundes-, Länder- und Gemeindemittel Bewahrung, Erschließung, Zugänglichma- seit 2010 um über 22 Prozent gestiegen. chung, Vernetzung und Vermittlung von Kul- Der Anteil des Bundes an der öffentli- turangeboten vor. Entsprechend hat die BKM chen finanziellen Förderung des Kul- in mehreren Tranchen KI-Mittel für den Aufbau turbereichs betrug dabei im Jahr 2017 von Projekten im Kulturbereich bewilligt. (Kulturfinanzbericht 2020) 1,9 Milliar- den Euro bzw. gut 17 Prozent. Die Ge- • mit der Kulturpolitik und den Digitalstra- samthöhe des Etats der BKM ist weiter tegien von Ländern, Kommunen und ihren kontinuierlich gewachsen und beträgt Einrichtungen. für das Haushaltsjahr 2021 2,14 Milliar- den Euro. Mit dem Rettungs- und Zu- • mit den nicht primär öffentlich organisierten kunftsprogramm NEUSTART KULTUR Kulturbereichen: Der Fokus des Perspektiv- und dem Sonderfonds des Bundes für papiers liegt auf dem öffentlich geförderten Kulturveranstaltungen wurden zur Kulturbereich. Dessen Arbeit ist oftmals eng Milderung der Pandemiefolgen für die mit der Kultur- und Kreativwirtschaft, also Jahre 2020 bis 2022 zusätzlich Mittel in den Kulturunternehmen sowie den Künstle- Höhe von insgesamt 4,5 Milliarden Euro rinnen und Künstlern, verwoben und steht in mobilisiert. Die Kulturpolitik des Bun- Verbindung zum Non-Profit-Sektor. Der Bund des nimmt dabei primär Aufgaben von hat zuletzt durch die Förderlinien für primär gesamtstaatlicher Bedeutung im öffent- privatwirtschaftlich organisierte Kulturberei- lichen Kulturbereich wahr. che im Rahmen von NEUSTART KULTUR be- wiesen, dass ihm die Stärkung des privat ge- tragenen Engagements für den Kulturbereich ein wichtiges Anliegen ist. Privatwirtschaftlich aufgebaute Geschäftsmodelle sollen also durch die Maßnahmen nicht gefährdet, sondern an- geregt werden. Dies gilt insbesondere in jenen
15 Digitalisierung gestalten – Umsetzungsstrategie der Bundesregierung Weitere Maßnahmen in der Umsetzungs- • die Förderung von museum4punkt0 – strategie der Bundesregierung im Bereich D igitale Strategien für das Museum der Kultur und Medien (Stand Juni 2021) sind Zukunft, • der Ausbau der Deutschen Digitalen • der Deutsche Filmförderfonds II (verbes- Bibliothek, serte Auslastung von Produktionsdienst- leistern im Bereich des digitalen Film- • die Digitalisierung von Beständen durch schaffens) und das Bundesarchiv, die Deutsche National- bibliothek und die Arolsen Archives (Inter- • die Errichtung einer Forschungsdatenbank nationaler Suchdienst), zur Provenienzforschung beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste. • die Digitalisierung des nationalen Filmerbes, Kulturbereichen, die von der Kultur- und Krea- ffentliche Kulturbereich und die vom Bund ge- ö tivwirtschaft geprägt sind und in denen die öf- staltbaren Rahmenbedingungen im Mittelpunkt fentlichen Kultureinrichtungen nur eine unter- des Papiers. Dafür gilt es, prioritäre strategische geordnete oder mittelbare Rolle spielen. Arbeitsfelder des Bundes im Kulturbereich für die kommenden Jahre zu definieren. Das Papier • mit der europäischen Kulturpolitik: Die BKM markiert einen Ausgangs- und Anknüpfungs- nimmt die internationalen Aktivitäten und Bei- punkt. Es ist dynamisch und entwicklungsof- träge Deutschlands auf dem Gebiet der Digita- fen gedacht und von vornherein als lernendes lisierung des Kulturbereichs in den Blick. Diese Instrument angelegt. Ein Kerngedanke ist, ver- betreffen insbesondere Programme der Europäi- bindliche Diskursräume der digitalen Selbst- schen Union, wie zum Beispiel die europäische organisation im öffentlichen Kulturbereich zu digitale Bibliothek Europeana oder das seit 2014 etablieren bzw. weiterzuentwickeln. bestehende Förderprogramm Kreatives Europa. Insgesamt ergeben sich daraus sechs prioritäre Auch wenn dieses Perspektivpapier sich an vie- strategische Arbeitsfelder: Verständigung, Ver- len Stellen ausdrücklich in Richtung anderer lässlichkeit, Verfügbarkeit, Vermögen, Vermitt- staatlicher, privater und intermediärer Kultur- lung und Vernetzung. akteure öffnet, stehen der bundesgeförderte
17 Arbeitsfelder Zu diesem Selbstverständnis gehört, dass sich der Kulturbereich des Kultur- • als Anbieter und Vermittler hochwertiger digi- Wandels taler Kulturangebote zu gesellschaftlich rele- vanten Themen, • als freier ästhetischer und sozialer Erkundungs- und Entdeckungsraum des digitalen Wandels jenseits nur rein ökonomisch motivierter Ver- wertungs- und Servicelogik, • als Impulsgeber für Vielfalt und Diversität, Plu- ralität und Teilhabe im digitalen Wandel und • als kritische Reflexionsinstanz und ethisches Korrektiv des digitalen Wandels und seiner 1. Verständigung Folgen Im Kulturbereich und in der Kulturpolitik mit versteht. Blick auf den öffentlichen Kultursektor lassen sich digitale und nichtdigitale Bereiche nicht Einer Verständigung bedarf des Weiteren das mehr getrennt voneinander betrachten. Kultur- Verhältnis von digitalen und analogen Kultur- politik ist damit immer auch Digitalpolitik, so produktionen und -gütern. Das Gros der ana- wie umgekehrt Digitalpolitik im Kulturbereich logen künstlerischen und kulturellen Praktiken stets als originäre Kulturpolitik anzusehen ist. verliert durch den digitalen Wandel nicht an Der digitale Wandel beeinflusst nicht nur die Bedeutung. Der Kulturbereich ist vielmehr ge- Mittel und Wege kultureller Arbeit und Ange- prägt von einem komplexen, aber im besten Fall bote. Er prägt auch das kulturelle Denken und produktiven Miteinander: Analoge und digitale Sprechen insgesamt, das Handeln und das Selbst- Erscheinungsformen der Kultur sind keine Ge- verständnis der Akteurinnen und Akteure, der gensätze. Die Pandemie hat gezeigt, dass das Institutionen sowie der Nutzerinnen und Nutzer. Live-Erlebnis bzw. das Betrachten eines Originals Und er prägt deren Erfahrungen und Erwartun- eine nicht zu ersetzende Aura schafft. Zugleich gen, Perspektiven und Kooperationsformen. wurde deutlich, wie bedeutsam digitale Angebote sind, um den Kontakt zum Publikum zu halten. Umso dringender ist die Frage, auf Basis welcher Neue Vermittlungsformate haben einzigartige Grundwerte Künstlerinnen und Künstler, Ein- digitale Erlebnisräume geschaffen, die ebenfalls richtungen, Institutionen und Unternehmen den einen Mehrwert bieten. Eine attraktive digita- digitalen Wandel gestalten wollen. Diese Grund- le Präsentation hat den Kulturakteurinnen und werte bestimmen wiederum die Inhalte, die der -akteuren Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit Kulturbereich in die gesamtgesellschaftliche De- verschafft und dem Publikum Lust auf das ana- batte einbringen und stark machen kann. loge Kulturerlebnis gemacht.
18 Archive im digitalen Wandel Eine spezifische Herausforderung bildet die deutungsverlust genommen werden, wenn Transformation der Archive in den digita- ihre Präsenz sich auch und vielleicht sogar len Raum. Es besteht die Sorge, dass Archi- überwiegend im Internet entwickeln wird. ve in ihrer traditionellen Organisations- Vielmehr muss deutlich gemacht werden, form an Bedeutung verlieren, wenn sie das dass der besondere Mehrwert der Arbeit in Archivgut digitalisieren und – unter Be- der Erschließung liegt, die über die rein digi- achtung der rechtlichen Rahmenbedingun- tale Verfügbarmachung von Archivgut hi- gen – möglichst niedrigschwellig über das nausgeht. Angesichts der in den letzten Jah- Internet zugänglich machen. Der mit der ren zunehmenden Leugnung von Tatsachen Onlinestellung verbundene Kontrollverlust im gesellschaftlichen Diskurs ist die Bedeu- muss thematisiert werden, darf aber nicht tung einer im Zweifel naturwissenschaftli- als existenzielle Frage überbewertet wer- chen Nachweisbarkeit der Unverfälschtheit den. Gerade kleinen und hinsichtlich ihres eines Dokuments gewachsen. Daher werden Gegenstands spezialisierten Institutionen Archive als Bewahrer der Originalurkunden muss die Furcht vor einem möglichen Be- immer ihre Bedeutung behalten. Einer werteorientierten Verständigung und Ge- die Gesellschaft mit Neuem zu stimulieren, ja staltung bedarf auch der Umgang mit neuen, zu provozieren. Die Anwendung von KI in der weitreichenden technologischen Möglichkeiten. Kulturproduktion wirft die Frage auf, wer die So ermöglichen es Algorithmen und KI, in den Schöpferin bzw. der Schöpfer ist. Ist es die Pro- stetig wachsenden, unüberschaubaren Kultur- grammiererin bzw. der Programmierer oder die angeboten produktiv zu navigieren und zu agie- Anwenderin bzw. der Anwender Künstlicher ren. Die Vernetzung digitaler Informationen Intelligenz? Hieraus entstehen neue Fragen der und ihre Verarbeitung unter Nutzung von KI- Vergütung künstlerischer Arbeit. Die Anwen- Technologien erlauben ganz neue Erschließun- dung von KI durch Vermarkter kann dazu füh- gen, Einsichten und Erkenntnisse. Andererseits ren, dass immer mehr des immer Gleichen an- unterstützen diese Instrumente immer engere geboten wird, wodurch die kulturelle Vielfalt Flaschenhälse der Selektion. Sie drohen, Mecha- leidet. Gleichwohl ist der Weg von der künstle- nismen von Diskriminierung und Vorurteilen rischen zur Künstlichen Intelligenz kürzer, als im digitalen Raum zu vertiefen, fördern den es auf den ersten Blick scheint. Gerade der Kul- Rückzug in digitale Echokammern und können turbereich vermag zur anspruchsvollen Weiter- den respektvollen Umgang mit Andersdenken- entwicklung der Technologie und zur fundierten den beeinträchtigen oder schädigen. Das wi- öffentlichen Debatte über KI einen wichtigen derspricht dem Selbstverständnis der Kultur, Beitrag zu leisten.
19 Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung Kultur ist fester Bestandteil der im Novem- der Bundesrepublik Deutschland entwickelt ber 2018 verabschiedeten Strategie Künstli- in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut che Intelligenz (KI) der Bundesregierung. So IAIS ein KI-basiertes Verfahren zur Analyse kommt KI an vielen Stellen bei der Produk- der mehr als 1.000 Interviews im Zeitzeu- tion von Kunst zum Einsatz, ob in Literatur, genportal (zeitzeugen-portal.de). Dabei soll Musik, Film, Rundfunk oder sozialen Medi- eine neuartige KI-Anwendung zur Emotions- en. Menschliche und Künstliche Intelligenz erkennung erarbeitet werden, deren Algo- können dabei kreativ zusammenwirken. rithmen Gefühle wie Trauer, Freude oder Darüber hinaus leistet KI in vielen Kultur- Ärger recherchierbar machen. Von den Er- institutionen einen wertvollen Beitrag bei gebnissen wird letztlich auch die historische der Bewältigung von Kernaufgaben und bei Forschung profitieren. Im Bibliothekswesen der Verarbeitung großer Datenmengen, bei kann die Anwendung innovativer Metho- der Sammlungstätigkeit (zum Beispiel von den der KI für die Aufbereitung und Analyse Museen, Bibliotheken und Archiven), der von Texten und Metadaten zum Beispiel die Kuratierung oder bei der kulturellen Ver- Qualität maschineller inhaltlicher Erschlie- mittlungsarbeit. Für Projekte aus dem Kul- ßung messbar verbessern. Vielversprechende tur- und Medienbereich wurden aus Mit- KI-Entwicklungen, die sich für die Erschlie- teln der Strategie bisher 4 Millionen Euro ßung textbasierter Medienwerke mit einem zusätzlich zur Verfügung gestellt. hochgradig differenzierten Vokabular eig- nen, werden von der Deutschen Nationalbib- Damit wird beispielsweise das Fraunhofer liothek mit Partnern untersucht, ausgewählt, Institut für Sichere Informationstechnolo- kombiniert und adaptiert. Die neuen Verfah- gie bei der Weiterentwicklung einer App für ren werden als flexibel nachnutzbare Werk- mobile Endgeräte unterstützt. Sie soll den zeuge (Open Source Tools) für die inhaltliche Ermittlungs- und Kulturbehörden bei der Erschließung von Texten bereitgestellt. Und Identifizierung archäologischer Kulturgü- das Bundesarchiv plant den Einsatz von KI- ter helfen, die möglicherweise aus Raubgra- basierten Werkzeugen bei der Erschließung bungen stammen. Das Haus der Geschichte und Auswertung von Archivgut. Anliegen und Anspruch von Kulturpolitik bleibt streitet. Wenn er aus diesem Selbstverständ- es, dass der öffentlich geförderte Kulturbereich nis heraus den digitalen Kulturwandel gestaltet, kreative Freiräume schafft und zugleich für Di- kann er eine zentrale Reflexionsinstanz für die versität und Pluralität, Toleranz und Vielfalt ganze Gesellschaft bleiben.
20 #anstanddigital Der Aspekt der Verständigung steht im Mit- 1. Empörung unterscheiden tepunkt des von der BKM im Rahmen ihrer 2. Nicht richten Digitalisierungsoffensive geförderten Pro- 3. Sich Zeit lassen jekts #anstanddigital. Es wurde organisiert 4. Sachlich werden von der Katholischen Akademie in Berlin in 5. Abstand halten und sich nicht Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro der gemein machen Evangelischen Kirche Deutschlands. Seit 6. Das Gegenüber im Netz respektieren 2019 hatten sich Intellektuelle, Politikerin- 7. Sein Gesicht zeigen nen und Politiker, Internet-Expertinnen 8. Vor allem den Widerspruch schätzen und -Experten, Philosophinnen und Philo- 9. Berührbar bleiben und sich entrüsten sophen sowie Vertreterinnen und Vertreter 10. Sich schämen können und Beschämung der katholischen und evangelischen Kirche vermeiden Gedanken über Umgangsformen im Internet 11. Anstand und Recht unterscheiden gemacht. Dabei wurden „11 Gebote“ entwi- ckelt, die Orientierung für die Kommunika- tion im digitalen Raum bieten. Sie lauten: In den von ihr geförderten Kultureinrichtungen Informationsinfrastrukturen könnte ein Digita- sowie bei der Weiterentwicklung ihrer Förder- lisierungsrat für den Bereich Kultur eingerich- und Sonderprogramme wird die BKM in den tet werden, der Bund, Länder und Kommunen kommenden Jahren weiterhin einen Schwer- in Fragen des digitalen Kultur-Wandels berät. punkt auf das Bemühen um Verständigung über Der Deutsche Kulturrat und die ihm angehören- die Werte des Kulturwandels setzen. Sie fördert den Bundeskulturverbände wären zentrale An- insbesondere institutions-, sparten- und medien- sprechpartner für diesen Verbund. Dabei sollten übergreifende Ansätze, die verbindliche Diskurs- Konzepte und/oder Studien folgende Themen räume und gesellschaftliche Verständigungs- aufgreifen: digitale Ausbildungscurricula, Ver- prozesse unterstützen. mittlung von Digital- und Medienkompetenz, digitale Kreativität, Einsatz von KI-Anwendun- Dieser Prozess legt einen regelmäßigen Austausch gen, Unabhängigkeit von globalen Digitalpro- wichtiger Akteurinnen und Akteure über Stand, vidern, Datenschutz/Datensicherheit. Um die- Herausforderungen und Lösungsansätze bei den se Themen voranzutreiben, empfiehlt es sich, digitalen Herausforderungen nahe. Es wird des- eine Arbeitsgemeinschaft einzurichten, die das halb angeregt, den Austausch zunächst inner- Agenda-Setting und die Kooperation mit Ex- halb der von der BKM getragenen Institutionen pertinnen und Experten aus Verbänden oder zu verstetigen. Nach dem Vorbild des Rates für Vereinen verantwortet.
21 2. Verlässlichkeit Grundlage von Aktivitäten der Vermittlung, Ver- Hard- und Software unterliegen ständiger Aktua- netzung und Verständigung ist, dass erforderliche, lisierung. Inhalte müssen häufig migrieren. Der oft hochspezialisierte digitale Dienstleistungen digitale Kultur-Wandel ist auch in diesem Be- verfügbar sind. In diesem Bereich die Vorausset- reich eine Daueraufgabe, die von allen Beteilig- zungen für Verlässlichkeit zu schaffen und den ten hohen finanziellen, personellen und strate- öffentlich geförderten Kulturbereich über Leucht- gischen Einsatz erfordert. Die Aufgaben reichen turmprojekte hinaus Schritt für Schritt digital zu von der Bereitstellung über den Einsatz bis hin ermächtigen, ist auch eine Infrastrukturaufgabe, zur Priorisierung von Ressourcen. Außerdem der sich alle fördernden staatlichen Ebenen und müssen die Beteiligten Kompetenzen aufbauen die Einrichtungen selbst stellen müssen. und ein digitales Bewusstsein entwickeln. Infrastrukturen stärken Mit Bundesmitteln geförderte Kulturange- die spartenübergreifende Vernetzung und bote müssen sich an höchsten Ansprüchen Verständigung mit Kultur und Wissenschaft messen lassen. Ein Beispiel: Virtual-Reality- im Fokus, die bis hin zur Beteiligung an und Augmented-Reality-Angebote, wie sie Projekten der Digital Humanities und des zum Beispiel im Rahmen des Verbundpro- Aufbaus der Nationalen Forschungsdaten- jekts museum4punkt0, bei den Programmen infrastruktur (NFDI) im Bereich Geistes- und Kultur Digital und dive in. Programm für di- Kulturwissenschaften reichen. Das Maß und gitale Interaktionen oder beim Projekt Inside die Vielfalt der infrastrukturellen Aufgaben Blechtrommel im Günter Grass-Haus Lübeck zeigen also an, wie groß die Leistung hinter zum Einsatz kommen. Sie entsprechen neu- dem ist, was alle Beteiligten in Sachen digi- en Rezeptions- und Sehgewohnheiten von taler Wandel im öffentlichen Kulturbereich Nutzerinnen und Nutzern. Die Bereitstel- in den vergangenen Jahren bereits gemein- lung von Kulturdaten, wie sie zum Beispiel sam erreicht haben. Die BKM engagiert von der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) sich dabei im Rahmen ihrer zur Verfügung per Datenshop erfolgt, orientiert sich an stehenden Mittel auf allen genannten Ebe- Qualitätserwartungen, die von den Leistun- nen infrastruktureller Herausforderungen gen und Ansprüchen, Möglichkeiten und des digitalen Wandels – von der Justierung Standards der Spitzenforschung geprägt der institutionellen Förderung ihrer Kultur- sind. In den aktuellen strategischen Priori- einrichtungen bis zur Projektförderung in täten für 2021 bis 2024 der DNB stehen zu- zahlreichen Programmen und Projekten dem digitale Erschließungsprozesse sowie mit Digitalfokus.
22 Investitionen Mit dem Programm KULTUR.GEMEIN- von Apps. Darüber hinaus werden Projekte SCHAFTEN unterstützen die BKM und die zum Wissenstransfer und zur Vernetzung Kulturstiftung der Länder insbesondere der Einrichtungen gefördert. Und es werden kleinere, auch ehrenamtlich geführte Kul- neue Beratungs-, Schulungs- und Weiterbil- tureinrichtungen und Projektträger bei der dungsangebote entwickelt oder vermittelt. Entwicklung digitaler Angebote. Gefördert werden Einrichtungen aus allen Sparten, Zudem sollen mit dem von der Bundesre- u. a. aus den Bereichen Erinnerungskultur, gierung im Juni 2020 verabschiedeten Kon- Theater und moderner Tanz, Kunstver- junkturpaket zur Abmilderung der Folgen mittlung, Fotografie, Musik, Museum, Film- der Corona-Pandemie geplante Aufträge festivals, Jazzclubs, Literaturvermittlung, und Investitionen vorgezogenen werden, Popkultur, Soziokultur oder inklusive Kul- insbesondere Digitalisierungsvorhaben in turprojekte. Bei den digitalen Projekten geht der Verwaltung. Die für den Kulturbereich es beispielsweise um die Entwicklung von vorgesehenen Mittel in Höhe von mehr als Augmented-Reality- oder Virtual-Reality- 67 Millionen Euro kommen dabei insbeson- Anwendungen, um interaktives Streamen dere Kultureinrichtungen der mittelbaren von Veranstaltungen, partizipative Muse- Bundesverwaltung zugute, damit diese ihre umsführungen oder die Programmierung IT-Infrastruktur verbessern. Diese Aufgaben sind mit hohem finanziellen und maßgeblich geförderte Programm KULTUR.GE- personellen Aufwand verbunden. Dem gegenüber MEINSCHAFTEN der Kulturstiftung der Länder. stehen wachsende Service- und Qualitätsansprü- che an den öffentlich geförderten Kulturbereich. Damit digitale Projekte auch in Zusammenarbeit mit externen Partnern und Dienstleistern verläss- Öffentlich geförderte Kultureinrichtungen nut- lich geplant und durchgeführt werden können, zen in hohem Maße externe Dienstleister und braucht es flexiblere Vergabe- und Koopera- externe Expertise bei der Umsetzung von Digi- tionsformen. Aus diesem Grund werden Kultur- talprojekten. Sie sind damit darauf angewiesen, einrichtungen aller Sparten ermutigt, beteili- dass bei Bedarf die entsprechenden Angebote am gungsoffene Dialogplattformen und -foren zu privaten Markt verfügbar sind. Um diese Abhän- schaffen – nicht zuletzt um gemeinsam Ver- gigkeit zu verringern, ist es sinnvoll, dass eige- gabeformen und kooperative Finanzierungs- ne technologische und personelle Kompetenzen rahmen zu erarbeiten. Diese können agilere in Einrichtungen bzw. in Verbünden gestärkt Projektkooperationen zwischen öffentlichen werden. Dieser Gedanke leitet beispielsweise das Kultureinrichtungen und privaten Dienstleis- vom Bund im Rahmen von NEUSTART KULTUR tern erlauben.
23 3. Verfügbarkeit Die technologische Möglichkeit der Bestands- digitalisierung hat den Wusch nach mehr Sicht- barkeit und Transparenz wachsen lassen. Dieser Anspruch der Allgemeinheit an Kultureinrich- tungen ist grundsätzlich berechtigt. Es braucht deshalb Ansätze und Pläne, wie sich Sammlungs- einrichtungen wird erwartet, dass sie zumindest bestände und Wissensquellen intelligent digital ihre zentralen Inhalte verfügbar machen. Eine aufbereiten und erschließen lassen – umso mehr, vordringliche Aufgabe ist es deshalb, die Auffind- wenn wie in der Corona-Krise der analoge Zu- barkeit und Nutzung öffentlich geförderter Kul- gang versperrt ist. Gerade von öffentlichen Kultur- turarbeit im Internet zu stärken. Open-Data-Strategie Im Rahmen des E-Government-Gesetzes • Beteiligung am Aufbau einer nationalen bekennt sich die BKM dazu, weitere Verwal- Forschungsdateninfrastruktur mit den tungsdaten weitgehend öffentlich verfüg- Themenfeldern Gemeinsame Normdatei, bar zu machen, damit Nachnutzende, insbe- Datenvernetzung, Standardisierung und sondere der Zivilgesellschaft, ihr Potenzial Nutzung der digitalen Bestände (Deut- ausschöpfen können. Behörden der unmit- sche Nationalbibliothek [DNB]) sowie Auf- telbaren Bundesverwaltung müssen ihre bau einer Forschungsdateninfrastruktur unbearbeiteten, strukturierten, zur Erfül- für Kultur- und Geisteswissenschaften im lung öffentlicher Aufgaben erhobenen Rahmen des NFDI4Culture (Stiftung Preu- Daten zum Datenabruf über öffentlich zu- ßischer Kulturbesitz [SPK]), gängliche Netze bereitstellen. Dies betrifft auch Kulturdaten, die zur Erfüllung öffentli- • SPK-Lab, das öffentlich nachnutzbare cher Aufgaben erhoben wurden. Datenbestände zu Kulturobjekten vorbe- reitet und Für die Open-Data-Strategie hat die BKM insbesondere folgende Felder identifiziert: • Digitalisierung und Bereitstellung von 1,8 Millionen Inhaltsverzeichnissen aus • Projekt Virtueller Lesesaal (Bundesarchiv), Büchern der Jahre 1945 bis 2012 (DNB).
24 Aufarbeitung des national Der Digitalisierungsgrad von Kulturgütern ist sozialistischen Kulturgutraubs trotz großer Fortschritte in der Gesamtschau ver- gleichsweise niedrig. Hier gilt es, Schwerpunkte Mit ihrer 1999 abgegebenen Gemein- zu setzen und nach ausgewählten, vor allem qua- samen Erklärung zur Umsetzung der litativen Kriterien zu priorisieren. Um die Ent- Grundsätze der Washingtoner Konfe- wicklung nachhalten zu können, sind leistungs- renz über Vermögenswerte aus der Zeit starke Evaluationsverfahren sinnvoll. Damit lässt des Holocaust vom Dezember 1998 un- sich der Digitalisierungsstand des öffentlich ge- terstreichen Bund, Länder und Kom- förderten Kulturbereichs unter Berücksichtigung munen, dass die Provenienzforschung technischer, personeller und organisatorischer zur Aufarbeitung des nationalsozialis- Gesichtspunkte fortlaufend analysieren. tischen Kulturgutraubs zu den Kern- aufgaben der Kulturgut bewahrenden Die Digitalisierung der Bestände von Archiven, Einrichtungen gehört. Der elektroni- Bibliotheken und Museen ist und bleibt eine schen Dokumentation der Bestände Mammutaufgabe, die Strategien und Schwer- und Sammlungen kommt für die ef- punktsetzungen erfordert. An der Retrodigitali- fektive Suche nach NS-verfolgungsbe- sierung von Kulturgut zeigt sich in besonderem dingt entzogenen Kulturgütern große Maße, dass es nicht in erster Linie um eine voll- Bedeutung zu. Die anzustrebende Be- ständige Digitalisierung aller Bestände gehen schleunigung der Bestandsdigitalisie- kann. Diese wäre weder zu bewältigen noch von rung ist daher auch an den Erforder- echtem Nutzen für die interessierte Öffentlichkeit. nissen der Provenienzforschung zur Daher gilt es, eine Priorisierung nach Bedeutung Umsetzung der Washingtoner Prinzi- und Nachfrage vorzunehmen. Da diese dem Wan- pien auszurichten. del unterworfen sind, besteht eine zentrale Auf- gabe darin, Auswahl- und Relevanzkriterien kon- tinuierlich weiterzuentwickeln. Von der Notwendigkeit eines Strategieprozes- ses getragen ist die vom Bibliothekswesen aus- gehende und von der BKM als koordiniertes, beteiligungsoffenes Bund-Länder-Programm unterstützte Initiative Allianz zur Kulturgutdigi- talisierung. Beispielhaft ist die inhaltlich ergän- zende Allianz Schriftliches Kulturgut Erhalten, aus der die Koordinierungsstelle für die Erhal- tung des schriftlichen Kulturgutes (KEK) hervorging. Mit der Allianz zur Kulturgutdigita- lisierung sollen bestehende Lücken und Leer- stellen systematisch, beteiligungsoffen und ko- ordiniert geschlossen werden. Die Verfügbarkeit
Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten Bei der Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit spielen Sicht- barkeit und Transparenz eine ent- scheidende Rolle. Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände haben deshalb im Oktober 2020 eine Digitali- sierungsstrategie für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten verabschiedet. digitalen bzw. digitalisierten Kulturguts ist Voraus- Zu den vereinbarten Maßnahmen ge- setzung für dessen weitere digitale Nutzung, sei hören zum einen die Schaffung eines es durch die Wissenschaft oder durch die Kultur- zentralen Zugangs zu bereits digital er- vermittlung. Die Allianz zur Kulturgutdigitalisie- fasstem Sammlungsgut, zum anderen rung soll einen wichtigen Beitrag dafür leisten, die digitale Grunderfassung und Veröf- den Bildungsauftrag von Archiven, Bibliotheken, fentlichung einschlägiger Bestände so- Museen, Theatern und anderen Kultureinrich- wie die Erarbeitung von Standards für tungen ins digitale Zeitalter zu übertragen. Denn die langfristige digitale Verfügbarma- neben der Anwendungsentwicklung ist auch die chung gemeinsam mit den Herkunfts- Digitalisierung von Objekten und Sammlungen staaten, Herkunftsgesellschaften und gerade kleinerer öffentlicher und privater Ein- der Diaspora in Deutschland. Für die richtungen eine wichtige Aufgabe. Damit soll die Umsetzung der Pilotphase wurden ins- Allianz zur Kulturgutdigitalisierung auch zur gesamt 25 Einrichtungen in Deutsch- Weiterentwicklung der DDB hin zu einem offenen land ausgewählt, die über Sammlungs- Beteiligungsportal beitragen. gut aus kolonialen Kontexten verfügen. Im Filmbereich finden eigene strategische Über- legungen, die auf diesen Prämissen aufbauen, schon seit längerem statt. Seit 2012 fördert die BKM auf Basis einer Vereinbarung Projekte der Einrichtungen des Kinematheksverbunds zur Digitalisierung des nationalen Filmerbes. Die Filmdigitalisierung wird hier deshalb nicht schwerpunktmäßig behandelt.
26 Digitalisierung des nationalen Filmerbes Die Zahl an analogen Filmtiteln ist gewaltig – sches Interesse und konservatorische Not- der Bedarf an einer langfristigen Digitalisie- wendigkeit gefördert. Die BKM, die Bun- rungsstrategie ebenso. Daher erarbeitete die desländer und die FFA haben 2018 eine BKM mit den Ländern und der Filmförde- Vereinbarung zur Digitalisierung des natio- rungsanstalt des Bundes (FFA) ein Förder- nalen Filmerbes getroffen: Seit Januar 2019 programm für ein gemeinsames Vorgehen stehen für einen Zeitraum von zunächst bei der Digitalisierung des nationalen Film- zehn Jahren jährlich bis zu 10 Millionen erbes – ausgestattet mit deutlich erhöhten Euro für die Digitalisierung von Kinofilmen Mitteln zur dauerhaften Bewahrung. Die zur Verfügung. Die Mittel werden durch Digitalisierung von Filmen wird in den drei Bund, Länder und Filmwirtschaft zu jeweils Bereichen Auswertungsinteresse, kuratori- einem Drittel aufgebracht. Aktuell bleibt die Aufgabe, die Anforderungen deshalb spezifischen Herausforderungen gegen- der freien Verfügbarkeit öffentlich geförderten übersehen. Damit gehen eine Vielzahl von Zu- Kulturguts mit dem Schutz des Urheberrechts ständigkeiten und Trägerschaften sowie unter- in einen fairen Ausgleich zu bringen. Ein starkes schiedliche Ausgangssituationen einher. Auch Urheberrecht bleibt ein dringend notwendiges der Einfluss des Corona-bedingten Digitalisie- Fundament gerade für Kreative, damit diese von rungsschubs auf den Entwicklungsstand lässt der Nutzung ihrer Werke leben können. Das gilt sich noch nicht hinreichend abschätzen. im Rahmen der Anpassungen an die Erfordernis- se der Digitalisierung nicht weniger. Dies betrifft die Künstlerinnen und Künstler, deren Werke im Netz genutzt werden, die Plattformbetreiber und die Nutzerinnen und Nutzer, die sich der Werke anderer Urheber bedienen, aber auch selbst krea- tiv tätig sind. Zentraler Ausgangspunkt für die Bestandsauf- nahme der Digitalisierung im Kulturbereich und daran anschließende Problemlösungen ist eine solide Datenbasis. Diese ist aus vielen Gründen derzeit noch nicht vorhanden. So besteht der öf- fentlich geförderte Kulturbereich aus zahlreichen Einrichtungen, die sehr heterogen sind und sich
27 In den Bereichen Theater, Oper und Tanz werden Sinnvoll ist deshalb, die Datenbasis zu verbes- die Diskussionen zur Digitalisierung der Produk- sern. Für diese Maßnahme lässt sich auf den Vor- tion beispielsweise gerade erst geführt. Als imma- erfahrungen aus verschiedenen übergreifen- terielles Kulturerbe stehen sie technisch, aber auch den, vom Bund geförderten Berichtsinitiativen ideell vor großen Herausforderungen. Wie Digita- aufbauen. Zusätzlich kann darauf hingewirkt lisierung von Kulturgut hier überhaupt sinnvoll werden, dass statistische Erhebungen und Förde- aussehen kann, darüber werden gerade Aushand- rungen im Kulturbereich über entsprechende lungsprozesse geführt. Selbst über den Fortschritt Monitoring- und Berichtspflichten gezielt auf die- bei der Retrodigitalisierung von Beständen öffent- ses Erkenntnisinteresse einzahlen. Die BKM ist licher Kultureinrichtungen liegt keine umfängli- aber auch bereit, eine Studie zu fördern, die den che Gesamtdarstellung vor, obwohl dieser Bereich Stand der Digitalisierung in strategisch wichtigen vergleichsweise gut erschlossen ist. Bereichen erfasst. Digitales Archiv des Freien Theaters Im Bereich der immateriellen Kulturgüter stellen sich allein schon per Definition andere Fra- gen zu den Möglichkeiten der Archivierung von Beständen und zur Vorhaltung aktueller Erzeugnisse. Die Initiative für die Archive des Freien Theaters e. V. berät über den Aufbau eines bundesweiten Archivs der größtenteils nicht institutionell geförderten Bühnenkunst, um den Besonderheiten dieser Sparte Rechnung zu tragen.
28 4. Vermögen Für die erfolgreiche Gestaltung des digitalen klare Vorstellung von erforderlichen personel- Wandels im Kulturbereich kommt es entschei- len Ressourcen und Prioritäten voraus. Für einen dend auf das Vermögen der Beteiligten an, digi- hochwertigen Wissens- und Kompetenzaufbau tale Kompetenzen mit- und einzubringen. bedarf es im Rahmen der zur Verfügung stehen- den Mittel nachhaltiger Strukturen und der Wei- Analoge und digitale Erscheinungsformen der terentwicklung vorhandener Stellen einschließ- Kultur sind wie beschrieben keine Gegensätze, lich ihres Aufgaben- und Anforderungsprofils. sie ergänzen sich vielmehr. Viele Einrichtungen sehen sich dadurch vor neue organisatorische He- Ändern müssen sich die Organisationsstrukturen rausforderungen gestellt. Den Akteurinnen und und Organigramme. Mittendrin statt nur dabei – Akteuren wird hoher finanzieller und personel- so muss die klare Rollenbeschreibung für die ler Einsatz abverlangt, der Kompetenz und En- Digitalisierungsverantwortlichen in den Häusern gagement erfordert. Wenn der digitale Wandel lauten. Die Einführung einer Querschnittszustän- für den Kulturbereich insgesamt eine Erfolgsge- digkeit für das Thema bei der BKM ist dafür eben- schichte werden soll, müssen Kultureinrichtun- so ein gutes Beispiel wie die neue Position eines gen eine Priorität auf ihre Personalentwicklung „Chief Information Officer“ bei der Stiftung Preu- legen. Ziel muss sein, dass auch IT-Fachleute ßischer Kulturbesitz oder die Funktion einer Di- den Kulturbereich als attraktives und innova- rektorin Digitale Dienste bei der Stiftung Haus tives Arbeitsumfeld wahrnehmen. Denn die ent- der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. scheidende Ressource für das Gelingen der Digitalisierung in jenem Bereich sind die hier Die Ausbildung digitaler Kompetenzen erfordert arbeitenden Menschen. eine Fort- und Weiterbildungskultur auf allen Hierarchieebenen. Für diese muss in den Arbeits- Der Kultur-Wandel im Umgang mit Mitarbeite- abläufen und der Personalentwicklung Raum ge- rinnen und Mitarbeitern muss auf verschiedenen schaffen werden. Über Zielvereinbarungen und Ebenen ansetzen. Das beginnt mit der Rekrutie- Leistungsindikatoren sollten die Bereitschaft und rung. Der Bedarf an digital- und kulturkompeten- der Einsatz, digitale Kompetenzen zu erwerben, ten Fachkräften ist groß und wächst stetig. Eine belohnt werden. Erforderlich ist der Ausbau di- Anwerbung qualifizierter IT-Fachleute kann dann gitaler Bildungsangebote speziell für den Kultur- Aussicht auf nachhaltigen Erfolg haben, wenn sie bereich. Dazu gehört eine gezielte Entwicklung mit Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegsperspek- neuer Weiterbildungsformate, wie etwa an der tiven und adäquater Vergütung einhergeht. Zu Dortmunder Akademie für Theater und Digitalität. beachten ist, dass öffentliche Kultureinrichtun- gen mit Unternehmen aus der Digitalwirtschaft um die besten Köpfe konkurrieren. Die in der Digitalwirtschaft bestehenden flachen Hierar- chien und vergleichsweise hohen Vergütungen stellen den öffentlichen Kultursektor vor be- sondere Herausforderungen, sich als attrakti- ver Arbeitgeber zu präsentieren. Dies setzt eine
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