Kulturen im digitalen Wandel - Perspektiven des Bundes für Vermittlung, Vernetzung und Verständigung - Bundesregierung

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Kulturen im
digitalen
Wandel
 Perspektiven des Bundes für
­Vermittlung, Vernetzung und
­Verständigung
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Liebe Leserinnen und Leser!

Der Kulturbereich hat durch die Corona-Krise        tivere und bessere Vermittlung bis hin zu einer
einen ungekannten Digitalisierungsschub erlebt.     effektiveren, Einrichtungen und Sparten über-
Vom live gestreamten Wohnzimmerkonzert bis          greifenden Vernetzung.
zur digitalen Konzerthalle, von der Autorenlesung
mit Online-Chat bis zur virtuellen Museumsfüh-      Die Kontaktbeschränkungen und der Lockdown
rung: Es gab viele gute Ideen, die es Einrichtun-   haben zugleich gezeigt, wie sehr wir auf physische
gen und Kreativen ermöglicht haben, auf digita-     Nähe angewiesen sind. Das Bildschirmerlebnis
len Wegen mit ihrem Publikum in Verbindung          kann das Gemeinschaftserlebnis nicht ersetzen.
zu bleiben. Der Bund hat diese Entwicklung mit      Digitale Technologien können aber mit großem
einer Digitalisierungsoffensive und gezielten       Gewinn Kultur für alle verfügbar machen, verbrei-
Corona-Hilfsmaßnahmen massiv unterstützt.           ten und vermitteln. Sie bringen Menschen mitei-
                                                    nander in Kontakt und tragen dazu bei, dass wir
Der digitale Wandel verläuft weiter so dynamisch,   voneinander lernen und Wissen teilen. Mit dem
dass wir uns mit dem Erreichten nicht zufrieden-    Perspektivpapier formulieren wir gemeinsam
geben dürfen. Deshalb haben wir in den vergan-      mit den beteiligten Einrichtungen und Fachleuten
genen Monaten mit einer Kernarbeitsgruppe −         den Anspruch, die gesamtgesellschaftliche De-
bestehend aus Einrichtungen unterschiedlicher       batte und die Verständigung über die Werte des
Sparten und Kulturverbänden − sowie unter Ein-      digitalen Kultur-Wandels mitzuprägen. Sie alle
beziehung zahlreicher weiterer Expertinnen und      sind weiterhin herzlich eingeladen, sich an dieser
Experten einen partizipativen Strategieprozess      zukunftsweisenden Diskussion zu beteiligen.
gestartet, der zum Perspektivpapier des Bundes
„Kulturen im digitalen Wandel“ geführt hat. Ich
freue mich darüber, dass das Ergebnis von den
Beteiligten mitgetragen wird. Stellvertretend für
alle Mitwirkenden bedanke ich mich ausdrück-
lich für das Engagement der Deutschen National-
bibliothek und ihres Generaldirektors Frank         Prof. Monika Grütters MdB
Scholze, die diesen Prozess gemeinsam mit dem       Staatsministerin für Kultur und Medien
Bundeskulturressort moderiert haben.

Das Perspektivpapier zeigt, wo wir stehen und
auf welchen Feldern weiterer Handlungsbedarf
besteht. Die Herausforderungen reichen dabei
von der stärkeren Verlässlichkeit und Verfügbar-
keit digitaler Infrastrukturen über eine attrak-
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     Inhalt

Ziele des Perspektivpapiers           7

Arbeits­felder des Kultur-Wandels    17

1.   Verständigung                   17
2.   Verlässlichkeit                 21
3.   Verfügbarkeit                   23
4.   Vermögen                        28
5.   Vermittlung                     30
6.   Vernetzung                      34

Fazit                                39

Impressum                            42
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     Ziele des
     Perspektiv-
     papiers

Kultur wirkt als Motor für soziale Teilhabe, demo-     gehen von ihr Ästhetik, Abenteuer und Spiel,
kratische Bildung, ökonomischen Wohlstand und          Amüsement und Emotion, sinnliche und intel-
nachhaltiges Wachstum. Sie stiftet Identität – für     lektuelle Erkenntnis aus. Des Weiteren ist Kultur
Einzelne wie für eine ganze Gesellschaft. Sie in-      ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die geistigen,
spiriert, gibt Anstoß zu Innovationen und trägt        kreativen, emotionalen und ästhetischen, aber
so zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes bei. Sie       auch die integrativen, sozialen und ethischen
gibt Anregungen und Denkanstöße, reflektiert           Impulse des Kulturbereichs sind verfassungs-
und kritisiert. Sie bildet einen Resonanzraum          rechtlich geschützte Kernbestandteile unserer
und ist Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen.      demokratischen Gesellschaft. All das gilt in Zei-
Sie ist zentraler Ort von Dialog und Debatten,         ten des digitalen Wandels mehr denn je.
von Konflikten und Wertediskussionen. Zugleich

     Begriffsbestimmung

     Eine abgeschlossene Definition des Begriffs       nisatorischer, finanzieller und auch sozialer
     der Digitalisierung soll hier nicht vorgege-      Hinsicht zusammengefasst, die sich durch
     ben werden. Eine Annäherung erlaubt die           die Entwicklung und Nutzung digitaler
     Formulierung der Deutschen Forschungs-            Technologien“ ergeben. Diese Beschreibung
     gemeinschaft (DFG) in ihrem im Okto-              lässt sich auch als Ausgangspunkt für den
     ber 2020 veröffentlichten Impulspapier            Kulturbereich nutzbar machen.
     ­„Digitaler Wandel in den Wissenschaften“.
      Mit dem Begriff „digitaler Wandel werden
      alle relevanten Veränderungen und Auswir-
      kungen in epistemischer, ethischer, recht-
      licher, technischer, infrastruktureller, orga-
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Digitale Technologien und Prozesse beeinflussen        dynamische und unabgeschlossene Entwicklung,
ebenso wie digital geprägte Denkweisen, Arbeits-       die viel Bewährtes im Kulturbereich in Frage stellt.
formen und Erwartungshaltungen zunehmend
alle Bereiche von Gesellschaft, Wirtschaft, Wissen-    Der digitale Kultur-Wandel löst vielfach auch
schaft und Kultur. Bei allen Parallelen vollzieht      Ängste aus. So besteht gerade bei den vielen klei-
sich der digitale Wandel im Kulturbereich auf spe-     nen, die Vielfalt in Deutschland aber maßgeblich
zifische Weise. Er nimmt hier eigene Wege, findet      ausmachenden Kulturakteurinnen und -akteuren
eigene Lösungen, formuliert zudem eigene Werte,        die Sorge, mangels Sichtbarkeit im digitalen Raum
Ziele und Ansprüche. Und gerade deshalb leistet        abgehängt zu werden. Die von wenigen großen
der Kulturbereich einen wichtigen Beitrag zum          Unternehmen dominierte Aufmerksamkeitsöko-
umfassenden gesellschaftlichen Transformations-        nomie droht kulturelle Relevanz auf wirtschaft-
prozess insgesamt. Dieses Papier will aus Sicht        lich nutzbare Kategorien wie Nutzerzahlen und
des Bundes Perspektiven aufzeigen für einen digi-      Klicks zu verengen. Auf Nutzerinnen- und Nutzer-
talen Kultur-Wandel. Jene digitale Transforma-         seite ist dies mit dem Verlangen verbunden, dass
tion des Kulturbetriebs gilt es darüber hinaus in      alles kulturell Bedeutungsvolle in Echtzeit jeder-
Beziehung zum allgemeinen Kulturwandel zu              zeit digital konsumierbar sein muss. Noch nie war
setzen – also zum gesellschaftlichen Wandel, der       es so schwer zu verdeutlichen, dass künstlerisches
mit der Digitalisierung generell einhergeht.           Schaffen nicht nur Wertschätzung, sondern auch
                                                       den Schutz der Werke vor unberechtigter Nutzung
Als Treiberin des Kultur-Wandels und des Kultur-       durch Dritte erfordert. Noch nie war es so schwer
wandels ist die Digitalisierung mit vielfältigen He-   zu vermitteln, dass Künstlerinnen und Künstler
rausforderungen verbunden. Diese beziehen sich         einen angemessenen Anteil an dem erhalten müs-
auf die grundlegenden Bedingungen des digitalen        sen, was mit ihren kreativen Leistungen erwirt-
Arbeitens wie Informationstechnologie, Infra-          schaftet wird.
struktur, Bestandsdigitalisierung, Datenstandards,
Langzeitarchivierung und digitale Kompetenz            Indes war Kultur noch nie so einfach und so nied-
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gerade in        rigschwellig zugänglich wie heute. Noch nie war
Kultureinrichtungen berührt der digitale Wandel        es so unkompliziert, selbst kulturell produktiv zu
dabei den Kern des Kulturellen selbst – die Ar-        werden und dabei unmittelbar eine breite Öffent-
beitsweise und Organisation, die Produktion und        lichkeit zu erreichen. Bei allen Herausforderun-
Präsentation, das Selbstverständnis der Kultur-        gen überwiegen die Möglichkeiten und Chancen
akteurinnen und -akteure sowie deren Rolle in der      des digitalen Wandels. Einst ungeahnte Mög-
Gesellschaft. Der Kultur-Wandel ist eine komplexe,     lichkeiten der Zugänglichkeit von und Teilhabe
                                                       an Kultur entwickeln sich: Neue Chancen für die
                                                       Kulturgutsicherung. Neue Vermittlungsformen.
                                                       Neue kulturelle Teilhabepraktiken in Partizipation
                                                       und Interaktion. Neue Wege, kulturelles Wissen
                                                       zu erschließen. Neue agile, themenorientierte und
                                                       spartenübergreifende Arbeitsformen.

                                                       Der digitale Kultur-Wandel zwingt allerdings dazu,
                                                       die eigene Arbeit auf den Prüfstand zu stellen und
                                                       neu zu gestalten. Zentrale Erscheinungsformen
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des Kulturellen werden bleiben, manche ver-
schwinden, wieder andere eine veränderte Ge-
stalt annehmen oder ein neues Mischungsver-
hältnis finden.

Soll der Kultur-Wandel zum Wohle möglichst
vieler wirken und dabei gleichermaßen den
Potenzialen des Analogen, des originär Digita-
len und des Digitalisierten gerecht werden sowie     • bietet die Chance zu einer mutigeren Innovati-
die unterschiedlichen Interessen und Anliegen          ons-, Transfer- und Wagniskultur,
im Blick behalten, bedarf es aktiver kulturpoli-
tischer Gestaltung und Entwicklung. Vielfalt,        • unterstützt den Erwerb und die permanente
Qualität, Nachhaltigkeit, Teilhabe und Diversität      Weiterentwicklung von Digitalkompetenz und
sind nicht selbstverständlich, sondern können          technologischer Souveränität bei Kreativen,
und müssen erkämpft werden. So groß also die           Kultureinrichtungen sowie Kulturinteressierten,
aktuellen und zukünftigen Aufgaben sind: Der
digitale Kultur-Wandel sollte kein Anlass für        • lädt ein zu kooperativen, sparten- und sektions-
Kulturpessimismus sein. Wir begreifen ihn als          übergreifenden digitalen Ansätzen im Kultur-
Chance zu positiver Veränderung. Seine aktive          bereich,
­politische Gestaltung ist möglich und lohnt sich.
                                                     • eröffnet neue, erweiterte Zugänge zu kultureller
So einschneidend die Erfahrungen der zurücklie-        Produktion, Interaktion und Partizipation,
genden Pandemiemonate gerade für den an vie-
len Stellen existenziell getroffenen Kulturbereich   • ermöglicht Standards für Interoperabilität,
waren, so viel Optimismus lässt sich zugleich aus      Kompatibilität, Präsentation und Langzeitver-
dem Mut, der Energie und der Kreativität ziehen,       fügbarkeit digitaler kultureller Informationen,
die sich in den zahllosen digitalen Aktionen und
Reaktionen, Ideen und Initiativen zeigen. Ihnen      • zeigt neue Wege auf, Wissen zu gewinnen, zu
gemeinsam war das Bestreben, eine digitale Ant-        erschließen, es zu erhalten und zu vermitteln,
wort darauf zu finden, dass Kultureinrichtungen        stärkt so Transparenz und baut Brücken zu
physisch geschlossen waren. Auf diesen Ideen           einer strukturierteren Kooperation der Kultur
und Erfahrungen lässt sich aufbauen.                   mit Wissenschaft und Forschung und

Sie bilden die Prämissen dieses Perspektiv-          • hat das Potenzial, die Kultur als souveräne und
papiers, das sich in erster Linie auf öffentliche      produktive Schrittmacherin des Kulturwandels
Kultureinrichtungen konzentriert. Der digitale         zu profilieren, die ihn im Sinne von ­Demokratie,
Kultur-Wandel                                          Teilhabe und Vielfalt mitgestaltet.

• verstärkt die Profilierung und Reichweite sowie    Die Eigenarten dieses Kultur-Wandels zu verste-
  die Sichtbarkeit und Zugänglichkeit öffentli-      hen und die Stärken des Kulturbereichs für den
  cher Kulturinstitutionen, indem er dezentrale      allgemeinen Kulturwandel gesellschaftlich pro-
  und ortsungebundene kulturelle Angebote            duktiv zu machen, sind Anliegen und Ausgangs-
  möglich macht,                                     punkte dieses Papiers.
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     Umsetzung der Koalitions­vereinbarung

     Im Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode ist „eine mit substanziellen und fi-
     nanziellen Mitteln unterlegte Strategie für die Zukunft von Kultureinrichtungen und ihre
     digitale Transformation“ vorgesehen. Ihre Erarbeitung ist eine von sieben kulturpolitischen
     Maßnahmen der Umsetzungsstrategie der Bundesregierung „Digitalisierung gestalten“. Sie
     ist von dem Anspruch getragen, neue Wege aufzuzeigen, wie Kultureinrichtungen auch in
     einer zunehmend von digitalen Entwicklungen geprägten Umgebung ihre Aufgaben erfül-
     len können. Die Grundrichtung dieser Strategie hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters
     am 7. Oktober 2019 in einem Artikel für den „Tagesspiegel“ formuliert: Digitalisierung sei
     im Kulturbereich genauso notwendig wie in Wirtschaft oder Wissenschaft. Daher gelte es,
     die Chancen der Digitalisierung konsequent dazu zu nutzen, einen Mehrwert für Kultur-
     interessierte zu schaffen und neue Zielgruppen anzusprechen. „Vermittlung, Vernetzung und
     Verständigung sind der Dreiklang, der uns helfen kann, die Chancen der Digitalisierung für
     die Kultur zu nutzen“, so die Staatsministerin.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur          Der Kulturbereich ist gekennzeichnet vom vielfach
und Medien (BKM) flankiert diesen strategischen         verschränkten Zusammenspiel öffentlicher, pri-
Prozess mit einer Digitalisierungsoffensive und         vater und intermediärer Akteure. Die kulturpoli-
fördert zahlreiche besonders innovative und             tische Gestaltung der digitalen Transformation
transformative Projekte. Die Offensive ermutigt         in Deutschland ist deshalb eine Aufgabe, die weit
dazu, digitale Technologien zu erproben, anzu-          über den unmittelbaren Zuständigkeitsbereich
wenden und miteinander zu teilen. Dabei können          der Kulturförderung des Bundes hinausreicht.
gerade Leuchtturmprojekte modellhaft aufzei-
gen, wie die digitale Transformation in ausgewähl-
ten Bereichen gelingen kann. Die geförderten
Vorhaben betreffen unterschiedliche der nachfol-
gend skizzierten Arbeitsfelder des Perspektivpa-
piers. Die BKM will diese Digitalisierungsoffensive
fortführen. Sie soll einerseits die Entfaltung und
Entwicklung von Kultur in einer Umgebung un-
terstützen, die zunehmend von digitalen Entwick-
lungen geprägt ist. Andererseits gilt es, die Teilha-
be am kulturellen Leben zu fördern.
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Diese verteilten Rollen und Verantwortungen
gelten auch für die Digitalisierung, sollten aber
gerade bei diesem Thema noch stärker in den
Kategorien von Kooperation und Vernetzung im
Verbund gedacht werden. Das Perspektivpapier
„Kulturen im digitalen Wandel“ formuliert da-
her über die konkrete Agenda für den eigenen
Zuständigkeitsbereich hinaus gemeinsame He-
rausforderungen oder macht Angebote für ein
gemeinsames Agieren. Manche Aspekte des di-
gitalen Wandels – zum Beispiel die Etablierung
technischer Standards wie der Gemeinsamen
Normdatei (GND) oder die Entwicklung zen-
traler Plattformen wie der Deutschen Digita-
len Bibliothek (DDB) – bedürfen übergreifender
­Zusammenarbeit. Nur so kann sich ihr Mehr-
 wert für Kulturinteressierte entfalten.

Viele Aspekte des digitalen Wandels gehen alle
an, etwa die Gewinnung digitaler Fachkräfte
oder der Umgang mit der Notwendigkeit, spezia-
lisierte technische Dienstleistungen und deren
Knowhow zu sichern. Die digitale Kulturland-
schaft von morgen muss also als Gemeinschafts-
aufgabe begriffen werden, für die alle Ebenen
des Staates, die beteiligten gesellschaftlichen
Gruppen sowie die Unternehmen der Kultur- und
Kreativwirtschaft zusammenwirken. Die BKM
hat zuletzt mit dem Rettungs- und Zukunftspaket
­NEUSTART KULTUR einen wichtigen Beitrag für
den Erhalt und die Sicherung der kulturellen Inf-
rastruktur Deutschlands geleistet.
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     Förderung digitaler Angebote im ­                 • KULTUR.GEMEINSCHAFTEN: Förderung digita-
     Rahmen des Zukunftsprogramms                        ler Technik für Contentproduktion und zur Be-
     ­NEUSTART ­KULTUR                                   auftragung entsprechender Dienstleistungen
                                                         (gemeinsam mit der Kulturstiftung der Länder),
     Neben Wirtschaftshilfen für Soloselbststän-
     dige und Kleinstunternehmen, die im Kultur-       • museum4punkt0: Fortsetzung der Förderung
     bereich an vielen Stellen prägend sind, und         zur Entwicklung innovativer Möglichkeiten der
     dem Sonderfonds des Bundes für Kultur-              Anwendung digitaler Technologien für die
     veranstaltungen fördert der Bund mit NEU-           Vermittlung, Kommunikation, Interaktion und
     START KULTUR insbesondere individuelle              Partizipation in Museen (über die Stiftung
     Künstlerinnen und Künstler sowie Kultur-            Preußischer Kulturbesitz),
     einrichtungen, die nicht überwiegend von
     der öffentlichen Hand finanziert werden.          • WissensWandel – Digitalprogramm für Biblio-
     Digitalisierung ist dabei ein Querschnitts-         theken und Archive: Förderung der Angebote
     thema, das sich durch viele der rund 60 För-        digitaler Medien, der Vermittlung digitaler Bil-
     derprogramme von NEUSTART KULTUR                    dung, Kompetenz und Kultur, der Digitalisie-
     zieht. Der überwiegende Teil von ihnen um-          rung und Aufbereitung von Beständen und der
     fasst auch Mittel, die für die Stärkung digita-     Infrastruktur für digitale Vermittlungsangebote
     ler Strukturen eingesetzt werden können –           (über den Deutschen Bibliotheksverband),
     sei es im Rahmen pandemiebedingter
     ­Investitionen oder bei Projektförderungen.       • Neustart für bildende Künstlerinnen und Künstler:
      Einen dezidierten Digitalschwerpunkt ha-           Förderung von Fortbildungs- und Modernisie-
      ben mehr als ein Dutzend Programme bzw.            rungsmaßnahmen im Bereich digitale Medien
      Maßnahmen. Zu den vielfach sparten- und            sowie Stipendien für digitale Vermittlungsfor-
      sektionsübergreifend wirkenden Digital-            mate (über den Deutschen Künstlerbund),
      programmlinien von NEUSTART KULTUR
      gehören u. a.                                    • Art Cologne: Förderung einer Digitalplattform
                                                         für Verkäufe von Kunstwerken,
     • dive in. Programm für digitale Interaktionen:
       Förderung der Entwicklung und Umset-            • Nutzerorientierte Neustrukturierung des Portals
       zung von digitalen Projekten und Forma-           Deutsche Digitale Bibliothek: Förderung von
       ten, die Kulturinstitutionen neue Wege            ­Objektdigitalisierung, Metadatenanreicherung,
       des Austauschs und der Interaktion mit             Projektmanagement, Qualitätskontrolle und
       ihrem Publikum ermöglichen (über die               Hosting der Digitalisate (über die Deutsche
       Kulturstiftung des Bundes),                        ­Digitale ­Bibliothek);
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• Modellprojekt zur Digitalisierung von Kon-    Der öffentliche Kulturbereich ist charakterisiert
  zerthäusern und Bühnen der Barenboim-         durch Zuständigkeiten und Verantwortlichkei-
  Said Akademie in Kooperation mit dem          ten, Trägerschaften und Förderinstrumente vor
  Beethovenfest Bonn und dem Ensemble           allem von Ländern und Kommunen. Die damit
  Resonanz (Hamburg),                           einhergehende Finanzierungsverantwortung
                                                muss deshalb gerade auf dem Feld des digitalen
• die Digitale Bühne für Kunst-, Musik- und     Kultur-Wandels von den jeweiligen Trägern
  Theaterensembles,                             wahrgenommen werden.

• Neustart Literatur: digitales, interaktives   Eine demokratische Gesellschaft zeichnet sich
  Programm für Kinder und Jugendliche           besonders dadurch aus, dass Kunst und Kultur
  (über den Deutschen Literaturfonds),          an vielen Stellen privatwirtschaftlich geschaf-
                                                fen und verbreitet werden. Kulturunternehmen
• Digitalisierungsprojekte Übersetzung:         tragen wesentlich dazu bei, dass Kultur sicht-
  ­Förderung einer digitalen Fortbildungs-      bar und zugänglich wird. Das geschieht zum Teil
   reihe und des Online-Archivs Babelwerk –     im Zusammenspiel mit öffentlicher Förderung,
   Das Wissen der Übersetzer (über den          wie sie etwa in Stipendien, Projektfinanzierun-
   ­Deutschen Übersetzerfonds) und              gen, Aufträgen und Anstellungen zum Ausdruck
                                                kommt. Künstlerinnen und Künstler schaffen
• Digitalisierung der Vertriebswege der Buch-   das, was Kultur ausmacht, und bewegen sich
  handlungen: Förderung aller Aspekte digi-     mit oft wechselnden Schwerpunkten in diesem
  taler Vertriebswege (über den Börsenverein    komplexen System.
  des Deutschen Buchhandels).
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                                                Das Perspektivpapier „Kulturen im digitalen
                                                Wandel“ nimmt deshalb dieses Wechselspiel zu
                                                Digitalstrategien öffentlicher und privater Träger
     Kulturetat                                 und Einrichtungen in den Blick. Dabei steht es
                                                im Zusammenhang
     Das nachhaltige politische Engagement
     aller staatlichen Akteurinnen und Ak-      • mit der weiteren Digitalpolitik der Bundesregie-
     teure im öffentlichen Kulturbereich, zu      rung: In der Umsetzungsstrategie der Bundes-
     dem der Bund seinen Teil beiträgt, wird      regierung „Digitalisierung gestalten“ ist die
     hierzulande als zentrale öffentliche         Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie des
     Aufgabe angesehen und ist mit erheb-         Bundes für den Kulturbereich eines von sieben
     lichen finanziellen Mitteln verbunden.       Vorhaben im Bereich Kultur und Medien. Die
     Mit über 11,4 Milliarden Euro im Jahr        2018 veröffentlichte Strategie Künstliche Intel-
     (Stand 2017 gemäß dem Kulturfinanz-          ligenz (KI) der Bundesregierung (2018, Fort-
     bericht 2020 der Statistischen Ämter         schreibung 2020) sieht ausdrücklich die För-
     des Bundes und der Länder) sind die          derung und den Ausbau von KI-Projekten zur
     Bundes-, Länder- und Gemeindemittel          Bewahrung, Erschließung, Zugänglichma-
     seit 2010 um über 22 Prozent gestiegen.      chung, Vernetzung und Vermittlung von Kul-
     Der Anteil des Bundes an der öffentli-       turangeboten vor. Entsprechend hat die BKM
     chen finanziellen Förderung des Kul-         in mehreren Tranchen KI-Mittel für den Aufbau
     turbereichs betrug dabei im Jahr 2017        von Projekten im Kulturbereich bewilligt.
     (Kulturfinanzbericht 2020) 1,9 Milliar-
     den Euro bzw. gut 17 Prozent. Die Ge-      • mit der Kulturpolitik und den Digitalstra-
     samthöhe des Etats der BKM ist weiter        tegien von Ländern, Kommunen und ihren
     kontinuierlich gewachsen und beträgt         ­Einrichtungen.
     für das Haushaltsjahr 2021 2,14 Milliar-
     den Euro. Mit dem Rettungs- und Zu-        • mit den nicht primär öffentlich organisierten
     kunftsprogramm NEUSTART KULTUR               Kulturbereichen: Der Fokus des Perspektiv-
     und dem Sonderfonds des Bundes für           papiers liegt auf dem öffentlich geförderten
     Kulturveranstaltungen wurden zur             Kulturbereich. Dessen Arbeit ist oftmals eng
     Milderung der Pandemiefolgen für die         mit der Kultur- und Kreativwirtschaft, also
     Jahre 2020 bis 2022 zusätzlich Mittel in     den Kulturunternehmen sowie den Künstle-
     Höhe von insgesamt 4,5 Milliarden Euro       rinnen und Künstlern, verwoben und steht in
     mobilisiert. Die Kulturpolitik des Bun-      Verbindung zum Non-Profit-Sektor. Der Bund
     des nimmt dabei primär Aufgaben von          hat zuletzt durch die Förderlinien für primär
     gesamtstaatlicher Bedeutung im öffent-       privatwirtschaftlich organisierte Kulturberei-
     lichen Kulturbereich wahr.                   che im Rahmen von NEUSTART KULTUR be-
                                                  wiesen, dass ihm die Stärkung des privat ge-
                                                  tragenen Engagements für den Kulturbereich
                                                  ein wichtiges Anliegen ist. Privatwirtschaftlich
                                                  aufgebaute Geschäftsmodelle sollen also durch
                                                  die Maßnahmen nicht gefährdet, sondern an-
                                                  geregt werden. Dies gilt insbesondere in jenen
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     Digitalisierung gestalten –
     ­Umsetzungsstrategie der Bundesregierung

     Weitere Maßnahmen in der Umsetzungs-             • die Förderung von museum4punkt0 –
     strategie der Bundesregierung im Bereich            D
                                                         ­ igitale Strategien für das Museum der
     Kultur und Medien (Stand Juni 2021) sind           ­Zukunft,

     • der Ausbau der Deutschen Digitalen             • der Deutsche Filmförderfonds II (verbes-
       ­Bibliothek,                                     serte Auslastung von Produktionsdienst-
                                                        leistern im Bereich des digitalen Film-
     • die Digitalisierung von Beständen durch          schaffens) und
       das Bundesarchiv, die Deutsche National-
       bibliothek und die Arolsen Archives (Inter-    • die Errichtung einer Forschungsdatenbank
       nationaler Suchdienst),                          zur Provenienzforschung beim Deutschen
                                                        Zentrum Kulturgutverluste.
     • die Digitalisierung des nationalen
       ­Filmerbes,

 Kulturbereichen, die von der Kultur- und Krea-       ­ ffentliche Kulturbereich und die vom Bund ge-
                                                      ö
 tivwirtschaft geprägt sind und in denen die öf-      staltbaren Rahmenbedingungen im Mittelpunkt
 fentlichen Kultureinrichtungen nur eine unter-       des Papiers. Dafür gilt es, prioritäre strategische
 geordnete oder mittelbare Rolle spielen.             Arbeitsfelder des Bundes im Kulturbereich für
                                                      die kommenden Jahre zu definieren. Das Papier
• mit der europäischen Kulturpolitik: Die BKM        markiert einen Ausgangs- und Anknüpfungs-
   nimmt die internationalen Aktivitäten und Bei-     punkt. Es ist dynamisch und entwicklungsof-
   träge Deutschlands auf dem Gebiet der Digita-      fen gedacht und von vornherein als lernendes
   lisierung des Kulturbereichs in den Blick. Diese   Instrument angelegt. Ein Kerngedanke ist, ver-
   betreffen insbesondere Programme der Europäi-      bindliche Diskursräume der digitalen Selbst-
   schen Union, wie zum Beispiel die europäische      organisation im öffentlichen Kulturbereich zu
   digitale Bibliothek Europeana oder das seit 2014   etablieren bzw. weiterzuentwickeln.
   bestehende Förderprogramm Kreatives Europa.
                                                      Insgesamt ergeben sich daraus sechs prioritäre
Auch wenn dieses Perspektivpapier sich an vie-        strategische Arbeitsfelder: Verständigung, Ver-
len Stellen ausdrücklich in Richtung anderer          lässlichkeit, Verfügbarkeit, Vermögen, Vermitt-
staatlicher, privater und intermediärer Kultur-       lung und Vernetzung.
akteure öffnet, stehen der bundesgeförderte
17

    Arbeits­felder                                 Zu diesem Selbstverständnis gehört, dass sich
                                                   der Kulturbereich

    des Kultur-                                    • als Anbieter und Vermittler hochwertiger digi-

    Wandels                                          taler Kulturangebote zu gesellschaftlich rele-
                                                     vanten Themen,

                                                   • als freier ästhetischer und sozialer Erkundungs-
                                                     und Entdeckungsraum des digitalen Wandels
                                                     jenseits nur rein ökonomisch motivierter Ver-
                                                     wertungs- und Servicelogik,

                                                   • als Impulsgeber für Vielfalt und Diversität, Plu-
                                                     ralität und Teilhabe im digitalen Wandel und

                                                   • als kritische Reflexionsinstanz und ethisches
                                                     Korrektiv des digitalen Wandels und seiner
1. Verständigung                                     Folgen

Im Kulturbereich und in der Kulturpolitik mit      versteht.
Blick auf den öffentlichen Kultursektor lassen
sich digitale und nichtdigitale Bereiche nicht     Einer Verständigung bedarf des Weiteren das
mehr getrennt voneinander betrachten. Kultur-      Verhältnis von digitalen und analogen Kultur-
politik ist damit immer auch Digitalpolitik, so    produktionen und -gütern. Das Gros der ana-
wie umgekehrt Digitalpolitik im Kulturbereich      logen künstlerischen und kulturellen Praktiken
stets als originäre Kulturpolitik anzusehen ist.   verliert durch den digitalen Wandel nicht an
Der digitale Wandel beeinflusst nicht nur die      Bedeutung. Der Kulturbereich ist vielmehr ge-
Mittel und Wege kultureller Arbeit und Ange-       prägt von einem komplexen, aber im besten Fall
bote. Er prägt auch das kulturelle Denken und      produktiven Miteinander: Analoge und digitale
Sprechen insgesamt, das Handeln und das Selbst-    Erscheinungsformen der Kultur sind keine Ge-
verständnis der Akteurinnen und Akteure, der       gensätze. Die Pandemie hat gezeigt, dass das
Institutionen sowie der Nutzerinnen und Nutzer.    Live-Erlebnis bzw. das Betrachten eines Originals
Und er prägt deren Erfahrungen und Erwartun-       eine nicht zu ersetzende Aura schafft. Zugleich
gen, Perspektiven und Kooperationsformen.          wurde deutlich, wie bedeutsam digitale Angebote
                                                   sind, um den Kontakt zum Publikum zu halten.
Umso dringender ist die Frage, auf Basis welcher   Neue Vermittlungsformate haben einzigartige
Grundwerte Künstlerinnen und Künstler, Ein-        digitale Erlebnisräume geschaffen, die ebenfalls
richtungen, Institutionen und Unternehmen den      einen Mehrwert bieten. Eine attraktive digita-
digitalen Wandel gestalten wollen. Diese Grund-    le Präsentation hat den Kulturakteurinnen und
werte bestimmen wiederum die Inhalte, die der      -akteuren Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit
Kulturbereich in die gesamtgesellschaftliche De-   verschafft und dem Publikum Lust auf das ana-
batte einbringen und stark machen kann.            loge Kulturerlebnis gemacht.
18

     Archive im digitalen Wandel

     Eine spezifische Herausforderung bildet die   deutungsverlust genommen werden, wenn
     Transformation der Archive in den digita-     ihre Präsenz sich auch und vielleicht sogar
     len Raum. Es besteht die Sorge, dass Archi-   überwiegend im Internet entwickeln wird.
     ve in ihrer traditionellen Organisations-     Vielmehr muss deutlich gemacht werden,
     form an Bedeutung verlieren, wenn sie das     dass der besondere Mehrwert der Arbeit in
     Archivgut digitalisieren und – unter Be-      der Erschließung liegt, die über die rein digi-
     achtung der rechtlichen Rahmenbedingun-       tale Verfügbarmachung von Archivgut hi-
     gen – möglichst niedrigschwellig über das     nausgeht. Angesichts der in den letzten Jah-
     Internet zugänglich machen. Der mit der       ren zunehmenden Leugnung von Tatsachen
     Onlinestellung verbundene Kontrollverlust     im gesellschaftlichen Diskurs ist die Bedeu-
     muss thematisiert werden, darf aber nicht     tung einer im Zweifel naturwissenschaftli-
     als existenzielle Frage überbewertet wer-     chen Nachweisbarkeit der Unverfälschtheit
     den. Gerade kleinen und hinsichtlich ihres    eines Dokuments gewachsen. Daher werden
     Gegenstands spezialisierten Institutionen     Archive als Bewahrer der Originalurkunden
     muss die Furcht vor einem möglichen Be-       immer ihre Bedeutung behalten.

Einer werteorientierten Verständigung und Ge-      die Gesellschaft mit Neuem zu stimulieren, ja
staltung bedarf auch der Umgang mit neuen,         zu provozieren. Die Anwendung von KI in der
weitreichenden technologischen Möglichkeiten.      Kulturproduktion wirft die Frage auf, wer die
So ermöglichen es Algorithmen und KI, in den       Schöpferin bzw. der Schöpfer ist. Ist es die Pro-
stetig wachsenden, unüberschaubaren Kultur-        grammiererin bzw. der Programmierer oder die
angeboten produktiv zu navigieren und zu agie-     Anwenderin bzw. der Anwender Künstlicher
ren. Die Vernetzung digitaler Informationen        Intelligenz? Hieraus entstehen neue Fragen der
und ihre Verarbeitung unter Nutzung von KI-        Vergütung künstlerischer Arbeit. Die Anwen-
Technologien erlauben ganz neue Erschließun-       dung von KI durch Vermarkter kann dazu füh-
gen, Einsichten und Erkenntnisse. Andererseits     ren, dass immer mehr des immer Gleichen an-
unterstützen diese Instrumente immer engere        geboten wird, wodurch die kulturelle Vielfalt
Flaschenhälse der Selektion. Sie drohen, Mecha-    leidet. Gleichwohl ist der Weg von der künstle-
nismen von Diskriminierung und Vorurteilen         rischen zur Künstlichen Intelligenz kürzer, als
im digitalen Raum zu vertiefen, fördern den        es auf den ersten Blick scheint. Gerade der Kul-
Rückzug in digitale Echokammern und können         turbereich vermag zur anspruchsvollen Weiter-
den respektvollen Umgang mit Andersdenken-         entwicklung der Technologie und zur fundierten
den beeinträchtigen oder schädigen. Das wi-        öffentlichen Debatte über KI einen wichtigen
derspricht dem Selbstverständnis der Kultur,       Beitrag zu leisten.
19

    Strategie Künstliche Intelligenz
    der Bundesregierung

    Kultur ist fester Bestandteil der im Novem-    der Bundesrepublik Deutschland entwickelt
    ber 2018 verabschiedeten Strategie Künstli-    in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut
    che Intelligenz (KI) der Bundesregierung. So   IAIS ein KI-basiertes Verfahren zur Analyse
    kommt KI an vielen Stellen bei der Produk-     der mehr als 1.000 Interviews im Zeitzeu-
    tion von Kunst zum Einsatz, ob in Literatur,   genportal (zeitzeugen-portal.de). Dabei soll
    Musik, Film, Rundfunk oder sozialen Medi-      eine neuartige KI-Anwendung zur Emotions-
    en. Menschliche und Künstliche Intelligenz     erkennung erarbeitet werden, deren Algo-
    können dabei kreativ zusammenwirken.           rithmen Gefühle wie Trauer, Freude oder
    Darüber hinaus leistet KI in vielen Kultur-    Ärger recherchierbar machen. Von den Er-
    institutionen einen wertvollen Beitrag bei     gebnissen wird letztlich auch die historische
    der Bewältigung von Kernaufgaben und bei       Forschung profitieren. Im Bibliothekswesen
    der Verarbeitung großer Datenmengen, bei       kann die Anwendung innovativer Metho-
    der Sammlungstätigkeit (zum Beispiel von       den der KI für die Aufbereitung und Analyse
    Museen, Bibliotheken und Archiven), der        von Texten und Metadaten zum Beispiel die
    Kuratierung oder bei der kulturellen Ver-      Qualität maschineller inhaltlicher Erschlie-
    mittlungsarbeit. Für Projekte aus dem Kul-     ßung messbar verbessern. Vielversprechende
    tur- und Medienbereich wurden aus Mit-         KI-Entwicklungen, die sich für die Erschlie-
    teln der Strategie bisher 4 Millionen Euro     ßung textbasierter Medienwerke mit einem
    zusätzlich zur Verfügung gestellt.             hochgradig differenzierten Vokabular eig-
                                                   nen, werden von der Deutschen Nationalbib-
    Damit wird beispielsweise das Fraunhofer       liothek mit Partnern untersucht, ausgewählt,
    Institut für Sichere Informationstechnolo-     kombiniert und adaptiert. Die neuen Verfah-
    gie bei der Weiterentwicklung einer App für    ren werden als flexibel nachnutzbare Werk-
    mobile Endgeräte unterstützt. Sie soll den     zeuge (Open Source Tools) für die inhaltliche
    Ermittlungs- und Kulturbehörden bei der        Erschließung von Texten bereitgestellt. Und
    Identifizierung archäologischer Kulturgü-      das Bundesarchiv plant den Einsatz von KI-
    ter helfen, die möglicherweise aus Raubgra-    basierten Werkzeugen bei der Erschließung
    bungen stammen. Das Haus der Geschichte        und Auswertung von Archivgut.

Anliegen und Anspruch von Kulturpolitik bleibt     streitet. Wenn er aus diesem Selbstverständ-
es, dass der öffentlich geförderte Kulturbereich   nis heraus den digitalen Kulturwandel gestaltet,
kreative Freiräume schafft und zugleich für Di-    kann er eine zentrale Reflexionsinstanz für die
versität und Pluralität, Toleranz und Vielfalt     ganze Gesellschaft bleiben.
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     #anstanddigital

     Der Aspekt der Verständigung steht im Mit-      1.  Empörung unterscheiden
     tepunkt des von der BKM im Rahmen ihrer         2.  Nicht richten
     Digitalisierungsoffensive geförderten Pro-      3.  Sich Zeit lassen
     jekts #anstanddigital. Es wurde organisiert     4.  Sachlich werden
     von der Katholischen Akademie in Berlin in      5.  Abstand halten und sich nicht
     Zusammenarbeit mit dem Kulturbüro der               gemein machen
     Evangelischen Kirche Deutschlands. Seit         6. Das Gegenüber im Netz respektieren
     2019 hatten sich Intellektuelle, Politikerin-   7. Sein Gesicht zeigen
     nen und Politiker, Internet-Expertinnen         8. Vor allem den Widerspruch schätzen
     und -Experten, Philosophinnen und Philo-        9. Berührbar bleiben und sich entrüsten
     sophen sowie Vertreterinnen und Vertreter       10. Sich schämen können und Beschämung
     der katholischen und evangelischen Kirche           vermeiden
     Gedanken über Umgangsformen im Internet         11. Anstand und Recht unterscheiden
     gemacht. Dabei wurden „11 Gebote“ entwi-
     ckelt, die Orientierung für die Kommunika-
     tion im digitalen Raum bieten. Sie lauten:

In den von ihr geförderten Kultureinrichtungen       Informationsinfrastrukturen könnte ein Digita-
sowie bei der Weiterentwicklung ihrer Förder-        lisierungsrat für den Bereich Kultur eingerich-
und Sonderprogramme wird die BKM in den              tet werden, der Bund, Länder und Kommunen
kommenden Jahren weiterhin einen Schwer-             in Fragen des digitalen Kultur-Wandels berät.
punkt auf das Bemühen um Verständigung über          Der Deutsche Kulturrat und die ihm angehören-
die Werte des Kulturwandels setzen. Sie fördert      den Bundeskulturverbände wären zentrale An-
insbesondere institutions-, sparten- und medien-     sprechpartner für diesen Verbund. Dabei sollten
übergreifende Ansätze, die verbindliche Diskurs-     Konzepte und/oder Studien folgende Themen
räume und gesellschaftliche Verständigungs-          aufgreifen: digitale Ausbildungscurricula, Ver-
prozesse unterstützen.                               mittlung von Digital- und Medienkompetenz,
                                                     digitale Kreativität, Einsatz von KI-Anwendun-
Dieser Prozess legt einen regelmäßigen Austausch     gen, Unabhängigkeit von globalen Digitalpro-
wichtiger Akteurinnen und Akteure über Stand,        vidern, Datenschutz/Datensicherheit. Um die-
Herausforderungen und Lösungsansätze bei den         se Themen voranzutreiben, empfiehlt es sich,
digitalen Herausforderungen nahe. Es wird des-       eine Arbeitsgemeinschaft einzurichten, die das
halb angeregt, den Austausch zunächst inner-         Agenda-Setting und die Kooperation mit Ex-
halb der von der BKM getragenen Institutionen        pertinnen und Experten aus Verbänden oder
zu verstetigen. Nach dem Vorbild des Rates für       Vereinen verantwortet.
21

2. Verlässlichkeit
Grundlage von Aktivitäten der Vermittlung, Ver-      Hard- und Software unterliegen ständiger Aktua-
netzung und Verständigung ist, dass erforderliche,   lisierung. Inhalte müssen häufig migrieren. Der
oft hochspezialisierte digitale Dienstleistungen     digitale Kultur-Wandel ist auch in diesem Be-
verfügbar sind. In diesem Bereich die Vorausset-     reich eine Daueraufgabe, die von allen Beteilig-
zungen für Verlässlichkeit zu schaffen und den       ten hohen finanziellen, personellen und strate-
öffentlich geförderten Kulturbereich über Leucht-    gischen Einsatz erfordert. Die Aufgaben reichen
turmprojekte hinaus Schritt für Schritt digital zu   von der Bereitstellung über den Einsatz bis hin
ermächtigen, ist auch eine Infrastrukturaufgabe,     zur Priorisierung von Ressourcen. Außerdem
der sich alle fördernden staatlichen Ebenen und      müssen die Beteiligten Kompetenzen aufbauen
die Einrichtungen selbst stellen müssen.             und ein digitales Bewusstsein entwickeln.

     Infrastrukturen stärken

     Mit Bundesmitteln geförderte Kulturange-        die spartenübergreifende Vernetzung und
     bote müssen sich an höchsten Ansprüchen         Verständigung mit Kultur und Wissenschaft
     messen lassen. Ein Beispiel: Virtual-Reality-   im Fokus, die bis hin zur Beteiligung an
     und Augmented-Reality-Angebote, wie sie         Projekten der Digital Humanities und des
     zum Beispiel im Rahmen des Verbundpro-          Aufbaus der Nationalen Forschungsdaten-
     jekts museum4punkt0, bei den Programmen         infrastruktur (NFDI) im Bereich Geistes- und
     Kultur Digital und dive in. Programm für di-    Kulturwissenschaften reichen. Das Maß und
     gitale Interaktionen oder beim Projekt Inside   die Vielfalt der infrastrukturellen Aufgaben
     Blechtrommel im Günter Grass-Haus Lübeck        zeigen also an, wie groß die Leistung hinter
     zum Einsatz kommen. Sie entsprechen neu-        dem ist, was alle Beteiligten in Sachen digi-
     en Rezeptions- und Sehgewohnheiten von          taler Wandel im öffentlichen Kulturbereich
     Nutzerinnen und Nutzern. Die Bereitstel-        in den vergangenen Jahren bereits gemein-
     lung von Kulturdaten, wie sie zum Beispiel      sam erreicht haben. Die BKM engagiert
     von der Deutschen Nationalbibliothek (DNB)      sich dabei im Rahmen ihrer zur Verfügung
     per Datenshop erfolgt, orientiert sich an       stehenden Mittel auf allen genannten Ebe-
     Qualitätserwartungen, die von den Leistun-      nen infrastruktureller Herausforderungen
     gen und Ansprüchen, Möglichkeiten und           des digitalen Wandels – von der Justierung
     Standards der Spitzenforschung geprägt          der institutionellen Förderung ihrer Kultur-
     sind. In den aktuellen strategischen Priori-    einrichtungen bis zur Projektförderung in
     täten für 2021 bis 2024 der DNB stehen zu-      zahlreichen Programmen und Projekten
     dem digitale Erschließungsprozesse sowie        mit Digitalfokus.
22

     Investitionen

     Mit dem Programm KULTUR.GEMEIN-                 von Apps. Darüber hinaus werden Projekte
     SCHAFTEN unterstützen die BKM und die           zum Wissenstransfer und zur Vernetzung
     Kulturstiftung der Länder insbesondere          der Einrichtungen gefördert. Und es werden
     kleinere, auch ehrenamtlich geführte Kul-       neue Beratungs-, Schulungs- und Weiterbil-
     tureinrichtungen und Projektträger bei der      dungsangebote entwickelt oder vermittelt.
     Entwicklung digitaler Angebote. Gefördert
     werden Einrichtungen aus allen Sparten,         Zudem sollen mit dem von der Bundesre-
     u. a. aus den Bereichen Erinnerungskultur,      gierung im Juni 2020 verabschiedeten Kon-
     Theater und moderner Tanz, Kunstver-            junkturpaket zur Abmilderung der Folgen
     mittlung, Fotografie, Musik, Museum, Film-      der Corona-Pandemie geplante Aufträge
     festivals, Jazzclubs, Literaturvermittlung,     und Investitionen vorgezogenen werden,
     Popkultur, Soziokultur oder inklusive Kul-      insbesondere Digitalisierungsvorhaben in
     turprojekte. Bei den digitalen Projekten geht   der Verwaltung. Die für den Kulturbereich
     es beispielsweise um die Entwicklung von        vorgesehenen Mittel in Höhe von mehr als
     Augmented-Reality- oder Virtual-Reality-        67 Millionen Euro kommen dabei insbeson-
     Anwendungen, um interaktives Streamen           dere Kultureinrichtungen der mittelbaren
     von Veranstaltungen, partizipative Muse-        Bundesverwaltung zugute, damit diese ihre
     umsführungen oder die Programmierung            IT-Infrastruktur verbessern.

Diese Aufgaben sind mit hohem finanziellen und       maßgeblich geförderte Programm KULTUR.GE-
personellen Aufwand verbunden. Dem gegenüber         MEINSCHAFTEN der Kulturstiftung der Länder.
stehen wachsende Service- und Qualitätsansprü-
che an den öffentlich geförderten Kulturbereich.     Damit digitale Projekte auch in Zusammenarbeit
                                                     mit externen Partnern und Dienstleistern verläss-
Öffentlich geförderte Kultureinrichtungen nut-       lich geplant und durchgeführt werden können,
zen in hohem Maße externe Dienstleister und          braucht es flexiblere Vergabe- und Koopera-
externe Expertise bei der Umsetzung von Digi-        tionsformen. Aus diesem Grund werden Kultur-
talprojekten. Sie sind damit darauf angewiesen,      einrichtungen aller Sparten ermutigt, beteili-
dass bei Bedarf die entsprechenden Angebote am       gungsoffene Dialogplattformen und -foren zu
privaten Markt verfügbar sind. Um diese Abhän-       schaffen – nicht zuletzt um gemeinsam Ver-
gigkeit zu verringern, ist es sinnvoll, dass eige-   gabeformen und kooperative Finanzierungs-
ne technologische und personelle Kompetenzen         rahmen zu erarbeiten. Diese können agilere
in Einrichtungen bzw. in Verbünden gestärkt          Projektkooperationen zwischen öffentlichen
werden. Dieser Gedanke leitet beispielsweise das     Kultureinrichtungen und privaten Dienstleis-
vom Bund im Rahmen von NEUSTART KULTUR               tern erlauben.
23

3. Verfügbarkeit
Die technologische Möglichkeit der Bestands-
digitalisierung hat den Wusch nach mehr Sicht-
barkeit und Transparenz wachsen lassen. Dieser
Anspruch der Allgemeinheit an Kultureinrich-
tungen ist grundsätzlich berechtigt. Es braucht
deshalb Ansätze und Pläne, wie sich Sammlungs-        einrichtungen wird erwartet, dass sie zumindest
bestände und Wissensquellen intelligent digital       ihre zentralen Inhalte verfügbar machen. Eine
aufbereiten und erschließen lassen – umso mehr,       vordringliche Aufgabe ist es deshalb, die Auffind-
wenn wie in der Corona-Krise der analoge Zu-          barkeit und Nutzung öffentlich geförderter Kul-
gang versperrt ist. Gerade von öffentlichen Kultur-   turarbeit im Internet zu stärken.

     Open-Data-Strategie

     Im Rahmen des E-Government-Gesetzes              • Beteiligung am Aufbau einer nationalen
     bekennt sich die BKM dazu, weitere Verwal-         Forschungsdateninfrastruktur mit den
     tungsdaten weitgehend öffentlich verfüg-           Themenfeldern Gemeinsame Normdatei,
     bar zu machen, damit Nachnutzende, insbe-          Datenvernetzung, Standardisierung und
     sondere der Zivilgesellschaft, ihr Potenzial       Nutzung der digitalen Bestände (Deut-
     ausschöpfen können. Behörden der unmit-            sche Nationalbibliothek [DNB]) sowie Auf-
     telbaren Bundesverwaltung müssen ihre              bau einer Forschungsdateninfrastruktur
     unbearbeiteten, strukturierten, zur Erfül-         für Kultur- und Geisteswissenschaften im
     lung öffentlicher Aufgaben erhobenen               Rahmen des NFDI4Culture (Stiftung Preu-
     Daten zum Datenabruf über öffentlich zu-           ßischer Kulturbesitz [SPK]),
     gängliche Netze bereitstellen. Dies betrifft
     auch Kulturdaten, die zur Erfüllung öffentli-    • SPK-Lab, das öffentlich nachnutzbare
     cher Aufgaben erhoben wurden.                      Datenbestände zu Kulturobjekten vorbe-
                                                        reitet und
     Für die Open-Data-Strategie hat die BKM
     insbesondere folgende Felder identifiziert:      • Digitalisierung und Bereitstellung von
                                                        1,8 Millionen Inhaltsverzeichnissen aus
     • Projekt Virtueller Lesesaal (Bundesarchiv),      Büchern der Jahre 1945 bis 2012 (DNB).
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     Aufarbeitung des national­               Der Digitalisierungsgrad von Kulturgütern ist
     sozialistischen Kulturgutraubs           trotz großer Fortschritte in der Gesamtschau ver-
                                              gleichsweise niedrig. Hier gilt es, Schwerpunkte
     Mit ihrer 1999 abgegebenen Gemein-       zu setzen und nach ausgewählten, vor allem qua-
     samen Erklärung zur Umsetzung der        litativen Kriterien zu priorisieren. Um die Ent-
     Grundsätze der Washingtoner Konfe-       wicklung nachhalten zu können, sind leistungs-
     renz über Vermögenswerte aus der Zeit    starke Evaluationsverfahren sinnvoll. Damit lässt
     des Holocaust vom Dezember 1998 un-      sich der Digitalisierungsstand des öffentlich ge-
     terstreichen Bund, Länder und Kom-       förderten Kulturbereichs unter Berücksichtigung
     munen, dass die Provenienzforschung      technischer, personeller und organisatorischer
     zur Aufarbeitung des nationalsozialis-   Gesichtspunkte fortlaufend analysieren.
     tischen Kulturgutraubs zu den Kern-
     aufgaben der Kulturgut bewahrenden       Die Digitalisierung der Bestände von Archiven,
     Einrichtungen gehört. Der elektroni-     Bibliotheken und Museen ist und bleibt eine
     schen Dokumentation der Bestände         Mammutaufgabe, die Strategien und Schwer-
     und Sammlungen kommt für die ef-         punktsetzungen erfordert. An der Retrodigitali-
     fektive Suche nach NS-verfolgungsbe-     sierung von Kulturgut zeigt sich in besonderem
     dingt entzogenen Kulturgütern große      Maße, dass es nicht in erster Linie um eine voll-
     Bedeutung zu. Die anzustrebende Be-      ständige Digitalisierung aller Bestände gehen
     schleunigung der Bestandsdigitalisie-    kann. Diese wäre weder zu bewältigen noch von
     rung ist daher auch an den Erforder-     echtem Nutzen für die interessierte Öffentlichkeit.
     nissen der Provenienzforschung zur       Daher gilt es, eine Priorisierung nach Bedeutung
     Umsetzung der Washingtoner Prinzi-       und Nachfrage vorzunehmen. Da diese dem Wan-
     pien auszurichten.                       del unterworfen sind, besteht eine zentrale Auf-
                                              gabe darin, Auswahl- und Relevanzkriterien kon-
                                              tinuierlich weiterzuentwickeln.

                                              Von der Notwendigkeit eines Strategieprozes-
                                              ses getragen ist die vom Bibliothekswesen aus-
                                              gehende und von der BKM als koordiniertes,
                                              beteiligungsoffenes Bund-Länder-Programm
                                              unterstützte Initiative Allianz zur Kulturgutdigi-
                                              talisierung. Beispielhaft ist die inhaltlich ergän-
                                              zende Allianz Schriftliches Kulturgut Erhalten,
                                              aus der die Koordinierungsstelle für die Erhal-
                                              tung des schriftlichen Kulturgutes (KEK)
                                              hervorging. Mit der Allianz zur Kulturgutdigita-
                                              lisierung sollen bestehende Lücken und Leer-
                                              stellen systematisch, beteiligungsoffen und ko-
                                              ordiniert geschlossen werden. Die Verfügbarkeit
Sammlungsgut aus
                                                        kolonialen Kontexten

                                                        Bei der Aufarbeitung der deutschen
                                                        Kolonialvergangenheit spielen Sicht-
                                                        barkeit und Transparenz eine ent-
                                                        scheidende Rolle. Bund, Länder und
                                                        kommunale Spitzenverbände haben
                                                        deshalb im Oktober 2020 eine Digitali-
                                                        sierungsstrategie für Sammlungsgut aus
                                                        kolonialen Kontexten verabschiedet.
digitalen bzw. digitalisierten Kulturguts ist Voraus-   Zu den vereinbarten Maßnahmen ge-
setzung für dessen weitere digitale Nutzung, sei        hören zum einen die Schaffung eines
es durch die Wissenschaft oder durch die Kultur-        zentralen Zugangs zu bereits digital er-
vermittlung. Die Allianz zur Kulturgutdigitalisie-      fasstem Sammlungsgut, zum anderen
rung soll einen wichtigen Beitrag dafür leisten,        die digitale Grunderfassung und Veröf-
den Bildungsauftrag von Archiven, Bibliotheken,         fentlichung einschlägiger Bestände so-
Museen, Theatern und anderen Kultureinrich-             wie die Erarbeitung von Standards für
tungen ins digitale Zeitalter zu übertragen. Denn       die langfristige digitale Verfügbarma-
neben der Anwendungsentwicklung ist auch die            chung gemeinsam mit den Herkunfts-
Digitalisierung von Objekten und Sammlungen             staaten, Herkunftsgesellschaften und
gerade kleinerer öffentlicher und privater Ein-         der Diaspora in Deutschland. Für die
richtungen eine wichtige Aufgabe. Damit soll die        Umsetzung der Pilotphase wurden ins-
Allianz zur Kulturgutdigitalisierung auch zur           gesamt 25 Einrichtungen in Deutsch-
Weiterentwicklung der DDB hin zu einem offenen          land ausgewählt, die über Sammlungs-
Beteiligungsportal beitragen.                           gut aus kolonialen Kontexten verfügen.

Im Filmbereich finden eigene strategische Über-
legungen, die auf diesen Prämissen aufbauen,
schon seit längerem statt. Seit 2012 fördert die
BKM auf Basis einer Vereinbarung Projekte
der Einrichtungen des Kinematheksverbunds
zur Digitalisierung des nationalen Filmerbes.
Die Filmdigitalisierung wird hier deshalb nicht
schwerpunktmäßig behandelt.
26

     Digitalisierung des nationalen Filmerbes

     Die Zahl an analogen Filmtiteln ist gewaltig –   sches Interesse und konservatorische Not-
     der Bedarf an einer langfristigen Digitalisie-   wendigkeit gefördert. Die BKM, die Bun-
     rungsstrategie ebenso. Daher erarbeitete die     desländer und die FFA haben 2018 eine
     BKM mit den Ländern und der Filmförde-           Vereinbarung zur Digitalisierung des natio-
     rungsanstalt des Bundes (FFA) ein Förder-        nalen Filmerbes getroffen: Seit Januar 2019
     programm für ein gemeinsames Vorgehen            stehen für einen Zeitraum von zunächst
     bei der Digitalisierung des nationalen Film-     zehn Jahren jährlich bis zu 10 Millionen
     erbes – ausgestattet mit deutlich erhöhten       Euro für die Digitalisierung von Kinofilmen
     Mitteln zur dauerhaften Bewahrung. Die           zur Verfügung. Die Mittel werden durch
     ­Digitalisierung von Filmen wird in den drei     Bund, Länder und Filmwirtschaft zu jeweils
      Bereichen Auswertungsinteresse, kuratori-       einem Drittel aufgebracht.

Aktuell bleibt die Aufgabe, die Anforderungen         deshalb spezifischen Herausforderungen gegen-
der freien Verfügbarkeit öffentlich geförderten       übersehen. Damit gehen eine Vielzahl von Zu-
Kulturguts mit dem Schutz des Urheberrechts           ständigkeiten und Trägerschaften sowie unter-
in einen fairen Ausgleich zu bringen. Ein starkes     schiedliche Ausgangssituationen einher. Auch
Urheberrecht bleibt ein dringend notwendiges          der Einfluss des Corona-bedingten Digitalisie-
Fundament gerade für Kreative, damit diese von        rungsschubs auf den Entwicklungsstand lässt
der Nutzung ihrer Werke leben können. Das gilt        sich noch nicht hinreichend abschätzen.
im Rahmen der Anpassungen an die Erfordernis-
se der Digitalisierung nicht weniger. Dies betrifft
die Künstlerinnen und Künstler, deren Werke im
Netz genutzt werden, die Plattformbetreiber und
die Nutzerinnen und Nutzer, die sich der Werke
anderer Urheber bedienen, aber auch selbst krea-
tiv tätig sind.

Zentraler Ausgangspunkt für die Bestandsauf-
nahme der Digitalisierung im Kulturbereich und
daran anschließende Problemlösungen ist eine
solide Datenbasis. Diese ist aus vielen Gründen
derzeit noch nicht vorhanden. So besteht der öf-
fentlich geförderte Kulturbereich aus zahlreichen
Einrichtungen, die sehr heterogen sind und sich
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In den Bereichen Theater, Oper und Tanz werden          Sinnvoll ist deshalb, die Datenbasis zu verbes-
die Diskussionen zur Digitalisierung der Produk-        sern. Für diese Maßnahme lässt sich auf den Vor-
tion beispielsweise gerade erst geführt. Als imma-      erfahrungen aus verschiedenen übergreifen-
terielles Kulturerbe stehen sie technisch, aber auch    den, vom Bund geförderten Berichtsinitiativen
ideell vor großen Herausforderungen. Wie Digita-        aufbauen. Zusätzlich kann darauf hingewirkt
lisierung von Kulturgut hier überhaupt sinnvoll         werden, dass statistische Erhebungen und Förde-
aussehen kann, darüber werden gerade Aushand-           rungen im Kulturbereich über entsprechende
lungsprozesse geführt. Selbst über den Fortschritt      Monitoring- und Berichtspflichten gezielt auf die-
bei der Retrodigitalisierung von Beständen öffent-      ses Erkenntnisinteresse einzahlen. Die BKM ist
licher Kultureinrichtungen liegt keine umfängli-        aber auch bereit, eine Studie zu fördern, die den
che Gesamtdarstellung vor, obwohl dieser Bereich        Stand der Digitalisierung in strategisch wichtigen
vergleichsweise gut erschlossen ist.                    Bereichen erfasst.

     Digitales Archiv des Freien Theaters

     Im Bereich der immateriellen Kulturgüter stellen sich allein schon per Definition andere Fra-
     gen zu den Möglichkeiten der Archivierung von Beständen und zur Vorhaltung aktueller
     Erzeugnisse. Die Initiative für die Archive des Freien Theaters e. V. berät über den Aufbau eines
     bundesweiten Archivs der größtenteils nicht institutionell geförderten Bühnenkunst, um
     den Besonderheiten dieser Sparte Rechnung zu tragen.
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4. Vermögen
Für die erfolgreiche Gestaltung des digitalen      klare Vorstellung von erforderlichen personel-
Wandels im Kulturbereich kommt es entschei-        len Ressourcen und Prioritäten voraus. Für einen
dend auf das Vermögen der Beteiligten an, digi-    hochwertigen Wissens- und Kompetenzaufbau
tale Kompetenzen mit- und einzubringen.            bedarf es im Rahmen der zur Verfügung stehen-
                                                   den Mittel nachhaltiger Strukturen und der Wei-
Analoge und digitale Erscheinungsformen der        terentwicklung vorhandener Stellen einschließ-
Kultur sind wie beschrieben keine Gegensätze,      lich ihres Aufgaben- und Anforderungsprofils.
sie ergänzen sich vielmehr. Viele Einrichtungen
sehen sich dadurch vor neue organisatorische He-   Ändern müssen sich die Organisationsstrukturen
rausforderungen gestellt. Den Akteurinnen und      und Organigramme. Mittendrin statt nur dabei –
Akteuren wird hoher finanzieller und personel-     so muss die klare Rollenbeschreibung für die
ler Einsatz abverlangt, der Kompetenz und En-      Digitalisierungsverantwortlichen in den Häusern
gagement erfordert. Wenn der digitale Wandel       lauten. Die Einführung einer Querschnittszustän-
für den Kulturbereich insgesamt eine Erfolgsge-    digkeit für das Thema bei der BKM ist dafür eben-
schichte werden soll, müssen Kultureinrichtun-     so ein gutes Beispiel wie die neue Position eines
gen eine Priorität auf ihre Personalentwicklung    „Chief Information Officer“ bei der Stiftung Preu-
legen. Ziel muss sein, dass auch IT-Fachleute      ßischer Kulturbesitz oder die Funktion einer Di-
den Kulturbereich als attraktives und innova-      rektorin Digitale Dienste bei der Stiftung Haus
tives Arbeitsumfeld wahrnehmen. Denn die ent-      der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
scheidende Ressource für das Gelingen der
Digitalisierung in jenem Bereich sind die hier     Die Ausbildung digitaler Kompetenzen erfordert
­arbeitenden Menschen.                             eine Fort- und Weiterbildungskultur auf allen
                                                   Hierarchieebenen. Für diese muss in den Arbeits-
Der Kultur-Wandel im Umgang mit Mitarbeite-        abläufen und der Personalentwicklung Raum ge-
rinnen und Mitarbeitern muss auf verschiedenen     schaffen werden. Über Zielvereinbarungen und
Ebenen ansetzen. Das beginnt mit der Rekrutie-     Leistungsindikatoren sollten die Bereitschaft und
rung. Der Bedarf an digital- und kulturkompeten-   der Einsatz, digitale Kompetenzen zu erwerben,
ten Fachkräften ist groß und wächst stetig. Eine   belohnt werden. Erforderlich ist der Ausbau di-
Anwerbung qualifizierter IT-Fachleute kann dann    gitaler Bildungsangebote speziell für den Kultur-
Aussicht auf nachhaltigen Erfolg haben, wenn sie   bereich. Dazu gehört eine gezielte Entwicklung
mit Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegsperspek-      neuer Weiterbildungsformate, wie etwa an der
tiven und adäquater Vergütung einhergeht. Zu       Dortmunder Akademie für Theater und Digitalität.
beachten ist, dass öffentliche Kultureinrichtun-
gen mit Unternehmen aus der Digitalwirtschaft
um die besten Köpfe konkurrieren. Die in der
Digitalwirtschaft bestehenden flachen Hierar-
chien und vergleichsweise hohen Vergütungen
stellen den öffentlichen Kultursektor vor be-
sondere Herausforderungen, sich als attrakti-
ver Arbeitgeber zu präsentieren. Dies setzt eine
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