Politikpapier Digitales Momentum für die UN-Nachhaltigkeitsagenda im 21. Jahrhundert - WBGU
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Politikpapier Digitales Momentum für die UN-Nachhaltigkeitsagenda im 21. Jahrhundert 10
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Inhalt Zusammenfassung 3 Einleitung: Was ist das digitale Momentum für das High-level Political Forum? 5 Konzeptionelle Rahmung: Drei Dynamiken des Digitalen Zeitalters 7 Digitalisierung als Hebel für Innovation in Transformationsprozessen 9 Welt(umwelt)bewusstsein stärken: Zusammenhänge nachweisen und mit Zukunftsbildung vermitteln 14 Digital gestützte Kreislaufwirtschaft weltweit etablieren: Neue Perspektiven für nachhaltiges Wirtschaften 16 Nachhaltigkeits-Governance modernisieren: Innovationsdynamiken entfesseln 18 Nachhaltigkeitspolitik über 2030 hinaus: Charta und Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung im Digitalen Zeitalter 20 Epilog 23 Literatur 24 2
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Zusammenfassung Das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ist die entscheidende UN-Plattform zur Koordinierung der globalen Nachhaltigkeitspolitik und ein wichtiger Adressat für den Umgang mit den Potenzialen und Risiken des digitalen Wandels für die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele. Digitalisierung verändert die Möglichkeitsräume zukünftiger zivilisatorischer Entwicklung fundamental. Gleichzeitig erfordert die Umsetzung der Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung eine grundlegende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Beide Herausforde- rungen können nur mit engagiertem globalen Denken und Handeln bewältigt werden. Was läge also näher, als das Momentum der Digitalisierung zu nutzen, um die Transformation zur Nachhaltigkeit voranzubringen und entscheidende Impulse für die Erreichung der nationalen wie globalen Nachhaltigkeitsziele zu setzen? Das Hochrangige Politische Forum für Nach- Erreichung der SDGs sowie der Ziele des Überein- haltige Entwicklung (High-level Political Forum on kommens von Paris unterstützt werden. Dafür sollte Sustainable Development – HLPF) der UN, das 2019 auch die Digitalisierung selbst auf nachhaltige Weise in New York über die Fortschritte bei der Umsetzung gestaltet werden, so dass etwa Ressourceneffizienz der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable und Kreislaufführung als Gestaltungsprinzipien Development Goals – SDGs) berät, bietet für diese digitaler Lösungen weltweit etabliert werden und Frage eine besondere Chance. Im HLPF wirkt die UN der Ausbau digitaler Gemeingüter sowie öffentlich- als Hüterin des SDG-Prozesses mit Nationalstaaten, rechtlicher Informations- und Kommunikationsinfra- zivilgesellschaftlichen Akteuren, Wirtschaft und strukturen vorangetrieben wird. Zudem sollte das Wissenschaft zusammen. Aus Sicht des WBGU sollte Thema „Nachhaltigkeit im Digitalen Zeitalter“ in das HLPF an politischer Gestaltungskraft gewinnen, der UN mit Priorität angegangen werden – bis 2030 um die Chancen, dass die SDGs tatsächlich bis 2030 und darüber hinaus. Der WBGU unterstützt daher erreicht werden, zu erhöhen. die Anstrengungen des High-level Panel on Digital Wie der Brundtland-Bericht 1987 die nachhaltige Cooperation der UN, digitalen Wandel und die Um- Entwicklung als neue Handlungs- und Zielperspektive setzung der SDGs systematisch zu verknüpfen. vorgestellt hat, thematisiert das WBGU-Gutachten Beim HLPF 2019 stehen sechs SDGs im Fokus. „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“ (2019) den Exemplarisch wird im Politikpapier für diese SDGs digitalen Wandel, seine Kerncharakteristika und analysiert, wie Digitalisierung für menschen- seine positiven wie negativen Wirkungen auf die zentrierte, ökologie- und wirtschaftszentrierte sowie Nachhaltigkeitstransformation. Es gilt, die disruptive governance-zentrierte Innovationen genutzt werden Kraft der Digitalisierung für die Nachhaltigkeitstrans- kann. Vor diesem Hintergrund schlägt der WBGU vier formation einzusetzen. Zugleich müssen unsere Ge- zentrale Impulse vor, um die Digitalisierung für das sellschaften lernen, nicht nachhaltige Wirkungen HLPF und die globale Transformation zur Nachhaltig- der Digitalisierung einzuhegen. So können welt- keit fruchtbar zu machen: weit digitalisierte Nachhaltigkeitsgesellschaften 1. Welt(umwelt)bewusstsein entwickeln und mit entstehen. Zukunftsbildung vermitteln: Einem humanistischen Aus Sicht des WBGU sollte das digitale Momentum Verständnis folgend gilt es, Wissenschafts- und – im Sinne entscheidender Impulse für erfolgreichen Bildungssysteme konsequent darauf auszurichten, Wandel – so genutzt und gestaltet werden, dass die dass Menschen proaktive Akteure sowohl des 3
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen digitalen Wandels als auch der Nachhaltigkeits- digital gestützter Governance lassen sich mehr transformation werden können. Dafür müssen Transparenz, Beteiligung, weltweite Vernetzung ihnen entsprechende Wissensbestände zugäng- und Kohärenz in der inter- und transnationalen lich sein, und sie benötigen die entsprechenden Nachhaltigkeitspolitik erzielen. Zudem können so Kompetenzen und Lernumfelder, wie sie in der Wissensbasis und Prozessqualitäten verbessert Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) und werden, um dem wachsenden Handlungs- und unter dem Stichwort „21st Century Skills“ vor- Rechtfertigungsdruck zu begegnen, dem sich viele geschlagen werden. Dabei sollten offene Daten Nationalstaaten ausgesetzt sehen. Der WBGU mit Nachhaltigkeitsbezug (Open Sustainability empfiehlt dazu: Data), online verfügbare Materialien sowie Lern- >> die Arbeits- und Strategiebildungsprozesse umfelder für das virtuelle Erleben von Umwelt innerhalb der UN um Digitalisierungsinstru- und Ökosystemen umfassend genutzt werden. mente zu ergänzen sowie einen Mechanismus Der WBGU empfiehlt dazu: zur Sicherung der Zusammenarbeit zwischen >> die systematische Zusammenführung der An- UN-Agenturen und systemweiter Koordination sätze zur digitalen Bildung mit denen der BNE einzurichten („UN Digitalization“); und Global Citizen Education in eine integrierte >> die Aushandlung einer „UN-Rahmenkonven- Programmatik für Zukunftsbildung und trans- tion für digitale Nachhaltigkeit und nachhaltige formatives Lernen; Digitalisierung“ als internationale Rahmung für >> die weitere Öffnung von UN-Prozessen für die Nachhaltigkeitstransformation im Digitalen transnational vernetzte bürgerwissenschaft- Zeitalter; liche Projekte (Citizen Science), um Umwelt >> den Aufbau einer weltweit abgestimmten digi- bewusstseinsbildung und Grundlagen einer glo- talen SDG-Indikatorik durch die UN, um Aktua- balen Kooperationskultur zu stärken; lität, Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit von >> die Schaffung einer „International Informa- SDG-Berichten sowie die Begleitung des HLPF tion Union“, die bisherige datenbezogene UN- seitens der Zivilgesellschaft und Wissenschaft Initiativen bündelt und nachhaltigkeitsbezo- zu verbessern. gene Daten verantwortlich erfasst, aufbereitet 4. Nachhaltigkeit im Digitalen Zeitalter über 2030 und mittels geeigneter Infrastrukturen sinnvoll hinaus konzipieren: Viele SDGs werden auch über bereitstellt. das Jahr 2030 hinaus relevant bleiben. Daher muss 2. Digital gestützte Kreislaufwirtschaft weltweit die Nachhaltigkeitsagenda im Kontext des digitalen etablieren: Der WBGU betrachtet den zügigen Wandels neu und langfristig gedacht sowie weiter- Übergang von linearen und ressourcenintensiven entwickelt werden. Die UN sollte sich rechtzeitig Wertschöpfungsketten hin zu einer möglichst auf diese zukünftigen Herausforderungen vor- vollständigen Kreislaufwirtschaft als zentralen bereiten. Es geht um Perspektiven einer umfassend Baustein der Transformation zur Nachhaltigkeit. vernetzten Weltgesellschaft, die auf globaler Digitale Datenerfassung und -verarbeitung bieten Solidarität, gestärkten Demokratien und massiv große Potenziale für die ressourcenschonende reduzierten Ungleichheiten aufbaut. Der WBGU Prozessoptimierung und Produktgestaltung. Um empfiehlt dazu: diese Potenziale zu heben, sollten fehlende oder >> für das Jahr 2022 – also 30 Jahre nach dem Erd- falsche politische Rahmensetzungen oder öko- gipfel von Rio – einen UN-Gipfel zu „Nachhal- nomische Anreize korrigiert sowie bestehende tigkeit im Digitalen Zeitalter“ einzuberufen, um Informations- und Steuerungsdefizite mit digitalen erste Weichen zur Fortschreibung der Nachhal- Instrumenten überwunden werden. Der WBGU tigkeitsagenda über 2030 hinaus zu stellen; empfiehlt dazu: >> auf diesem Gipfel eine Charta der internationa- >> die weltweite Etablierung von Prozessen und len Staatengemeinschaft „Unsere gemeinsame Infrastrukturen für eine Erfassung von Emis- digitale Zukunft“ zu verabschieden, mit Prinzi- sions- und Ressourcenfußabdrücken in allen pien und Leitplanken für die digitalisierte Nach- Wirtschaftszweigen über die gesamte Wert- haltigkeitsgesellschaft. Diese Initiative kann in- schöpfungskette hinweg; haltlich mit der Empfehlung des UN High-level >> die Verstärkung internationaler Anstrengungen Panel on Digital Cooperation (2019) verbunden zur Umsetzung der 3R-Strategie „reduce, reuse, werden, 2020 ein Global Commitment for Digital recyle“. Dabei steht die Abfallvermeidung vor Cooperation zu lancieren. Der WBGU hat einen der Wiederverwendung und vor dem Recycling. Entwurf für eine solche Charta entwickelt, der als 3. Nachhaltigkeits-Governance modernisieren: Mittels Ausgangspunkt dienen könnte (Kasten 2). 4
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Einleitung: Was ist das digitale Momentum für das High-level Political Forum? Derzeit bestehen sowohl die Chance als auch die Not- schäden und Umweltverschmutzung. Es hat Jahrzehnte wendigkeit, die Digitalisierung so zu gestalten, dass sie gedauert, bis Gesellschaften diese Probleme und ihre die Transformation zur Nachhaltigkeit unterstützt und Treiber verstanden und effektiv an ihrer Abmilderung mit ihr verzahnt wird. Dieses Politikpapier bezieht sich gearbeitet haben. Die Industrialisierung wirkt bis heute: z. T. wortgleich auf das Gutachten „Unsere gemeinsame Die SDGs adressieren eben auch solche Problemlagen digitale Zukunft“, in dem sich der WBGU mit dieser Ver- wie den Klimawandel, die in der Gegenwart längst nicht knüpfung intensiv auseinandersetzt (WBGU, 2019). Der gelöst sind. WBGU versteht Digitalisierung umfassend als die Ent- Mit der Digitalisierung vollzieht sich derzeit ein wicklung und Anwendung digitaler sowie digitalisierter weiterer, in seiner Größenordnung und Wucht mit Technologien, die sich mit anderen Technologien und der Industriellen Revolution vergleichbarer Umbruch. Methoden verbinden und diese erweitern. Sie ent- Wiederum sind es in der Hauptsache ökonomische faltet eine wachsende transformative Kraft und hat Kräfte, die den Prozess formen und vorantreiben. eine disruptive Wirkung auf alle wirtschaftlichen Auch im Digitalen Zeitalter manifestieren sich die tief- und gesellschaftlichen Systeme. Der WBGU hat fünf greifenden Auswirkungen der Transformation über alle wesentliche Charakteristika des Digitalen Zeitalters Gesellschaftsebenen hinweg. Allerdings sind Gesell- identifiziert (WBGU, 2019): (1) die allumfassende Ver- schaften – nicht zuletzt auch dank der Digitalisierung – netzung von Dingen, Systemen, Prozessen, Personen jetzt in einer weitaus besseren Position, Entwicklungen und Organisationen, (2) die zunehmenden kognitiven zu verstehen, Zusammenhänge zu analysieren und Fähigkeiten digitaler Technik, (3) die wachsende Auto- Wissen breit zu teilen. Die digital getriebenen Ver- nomie digitalisierter Systeme wie Roboter, Fahrzeuge änderungen von Produktionsprozessen, Umwelt- oder institutioneller Entscheidungssysteme, (4) die Ver- bedingungen und Lebenswelten können damit direkt an breitung virtueller Räume und virtualisierter technischer den SDGs orientiert werden. Angebote und im Ergebnis all dessen eine bislang Damit die erzielten Erkenntnisse aber tatsächlich ungekannte (5) Wissensexplosion in vielen Wissens- zu einer Trendumkehr führen und die Digitalisierung in bereichen und -disziplinen. den Dienst der Nachhaltigkeit gestellt wird, müssen ent- Keines dieser fünf Kerncharakteristika ist dabei sprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. fundamental neu. In Kombination mit der enormen Denn bisher zeigt sich, dass die Digitalisierung selbst Entwicklungsgeschwindigkeit digitaler Technik kommt ressourcen-, energie- und treibhausgasintensiv ist: es aktuell jedoch zu tiefgreifenden qualitativen und Rechenzentren nutzen enorme Mengen an Energie, strukturellen Veränderungen in Gesellschaft und und viele digitale Geräte und Infrastrukturen basieren Wirtschaft. Die folgende Analogie zur Industriellen auf nicht erneuerbaren Ressourcen. Zudem hat sich die Revolution verdeutlicht den fundamentalen Charakter oft artikulierte Hoffnung, die Digitalisierung könnte dieser Veränderungen: Transformative Innovations- quasi automatisch in vielen Teilen der Wirtschaft und durchbrüche vereinen häufig positive wie negative Gesellschaft signifikant zur Entkopplung von Wohl- Effekte und müssen politisch gestaltet werden. Die standsentwicklung und Ökosystembelastung beitragen, Industrialisierung hat zu grundlegenden Veränderungen nicht bewahrheitet. Stattdessen ist in den vergangenen wirtschaftlicher Produktionsabläufe, der natürlichen zwei Dekaden der Anteil der Informations- und Umwelt sowie gesellschaftlicher und zwischenmensch- Kommunikationstechnologien (IKT) an der Wirtschaft licher Lebenswelten beigetragen. Sie hat zu ungekanntem schnell gestiegen. Zugleich hat der Druck auf die lokalen Wohlstand und breiter Verfügbarkeit von Wissen und und globalen Ökosysteme immer weiter zugenommen. materiellen Gütern in Teilen der Welt geführt, aber auch In diesem Sinne scheint die Digitalisierung als eine Art zu verschärfter Ungleichheit, Ausbeutung, Gesundheits- Brandbeschleuniger für nicht nachhaltiges, lineares 5
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Wirtschaften zu wirken. Digitale Innovationen und Digitalisierung angestoßen, unterstützt oder bedroht Investitionen orientieren sich bislang vor allem an kauf- werden können. Hier versammelt Tabelle 1 relevante kräftigen Bevölkerungsgruppen und zu wenig am Bedarf Chancen und Risiken von Digitalisierung für die sechs armer und vulnerabler Menschen. Die Beschleunigungs- Fokus-SDGs des diesjährigen HLPF. gefahr für existierende Problemlagen und der Hand- Die verbleibenden vier Kapitel widmen sich lungsbedarf zur Nutzung des digitalen Momentums als innovativen Impulsen, mit denen das gegenwärtige wichtigem Impuls für erfolgreiche Nachhaltigkeitstrans- digitale Momentum genutzt und aktiv gestaltet werden formation bedeuten, dass die Digitalisierung für die UN soll: eine wichtige Gestaltungsaufgabe darstellt. >> Innovationen zur Stärkung eines Welt(umwelt)- Im Folgenden werden zunächst unter Rückgriff auf bewusstseins mittels Zukunftsbildung, das WBGU-Gutachten 2019 in zwei rahmenden Kapiteln >> Innovationen zur Etablierung einer digital gestützten konzeptionelle Grundlagen sowie exemplarische Kreislaufwirtschaft, Zugänge zum Verhältnis von digitalem Wandel und >> Innovationen zur Modernisierung der globalen Nachhaltigkeitstransformation gelegt. Erstens werden Nachhaltigkeits-Governance innerhalb und jenseits drei „Dynamiken des Digitalen Zeitalters“ vorgestellt des HLPF, die unterschiedliche, aber akute Handlungsbedarfe >> Innovationen zur Gestaltung und Weiterentwicklung anschaulich machen. Zweitens bedarf transformativer des Nachhaltigkeitsparadigmas über das Jahr 2030 Wandel unterschiedlicher Innovationen, die durch hinaus. 6
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Konzeptionelle Rahmung: Drei Dynamiken des Digitalen Zeitalters Zum konzeptionellen Verständnis der Gestaltungsauf- IKT kann dem begegnet werden. Nach dem Verständ- gabe schlägt der WBGU drei „Dynamiken des Digitalen nis des WBGU zählt dazu ein öffentlich-rechtlicher Zeitalters“ vor (WBGU, 2019; Abb. 1). Die Erste Dynamik Teil des Internets inklusive sozialer Plattformen, die hat einen unmittelbaren Bezug zur Agenda 2030. Viele Daten-, Informations-, Wissens- und Bildungsangebote SDGs – wie z. B. „Bezahlbare und saubere Energie“ oder sowie Bürgerdienste öffentlich zugänglich machen und „Hochwertige Bildung“ – sind mit digitaler Technik dabei grundlegenden Prinzipien wie der Netzneutrali- effizienter und schneller zu erreichen als ohne; digitale tät, Inklusivität oder Barrierefreiheit unterliegen. Technik kann aber auch der Nachhaltigkeit zuwider- Auch müssen etwa Arbeitnehmerschutz und soziale laufende Trends weiter befeuern. Der rasant steigende Sicherung im Kontext der Zukunft der Arbeit in digital Energieverbrauch digitaler Technik sowie digitaler vernetzen Arbeitsmärkten neu definiert und weiter- und digitalisierter Infrastrukturen führt zu Umwelt- entwickelt werden. Nicht zuletzt geht es auch um die problemen oder verschärft diese. Substanzielle, öko- Weichenstellungen für eine Wirtschaftsweise, die die nomische und politische Teilhabe aller Menschen kann planetarischen Leitplanken des Erdsystems (WBGU, durch Unterschiede im Zugang und der Nutzung von 2014) angemessen berücksichtigt. Die Digitalisierung Informations- und Kommunikationsangeboten (digitale bietet das Potenzial, Stoff- und Materialkreisläufe zu Kluft – digital divide) gefährdet werden. schließen, um so langfristig ökologische Belastungen zu Parallel dazu laufen bereits die Prozesse der Zweiten vermindern. Dynamik an. Dabei geht es um fundamentale gesellschaft- Ebenfalls bereits begonnen hat die Dritte Dynamik, liche Veränderungen durch Digitalisierung, weil digitaler in der es grundlegend um Perspektiven mensch- Wandel immer mehr gesellschaftliche und wirtschaftliche licher Entwicklung geht: die Zukunft und Identität des Bereiche erfasst und immer weitreichendere Wirkungen Menschen selbst, das zukünftige Verhältnis technischer entfaltet. Wiederum lassen sich positive und negative und gesellschaftlicher Systeme sowie die Beziehungen Potenziale sowie entsprechende Gestaltungsheraus- zwischen der menschlichen Spezies und dem Erdsystem. forderungen identifizieren. Im positiven Fall besteht die Es stellen sich futuristisch anmutende, aber bereits Hoffnung, dass die Digitalisierung neue Perspektiven heute zu diskutierende Kernfragen: Welches Verhältnis eröffnet, um eine humanistische Vision für eine ver- wird der Mensch in der Zukunft zu der im Anthropozän netzte, nachhaltige Weltgesellschaft des Digitalen Zeit- fundamental umgestalteten Umwelt entwickeln? Wie alters zu entwickeln. In dieser können Voraussetzungen wird sich der Mensch im Digitalen Zeitalter durch die menschlichen Zusammenlebens, der menschlichen Interaktionen mit Künstlicher Intelligenz (KI) oder Selbstbestimmung und Würde verbessert sowie die durch Verschmelzung der physischen mit der virtuellen Wohlfahrtsentwicklung von Ressourcenverbrauch und Welt verändern? Welche künstlich intelligenten, Naturzerstörung entkoppelt werden. Sie birgt aber auch kognitiv leistungsfähigen Maschinen werden ent- das Risiko, Demokratien auszuhöhlen und Autokratien stehen und welche Aktionsräume werden wir ihnen digital unterstützt zu ermächtigen. Sie kann zudem die zuweisen? Welche Eigenschaften und Entscheidungs- bereits erzielten Nachhaltigkeitserrungenschaften wieder kompetenzen wollen wir Maschinen zugestehen? Wie zunichte machen und massive Ungleichheiten, Macht- können sich Menschen, Gesellschaften, internationale monopole und Elitenherrschaft sowie Totalüberwachung Organisationen und Netzwerke diesen grundlegenden und Freiheitsverlust in Gesellschaften verstetigen oder Fragen zur Zukunft des Homo sapiens stellen und die Ent- verstärken. Entsprechende Entwicklungen, z. B. der wicklungen bewusst gestalten sowie Fehlentwicklungen umfassende Einsatz von Scoring-Verfahren zur Ent- einhegen? Um Digitalisierungstrends sinnvoll auf Nach- scheidungsunterstützung, -kontrolle und -manipulation haltigkeitsziele auszurichten, bedarf es also einer ganz- (z. B. auf staatlicher Ebene in China) oder die diskutierte heitlichen Betrachtung des Zusammenspiels zwischen Fragmentierung und Verflachung öffentlicher digitaler neuen technologischen Möglichkeiten und bestehenden Kommunikation, sind sichtbar. Mit öffentlich-rechtlicher gesellschaftlichen Systemen. 7
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Dritte Dynamik: Die Zukunft des Homo sapiens Transformation zur Nachhaltigkeit Zweite Dynamik: Nachhaltige digitalisierte Gesellschaften Erste Dynamik: Digitalisierung für Nachhaltigkeit Zeit Nachhaltigkeit digital Neuer Humanismus Selbstbewusstsein des unterstützen - Vernetzte Weltgesellschaft als Homo sapiens stärken - Planetarische Leitplanken einhalten Weiterentwicklung von Aufklärung - Bewahrung des biolog. Menschen in (Klima, Natur, Böden, Ozeane) und Humanismus seiner natürlichen Umwelt - Soziale Kohäsion sichern (gegen - Entwicklung von Welt(umwelt)- - Ethisch reflektierte Weiter- Hunger, Armut, Ungleichheit; bewusstsein entwicklung des Menschen für Zugang zu Wasser, Gesundheit, - Kooperationskultur, Empathie, - Mensch/Maschine-Kollaboration Bildung, Energie) globale Solidarität gestalten Ökologische und gesell- Digital ermächtigter Entgrenzung von Mensch schaftliche Disruption Totalitarismus und Maschine - Mehr Emissionen und Ressourcen- - Ausgehöhlte Demokratien und digital - Missbrauch im Verhältnis nutzung ermächtigte Autokratien Mensch/Maschine - Mehr Ungleichheiten - Massive Ungleichheiten, Eliten- - Superintelligenz - Mehr Machtkonzentration herrschaft, Totalüberwachung und - Künstliche Evolution des Menschen - Erosion von Bürgerrechten und Freiheitsverlust Privatheit - Umweltzerstörung und Verlust - Erosion der Steuerungsfähigkeit des sozialer Kohäsion Staates Abbildung 1 Drei Dynamiken des Digitalen Zeitalters. Die Grafik zeigt den positiven Fall einer gelungenen Einhegung der Dynamiken durch Zielsetzung und Gestaltung. Alle drei Dyna- miken laufen bereits heute parallel an, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität; es handelt sich also nicht um eine strenge zeit- liche Abfolge. Jede Dynamik besteht aus unterschiedlich verlaufenden Teilpfaden. Die Bezeichnung der Dynamiken spiegelt die je- weils erforderlichen Handlungsprioritäten wider. Die Texte unterhalb der Abbildung geben Stichworte zu den Potenzialen (: obere Reihe) und den Risiken (: untere Reihe) der drei Dynamiken. Quelle: WBGU, 2019; Grafik: Wernerwerke, Berlin 8
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Digitalisierung als Hebel für Innovation in Transformations prozessen Positiv gesehen kann die Digitalisierung transformativen lange bestehender und analysierter Blockaden bei der Wandel durch systemische Innovationen und System- Erreichung von N achhaltigkeitszielen. innovationen vereinfachen. Dazu sind ein Verständ- Die Nutzung der Potenziale der Digitalisierung und nis der Problemzusammenhänge, eine ganzheitliche Einhegung ihrer Risiken erfordert ein für die Trans- Problembeschreibung sowie häufig die Zusammenarbeit formation zur Nachhaltigkeit angemessenes und über institutionelle und sektorale Grenzen hinweg nötig, systemisches Innovationsverständnis. Dazu sind auf so dass Ressourcen, Kompetenzen und Netzwerke neu folgenden drei Ebenen Innovationen erforderlich: gebündelt werden können (Eggers und McMillan, 1. Menschenzentrierte Innovationen: Eine erneuerte 2013; Abercrombie et al., 2015). Zudem reicht es Aufklärung, die mittels Digitalisierung Bildungs- nicht aus, nur einzelne Technologien oder Standards und Informationsangebote breit zugänglich, kulturell zu verändern (Elemente eines Systems), sondern auch differenziert und diskriminierungsfrei (SDG 4 „Hoch- Ziele, Abläufe und Prozesse müssen neu ausgerichtet wertige Bildung“) zu einem weltweiten Gemein- werden ( Architektur eines Systems; OECD, 2015: 6; gut machen kann sowie Ungleichheiten zwischen Geels et al., 2015). Dabei sind soziale, kulturelle, öko- Regionen, Kulturen, Generationen oder Geschlechtern nomische, politische und technologische Veränderungen reduziert (SDG 10 „Weniger Ungleichheiten“) wird in ihrer gegenseitigen Verstärkung zusammenzudenken greifbar. Ein Welt(umwelt)bewusstsein, d. h. ein (Beddoe et al., 2009; OECD, 2015: 7; ähnlich zu sozialen Bewusstsein für erdsystembewahrendes Handeln Innovationen The Young Foundation, 2012: 18). und die Entwicklung eines solidarischen Lebensstils, So unterscheiden sich Kreislaufwirtschaft und wird möglich. nachhaltige Mobilität, erneuerbare Energieversorgung 2. Ökologie- und wirtschaftszentrierte Innovationen: oder regenerative Landwirtschaft sowohl in ihrer Ziel- Eine digital gestützte Kreislaufwirtschaft, die durch setzung als auch in der grundlegenden Konfiguration digitalisierte Koordination, Prozesssteuerung und der Systeme von ihren nicht nachhaltigen Vorgängern. Monitoring neue Optionen für Ressourcenschonung, Für diese radikal ausgerichteten, aber inkrementell Produktlanglebigkeit, innovative Materialien und umgesetzten Innovationsprozesse werden fortlaufendes Produktdesigns, Reparaturfreundlichkeit und Monitoring und adaptive Governance empfohlen, Recycling entlang des gesamten Produktlebens- um nichtlineare, sprunghafte oder unerwartete Ver- zyklus schafft und Prozesse transparent macht, ist änderungen in zunehmend komplexeren gesellschaft- ein wichtiger Hebel für nachhaltiges Wirtschaften lichen Zusammenhängen antizipieren und vorbereiten (SDG 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschafts- zu können (Abercrombie et al., 2015). wachstum“; SDG 13 „Maßnahmen zum Klima- Digitale Schlüsseltechnologien – insbesondere das schutz“). Internet der Dinge, Big Data, KI und Cybersicherheit 3. Governance-zentrierte Innovationen: Auf Ver- – bieten neue Möglichkeiten für die Erfassung not- antwortung aufbauende inter- und transnationale, wendiger Daten zur Erarbeitung ganzheitlicher Problem- nationale wie regionale Partnerschaften und verständnisse und für gute Monitoring-, Evaluierungs- Institutionen sollen durch digitale Technologien in die und Governance-Prozesse. Sie erlauben präzisere Lage versetzt werden, Zielsetzungen und Bewertung und modellhaft getestete Planungen, schnelle und ihres Tuns sowie ihre Entscheidungsfindung trans- dezentrale Informationstransfers sowie automatisierte parent und nicht korrumpierbar zu gestalten (SDG Rückkopplungsschleifen. Auch vollständig neue 16 „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“) technologische Lösungen für Produktionsverfahren und so ihre Wirkkraft und Akzeptanz stärken (SDG werden möglich. Insgesamt bieten digitale Technologien 17 „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“). Auch daher, wenn ihr Einsatz sicher und vertrauenswürdig das HLPF selbst kann mit den Instrumenten der gestaltet wird, große Chancen für die Bearbeitung Digitalisierung modernisiert werden. 9
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Die sechs SDGs, die im Rahmen des HLPF 2019 und Zielerreichung einerseits unterstützen oder erst besondere Beachtung erfahren, sind: ermöglichen, andererseits aber auch gefährden oder >> SDG 4 „Hochwertige Bildung“, gar verhindern können. Zur Illustration werden diese >> SDG 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschafts- Einschätzungen zu Potenzialen und Risiken mit aus- wachstum“, gewählten konkreten „Schauplätzen des digitalen >> SDG 10 „Weniger Ungleichheiten“, Wandels“ verknüpft, die im WBGU-Gutachten „Unsere >> SDG 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“, gemeinsame digitale Zukunft“ das Zusammenspiel von >> SDG 16 „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institu Digitalisierung und Nachhaltigkeit veranschaulichen tionen“, und detaillierte Bezüge zu den SDGs bieten (WBGU, >> SDG 17 „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“, 2019: Kap. 5). Diese Beispiele verdeutlichen nicht nur das in jedem Jahr behandelt wird. Perspektiven und Herausforderungen der Digitalisierung Die Tabelle 1 zeigt exemplarisch für alle sechs dies- für die notwendige weltweite Transformation zur Nach- jährigen Fokus-SDGs, wie digitaler Wandel und digitale haltigkeit, sondern zeigen auch Möglichkeiten ihrer Technologien Systeminnovationen für die Umsetzung positiven Gestaltung auf. Tabelle 1 Fokus-SDGs beim HLPF 2019. Die Schauplätze beziehen sich auf Kapitel im Hauptgutachten „Unsere gemeinsame digitale Zukunft“, WBGU (2019). Quelle: WBGU SDG 4 Hochwertige Bildung Wichtige Optionen & Chancen durch Digitalisierung Wichtige Gefährdungen & Risiken durch Digitalisierung >> Die breitere Verfügbarkeit und bessere Zugänglich- >> Oft fehlen noch die nötigen Kompetenzen potenziel- keit von digitalisierten Bildungsangeboten ermög- ler Nutzer*innen für den Umgang mit digitalen Bil- licht eine finanziell und räumlich unabhängigere Nut- dungsangeboten sowie die nötige Hard- und Soft- zung von Bildung für Lernende auch in weniger ent- ware-Ausstattung. wickelten Ländern bzw. Regionen – vorausgesetzt es >> Bestehende Ungleichheiten und Diskriminierungen besteht Zugang zu den erforderlichen digitalen Infra- könnten durch ungleichen Zugang zu digital vermit- strukturen. telter Bildung verschärft werden. >> Digitale Medien eröffnen neue Möglichkeiten der >> Unzureichendes Wissen über die Belastbarkeit digital partizipativen Mitgestaltung von Lernangeboten und vermittelter Informationen oder die Wirkungen tech- -materialien sowie bessere Qualitätssicherung. Auch nologischer Entwicklungen kann zu Fehleinschätzun- können leichter zielgerichtete Angebote für und mit gen führen. benachteiligten Gruppen erarbeitet werden. Schauplatz Zukunftsbildung: Digitalisierung wird bisher bei vielen Bildungsangeboten nicht systematisch einbezogen. Dabei können digitale Lösungen einen entscheidenden Unterschied für den Zugang und damit die Verfügbarkeit der Angebote sowie für neue Formen der Bildung und der lebensbegleitenden Weiterbildung machen. Eine besondere Herausforderung ist die Stärkung der „Zukunftsbildung“ mittels digitaler Instrumente und Lösungen. Durch Zukunftsbildung, die Transformations-, Nachhaltigkeits- und Umweltkompetenzen sowie Antizipations- und Digitalkompetenzen umfasst, sollen Individuen befähigt werden, sich an der Gestaltung der Transformation zur Nachhaltigkeit im Kontext des Digitalen Zeitalters aktiv zu beteiligen. Durch Visualisie- rung, interaktive Animationen oder Simulationen möglicher Zukünfte könnten beispielsweise Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen und natürlichen Prozessen, Potenziale für nachhaltiges Leben und Arbeiten sowie solidarische Lebensqualität erfahrbar gemacht und wohlfahrtsorientierte Entwicklungsmodelle in kommenden Generationen verankert werden. Eine solide „analoge Basis“ und pädagogische Begleitung bleiben aber zentral, ebenso wie die Schulung des mündigen Umgangs mit der digitalen Welt (digital r esilience). Quelle: WBGU, 2019: Kap. 5.3.4 10
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen SDG 8 Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum Wichtige Optionen & Chancen durch Digitalisierung Wichtige Gefährdungen & Risiken durch Digitalisierung >> Neue digital gesteuerte Produktionstechnologien, >> Die Rationalisierungseffekte technischer Innovatio- Virtualisierung, Monitoring und Informationsbereit- nen (z. B. Substitution menschlicher Arbeit durch stellung können die Ressourcen- und Energieeffizienz Maschinen) drohen das Wirtschaftswachstum von wirtschaftlicher Aktivitäten steigern, qualitatives Beschäftigung zu entkoppeln, was soziale Kohäsion Wachstum stützen und – mittels effektiv organisier- und politische Stabilität gefährdet. ter Kreislaufwirtschaft – zur Entkopplung von Res- >> Risiken steigender Ungleichheit bzw. digitaler Spal- sourcenverbrauch, Produktion und Konsum beitra- tung bestehen zwischen (1) Entwicklungs- bzw. gen. Schwellenländern und Industriestaaten, (2) Regionen >> Digitale Technologien können weiteres (Produktivi- innerhalb von Staaten, sowie (3) Menschen mit täts-)Wachstum anstoßen. Höhere Produktivität und unterschiedlichen Qualifikationen, (4) mit verschie- Automatisierung können unter den richtigen Rah- denen Arbeitseinkommen und sonstigen Einkom- menbedingungen wiederum der Verbreitung men- mensformen, (5) unterschiedlichen Geschlechts und schenwürdiger Arbeitsumfelder dienen sowie Räume (6) unterschiedlichen Alters. für neue Leitbilder von nachhaltiger Arbeit schaffen. >> Neue (quasi-selbstständige) Arbeitsformen der Digi- >> Neue Zugänge zu (Arbeits-)Märkten, Gütern und talökonomie unterlaufen Standards im Arbeitsschutz Dienstleistungen (z. B. Finanzdienstleistungen, Bil- und verstärken Gefahren der Ausbeutung und Kont- dung) werden eröffnet, was insbesondere in Entwi- rolle von Arbeitnehmer*innen. cklungs- und Schwellenländern die Möglichkeiten >> Die zunehmende Nutzung digitaler Geräte sowie wirtschaftlicher Teilhabe erweitert. gesteigerter Konsum im Kontext von Rebound-Effek- >> Ein genaueres Monitoring der Entwicklung von ten erhöhen den Ressourcenverbrauch, der nur Arbeitsmärkten sowie vor allem der Einhaltung sozia- schwer vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln ist. ler Mindeststandards wird möglich. Schauplätze digital gestützte Kreislaufwirtschaft und neue digitale Ökonomie: Digitalisierung ermöglicht einen grundlegenden, systemischen Wandel von Produktions- und Arbeitsweisen sowie Konsum, verbunden mit Zielen der Kreislaufwirtschaft. Sie verändert nicht nur die Stoffströme in und zwischen Unternehmen (d. h. den industriellen Metabolismus), sondern schafft neben Umweltrisiken (z. B. Elektroschrott) ebenso Potenziale für digital optimierte, ressourceneffizientere Fertigungsprozesse. Dazu können auch neuartige Unternehmens- bzw. Wirtschaftsformen beitragen (z. B. Plattform-Kooperativen, ‚Prosumer‘, Sharing-Ökonomie), die möglicherweise den Ressourceneinsatz senken. Allerdings gibt es erst wenige Anwendungsfälle und deshalb wenig Wissen darü- ber, wie digitale Technologien konkret für die Kreislaufwirtschaft genutzt werden können oder ob sie sogar nega- tiv wirken. Ferner sind die etablierten Unternehmen der Kreislaufwirtschaft noch schlecht für die Digitalisierung aufgestellt, während einige IKT-Start-Ups das Geschäftspotenzial für sich entdecken. Daher sind entsprechende Weichenstellungen vorzunehmen, um die digital gestützte Kreislaufwirtschaft im Sinne der Transformation zur Nachhaltigkeit zu fördern. Quelle: WBGU, 2019: Kap. 5.2.2 und 5.2.5 SDG 10 Weniger Ungleichheiten Wichtige Optionen & Chancen durch Digitalisierung Wichtige Gefährdungen & Risiken durch Digitalisierung >> Insbesondere für Entwicklungsländer bieten sich >> Die digitale Kluft könnte sich verschärfen, z. B. hin- erweiterte Potenziale des Aufholens von Entwick- sichtlich zunehmender Gender-Ungleichheiten und lungsrückständen durch Technologiesprünge (leap großer Unterschiede der Digitalkompetenzen ver- frogging). Außerdem können bestehende Rückstände schiedener Bevölkerungsteile innerhalb und zwi- besser erfasst und offengelegt werden. schen Ländern. >> Mobile Endgeräte und Internet-Zugang erhöhen die >> Die digitalisierte, automatisierte Warenproduktion räumliche und zeitliche Flexibilität der Teilhabe an könnte speziell Arbeitsplätze niedriger Qualifikati- digitalen und digitalisierten Angeboten, schaffen onsniveaus gefährden und so zu wachsenden zudem neue Formen der Erwerbsarbeit (z. B. über Ungleichheiten beitragen. Plattformen). >> Automatisierung kann die Rückverlagerung der >> Ein allgemeiner Zugang zu digitalen Infrastrukturen Beschäftigung von Entwicklungs- zu Industrieländern könnte den gleichwertigeren Zugang zu wichtigen befördern (backshoring) und somit neue räumliche Informationen ermöglichen, wie z. B. für Beschäfti- Ungleichheiten bei Produktion und Beschäftigung gung, B ildung und Gesundheit. schaffen. 11
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Schauplatz Internationale Arbeitsteilung: Der durch Digitalisierung vorangetriebene Wandel der Muster internationaler Arbeitsteilung wird zu einer Neujustierung der Rolle von Entwicklungs- und Schwellenländern führen. Auch wenn klare Schlussfolgerungen zu Wirkungen der Digitalisierung auf die internationale Organisati- on von Wertschöpfungsketten derzeit nur eingeschränkt möglich sind, stehen hohen potenziellen Verlusten von Arbeitsplätzen durch digital gestützte Automatisierung und durch Prozesse der Rückverlagerung von Produktion von Entwicklungsländern in Industrieländer auch neue Zugänge zu Märkten vor allem durch digitale Plattformen gegenüber. Quelle: WBGU, 2019: Kap. 5.3.8 SDG 13 Maßnahmen zum Klimaschutz Wichtige Optionen & Chancen durch Digitalisierung Wichtige Gefährdungen & Risiken durch Digitalisierung >> Digitale Anwendungen bieten in vielen Sektoren >> Die steigende Produktion und Nutzung digitaler Potenziale, durch höhere Effizienz zu Emissionsmin- Geräte geht bei fortgesetzter Nutzung fossiler Ener- derungen beizutragen (z. B. Energie, Landwirtschaft, giequellen mit steigenden Treibhausgasemissionen Industrie, Gebäude, Transport). einher. >> Vernetzte Frühwarnsysteme können die Resilienz >> Digitale Technologien unterstützen bzw. erleichtern gegenüber Naturkatastrophen erhöhen sowie Klima die Exploration, Gewinnung und Nutzung fossiler risikomanagement und Wettervorhersagen verbes- Energieträger. sern. >> Neue digitale Mehrzwecktechnologien können zur >> Für die Gewinnung und Bereitstellung von Informati- Steigerung ökonomischer Aktivitäten und somit zu onen über künftige Klimaveränderungen können digi- erhöhtem Energiebedarf führen, was sich negativ auf tale Anwendungen eine zentrale Rolle spielen und Emissionen und Klimaschutz auswirkt. die Basis für Entscheidungen zu Klimaschutz und >> Die steigende Abhängigkeit von IKT kann die Resili- Anpassungsmaßnahmen (Climate Services) bilden. enz von Infrastrukturen gegenüber klimabedingten Katastrophen und Extremereignissen verringern. Schauplatz Digitalisierung für Klimaschutz und Energiewende: Digitale Lösungen unterstützen die Integra- tion fluktuierender erneuerbarer Energien in die Energiesysteme und können den Zugang zu moderner Energie in netzfernen Regionen erleichtern. Problematisch sind möglicherweise direkt und indirekt durch Digitalisierung ausgelöste Steigerungen der Energienachfrage. Auch sollten die Sicherheit der zunehmend komplexen Energiesy- steme (und anderer digitalisierter kritischer Infrastrukturen) sowie Datenschutz und Datensicherheit von Anfang an mitbedacht werden. Quelle: WBGU, 2019: Kap. 5.2.6 SDG 16 Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen Wichtige Optionen & Chancen durch Digitalisierung Wichtige Gefährdungen & Risiken durch Digitalisierung >> Durch besseren Informationsaustausch und -abgleich >> Friedensrisiken wachsen, da Robotik und KI zur Ent- zwischen Staaten können neben Steuerhinterziehung wicklung autonomer Waffensysteme genutzt werden und Geldwäsche auch Umweltdelikte besser entdeckt können. und geahndet werden, was eine gerechtere Beteili- >> Cyberattacken im Sinne von Sabotage bzw. Spionage gung an der Finanzierung öffentlicher Ausgaben können militärisch eingesetzt werden (Cyberkrieg), ermöglicht. In Kombination mit Datenanalysen lassen was speziell hinsichtlich der Angriffe auf kritische In sich z. B. illegale Finanzflüsse und Waffenhandel bes- frastrukturen problematisch ist. ser aufspüren. >> In den Bereichen Kriminalitätsbekämpfung und >> Generell kann Digitalisierung bei Kriminalitätsbe- Gerechtigkeit sind digitale Technologien auch miss- kämpfung und Gerechtigkeit zur Aufdeckung von bräuchlich einsetzbar. So können Staaten sie gezielt Umwelt- und sonstigen Straftaten beitragen, z. B. zur Totalüberwachung oder Verhaltenskontrolle von mittels Monitoring bzw. Tracking. Dies stützt den Bürger*innen nutzen und deren Persönlichkeits- bzw. Vollzug des Umweltrechts. Menschenrechte verletzen (z. B. durch Scoring-Ver- >> Digitalisierung ermöglicht die Stärkung von Instituti- fahren). onen und politischer Teilhabe. So fördern Ansätze >> Digitale Anwendungen schaffen erweiterte Möglich- wie Open Government die Überprüfbarkeit behördli- keiten zur Manipulation durch Medien (fake news) cher Entscheidungen durch die Gesellschaft, mehr oder Beeinflussung demokratischer Legitimations- Bürgerbeteiligung und Kontrolle. Datenerfassung verfahren (z. B. bei Wahlen) sowie der über digitale und -verarbeitung unterstützen Politikkohärenz und Kommunikationskanäle organisierten Umwelt Good Governance. Außerdem steigert digitales kriminalität. Monitoring der Zielerreichung die Rechenschaft von Institutionen. >> Digitale Vernetzung sowie Virtual-Reality-Anwen- dungen können im zwischenmenschlichen Umgang Empathie wecken und stärken. 12
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Schauplatz Öffentlich-rechtliche IKT: Informations- und Kommunikationstechnologien haben gesellschaftlich stark an Bedeutung gewonnen und beeinflussen zunehmend das Leben der Bürger*innen. Öffentlich- rechtliche IKT sind eine wichtige Voraussetzung für gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, für die Bereitstellung von und den Zugang zu digitalen Gemeingütern und sind zudem Standortfaktor für Innovation, Wettbewerb, Beschäftigung und nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Der öffentlichen Hand kommt eine Verantwortung für den Betrieb und die Inhalte einer öffentlich-rechtlichen IKT zu, die oftmals in vielen Ländern nicht hinreichend wahrgenommen wird. Daher empfiehlt der WBGU die Realisierung einer öffentlich- rechtlichen IKT. Zu diesen IKT-Infrastrukturen zählt nach dem Verständnis des WBGU ein öffentlich-rechtlicher Teil des Internets inklusive sozialer Plattformen, die Daten-, Informations-, Wissens- und Bildungsangebote sowie Bürgerdienste öffentlich zugänglich machen und dabei grundlegenden Prinzipien wie der – zunehmend gefährdeten – Netzneutralität sowie der Inklusivität oder Barrierefreiheit unterliegen. Die Gewährleistung dieser Prinzipien sowie die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten – und insbesondere auch ökologischer Aspekte beim Auf- und Ausbau der öffentlich-rechtlichen IKT – gehören zu den zentralen Herausforderungen. Quelle: WBGU, 2019: Kap. 5.3.5 SDG 17 Partnerschaften zur Erreichung der Ziele Wichtige Optionen & Chancen durch Digitalisierung Wichtige Gefährdungen & Risiken durch Digitalisierung >> Übergreifend unterstützt der durch Digitalisierung >> Einzelne oder kumulierte Digitalisierungsfolgen kön- verbesserte Wissens- und Technologietransfer die nen disruptive Wirkung auf den Welthandel, die Umsetzung aller SDGs, z. B. mit Blick auf Breitband- gesamtwirtschaftliche Stabilität oder generell die und Informationszugang, globalen Austausch und Erreichung systemischer Fragen der SDGs haben. kostengünstigen Zugang zu digitalisierten >> Kooperationen bei Technologietransfer, Datenerhe- Schriftbeständen. Dabei umfasst der bung und Statistik oder zur Verbreitung von IKT-An- Technologietransfer zunehmend auch die wendungen können zu (neuen) Abhängigkeitsver- unbeschränkte Weitergabe von Software und hältnissen und Privatheitskonflikten führen. Methodenkompetenz. >> Die Kapazitäten für Datenauswertung und Monitoring sowie die konkrete Ausarbeitung nationaler Umsetzungspläne können fortlaufend ausgebaut werden. >> Digitalisierung ermöglicht effektive systemische Ver netzungen, somit bessere Transparenz und Koordination auch der Bereiche Finanzierung, Verschuldungsmanagement und des regelgeleiteten Welthandels. Schauplatz Digitale Gemeingüter: In Anlehnung an die Idee der Gemeingüter im Allgemeinen sind digitale Gemeingüter nach dem Verständnis des WBGU digitalisierte Daten-, Informations- und Wissensgüter, die als nicht rivale Ressourcen im Gemeininteresse möglichst breit, d. h. öffentlich zugänglich gemacht werden. Beispiele sind offene Bildung, freies Wissen und Open Data oder digitalisiertes Natur- und Kulturerbe. Sie sollten technisch über öffentlich-rechtliche IKT bereitgestellt werden, sind somit vor Ausschluss, Privatisierung und Unternutzung zu schützen. Dazu sind sowohl organisatorische und regulatorische als auch finanzielle Weichenstellungen wie Bereitstellungspflichten nötig, um Gemeinwohlorientierung mittels digitaler Gemeingüter auszuprägen. Quelle: WBGU, 2019: Kap. 5.3.10 13
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Welt(umwelt)bewusstsein stärken: Zusammenhänge nachweisen und mit Zukunftsbildung vermitteln Das Wohlergehen der Menschen hängt stark von die Kombination von BNE und digitaler Bildung wichtige ihrem Wissen, ihrer Kreativität, Mündigkeit und Grundlage, um die Menschen zur Umsetzung der SDGs Kooperationsfähigkeit ab. „Da Kriege im Geist der zu befähigen. Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist Die Transformation zur Nachhaltigkeit im Digitalen der Menschen verankert werden“ heißt es in der Ver- Zeitalter erfordert ein ganzheitliches Wissen für fassung der Organisation der Vereinten Nationen für alle zentralen Herausforderungen und nicht nur Bildung, Wissenschaft und Kultur von 1945 (UNESCO, Umschulungen für sich verändernde Berufe. Vielmehr 1945). Für eine friedvolle, partizipative und nachhaltige ist ein breiter Diskurs über die praktische Gestaltung Zukunftsgestaltung brauchen Menschen vertrauens- der Arbeitsplätze, Unternehmen sowie politischen würdige Informations- und Bildungsangebote, die den Rahmenbedingungen der Zukunft nötig. Dies erfordert jeweiligen Herausforderungen entsprechen, denen verantwortliches Handeln, individuelle und kollektive die Gesellschaften gegenüberstehen (WBGU, 2019: Kreativität und Innovativität (WBGU, 2016: 23, 453) Kap. 5.3.4). sowie Persönlichkeitsentwicklung, Kooperations- Nachhaltige Entwicklung erfordert z. B. ein kompetenzen und Mut zum Handeln (UNESCO, 2014; reflexives Verständnis der Rückkopplungen zwischen Brundiers und Wiek, 2017; Rasfeld und Breidenbach, ökologischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und 2014). Aufgrund der Standards prägenden Rolle der sozio-technischen Systemen. Um transformatives OECD in Bildungskontexten ist dafür z. B. die Future of Handeln zu ermöglichen, müssen zudem die Dis- Education and Skills 2030 Initiative relevant, die sich krepanzen zwischen Umweltbewusstsein und Umwelt- explizit an Unterziel 4.7 der Agenda 2030 orientiert und handeln in der Alltagspraxis besser verstanden werden. deren Inhalte auch für Bildungsangebote für Erwachsene Die Anforderungen an eine Bildung für Nachhaltige Ent- übersetzt und genutzt werden könnten. wicklung (BNE) sowie eine Global Citizenship Education Auch außerhalb von Bildungsinstitutionen kann sind im Kontext der UN-Nachhaltigkeitsagenda zwar entsprechendes Problembewusstsein entwickelt sowie entwickelt und inzwischen systematisch erfasst worden konkretes Handlungswissen vor Ort in Alltagshand- (UNESCO, 2014), ihre Umsetzung ist aber noch immer lungen bereitgestellt werden. Informationen über unzureichend (World Future Council, 2019). Parallel Lieferketten, Umweltkosten in Produkten und Dienst- werden heute Forderungen nach digitaler Kompetenz leistungen oder Investitionsströme von Banken können und sozialen Fähigkeiten lauter – oft aus der Wirtschaft Konsument*innen bei Kaufentscheidungen online oder und mit Referenz auf Herausforderungen künftiger per QR-Code bereitgestellt werden sowie ihr Bewusst- Arbeitswelten (Ananiadou und Claro, 2009; WEF, sein für ökologisch und sozial nachhaltige Produktion 2016; World Bank, 2019). Diese haben bereits viele und Finanzierung schärfen. Digitale Anwendungen, Übereinstimmungen mit den in der UNESCO und in z. B. Interaktivität, Gaming, virtuelles Naturerleben der Forschung zur BNE geforderten Kompetenzen und oder transnational vernetzte bürgerwissenschaft- Fähigkeiten. Empfehlungen zu Technikwissen, der Rolle liche Projekte (Citizen Science) bieten neue Chancen von Mathematik und digitaler Resilienz finden nun lang- zur Umweltbewusstseinsbildung und zum Verständnis sam Einzug in die BNE (etwa im UNESCO-Programm- globaler Zusammenhänge (WBGU, 2019: Kap. 5.3.1). papier „Education for Sustainable Development Beyond Perspektivisch können daraus mehr Bereitschaft zu 2019“; UNESCO, 2019), wohingegen Umweltwissen globaler Kooperation und ein starkes Welt(umwelt)- und ein Verständnis für Ökosysteme in den Studien zu bewusstsein erwachsen. digitalem Lernen aus der Wirtschaft und zur Arbeitswelt Fehlender Zugang zu guter Bildung wiederum gilt in der Regel weiterhin fehlen. Aus Sicht des WBGU ist als zentrale Herausforderung der Nachhaltigkeitsagenda 14
Politikpapier Nr. 10 Digitales Momentum Juni 2019 Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen Kasten 1 WBGU empfiehlt, fünf Jahre nach diesem Bericht einen Schritt weiter zu gehen und als gemeinsame Initiative von UNDP und Konzentration datenbezogener UN-Initiativen in UNEP eine „International Information Union“ zu etablieren. einer „International Information Union“ Diese würde der Weltgemeinschaft SDG-relevante Daten mit Bezug zu verschiedenen Regionen, auf verschiedenen Informationen und Daten, ihre Erfassung, Aufbereitung, Aggregationsstufen und über mehrere Jahre hinweg als Open Bereitstellung und Verfügbarkeit sowie ihre Analyse sind im Data zur Verfügung stellen. Die Art der Daten würde weit über Digitalen Zeitalter für alle Lebens- und Arbeitsbereiche die SDG-Indicators-Datenbanken von UNSD und UNdata zentral. Sie sind auf allen Governance-Ebenen ein wesent- hinausgehen, indem die „International Information Union“ zu- liches Instrument für die Bestimmung und Nachverfolgung gleich die notwendigen Prozesse und interoperablen Standards sowie die Optimierung von Zielpfaden zur Erreichung der etabliert und koordiniert. Dabei sollten besondere Schwer- SDGs. Die UN hat mit ihrem Bericht „Data Revolution for punkte der Arbeit auf umweltbezogenen, sozialpolitischen Sustainable Development“ die möglichen Rollen von Daten und governance-relevanten Daten liegen. und Informationen herausgearbeitet (UN IEAG, 2014). Der für den Abbau sozialer Ungleichheiten sowie die Gleich- Um inklusive, gerechte und hochwertige Bildung berechtigung von Mädchen und Frauen. Bildung wirkt (SDG 4) als Element für die Transformation zur Nach- sich zudem vermindernd auf das Bevölkerungswachstum haltigkeit sicherzustellen sind digitale Gemeingüter aus. Auch die Relevanz von Bildungsinhalten, die über wesentlich. Dabei handelt es sich um digitalisierte Smartphones für Menschen auf der Flucht zur Verfügung Daten-, Informations- und Wissensgüter, die als nicht gestellt werden, wird zunehmend diskutiert. Online ver- rivale Ressourcen im Gemeininteresse öffentlich zugäng- fügbare Bildungsmaterialien, multimediale Lernformate lich gemacht werden – etwa offene Umweltdaten. und direkte weltweite Kommunikation bieten gerade in Darüber hinaus gilt es, lokale und kulturelle Wissens- ärmeren Ländern und ländlichen Gegenden neue Chancen bestände zu schützen und systematisch in digitale Lern- der Wissensvermittlung, oft auch trotz schwacher inhalte zu überführen, so dass die weltweite Verbreitung Bildungsinfrastruktur und Mangel an kompetentem von Wissen nicht einer Uniformisierung Vorschub Lehrpersonal. Die Möglichkeiten virtueller Lernräume leistet, sondern Diversität schützt und Eigenart fördert eröffnen zudem neue Perspektiven für das Verständnis (Amsler und Facer, 2017). von Ökosystemen und globalen Zusammenhängen. 15
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