Kunst und Wirtschaft - Das Magazin - Wirtschaftsuniversität Wien

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Kunst und Wirtschaft - Das Magazin - Wirtschaftsuniversität Wien
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                                                                             KOOPERATION MIT

 Das
                                                                               1/2020

 Magazin
WIRTSCHAFTSUNIVERSITÄT WIEN

                         Kunst und
                         Wirtschaft
   4 Was Wirtschaft und       12 Wie sich Kreativität   22 Max Hollein ist
   Kunst verbindet            managen lässt             „WU Manager des Jahres“
Kunst und Wirtschaft - Das Magazin - Wirtschaftsuniversität Wien
I               N                     H                    A                   L T

    4
    Kunst und
    Wirtschaft
    Märkte in der
                                                                                                                                                  16
                                                                                                                                                  Vielfältiges
                                                                                                                                                  Masterstudium
                                                                                                                                                  Masterpro­
                                                                                                                                                  gramm Finanz­
                                                                                                                                                  wirtschaft und
                                                                                                                                                  Rechnungs­
    Kreativwirt­                                                                                                                                  wesen.
    schaft funktio­
    nieren anders
    als im norma­
    len Wirtschafts­
    leben.

                                                                                                                                                  18
    12
    Kunst und
    Management
                                                                                                                                                  Forscher des
                                                                                                                                                  Monats
                                                                                                                                                  Alexander Mohr
                                                                                                                                                  über die Folgen
                                                                                                                                                  des Brexits für
    Wie Kunst und                                                                                                                                 Expats.
    Management
    durch Kreativität
    dazugewinnen.

    14
    Kunst und
                                                                                                                                                  22
                                                                                                                                                  Max Hollein
    Logistik
                                                                                                                                                  Der „WU
    Warum sich ein
                                                                                                                                                  Manager des
    kroatischer Maler
                                                                                                                                                                        FOTOS: NATHAN MURRELL, WU, BEIGESTELLT

                                                                                                                                                  Jahres“ über
    mit Transportthe­
                                                                                                                                                  Verflechtung
    men beschäftigt.
                                                                                                                                                  von Kunst und
                                                                                                                                                  Wirtschaft.

    Impressum: Ausgabe 1/2020. Medieninhaber, Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich: WU (Wirtschaftsuniversität Wien), 1020 Wien, Welthandelsplatz 1.
    Rektorat: Edeltraud Hanappi-Egger (Rektorin), Harald Badinger, Michael Lang, Tatjana Oppitz, Margarethe Rammerstorfer. WU-Koordination: Melanie Hacker, Chris­
    topher Posch. Produktion: Die Presse Verlags-Ges.m.b.H. & Co KG, 1030 Wien, Hainburger Straße 33, Tel.: 01/514 14-Serie. Geschäftsführung: Herwig
    Langanger, Rainer Nowak. Redaktion: Andreas Tanzer (Ltg.), Gerald Pohl. Art Direction: Matthias Eberhart. Produktion: Thomas Kiener, Christian Stutzig. Anzeigen:
    Tel.: +43/(0)1/514 14-535, E-Mail: anzeigenleitung@diepresse.com. Hersteller: Druck Styria GmbH & Co KG, Styriastraße 20, 8042 Graz. Coverfoto: Nathan Murrell.
    Coverzeichnung:Sarah Knaus. Unternehmensgegenstand: gemäß Aufgabendefinition in §3 Universitätsgesetz 2002. Grundlegende Richtung: Das „WU Magazin“
    versteht sich als Informationsplattform der Wirtschaftsuniversität Wien für die gesamte Öffentlichkeit.

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N E W S
                                                                                                                                    Drei neue Rechts­
                                                                                                                                     professorinnen
                                                                                                                                       an der WU
                                                                                                                                   Seit Anfang März verstärken drei neue
                                                                                                                                Professorinnen aus dem Bereich der Rechts-
                                                                                                                                  wissenschaften Forschung und Lehre an
                                                                                                                                                 der WU:

                             Universitätsbetrieb geht online weiter                                                             Susanne Auer-Mayer, Professorin für
                                                                                                                                                  Arbeitsrecht und Sozial-
                             Zur Eindämmung des Coronavirus hat die           Informationsportal der WU, zur Verfügung                            recht mit Schwerpunkt
                             WU den Lehr- und Lernbetrieb auf Distanz-        gestellt werden.                                                    Digitalisierung in der
                             lehre umgestellt. Das bedeutet, dass bis auf                                                                         Arbeitswelt am Depart-
                             Weiteres online gelehrt und gelernt wird.        Veranstaltungen werden, soweit möglich,                             ment für Privatrecht.
                             Studierende und Lehrende kommen virtuell         online durchgeführt. Am WU Master’s Day                             Susanne Auer-Mayer
                             zusammen, auch an Projekten wird online          am 15. April 2020 präsentieren sich die 15                          promovierte 2010 an der
                             gearbeitet. So kann das laufende Semester        deutsch- und englischsprachigen Master-           Paris Lodron Universität in Salzburg, wo sie
                             möglichst uneingeschränkt weitergehen.           programme der WU im Netz. Lehrende,               2018 auch ihre Habilitation abschloss. An
                             Lehrveranstaltungen können zur                   Studierende, Alumni und die Studien-              der WU wird sie sich schwerpunktmäßig mit
                             gewohnten Zeit gestreamt werden. Es              zulassung geben über Live-Streaming               Fragen der Digitalisierung in der Arbeitswelt
                             können auch je nach Typ und Inhalt               Einblick in das Studium und Interessierte         beschäftigen.
                             der Lehrveranstaltungen kommentierte             haben die Möglichkeit, ihre Fragen im Chat
                             Powerpointfolien, Lecturecasts oder              zu stellen. Weitere Informationen unter           Katharina Pabel, Professorin für Öffentliches
                             Aufgaben über LEARN, dem Lern- und               wu.at/mastersday.                                                   Recht, Wirtschaftsrecht
                                                                                                                                                  und Völkerrecht am
                                                                                                                                                  Department für Öffentli-
                             Online-Registrierung für Bachelor- und                                                                               ches Recht und Steuer-
                             Masterstudien geöffnet                                                                                               recht der WU.
                                                                                                                                                  Katharina Pabel
                             Seit 3. März läuft an der WU die Online-Registrierungsfrist für alle drei Bachelorstudien: Wirt-                     promovierte 2001 an der
                             schafts- und Sozialwissenschaften (WiSo), das englischsprachige Programm Business and              Universität Bonn und habilitierte sich 2009.
                             Economics (BBE) und Wirtschaftsrecht (WiRe). Die jeweiligen Fristen der Aufnahmeverfahren          An der WU möchte die gebürtige Deutsche
                             enden am 19. Mai. Die Anmeldung für die sieben deutschsprachigen Masterprogramme für               verschiedene Aspekte des Schutzes der
                             den Start im Wintersemester 2020/2021 ist noch bis 31. Mai möglich.                                Grund- und Menschenrechte in nationaler,
                                                                                                                                europäischer und internationaler Perspektive
                                                                                                                                vertiefen.
                             10 Jahre „Lernen macht Schule“
                                                                         Gemeinsam mit der Caritas der Erzdiözese Wien          Julia Told, Professorin für Zivilrecht am
                                                                         und der REWE Group in Österreich wurde 2010                               Department für Privatrecht
                                                                         die Initiative „Lernen macht Schule“ ins Leben                            der WU.
                                                                         gerufen, die sozial benachteiligte Kinder mit                             Julia Told dissertierte 2010
                                                                         Studierenden zusammenbringt. Entscheidend                                 in Rechtswissenschaften
FOTOS: WU, CHRISTIAN DUSEK

                                                                         für den Zugang zu Bildung ist in Österreich weit-                         an der Universität Wien.
                                                                         gehend die soziale Herkunft. Armut im Elternhaus                          An der WU will sie sich
                                                                         verringert die Chancen massiv, wodurch schon                              vor allem dem Bankver-
                                                                         im Kindesalter die Weichen für den späteren            tragsrecht, dem Kreditsicherungsrecht,
                                                                         Bildungsweg gestellt werden. Im Rahmen des             internationalen Projekten der Privatrechtsver-
                                                                         Programms engagieren sich jedes Jahr rund 120          einheitlichung, der Privatrechtsdigitalisierung
                                                                         WU-Studierende und betreuen 240 Kinder und             sowie den Grenzen der Privatautonomie
                                                                         Jugendliche.                                           widmen.

                                                                                                                                                                                  3
Kunst und Wirtschaft - Das Magazin - Wirtschaftsuniversität Wien
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    FOTO: NATHAN MURRELL
Kunst und Wirtschaft - Das Magazin - Wirtschaftsuniversität Wien
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Arm und Reich
in der Kunst vereint
In der Kreativwirtschaft funktionieren die Märkte nicht nach
Lehrbuch. Die meisten AkteurInnen können kaum davon leben,
nur ganz wenige werden zu reichen Superstars. Trotzdem hat
sich rund um die Kunst ein Milliarden-Business entwickelt.
Wien nascht an diesem Kuchen vielfältig mit.

D
                er mittlerweile 73-jährige André         Niedergang, besonders in Städten kamen sie in die
                Heller hat ein produktives Jahr hinter   Krise. Das zeigt sich im generellen Trend von der
                sich: Er brachte ein neues Musik-        Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. „Kreativ-
                album auf den Markt, veröffentlichte     wirtschaft funktioniert anders, sie entspricht nicht
                einen Erzählband und inszenierte         den Prinzipien einer normalen Marktwirtschaft“,
eine wienerisch gefärbte Version des Rosenkavaliers      meint Resch. „Es gibt ganz wenige, die besonders gut
an der Staatsoper Berlin. „André Heller geradezu als     verdienen und viele, die in prekären Einkommensver-
Role Model für die Wiener Kreativwirtschaft ins Spiel    hältnissen leben, aber für die Vielfalt und Lebendig-
zu bringen liegt nahe“, erläutert Andreas Resch, ao.     keit der Szene sehr wichtig sind.“
Professor am WU-Institut für Wirtschafts- und            In der Kunstszene gebe es ein merkwürdiges
Sozialgeschichte. Heller ging einen sehr eigenstän-      Verhältnis zur Wirtschaft, das zum Teil widersprüch-
digen Weg in seiner künstlerischen Entwicklung,          lich sei, argumentiert Elfie Miklautz, ao. Professorin
wobei er den wirtschaftlichen Erfolg nie vernachläs-     am WU-Institut für Soziologie und empirische Sozial-
sigte. Von Radiomoderator über Sänger, Autor bis hin     forschung. Miklautz: „Es ist eine Art anti-ökonomi-
zu Inszenierungen von Feuertheatern, Varietés,           sche Ökonomie. Das heißt, dass AkteurInnen gewisser
Zirkusshows und Gartenprojekten reicht Hellers           Sparten der Kreativwirtschaft am Beginn ihrer Lauf-
kreatives Spektrum, das der Enkel eines Großindust-      bahn davon überzeugt sind (ähnlich wie bei manchen
riellen wohl auch deshalb verwirklichen konnte, weil     Sportarten, Anm.), es der Sache und nicht des Geldes
es ihm – im Gegensatz zu vielen Künstlern – nie an       wegen zu machen. Selbst Galerien behaupten von sich,
Geld fehlte.                                             junge KünstlerInnen fördern und nicht primär Profit
                                                         machen zu wollen.“ Die Konsequenz daraus ist, dass
Höchst heterogene Bereiche                               Einkommen aus der künstlerischen Haupttätigkeit oft
Laut dem britischen Department for Digital, Culture,     nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu finan-
Media and Sport zählen zur Kreativwirtschaft so          zieren. „Es gibt viele Leute, die diesen Beruf, für den
unterschiedliche Bereiche wie Werbung, Handwerk,         sie ‚brennen‘, zwar als ihren Haupterwerb sehen, aber
Architektur, Design, Film, Medien, IT, Museen und        eine Nebenbeschäftigung benötigen, um sich ihr
Musik. Alles Sektoren, die ihren Ursprung in der         Leben leisten zu können“, ergänzt Andrea Grisold, ao.
individuellen Kreativität, den Fähigkeiten des           Professorin am WU-Institut für Heterodoxe
Einzelnen haben und die ein Potenzial für Reichtum       Ökonomie. Zahlreiche AbspringerInnen gebe es
durch Nutzung von geistigem Eigentum bieten. Der         deshalb nicht, die Personen bleiben Künstlerin oder
Terminus Kreativwirtschaft hat eine lange Geschichte.    Künstler. Diese Distanz zum ökonomischen Erfolg
Er änderte jedoch in den späten 1980er- und frühen       und ein entsprechender feldkompatibler Habitus seien
1990er-Jahren seine Bedeutung. In den reichen            aber auch normative Voraussetzungen dafür, als Teil
Ländern erlebten damals die alten Industrien einen       dieser Szene zu gelten, so Miklautz. Denn primär

                                                                                                                   5
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    wichtig sei die Anerkennung in der Community. Für
                                                                                  bildenden KünstlerInnen in Öster-
    einen kommerziellen Erfolg hingegen ist neben dem                             reich verdienen pro Jahr unter

                                                                                  5.000 €
    Schaffen des Kunstwerks die Vermarktung desselben
    oder der eigenen Person als KünstlerIn von existen-
    zieller Bedeutung; das fällt aber vielen KünstlerInnen
    äußerst schwer. Grisold: „Man muss selbst Marke-
    tingaktivitäten setzen, um in Galerien ausgestellt zu                         Filmschaffende haben mit rund

                                                                                  10.000 €
    werden. Wichtig ist es, Leute auf sich aufmerksam zu
    machen, die einem im Weiteren unterstützen können.“

                                                                                  die vergleichsweise höchsten
    Mäzenatentum und Förderungen
                                                                                  Einkommen.
    Welche Rolle spielen in diesem Umfeld Mäzena-
    tentum, Sponsorship oder staatliche Förderungen?
    Fest steht, dass 80 Prozent der vorhandenen Sponso-
    ring-Gelder in Sport fließen und nur 20 Prozent in
    Kultur. Sponsoring ermöglicht die Durchführung           Standort nachhaltig sei: „Durch den gesellschaftlichen
    wichtiger Ausstellungen, zum Beispiel von Rubens-        Wert der Kunst sind Breite und Vielfalt in einem relativ
    und Brueghel-Meisterwerken im Wiener Kunsthisto-         kleinen Markt möglich, was sich auf die Lebensqua-
    rischen Museum (KHM). Es gibt Mäzeninnen und             lität auswirkt. Deshalb schneidet Wien in Rankings in
    Mäzene, zum Beispiel Heidi Horten, die ab 2022 im        diesem Bereich immer hervorragend ab.“
    Stöcklgebäude im Zentrum Wiens ihre aus 700 Kunst-       Nicht nur im Inland wird Kunst von staatlicher Seite
    werken bestehende Privatsammlung der Öffentlichkeit      gefördert, auch die Teilnahme von heimischen Künst-
    dauerhaft präsentieren wird. Oder Hans-Peter Hasel-      lerInnen an jährlich rund 7000 ausländischen Kultur-
    steiner, der jüngst aus der eigenen Tasche das Künst-    veranstaltungen wird aktiv durch das Bundesministe-
    lerhaus am Wiener Karlsplatz für einen zeitgemäßen       rium für europäische und internationale Angelegen-
    Ausstellungsbetrieb runderneuern ließ. Die eingemie-     heiten (BMEIA) mittels seiner Auslandsvertretungen
    tete ‚Albertina modern‘ plant dort Werke zu zeigen,      betrieben. Dafür steht ein Budget von rund vier
    die aus der Sammlung der Familie Essl stammen. Im        Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Das BMEIA
    internationalen Vergleich ist Mäzenatentum hierzu-       übernimmt zum Beispiel die Transportkosten oder
    lande weniger offensichtlich ausgeprägt und staatliche   das Honorar der eingeladenen KünstlerInnen. Diese
    Förderung ist wichtiger als in vielen Ländern. Öster-    hätten ohne Förderung und die Kontakte der
    reich hat auf diesem Sektor ein gutes Niveau erreicht,   Auslandsvertretungen kaum die Chance, vor einem
    mit staatlichen Institutionen wie Bundes- oder           neuen Publikum aufzutreten oder auszustellen. Für
    Landestheatern. Resch ist überzeugt, dass es ökono-      Österreich bietet sich durch die Verschickung der
    misch gut angelegtes Geld und dadurch für einen          KünstlerInnen als KulturbotschafterInnen die

                                                 Public Value öffentlicher Kultureinrichtungen
                                                 Das Konzept Public Value (PV) erweitert       Da die Anspruchsgruppen den PV einer
                                                 gängige Bewertungskriterien – wie die         Organisation nicht zwingend einheitlich
                                                 Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften      wahrnehmen, stehen Kulturmanage-
                                                 oder das Erreichen von Zielen – um den        rInnen wie politisch Verantwortliche
                                                 zentralen Gedanken des Beitrags zum           vor der Herausforderung, den Beitrag
                                                 Gemeinwohl. „Das Statement ‚public            zum gesellschaftlichen Mehrwert ihrer
                                                 value is what the public values‘ verweist     Institutionen zu reflektieren, zu definieren
                                                                                                                                              FOTOS: NATHAN MURRELL

                                                 auf die Bedeutung der Wahrnehmung             und zu kommunizieren. Knassmüller:
                                                 von Public Value durch relevante              „Das Forschungsprojekt ‚Public Value(s)
                                                 Anspruchsgruppen, die den Institutionen       von Wiener Kulturbetrieben‘ untersucht
                                                 die Legitimationsgrundlage sichern oder       im Rahmen einer Medienanalyse genau
    Monika Knassmüller ist Wissen-               entziehen“, erklärt Monika Knassmüller,       diese unterschiedlichen Wahrneh-
    schafterin am WU-Institut für                Wissenschafterin am WU-Institut für           mungen in Bezug auf den PV der öster-
    Public Management.                           Public Management and Governance.             reichischen Bundesmuseen.“

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                                                            Elfie Miklautz ist ao. Univ.-Prof.
                                                            am WU-Institut für Soziologie und
                                                            empirische Sozialforschung.

                                                                       „AkteurInnen gewisser Sparten der Kreativ-
                                                                        wirtschaft sind am Beginn ihrer Laufbahn
                                                                       davon überzeugt, es der Sache und nicht des
                                                                                 Geldes wegen zu machen.“
                                                                                           Elfie Miklautz

„Durch den gesellschaftlichen Wert der
Kunst sind Breite und Vielfalt in einem
relativ kleinen Markt möglich, was sich
  auf die Lebensqualität auswirkt.“
              Andreas Resch

                        Andreas Resch ist ao. Univ.-Prof.
                         am WU-Institut für Wirtschafts-
                                 und Sozialgeschichte.

                                                                                                                     7
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                         Christian Schober ist Leiter des
                         WU-Kompetenzzentrums für
                         Non-Profit-Organisationen.

    „Das Ziel ist weg von der Leistungsmes-
    sung und hin zur Wirkungsmessung zu
    kommen. Wir wollen also feststellen, was
         Engagement der Gesellschaft
              tatsächlich bringt.“
                 Christian Schober

                                                                     „Das kulturelle Erbe wird bereits gut ver-
                                                                     marktet. Einen Aufholbedarf gibt es bei
                                                                            der zeitgenössischen Kunst.“
                                                                                     Thomas Reutterer
                                                                                                                  FOTOS: NATHAN MURRELL

                                                       Thomas Reutterer ist Univ.-Prof.
                                                       am WU-Institut für Service
                                                       Marketing and Tourism.

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C OV E RSTO RY

                                               Möglichkeit, als Land zu punkten und das Image als
Wirtschaftliche                                Kunst- und Kulturnation zu stärken. Das WU-Kom-
Folgen für Künstler­                           petenzzentrum für Non-Profit-Organisationen unter
Innen infolge der                               der Leitung von Christian Schober steht am Beginn
                                                eines Forschungsprojekts über die Wirkungen der
Covid-19-Pandemie                              Auslandskulturaktivitäten des BMEIA. Damit soll der
Das Wirtschaftsministerium arbeitet             gesellschaftliche Mehrwert von Kulturveranstal-
an einem Härtefonds für freischaffende         tungen mit Österreich-Bezug im Ausland und
KünstlerInnen. Dabei soll es Bargeld auf        entsprechend geförderter Teilnahme von österreichi-
die Hand geben, das nicht zurückgezahlt
                                                schen KünstlerInnen untersucht werden. „Das Ziel ist
werden muss. „Es ist eine Unterstützung
                                                es, weg von der Leistungsmessung – zum Beispiel wie
vom Staat, um das Überleben zu sichern.
So einen Härtefonds hat es bereits 2008        viele Veranstaltungen durchgeführt wurden – und hin
gegeben, nach diesem Muster wollen wir         zur Wirkungsmessung zu kommen. Wir wollen also
nun vorgehen“, erklärt Margarete Schram-       feststellen, was dieses Engagement der Gesellschaft
böck, Bundesministerin für Digitalisierung     tatsächlich bringt“, erklärt Schober die Idee dahinter.
und Wirtschaftsstandort und WU-Alumna.         „Die Förderung des Kulturtourismus könnte zum
Die Hilfe sei für jene gedacht, bei denen      Beispiel ein Indikator sein: Wenn in Moskau anläss-
Garantien und Kurzarbeit nicht greifen.
                                               lich des Jubiläums ‚150 Jahre Wiener Staatsoper‘
Der Chef des Wirtschaftsforschungs-
instituts, WU-Professor Christoph Badelt,
                                               Aktivitäten gesetzt werden, dann könnte dies Kultur-
rät zu Steuerstundungen, Stundung von          touristInnen zu einer Reise nach Wien animieren.“
Beiträgen zur Sozialversicherung und gege-     Die zuvor angesprochene Lebensqualität wird als Teil
benenfalls Subventionen. Problemgruppen         des gesellschaftlichen Mehrwerts ebenfalls in die
sollten identifiziert und Maßnahmen dafür      Studie einbezogen werden.
individuell beschlossen werden.
Eine Anlaufstelle für Kunstschaffende
                                                Chance für Wien durch zeitgenössische Kunst
ist nicht nur in Krisenzeiten der Künstler-
                                                Kultur hat bekanntlich einen sehr hohen Stellenwert
Sozialversicherungsfonds (KSVF). Er leistet
Zuschüsse zu den Sozialversicherungs-           für den Tourismus in Wien. Dabei muss unter-
beiträgen der Selbständigen und kann in         schieden werden, ob das kulturelle Erbe oder die
besonderen Notfällen Beihilfen zahlen. So       Gegenwartskunst gemeint ist. „Das kulturelle Erbe
kann der KSVF KünstlerInnen mit Haupt-         wird bereits gut vermarktet. Aufholbedarf gibt es bei
wohnsitz in Österreich mit bis zu 5000 Euro     der zeitgenössischen Kunst“, sagt Thomas Reutterer,
unterstützen; als Einmalzahlung oder in
                                                Professor am WU-Institut für Service Marketing and
Ausnahmefällen auch als wiederkehrende
                                               Tourism. Seiner Meinung nach wäre eine neue Stra-
Geldleistung.
Dass es um das Einkommen eines Groß-            tegie, den Tourismus von den ausgetretenen Pfaden
teils der Kunstschaffenden in Österreich        auch auf Nebenschauplätze in hippere Bezirke zu
generell alles andere als gut bestellt ist,    verlagern, wünschenswert. Hier würde die Förderung
zeigt die 2018 veröffentlichte Studie           einer lebhaften Kleinkunst- und Kulturszene dazu
„Soziale Lage der Kunstschaffenden und          beitragen, neue Zielgruppen anzusprechen, noch
Kunst- und KulturvermittlerInnen in Öster-      einmal qualitativ zu wachsen und gleichzeitig das
reich“. Ihr Einkommen ist für einen Großteil
                                                Problem des Overtourism zu bekämpfen. Natürlich
der Kunstschaffenden unregelmäßig,
schwer planbar und von eher geringer
                                                besteht in der Vermarktung einer Topdestination wie
Höhe. Die Hälfte der RespondentInnen           Wien auch immer das Risiko, am Kitsch anzustreifen.
nennt ein Einkommen aus ihrer künstleri-       „Wien hat das bisher trotz allem gut gemacht“, meint
schen Tätigkeit von unter 5000 Euro netto       Reutterer. „Kitsch gibt es in anderen Städten auch,
pro Jahr. Es sind vor allem LiteratInnen        das ist ein weltweites Phänomen und tritt überall dort
und bildende KünstlerInnen, die zu hohen        auf, wo viel gereist wird.“
Anteilen in diesem niedrigen Einkom-
                                               Vor 10 bis 15 Jahren wurden Museen noch als
menssegment zu finden sind, während
                                               verstaubt empfunden. Heute gelten sie mit ihren
Filmschaffende mit rund 10.000 Euro die
vergleichsweise höchsten Einkommen              Originalen, die eine bestimmte Aura verbreiten,
angeben.                                       wieder als zeitgemäß. „Museen wurden durch neue
                                                Medien nicht wegrationalisiert, im Gegenteil, sie

                                                                                                         9
Kunst und Wirtschaft - Das Magazin - Wirtschaftsuniversität Wien
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                                                                                 2018 wurden weltweit
     haben irrsinnig dazugewonnen“, erklärt Andreas

                                                                                 67,4
     Resch. „Die Wiener Museen haben das sehr geschickt
     gemacht. Sie zählen zwar nicht zu den meistbe-
     suchten Museen der Welt wie der Louvre in Paris,
     aber Blockbuster-Ausstellungen haben zum Beispiel

                                                                                 MiIliarden �
     das KHM, Belvedere oder die Albertina zeitweise
     auch quantitativ an die Weltspitze gehievt.“ Aus
     Tourismussicht wäre es laut Thomas Reutterer sinn-                          im Kunstmarkt umgesetzt, davon
     voll, verstärkt auf Kombinationsangebote zu setzen                          29,1 Milliarden in Auktionen.
     und diese dann über Social-Media-Kanäle und
     Onlinemarketing zu bewerben. Dass heimische
     Kunstwerke international gefragt sind, bewies erst       emotionale Bindung zum Kunstwerk haben. Das
     kürzlich die Ausstellung „Making Marvels“ im             Geschäftsmodell eines Auktionshauses sieht vor, dass
     Metropolitan Museum of Art, New York, in der             das Honorar ausschließlich erfolgsbezogen ausbezahlt
     Objekte aus bekannten österreichischen Sammlungen        wird. La Garde klärt auf: „VerkäuferInnen bezahlen
     dem amerikanischen Publikum präsentiert wurden.          eine geringe Provision nur bei positiver Abwicklung
     (Ein Interview mit dem Direktor des Metropolitan         des Verkaufs. Zuvor wird mit den EinbringerInnen ein
     Museum of Art, WU-Alumnus Max Hollein, finden            Limit festgelegt, unter dem das Objekt nicht verkauft
     Sie auf den Seiten 22 und 23.)                           werden darf. Für die Käuferin bzw. den Käufer fällt
                                                              zusätzlich zum Zuschlagspreis eine Provision in Höhe
     Auktionshäuser sind Cash Cows                            von 28 Prozent an.“ Das Auktionshaus im Kinsky
     Erworben werden Kunstwerke auch bei Versteige-           konzentriert sich auf den lokalen Markt Österreich,
     rungen, wie sie zum Beispiel fünfmal jährlich im         im Gegensatz zu Sotheby’s, Christie’s und Phillips.
     Auktionshaus im Kinsky stattfinden. Nach dem Dorot-      Diese sind weltweit präsent und generieren Milliar-
     heum ist das Kinsky das zweitgrößte Auktionshaus in      denumsätze. VerkäuferInnen von sehr wertvollen
     Österreich. Es hat sich auf zeitgenössische und heimi-   Objekten tendieren zu diesen bekannten internatio-
     sche Kunst spezialisiert. „Unsere Kunden sind sowohl     nalen Auktionshäusern, weil dort bei Auktionen
     Private, Unternehmen, institutionelle Sammlungen,        höhere Verkaufspreise erzielt werden können. La
     Stiftungen als auch Museen“, bestätigt der               Garde: „Bei Top-Ware und hier ist gemeint ab 10
     WU-Alumnus Christoph la Garde, geschäftsführender        Millionen US-Dollar aufwärts, teilen sich die drei
     Gesellschafter des Auktionshauses im Kinsky. Verkäu-     großen Auktionshäuser den Markt.“ 2018 wurden
     ferInnen sind SammlerInnen und vor allem ErbInnen,       weltweit 67,4 Milliarden US-Dollar im Kunstmarkt
     die im Gegensatz zu den ErwerberInnen keine              umgesetzt, davon 29,1 Milliarden in Auktionen.     l

                                                  Special Workshop „Leadership Orchester“
                                                  an der WU Executive Academy
                                                  Im von der WU Executive Academy            Feedback und der Dirigent Lorenz Huber
                                                  veranstalteten Special Workshop „Leader-   übersetzt dies in die Führungsrolle“,
                                                  ship Orchester“ erleben ManagerInnen       erklärt Helga Pattart-Drexler, Head of
                                                                                                                                          FOTOS: NATHAN MURRELL; BEIGESTELLT

                                                  einen Perspektivenwechsel. Sie treffen     Executive Education der WU Executive
                                                  als DirigentInnen auf ein Orchester, das   Academy. „ManagerInnen merken durch
                                                  die MitarbeiterInnen symbolisieren soll.   das Dirigieren sofort, wenn sie zu präsent
                                                  Nach einer Einführung in die Kunst des     sind und den MitarbeiterInnen keinen
                                                  Dirigierens studieren die Führungskräfte   Freiraum lassen. Oder wenn sie sich nur
                                                  mit professionellen MusikerInnen ihre      einem Teil der Belegschaft widmen, dann
                                                  Interpretation eines Musikstücks ein.      verstummt der Rest.“ Der Special Work-
                                                  In Folge können die ManagerInnen ihr       shop „Leadership Orchester“ wird stets
     Helga Pattert-Drexler ist Head               eigenes sowie fremdes Führungsver-         individuell an die jeweiligen Herausfor-
     of Executive Education der                   halten beobachten und analysieren.         derungen, vor denen die Führungskräfte
     WU Executive Academy.                        „Die MusikerInnen geben unmittelbar        stehen, angepasst.

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C OV E RSTO RY

                                                      Andrea Grisold ist ao. Univ.-Prof.
                                                      am WU-Institut für Heterodoxe
                                                      Ökonomie.

                                                                   „Es gibt viele Leute, die diesen Beruf, für den
                                                                    sie ‚brennen‘, zwar als ihren Haupterwerb
                                                                   sehen, aber eine Nebenbeschäftigung benö-
                                                                   tigen, um sich ihr Leben leisten zu können.“
                                                                                       Andrea Grisold

„Das Auktionshaus erhält nur im Falle des
erfolgreichen Verkaufs eine Provision, die
sich aus dem Aufgeld für KäuferInnen und
 einer VerkäuferInnenprovision zusam-
 mensetzt. Mit den VerkäuferInnen wird
  ein Mindestverkaufspreis vereinbart.“
              Christoph La Garde

                           Christoph La Garde ist ge-
                           schäftsführender Gesellschafter
                           des Auktionshauses im Kinsky.

                                                                                                                     11
KU N ST U N D M AN AG E M E N T

     Kreativität erfolgreich steuern
     Kunst und Wirtschaft brauchen Kreativität, um innovativ und somit erfolgreich
     zu sein. Diese zu managen, kann in beiden Bereichen eine Herausforderung sein.

     E
                  s sind zwei Welten, die für manche
                  unvereinbar erscheinen: Die einen
                  sehen sie als kreativ, freiheitsliebend,
                  ungestüm und exzentrisch, die anderen
                  hingegen als kontrolliert, seriös und
     begrenzt. Wo Kunst und Wirtschaft aufeinander-
     treffen, kann es mitunter Spannungen geben. Unter-
     nehmen sowie UnternehmerInnen treten häufig als
     Mäzene auf, gleichzeitig fließen Steuergelder, deren
     Aufkommen wiederum von der Wirtschaftsleistung
     abhängt, in die Kunstförderung.

      Schnittstellenmanagement
     „Faktum ist, dass KünstlerInnen, Kunst- und Kultur-
      betriebe an der Schnittstelle zwischen gesellschaftli-
      chem Subsystem und Erwartung stehen“, sagt dazu
     Wolfgang Mayrhofer vom Interdisziplinären Institut
     für verhaltenswissenschaftlich orientiertes Manage-
     ment der WU. Ihnen würden zum einen Öffentlich-
     keit und Medien, zum anderen die Politik gegen-
     überstehen. Und eben auch die Wirtschaft spiele seit
     Jahren immer stärker mit – sei es in Hinblick auf das
     wirtschaftliche Handeln, sei es in Hinblick auf Spon-     Wolfgang Mayrhofer ist Univ. Prof. am Interdisziplinären Institut für
                                                               verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management der WU.
      soring. „Kunst und KünstlerInnen gut zu managen
     ist in diesem Spannungsfeld eine Herausforderung“,
     weiß Mayrhofer. Während die Kunst der Logik der
     Ästhetik folge, würde die Wirtschaft jener der Zahlen                          außen gut darstellt. Eine weitere hilfreiche Eigen-
     und die Politik jener der Macht folgen. „Lange Jahre                           schaft sei Empathie. „KünstlerInnen identifizieren
     war man im Interesse der Kunst großzügig. Aber                                 sich oft sehr stark mit ihrem Schaffen. Das macht es
     jetzt werden Transparenz, Wirtschaftlichkeit auch da                           nicht leicht, Kritik und Niederlagen einzustecken, da
     immer wichtiger“, sagt der Experte. Kunst könne sich                           diese oft als Angriff auf die eigene Person empfunden
      daher nicht mehr automatisch und unhinterfragt                                werden“, meint Isabella Grabner, Professorin am
     über wirtschaftliche Grenzen hinwegsetzen. Für                                 WU-Institut für Unternehmensführung. Das
     KunstmanagerInnen bedeute das, dass sie Bürger-                                Management müsste also in der Lage sein, damit
     Innen mehrerer Welten sein müssen. Sie müssten                                 umzugehen und auch seine KlientInnen bzw. die von
      sich in den unterschiedlichen Systemen zurecht-
     finden und deren Sprachen sprechen. „In einem
     Kunstbetrieb kann man nicht so agieren wie in einem
     Produktionsunternehmen“, sagt Mayrhofer. Zuneh-                                 „Während die Kunst der Logik der Ästhetik folgt,
     mend wichtiger werde auch, dass das Management                                    folgt die Wirtschaft jener der Zahlen und die
     in Beziehung zur Öffentlichkeit tritt und den Kunst-
                                                                                                  Politik jener der Macht.“
      betrieb beziehungsweise Kunstschaffende nach                                                        Wolfgang Mayrhofer

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KU NST U N D M AN AG E M E N T

                        ihm betreuten KünstlerInnen dazu bringen, weniger                    „KünstlerInnen identifizieren sich oft sehr stark
                        gelungene Projekte zu akzeptieren und hinter sich zu                  mit ihrem Schaffen. Das macht es nicht leicht,
                        lassen.                                                                   Kritik und Niederlagen einzustecken.“
                                                                                                                  Isabella Grabner
                        Kreativität als Wettbewerbsfaktor
                        Aber nicht nur KünstlerInnen und Kunstbetriebe
                        leben von Kreativität, das Gleiche gilt für Unter-
                        nehmen. Denn Kreativität ist ein wesentlicher Wett-
                        bewerbsfaktor. Kreativ zu sein bedeutet, neue Ideen
                        hervorzubringen, die nützlich für ein Unternehmen
                        sind. Solche Ideen können ebenso die Weiterentwick-
                        lung bestehender Produkte und Produktionstechno-
                        logien betreffen wie auch die radikale Entwicklung
                        ganz neuer Produkte für neue KundInnensegmente.
                        Dementsprechend kommt der Förderung von Kreati-
                        vität, die lange und vielfach als nicht aktiv steuerbar
                        galt, immer mehr Bedeutung zu. Der Spagat, den es
                        dabei zu bewältigen gilt, lautet: MitarbeiterInnen zur
                        Entfaltung ihres kreativen Potenzials zu ermutigen
                        und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Organisa-
                        tion die MitarbeiterInnen und ihre Ideen „unter
                        Aufsicht“ hat. Eine große Hürde dabei ist Unsicher-
                        heit: „Kreativarbeit ist hochkomplex und ungewiss
                        und daher ist es für ManagerInnen äußerst schwierig,
                        während des Kreativprozesses zu erkennen, ob die
                        Richtung stimmt oder ob steuernd eingegriffen
                        werden sollte“, sagt Grabner.

                        Unterschiedliche Motivationen
                        Daneben gibt es eine zweite Eigenheit von Kreativ-
                        arbeit: Ihr Erfolg hängt maßgeblich davon ab, dass
                        sich KreativarbeiterInnen für ihre Aufgabe begeis-        Isabella Grabner ist Univ. Prof. für Strategy and Management
                                                                                  Accounting am WU-Institut für Unternehmensführung.
                        tern, weit mehr als das in anderen Arbeitsbereichen
                        gemeinhin der Fall ist. „Nur ein außergewöhnlich
                        hohes Maß an intrinsischer Motivation verschafft
                        den Antrieb, trotz Fehlschlägen, Frustration und
                        extremer Ungewissheit immer wieder neue Anläufe
                        zu unternehmen, alles wieder in Frage zu stellen und
                        noch einmal von vorne zu beginnen“, ist Grabner
                        überzeugt. Doch auch intrinsische Motivation erfor-
                        dere Koordination und Steuerung in Unternehmen,
                        weil sie nicht immer einer Motivation im Sinne der
                        Unternehmensziele gleichkomme. Extrinsische Moti-                Intrinsische und extrinsische
                        vation und Controlling mache sie nur scheinbar
                        überflüssig. Speziell KreativarbeiterInnen seien von
                                                                                         Motivation
FOTOS: NATHAN MURRELL

                        ihren Projekten häufig so begeistert, dass sie ihre              Intrinsische Motivation für ein Verhalten stammt aus dem Erleben
                        ganze Energie und ihr ExpertInnenwissen dafür                    des Verhaltens selbst. Damit ein Verhalten bei einer Person
                                                                                         intrinsisch motiviert ist, muss es bei dieser Person auf sich
                        einsetzen, für ihre Projekte zu lobbyieren, anstatt
                                                                                         selbst motivierend wirken. Im Gegensatz dazu wird Motivation
                        diese im Sinne der Unternehmensziele auf ihren                   mit zusätzlichen Anreizen von außen als extrinsische Motivation
                        Nutzen hin realistisch zu bewerten und gegebenen-                bezeichnet.
                        falls rechtzeitig abzubrechen.                     l

                                                                                                                                                            13
KU N ST U N D LO G I ST I K

     Logistik animiert Wissenschaft
     und Kunst zum Dialog
     Wissenschaft und Kunst verbindet mehr, als man auf den ersten
     Blick erwarten würde. Sebastian Kummer, Vorstand des WU-In-
     stituts für Transportwirtschaft und Logistik, führt zurzeit mit
     dem kroatischen Maler Ivica Capan ein interdisziplinäres For-
                                                                                                                    Sebastian Kummer
     schungsprojekt durch. Das Ergebnis könnte die Sichtweise auf                                                   ist Vorstand des
                                                                                                                    WU-Instituts für
     den Verkehr in Städten ändern.                                                                                 Transportwirtschaft
                                                                                                                    und Logistik.

     Z
             eiten des Umbruchs faszinierten Künstler-
             Innen schon immer. Anhand eines Werks des
             französischen Impressionisten Camille
     Pissarro, der sich in einem Gemälde mit Pariser Stra-
     ßenszenen am Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigt
     hat, erklärt Sebastian Kummer seine Sicht: „Der Stra-
     ßenverkehr war noch weitestgehend durch Pferde-
     fuhrwerke bestimmt. Aber bereits 14 Jahre später
     malte Albert Marquet die modernen Verkehrsmittel
     Auto und Eisenbahn.“ Der Verkehrsexperte erzählt,
     dass Logistik und Transportwesen früher in der
     darstellenden Kunst häufiger vorgekommen seien.
     Kummer: „Die Dampflokomotive war einst für
     KünstlerInnen eine Inspiration. Weil sich heute die
     Menschen an Verkehrsmittel wie zum Beispiel das
     Flugzeug gewöhnt haben, setzen sich allerdings nur
     mehr ganz wenige Kunstschaffende mit dem Thema
     auseinander.“ Im Moment befindet sich die Zivilisa-
     tion im Umbruch zur vierten industriellen Revolu-
     tion, deren gesellschaftliche Auswirkungen von der
     Wissenschaft umfangreich analysiert werden. Nun
     beschäftigt sich ergänzend dazu Ivica Capan in einem
     Auftragswerk des Instituts für Transportwirtschaft
     und Logistik mit aktuellen Forschungsthemen wie
     kooperative Logistik oder barrierefreie Mobilität in
     der Stadt.

     Logistik im Bild festgehalten                                                 Weite und Enge der Stadt soll sichtbar gemacht
     In einem ersten Schritt hat Capan Skizzen erstellt,                           werden. Um die Verständlichkeit zu erhöhen, wird
     auf denen die Herausforderung der Logistik auf                                das Kunstwerk gegenständlich ausgeführt. Im Mittel-
     knappem Raum in urbanen Gebieten dargestellt wird.                            punkt steht eine Stadtszene, die Chancen und Risiken
                                                                                                                                           FOTOS: NATHAN MURRELL

     „Die Frage stellt sich, wie in Zukunft die Logistik auf                       des Transportwesens aufzeigt.
     die städtischen Gegebenheiten reagieren wird“,                                Das Institut für Transportwirtschaft wird das fertig-
     erklärt Kummer. „Das Gemälde kann hier vielleicht                             gestellte Kunstwerk in den Unterricht integrieren.
     helfen, Logistik in die Schönheit der alten Stadt zu                          Erhoffter Nebeneffekt: Studierende sollen dafür
     integrieren und mit künstlerischen Mitteln aufzeigen,                         gewonnen werden, sich neben Wirtschaft auch mit
     wo Vorsicht geboten ist.“ Die Bewegung im Raum, die                           Kunst intensiver auseinanderzusetzen.             l

14
L E K T Ü RE T I PPS

                     Kunst und Kreativität im Fokus
                     Wie gehen ControllerInnen mit Kreativität um? Mit welchen Problemen
                     kämpfen türkische MusikveranstalterInnen in Wien? Und in welchem
                     Spannungsfeld ist der Begriff „Neugier“ heute inhärent? Diesen Themen
                     haben sich verschiedene ForscherInnen an der WU gewidmet.

                                                              Kreativität managen
                                                              Nicht nur in der Kunst und der Kreativwirtschaft ist Kreativität ein wesentlicher
                                                              Erfolgs- und Wettbewerbsfaktor. Gleiches gilt für jedes andere Unternehmen auch,
                                                              müssen doch Produkte und Produkttechnologien (weiter-)entwickelt, Märkte und
                                                              KundInnen angesprochen werden und vieles mehr. Allerdings gilt Kreativität als
                                                              schwer steuerbar, sie braucht Autonomie und Freiheit. Arbeitsabläufe mit hohem
                                                              Kreativitätsbedarf stellen ControllerInnen daher vor besondere Herausforderungen.
                                                              In ihrem Beitrag haben die beiden AutorInnen, aufbauend auf den Ergebnissen
                                                              einer Studie, erläutert, worin nun die besonderen Herausforderungen für das
                                                              Controlling von Arbeitsabläufen mit hohem Kreativitätsbedarf bestehen und wie
                                                              Unternehmen die Kreativitätsleistung ihrer MitarbeiterInnen aktiv steuern können.
                                                              Grabner, Isabella, Speckbacher, Gerhard. 2018. Kreativität managen. Controlling &
                                                              Management Review (früher: Zeitschrift für Controlling und Management ZfCM).
                                                              62 (6), 38-41.

                     Wiener Kreativwirtschaft                                                          Neugier: mehr zeigen
                     Vom Zugang zum Arbeitsmarkt über die Generierung                                  Die Diskussion um die Neubestimmung des
                     von Kapital bis zur Bürokratie: Wie es um die ökonomi-                            Verhältnisses von Wissenschaft und Kunst haben
                     schen, sozialen und kulturellen Herausforderungen und                             Elfie Miklautz, Professorin am Institut für Soziologie
                     Potenziale der MusikveranstalterInnen mit türkischem                              und Empirische Sozialforschung der WU, und
                     Migrationshintergrund in Wien steht, haben Marta                                  Wilhelm Berger, Professor
                     Clerici, Theresa Deutschmann und Daina Krest im                                   am Institut für Technik- und
                     Rahmen des Masterstudiums der Sozioökonomie unter                                 Wirtschaftsforschung an
                     der Leitung von Elfie Miklautz (Professorin am WU-­                               der Alpen-Adria-Universität
                     Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung)                           Klagenfurt, zur Herausgabe
                     und Andrea Grisold (Professorin am WU-Institut für                                dieses Buchs bewogen.
                     Heterodoxe Ökonomie) beleuchtet. Dafür haben sie                                  Der Fokus darin liegt auf
                     zum einen auf die Ansätze des ethischen, zum anderen                              konkreten Arbeitsprozessen
                     des transnationalen Unternehmertums zurückgegriffen.                              und deren Parallelen und
                     Demnach konnten zwar einige eindeutige Herausfor-                                 Differenzen in Kunst und
                     derungen sowie Potenziale für MusikveranstalterInnen                              Wissenschaft. Dabei ist der
                     mit Migrationshintergrund eruiert werden. Die meisten                             Blick stets auf die Neugier
                     Herausforderungen bzw. Potenziale jedoch lassen sich                              gerichtet, die immerhin eine
                     nicht unzweifelhaft der einen oder anderen Kategorie                              der wichtigsten Triebfedern
                     zuordnen, ihre Kategorisierung hängt vielmehr von                                 beider ist.
                     Ausprägung und subjektiver Wahrnehmung ab.                                        Miklautz, Elfie, Berger, Wilhelm, Hrsg. 2017. Neugier:
                     Grisold, Andrea, Miklautz, Elfie, Mikl-Horke, Gertraude,                          mehr zeigen. Mit Beiträgen von Wilhelm Berger,
FOTOS: BEIGESTELLT

                     Resch, Andreas, Hrsg. 2018. MusikveranstalterInnen mit                            Elke Bippus, Bazon Brock, Florian Dombois, Adreis
                     türkischem Migrationshintergrund in der Wiener Kreativ-                           Echzehn, Pasquale Gagliardi, Julian Klein, Eva
                     wirtschaft. Schriftenreihe des Forschungsbereichs Wirt-                           Meyer, Elfie Miklautz, Michaela Ott, Hans-Jörg
                     schaft und Kultur Bd. 20. Wien: WU Vienna University of                           Rheinberger, Andrea Roedig. Paderborn: Wilhelm
                     Economics and Business.                                                           Fink Verlag.

                                                                                                                                                                15
M AST E R P ROGR A M M FI N AN Z W I RTS C H AF T U N D RE C H N U N G S W ES E N

     Vielfältiges
     Masterstudium
     Für die AbsolventInnen des Master-
     programms Finanzwirtschaft und
     Rechnungswesen eröffnen sich ver-
     schiedenste Betätigungsfelder: vom
     Banking über Wirtschaftsprüfung
     bis hin zur Unternehmensberatung.

     D
                ie Bereiche Finance und Accounting sind       anderem anhand der Hypo-Alpe-Adria-Bilanz bildhaft       Nach einer
                eng miteinander verbunden. Die WU posi-       demonstriert, wie man Probleme identifiziert. Gene-      Banklehre in
                                                                                                                       Linz kam Jakob
                tioniert sich in diesem Bereich mit dem       rell lobt Katzmayr die Expertise der Vortragenden        Katzmayr zum
     Vollzeit-Masterstudium „Finanzwirtschaft und Rech-       über alle Themenbereiche hinweg.                         WU-Studium
     nungswesen“. Einer der Studierenden ist Jakob Katz-                                                               nach Wien.
     mayr. Der 26-jährige Oberösterreicher entschied sich     Direktes Umsetzen im Job
     bereits im Alter von 15 Jahren für eine Lehre bei        Bereits vor Beginn seines Studiums arbeitete Katzmayr
     einer Bank. Danach machte er die Berufsreifeprüfung      Vollzeit im Banking. Zuvor im Wertpapierbereich,
     in Linz und ging nach Wien, um an der WU ein             mittlerweile im Risikomanagement. Obwohl das
     Bachelorstudium in Betriebswirtschaft zu absol-          Masterprogramm ein Vollzeitstudium ist, macht eine
     vieren. „Ich wollte im Banking-Bereich bleiben, aber     Teilzeitbeschäftigung in der angestrebten Branche
     mehr in Richtung Risikomanagement gehen –                Sinn. „Im ersten Semester sollte man nicht mehr als 10
     deshalb entschied ich mich für das Masterstudium         bis 15 Stunden pro Woche arbeiten“, lautet Katzmayrs
     Finanzwirtschaft und Rechnungswesen“, sagt Katz-         Rat. „Ab dem dritten Semester kann man auf 20 bis 25
     mayr. Nachdem das Bakkalaureat eher allgemein            Stunden erhöhen. Das ist machbar.“ Der große Vorteil:
     ausgelegt war, erwartete er sich vom Masterstudium       das Gelernte kann direkt im Beruf angewandt werden,
     einen spezifischeren Zugang und wurde nicht              meint Jakob Katzmayr, der sich in seiner Masterarbeit
     enttäuscht. „In vielen Bereichen geht es wirklich sehr   dem Thema „Smart ETFs“ (Exchange Traded Funds)
     tief in die Materie; zum Beispiel, wenn verschiedene     widmet.                                            l
     Berechnungsarten im Accounting behandelt werden.
     Hier wurde ich sehr positiv überrascht“, sagt der
     Masterstudent, der sich aktuell im zweiten Studien-
     abschnitt befindet.
                                                                     Masterprogramm Finanzwirt-
     Individuelle Schwerpunkte                                       schaft und Rechnungswesen
     In dem Masterprogramm stehen elf Spezialisierungs-              Dauer: Vier Semester (120 ECTS)
     fächer zur Auswahl. Dadurch können sich die Studie-             Abschluss: akademischer Grad Master of Science (WU),
     renden auf ihre individuellen Interessen fokussieren.           abgekürzt MSc (WU)
                                                                                                                                        FOTOS: NATHAN MURRELL

     Katzmayr entschied sich für Banking, Corporate                  Art des Studiums: Vollzeit
                                                                     Sprache: Deutsch
     Finance und betriebswirtschaftliche Steuerlehre. „Von
                                                                     Studienplätze: 150
     der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre habe ich               Bewerbung: wu.at/fire
     persönlich am meisten profitiert. Aber auch Banking             Nächste Bewerbungsdeadline deutschsprachige Programme:
     brachte mir einen wichtigen Einblick in die Entwick-            31. Mai 2020
     lung eines Kreditrisikomodells.“ Hier wurde unter

16
WU Master’s Day

Mittwoch, 15. April 2020, 9:30–16:30 Uhr
Online unter: wu.at/mastersday
        Informieren Sie sich am virtuellen WU Master’s Day über die
        15 deutsch- und englischsprachigen Masterprogramme der WU!

7 DEUTSCHSPRACHIGE PROGRAMME
 9:30   Uhr   Steuern und Rechnungslegung
 9:55   Uhr   Finanzwirtschaft und Rechnungswesen
10:20   Uhr   Sozioökonomie
10:45   Uhr   Wirtschaftsrecht
11:10   Uhr   Export- und Internationalisierungsmanagement
11:35   Uhr   Management
12:00   Uhr   Wirtschaftspädagogik
STUDIENZULASSUNG
12:25 Uhr     Wie bewerbe ich mich an der WU?
8 ENGLISCHSPRACHIGE PROGRAMME
12:50   Uhr   Economics
13:15   Uhr   Supply Chain Management
13:40   Uhr   Socio-Ecological Economics and Policy
14:05   Uhr   Quantitative Finance
14:30   Uhr   Strategy, Innovation, and Management Control               Erfahren
14:55   Uhr   Marketing                                               Sie mehr unter
15:20   Uhr   Digital Economy
15:45   Uhr   International Management/CEMS                              wu.at/
                                                                       mastersday
Nächste Bewerbungsdeadline
Deutschsprachige Programme: 31. Mai 2020
FOR S C H E R D ES M O N ATS

     Expats vor dem Exodus
     WU-Professor Alexander Mohr untersuchte die Frage, welche Folgen der Ausstieg
     des Vereinigten Königreichs aus der EU für Expats und Unternehmen in
     Großbritannien hat.

     A
                     lexander Mohr ist Professor für                              werden können. Dies wird beeinflussen, wie ausländi-
                     „Exportmanagement und Internatio-                            sche Unternehmen den britischen Markt bearbeiten.“
                     nalisierungsprozesse“ am WU-Institut                         Der WU-Professor zweifelt daran, dass es bis Ende
                     für International Business. Seine                            2020 zu einer Einigung kommen wird. „Falls doch, ist
                     Forschungen        beleuchten      unter                     es unwahrscheinlich, dass diese weit über die gene-
      anderem den Themenschwerpunkt „Internationalisie-                           rellen Regelungen der Welthandelsorganisation
     rung von Unternehmen“. In seinen letzten Studien                             hinausgehen wird.“ Dann wäre es für Unternehmen
     forschte er vor allem rund um den Brexit. Mohr                               aus der EU deutlich schwieriger und teurer, ihre
     versuchte herauszufinden, wie sich das Brexit-Votum                          Produkte nach Großbritannien zu exportieren. „Unter
      auf Expats in Großbritannien auswirkt. Viele Jahre                          Umständen müssen EU-Unternehmen dann über eine
      lebte der gebürtige Deutsche selbst in Großbritan-                          stärkere lokale Wertschöpfung in Großbritannien
     nien. „Ich beschäftige mich in meiner Forschung seit                         nachdenken“, so Mohr.
     Längerem mit Expatriates und habe schon vor dem
     Brexit-Votum im Juni 2016 eine Befragung deutscher                           Viele Fragezeichen
     WissenschaftlerInnen in Großbritannien durchge-                              Welche Auswirkungen hat der Brexit auf das Perso-
     führt“, erzählt Mohr. In dieser Befragung ging es                            nalmanagement in internationalen Unternehmen?
     insbesondere um die sozialen Netzwerke und die                               „Ausländische wie auch lokale Unternehmen in
     kulturelle Identität der WissenschaftlerInnen und den                        Großbritannien stehen vor der Herausforderung,
     Einfluss dieser beiden Merkmale auf die Absicht                               dass ArbeitnehmerInnen aus anderen EU-Ländern
      deutscher Forschenden, nach Deutschland zurückzu-                            das Land verlassen und sie diese nicht oder sehr
     kehren. Nach dem Volksentscheid befragte er diese                             schwer durch lokale ArbeitnehmerInnen oder
     Gruppe erneut und konnte eine Veränderung in den                             Personen aus dem EU-Ausland ersetzen können“,
     Einstellungen der WissenschaftlerInnen feststellen.
     Nach dem Brexit-Votum war die Absicht, nach                                        „Derzeit besteht große Unsicherheit, ob sich
     Deutschland zurückzukehren, bei vielen Befragten
                                                                                        Großbritannien und die EU auf ein Handels-
      höher. „Es zeigte sich, dass der Anstieg für diejenigen
                                                                                           abkommen einigen werden können.“
     WissenschaftlerInnen geringer war, die sich gut in die
      britische Gesellschaft integriert hatten“, meint Mohr.                                            Alexander Mohr

     „Interessanterweise war dieser Anstieg auch geringer
     für diejenigen WissenschaftlerInnen, die sich stärker                        sagt Mohr. „Das liegt daran, weil zum einen die
     mit ihrer deutschen Herkunft identifizierten.“                               Attraktivität Großbritanniens unter dem Brexit-
                                                                                  Votum stark gelitten hat, zum anderen ist es derzeit
     Handelsabkommen entscheidend                                                 auch nicht klar, ob und unter welchen Bedingungen
     Seit seiner Promotion über den Eintritt ausländischer                        EU-BürgerInnen weiterhin in Großbritannien leben
     Unternehmen in den chinesischen Markt zählen                                 und arbeiten können.“ Unternehmen in anderen
     internationale Markteintrittsstrategien, insbesondere                        EU-Ländern, die MitarbeiterInnen nach Großbritan-
     strategische Allianzen, zu Mohrs Hauptforschungs-                            nien entsenden wollen, finden es laut dem Wissen-
     gebieten. Mohr: „Derzeit besteht sowohl bei briti-                           schaftler aufgrund der derzeitigen Unsicherheit
     schen als auch bei ausländischen Unternehmen große                           schwierig, geeignete KandidatInnen hierfür zu
     Unsicherheit, ob sich Großbritannien und die EU bis                          finden. „Auf der positiven Seite ergibt sich für euro-
     Ende 2020 auf ein neues Handelsabkommen einigen                              päische Unternehmen die Möglichkeit, potenzielle

18
FORS C H E R D ES M O N ATS

                       oder tatsächliche Großbritannien-RückkehrerInnen
                                                                                                     Zur Person
                       für sich zu gewinnen“, meint der WU-Professor.
                                                                                                     Universitätsprofessor Alexander Mohr studierte
                                                                                                     Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten
                       Im Rahmen seiner Forschung an der WU arbeitet
                                                                                                     Tübingen, Edinburgh und Erlangen-Nürnberg. In
                       Mohr aktuell an zwei Themenbereichen. In Koopera-
                                                                                                     Erlangen-Nürnberg promovierte er im Jahr 2002
                       tion mit KollegInnen in Großbritannien und Israel                             zum Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissen-
FOTO: NATHAN MURRELL

                       erforscht er ‚patriotische‘ Unternehmen und analy-                            schaften. Nach Professuren an der Universität
                       siert deren Erfolg. In einem zweiten Themenbereich                            Bradford und der Universität Kent in England
                       beschäftigt er sich mit dem Effekt des ethnischen und                         kam er 2016 an die WU, wo er am Institut für
                       sozialen Hintergrunds von ManagerInnen und                                    International Business tätig ist.
                       Studierenden auf deren soziale Netzwerke und deren
                       Karriere bzw. Erfolg.                            l

                                                                                                                                                      19
1 0 0 JAH RE F O RS C H U N G

     100 Jahre Forschung
     Von Wirtschaft, Wirtschaftsrecht, Handel oder Finanzen im Allgemeinen bis zu
     Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Digitalisierung spannte sich der Bogen jener 100
     Fragen, die im Rahmen der Kampagne „100 Jahre Forschung“ beantwortet wurden.
     Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger zieht eine durchwegs positive Bilanz.

                                                                                    erfreulich sei gewesen, dass es sehr viele Fragen zu
                                                                                    den Themen Nachhaltigkeit, zukunftsfähiges Wirt-
                                                                                    schaften, aber auch Digitalisierung gab. „Das sind
                                                                                    Themen, die die Menschen sehr bewegen“, so die
                                                                                    Rektorin.

                                                                                    Öffentlich zugänglich
                                                                                    Mehr als 40.000 Menschen haben die Plattform seit
                                                                                    dem Start von 100jahreforschung.at besucht und
                                                                                    aktiv am Dialog zwischen WU und Gesellschaft teil-
                                                                                    genommen. Auf Facebook und Instagram sind
                                                                                    zusammen 1,6 Millionen Nutzerinnen und Nutzer
                                                                                    mit der Kampagne in Kontakt gekommen. „Die WU
                                                                                    ist eine verantwortungsvolle Universität, die sich
                                                                                    natürlich dazu bekennt, das von ihr erzeugte Wissen
                                                                                    der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, sagt
                                                                                    Hanappi-Egger. Das Projekt „100 Jahre Forschung“
                                                                                    habe da eben einen wichtigen Beitrag geleistet.
                                                                                    Damit er bleibend ist, werden die Inhalte der Platt-
                                                                                    form auch zukünftig online zur Verfügung stehen.
                                                                                    Abseits dieser Kampagne, mit der im Vorjahr der
                                                                                    Wandel von der k.k. Exportakademie zur Hoch-
                                                                                    schule für Welthandel im Jahr 1919 gefeiert wurde,
                                                                                    setzt die WU auf Know-how-Transfer: Sei es in Form

     W
                   ie viel müsste Österreich pro Kopf inves-    Edeltraud Ha-       einer aktiven Forschungskommunikation, der
                   tieren, um die Pariser Klimaziele zu         nappi-Egger         Wissensvermittlung in öffentlichen Vorträgen und
                                                                freut sich, dass
                   erreichen? Führt ein Geldsystem mit          viele Fragen
                                                                                    anderen Veranstaltungen oder als Stellungnahme
     Zinsen zu ewigem Wirtschaftswachstum? Sind                 zum Thema           von WU-Angehörigen zu wichtigen wirtschaftlichen
     Frauen­quoten sinnvoll, um die ungleiche Behand-           Nachhaltigkeit      Themen in den Medien. „Das alles sehe ich als einen
     lung von Frauen abzubauen? Mehr als 200 Fragen             gestellt wurden.    Beitrag, wissenschaftlich fundiertes Wissen in
     aus den unterschiedlichsten Bereichen – von allge-                             öffentliche Diskussionen einzubringen und sie
     meinen Fragestellungen zu Wirtschaft, Handel oder                              dadurch zu versachlichen“, meint Hanappi-Egger.        l
     Finanzen bis hin zu Nachhaltigkeit, Klimaschutz,
     Digitalisierung oder Brexit – haben Interessierte im
     Vorjahr im Rahmen der Kampagne „100 Jahre                         Noch Fragen?
                                                                                                                                                FOTO: KLAUS VYHNALEK

     Forschung“ den Expertinnen und Experten der WU
                                                                       Auch in Zeiten der Coronakrise stellen die WU-Wissenschaftle-
     gestellt. Die 100 interessantesten wurden ausgewählt
                                                                       rinnen und -Wissenschaftler ihre Expertise zu den Auswirkungen
     und sind gemeinsam mit den Antworten unter
                                                                       von Covid-19 auf Wirtschaft, Recht und Gesellschaft zur Verfü-
     100jahreforschung.at nachzulesen. „Die Vielfalt war               gung. Stellen Sie jetzt Ihre Fragen auf wu.at/wissen oder per Mail
     beeindruckend“, sagt dazu Rektorin Edeltraud                      an wissen@wu.ac.at. Wir geben die Antworten.
     Hanappi-Egger. Vielleicht nicht überraschend, aber

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Ausbruch aus
                  Du verlässt dich nicht gern auf
                  Algorithmen, sondern machst dir
                  lieber dein eigenes Bild?
                  Wir haben das passende Basis-

der Filterblase   material für dich: gecheckte Fakten,
                  spannende Stories, tief gehende
                  Reportagen, vielfältige Meinungen.
                  DiePresse.com/u27
W U M AN AG E R D ES JAH RES 2 0 2 0

     „Niemals ein Nein als
     Antwort gelten lassen”
     Die Karriere von WU-Alumnus Max Hollein zeigt auf beeindruckende Weise,
     wie stark Wirtschaft und Kunst verflochten sein können.

     D
                   ie Leitung des Metropolitan Museum                          rund sieben Millionen BesucherInnen im Jahr,
                    of Art in New York City (Met) bildet                       sondern sind weltweit mit zahlreichen Initiativen
                    derzeit Holleins absoluten Höhepunkt                       aktiv. Unter unseren rund 2400 MitarbeiterInnen
                    seines internationalen Erfolgsweges                        befindet sich die größte Konzentration von kunsthis-
                   und dafür gebührt ihm auch die                              torischem Wissen in den USA. Wir sind derzeit mit
     Auszeichnung „WU Manager des Jahres 2020“, mit der                        mehreren großen Bauprojekten beschäftigt – insge-
     visionäre Managementleistungen geehrt werden und                          samt wird die Institution in den nächsten zehn bis
     die ihm von seiner Alma Mater am 15. Mai verliehen                        zwölf Jahren rund eine Milliarde US-Dollar in die
     wird.                                                                     Neugestaltung von Galerieräumen investieren,
                                                                               darunter die Neupräsentation unserer Sammlungen
     Welchen Stellenwert hat für Sie die Auszeich-                             in vielen Bereichen. Die Ausweitung unserer digitalen
     nung zum „WU Manager des Jahres“?                                         Vermittlungsebenen und die klarere Definition
     Max Hollein: Es ist eine ehrenvolle Auszeichnung, die                     unserer Rolle im internationalen Kontext ist ebenfalls
     schöne Erinnerungen an meine Studienzeit wachruft.                        ein Schwerpunkt. Nebenbei entwickeln und präsen-
     Und es erfüllt mich mit Freude, mit der Wirtschafts-                      tieren wir rund 50 Ausstellungen im Jahr und sind
     universität Wien weiter so verbunden zu sein und                          fortwährend dabei, unsere zahlreichen Sammlungen
     diese Form von Anerkennung zu erfahren.                                   weiter auszubauen.

     Welche Bilanz ziehen Sie über Ihre bisherige Zeit                         Haben Sie ein Lebensmotto, das Sie stets
     als Direktor des Metropolitan Museum of Art?                              begleitet?
     Es ist zu früh, Bilanz zu ziehen. Im Grunde ziehe ich                     Es ist nicht wirklich ein Lebensmotto, aber schon von
     nie Bilanz. Ich bin seit dem Ende meiner beiden                           meiner ersten Zeit in New York habe ich gelernt:
     Studien in Wien im Museumsbereich tätig und seit 20                       „Niemals ein Nein als Antwort gelten lassen!“
     Jahren habe ich als Direktor Museen geleitet. Was ich
     insbesondere dabei erlebt habe, ist, dass bei allem                       In Ihrer Karriere leiteten Sie schon zahlreiche
     strategischen Vorgehen jeder Tag erfüllt ist mit neuen,                   große Museen. Welche Aufgabe hat Sie bisher
     interessanten Begegnungen, komplexen Projekten und                        am meisten gefordert?
     überraschenden Weichenstellungen. Museen sind                             Jede Aufgabe stellt besondere Herausforderungen. Ich
     einerseits per Definition konservative Einrichtungen                      muss zugeben, dass ich diese stets bewusst gesucht
     und andererseits neuralgische kulturelle Zentren                          habe. Mich haben nie die Institutionen interessiert,
     inmitten eines sich fortwährend wandelnden                                wo alles vermeintlich bestens läuft, sondern vielmehr
     Verständnisses ihrer Vermittlungsrolle in und für die                     wollte ich dort sein, wo man etwas fortentwickeln,
     Gesellschaft.                                                             gestalten, verändern kann. Das ist im Museumsbe-
                                                                               reich nicht selbstverständlich. Die größte Herausfor-
     Vor welchen Aufgaben steht das Met gegen-
     wärtig?                                                          „Mich haben nie die Institutionen interessiert, wo alles
     Das Metropolitan Museum of Art ist eines der großen
                                                                 vermeintlich bestens läuft, sondern vielmehr wollte ich dort sein,
     enzyklopädischen Museen der Welt. Im Grunde ist
                                                                    wo man etwas fortentwickeln, gestalten, verändern kann.“
     diese Institution Museum, Universität und kulturelles
     Außenministerium in einem. Wir haben nicht nur                                           Max Hollein

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