KVJS Aktuell - Wohnberatern eine Plattform geben
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KVJS Aktuell 03/21 Soziales Wohnberatern eine Plattform geben Seite 14 KVJS Integration Jugend Erster Erfolg gegen Bisher keine Mit der Politik auf Fachkräftemangel Kündigungswelle Augenhöhe Seite 8 Seite 20 Seite 26
Impressum KVJS aktuell Juli 2021 Herausgeber: Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg Öffentlichkeitsarbeit Lindenspürstraße 39 70176 Stuttgart www.kvjs.de Verantwortlich: Kristina Reisinger Redaktion: Monika Kleusch Titelfoto: Monika Kleusch Layout: www.mees-zacke.de Bestellungen und Adressänderungen: Telefon 0711 6375-208 publikationen@kvjs.de Druck: Texdat-Service gGmbH, Weinheim Redaktioneller Hinweis: Wir bitten um Verständnis, dass aus Gründen der Lesbarkeit auf eine durch- gängige Nennung der weiblichen und männlichen Bezeichnungen verzichtet wird. Selbstverständlich beziehen sich die Texte in gleicher Weise auf Frauen, Männer und Diverse. 2 KVJS Aktuell 3/2021
KVJS Inhalt KVJS 4 Mehr Chancen? Neue Perspektiven - die Tagung der Sozialdezernenten 5 KVJS weiterhin schuldenfrei 6 Immer mehr Mütter und Väter in Elternzeit verlieren Job 8 Erster Erfolg im Einsatz gegen Fachkräftemangel HABILA 9 Es wird noch bunter 10 Mit Lotsen das Quartier erkunden 12 Viel mehr als eine Radgarage SOZIALES 14 Wohnberatern eine Plattform geben 16 Neuland in der fünften Bauphase 17 Reform des Betreuungsrechts INTEGRATION 18 „Sie ist ein Gewinn, auch für unsere Kunden“ 20 Bisher keine Kündigungswelle 21 Rettungsanker für soziale Unternehmen 22 Qualifiziert für den ersten Arbeitsmarkt 23 Auszeichnung für innovative Geschäftsidee JUGEND 25 Heimunterbringung für die Jüngsten 26 Mit der Politik im Land auf Augenhöhe 28 Jugendämter: Öffentliche Wahrnehmung stärken 29 Neuer Referatsleiter im Landesjugendamt 29 Was Kinder und Jugendliche in Corona-Zeiten bewegt 29 100 Jahre Kinder- und Jugendhilfe in Stuttgart FORTBILDUNG 30 Neu: „Tiergestützte Pädagogik“ an der Fachschule Flehingen NEU ERSCHIENEN 31 Beim KVJS erschienen 3/2021 KVJS Aktuell 3
KVJS Mehr Chancen? Neue Perspektiven? Online-Tagung der Sozialdezernenten und Jungendamtsleitungen Lange hatte man gehofft, die Jahrestagung der Sozialdezernenten der Landkreise und Sozial- und Jungendamtsleitungen der Stadtkreise vor Ort durchführen zu können – doch nun mussten sie sich digital über Aktuelles in der Sozial- und Jugend- hilfe austauschen. Vorne an standen Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie das Teilhabestärkungsgesetz. Gerald Häcker, Dezernent des KVJS Landesjugendamts, und KVJS Verbandsdirektorin Kristin Schwarz begrüßt die Teilnehmer Benjamin Lachat, Sozialdezernent beim Städtetag, sprachen der Tagung per Videostream. Fotos: Kristina Reisinger über das Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz. „Wir wissen, dass die Herausforderungen an Fast anderthalb Jahre nach Ausbruch der Pan- die Kreise in der Sozial- und Jugendhilfe in den demie sind die gesellschaftlichen Folgen offen- letzten Monaten stark gestiegen sind“, sagt KVJS sichtlich: KVJS Sozialdezernent Frank Stahl stellte Verbandsdirektorin Kristin Schwarz. „Deshalb finanzielle Auswirkungen und Herausforderungen ist uns trotz der aktuellen Ausnahmesituation für die kommunalen Leistungsträger dar. Auch die wichtig, weiter im direkten Austausch zu bleiben, Kinder- und Jugendhilfe arbeitet die Folgen der über unsere Arbeit zu informieren, aber vor allem Pandemie auf: „Soziale Stabilität ist Basis für eine Rückmeldungen aus den Stadt- und Landkreisen gute Entwicklung der Kinder“, sagt der stellver- zu bekommen.“ Nur so könne der KVJS gemeinsam tretende Dezernatsleiter des Landesjugendamts mit seinen Partnern an praktikablen Lösungen Dr. Jürgen Strohmaier. Vor allem sozialräumliche arbeiten. Konzepte sowie eine bessere Zusammenarbeit 4 KVJS Aktuell 3/2021
KVJS zwischen Schule und Kinder- und Jugendhilfe tetag, über Auswirkungen des Gesetzes auf die stünden aktuell auf der Agenda des KVJS. Stadt- und Landkreise. Unter dem Titel „Mehr Chancen? Neue Perspek- tiven? Was das Teilhabestärkungsgesetz bringt.“ Wie sich Pflege-Wohngemeinschaften finanzieren informierte KVJS-Referatsleiter Berthold Deusch und was die demografische Entwicklung bringt über die Integration von Menschen mit Behinde- waren Inhalte des Vortrags „Wege für die Pflege: rungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, über Aktuelle Herausforderungen“ von KVJS Referatslei- das Förderprogramm „Arbeit Inklusiv“ und die terin Dr. Alexandra Klein und Bettina Ghiorghita. Umsetzung des Landesrahmenvertrags in Werk- Die Analysen des KVJS werden kreisspezifisch auf- stätten für behinderte Menschen. Im Rahmen des bereitet und bieten Impulse für die Sozialplanung. Teilhabestärkungsgesetzes will das KVJS-Integra- „Die Übernahme von Kosten in ambulant betreu- tionsamt einheitliche Ansprechpartner für Arbeit- ten Wohngemeinschaften durch die Sozialhilfe geber gewährleisten, in dem die Integrationsfach- stellt die Kreise zunehmend vor Herausforderun- dienste die Aufgaben ab 2022 übernehmen. gen“, sagt Dr. Klein. Eine Finanzierung ist bisher nicht geklärt. Der KVJS setzt sich beim Ministerium Im Fachdialog „Grünes Licht für das Kinder- und für Soziales, Gesundheit und Integration dafür ein, Jugendhilfestärkungsgesetz“ sprachen Gerald dass die Finanzierungsfrage gelöst wird. Häcker, Dezernent des KVJS-Landesjugendamts, und Benjamin Lachat, Sozialdezernent beim Städ- Kristina Reisinger Der KVJS bleibt weiterhin schuldenfrei Ein positiver Jahresabschluss 2020, eine zügige Digitale Sitzungen haben auch Vorteile - so waren Umsetzung des Corona-Teilhabe-Fonds und die fast alle Mitglieder anwesend und der Zeitauf- Bezuschussung der Werkstattlöhne durch den wand geringer. Deshalb wollen die Mitglieder KVJS haben auf der digitalen Sitzung des Ver- auch weiterhin Online-Formate insbesondere in bandsausschusses trotz der räumlichen Distanz für der Fortbildung nutzen. gute Stimmung gesorgt. In der nächsten Sitzung im Sommer wird Ver- Ein Lob des Verbandsvorsitzenden Landrat Ger- bandsdirektorin Kristin Schwarz eine Bewertung hard Bauer gab es vor allem, als der stellvertre- und erforderliche Handlungsfelder zum Koalitions- tende Verbandsdirektor Dieter Steck verkündete, vertrag „Jetzt für Morgen. Der Erneuerungsvertrag der KVJS bliebe weiterhin schuldenfrei. Auch der für Baden-Württemberg“ präsentieren. Jahresabschluss 2020 für das KVJS-Tagungszen- trum Gültstein GmbH wurde wohlwollend von Bauer lobte die gut vorbereiteten, abwechs- den Mitgliedern bilanziert. Ebenfalls Thema war lungsreichen und aktuellen Themen: „Die her- die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes und vorragende Sitzungsvorbereitung ermöglichte dessen Bewertung des KVJS. Für regen Austausch einen reibungslosen und erfolgreichen Ablauf sorgte der Mehrkostenausgleich Corona bedingter und brachte uns ausschließlich einstimmige Mehraufwendungen in der Eingliederungshilfe. Beschlüsse“. hen 3/2021 KVJS Aktuell 5
KVJS Immer mehr Mütter und Väter in Elternzeit verlieren Job Ulrike Kayser: „Steigerung um mehr als 30 Prozent“ Während der Elternzeit gilt ein besonderer Kündigungsschutz. Seit Mitte 2020 steigen die Anträge auf Zustimmung zur Kündigung an. Ist die Coronakrise daran schuld? Dazu ein Gespräch mit Ulrike Kayser vom KVJS. und Kosmetikstudios sowie Einzelhändler. Auch Arztpraxen sind von Schließung betroffen, wenn es keine Nachfolge gibt. Große Unternehmen, insbesondere Automobilzulieferer, haben wegen Insolvenz oder Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland geschlossen. Auch in der Gastrono- miebranche sind viele Arbeitsplätze verloren gegangen. Ulrike Kayser ist Volljuristin und stellvertretende Dezernats Sehen Sie hier einen Zusammenhang mit den coro- leiterin des KVJS-Integrationsamtes. Foto: Fotofabrik nabedingten Schließungen von Unternehmen wäh- rend der verschiedenen Lockdown-Maßnahmen? Frau Kayser, wie sehr sind aktuell junge Eltern in Der Anstieg der Zahlen ab der zweiten Jahres- Elternzeit von Jobverlust bedroht? hälfte spiegelt die wirtschaftlichen Schwierigkei- Seit Mitte 2020 ist die Zahl der Kündigungsschutz- ten der Betriebe während der Pandemiebekämp- verfahren nach dem Gesetz zum Elterngeld und fung wider. Die Vermutung liegt daher nahe, dass zur Elternzeit (BEEG) kontinuierlich angestiegen. die Coronakrise wirtschaftliche Probleme in den Im ersten Quartal waren es bereits 95 Anträge. besonders betroffenen Branchen verstärkt hat. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung um mehr als 30 Prozent. Wenn die Entwicklung Werden auch Anträge auf Kündigung abgelehnt? so anhält, werden wir Ende des Jahres etwa 400 Der Kündigungsschutz nach dem Gesetz zum Anträge haben. Elterngeld und zur Elternzeit ist sehr stark. Die Absicht dahinter ist, dass sich die Eltern in die- Nutzen Arbeitgeber die Coronakrise, um junge ser Lebensphase ihrem Kind widmen können, Mütter loszuwerden? ohne sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen Das kann man so nicht sagen. Die überwiegende zu müssen. Bei einer verhaltensbedingten Kün- Anzahl der Anträge wird aus betrieblichen Grün- digung können wir den Arbeitgeber meist so den gestellt, weil der Betrieb eingestellt wird. Der beraten, dass die Kündigung zurückgezogen wird. Anteil der Kündigungen aus verhaltensbedingten Wenn ein Betriebsteil schließt und die Elternzeit Gründen ist mit rund fünf Prozent in den letzten noch länger dauert, beraten wir den Arbeitgeber, zwei Jahren fast unverändert. dass er den Kündigungsantrag zurückstellt, weil sich vielleicht bis zum Ende der Elternzeit Weiter- In welchen Branchen verlieren besonders viele beschäftigungsmöglichkeiten in einem anderen Mitarbeiter in Elternzeit ihren Job? Betriebsteil ergeben. Wenn aber der ganze Betrieb Die betriebsbedingten Kündigungen betreffen dauerhaft schließt, hilft der besondere Kündi- kleine inhabergeführte Dienstleister wie Friseure gungsschutz auch nicht. Die Fragen stellte Monika Kleusch 6 KVJS Aktuell 3/2021
KVJS ©luckybusiness - stock.adobe.com Kündigungsschutz nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) Mütter und Väter in Elternzeit haben einen beson- tätliche Bedrohung. Der KVJS ermittelt und prüft deren Kündigungsschutz nach dem Gesetz zum den Sachverhalt und hört die Betroffenen an. Elterngeld und zur Elternzeit. Nur in besonderen Fällen kann der Arbeitgeber beantragen, die Kün- Dann entscheidet er über den Antrag des Arbeit- digung ausnahmsweise für zulässig zu erklären. gebers. Entscheidend ist, ob außergewöhnliche Arbeitgeber in Baden-Württemberg, die einem Umstände es rechtfertigen, die vom Gesetz grund- Elternteil während der Elternzeit kündigen möch- sätzlich als vorrangig angesehenen Interessen des ten, müssen deshalb vom KVJS eine beabsichtigte Elternzeit in Anspruch nehmenden Arbeitnehmers Kündigung für zulässig erklären lassen. hinter die Interessen des Arbeitgebers an der Auf- lösung des Arbeitsverhältnisses zurücktreten zu Die Durchführung des besonderen Kündigungs- lassen. Trifft dies zu, erklärt der KVJS die beabsich- schutzes nach dem Gesetz zum Elterngeld und tigte Kündigung für zulässig. zur Elternzeit ist dem KVJS durch das Land Baden- Württemberg als Zusatzaufgabe übertragen Für die Entscheidung erhebt der KVJS – je nach worden. Aufwand – eine Gebühr zwischen 200 und 1000 Euro. Ausnahmen, die eine Kündigung zulassen, können Betriebsschließungen, Teilschließungen oder eine Mehr Infos unter www.kvjs.de/soziales/pflegezei- vorsätzliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers telternzeit-sonderkuendigungs-schutz gegen den Arbeitgeber sein, beispielsweise eine Kündigungsanträge § 18 BEEG verhaltens betriebs- Jahr (bezogen auf Personen) Anzahl bedingt bedingt 2020 Eingegangene Anträge 398 22 376 2019 Eingegangene Anträge 320 17 303 KVJS: Kündigungsschutz nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz 3/2021 KVJS Aktuell 7
KVJS Erster Erfolg im Einsatz gegen Fachkräftemangel Landesregierung nimmt konzertierte Aktion in Koalitionsvertrag auf Der Einsatz des KVJS und seiner Partner trägt Früchte: Die Neue Landesregierung hat die Forderung nach einer „konzertierten Aktion zur Fachkräftesicherung für soziale Berufe“ des KVJS-Landesjugendamts und der LAGÖFW in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Es freut uns, dass die neue Landesregierung Konkrete Maßnahmen gefragt gemeinsam mit allen Beteiligten eine solche „In den nächsten Jahren kommt es darauf an, Aktion zur Fachkräftegewinnung auf den Weg Fachkräfte zu sichern, um das Land sozial ausge- bringen wird“, sagt Verbandsdirektorin Kristin stalten zu können“, sagt Schwarz. Deshalb brauche Schwarz. „Das zeigt, dass auch sie der Begeg- es nun schnell konkrete Maßnahmen, die alle nung des Fachkräftemangels in den Sozial- und mittragen. „Wir müssen in mehrere Richtungen Gesundheitsberufen ebenso wie wir eine heraus- denken – insbesondere in Richtung „Ausbildung, gehobene Bedeutung beimessen. Erfreulich ist Weiterbildung und Studium.“ Konkret bedeutet zudem, dass die Landesregierung Maßnahmen das nicht nur Studienkapazitäten auszubauen, ins Auge fasst, die auch unseren Vorstellungen sondern auch Arbeitsbedingungen zu verbessern, entsprechen: Die Ausbildung an Fachschulen, Ressourcen zu aktivieren und innovative Konzepte Hochschulen und Universitäten voranbringen und zu entwickeln. gleichwertige, im Ausland erworbene Abschlüsse schneller anerkennen.“ Nun will das Bündnis in einem Impulspapier „Bildung - Ausbildung, Weiterbildung & Studium“ Bereits zur Wahl hatte das Bündnis aus KVJS-Lan- konkrete Schritte und Maßnahmen erarbeiten, die desjugendamt, LAGÖFW und der Dualen Hoch- in gemeinsamen Ausschüssen mit der Landesre- schule in Schreiben an die Fraktionen im Landtag gierung angegangen werden sollen. Darin soll es eine konzertierte Aktion zur Fachkräftegewinnung um den Ausbau der Studienkapazitäten gehen für soziale Berufe eingefordert. Dies wurde nun – sowie der Identifikation von Zielgruppen und quasi eins zu eins – in den Koalitionsvertrag „Jetzt der Schaffung von Quereinsteigerprogrammen, für Morgen. Der Erneuerungsvertrag für Baden- Weiterqualifizierung, Berufsbegleitung, Teilzeitmo- Württemberg“ aufgenommen. dellen oder Angeboten für Rückkehrer. Kristina Reisinger ©kwarner - stock.adobe.com 8 KVJS Aktuell 3/2021
Habila Viele neue Themen entdecken dank der neuen Tablets. Fotos: Claudia Preiß Es wird noch bunter Tablets bereichern den Alltag bei der Habila in Rappertshofen Dank einer Spende wurden zehn barrierefrei bedienbare Tablets mit spezieller Software beschafft. Nahezu alle Klienten profitieren von dem neuen digitalen Angebot. Das Reutlinger Unternehmen Kittelberger media das Tablet einen Nachmittag lang ausgeliehen solutions GmbH unterstützt regelmäßig soziale hatte, meinte sie: „Da gibt es ja so viele Themen!“ Projekte. Bereits Ende des vergangenen Jahres Im Menü „Texte“ hat sie eine Rezeptsammlung erhielt die Habila in Rappertshofen erneut eine entdeckt. Besonders interessieren sie die vegeta- großzügige Spende der Firma. Heimbeirat und rischen Gerichte. Für die Gemüsepaella möchte Mitarbeitende überlegten gemeinsam, wie das sie bei nächster Gelegenheit einkaufen gehen, um Geld möglichst Vielen zugutekommen könnte. Die das Rezept mit Unterstützung ihrer Betreuungs- Entscheidung fiel einstimmig auf die Beschaffung kraft auf der Gruppe auszuprobieren. spezieller Tablets. Zehn solcher Kleincomputer mit barrierefreier Software konnten nun für ein Jahr Vieles eignet sich auch für Kleingruppen. Zum gemietet werden. Beispiel wenn es Tierstimmen, Instrumente oder Alltagsgeräusche zu erraten gilt oder Geschichten Dank der großen Auswahlfelder mit einfachen und Gedichte vorgelesen oder angehört werden Symbolen und klaren Farben gelingt die intuitive können. Ergotherapeutin Marion Nörpel setzt Bedienung auch Menschen mit Behinderung, die das Tablet gerne bei ihrer Arbeit ein. Bei Wort- bisher kaum Erfahrung mit dieser Technik hat- findungsstörungen eignen sich die Bilderrätsel, ten. Armando Steffen zum Beispiel kann mit dem bei denen zwei Antworten zur Auswahl stehen Bedienstift in seiner rechten Hand das Tablet gut und Antworten auch mit einfachen Handzeichen steuern. Mit Unterstützung beschäftigt er sich so gegeben werden können. Auch für das kognitive oft wie möglich mit Spielen und Worträtseln. Training finden sich Aufgaben in abgestuften Schwierigkeitsgraden. Peter Eder quizzt sehr gerne. Häufig spielt er „Dalli-Klick“ nach der früheren Fernsehsendung Das Tablet bietet auch ohne Internetzugang eine mit Moderator Hans Rosenthal. „Ab und zu höre Vielzahl an Möglichkeiten. Regelmäßige Updates ich auch gerne klassische Musik“, erzählt er. sorgen dafür, dass immer wieder neue Inhalte Deshalb gefällt ihm auch das Klassikquiz, bei dem hinzukommen. Klienten und Mitarbeiterinnen immer zwei Antwortmöglichkeiten vorgegeben sehen in den Tablets eine wertvolle Ergänzung des sind. Ist die gespielte Melodie aus „Schwanensee“? täglichen Assistenz- und Therapieangebots und Oder doch die „Mondschein-Sonate“? möchten sie im Alltag nicht mehr missen. Franziska Schiller nutzt das Tablet für Entspan- Claudia Preiß nungsreisen oder ein Memoryspiel. Nachdem sie 3/2021 KVJS Aktuell 9
Habila Mit Lotsen das Quartier erkunden Neue Erfahrungen dank bürgerschaftlichem Engagement Mit ihrem Projekt „Quartierslotse“ hat der Tannenhof in Ulm sich erfolgreich für das Pro- gramm „Impulse Inklusion“ des Sozialministeriums Baden-Württemberg beworben. Jetzt wird es in Kooperation mit der Behindertenstiftung Tannenhof umgesetzt. Seit rund fünf Jahren gibt es am Tannenhof eine haus nicht ohne deren Begleitung verlassen. Umso besondere Wohn- und Betreuungsform – das wichtiger ist es, ihnen vielfältige Möglichkeiten zu „LibW“. Die Abkürzung steht für „Langfristig inten- bieten, dennoch selbst aktiv zu sein. siv betreutes Wohnen“. Dort leben erwachsene Menschen mit einer geistigen Behinderung, die im Mit dem Projekt „Quartierslotse“ wird der Erfah- alltäglichen sozialen Miteinander Verhaltenswei- rungs- und Erlebnisraum durch gemeinsame Akti- sen zeigen, welche im Fachjargon als „herausfor- vitäten auf den Stadtteil Wiblingen erweitert, in derndes“ oder „schwieriges Verhalten“ bezeichnet dem sich der Tannenhof befindet. Mit Unterstüt- werden. zung von Bürgerinnen und Bürgern aus Wiblingen bekommen Klientinnen und Klienten dabei die Diese Menschen haben – aus individuell ganz Möglichkeit, mit gemeinsamen Spaziergängen unterschiedlichen Gründen – Probleme damit, oder einem Besuch der Stadtteil-Bücherei die Konflikte und Stresssituationen konstruktiv zu Nachbarschaft zu erleben. bewältigen. Derzeit wohnen dort 24 Männer und Frauen. Sie benötigen in besonderem Maße ver- Freiwillige unterstützen lässliche und sozial kompetente Mitarbeiter und Das Miteinander von Menschen mit und ohne Mitarbeiterinnen als feste Bezugspersonen. Die Behinderung kann letztendlich nur mit Unter- Bewohnerinnen und Bewohner können ihr Wohn- stützung durch bürgerschaftliches Engagement gelingen, auch wenn professionelle Betreuung notwendig ist und bleibt. Die freiwilligen Begleite- rinnen ermöglichen jedoch eine ganz eigene und unersetzliche Beziehung für die Menschen mit Behinderung. Dies ist allerdings ist kein „Selbstläufer“. Für eine Verstetigung braucht es kontinuierliche Beglei- tung und Motivation – auf beiden Seiten. Deshalb war es besonders erfreulich, dass am 20. Mai ein zentraler Baustein des Projekts eingefügt werden konnte: Karin Hanekamp, Mitarbeiterin der Behin- dertenstiftung Tannenhof, steht nun an jedem Donnerstagvormittag im Regionalbüro der Habila Maria Aazami, die Leiterin des LIBW-Wohnhauses, spricht direkt am Wiblinger Marktplatz und Einkaufszen- mit dem Klienten Martin S. Mit dem Projekt „Quartierslotse“ trum als Anlaufstelle für Klienten aus dem LibW wird der Erfahrungs- und Erlebnisraum für ihn und seine Mitbewohner*innen durch gemeinsame Aktivitäten auf den und deren freiwillige Begleiterinnen und Begleiter Stadtteil Wiblingen ausgedehnt. zur Verfügung. Das Ziel: gemeinsam erste Schritte Fotos: Franz Schweitzer in den Stadtteil hineingehen. 10 KVJS Aktuell 3/2021
Habila Weg mit dem Dreck: Gemeinsam geht´s besser. Saubere Aktion Dabei kann es auch ganz handfest zugehen. So beteiligten sich Klientinnen und Klienten samt ihren Begleitpersonen zum Beispiel an einer Müll- Sammelaktion in Wiblingen. Organisiert von Karin Hanekamp machten dabei sechs Personen aus dem LibW und eine komplette Gruppe aus dem Ambulant Betreuten Wohnen der Habila gemein- sam mit zwei Mitarbeiterinnen bei der Aktion mit. Auch Kinder, Jugendliche und Mitarbeiterinnen des Jugendhilfezentrums „guterhirte“ packten mit an. Alle waren bestens ausgestattet mit Zangen, Warnwesten, Handschuhen und großen Müllbeu- teln. Die Bilanz nach zwei Stunden harter Sammel- arbeit: mehrere große Müllsäcke, prall gefüllt mit Unrat aller Art. Quartierslotsentreff in Ulm-Wiblingen. Die Sammlerinnen und Sammler berichteten hinterher über positive Begegnungen mit Anwoh- nern, „die sich darüber gefreut haben, dass wir an einem Online-Seminar mit dem österreichi- den Müll aufsammeln“. Solche Rückmeldungen schen biv integrativ (www.biv-integrativ.online). aus der Wiblinger Bürgerschaft sind wichtig. Vierzehntägig findet per Videokonferenz ein Denn es geht auch darum, die Erfahrung machen Austausch zum Thema „Wie will ich leben“ statt. zu können: Gemeinsam etwas für andere zu tun Denn auch das kann Teil von Inklusion sein: mit macht Spaß und bringt Wertschätzung. Hilfe von moderner Technik den eigenen Horizont erweitern. Ein weiterer Teil des Projekts „Quartierslotse“ ist die Teilnahme von drei Klientinnen und Klienten Franz Schweitzer/ Karin Hanekamp 3/2021 KVJS Aktuell 11
Habila Viel mehr als eine Radgarage Inklusionsunternehmen Insiva erweitert Geschäftsfeld Drei Sozialunternehmen haben sich erfolgreich bei der Stadt Tübingen um den Betrieb einer neuen Radstation mit Gastronomie beworben. Gemeinsam werden sie künftig am zentralen Europaplatz Einheimischen und Touristen Service rund um das Thema Mobili- tät bieten. Der Europaplatz in Tübingen, direkt gegenüber Die zentrale Fahrradtiefgarage bietet auf einer des Hauptbahnhofs, war bislang vor allem der Fläche von mehr als 1200 Quadratmetern Platz Zentrale Omnibusbahnhof der Universitätsstadt. für 1000 Fahrräder. 30 Prozent hiervon sind als Auch nach seiner bereits begonnenen und auf gesicherte kostenpflichtige Abstellplätze vorge- vier Jahre projektierten Neugestaltung wird er der sehen. Sie werden über ein Zugangssystem mit Knotenpunkt des ÖPNV in der Stadt bleiben. Doch entsprechenden Schleusen und einem digitalen er wird nach dem Umbau nicht nur übersichtli- Buchungssystem abgewickelt. Im Keller der Rad- cher, sicherer und barrierefrei sein, sondern neben station, der unterirdisch an die Tiefgarage grenzt, dem Busverkehr auch für Radfahrer eine zentrale soll sogenanntes „Garderobenparken“ möglich Anlaufstation bieten. Dafür werden eine oberir- sein. Hierfür können die Fahrräder am Empfang dische Radstation und Tübingens erste Fahrrad- der Radstation abgegeben werden. Radfahrer ver- tiefgarage sorgen. Daran angeschlossen wird eine lieren so keine Zeit mit dem Parken, wenn sie zum Gastronomie mit Außenterrasse und öffentlicher Beispiel schnell zum Zug müssen. Beim Abholen Toilette eingerichtet. Das ist das Ergebnis eines holen Angestellte die Fahrräder aus dem gesicher- Architektenwettbewerbs, bei dem der Vorschlag ten Parkbereich. des Architekturbüros Haas Cook Zemmrich aus Stuttgart die Jury überzeugte. 12 KVJS Aktuell 3/2021
Habila Im oberirdischen Bereich der Radstation befinden sich eine Fahrradwerkstatt, ein Fahrradverleih, eine Waschanlage für Räder sowie verschiedene weitere Dienstleistungen wie beispielsweise ein Fahrkartenverkauf, ein Ersatzteilverkauf und Ähn- liches. „Die Radstation ist das sichtbare Symbol für das neue Mobilitätskonzept in Tübingen“, sagt Baubürgermeister Cord Soehlke. Im Juni 2020 gab die Stadt bekannt, ein Sozial- unternehmen als Betreiber für Radstation und Gastronomie zu suchen. Die Insiva als erfahrenes Inklusionsunternehmen setzte sich daraufhin mit der Bruderhaus Diakonie und dem Inklusions- unternehmen „AiS inklusiv“ an einen Tisch. Die Zeichnungen: haascookzemmrich/Studio 2050 Bruderhaus Diakonie hat bereits einen Fahrradla- den mit Werkstatt in Tübingen, die in Mössingen ansässige AiS betreibt mehrere Cafés und bietet- Der Trägerverbund aus Insiva, Bruderhaus Dia- weitere Dienstleistungen. konie und AiS überzeugte mit seinem umfang- reichen Konzept und erhielt den Zuschlag. Für Gemeinsam bewarben sich die drei Partner um Friedrich Haselberger, Prokurist des Inklusions- die Trägerschaft von Radstation und Gastronomie: unternehmens Insiva, ein Erfolg in vielfacher Die Bruderhaus Diakonie und die Insiva für den Hinsicht: „Die Stadt Tübingen macht Ernst mit dem Betrieb der Radstation, die AiS für die Gastrono- Ziel einer fahrradfreundlichen Stadt. Dabei entste- mie. Die Insiva bringt dabei vor allem ihre Kom- hen spannende Arbeitsplätze, mitten im Gesche- petenz in den Bereichen Service sowie digitale hen, mitten in der Stadt, auch für Menschen mit Reservierungs- und Bezahlsysteme ein. Behinderung“. Gerade die Kooperation der drei Partner war für die Stadt Tübingen bei der Entscheidung ein Plus- punkt. So werde die AiS „ihr erprobtes Konzept aus regionalen und ökologischen Produkten, einem attraktiven Mittagstisch in Zusammenarbeit mit ansässigen Bäckern und Metzgern sowie einem Rahmenprogramm mit kleinen Lesungen und Konzerten anbieten“, heißt es in der Begründung für die Vergabe. Durch die umfangreichen Erfahrungswerte der Betreiber an anderer Stelle rechne die Universi- tätsstadt Tübingen mit einer „langfristigen und guten Zusammenarbeit“. Die Eröffnung ist für Ende 2022 geplant. Sibylle Strottner/ Stephan Gokeler 3/2021 KVJS Aktuell 13
Soziales Die Werkstatt Wohnen kann man nicht nur persönlich, sondern auch digital besuchen. Foto: Monika Kleusch Wohnberatern eine Plattform geben Neues Angebot des KVJS fördert Vernetzung Wohnberater unterstützen ältere Menschen dabei, die eigenen vier Wände auf individu- elle Bedürfnisse anzupassen. Besonders mit Blick auf die demografischen Herausforde- rungen nimmt ihre Bedeutung stetig zu. Um die fachliche Weiterentwicklung zu stärken, hat der KVJS sein Engagement ausgebaut und neue Angebote entwickelt. Wohnberater leisten einen unverzichtbaren aus Baden-Württemberg nahmen an der Online- Beitrag für die häusliche Versorgung von älte- veranstaltung teil und erhielten aus Fachvorträgen ren Menschen und Menschen mit Handicap. Ihr Impulse für ihre Arbeit. gemeinsames Ziel ist es, jedem die Möglichkeit zu geben, zu wohnen, wie und wo er das möchte. Umbau fördern Sie informieren neutral und unabhängig über Die Zahl der hochbetagten Menschen in Baden- bauliche Maßnahmen und Hilfsmittel, beraten Württemberg wird sich in den kommenden drei zu finanziellen Fragen und unterstützen beim Jahrzehnten mehr als verdoppeln. Die meisten Beauftragen von Handwerkern. Im Rahmen einer von ihnen wollen auch bei Pflegebedürftigkeit in neuen Veranstaltung bietet der KVJS den Wohn- den eigenen vier Wänden leben. Jedoch müssen beratern eine Plattform, sich untereinander zu die Voraussetzungen dafür erst einmal geschaffen vernetzen und auszutauschen. Am 16. März 2021 werden, denn barrierefreier Wohnraum ist rar. Der fand das Forum Wohnberatung erstmalig statt. Landesdemografiebeauftragte Thaddäus Kunz- Rund 50 ehren- und hauptamtliche Wohnberater mann griff die Situation des Wohnungsmarktes 14 KVJS Aktuell 3/2021
Soziales in seinem Vortrag auf und stellte Handlungsemp- auf. Darunter sind Technologien zu verstehen, die fehlungen des von ihm einberufenen Runden Senioren das Leben Zuhause sicherer und komfor- Tisches „Wohnen für das Alter“ vor. Mit Blick auf tabler gestalten, wie beispielsweise ein Sturznot- die Knappheit der Ressourcen im Bau und die ruf, Rauch- und Gasmelder sowie die Steuerung demografische Entwicklung werde der Wohnraum von Türen und Licht. AAL-Systeme entfalten ihre demnach bisher unwirtschaftlich genutzt. Um ganze Wirkung, wenn sie miteinander vernetzt die notwendigen altersgerechten Wohnungen zu sind und aus dem Zuhause ein „Smart Home“ schaffen sei zum einen der Neubau von mehr bar- machen. Dies kann bis zur digitalen Sprechstunde rierefreien Geschosswohnungen notwendig. Zum und Vernetzung mit kulturellen Angeboten anderen müsse der altersgerechte Umbau von führen. Daniel Buhr wies auf die Problematik hin, Bestandswohnungen stärker gefördert werden. dass Digitalisierung zu Vereinsamung führen kann. Daher sei es erforderlich, den Wohnraum nicht Kompetenzen bündeln isoliert zu betrachten, sondern im Sozialraum zu Grundlegend dabei: die Bündelung von Kompe- integrieren. Wichtig sei es zudem, technische Sys- tenzen und Wissen. Neben der Einrichtung eines teme so zu gestalten, dass sie angenommen und Kompetenzzentrums auf Landesebene sei es genutzt werden. Dabei steht im Besonderen die notwendig, auch auf kommunaler Ebene flächen- Frage im Mittelpunkt, wie Senioren darauf vorbe- deckende Beratungsangebote zu verankern. Hier- reitet und in die Innovationsprozesse eingebun- für müsse eine Verlässlichkeit in der Finanzierung den werden können. bestehen, so Kunzmann. Diese ist bisher nicht vom Gesetzgeber geregelt und unterschiedlich Werkstatt Wohnen digital ausgestaltet. Manche Wohnberatungsstellen wer- AAL-Technologien sowie viele bauliche bar- den von ihrem Stadt- oder Landkreis finanziert, rierefreie Möglichkeiten stellt auch der KVJS andere organisieren sich durch Fördermittel oder bereits seit mehr als 20 Jahren in seiner Werkstatt erheben für ihre Dienstleistung eine Gebühr. Wohnen aus. Einmalig ist dabei der Fokus auf Wohnungsanpassung mit Lösungen, die für den Kunzmann betonte zudem die Wichtigkeit einer Einzelnen finanziell tragbar sind. Mit der Wohn- ganzheitlichen Quartiersentwicklung. Nachbar- beratung des DRK Kreisverbands Stuttgart bietet schaftliche Netzwerke müssen demnach gestärkt der KVJS während der Corona-Pandemie digitale und eine gute Nahversorgung gewährleistet sein, Alternativen zur Vor-Ort-Beratung an. Informati- um älteren Menschen ein selbstbestimmtes Leben onen zur den Onlineangeboten finden Sie unter inmitten der Gesellschaft zu ermöglichen. www.barrierefrei-wohnen.kvjs.de Innovationen gestalten Wohnberatung fachlich fördern Daniel Buhr, Professor an der Universität Tübin- Der KVJS wird das Forum Wohnberatung einmal gen und Leiter des Steinbeis Transferzentrum jährlich als Präsenzangebot veranstalten. Darüber Soziale und Technische Innovation, richtete den hinaus sind bereits mehrere Fortbildungen für Blick auf ein großes Trendthema: die Digitalisie- Wohnberater in Planung. Aufgegriffen werden rung. „Innovationen sind von und für Menschen Themen wie Gesprächsführung und Kommunika- gemacht“, führte er seinen Beitrag ein. Wichtig sei tion mit älteren Menschen sowie die batterielose jedoch, dass diese gemeinsam gestaltet werden. Funktechnologie im Smart Home. Mehr Informati- Vor allem die Wohnberatung als Vermittlerin und onen erhalten Wohnberater unter Ansprechpartnerin nimmt dabei eine wichtige barbara.steiner-karatas@kvjs.de Rolle ein. Daniel Buhr zeigte Chancen und Risiken sowie Grenzen des Ambient Assisted Living (AAL) Julia Holzwarth 3/2021 KVJS Aktuell 15
Soziales Neuland in der fünften Bauphase Austausch zum Zwischenstand der Neuen Bausteine in der Eingliederungshilfe Die fünfte Neue Bausteine-Reihe nimmt für die Eingliederungshilfe die Anforderungen des BTHG zur Wirkungsorientierung in den Blick. Um wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, betreten die Stadt Ulm und der Landkreis Heilbronn mit wissenschaftlicher Begleitung nun Neuland. Mit den Entwicklungsprojekten dieser Baureihe Was wirkt? will der KVJS die gesetzlich geforderte Wirkungs- Der Landkreis Heilbronn und die Stadt Ulm gaben orientierung unabhängig von der Leistungserbrin- einen Einblick in die Projektarbeit vor Ort. Zu gung messbar machen. Zudem sollen geeignete Beginn entwickelten sie die Instrumente zur Wir- Wirkindikatoren formuliert werden. „Die Ergeb- kungsmessung. Nun werden die Ergebnisse und nisse sind in allen Belangen bedeutsam – vom Erfahrungen analysiert und sollen vom Einzelfall Einzelfall bis hin zum Vertragsrecht. Besonders auf eine übergeordnete Ebene gebracht werden, zum jetzigen Zeitpunkt, an dem wir uns intensiv um grundsätzliche Erkenntnisse zu gewinnen. mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) befassen“, unterstrich KVJS-Referatsleiterin Unter dem Namen „Wirkungsindex Regional“ wird Julia Lindenmaier beim Projekttreffen im April in Heilbronn gemeinsam mit der Johannes-Diako- 2021. nie Mosbach als nächster Schritt die Schnittstelle Virtuelles Treffen zu den Bausteine-Projekten in Ulm und Heilbronn. Bild: Screenshot 16 KVJS Aktuell 3/2021
Soziales zwischen Teilhabemanagement und Sozialpla- Um offene Aspekte aus dem Zwischenbericht nung fokussiert. Das Projekt in Ulm in Kooperation kümmerten sich während der Veranstaltung drei mit der Habila Tannenhof bezieht mit der Wir- Arbeitsgruppen. Eine Gruppe ging der Frage nach, kungsorientierung in der Eingliederungshilfe auch wie es gelingen kann, dass Menschen mit Behin- den Kontext der Sozialraumorientierung mit ein. derung über Angebote und Möglichkeiten zur Teilhabe auch gut informiert sind. Zudem wurde Zufriedenheit messen diskutiert, wie der Wunsch zum Ziel wird und in Beim Online-Treffen berichteten die Teilneh- welcher Form man die Menschen unterstützen mer beider Standorte unter anderem über die kann, sich an ihre vereinbarten Ziele zu erinnern. Erfahrungen mit der Messung der Zufriedenheit. Diese wird mit einem gesonderten Instrument Julia Holzwarth erhoben: „Zufriedenheit kann man nicht anhand von Unterlagen bewerten. Dahinter steckt eine hohe Komplexität, die sich nur über ein Gespräch abbilden lässt“, so die Rückmeldung einer Projekt- Die Neuen Bausteine dienen der Weiter- INFO beteiligten. entwicklung der Eingliederungshilfe und der Wohnungslosenhilfe. Die fünfte Neue Zudem standen erste Ergebnisse aus dem Zwi- Bausteine-Reihe der Eingliederungshilfe schenbericht der wissenschaftlichen Begleitung ist von 2019 bis Ende 2022 angelegt. Für im Mittelpunkt. Die Professoren Annette Planken- die Praxisprojekte und die wissenschaft- steiner und Thomas Meyer von der Dualen Hoch- liche Begleitung stellt der KVJS rund schule Baden-Württemberg in Stuttgart brachten 360.000 Euro zur Verfügung. Im Anschluss sich mit Impulsen zur wirkungsorientierten Teil- veröffentlicht der KVJS einen Abschluss- habe ein. Sie hoben hervor, dass Wirkungsorien- bericht über die Projekterfahrungen der tierung mit der Zielformulierung und Klärung der Kreise und die Ergebnisse der wissen- individuellen Wünsche des Menschen mit Behin- schaftlichen Begleitung. derung beginne. Reform des Betreuungsrechts Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Die Reform ist Schwerpunkt des Fachtags Quer- Betreuungsrechts ist verabschiedet. Es wird am 1. schnittsarbeit im Juli 2021. Die Veranstaltung gibt Januar 2023 in Kraft treten. Bereits seit 2015 wird einen Überblick über die Änderungen und bietet eine Reform bundesweit diskutiert, zum Beispiel Raum für Austausch und Diskussion. In der nächs- im Rahmen zweier vom Bundesministerium ten Ausgabe von KVJS-Aktuell wird ein Bericht der Justiz und für Verbraucherschutz in Auftrag zum Fachtag veröffentlicht. gegebener Forschungsvorhaben. Auf Basis der Forschungsergebnisse wurde zudem ein interdis- Weitere Informationen zur Reform sowie Stich- ziplinärer Diskussionsprozess geführt. Erkennt- worte zu den wichtigsten Gesetzesänderungen nisse daraus sowie Vorgaben der UN-Behinderten- finden Sie unter www.kvjs.de/soziales/service- rechtskonvention sind in das Gesetz zur Reform betreuungsrecht. eingeflossen. hol 3/2021 KVJS Aktuell 17
Integration „Sie ist ein Gewinn, auch für unsere Kunden“ Daniela Vinhas da Silva arbeitet bei Blumen Haimerl in Allmendingen Blumenstiele schneiden, Umtopfen, Dekorieren, Gießen: „Mir gefällt es einfach“, sagt Daniela Vinhas da Silva über ihren Arbeitsalltag im Blumengeschäft Haimerl in Allmendingen. Jens Nehmer vom Integrationsfachdienst (IFD) pädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum Ulm hat die junge Frau auf dem Weg zu ihrer (SBBZ), zunächst in eine Berufsvorbereitende jetzigen Tätigkeit begleitet. Dieser Weg führt von Einrichtung. In mehreren Praktika konnte Dani- der Schmiechtalschule in Ehingen, einem Sonder- ela ausprobieren, was zu ihr passt. „Es hat sich Daniela da Silva kümmert sich um ihre Blumen. Fotos: Uli Stöckle 18 KVJS Aktuell 3/2021
Integration gezeigt, dass sie sehr kreativ ist und ihre Stärken im hauswirtschaftlichen Bereich liegen“, sagt der Fachberater. Was jetzt noch fehlte, war der pas- sende Arbeitgeber. Förderprogramm „Arbeit Inklusiv“ Damit junge Menschen mit Handicap trotz ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können, gilt es, einen Betrieb zu finden, der ihnen eine Chance und einen Arbeitsplatz bietet. Über das Förderprogramm „Arbeit Inklusiv“ des KVJS in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und der Eingliederungshilfe des Alb- Donau-Kreises gelang es, eine Arbeitsstelle für Daniela Vinhas da Silva bei Blumen Haimerl in Allmendingen zu bekommen. Blumengeschäft Haimerl in Allmendingen. Gut aufgehoben im Familienbetrieb In dem kleinen Familienbetrieb hat Daniela Vinhas zu schätzen: „Auf Daniela ist Verlass und sie ist ein da Silva einen Arbeitgeber gefunden, der sie als Gewinn, auch für unsere Kunden“. Person wertschätzt und ihre persönlichen Stärken und Fähigkeiten erkennt und fördert. Da sie von Bis heute steht Daniela Vinhas da Silva der IFD zur ihrer Familie sehr gut auf das alltägliche Leben Seite. „Sie ist viel selbstbewusster und sicherer vorbereitet und auch selbstverständlich in anfal- geworden“, freut sich Fachberater Jens Nehmer. lende Aufgaben eingebunden wurde, kommen „Wir werden die berufliche Entwicklung unterstüt- ihr diese Kompetenzen nun auch am Arbeitsplatz zen und passende neue Arbeitsinhalte forcieren“. zugute. Gabriele Addow Und es zahlt sich aus: Im September 2019 erhält Daniela Vinhas da Silva einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Mitarbeiterin – in Vollzeit. Dafür gibt es von der Agentur für Arbeit drei Jahre lang Filmreihe „Beschäftigung mit Handikap“ INFO einen Eingliederungszuschuss und zusätzlich In loser Folge präsentiert das KVJS-Integ- Inklusionsprämien nach dem Förderprogramm rationsamt interessante Beispiele für die „Arbeit Inklusiv“. berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen. Verlässliche Mitarbeiterin Das Ehepaar Haimerl musste zwar akzeptieren, Video „Blumengeschäft dass es bei ihrer neuen Mitarbeiterin Grenzen gibt Haimerl“: und sie klare Abläufe braucht, aber sie sind sich www.youtube.com/ einig: „Das was sie macht, macht sie perfekt“. Die watch?v=hOgRxwxZCTc beiden Chefs wissen die Herzlichkeit, Hilfsbereit- schaft und das große Engagement der 23-Jährigen 3/2021 KVJS Aktuell 19
Integration Bisher keine Kündigungswelle Wie wirkte sich die Pandemie auf Inklusion im Beruf aus? Die Corona-Pandemie hat teils starke Auswirkungen auf die Situation schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben – ein Überblick. Noch ist die große Kündigungswelle ausgeblieben. lichen Prävention um etwa 30 Prozent zurück. Die Doch die Corona-Pandemie hat im vergangenen schwierige wirtschaftliche Situation in den Betrieben Jahr viele Firmen in schwierige wirtschaftliche Lagen lässt das Thema Prävention in den Hintergrund gebracht. Eine Konjunkturumfrage der Industrie- rücken. Auch die Rahmenbedingungen für virtuelle und Handelskammer Anfang 2021 ergab, dass fast Gespräche sowie bei Vor-Ort-Terminen mussten erst zwei Drittel der Unternehmen im Jahr 2020 gegen- geschaffen werden. Außerdem konzentrieren sich über 2019 Umsatzverluste infolge der Pandemie die Betriebe höchstwahrscheinlich aktuell mehr auf erlitten haben. Die Erlöse sind bei jedem fünften die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestanforde- Betrieb sogar um mehr als ein Viertel eingebrochen. rungen, die für sie gelten, als dies vor der Pandemie Diese Entwicklung wirkt sich auch auf die Arbeits- der Fall war. Außerdem wurden im Jahr 2020 größere plätze aus. technische Umgestaltungen verschoben. Auch Investitionen und Neueinstellungen wurden nur Mehr Kündigungen selten realisiert. Beim KVJS-Integrationsamt sind die eingehenden Zustimmungsanträge aus betriebsbedingten Grün- Viele Kursabsagen den um knapp 30 Prozent gestiegen (siehe Grafik). Die sichtbarsten Auswirkungen hatte die Pandemie Diese Zahl wurde etwas abgemildert, da gleichzeitig bisher auf die Präsenzveranstaltungen des KVJS- die Anträge aus personen- oder verhaltensbeding- Integrationsamtes. Es mussten bedauerlicherweise ten Gründen sanken, nämlich um knapp zehn Pro- etwa zwei Drittel der Kurse abgesagt werden. Die zent. Dass die Kündigungen auf sich warten lassen, wenigen Kurse, die abgehalten werden konnten, führt das KVJS-Integrationsamt vor allem auch auf fanden mit reduzierter Teilnehmendenzahl statt. politische Hilfen und die Kurzarbeit zurück. „Es muss Auch weil im kommenden Jahr die SBV-Wahl aber davon ausgegangen werden, dass im Jahr 2021 ansteht, sollen aber in Zukunft mehr Kurse angebo- die Zustimmungsanträge noch stärker als bislang ten werden. Neben Veranstaltungsterminen in den ansteigen werden“, prognostiziert Karl-Friedrich KVJS-Bildungs- und Tagungsstätten werden aktuell Ernst, der das KVJS-Integrationsamt leitet. Online-Module erstellt – eine Zusammenarbeit aller Integrationsämter unter der Federführung der BIH. Inklusionsbereitschaft geht zurück? Die neue Lernplattform wird voraussichtlich ab Ende Im gleichen Zeitraum ging die Zahl an Beratungs- dieses Jahres zur Verfügung stehen. fällen des Integrationsamtes im Bereich der Betrieb- Theda Bracht/ Maren Zeidler 20 KVJS Aktuell 3/2021
Integration Rettungsanker für soziale Unternehmen Corona-Förderprogramm hat Existenzen gesichert Das Corona-Förderprogramm der Bundesregierung für soziale Unternehmen wurde um zwei Monate, bis zum 31. Mai 2021, verlängert. Ein Rettungsanker, der hielt, denn dadurch musste keines der geförderten Unternehmen aufgeben. 12,8 Millionen Euro aus Mitteln des Bundes hatte Leiter des Referats Inklusionsbetriebe. „Durch die das KVJS-Integrationsamt zur Verfügung, um Förderung konnten einige Insolvenzen verhindert Liquiditätsengpässe bei sozialen Unternehmen werden.“ Die meisten Anträge kamen von Sozial- abzufedern. Antragsberechtigt waren Unterneh- kaufhäusern und Inklusionsunternehmen aus den men, die wegen der Auswirkungen der Corona- Bereichen Gastronomie, Gemeinschaftsverpfle- Pandemie Einnahmeausfälle hatten und deshalb gung und Hotellerie. Sie hatten im Corona-Shut- betriebliche Fixkosten nicht mehr decken konn- down ihre Tätigkeit zum Teil einstellen müssen. ten. 73 baden-württembergische Sozialunterneh- men wurden mit insgesamt 8,6 Millionen Euro aus dem Corona-Förderprogramm unterstützt. Die Restsumme geht zurück an das Bundesministe- Art der Unternehmen rium für Arbeit und Soziales. Inklusionsbetriebe 26 Einrichtungen der Behindertenhilfe 24 Programm hat gewirkt Sozialkaufhäuser 30 Profitiert haben Inklusionsunternehmen, Einrich- Sozialunternehmen 3 tungen der Behindertenhilfe, Sozialkaufhäuser und gemeinnützige Sozialunternehmen: „Das Programm hat gewirkt“, erklärt Bernhard Pflaum, Rund 90 Anträge hat das KVJS-Integrationsamt bearbeitet. Da die Förderrichtlinie auch die Möglichkeit beinhaltet, unselbstständige Betriebs- stätten zu fördern, können mehrere Bescheide an ein Unternehmen gehen. „Dies bedeutet, dass die Anzahl der Bewilligungen nicht die Anzahl der Inklusionsbetriebe betrifft, die Förderleistungen erhielten“, so Pflaum. „Die Anzahl der Unterneh- men ist geringer als die Anzahl der Bewilligun- gen.“ Liquiditätsbeihilfe federt Einnahmeausfälle ab Für die Gewährung einer Liquiditätsbeihilfe wurden Einnahmeausfälle und bestimmte betriebliche Fix- kosten betrachtet, die zu einem Liquiditätsengpass führen. Zur Deckung dieses Liquiditätsengpasses konnte das KVJS-Integrationsamt einen Zuschuss in Höhe von bis zu 90 Prozent bewilligen. Keine Gäste wegen Corona. Foto: Monika Kleusch Monika Kleusch 3/2021 KVJS Aktuell 21
Integration Es kann wieder losgehen Qualifiziert für den ersten Arbeitsmarkt Frank Hanselmann bereitet sich im Berufsbildungsbereich auf einen beruflichen Neustart im Inklusionsunternehmen Insiva vor. Frank Hanselmann hofft auf eine Anstellung beim Inklusionsunternehmen Insiva... In der Werkstatt für behinderte Menschen der Praktikum bei Insiva Habila in Markgröningen kennt sich Frank Hansel- Den Qualifizierungs-Baustein „Lager und Logistik“ mann aus. Seit fast zwei Jahren ist er wieder da, hat Frank Hanselmann bereits erfolgreich bestan- wo er sich vor mehr als zehn Jahren schon einmal den und dabei „alles über Förderbänder, verschie- auf sein Berufsleben vorbereitet hat. In einem dene Kranen und Materialien, die es in einem Inklusionsunternehmen im Landkreis Ludwigs- Lager gibt“ erfahren, erzählt er. „Jetzt sind wir burg fand er danach eine Anstellung. Hanselmann gerade dran, wie man einen Hubwagen und eine war in der Qualitätssicherung für Katalysatoren Ameise bedient.“ Das lernt er bei einem Praktikum, tätig. Als die Auftragslage im Unternehmen das der 35-Jährige zurzeit beim Inklusionsunter- schlechter wurde, erhielt er die Kündigung. nehmen Insiva in der Abteilung „Dienstleistungen Nun ist er wieder in den Berufsbildungsbereich für Industrie und Handel“ absolviert. In der Toch- der Werkstatt zurückgekehrt. Mit einem klaren terfirma der Habila bekommt er auch Einblicke in Ziel: „Wir bereiten Herrn Hanselmann darauf vor, Montage-Arbeiten oder den Zuschnitt verschiede- wieder eine Stelle auf dem allgemeinen Arbeits- ner Materialien mit einem neuen Metall-Gravur- markt antreten zu können“, sagt Karl-Heiz Dett- Laser. ling. Er ist bei der Habila in Markgröningen Leiter des Geschäftsbereichs „Berufliche Teilhabe und In enger Zusammenarbeit mit der Werkstatt und Qualifizierung“. dem zukünftigen Arbeitgeber erstellt der Integra- 22 KVJS Aktuell 3/2021
Integration tionsfachdienst eine Arbeitsplatz- und Fähigkei- tenanalyse für Frank Hanselmann, um bestmög- liche Rahmenbedingungen für eine langfristige Beschäftigung zu schaffen. „Bei der Insiva wird auftragsorientiert gedacht und die Mitarbeiter werden entsprechend der jeweiligen Aufträge geschult. Das Spektrum der Tätigkeiten ist dem- entsprechend sehr breit“, sagt Karl-Heinz Dettling. Die Festanstellung im Blick Dank seiner guten Leistungen und Fähigkeiten winkt Frank Hanselmann bei der Insiva eine Fest- anstellung. „Wir ergänzen uns super und helfen uns als Kollegen gegenseitig in allen Bereichen“, ... und qualifiziert sich dafür in der Werkstatt der Habila in Markgröningen. Fotos: Karl-Heinz Dettling hat Frank Hanselmann bei seinem Praktikum festgestellt. Das Inklusionsunternehmen ist für ihn von seiner Mietwohnung in Markgröningen aus Insiva verbunden ist, stellt natürlich einen Anreiz gut zu erreichen. Das ist angesichts seiner Geh- dar. „Dann kann ich mir wieder etwas mehr leis- behinderung wichtig, er ist auf Krücken oder auf ten“, hofft er. Wenn es mit dem Job bei der Insiva langen Strecken auf einen Rollstuhl angewiesen. klappt, hat Hanselmann die Möglichkeit, weitere Qualifizierungs-Bausteine zu absolvieren und so „Am meisten freue ich mich darauf, den Arbeits- seine beruflichen Kompetenzen zu erweitern. „Von vertrag in meinen Händen zu halten“, sagt er. mir aus könnte es jetzt gleich losgehen“, meint er. Aber auch das höhere Einkommen, das mit einer sozialversicherungspflichtigen Anstellung bei der Stephan Gokeler Auszeichnung für innovative Geschäftsidee Inklusionsunternehmen AiZ erhält Rudolf-Freudenberg-Preis 2021 Bundesweit können sich Inklusionsfirmen um den von der Bundesarbeitsgemeinschaft Inklusionsfirmen (bag if) gemeinsam mit der Freudenberg Stiftung ausgelobten Preis bewerben. In diesem Jahr machte die AiZ das Rennen. Für das Jahr 2021 ging es bei diesem bundeswei- Das Team um den Betriebsleiter Daniel Gonser hat ten Wettbewerb darum, innovative und kreative sich in kürzester Zeit auf neue Marktanforderun- Konzepte in der Coronakrise einzureichen. Aus gen eingestellt. So konnten bereits Anfang März einer Reihe von sehr hochqualifizierten Bewer- 2020 erste Produkte rund um das Thema Desinfek- bungen wurde seitens der Jury einstimmig die tion ausgeliefert werden. Auf diese Weise wurden Tochtergesellschaft der Stiftung Lebenshilfe Zol- die in jeder Krise liegenden Chancen genutzt und lernalb AIZ gGmbH als Preisträgerin ausgewählt. die unternehmerische Initiative wurde mit vielen Bestellungen belohnt. 3/2021 KVJS Aktuell 23
Integration Gerade die hohe Fertigungstiefe von der Blechbe- arbeitung über die Druckerei bis hin zur Herstel- lung von eigenen Verpackungen, aber auch die Erstellung von Bedienungsanleitungen und Bei- packs haben sich in dieser Phase bewährt. Bei der Beschaffung wurden bereits Ende Februar 2020, als sich die Pandemie in Deutschland erst abzeich- nete, Kontakte zu Herstellern von Desinfektions- mitteln und den Spendereinheiten hergestellt. Jury voll und ganz überzeugt „In herausragender Weise haben Sie sich innerhalb kürzester Zeit auf neue Marktanforderungen ein- gestellt, haben die in der Krise liegenden Chancen entdeckt und sich einem hohen unternehmeri- schen Risiko gestellt“ loben Dr. Pia Gerber von der Freudenbergstiftung Claudia Rustige von der bag-if den aktuellen Preisträger. „Gleichzeitig haben Sie in besonderer Weise dargestellt, welche wichtige Rolle allen Mitarbeiten, mit und ohne Behinderungen, in diesen Veränderungsprozessen zukommt. Veränderungsprozesse im Unterneh- men angehen, Risikobereitschaft zeigen und die Talente und Ideen der Mitarbeitenden nutzen – das zeichnet unternehmerisches Handeln und soziale Verantwortung aus. Damit haben Sie die Jury voll und ganz überzeugt.“ Monika Kleusch Gefragtes Produkt: DESI2GO der AiZ. Foto: AiZ In Partnerschaft mit der Bundesarbeits- INFO gemeinschaft Inklusionsfirmen (bag if ) Das wichtigste Produkt, der Desinfektionsständer prämiert die Freudenberg Stiftung unter der Bezeichnung DESI2GO, wurde einige jedes Jahr auf Bundesebene innovative 1 000 mal von Albstadt nach Deutschland und Geschäftsideen und Kooperationsformen darüber hinaus ausgeliefert. Von Arbeitsagentu- im Bereich der Inklusionsunternehmen ren, Sozialunternehmen, dem Einzelhandel, der mit dem Rudolf-Freudenberg-Preis. Die- Gastronomie oder beispielsweise auch Golfclubs ser mit 5000 € dotierte Preis erinnert an und Flughäfen sowie Bildungseinrichtungen den Sozialpsychiater Dr. Rudolf Freuden- gingen Bestellungen ein. Dieser Erfolg hat den berg, der in der NS-Zeit nach England Mannschaftsgeist und das Engagement beflügelt, emigrieren musste und als Wegbereiter was zu einem erfolgreichen Zusammenwirken für die arbeitsorientierte Reform der aller Beteiligten geführt hat. Psychiatrie gilt. 24 KVJS Aktuell 3/2021
Jugend Heimunterbringung für die Jüngsten Was brauchen Säuglinge und Kleinkinder? Jahrestagung der Einrichtungsleitungen Mit Anforderungen an die Rahmenbedingungen und bedarfsgerechte Betreuung von Kleinkindern in der stationären Erziehungshilfe hat sich im März die Online-Jahres- tagung für Träger und Leitungen von Einrichtungen der Hilfe zur Erziehung befasst. In den letzten Jahren haben die Inobhutnahmen „Sehr junge Kinder in stationären Einrichtungen: und Heimunterbringungen von Kindern im Alter Wir wissen, was nötig wäre, aber wie können wir von null bis sechs Jahren deutlich zugenommen. es realisieren?“ lautete der Titel der Präsentation Vor diesem Hintergrund eröffnete Dr. Jürgen von Prof. Dr. Klaus Wolf von der Universität Siegen. Strohmaier, Referatsleiter und stellvertretender Auch vor dem Hintergrund von Forschungsergeb- Dezernent beim KVJS-Landesjugendamt, vor rund nissen und Modellprojekten zum Thema Bezie- 140 Gästen die Jahrestagung. hungswechsel verdeutlichte Prof. Dr. Klaus Wolf: „Wenn sich Betreuungspersonen verabschieden, Zu Beginn der Tagung gab Strohmaier einen Über- entsteht ein harter Schnitt. Das Ergebnis: In den blick anhand aktueller Zahlen aus der Heimerzie- Übergängen bei der Betreuung von vertrauten hung, der (ehemaligen) UMA sowie der Mutter- Personen zu fremden Personen verbunden mit Kind-Einrichtungen in Baden-Württemberg. dem Abschiedsprozess entsteht eine zusätzliche Dabei stellte er insbesondere die Entwicklung der Belastung für die Kinder.“ betriebserlaubten Plätze nach Angebotsformen und die Entwicklung der Platzzahlen zwischen Keine Schichtdienstgruppen 2017 und 2020 in den Mittelpunkt. Zentraler Sein Fazit: Bei der Betreuung von unter Sechsjäh- Bestandteil des Vortrags behandelte die Daseins- rigen in der stationären Erziehungshilfe sollten fürsorge für Kinder und Jugendliche unter Pan- die Kinder, wenn möglich, nicht in sogenannten demiebedingungen, speziell in Bezug auf die „Schichtdienstgruppen“ untergebracht werden. Heimerziehung in Baden-Württemberg. Wichtig sei auch, dass die Zusammenarbeit mit den Eltern als Bindungs- und Betreuungspersonen Thema Bindungsentwicklung regelmäßig stattfindet. Was ist Bindung? Was erklärt die Bindungstheorie? Welche Aufgabe hat die stationäre Jugendhilfe? Gabriele Addow/Mandy-Jane Breinlinger Aus wissenschaftlicher Perspektive blickte Prof. Dr. med. Alexander Trost, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Facharzt für Psychosomatische Medizin in Aachen, auf das Thema. Um die Bindungsentwicklung zu fördern, so Trost, brauche es sowohl institu- tionelle Voraussetzungen wie gut ausgebildete Mitarbeiter, persönliche Stabilität, Professionalität und Liebe sowie rechtliche Sicherheiten als auch Unterstützungssysteme. 3/2021 KVJS Aktuell 25
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