Die Kunst zu helfen und Hilfe anzunehmen - Themenschwerpunkt | Teil 2 - Zeitschrift für Betreuung und Pfl ege daheim - Land Vorarlberg

Die Seite wird erstellt Melina Niemann
 
WEITER LESEN
Die Kunst zu helfen und Hilfe anzunehmen - Themenschwerpunkt | Teil 2 - Zeitschrift für Betreuung und Pfl ege daheim - Land Vorarlberg
Zeitschrift für
Betreuung und
Pflege daheim

                                    Themenschwerpunkt | Teil 2

                  Die Kunst zu helfen und
                  Hilfe anzunehmen
                  1 | 2018 19. Jahrgang
Die Kunst zu helfen und Hilfe anzunehmen - Themenschwerpunkt | Teil 2 - Zeitschrift für Betreuung und Pfl ege daheim - Land Vorarlberg
Inhaltsverzeichnis

Editorial | 3
Hilfe, die ankommt | 4
Pflege. Ein zentrales Anliegen der Sozialpolitik | 5
Von der Wahrung der Würde und der Kunst, sich helfen zu lassen – Teil 2 | 6
Und manchmal ist es einfach zu viel ... | 10
Veranstaltungen | 12
Erholungsurlaub für pflegende Angehörige | 15
Ich nehme Hilfe in Anspruch | 16
Vom gewollten oder gesollten Leben | 18
Mehr Lebensfreude! | 19
Wenn ich mich verstecken möchte, ... | 20
„Bewusst gemacht“ | 22
Impressum und Vorschau | 23
Die Kunst zu helfen und Hilfe anzunehmen - Themenschwerpunkt | Teil 2 - Zeitschrift für Betreuung und Pfl ege daheim - Land Vorarlberg
Liebe Leserin,
lieber Leser,
in dieser Ausgabe widmen wir uns noch einmal
dem vielschichtigen Thema „Helfen und Hilfe
annehmen“. Wenn Menschen, die Angehörige
betreuen und pflegen, von ihren Erfahrungen
und Erlebnissen erzählen, berührt uns das und
wir bekommen eine leise Ahnung davon, welche
Belastungen damit verbunden sind. Für Men-
schen, die Betreuungs- und Pflegeaufgaben
erbringen, ist es hilfreich und entlastend immer
wieder einmal innezuhalten, um die Situation
zu reflektieren. Dies kann durchaus auch ein
Gespräch mit Bekannten oder Freunden sein.
Wie geht es allen Beteiligten? Sind Veränderungen
notwendig? Braucht es mehr Unterstützung oder
gibt es etwas, das sich überholt hat? Wie geht
es mir selbst?

Zugegeben, das „Hilfethema“ ist komplex und
schwierig und grundlegende Änderungen (wenn
notwendig) sind oft mit viel Einsatz und Arbeit
verbunden. Allzu oft sagen wir: „Es got scho“,
auf Dauer ist das möglicherweise keine tragende
Basis. Betreuungs- und Pflegesituationen sind
meist zeitlich nicht abschätzbar und deshalb sind
Vorgangsweisen gefragt, die die Bedürfnisse aller
Beteiligten berücksichtigen. Wir hoffen, dass die
Beiträge dieser Ausgabe für Sie viele hilfreiche
Informationen enthalten. Falls Sie den 1. Teil des
Beitrags „Von der Wahrung der Würde und der
Kunst, sich helfen zu lassen“ von Prof.in Dr.in
Ursula Immenschuh nachlesen wollen, können Sie
diesen auf der connexia Homepage herunterlan-
den oder die Ausgabe 4/2017 unter T +43 (0)5574
48787-0 oder E info@connexia.at bestellen.

Herzlichst,
Ihr „daSein“ Redaktionsteam

                                                     3
Die Kunst zu helfen und Hilfe anzunehmen - Themenschwerpunkt | Teil 2 - Zeitschrift für Betreuung und Pfl ege daheim - Land Vorarlberg
Hilfe, die ankommt
       Pflegende Angehörige übernehmen gemäß                Mitgliedsbeitrag. Die Hilfe des Krankenpflege-
       diverser internationaler Studien rund               vereins in Anspruch zu nehmen, ist jedoch für
       80 Prozent der Pflegeaufgaben an älteren             die meisten eine große Hürde.
       Menschen. Sie gelten als der „weltgrößte
       Pflegedienst“, der den Hauptteil der Pflege           Eigenständigkeit bewahren
       zu Hause übernimmt.                                 Die Hauskrankenpflege und der Mobile Hilfs-
                                                           dienst arbeiten mit der Klientin, dem Klienten zu
    Wenn eine Betreuungs- und Pflegesituation auf-         Hause in der vertrauten Umgebung. Durch das
    tritt oder sich verändert, sind die Angehörigen        „Eindringen“ der ambulanten Dienste in das per-
    und die Betroffenen selbst meist mit großen            sönliche Umfeld scheint die Privatsphäre gestört.
    Herausforderungen konfrontiert. Die Pflege und         Es bestehen oft Ängste bezüglich des Verlustes
    Betreuung muss organisiert werden, Pflegehilfs-        der Selbstständigkeit. Dementgegen steht der
    mittel und finanzielle Unterstützungsangebote          zentrale Leitgedanke und die Wirkungsweise der
    sind zu beantragen und oft muss ein Umbau zur          Krankenpflegevereine: „So viel Unterstützung wie
    Barrierefreiheit angedacht werden. Die Familie ist     nötig und so viel Eigenständigkeit wie möglich.“
    gefordert, sich intern neu zu organisieren.
                                                           Erwartungshaltungen unterstützen
    Die Krankenpflegevereine helfen                    Vielerorts ist es ganz selbstverständlich, dass die
    In Vorarlberg bieten 66 örtliche Krankenpflege-   Kinder die Pflege ihrer Eltern übernehmen. Einer-
    vereine ihre Unterstützung an. In der Organisa-   seits wollen sie den Eltern „etwas zurückgeben“
    tion der Pflege und Betreuung zu Hause, bei der   und andererseits werden pflegende Angehörige
    Körperpflege und in medizinischen Belangen.       in diese Rolle gedrängt, „weil es sich so gehört“.
    Betreuungs- und pflegebedürftige Menschen kön- Die Aufgabe zu pflegen und betreuen ist sehr
    nen oft dank der Hilfe der ambulanten Dienste     anspruchsvoll, zeitintensiv und führt leicht an
    wie Hauskrankenpflege, Mobiler Hilfsdienst und    Belastungsgrenzen heran. Eine frühzeitige In-
    auch Tagesbetreuung in ihrem vertrauten Umfeld anspruchnahme der Hilfe durch Pflegeleistun-
    wohnen bleiben. Das Case Management begleitet gen der ambulanten Dienste ist zielführend und
    und berät Betroffene und Angehörige und schafft vermeidet Überforderung und Hilflosigkeit. Die
    so eine individuelle, lückenlose Versorgung. Im   Hauskrankenpflege sieht sich auch als Beratung
    Rahmen der sogenannten „Vorsorgehausbesuche“      und Unterstützung für pflegende Angehörige.
    erhalten Seniorinnen und Senioren ab dem 75.
    Lebensjahr kostenlos Tipps und Hilfe, wie sie     Finanzielle Beratung
    möglichst lange unabhängig, sicher und gut        Die Hauskrankenpflege informiert in Zusammen-
    betreut zu Hause leben können.                    arbeit mit dem Case Management über die
                                                      finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten wie
    Die Kunst, Hilfe anzunehmen                       z.B. das Pflegegeld, den Zuschuss zum Pflege-
    Die meisten zu Pflegenden sind seit Jahren Mit-   geld, die Förderung der 24 Stunden Hilfe etc. Sie
    glied im örtlichen Krankenpflegeverein, sie besu- schaffen so die nötige Transparenz und die Basis
    chen Jahreshauptversammlungen, bezahlen den       für eine befriedigende Betreuungssituation.

                                    Eleonora Dür, DGKPin, akademische Pflegemanagerin, Pflegeleitung
4
                                    Hauskrankenpflege, Sozialsprengel Vorderwald
Die Kunst zu helfen und Hilfe anzunehmen - Themenschwerpunkt | Teil 2 - Zeitschrift für Betreuung und Pfl ege daheim - Land Vorarlberg
Pflege. Ein zentrales Anliegen
   der Sozialpolitik                                        Die Menschen möchten in ihrer
                                                            gewohnten Umgebung bleiben.
Land und Gemeinden beschließen
                                                    Angehörigen. In vielen Vorarlberger Regionen
Maßnahmenpaket nach Abschaffung
                                                    gibt es das Angebot bereits. Ab 2018 folgt die
des Pflegeregresses
                                                    Erweiterung.
   Anfang 2018 wird der sogenannte Pflege-         • Vier Einrichtungen erproben eine „geronto-
   regress österreichweit abgeschafft. Das          psychiatrische Tagesbetreuung“. Hier werden
   bedeutet: Das Ersparte, aber auch Vermö-         Menschen mit Demenz oder Depressionen
   gen wie eine zweite Wohnung oder ein             tagsüber speziell betreut – eine große Ent-
   Grundstück werden nicht mehr angetastet,         lastung für die Angehörigen.
   wenn eine pflegebedürftige Person ins Heim • Die Qualitätssicherung der 24-Stunden-Betreu-
   kommt. Was für die einzelne Person und           ung bleibt Thema. Sie wird besser an das
   deren Erben ein großer Vorteil ist, verursacht   Case Management, die Hauskrankenpflege
   dem Land Vorarlberg und den Gemeinden            und andere ambulante Angebote angebunden.
   hohe Kosten: Millionen Euro an Einnahmen         Ein Gütesiegel für die Vermittlungsagenturen
   fallen weg, gleichzeitig werden mehr             ist geplant.
   Menschen einen Heimplatz beanspruchen.
                                                         Mit zwei Maßnahmen reagieren wir auch im
Für Vorarlberg bedeutet die Abschaffung des              vorgelagerten und stationären Bereich auf die
Pflegeregresses also eine große Herausforderung.         Abschaffung des Pflegeregresses
Wir – Land und Gemeinden – begegnen dieser         • Der verstärkte Ausbau betreuten Wohnens und
Verantwortung aktiv mit einem 7-Punkte-Plan.         betreuter Wohngemeinschaften soll zusätzlich
Er soll vor allem die Pflege zuhause unterstützen.   Platz für Seniorinnen und Senioren bieten, die
Ältere Menschen wollen ja möglichst lange in         zwar ein geringes Maß an Unterstützung brau-
ihrer gewohnten Umgebung bei ihrer Familie           chen, jedoch ansonsten im Alltag alleine zu-
bleiben. Das wollen wir ihnen und ihren Ange-        rechtkommen. Diese Wohnformen ermöglichen
hörigen mit zusätzlichen Angeboten ermöglichen.      selbständiges Wohnen mit einem individuellen
                                                     Angebot an Betreuung und Pflege.
Unser Maßnahmenpaket für den                       • Bei Bedarf können wir in mehreren Pflegehei-
ambulanten Bereich                                   men insgesamt 60 Pflegebetten aktivieren, die
• Das Case Management bekommt mehr Personal.         derzeit als „stille Reserve“ bereitstehen. Parallel
  Damit können Pflegebedürftige und ihre Ange-       investieren wir in die Ausbildung zusätzlichen
  hörigen besser begleitet werden, um die opti-      Pflegepersonals. Eine Imagekampagne soll das
  male Lösung in jedem Einzelfall zu finden.         Vertrauen in die Langzeitpflege stärken und
• Der ambulante Bereich wird mit einer Million       für eine Mitarbeit im Pflegebereich werben.
  Euro zusätzlich unterstützt.
• Die „ambulante gerontopsychiatrische Pflege“     Betreuung und Pflege haben in Vorarlberg eine
  wird verstärkt. Sie bietet Hilfe vor Ort für     hohe Qualität. Ich bin überzeugt: Mit diesen
  ältere Menschen mit Erkrankungen wie             Maßnahmen wird es uns gelingen, diese Qualität
  Demenz oder Depressionen sowie für ihre          auch in Zukunft sicherzustellen.

                                 Landesrätin Katharina Wiesflecker
                                                                                                           5
Die Kunst zu helfen und Hilfe anzunehmen - Themenschwerpunkt | Teil 2 - Zeitschrift für Betreuung und Pfl ege daheim - Land Vorarlberg
Von der Wahrung der Würde und
    der Kunst, sich helfen zu lassen Teil 2
       Würdevoller Umgang miteinander                   befürworten, aber die Person, die ja nicht nur aus
       Die Scham der anderen erkennen bedeu-            dieser Tat besteht, sondern auch andere Anteile
       tet, zuerst einmal die eigene Scham zu           hat, bekommt die Anerkennung nicht entzogen.
       erkennen und an-zu-erkennen. Die eigene          Das kann in der Helferinnen- und Helferbeziehung
       Schambiografie anschauen und sich dessen          ganz schwierig werden, wenn beispielsweise die
       bewusst werden, welche Situationen für           Scham, sich helfen lassen zu müssen in Aggres-
       mich schambesetzt sind, welche roten             sion und Gewalt umschlägt, in Beschimpfungen
       Knöpfe ich habe, wo bei mir die Scham an-        und Schlagen. Dann wird diese Trennung schwie-
       springt. Ist es etwa mehr, wenn ich dabei        rig umzusetzen. Es geht dann darum, auch die ei-
       ertappt werde, dass ich einen Fehler ge-         gene Person, die des Helfenden anzuerkennen und
       macht habe, wenn ich nackt gesehen werde         Grenzen zu setzen, etwa indem man sagt: „Ich
       oder wenn eine Schwäche von mir publik           helfe dir gern, denn du bist mir wichtig. Aber so
       wird? Oder sind es nochmal ganz andere           kannst du mit mir nicht umgehen. Ich werde dich
       Situationen? Mir selber die Scham zuzuge-        nicht mehr versorgen können, wenn du mich so
       stehen, sie zu fühlen ist die Voraussetzung      demütigst.“ Damit kommen wir zum zweiten Be-
       dafür, sie auch bei anderen wahrnehmen zu        dürfnis: dem Schutz.
       können und sie ihnen zu lassen.
                                                        Schutz
                                                        Während die Anerkennung quasi sagt „Sieh
    men? Stephan Marks (z.B. 2010, 2013) gibt uns       mich!“, sagt der Schutz „Sieh aber nicht alles von
    dafür ganz einfache Kriterien an die Hand. Wir      mir und nicht immer“. Wir brauchen auch Pri-
    können würdevoll mit der Scham umgehen,             vatheit, Schutz vor Blicken, vor Eindringen, vor
    indem wir die vier Grundbedürfnisse wahren:         Intimitätsverlust, sonst werden unsere Grenzen
    Anerkennung, Schutz, Zugehörigkeit und Inte-        verletzt. Grenzverletzungen können aktiv gesche-
    grität. Und das bei allen Beteiligten.              hen, indem jemand die Grenze des anderen über-
                                                        schreitet, z.B. ein Geheimnis in der Öffentlichkeit
    Anerkennung                                         preisgibt, Intimitäten nach außen trägt. In der
    Wir Menschen sind auf Anerkennung angewie-          Pflege von Menschen gehören Grenzüberschrei-
    sen. Nicht eine narzisstisch orientierte Nahrung    tungen dazu. Manchmal muss jemand nackt von
    für unser Ego, sondern die Anerkennung des          anderen gesehen werden, es müssen Schmerzen
    Menschen, der Person, die ich bin. Hier kommt       zugefügt werden z.B. durch Spritzen, es müssen
    der Würde-Begriff wieder ins Spiel: Wir alle ha-    auch manchmal Fremde in die Pflege einbezogen
    ben eine Würde, die wir uns nicht erst verdienen    werden, oder intime Details den Mitarbeitenden
    müssen. Würde ist nicht an Leistung, Schönheit      der jeweiligen Pflegedienste mitgeteilt werden.
    oder Funktion gebunden. Nicht nur „Würdenträ-       Grenzüberschreitungen können auch passiv pas-
    ger“ haben eine Würde, sondern alle Lebewesen       sieren. Das berühmte Fettnäpfchen, in das man
    haben eine Würde. Dafür gebührt uns unein-          treten kann, wenn man etwas an die Öffentlich-
    geschränkte Anerkennung, egal ob wir gesund,        keit bringt, das da nicht hingehört. Schon wenn
    pflegebedürftig, unabhängig oder körperlich         die Nachbarin mitfühlend fragt: „Und, wie geht
    beeinträchtigt usw. sind. Die Anerkennung der       es Ihrer Mutter heute Morgen?“, kann die Gefahr
    Person ist gegebenenfalls von der Tat zu trennen:   bestehen, dass etwas von ihr preisgegeben wird,
    Auch wenn wir Fehler machen, sogar wenn wir         das ihren Schutz verletzt. Das bedeutet zum ei-
    jemanden umgebracht haben, gebührt uns die          nen, dass man sich darum bemühen muss, die
    Anerkennung als Person. Die Tat muss niemand        Grenzen des anderen zu erfragen. Es bedeutet

6
Die Kunst zu helfen und Hilfe anzunehmen - Themenschwerpunkt | Teil 2 - Zeitschrift für Betreuung und Pfl ege daheim - Land Vorarlberg
auch, dass man seine eigenen Grenzen kennen              lierbare und Ungeplante. Also sehr vieles, was
und wahren muss. Und drittens, dass man mit              das Leben auch zu bieten hat: Krankheit, Armut,
den unvermeidbaren Grenzverletzungen gut um-             Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein, Tod. Trotzdem die
geht. Wenn jemand auf Hilfe angewiesen ist, und          Ideale zu verfolgen hat den Preis, dass wir alle
wacht beispielsweise nachts auf mit dem Bedürf-          die Diskrepanz fürchten zwischen dem, was wir
nis auf die Toilette zu gehen, muss er oder sie die      sein wollen und dem, was wir sind. „Das sollst
Grenze der Person überschreiten, die eine unge-          du von mir nicht sehen“, ist der Satz, der dazu
störte Nachtruhe braucht. Es kommt dann sehr             gehört. In unserer Gesellschaft werden selbst
darauf an, wie der- oder diejenige es macht. Hier        körperliche Bedürfnisse, wie Blähungen ablassen
kommt die Regulierung der Scham ins Spiel, von           oder Magengrummeln aufgrund von Hunger,
der ich weiter oben bereits sprach: in der Inter-        versucht zu unterdrücken. Nagelpilz, Mund-
aktion wird ausgetragen, wie das geht. Z.B. wenn         geruch oder Schwitzen können in bestimmten
so etwas immer wieder vorkommt kann es helfen,           gesellschaftlich wichtigen Situationen sehr
wenn Absprachen getroffen werden, dass sich die          schambesetzt sein. Wie ist es da erst mit Hilfs-
helfende Person einen Wecker stellt, damit die           bedürftigkeit, in der man mehr oder weniger
auf Hilfe angewiesene Person nicht immer unsi-           ausgeliefert ist und andere alles sehen können?
cher sein muss, ob sie sie stören darf oder nicht.
Oder dass ausgesprochen wird zwischen beiden,            Normalerweise wird versucht, nach außen ein
welche Gefühle das jeweils hervorruft usw. Man           Bild zu vermitteln, mit dem man in bestimmten
sieht daran, wir können uns nicht nur selber             Gruppen dazugehört. Das ist bei der Gruppe der
schützen, sondern auch gegenseitig. Das gelingt          punkig aussehenden Jugendlichen nicht anders
vor allem, wenn die Zugehörigkeit außer Frage            als im Kegelclub. Die eigenen Schwächen ver-
steht, unser drittes Grundbedürfnis.                     stecken, die Arbeitslosigkeit verschweigen, die
                                                         Armut versuchen zu vertuschen, all das sind Be-
Zugehörigkeit                                            mühungen, nicht die Zugehörigkeit zu verlieren.
Dass es unglaublich schmerzhaft sein kann,               Alter, Gebrechen, Hilflosigkeit können das Ge-
nicht dazuzugehören wissen alle, die schon               fühl der Zugehörigkeit verletzen, wie wir bei Frau
einmal Ausgrenzung erfahren haben. Dieses                Fink (4. Ausgabe 2017 / Teil 1) vermuten können.
Grundbedürfnis ist bei vielen Menschen verletzt,         Lieber sterben als mit diesem Gefühl zu leben,
die auf Hilfe angewiesen sind, die am Rand               kann die Folge sein. Es ist für unsere Gesellschaft
der Gesellschaft stehen. Hilge Landweer (1999,           und für alle auf Hilfe angewiesenen Menschen
2013) sagt, dass man immer dann Ausgrenzung              sehr wichtig, dass wir einander ein Gefühl der
erfahren kann, wenn man etwas gemacht hat                Zugehörigkeit vermitteln. „Du gehörst zu uns“,
oder so ist, dass es die Normen der Mitmen-              das wäre die Zusage, die auch nicht entzogen
schen, der Gesellschaft, verletzt. In unserer            wird, wenn jemand aus der Leistungsgesellschaft
Gesellschaft gilt das Ideal, leistungsfähig und          herausfällt. Wenn das für uns alle gilt, ist das
kontrolliert zu sein, gesund, schön und aktiv. So        Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit gewahrt.
sind wir Menschen aber nur zum Teil. Ausge-              Und wir schützen damit auch das letzte der vier
grenzt wird mit diesen Idealen alles Unkontrol-          Grundbedürfnisse: die Integrität.

                                 Prof. in Dr.in Ursula Immenschuh,
                                 Katholische Hochschule Freiburg                                               7
Die Kunst zu helfen und Hilfe anzunehmen - Themenschwerpunkt | Teil 2 - Zeitschrift für Betreuung und Pfl ege daheim - Land Vorarlberg
Integrität                                           Zusammenfassung
    Eigentlich wissen wir nämlich alle, dass wir das     Vielleicht wurde es bereits deutlich, aber ich
    Leben nicht kontrollieren können, dass Krankheit,    möchte gerne nochmals betonen: Ob sich jemand
    Alter und Sterben zum Leben dazugehören und          seiner Hilfsbedürftigkeit schämen muss, liegt
    wir nicht wissen können, ob und wann sie auch        auch an uns allen. An den gesellschaftlichen
    uns erreichen. Wenn wir nach den eigenen Werten      Normen, die wir vertreten und an den Bedingun-
    leben, wenn wir uns morgens noch im Spiegel          gen, die wir schaffen, damit alle, die der Hilfe
    anschauen können, dann haben wir unsere Inte-        bedürfen, gut versorgt sind. Damit schaffen wir
    grität gewahrt. Anders gesagt: Immer, wenn wir       den Kontext, der mit entscheidend ist, ob sich
    gegen unser Gewissen und unsere Werte gehandelt      diejenigen von uns, die der Hilfe bedürfen, schä-
    haben, verletzen wir unsere Integrität. Das kann     men. Ob sich dann aber jemand der Hilfsbedürf-
    beispielsweise sein, wenn ein Sohn in der Überfor-   tigkeit schämt, ist individuell. Die Scham ist ein
    derung seine demenziell erkrankte Mutter schlägt     universelles Gefühl, wir alle kennen sie. Sie ist
    oder wenn wir jemanden mit Worten gedemütigt         gleichzeitig individuell, auch abhängig von unse-
    und damit unwürdig behandelt haben. Es ist die       rer Prägung und von unseren Werten. Die Scham
    Scham der Täterinnen und Täter. Wie schmerzhaft      ist eines der schmerzhaftesten Gefühle, die wir
    diese sein kann, hat der Vietnam-Krieg gezeigt.      kennen. Sie ist aber damit auch ein wirkungs-
    Es haben nach dem Krieg mehr US-Veteranen ihr        voller Schutz, denn sie zeigt uns an, wenn unser
    Leben durch Suizid verloren, als im Krieg gestor-    Innerstes verletzt wird. Die Scham zu fühlen be-
    ben sind. Gegen die eigenen Überzeugungen zu         deutet, dass wir die Chance erhöhen, die Würde
    handeln kann einen so peinigen, dass man damit       zu wahren – unsere eigene und die der anderen.
    nicht leben kann. Man ist sich „etwas schuldig
    geblieben“. Es ist aber auch die Scham der Zeu-      Wichtig ist dabei zu wissen, dass die Scham
    gen von Unrecht. Wenn wir mitbekommen, wie           oft in Verkleidungen daherkommt: Aggression,
    jemand beschämt, verhöhnt, ungerecht behandelt       Gleichgültigkeit oder gar Schamlosigkeit, Erstar-
    wird, und nichts unternehmen dagegen, schämen        rung und anderes. Die Sensibilität zu entwickeln,
    wir uns. Wir können also die Würde wahren,           hinter diese Masken zu schauen macht erst mög-
    wenn wir unseren eigenen Werten treu bleiben         lich, die Scham als Hüterin der Würde wahr-
    und die Werte anderer achten.                        zunehmen. Wie dann würdevoll mit der Scham

8
Die Kunst zu helfen und Hilfe anzunehmen - Themenschwerpunkt | Teil 2 - Zeitschrift für Betreuung und Pfl ege daheim - Land Vorarlberg
umgegangen werden kann, können wir anhand              Aus diesen Ausführungen wird deutlich: Die
der vier Grundbedürfnisse beschreiben: indem           Scham derer, die Hilfe annehmen müssen, kann
wir uns selber und den anderen Anerkennung             durch den Umgang anderer mit dieser Scham
entgegenbringen, ihre Grenzen wahren so gut es         beeinflusst werden. Dass aber auch diejenigen
möglich ist, ihnen Zugehörigkeit vermitteln und        Scham empfinden können, die die Hilfe leisten,
ihre Werte achten.                                     wäre einen eigenen Artikel wert. Ich verweise
                                                       als erweiternde und vertiefende Literatur hierzu
Das alles übertragen auf die Situation von Frau        auf das Buch „Scham und Würde in der Pflege“
Fink bedeutet, dass wir wissen, wir müssen und         (Immenschuh & Marks, 2014), das als Ratgeber,
können ihr die Scham nicht ausreden, die sie           auch für pflegende Angehörige, verfasst ist. Was
bezüglich ihrer Hilfsbedürftigkeit empfindet. Wir      aber nicht zu oft betont werden kann ist, dass
können aber viel tun, indem wir uns an den             wir die Würde wahren, wenn wir einen Raum zur
vier Grundbedürfnissen orientieren. Ein paar           Verfügung stellen, in dem Scham sein darf und
Ideen hierzu sind: Es geht darum, sie als Person       die Menschen so angenommen sind, wie sie sind.
anzuerkennen, wie sie ist. Mit allem, was sie ge-      Dann kann die Scham als Hüterin der Würde
leistet hat, mit ihrer Trauer über die Hilflosigkeit   ihre Kraft entfalten und die Kunst, sich helfen zu
und mit der Art, wie sie diese ausdrückt. Wir          lassen, hat bessere Chancen zu gelingen.
können ihr die Anerkennung vermitteln, indem
wir ihr Leben würdigen und auch würdigen, wie
schwer es ihr fällt mit dieser Situation zu leben.
Ihre Grenzen können wir achten, indem wir sie          Literatur
in Pflegeentscheidungen mit einbeziehen, indem         • Immenschuh, Ursula & Marks, Stephan (2014): Scham
wir ihr die Trauer lassen und sensibel damit um-         und Würde in der Pflege. Mabuse Verlag, Frankfurt.
gehen. Wenn wir das Gefühl haben, dass sich            • Marks, Stephan (2011). Warum folgten sie Hitler? Die
ein Mensch akut schämt, ist es manchmal besser,          Psychologie des Nationalsozialismus. Ostfildern: Patmos
diesen eine Weile alleine zu lassen und später           (2. Aufl.).
wieder zu kommen. Beim Reden über die Scham            • Marks, Stephan (2013): Scham - die tabuisierte Emotion.
ist Sensibilität für die Grenzen sehr wichtig.           Ostfildern: Patmos (4. Aufl.).
                                                       • Landweer, Hilge (1999). Scham und Macht. Phänome-
Die Zugehörigkeit kann man auf vielerlei Arten           nologische Untersuchungen zur Sozialität eines Gefühls.
vermitteln. „Du gehörst zu uns und bist wert-            Tübingen: Mohr Siebeck.
voll, so wie du bist“ könnte ein Satz sein, der        • Landweer, Hilge (2013). Scham – die Macht eines Ge-
Zugehörigkeit und Anerkennung vermittelt. Man            fühls. Vortrag im Rahmen der Tagung „Scham“ an der
kann auch dafür sorgen, dass Besuch kommt                Katholischen Stiftungsfachhochschule München am
oder dass sinnvolle Beschäftigungen möglich              22.11.2013. http://www.ksfh.de/files/Landweer_Scham_
sind. Gerade für Menschen, die viel geleistet            München%2022%2011%202013.pdf (17.01.2014)
haben, kann Teilhabe an der Gesellschaft wich-         • Nietzsche, Friedrich (1965). Die fröhliche Wissenschaft.
tig sein. Integrität zu wahren kann bedeuten,            Sämtliche Werke Bd. 5. Stuttgart: Alfred Kröner.
dass man den Wert, der dahintersteckt dass sich        • Stoecker, Ralf (2017): Das höchste Gut? Menschenwürde
jemand unnütz fühlt, anerkennt. „Du hast im-             aus moralphilosophischer Sicht. In: Dr. med. Mabuse
mer so viel geleistet und das war dir auch sehr          227, Mai/Juni 2017, S. 22-25.
wichtig. Dass du das jetzt nicht mehr kannst, ist      • Wurmser, Leon (1997). Die Maske der Scham. Zur Psy-
für dich schlimm“ könnte ein Satz sein, der den          choanalyse von Schamaffekten und Schamkonflikten.
Wert dahinter herausstellt.                              Berlin: Springer-Verlag (3. Aufl.).

                                                                                                                    9
Die Kunst zu helfen und Hilfe anzunehmen - Themenschwerpunkt | Teil 2 - Zeitschrift für Betreuung und Pfl ege daheim - Land Vorarlberg
Und manchmal ist es einfach
 zu viel ...                    Wenn die Seele Entlastung braucht

     „Wenn du Ja zu anderen sagst, sorge dafür,
     dass du nicht Nein zu dir selbst sagst.“
     Paulo Coelho

 Einmal Zeit für mich
 „Was würdest du als Erstes tun, wenn du einmal
 Zeit für dich hättest?“, frage ich Frau S. Lächelnd
 meint sie: „Dann würde ich schreiben. Ich hätte so
 viele Gedanken, die ich gern aufschreiben würde.
 Ich habe immer schon gern geschrieben!“ Wäh-
 rend sie noch lächelt, laufen ihr Tränen über die
 Wangen. „Was bedeuten deine Tränen?“, frage ich
 sie. „Ich weiß nicht, es hat schon so lange nie-
 mand mehr gefragt, was ich möchte ...“

 Seit vielen Jahren pflegt Frau S. ihren Ehemann.         und Zuneigung ist nach dem verwandtschaftli-
 Er wurde bei einem Unfall schwer verletzt und ist        chen Verhältnis, der Selbstverständlichkeit und
 seither pflegebedürftig. Dieser Unfall hat ihrem         dem Versprechen erst das vierthäufigste Motiv
 Familienleben ein jähes Ende gesetzt und die Ehe         für das Übernehmen der Pflege. Dies erklärt auch
 sprachlos gemacht. Frau S. zieht ihre beiden Kin-        die Ambivalenz, die nicht selten in den Herzen
 der alleine groß und pflegt nebenbei ihren Mann.         der pflegenden Angehörigen herrscht. Manchmal
 Vorbei die Familienurlaube, vorbei die Zeit allein       war es eine Herzensangelegenheit, manchmal eine
 mit Freundinnen, vorbei die Gespräche darüber,           Vernunftentscheidung, eine ethisch-moralische
 was am besten für die Kinder sei. Freunde haben          Verpflichtung, und meist war es einfach keine
 sich abgewandt, für Einladungen hat sie praktisch        Frage, sondern Selbstverständlichkeit. Doch die
 keine Zeit. In ihrer Gefühlswelt mischen sich Trau-      Beziehung, die wir zur gepflegten Person vorher
 er über den Verlust, Ärger, dass alles so gekom-         hatten, prägt auch das Pflegeverhältnis. Gerade in
 men ist, Liebe, wenn ihr Mann einen guten Tag            der Pflege der Eltern oder Schwiegereltern schwin-
 hat und wacher ist als sonst, Dankbarkeit ob der         gen Emotionen mit, die oft eine lange Geschichte
 Erinnerung - und manchmal Verzweiflung, ob das           haben. Alte Kränkungen unserer Lebensgeschich-
 alles je wieder anders werden wird.                      te, mangelnde Anerkennung, der man jahrelang
                                                          nachgelaufen ist, Schuldgefühle, unausgesproche-
 Motive und Emotionen                                     ne Erwartungen und Wut mischen sich in die Be-
 So wie Frau S. geht es vielen pflegenden Angehö-         reitschaft, Zeit, Energie und Herzblut in die Pflege
 rigen. Viele haben wie sie völlig selbstverständlich     des nahestehenden Menschen zu investieren.
 die Pflege für einen Menschen übernommen, der
 ihnen nahesteht. Manchmal aus Nächstenliebe              Was die Belastung für Folgen hat ...
 oder Mitleid. Bei der Betreuung der eigenen Eltern       Das Belastende in der Betreuungs- und Pflegesi-
 ist es oft eine Form der Wiedergutmachung, ein           tuation ist oft die Tatsache, dass 24 Stunden Prä-
 Versuch, den Eltern „etwas zurückzugeben“. Liebe         senz und Verantwortung gefordert sind, kaum Zeit

                                   Mag.a Beate Huter, DGKPin, (Kinder- und Jugendlichenpflege)
                                   Klinische und Gesundheitspsychologin, Supervisorin und Coach
10
für Freizeit und Ausgleich bleibt, die eigenen         Manchmal auch aus dem Glauben, psychologische
Bedürfnisse hintanstehen müssen, soziale Isola-        oder therapeutische Hilfe brauche man nur, wenn
tion droht und Lob und Anerkennung sehr rar            man „eine Macke habe“. Doch wer die Schwellen-
sind. In mancher Hinsicht ist diese Situation mit      angst überwunden hat, stellt fest, dass jede Form
jener von Müttern mit Kleinkindern zu verglei-         der seelischen Entlastung gut tut und wie eine Art
chen. Auch das oft herausfordernde Verhalten           Qualitätsmanagement wirkt. Es tut uns gut, wenn
der zu betreuenden Person, die psychische und          wir uns selbst einmal in den Mittelpunkt stellen.
emotionale, aber auch die soziale und finanzielle      Wir werden wieder kraftvoller, sehen klarer, spü-
Belastung zehren an den Nerven. Hinzu kommt,           ren uns selbst wieder, kennen unsere Grenzen
dass unterbrochene Nächte, Heben und Tragen            besser und sind somit wieder gestärkt, den Pfle-
zu Kreuz- und Kopfschmerzen, Verspannungen,            geprozess weiterzuführen, ohne uns selbst zu ver-
Magenschmerzen und Schlafstörungen führen.             lieren. Manchmal können wir die Lebenssituation
Häufig leiden pflegende Angehörige unter Angst         verändern, manchmal nicht – immer aber können
und Depression. Schuldgefühle bezüglich eigener        wir unseren Umgang mit der Lebenssituation ver-
Aggressionen und Ungeduld, gefolgt von Scham           bessern. „Bringen Sie doch mal Ihre Tochter mit“,
für die eigenen Gedanken kommen dazu.                  sage ich zu Frau S. „Nein“, sagt sie und strahlt,
                                                       „sicher nicht. Die Stunde gehört mir ganz allein.“
Unterstützungsangebote                                 Und für eine Schreibwerkstatt für Frauen meldet
Manche Unternehmen haben, was die Lebensorga-          sie sich auch gleich an. Wochen später, unser
nisation betrifft, diese Ähnlichkeit der Belastung     Beratungsprozess ist bereits beendet, erreicht
zu jener von Eltern kleiner Kinder erkannt und         mich eine Nachricht von Frau S.: „Ich wollte nur,
räumen pflegenden Angehörigen dieselben Rech-          dass Sie wissen, dass es mir sehr gut geht. Die
te ein wie Eltern in Karenz. Überhaupt rückt die       Herausforderung ist gleich, aber mir ist jetzt klar,
Situation pflegender Angehöriger immer mehr in         dass meine Bedürfnisse auch eine Daseinsberech-
den Fokus. Das Land Vorarlberg bietet einwöchige       tigung haben. Ich spüre mich selbst wieder und
Erholungsurlaube für pflegende Angehörige an, es       tue mir gut. Das fühlt sich sehr gut an.“
gibt Schulungen und Beratungsdienste, Essen auf
Rädern, Putzhilfen, Tagespflege, Besuchsdienste,       Literatur
ärztliche und finanziell-rechtliche Unterstützung.     • Entlastung für die Seele, Broschüre für Angehörige: http://
Die am meisten vernachlässigte Unterstützung ist          www.bagso.de/fileadmin/Aktuell/Publikationen/2013/Ent-
jedoch die seelische Entlastung der Angehörigen.          lastung_fuer_die_Seele_5._Auflage_Mai_2013.pdf
Nicht, dass es keine Angebote gäbe – die Band-         • Lamura, G. et al (2006). Erfahrungen von pflegenden
breite zwischen psychologisch-therapeutischer             Angehörigen älterer Menschen in Europa bei der Inan-
Beratung, Angehörigengruppen, Krisentelefonen             spruchnahme von Unterstützungsleistungen. Zeitschrift
und Gruppen für Angehörige von Menschen mit               für Gerontologie und Geriatrie 39, 429-442.
Demenz oder kranken Kindern ist in Vorarlberg          • Gensluckner, C. und Holzer, J. (2005). Pflege aus Sicht
institutionsübergreifend groß. Studien zeigen, dass       der pflegenden Angehörigen. Empirische Untersuchung
diese Hilfe die Belastungssymptome der Angehöri-          bezüglich Belastungen pflegender Angehöriger und der
gen deutlich reduzieren können.                           Entlastungsmöglichkeiten. Fachbereichsarbeit, Kranken-
                                                          pflegeschule Kufstein.
Doch wenngleich der Bedarf hoch ist, werden sie  • Hilfe für die Helfer: Wenn Pflege die Angehörigen
nicht immer gleich angenommen – aus finanziellen   erschöpft. (2013). http://www.spiegel.de/gesundheit/
Gründen, mangels Betreuung für die zu betreu-      diagnose/hilfe-fuer-pflegende-wenn-pflege-von-
ende Person oder aus mangelnder Information.       angehoerigen-erschoepft-a-879270.html

                                                                                                                       11
Veranstaltungen
 Do 18. Jänner 2018                                  Mo 29. Jänner 2018
 Ernährung und Krebs –                               Ernährung, die uns gesund macht
 Seminar in Palliative Care                          und gesund erhält
 Univ.-Prof. Dr. Gebhard Mathis, Claudia Brug-       Mag. Rudolf Pfeiffer | 19 Uhr | Seniorenheim
 ger, Mag.a Birgit Kubelka | 14 bis 17.30 Uhr |      Wolfurt, Gartenstraße 1 | Eintritt: freiwillige
 Anmeldung und Ort: Bildungshaus Batschuns |         Spenden | Veranstalter: connexia
 Veranstalter: Bildungshaus Batschuns
                                                     Mi 14. Februar 2018 und
 Sa 20. Jänner 2018, Di 30. Jänner,                  Di 27. Februar 2018
 Di 6. Februar und Di 27. Februar 2018               „Manchester by the Sea“
 Atem − Bewegung − Stimme                            Drama | 19.30 Uhr, Spielboden Dornbirn |
 Dr.in Lisa Malin | Samstag 9 bis 17 Uhr | jeweils   Anmeldung und Veranstalter: pro mente
 dienstags 17.45 bis 19.45 Uhr | Anmeldung und       Vorarlberg
 Ort: Bildungshaus Batschuns | Veranstalter:
 Bildungshaus Batschuns                              Do 15. Februar 2018 und
                                                     Di 13. März 2018
 Mi 24. Jänner 2018                                  „Mängelexemplar“
 Schlaganfall und dann wieder daheim                 Tragikomödie | 19.30 Uhr, Spielboden Dornbirn |
 Doris Hauser | 18.30 Uhr | Im Schützengarten,       Anmeldung und Veranstalter: pro mente
 Lustenaus Treffpunkt für Gesundheit und             Vorarlberg
 Soziales, Schützengartenstr. 8, Lustenau |
 Eintritt: € 5 | Veranstalter: connexia              Mo 19. Februar 2018
                                                     Finanzierung häuslicher Pflege
 Mi 24. Jänner 2018                                  und Heimaufenthalt
 Leichter leben – mehr Energie                       Manfred Lackner | 19 Uhr, Pfarrsaal St. Karl
 und Wohlbefinden                                     Hohenems, Marktstraße 1a | Eintritt: € 5 |
 Sabine Klimmer, MBA | 19.30 Uhr, Haus der           Veranstalter: connexia
 Generationen Götzis, Mehrzwecksaal, Schulg. 5 |
 Freier Eintritt | Veranstalter: connexia            Di 20. Februar 2018 und
                                                     Do 15. März 2018
 Do 25. Jänner 2018                                  „Ich wollte nicht mehr aufstehen“
 Sinnlichkeit im Alter                               Dokumentation | 19.30 Uhr, Spielboden
 Dr. Klaus Zitt | 19.45 Uhr | Pfarrsaal Thüringen,   Dornbirn | Anmeldung und Veranstalter:
 Sägawinkl 14 | Eintritt: 5 € | Veranstalter:        pro mente Vorarlberg
 connexia
                                                     Di 27. Februar 2018
 Sa 27. bis So 28. Jänner 2018                       „Was steht mir zu?“ - Finanzielle
 Das Enneagramm                                      Unterstützungs- und Entlastungsangebote
 Die neun Gesichter der Seele                        für Betroffene und pflegende Angehörige
 Norbert Schnetzer | Sa 9 bis So 16 Uhr |            Edith Ploss | 18.30 Uhr, Sozialzentrum Bürs,
 Anmeldung und Ort: Bildungshaus Batschuns |         Judavollastraße 3 | Freier Eintritt |
 Veranstalter: Bildungshaus Batschuns                Veranstalter: connexia

12
Do 1. März 2018                                       Di 13. März 2018
Depressionen im Alter                                 Richtig und rechtzeitig im Alter vorsorgen
Dr. Albert Lingg | 19 Uhr | Anmeldung und Ort:        Mag. Günter Nägele | 18 Uhr | Anmeldung und
Bildungshaus Batschuns | Veranstalter: Bildungs-      Ort: Bildungshaus Batschuns | Veranstalter:
haus Batschuns                                        Bildungshaus Batschuns

Do 1. März 2018 und                                   Mo 19. März 2018
Mi 21. März 2018                                      Medikamente richtig einnehmen
„4 Könige“                                            Mag. Klaus Michler | 19.30 Uhr, Pfarrsaal Langen
Drama | 19.30 Uhr, Spielboden Dornbirn |              b. Bregenz | Eintritt: € 5 | Veranstalter: connexia
Anmeldung und Veranstalter: pro mente
Vorarlberg                                            Di 20. März 2018
                                                      Mit Heilpflanzen durch das Jahr
Di 6. März 2018                                       Ingeborg Sponsel | 18.30 Uhr, Stadtvertretungs-
Sturzprävention                                       saal, Rathaus Bludenz, Werdenbergerstraße 42 |
Manuel Müller-Graber, Andrea Gross | 18 Uhr |         Freier Eintritt | Veranstalter: connexia
Information und Ort: Lebensraum Bregenz,
Clemens-Holzmeister-Gasse 2 | T +43 (0)5574           Fr 6. April, 13. April, 20. April,
52700 | Veranstalter: Bildungshaus Batschuns          27. April und 4. Mai 2018
                                                      Innehalten – Kraft auftanken
Do 8. März 2018                                       Andrea Moosbrugger, Mag.a Maria Stadler |
Depressionen im Alter                                 9 bis 10.30 Uhr | Anmeldung und Ort: Krebshilfe
Dr. Albert Lingg | 19 Uhr | Ort: Rathaus Dornbirn |   Vorarlberg, Dornbirn | Veranstalter: Krebshilfe
Anmeldung: Amt der Stadt Dornbirn, Soziales,          Vorarlberg
Pflege und Senioren | T +43 (0)5572 306-3305 |
Veranstalter: Bildungshaus Batschuns

                                                                                                            13
Mo 9. April 2018                                      Demenz | Information: Dr.in Esther Schnetzer,
 Prävention für den Bewegungsapparat                   M +43 (0)664 3813047 | Veranstalter: Bildungs-
 Judith Gómez-Miranda Rakebrand | 19 Uhr               haus Batschuns
 Seniorenheim Wolfurt, Gartenstraße 1 |
 freiwillige Spenden | Veranstalter: connexia          Karinos – Sport nach Krebs
                                                       Die Bewegungsgruppen finden regelmäßig in
 Di 17. April 2018                                     Bregenz, Dornbirn und Rankweil statt. Die
 Gewalt gegen ältere Menschen in der Familie           Teilnahme ist kostenlos, der Einstieg ist jederzeit
 erkennen und benennen                                 möglich. Information: Lisa Laninschegg,
 Ulrike Furtenbach | 18.30 Uhr                         M +43 (0)664 1955727, E-Mail: info@karinos.at |
 Sozialzentrum St. Vinerius, Sonnenbergstraße 1,       Veranstalter: Sportunion und Krebshilfe
 Nüziders | Freier Eintritt | Veranstalter: connexia   Vorarlberg

 Mi 18. April 2018                                     Trauercafés
 Lachen und Atmen – heilsame Kraft                     Hospiz Vorarlberg berät und begleitet Trauernde.
 Bettina von Siebenthal | 18.30 Uhr                    Trauercafés finden regelmäßig in Lochau, Dorn-
 Im Schützengarten, Lustenaus Treffpunkt               birn, Rankweil, Feldkirch, Bludenz, Krumbach
 für Gesundheit und Soziales,                          und Riezlern statt. Zusätzlich bieten unsere Hos-
 Schützengartenstraße 8, Lustenau |                    pizteams in den Regionen individuelle Beratung
 Eintritt: € 5 | Veranstalter: connexia                und Begleitung für Trauernde an. Information
                                                       und Veranstalter: Hospiz Vorarlberg

 Regelmäßige Veranstaltungen
 Demenzsprechstunden                                   Veranstalter | Kontaktdaten

 In Bregenz, Dornbirn, Lustenau, Hohenems              Bildungshaus Batschuns
 und Feldkirch finden regelmäßig Demenz-               6835 Zwischenwasser, Kapf 1
 sprechstunden statt. | Detaillierte Informationen     T +43 (0)5522 44290
 finden Sie unter: www.demenzsprechstunde.at |         www.bildungshaus-batschuns.at
 Veranstalter: pro mente Vorarlberg                    connexia – Gesellschaft für Gesundheit und Pflege
                                                       6900 Bregenz, Quellenstraße 16
 Gesprächsgruppen für betreuende                       T +43 (0)5574 48787-0, www.connexia.at
 und pflegende Angehörige                              Hospiz Vorarlberg
 Die Gesprächsgruppen finden an mehreren               6800 Feldkirch, Maria-Mutter-Weg 2
 Orten Vorarlbergs statt. Nähere Informationen         T +43 (0)5522 200-1100
                                                       www.hospiz-vorarlberg.at
 finden Sie auf der Homepage:
                                                       Krebshilfe Vorarlberg
 www.bildungshaus-batschuns.at oder unter
                                                       6850 Dornbirn, Rathausplatz 4
 T +43 (0)5522 44290-23
                                                       T +43 (0)5572 202388, www.krebshilfe-vbg.at
 TANDEM                                                pro mente
                                                       6850 Dornbirn, Färbergasse 17b
 Begleitung von Kleingruppen, Familien, Einzel-
                                                       T +43 (0)5572 32421, www.promente-v.at
 beratungen für Angehörige von Menschen mit

14
Erholungsurlaub
   für pflegende Angehörige

   Diese Urlaube bieten pflegenden Ange-
   hörigen die Möglichkeit, sich seelisch und
   körperlich zu regenerieren. Darüber hin-
   aus wird eine psychosoziale Beratung zur
   Verfügung gestellt und es gibt Raum und
   Zeit zum Informations- und Erfahrungs-
   austausch. Auskünfte zu den Voraus-
   setzungen für die Inanspruchnahme und
   zu den Kosten erhalten Sie bei den
   jeweilig anbietenden Institutionen.

Hilfe für die Helfenden                      Gesundheitsaktion „Nach der Pflege“
Erholungsurlaub im Kur- und Gesundheitshotel Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern
Rossbad in Krumbach                          bietet mit dieser zweiwöchigen Gesundheits-
Das Angebot umfasst den Aufenthalt mit Voll-     aktion den betroffenen Personen im ersten Jahr
pension im Doppelzimmer oder Einzelzimmer        nach dem Tod des Gepflegten die Möglichkeit,
(Einzelzimmeraufschlag für Zimmer Rustika 30     sich körperlich und seelisch zu erholen sowie
Euro bzw. für Zimmer Flair 60 Euro pro Woche).   durch Fachberatung Tipps für eine Neuorien-
Außerdem beinhaltet es die Inanspruchnahme       tierung zu erhalten. Im Vordergrund steht dabei
von Anwendungen und Angeboten im Kneipp-         die psychologische Beratung. In Gruppen- und
kurhaus nach freier Wahl im Ausmaß von 150       Einzelgesprächen haben persönliche Erfahrungen
Euro und die Teilnahme an einem Gruppenabend     aus der Pflegetätigkeit, Abschiednehmen, aber
mit psychosozialer Beratung. Der Selbstkosten-   auch der Blick auf eigene Ressourcen sowie
beitrag beträgt 50 Euro.                         die selbstbestimmte Gestaltung des weiteren
                                                 Lebens Platz.
Termine
 1) 21. Januar bis 27. Januar 2018               Weiters wird Wert auf eine aktive Erholung
 2) 18. Februar bis 24. Februar 2018             gelegt, bei der auch Bewegung, Entspannung
 3) 25. Februar bis 03. März 2018                und ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm
 4) 15. April bis 21. April 2018                 als ganz wesentliche Motivationselemente nicht
 5) 22. April bis 28. April 2018                 zu kurz kommen werden.
 6) 27. Mai bis 02. Juni 2018
 7) 01. Juli bis 07. Juli 2018                   Termin
 8) 26. August bis 01. September 2018            02.10.2018 bis 16.10.2018
 9) 02. September bis 08. September 2018         Gasthaus Taube in Bizau
10) 30. September bis 06. Oktober 2018
                                                 Information und Anmeldung
Kontakt, Information und Anmeldung               Sozialversicherungsanstalt der Bauern
Bernadette Nußbaumer, Arbeiterkammer             Kompetenzzentrum Gesundheitsaktionen
Vorarlberg, T +43 (0)50 258-1516                 T +43 (0) 7327633-4370
E bernadette.nussbaumer@ak-vorarlberg.at         E gesundheitsaktionen@svb.at

                                                                                                   15
Ich nehme Hilfe in Anspruch
               Wir führten Interviews mit vier Personen, die dank
               der Hilfe von außen zu Hause leben

 Person   1:   90   Jahre,   männlich               • Person 2 An den Wochenenden werde ich
 Person   2:   82   Jahre,   weiblich                 von meiner Tochter und meinem Sohn betreut.
 Person   3:   79   Jahre,   weiblich                 Unter der Woche bekomme ich Unterstützung
 Person   4:   84   Jahre,   weiblich                 von einer Mitarbeiterin des Mobilen Hilfsdiens-
                                                      tes. Ich brauche für ungefähr 3 Stunden Hilfe
 Welche Unterstützung nehmen Sie in                   im Haushalt. Was ich auch sehr schätze ist,
 Anspruch und wie oft? (Hauskrankenpflege,             dass mich die MOHI Mitarbeiterin bei Erledi-
 Mobiler Hilfsdienst, …)                              gungen außer Haus begleitet.
 • Person 1 Eine Mitarbeiterin des Mobilen          • Person 3 Das Team des Krankenpflegevereins
   Hilfsdienstes besucht mich dreimal pro Woche       kommt dreimal pro Woche zu mir, hauptsäch-
   und hilft mir im Haushalt, begleitet mich zum      lich um den Verband zu wechseln. Den Mobi-
   Arzt und macht diverse Erledigungen. Am            len Hilfsdienst nehme ich einmal pro Woche
   meisten genieße ich unsere Gespräche und die       in Anspruch.
   Gesellschaft. Die Hauskrankenpflege kommt        • Person 4 Ich nehme die Hilfe des Kranken-
   einmal in der Woche und hilft mir beim Du-         pflegevereins und des Mobilen Hilfsdienstes
   schen, richtet die Medikamente her, kontrolliert   in Anspruch und bekomme von Montag bis
   meinen Blutdruck etc.                              Freitag das „Essen auf Rädern“.

                                        Die Interviews führten Mitarbeitende der
                                        Hauskrankenpflegevereine Vorarlbergs
16
Was war ausschlaggebend, dass Sie sich              • Person 3 Tätigkeiten, die ich über Jahrzehnte
entschlossen haben, jetzt Hilfe in Anspruch           selbständig machte, plötzlich abgeben zu
zu nehmen?                                            müssen, fiel mir sehr schwer.
• Person 1 Meine Sehkraft nahm immer mehr           • Person 4 Ich hatte überhaupt kein Problem
  ab und eine gewisse Unsicherheit kam dazu.          damit, Hilfe anzunehmen.
  Auf Drängen meiner Kinder habe ich schließ-
  lich eingewilligt, Hilfe von außen anzuneh-       Wie geht es Ihnen jetzt mit dieser
  men.                                              Unterstützung?
• Person 2 Nach einem Sturz, bei dem ich mich       • Person 1 Mir geht es sehr gut damit. Ich bin
  zum Glück nur leicht verletzt hatte, war mir        sehr froh um diese Hilfe. Sie bereichert meinen
  klar, dass ich mir Unterstützung holen muss.        Alltag und bringt mir Abwechslung. Besonders
• Person 3 Ich hatte eine Hüftoperation. Als ich      froh bin ich, dass ich mich um meine Medika-
  nach der Reha nach Hause kam, merkte ich,           mente nicht mehr kümmern muss.
  dass ich ganz alleine nicht mehr zurechtkam.      • Person 2 Das klappt ganz toll und ich hoffe,
  Ich brauchte Hilfe im Haushalt. In medizini-        es bleibt noch lange so, wie es derzeit ist.
  schen Angelegenheiten hole ich mir die            • Person 3 Ich bin sehr zufrieden und ich weiß,
  Unterstützung des Krankenpflegevereins.             dass ich ohne diese Unterstützung nicht mehr
• Person 4 Mein Gesundheitszustand hat sich           in meinen vier Wänden leben könnte.
  schleichend verschlechtert, dann kam noch ein     • Person 4 Seit ich Hilfe annehme, geht es mir
  Sehnenriss dazu. Ich bin einfach nicht mehr         besser. Ich bin sehr zufrieden.
  alleine zurechtgekommen. Ich musste mich
  wohl oder übel mit dem Gedanken anfreunden,       Was ist Ihrer Ansicht nach ganz wichtig, wenn
  Hilfe anzunehmen.                                 man auf Unterstützung angewiesen ist?
                                                    • Person 1 Ich glaube, Offenheit und die Be-
Was war für Sie zu Beginn am schwierigsten?           reitschaft sich helfen zu lassen sind gute Vor-
• Person 1 Zu sehen und zu akzeptieren, dass          aussetzungen. Für mich ist es auch gut, dass
  ich das, was früher so selbstverständlich war,      die Mitarbeitenden der Hilfsdienste kommen
  nicht mehr alleine machen kann. Ich wollte          und dann wieder gehen. Mir ist das Alleinsein
  mir das lange nicht zugestehen.                     auch wichtig.
• Person 2 Als ich erkannte, dass ich Hilfe und     • Person 2 Meine Erfahrung hat gezeigt, dass
  Unterstützung brauche, war mir klar, dass ich       es unumgänglich ist, die schwierigen Fragen
  eines nicht wollte: einfach auf meine Kinder        zu stellen und zu klären.
  (die ja auch ihre Familie und ihren Beruf ha-     • Person 3 Vertrauen finde ich ganz wichtig.
  ben) „zuzugreifen“. Ich hatte auch das Gefühl,      Ich schätze es auch sehr, dass ich mich auf
  dass ich für sie eine Belastung bin. Darüber        alle, die mir helfen, hundertprozentig ver-
  habe ich mit meinen Kindern ebenfalls gespro-       lassen kann.
  chen. Wir haben dann gemeinsam einen Hil-         • Person 4 Mir ist es ganz wichtig, dass ich mit
  feplan erarbeitet und das dann organisiert. Die     den Menschen, die mir helfen und mich un-
  Offenheit aller – also von mir und von meinen       terstützen, gut auskomme. Und dass ich auch
  Kindern war sehr wichtig.                           etwas sagen darf!

                                                                                                        17
Vom gewollten oder gesollten Leben
              Wenn Hilfe nicht angenommen wird

 Ein kleiner Dialog                                     Hilfe zu leisten? Warten auf ein schnelles Ende?
    Sohn Wie geht es euch?                              Warten worauf? Wie wichtig ist gesunde Ernäh-
    Vater Es geht schon.                                rung im Alter? Sind Butter, Speck und Käse und
    Sohn Braucht ihr Hilfe?                             hartes Brot zu einseitig? Sollte das Sortiment
    Vater Nein, wir kommen schon klar.                  nicht durch Obst, Joghurt und Avocado ersetzt
    Sohn Können wir was tun für euch?                   werden? Ist einmal duschen in der Woche (wenn
    Vater Nein, wir kommen schon zurecht, wir           überhaupt) schon grenzwertig? Ein Grund, den
          haben es soweit gut miteinander!              Arzt einzuschalten? Oder müssen wir bedenken,
    Sohn Kann man sonst was tun für euch?               dass diese Generation noch mit der Waschschüs-
    Vater und Mutter Nein!                              sel großgeworden ist und wir vielmehr unsere
                                                        teils überzogenen Standards hinterfragen sollten?
 Der Schauplatz
 Zwei hochbetagte Menschen (Vater 89 und Mut-           Dieses Abwägen zwischen Aushalten und Ab-
 ter 88 Jahre) leben in einem beschaulichen Dorf        warten, bis Hilfe gewollt wird, und dem Impuls
 im Oberland. Sie hatten ein langes und arbeits-        Hilfe aufzuzwingen, ist unendlich schwierig. Den
 reiches Leben, das geprägt war von den Folgen          richtigen Weg gibt es anscheinend nicht. Zu ver-
 des Krieges. Sie hatten kaum Aussicht auf eine         schieden sind die Menschen. Eine über 65 Jahre
 berufliche Bildung, waren aber dennoch erfolg-         dauernde Symbiose beeinflussen zu wollen, ist
 reich, arbeitsam und gläubig.                          auch in den wenigsten Fällen erfolgreich. Somit
                                                        bleibt uns nur, demütig und wachsam zu bleiben.
 Wir Kinder waren oftmals froh über die Hilfe der
 Eltern, sei es in der Betreuung der Enkel, beim        Was tun?
 Hausbau, bei Holzarbeiten und vielem mehr. Sie         Innerhalb der Familie im Kontakt bleiben, dank-
 waren immer „gebend“, und selten „nehmend“.            bar sein, nicht anklagen und versuchen zu
 Nun wollen wir „geben“ aber Hilfe wird nicht           verstehen. Es ist auch sehr hilfreich, sich Rat
 für nötig erachtet. Das bringt uns Kinder zur          bei Profis zu holen und sich mit anderen
 Verzweiflung. Das ist wahrscheinlich eine Ge-          betreuenden Angehörigen auszutauschen.
 schichte, die sich vielerorts hier im Land abspielt.
 Was tun? Akzeptieren und abwarten? Gegen den           Und letztlich ist es einfach gut, dankbar zu sein
 Willen vorgehen und Hilfe aufzwingen? Die Eltern       für das Geschenk, seine Eltern so lange haben
 umerziehen, drohen, überzeugen, überreden, oder?       zu dürfen und dafür, dass sie uns fünf Kindern
 Niemand weiß, was richtig ist. Die Mutter ist ver-     so viel gegeben haben, viel mehr als wir ihnen
 gesslich, klagt oft über Schmerzen. Der Vater ist      jemals zurückgeben können. Wahrscheinlich
 von Herzschwäche gekennzeichnet. Langsam sind          ist es genau das, wir wollen ihnen gerne, jede
 sie geworden. Vorbei ist die Zeit des „Schaffens       und jeder auf seine Weise, das Gute, das sie uns
 und Werkelns“. Was bringt das Leben noch?              getan haben, vergelten. Doch das ist der kleine
                                                        aber feine Unterschied: jener zwischen wollen
 Das Warten                                             und sollen!
 Warten, bis Hilfe von außen angeordnet werden
 muss? Warten, bis wir einen Auftrag bekommen,          Eines der fünf Kinder

                           Autorin/Autor: anonym
18
Mehr Lebensfreude
   In unseren Kursen „ALT.JUNG.SEIN. Lebens-            zählen. Und wo würden Sie selbst Hilfe benöti-
   qualität im Alter“ fördern wir die geistigen         gen? Schreiben Sie es einfach auf und überlegen
   und körperlichen Fähigkeiten und stärken             sich, wen Sie fragen könnten. Gibt es jemanden
   die Lebensfreude. Anderen zu helfen und              in der Nachbarschaft/Verwandtschaft, der seine
   auch selbst Hilfe annehmen zu können,                handwerklichen oder technischen Fähigkeiten
   steigert die Lebensfreude, darin sind sich           gerne teilt? Oder gibt es in der Wohngemeinde
   viele Glücksforscher einig. Der Neurobio-            eine Seniorenbörse, die bei kleineren Problemen
   loge Joachim Bauer bestätigt dies: „Der              jemanden vorbeischickt? Könnten Sie dort viel-
   Mensch ist ein Wesen, das auf gelingende             leicht auch selbst Ihre Fähigkeiten einbringen?
   menschliche Beziehungen und Zuwendung
   ausgerichtet ist. Der Kern aller menschlichen        „Lasst uns dankbar sein gegenüber Menschen,
   Motivation ist es, zwischenmenschliche               die uns glücklich machen. Sie sind liebenswerte
   Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung                Gärtner, die unsere Seele zum Blühen bringen.“
   und Zuneigung zu finden und zu geben.“                Marcel Proust

Folgende zusammengesetzte Wörter beginnen               Wenn auch Sie Gärtnerinnen und Gärtner für die
alle mit dem ersten Wortteil LEBENS-. Bringen           Seele finden wollen, dann kommen Sie doch zu
Sie die Buchstaben des zweiten Wortteiles in die        den mehrteiligen „ALT.JUNG.SEIN. Lebensqualität
richtige Reihenfolge:                                   im Alter“ Kursen. Diese finden in vielen Städten
                                                        und Gemeinden Vorarlbergs statt. Dort treffen
TÄTILAQU              Lebens-QUALITÄT                   sich Menschen im höheren Lebensalter, um beim
DREFUE                ……….....…………………….......………        humorvollen Gedächtnistraining die kognitiven
VERNURENGÄLG          ……….....…………………….......………        Leistungen zu erhalten oder zu steigern. Zusätz-
FARKT                 ……….....…………………….......………        lich verbessern leichte Bewegungsübungen die
STUL                  ……….....…………………….......………        Stand- und Trittsicherheit (wichtig für die Sturz-
GANFAN                ……….....…………………….......………        prävention). Daneben bekommen Sie viele Tipps,
EIXIRLE               ……….....…………………….......………        wie Sie den Alltag besser bewältigen können,
STICHTNAB             ……….....…………………….......………        und Sie entdecken vielleicht neue Kraft- und
GUNSTLELEIN           ……….....…………………….......………        Sinnquellen. Beim gemeinsamen Rätseln und La-
RENTARP               ……….....…………………….......………        chen lassen sich neue Beziehungen knüpfen und
GIERSTE               ……….....…………………….......………        Freundschaften können entstehen.
REICHSGEVUNR          ……….....…………………….......………
                                                        Informationen zu den Kursorten und Terminen
„Nach «lieben» ist «helfen» das schönste Zeitwort       erhalten Sie beim Kath. Bildungswerk Vorarlberg,
der Welt“, so ein Zitat von Bertha von Suttner.         Dr.in Evelyn Pfanner, Projektleitung, M +43 676
Überlegen Sie sich doch, wem Sie heute eine             832401102 oder unter www.altjungsein.at
kleine Freude machen können. Vielleicht ein Te-         „ALT.JUNG.SEIN. Jeder Tag – ein guter Tag“:
lefonanruf bei einem lange nicht mehr gesehenen         Dieses Übungsbuch können Sie zum Preis von
Bekannten oder einer Freundin? Eine Einladung           9 Euro beim Kath. Bildungswerk Vorarlberg
zum Nachmittagskaffee oder ein Besuch im So-            unter der T +43 (0)5522 3485215 oder
zialzentrum? Es sind oft die kleinen Dinge, die         kbw@kath-kirche-vorarlberg.at bestellen.

                                                                         Lösungen: LEBENS-Freude, -Verlängerung,
                                                                         -Kraft, -Lust, -Anfang, -Elixier, -Abschnitt,
                                                                         -Einstellung, -Partner, -Geister, -Versicherung
                             Dr.in Evelyn Pfanner,
                             Katholisches Bildungswerk Vorarlberg                                                          19
Wenn ich mich verstecken
 möchte …                            ... dann brauche ich jemanden, der mir hilft zu spüren,
                                     dass ich wieder dazugehöre.

     Wenn wir uns schämen, würden wir am
     Liebsten in den Boden versinken. Das ent-
     spricht auch der Bedeutung der indoger-
     manischen Wurzeln des Wortes „Scham“:
     verstecken. Wenn wir Scham empfinden,
     haben wir das Gefühl nicht mehr dazuzu-
     gehören. Wir haben etwas gemacht oder an
     uns ist etwas, das nicht der Norm entspricht.
     Wir folgern dann oft daraus: „Ich bin nicht
     okay!“ Hier stellt sich die Frage: Wie können
     wir, wenn wir uns aus Scham zurückziehen
     und das auch nicht benennen können, wie-
     der das Gefühl der Verbundenheit bekom-
     men? Wichtig ist, dass wir wieder spüren:
     „Ich bin in Ordnung und habe Würde!“

 Ein Mann, etwa ca. 50 Jahre alt, kommt mit               genen, schambehafteten Problemen zu reden ein
 seiner Frau zum Erstgespräch. Gleich nach der            Schritt, der eine Schamgrenze überwinden muss.
 Begrüßung meint er: „Ich bin froh, wenn meine            Oft taucht die Scham erst im Laufe eines thera-
 Frau dabei ist. Sie kann besser reden als ich.“          peutischen Prozesses auf. Wenn die Beziehung be-
 Seine Frau steigt gleich ein: „Alleine wäre mein         reits gefestigt ist und das Vertrauen zur Therapeu-
 Mann nicht zu Ihnen gekommen. Er glaubt,                 tin, zum Therapeuten aufgebaut ist. So bei einer
 dass das nichts bringe und Sie ihm nicht helfen          älteren Frau, die wegen Angstzuständen zu mir
 können.“ Nach und nach erfahre ich, dass der             in die Praxis kam. Nach einigen Stunden erzählte
 Mann seit einigen Jahren impotent ist. Es hat            sie vom Hunger während des Krieges und vom
 lange gedauert, bis er zu einem Arzt ging. Da            jähzornigen Vater, der auch tagelang kein Wort
 keine medizinischen Gründe für die Erektions-            sprach. „Er war halt im Krieg!“, lautete immer die
 störung vorlagen, riet ihm der Urologe zu einer          Rechtfertigung der Mutter. Gewohnt hat die Fa-
 Psychotherapie. Der Mann zieht sich aus der              milie mit anderen Familien in einer Barackensied-
 Gesellschaft immer mehr zurück, Erschöpfungs-            lung außerhalb des Dorfes. Die Kinder wurden in
 zustände gehen mit Schlafstörungen einher. Die           der Schule verspottet, weil sie Flüchtlinge waren.
 Arbeit macht ihm immer weniger Freude.                   Nach einer Pause im Gespräch meinte sie: „Das
                                                          habe ich noch nie jemandem erzählt, nicht einmal
 Das Wesen der Scham ist die Sprachlosigkeit.             meinem Mann!“ Die Angstzustände begannen, als
 Die Scham dieses Mannes ist offensichtlich. Mit          die letzte ihrer Schwestern starb.
 einem Fremden über intime Themen zu sprechen,
 Schwierigkeiten einzugestehen, das ist nicht leicht.     Auf die eigene Lebensgeschichte zurück-
 Scham macht stumm. Das Wesen der Scham ist               zublicken, ist oft mit Scham verbunden.
 die Sprachlosigkeit. Wie bei diesem Mann ist der         Gerade dann, wenn es entwürdigende Erfah-
 Schritt, jemanden aufzusuchen und von den ei-            rungen gab. Sehr schambesetzt sind Erlebnisse

                                   Mag. Stefan Schäfer, Psychotherapeut
20
Sie können auch lesen