Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.

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Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
Landwirtschaft
im Regierungsbezirk Köln
Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
Niederrheinisches Tiefland
                                                                                         Wuppe
                                                                                              r

                                                              Leverkusen

                                                                                         Bergisches Land

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                                                       Köln
                Köln-Aachener Bucht

                                                                  in
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     Aachen                                                                                 Sieg

                                                                       Bonn

                                                                           Agrarräume im
                              Eifel                                        Regierungsbezirk Köln
                                                                                 Bergisches Land
                                        Ah                                       Köln-Aachener Bucht
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                                                                                 Eifel
                                                                                 Niederrheinisches Tiefland
                                                                                 urbaner Raum

              Betriebsreportagen

              Betrieb Schmitz in Linnich (Seite 8)
              Fit für die Zukunft - Ackerbau mit hoher Produktivität

              Betrieb Kremer in Blankenheim (Seite 22)
              Eine Landwirtsfamilie mit vielen Berufen

              Betrieb Frenger in Köln (Seite 30)
              Pferde im Schatten des Kölner Doms

              Betrieb Ollertz-Mertens in Heinsberg (Seite 38)
              Familienbetriebe haben Perspektive

              Betrieb Hütte in Bergneustadt (Seite 46)
              Win-win-Situation für Kühe und Menschen

   Die Agrarräume im Regierungsbezirk Köln
Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
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    Inhalt
                                                                                          A. Die Agrarräume des Regierungsbezirks

    Niederrheinisches Tiefland
                                                                          Wuppe
                                                                                r
                                                                                          B. Die Köln-Aachener Bucht
                                                          Leverkusen

                                                                        Bergisches Land   1. Die Börde - wertvoll wie Edelmetall                      6

                                                           Rhe
                                                   Köln
                  Köln-Aachener Bucht

                                                            in
                                                                                          2. Fit für die Zukunft - Ackerbau mit hoher Produktivität   8
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                                            Erf
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         Aachen
                                                                                          3. Gülle? Eigentlich ganz einfach!                          11
                                                                 Bonn

                                                                                          4. Biodiversität: Ein Zukunftsthema                         14
                            Eifel                                                         5. Nachhaltig und trotzdem intensiv?                        16
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                                                                                          C. Die Mittelgebirgsregion Eifel
                                                                                          1. Die Eifel: Eine Landschaft der Vielfalt und der
                                                                                             naturnahen Wirtschaftsweise                              20
                                                                                          2. Eine Landwirtsfamilie mit vielen Berufen                 22
                                                                                          3. Erfolgsmodell Vertragsnaturschutz: Bauern und
                                                                                             Naturschützer ziehen an einem Strang                     24

                                                                                          D. Landwirtschaft im Ballungsraum
                                                                                          1. Was ist urbane Landwirtschaft?                           28
                                                                                          2. Pferde im Schatten des Kölner Doms                       30
                                                                                          3. Gesellschaftliche Bedeutung der urbanen Landwirtschaft 33
                                                                                          4. Produktionsgartenbau im südlichen Rheinland              35

                                                                                          E. Landwirtschaft im Teilbereich des
                                                                                             Niederrheinischen Tieflandes
                                                                                          1. Familienbetriebe haben Perspektive - in mehreren
                                                                                             Schritten den Betrieb sichern                            38
                                                                                          2. Ohne gesicherte Standorte keine Entwicklung              41

                                                                                          F. Das Bergische Land als Agrarraum
                                                                                          1. Win-win-Situation für Kühe und Menschen                  46
                                                                                          2. Trinkwasserschutz durch Kooperation                      48
                                                                                          3. Klimaschutz - Herausforderung für die Landwirtschaft     51

                                                                                          G. Daten und Fakten
Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
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Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln –
Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
Liebe Leserin, lieber Leser,                               Ändern sich die Wünsche,
                                                           ändert sich das Angebot.
                                                           Deshalb lehnen Landwirte
Landwirtschaft ist spannend. Die Landwirtschaft steht
                                                           Bio, Vegan oder Regional
wie kaum eine andere Branche im Interesse der breiten
Öffentlichkeit. Fragt man die Menschen nach den
                                                           auch nicht grundsätzlich
                                                           ab, sondern sehen solche
                                                                                               Foto
Gründen für ihr Interesse, lautet die Erklärung häufig:
                                                           Entwicklungen durchaus
„Mein Opa hatte noch einen Betrieb“ oder „Als Kind
                                                           auch als Herausforderun-
habe ich in den Sommerferien dem Bauern bei der
                                                           gen, die neue Chancen
Ernte geholfen“. Manchmal mag das so sein, erklärt
                                                           eröffnen können. Das
aber das rege Interesse der Menschen in den Städten
                                                           funktioniert natürlich nur,
nicht hinreichend. In Wirklichkeit ist das Interesse so
                                                           wenn die Landwirte in
groß, weil Landwirte wie Ärzte oder Feuerwehrmänner
                                                           ihrer Region auch künftig Entwicklungsperspektiven
mit unserem Leben zu tun haben. Landwirte erzeugen
                                                           und insbesondere ausreichend Fläche für die Produk-
unsere Lebensmittel, Landwirte halten Nutztiere, Land-
                                                           tion haben.
wirte wirtschaften in der Natur. Natürlich tragen sie
damit auch eine große Verantwortung für Umwelt und         Mit dieser Broschüre wollen wir einen Überblick über
Natur. Deshalb ist es auch gut, dass Landwirtschaft        die Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln geben.
breites Interesse findet und intensiv und kritisch beob-   Die Beschreibung, Betriebsreportagen und Beiträge zu
achtet wird.                                               aktuellen Fragen geben dazu hoffentlich einen guten
                                                           Einblick. Ich bin mir sicher, dass Ihr Interesse an der
Landwirtschaft bleibt also auch in Zeiten des Über-
                                                           Landwirtschaft durch die Lektüre noch gestärkt und
flusses von großer Bedeutung. Das gilt insbesondere
                                                           weitere Neugier geweckt wird. Wer Daten zur Land-
auch in einem durch Ballungszentren und gewerbliche
                                                           wirtschaft im Regierungsbezirk sucht, wird im Tabel-
Wirtschaft geprägten Raum wie dem Regierungsbezirk
                                                           lenteil der Broschüre fündig.
Köln. Hier ist die Land- und Ernährungswirtschaft
übrigens ein wichtiger Sektor. Eine von der Innovat-
ionsregion Rheinisches Revier erstellte Analyse hat
gezeigt, dass in der Land- und Ernährungswirtschaft
zusammen mehr Menschen beschäftigt sind, als zum
Beispiel in der Energiewirtschaft.
                                                           Johannes Frizen
Landwirtschaft unterscheidet sich grundsätzlich nicht
wesentlich von anderen Branchen. Produziert wird,          Präsident der Landwirtschaftskammer Nordrhein-
was Verbraucher wollen.                                    Westfalen
Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
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    A. Die Agrarräume des Regierungsbezirks
    Der Regierungsbezirk ist landwirt-            derheiten auf. Die landwirtschaftli-                     die planerische Sicherung landwirt-
    schaftlich nicht einheitlich geprägt.         chen Betriebe konkurrieren stark                         schaftlich genutzter Flächen zwin-
    Die Unterschiede ergeben sich aus             mit den Flächenansprüchen anderer                        gend.
    den naturräumlichen, klimatischen             Nutzungsarten wie Siedlungs-,
                                                                                                           Die Agrarräume Eifel und Bergi-
    und strukturellen Gegebenheiten.              Verkehrs- und Erholungsflächen.
                                                                                                           sches Land sind durch die natur-
                                                  Hier ist der Verlust landwirtschaft-
    Auf dieser Grundlage lassen sich 5                                                                     räumlichen und klimatischen
                                                  licher Flächen besonders hoch.
    Teilregionen beschreiben:                                                                              Bedingungen stark viehwirtschaft-
                                                  Andererseits profitiert die Land-                        lich ausgerichtet.
    1.   die Köln-Aachener Bucht                  wirtschaft von der Nähe zu den
                                                                                                           Im Bergischen Land werden ange-
    2.   die Eifel                                Verbrauchern. Landwirte haben
                                                                                                           sichts ackerbaulich wenig geeigne-
    3.   das Bergische Land                       sich hierauf eingestellt und nutzen
                                                                                                           ter Böden und hoher Niederschläge
    4.   das Niederrheinische Tiefland            den Standort mit Dienstleistungs-
                                                                                                           mehr als 85% der Flächen als Grün-
                                                  angeboten, zum Beispiel in der
    5.   die urbanen Regionen                                                                              land genutzt. Grünland lässt sich
                                                  Pensionspferdehaltung oder der
         Köln/Bonn und Aachen                                                                              auch heute noch am sinnvollsten
                                                  Direktvermarktung. Besonders

         Grafik 1: Die Agrarräume im Regierungsbezirk Köln

                     Niederrheinisches Tiefland                                                                   Wuppe
                                                                                                                        r

                                                                                      Leverkusen

                                                                                                              Bergisches Land
                                                                               Köln
                                                                                       Rhe

                                    Köln-Aachener Bucht
                                                                                         in
                                                                         Erf
                                                                          t
                                                    Ru
                                                       r

                                                                                                           Sieg
                               Aachen

                                                                                              Bonn

                                                           Eifel

                                                                   Ah
                                                                     r

                                                                                                     urbaner Raum

    Die landwirtschaftliche Nutzung               typisch war und ist der Gartenbau                        durch Viehwirtschaft nutzen. Ins-
    im Umland der Städte Aachen,                  im Vorgebirge zwischen Bonn und                          besondere die Milchviehwirtschaft
    Leverkusen, Köln und Bonn weist               Köln.                                                    bietet in der Regel die beste Ver-
    nicht aufgrund des Naturraumes,                                                                        wertung. Auch in der Eifel domi-
                                                  Soll Landwirtschaft hier zukünftig
    sondern wegen ihrer Nähe zu städ-                                                                      niert die Grünlandwirtschaft, dane-
                                                  stattfinden und Freiraum für Erho-
    tischen Ballungsgebieten Beson-                                                                        ben ist bedingt durch geringere
                                                  lungssuchende erhalten bleiben, ist
Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
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Niederschlagsmengen und bessere        führung (konventionell oder biolo-     die Futternutzung eine große Rolle.
Böden der extensive Ackerbau           gisch).                                Häufig halten die Betriebe neben
stark verbreitet. Den Schwerpunkt                                             Rindvieh zusätzlich noch Schweine
                                       Die wachsende Weltbevölkerung
in der Viehwirtschaft bilden hier                                             oder Geflügel. Wenn Fläche knapp
                                       und die steigende Nachfrage nach
die Betriebe mit Mutterkühen,                                                 ist und die Viehdichte hoch, dann
                                       veredelten Nahrungsmitteln führen
gefolgt von Pferde- und Milchvieh-                                            ist das Nährstoffmanagement (Gül-
                                       zu der Notwendigkeit mehr Acker-
betrieben. Diese Struktur der Tier-                                           le) eine spezielle Herausforderung.
                                       bauerzeugnisse zu produzieren.
haltungsbetriebe weist auf den                                                Hier sind intelligente Handlungs-
                                       Hierzu sind die Bördestandorte
hohen Anteil an Nebenerwerbsbe-                                               strategien gefragt, doch ohne
                                       bestens geeignet und sollten einen
trieben hin, die in der Eifel weit                                            Export in die vieharme Nachbarre-
                                       entsprechenden Schutz erhalten.
mehr als die Hälfte der landwirt-                                             gion (Börde) wird es nicht funktio-
schaftlichen Betriebe ausmachen.                                              nieren können. Besonders wichtig
                                                                              für die Familienbetriebe des Nie-
Nebenerwerbslandwirte gehen
einem außerlandwirtschaftlichen
Beruf nach und können mit beiden
Einkommen ihre Betriebe sichern,         Eifellandschaft bei Hellenthal
als aktive Unternehmer stärken sie
damit die Wirtschaftskraft und
Vitalität ihrer Region. Sie sind als
Pendler auf eine gute Infrastruktur
und/oder wohnortnahe Arbeitsplät-
ze angewiesen. Der Ausbau der
Autobahn A1 sowie die Ansiedlung
von gewerblichen Betrieben sind
für diese Landwirte von wesentli-
cher Bedeutung. Andernfalls wird
die Entvölkerung des ländlichen
Raumes mit allen daraus folgenden
negativen Aspekten noch verstärkt.

Die Börde war bereits in der Zeit
der Römer ein Gunststandort. Wald
und Wiesenwirtschaft sind hier nur
schwach ausgeprägt. Die klima-
tisch begünstigten Standorte mit
besonders wertvollen Böden
werden in der Regel für den inten-     Mit dem Übergang von der Börde         derrheins ist die Standortsicherung
siven Ackerbau genutzt. Weizen,        zum Niederrheinischen Tiefland         der Hofstelle.
Gerste, Raps sowie Zuckerrüben         steigt der Grünlandanteil deutlich
und Kartoffeln sind die bestimmen-     an. Allerdings werden auch am          Die Landwirtschaft am Niederrhein
den Früchte. Die Betriebe in der       Niederrhein die Flächen intensiv       ist eine sehr dynamische Branche,
Börde sind nicht zuletzt wegen der     genutzt. Hier prägen mittlere bäu-     die Wachstumsinvestitionen in
hohen Arbeitsproduktivität im          erliche Familienbetriebe die Regi-     immer kürzeren Intervallen erfor-
Ackerbau vergleichsweise groß.         on. Sie sind nicht sehr flächenstark   dert. Nur wenn die notwendigen
                                       und müssen über intensive Vieh-        Stall- und Gebäudeerweiterungen
Die Zülpicher und Jülicher Börde                                              planerisch abgesichert werden und
                                       wirtschaft und Ackernutzung das
zählen im weltweiten Vergleich zu                                             dadurch umsetzbar sind, wird die
                                       notwendige Einkommen erzielen.
den Standorten mit auffallend                                                 niederrheinische Landwirtschaft
hoher natürlicher Ertragskraft unab-   Neben Marktfrüchten wie Getreide,      ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten
hängig von der Art der Betriebs-       Zuckerrüben und Kartoffeln spielt      können.
Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
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      B. Die Börde –
             wertvoll wie Edelmetall

    Die Köln-Aachener Bucht ist der       Beispiel als Schwarzerde-Böden in    Wie keine andere Region Europas
    größte Agrarraum innerhalb des        den Weiten der Ukraine. Wenn         ist die Agrarregion der Börde durch
    Regierungsbezirks. Sie erstreckt      jedoch Niederschläge fehlen, deren   den Abbau von Braunkohle
    sich von Rheinbach bis nach Köln      Verteilung und die Temperaturen      geprägt. Etwa drei Viertel der
    und von Euskirchen über Düren bis     nicht optimal sind, können           deutschen Braunkohle stammt aus
    nach Aachen und Erkelenz.             trotzdem nur mittlere Erträge        dem zwischen Aachen, Köln und
    Landschaftstypologisch handelt es     erzielt werden.                      Mönchengladbach liegenden
    sich dabei um eine Börde, definiert   Die Köln-Aachener Bucht ist wie      Rheinischen Revier. Der
    als flaches und baumarmes Land        nur wenige andere Standorte          Braunkohleabbau und deren
    mit fruchtbarem Lössboden.            weltweit durch Bodengüte,            Verarbeitung finden auf rund 9.200
    Diamanten sind selten, Weine mit      Temperaturen und genügend            Hektar Betriebsfläche statt. Mit
    100 Parker Punkten ebenso. Aber       Niederschläge begünstigt. Hier       seinen bis zu 450 m tiefen Gruben
    wer weiß schon, dass auch Hocher-     werden deshalb die Könige des        hat der Braunkohleabbau große
    tragsstandorte im Ackerbau selten     Ackerbaus angebaut. Weizen,          Teile der Lössböden verschluckt
    und deshalb kostbar sind? Nur         Zuckerrüben und Kartoffeln, aber     und die Landschaft geprägt.
    wenn sich mehrere Faktoren            auch Sonderkulturen prägen die       Auch die Bedingungen für die
    zusammen finden, besitzen             Landschaft. Dagegen spielt die       landwirtschaftliche Produktion
    Ackerböden eine hohe natürliche       Viehwirtschaft eine untergeordnete   haben sich verändert. Dörfer wie
    Ertragsfähigkeit. Tiefgründige,       Rolle und erklärt den geringen       Pier, Garzweiler oder Lich-
    nährstoffreiche Böden gibt es zum     Grünlandanteil.                      Steinstraß wurden für die Tagebaue
Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
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aufgegeben. Insgesamt wurden          liegt die Verringerung der Flächen   und Kaufpreise für landwirt-
bisher 35.000 Menschen im Revier      ohne die Braunkohleabbauflächen      schaftliche Flächen sehr stark
umgesiedelt. 32.200 Hektar zuvor      bei 5 bis 10 %. Grund hierfür ist    gestiegen und der Strukturwandel
überwiegend landwirtschaftlich        die Nutzung ehemals landwirt-        ist forciert worden.
genutzter Flächen mussten dem         schaftlicher Flächen für den         Die Flächeninanspruchnahme
Abbau der Braunkohle weichen.         Wohnungsbau, die Ansiedlung von      durch notwendige Kompensations-
Nur ca. 53 % (12.200 ha) der          Gewerbe-, Handels- und Dienstlei-    und Artenschutzmaßnahmen ist für
22.800 Hektar bisher rekultivierter   stungsunternehmen sowie der          die betroffenen Landwirte
Flächen werden wieder als             Ausbau der Verkehrsinfrastruktur.    besonders dann bitter, wenn es zum
Ackerland genutzt. Auf einem          Über das vorhandene Netz von         Entzug der landwirtschaftlichen
großen Teil der rekultivierten        Bundesstraßen und Autobahnen         Nutzung kommt. Hier müssen noch
Flächen werden Forste und Seen        sind die urbanen Regionen Aachen,    intelligente, praxisgerechtere
angelegt. Damit geht der landwirt-    Düsseldorf und Köln von jedem        Lösungen zum Schutz und Erhalt
schaftlichen Nutzung infolge des      Punkt der Köln-Aachener Bucht in     der wertvollen Flächen gefunden
Braunkohleabbaus auch nach der        weniger als einer Stunde mit dem     werden. Die Ressource Boden ist
Rekultivierung ein bedeutender        Auto zu erreichen. Dies hat in den   weder vermehrbar noch mobil.
Teil hochwertiger Produktions-        letzten Jahren zu einer erhöhten     Wenn die in der Erdgeschichte
flächen verloren.                     Nachfrage nach Wohnbau- und          entstandenen wertvollen
Auch ohne Berücksichtigung des        Gewerbeflächen geführt.              Lössböden bebaut sind, sind sie für
Tagebaus war nur in wenigen           In der Folge der dadurch             alle Zukunft für die Nahrungsmit-
Städten und Gemeinden der Börde-      entstandenen Flächenknappheit,       telproduktion verloren.
Region in den Jahren 1994 bis         der zusätzlichen Verknappung
2013 eine unter 5 % liegende          aufgrund des Tagebaus und der
Verringerung der landwirtschaft-      damit verbundenen Artenschutz-
lichen Fläche zu verzeichnen (zum     maßnahmen sowie der allgemeinen
Beispiel in Linnich, Bedburg,         inner- und außerlandwirtschaft-
Nörvenich). In den meisten            lichen Entwicklung sind die Pacht-
anderen Gemeinden und Städten

  Abraumhalde des Tagebaus Hambach bei Niederzier
Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
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    Fit für die Zukunft – Ackerbau mit
    hoher Produktivität
      „Als Ackerbauer muss ich langfristig denken und die
      Bodenfruchtbarkeit erhalten. Das, was ich von
      meinen Eltern erworben habe, möchte ich gerne an
      meine Kinder weitergeben!“ Michael Schmitz

    Betrieb Michael und Stefanie Schmitz, Linnich
9

„Ein Landwirt muss offen für           stellen. Neben Rüben wurden
Veränderungen sein“, das ist in den    zuerst Kartoffeln und später
Augen von Michael Schmitz eine         Möhren in das Anbauprogramm
Grundvoraussetzung für betriebli-      aufgenommen. Heute beliefert der
chen Erfolg und nach diesem            findige Landwirt Einzelhandelsun-
Motto hat Michael Schmitz seinen       ternehmen wie Rewe und Edeka
Ackerbaubetrieb entwickelt.            und unterstützt seinen niederländi-
                                       schen Nachbarn bei der Produktion
Aber auch die Vorfahren haben
                                       von Fritten.
Veränderungen erlebt und erfolg-
reich umgesetzt. Ungewöhnlich für      Ermöglicht wurde ihm dieser
die Börde, erstreckte sich bis ins     Schritt insbesondere durch die
19. Jahrhundert hinein am              Zusammenarbeit mit leistungsfähi-
Betriebsstandort in Hottorf ein
Waldstück, das erst um 1850
gerodet wurde. Nur der Name            Grafik 2: Standorte wichtiger landwirtschaftlicher
Hottorf, neuzeitlich „Holzdorf“,       Handels- und Verarbeitungspartner im südwestlichen Rheinland
weist noch auf die ehemalige
Bewaldung hin.

Die Ackerflächen der Jülicher
Börde sind gekennzeichnet durch
tiefgründige fruchtbare Böden, die
sich aus dem mächtigen Lösssedi-
ment entwickelt haben. Landwirt
Michael Schmitz (45), der hier
einst als kleiner Bub seinem Opa
bei der Zuckerrübenernte half, sitzt
heute selber auf dem Schlepper
und führt in dritter Generation das
Werk seines Opas fort.

Im Jahr 2000 übernahm der Agra-
ringenieur und staatlich geprüfte
Landwirt den Betrieb von seinem
Vater. Damals deutete sich bereits
an, dass Ackerland knapp und
                                                                                         Quelle: Eigene Grafik
damit kostenintensiver werden
würde. Die bisher übliche soge-
nannte rheinische Fruchtfolge mit      gen, hochprofessionellen Vermark-
Weizen, Gerste und Rüben war in        tungspartnern. „Allerdings
seinen Augen für mittlere Betriebe     wachsen die Ansprüche an Qualität
allein nicht zukunftsträchtig.         und Logistik stetig“, so der umtrie-
                                       bige Landwirt. Um diesen noch
Hervorragende Standorteigenschaf-      besser gerecht werden zu können,
ten, Marktnähe und die gute            investierte er folgerichtig in den
Verkehrsanbindung machten es           Bau von Kühl- und Lagerhallen.
möglich, den Betrieb breiter aufzu-
10

     Das war nicht günstig und bindet      „Als Ackerbauer muss ich lang-
     langfristig, somit war es notwendig   fristig denken und die Bodenfrucht-
     diese Planung intensiv in der         barkeit erhalten. Das, was ich von
     gesamten Familie vorzubereiten        meinen Eltern erworben habe,
     und die Familienmitglieder einzu-     möchte ich gerne an meine Kinder
     binden. Der Betrieb hat damit die     weitergeben“ ist seine Maxime.
     Voraussetzungen für eine ganzjäh-
                                           Dieses Verantwortungsbewusstsein
     rige Belieferung des Einzelhandels
                                           versucht er auch seinen Mitmen-
     geschaffen. Michael Schmitz hofft
                                           schen entgegen zu bringen. Rück-
     mit den jetzigen Lagerkapazitäten
                                           sichtnahme im Begegnungsverkehr
     die Abnehmer noch stärker an den
                                           mit Fußgängern und Fahrradfah-
     Betrieb binden und selber durch
                                           rern oder der Verzicht auf Gülle-

     eine „Lagerwertschöpfung“ eine        düngung in der Nachbarschaft von
     angemessene Vergütung für die         Wohngebieten wird bewusst prakti-
     Investition und seine Arbeit          ziert. „Das ist doch eine Selbstver-
     erzielen zu können.                   ständlichkeit“ betont Michael
                                           Schmitz.
     Stabile Erträge und sichere Quali-
     täten sind die entscheidenden
     Kriterien für eine erfolgreiche
     Produktion. Tatkräftig unterstützt
     wird er dabei durch seine rüstigen
     Eltern und seine Frau Stefanie, die
     sich als Grundschullehrerin
     ohnehin dem jungen Gemüse
     verschrieben hat.

     Mit Blick auf folgende Genera-
     tionen legt Michael Schmitz beson-
     deren Wert auf den Schutz der
     Ackerflächen.
11

Gülle?
Eigentlich ganz einfach!
„Es stinkt zum Himmel. Bitte          So weit, so gut?                                      werte übrigens sehr niedrig, andere
unternehmen Sie etwas. Das muss                                                             Gebiete weisen steigende Werte
                                      Neben diesen positiven Eigen-
sofort aufhören!“ Mitarbeiter von                                                           auf. Dies belegt der Nitratbericht
                                      schaften besitzt Gülle einige
Landwirtschaftskammer, Kreis-                                                               NRW.
                                      weniger gute Nebenwirkungen:
und Gemeindeverwaltungen
kennen diese Anrufe sehr gut.         Ÿ   Als organischer Stoff kommt es                    Gegen Nebenwirkungen gibt es
                                          zu unvermeidbaren Geruchs-
Die Anrufe häufen sich immer,                                                               Medizin:
                                          emissionen bei der Ausbringung
wenn die Sonne vom Himmel
                                                                                            Viele Gesetze und Verordnungen,
brennt und Gülle in der Nähe der      Ÿ   Wertvolle Nährstoffe können in
                                                                                            wie zum Beispiel die Düngeverord-
Wohnbebauung ausgebracht wird.            das Grundwasser und in die
                                          Luft gelangen                                     nung, regeln die Anwendung der
Die im Eifer vorgetragene Forde-
                                                                                            Gülle und anderer Wirtschaftsdün-
rung nach „Nulltoleranz“ ist recht-   Geruchsimmissionen werden direkt                      gemittel. Verstöße werden als
lich nicht möglich und fachlich       wahrgenommen, Nitratwerte                             Ordnungswidrigkeit eingestuft, mit
auch nicht zu begründen. Gülle ist    können im Grundwasser gemessen                        Bußgeldern sanktioniert und führen
ein wichtiger Wirtschaftsdünger       werden. In vielen Regionen, wie                       auch zu einer Kürzung der Agrar-
und enthält für die Pflanzen wich-    zum Beispiel in der Eifel oder im                     prämien.
tige Nährstoffe, wie zum Beispiel     Bergischen Land, sind die Nitrat-
Stickstoff in Form von Nitrat und
Ammonium, sowie Phosphor und
Kalium. Gülle hat eine ökonomi-
sche Bedeutung für den Landwirt,                    Grafik 3: Wirtschaftsdüngereinsatz in den
                                                    Kreisen und kreisfreien Städten
es kann Mineraldünger eingespart                    (kg/N je ha LF)
werden.
                                                                                                    170 kg/ha N
Der Einsatz von Gülle leistet sogar
                                                     GM                                       117
einen wichtigen Beitrag zum
Ressourcenschutz. Die Phosphat-                      GL                                     109

und Kaliabbaustätten werden                         LEV                     58
geschont und weniger fossile Ener-                   SU                          70
gien zur Erzeugung von Stickstoff-                   BN          35
düngemitteln benötigt. Wenn Gülle                        K      30
in den vieharmen Regionen der
                                                     BM           38
Börde ausgebracht wird, hat sie
                                                     EU                           78
auch noch einen zusätzlichen posi-
tiven Einfluss auf die Humusbil-                     DN                48

dung und damit auf die CO2-                          AC                                91
Bindung im Boden.                                    HS                                           123
                                                 RP Köln                          78

                                                             kg/ha Stickstoff aus Wirtschaftsdüngern
                                                      Quelle: Nährstoffbericht 2014, Landwirtschaftkammer NRW
12

     Neben den rechtlichen Regelungen     Die Düngeverordnung begrenzt         Niederlande importiert werden. Die
     müssen die Landwirte die Erforder-   den Einsatz von Gülle und anderen    insgesamt sehr positiven Durch-
     nisse der guten fachlichen Praxis    Wirtschaftsdüngern auf 170 kg N      schnittswerte in den Kreisen und
     erfüllen.                            je ha LF. Im Regierungsbezirk wird   Betrieben sind aber allein noch
                                          dieser Grenzwert im Durchschnitt     kein Freibrief. Es gilt, verantwor-
     Hier sind Fachkompetenz und
                                          aller Kreise eingehalten. In der     tungsbewusst auf den einzelnen
     Verantwortungsbewusstsein
                                          Eifel ist es nur ein Bruchteil der   Schlägen zu agieren und jede
     gefragt. Wirtschaftsdünger sind
                                          erlaubten Höchstmenge. In der        Grundwassergefährdung zu
     gezielt einzusetzen, also dann,
                                          Köln-Aachener Bucht ist die          vermeiden.

     wenn auch ein Bedarf an Nähr-        Menge im Mittelwert sehr niedrig,
     stoffen besteht. Die Düngung muss    obwohl aufgrund der geringen
     angepasst werden oder ganz unter-    Viehhaltung die Wirtschaftsdünger
     bleiben, wenn das Grundwasser        aus anderen Regionen und den
     gefährdet ist.                       veredlungsintensiven Gebieten der
13

Was kann gemacht werden?             ausgebracht wird. Auch bei
Wird Gülle zeitgerecht und           bedecktem, regnerischem Wetter
bodennah ausgebracht, lassen sich    sind kaum Gerüche wahrnehmbar.
Nährstoffausträge vermeiden. Das     Kündigt allerdings der Wetterbe-
bedeutet: Optimal wird Gülle in      richt Regen an, der dann jedoch
der Vegetationszeit ausgebracht      ausbleibt, sind Geruchsimmis-
und verwertet, wenn die Pflanzen     sionen nicht vermeidbar. Der Land-
die Nährstoffe benötigen und         wirt hat sich in diesem Fall nichts
aufnehmen.                           zu Schulden kommen lassen, aber
                                     die Beschwerdeanrufe bei den
Auch Geruchsemissionen lassen        Behörden erfolgen dennoch.
sich deutlich verringern, wenn
Gülle bodennah oder in den Boden

       Hinweise zur Gülleausbringung
       1.   Gute fachliche Praxis ist die Grundlage der Gülleausbringung
       2.   Beschwerden der Bürger ernst nehmen und klären
       3.   Gülleausbringung in direkter Nähe zur Wohnbebauung oder an von Spaziergängern stark
            frequentierten Wegen möglichst vermeiden
       4.   Am Wochenende möglichst keine Gülleausbringung und keinen Gülletransport durch
            Ortschaften.
       5.   Sofern das nicht vermeidbar ist, frühzeitige Information der betroffenen Anwohner
       6.   Bodennahe Ausbringung oder Injektion in den Boden anstreben
       7.   Sofortige Einarbeitung der Gülle parallel zur Ausbringung
       8.   Dokumentation der Gülle- und Nährstoffmengen für jeden Schlag (Schlagkartei)
       9.   Planung der gewässerschonenden Gülleausbringung mit dem Nährstoffvergleich
       10. Kontrolle der Mengen und Ausbringung auch beim Lohnunternehmereinsatz

                                                      ...mehr zum Thema: www.guelle-nrw.de
14

      Biodiversität: Ein Zukunftsthema
     Die naturräumliche Vielfalt unseres   Diese naturräumliche Vielfalt         Zunahme der Immissionen durch
     Landes bildet sich auch im Regie-     bedeutet das Vorhandensein unter-     Verkehr und andere Emittenten
     rungsbezirk Köln ab. Die land-        schiedlichster Potenziale für die     sowie eine zunehmende Beein-
     schaftliche Vielfalt reicht von den   Ausprägung von Biodiversität aber     trächtigung der Natur durch Frei-
     grünlandgeprägten Mittelgebirgs-      auch für unterschiedliche Entwick-    zeitnutzung beigetragen. Aber auch
     lagen bis zur Ackerbauregion der      lungsmöglichkeiten der Kultur-        die Intensivierung der Landwirt-
     Köln-Aachener Bucht. In der Eifel,    landschaft. Art und Intensität der    schaft führte zu einem erheblichen
     dem Siebengebirge und den bergi-      landwirtschaftlichen Nutzung sind     Verlust an Biodiversität. Es ist ein
     schen Kreisen befinden sich zudem     einerseits Folge der naturräumli-     gesellschaftliches Ziel, geeignete
     große Waldgebiete. Im Regierungs-     chen Gegebenheiten und führen         Maßnahmen zu entwickeln um
     bezirk gibt es auch noch alte         andererseits in den Teilräumen zu     diesem Trend entgegenzuwirken.
     Heidegebiete, zum Beispiel die        einer unterschiedlichen Gestaltung    Die Landwirtschaft nimmt diese
     Wahner Heide oder die Drover          der Kulturlandschaft.                 Herausforderung an und sucht
     Heide. Ähnlich einem Netz durch-      Bei aller Schönheit der verschie-     gemeinsam mit Anderen nach
     ziehen die Region schließlich zahl-   denen Landschaften im südlichen       neuen Lösungen zur Bewahrung
     reiche Gewässer wie Rhein, Sieg,      Rheinland gilt: In den vergangenen    und Förderung der Biodiversität.
     Rur, Wupper oder Erft mit ihren       Dekaden hat die Biodiversität abge-   Schließlich prägt die Landwirt-
     Auen.                                 nommen. Hierzu haben der erheb-       schaft als größter Flächennutzer in
                                           liche Verlust der Freifläche durch    allen Teilen des Regierungsbezirks
                                           Versieglung, die deutliche            das Bild der Landschaft und ist von
15

maßgeblicher Bedeutung für die          Eine Erfolgstory sind die nunmehr       Auch wenn wir erst am Anfang
Entwicklung des Naturhaushalts.         seit Jahrzehnten laufenden Aktivi-      stehen und noch viele Herausforde-
Maßnahmen in den Bördeland-             täten zum Schutz wertvoller Grün-       rungen zu bewältigen sind, gibt es
schaften und den urbanen                landgesellschaften in der Eifel.        zur kooperativen Zusammenarbeit
Regionen sind deshalb von beson-        Gemeinsam haben all diese               aus Sicht der Landwirtschaft bei
derer Bedeutung, weil die vorhan-       Projekte den Ansatz, durch koope-       der Entwicklung von Problemlö-
dene Naturausstattung in den            rative Zusammenarbeit von Land-         sungen keine sinnvolle Alternative.
Mittelgebirgslagen im Allgemeinen       wirtschaft und Naturschutz neue
besser ist.                             Lösungen zu entwickeln und zur
                                        Förderung der Biodiversität beizu-
Auf der Suche nach Lösungen zur
                                        tragen.
Verbesserung der Biodiversität
agiert die Landwirtschaft nicht
allein. In einer Vielzahl von
Projekten arbeiten Landwirtschaft

        Was ist Biodiversität und was gehört alles dazu?

        Ÿ   Biodiversität ist die Vielfalt des Lebens
        Ÿ   Die Vielfalt des Lebens lässt sich auf drei Ebenen beschreiben:
        Ÿ   Vielfalt der Ökosysteme (Lebensräume wie Wasser, Wald, Alpiner Raum)
        Ÿ   Vielfalt der Arten (Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen)
        Ÿ   Vielfalt der Gene (Rassen oder Sorten von wildlebenden und genutzten Arten)
        Ÿ   Als vierte Ebene versteht man unter funktionaler Biodiversität die Vielfalt der
            Wechselbeziehungen innerhalb und zwischen den drei Ebenen
                                                                   Quelle: Bundesamt für Umwelt (Schweiz) 2010

und Naturschutz zusammen. Bei
diesen Bemühungen stehen in den
ackerbaulich geprägten Regionen
die Förderung der Feldfauna und in
den Mittelgebirgslagen die
Bewahrung der floristischen
Vielfalt im Mittelpunkt. Aktuelle
Projekte beziehen sich auf die
Förderung des Insektenreichtums
als Nahrungsgrundlage der Fauna
in Feld und Flur oder auf den
Schutz bestimmter Arten wie Feld-
hamster und Grauammer. Andere
Projekte zielen auf eine naturnä-
here Gestaltung unserer Gewässer.
16

       Nachhaltig
       und trotzdem intensiv?
       Nachhaltigkeit ist als Leitbild für           Zur Definition einer nachhaltigen
       die Gestaltung der Zukunft seit               Landwirtschaft gibt es eine
       einigen Jahren in aller Munde. Sie            Vielzahl verschiedener Ansätze, ein
       ist herausgehobene Forderung der              sehr umfassender beschreibt: „Eine
       Grundsatzpapiere aller gesell-                nachhaltige Landwirtschaft ist
       schaftlichen Gruppen und fast                 ökologisch tragfähig, ökonomisch
       keine öffentliche Debatte wird                existenzfähig, sozial verantwort-
       ohne Bezug zur Nachhaltigkeit                 lich, ressourcenschonend und dient
       geführt. Auch die Wissenschaft                als Basis für zukünftige Generatio-
       entdeckt für sich darin ein neues             nen.“
       Betätigungsfeld. Was aber meint               Daraus abgeleitet sind folgende
       Nachhaltigkeit konkret? Der                   Nachhaltigkeitskriterien wesent-
       Ursprungsgedanke stammt aus der               lich:
       Land- und Forstwirtschaft: Um das
       Holz eines Waldes dauerhaft                   Ÿ   Ausreichende Versorgung der
                                                         wachsenden (Welt)Bevölkerung
       nutzen zu können, dürfen nicht                    mit qualitativ hochwertigen
       mehr Bäume geschlagen werden,                     Lebensmitteln
       als wieder nachwachsen können.                Ÿ   Existenzsicherung landwirt-
       So einfach, so einleuchtend!                      schaftlicher Betriebe
       Heute wird nachhaltige Entwick-               Ÿ   Erhalt und Schonung der natür-
                                                         lichen Ressourcen
       lung nach der Brundtland-
       Kommission als eine Entwicklung               Ÿ   Erhalt der Biodiversität
       beschrieben, die den Bedürfnissen             Ÿ   Sicherung der Lebensgrund-
       der Gegenwart gerecht wird, ohne                  lagen für die Nachfolgegenera-
                                                         tionen
       die Möglichkeiten künftiger Gene-
                                                     Ÿ   Verantwortung im globalen
       rationen, ihre eigenen Bedürfnisse
                                                         Kontext.
       zu befriedigen, zu gefährden.

     Grafik 4: Vergleich der Weizenproduktivität wichtiger Exportnationen
               (Produktivität im Vergleich zum mittleren Weizenertrag von 3 t/ha)

                                                                             310%

                                                                      247%
                                                               231%

             96%   87%           87%           94%
                          72%                            68%
                                        55%

            USA    CDN   BRA    ARG    AUS     UA        RUS    F      D     AK

           Quelle: Eigene Berechnungen, factfish, AK = Arbeitskreis Ackerbau Düren
17

In der Diskussion wird allerdings      sung des Bundesumweltministers
häufig verkannt, dass sich die         muss die Landwirtschaft dieser
einzelnen Kriterien nicht einfach      Herausforderung weltweit in erster
ergänzen, sondern teilweise auch       Linie dadurch begegnen, dass sie
ausschließen. So basierten die stei-   die Produktion auf bereits bewirt-
genden Produktionszahlen in der        schafteten Flächen steigert, gleich-
Landwirtschaft der Vergangenheit       zeitig aber ein weiteres Vordringen
auf einem höheren Ressourcenver-       auf nur begrenzt für eine landwirt-
brauch in Form von Dünge- und          schaftliche Nutzung geeignete
Pflanzenschutzmitteln. Höhere          Standorte unterlässt.
Intensitäten haben umgekehrt
                                       Ein zweiter entscheidender Ansatz
direkten Einfluss auf die Biodiver-
                                       ist die Effizienzsteigerung des
sität und die Umwelt.
                                       Stickstoffeinsatzes als wichtiger
Auswege aus diesem Dilemma             Baustein des sogenannten Inte-
bieten eigentlich nur zwei Wege.       grierten Landbaus. Es gilt, mit
Eine Möglichkeit besteht darin,        gleichem oder geringerem Einsatz
zukünftig die Nachfrage nach           von Düngemitteln mehr Nahrungs-
Nahrungsmitteln zu verändern.          mittel zu produzieren. Dieses ist in
                                       der Vergangenheit bereits
Mehr pflanzliche und deutlich
weniger tierische Produkte in
unserer Ernährung würden zu einer
extensiveren Produktion führen.
Dieser Weg setzt aber eine strikte
Verhaltenskontrolle der Verbrau-
cher voraus. Sie müsste auch nicht
nur in den Wohlstandgesellschaften
der westlichen Welt umgesetzt
werden, sondern insbesondere in
den aufstrebenden Regionen und
Nationen, deren zusätzlicher
Wohlstand sich gerade auch im
zunehmenden Verzehr von Milch-
und Fleischprodukten widerspie-
gelt.

Wenn dieser Weg gesellschaftlich
nicht vollzogen wird und politisch
nicht durchgesetzt werden kann,
bleibt nur der Weg, die Effizienz      gelungen, sollte aber noch konse-
der landwirtschaftlichen Produk-       quenter verfolgt werden und setzt
tion weiter zu erhöhen. Einfach        voraus, dass der Agrarforschung
ausgedrückt: Es gilt, zukünftig        und der Beratung der Landwirte
mehr Nahrungsmittel zu produzie-       ein deutlich höherer Stellenwert
ren, ohne mehr Ressourcen zu           eingeräumt wird.
verbrauchen.
                                       Nach Prof. Lütke Entrup (FH
Ein wesentlicher Hebel hierzu ist      Südwestfalen) berücksichtigt der
nach Vorstellung der Wissenschaft      Integrierte Landbau neben der
der Erhalt und die Sicherung der       Stickstoffeffizienz auch andere
Ressource Boden. Nach Auffas-          wesentliche Indikatoren für die
18

     nachhaltige Landwirtschaft. Er                       Dagegen kann eine differenzierte
     stellt praktisch die Weiterentwick-                  Betrachtung, die extensivere und
     lung der konventionellen Landwirt-                   intensivere Formen der Landwirt-
     schaft mit zusätzlicher Schwer-                      schaft nicht als Gegensatz begreift,
     punktbildung im ökologischen                         sondern ihnen vorurteilsfrei
     Bereich dar, also die Schonung und                   begegnet, zu realen Ergebnissen
     Entwicklung der abiotischen und                      führen. Wenn den für den jewei-
     biotischen Ressourcen mit der Ziel-                  ligen Standort geeigneten Formen
     setzung, dem Nachhaltigkeitsan-                      Entfaltungsmöglichkeiten eröffnet
     spruch und damit der Zukunftssi-                     werden, kann die Landwirtschaft in
     cherung gerecht zu werden.                           ihrer Vielfalt wichtige Beiträge zu

          Grafik 5: Entwicklung der Stickstoffeffizienz der
                    Weizenproduktion in Praxisbetrieben 1993 - 2014
                    (kg Weizen/kg N)

                              60

                              58

                              56
                                                                                    53
           kg Weizen / kg N

                              54

                              52                            51
                                                                        50
                              50                48
                              48
                                    46
                              46

                              44

                              42

                              40
                                   93-95      96-00       01-05       06-10       11-14
                                                          Jahre

                                    Quelle: Eigene Berechnungen, Arbeitskreis Ackerbau Düren

     Im Unterschied zu dieser Betrach-                    einer Verbesserung der Nachhaltig-
     tung wird in der außerlandwirt-                      keit leisten. Damit lässt sich aller-
     schaftlichen Diskussion häufig die                   dings kein Anspruch erheben, die
     Zukunftsfähigkeit der Landwirt-                      zum Teil widerstrebenden Nachhal-
     schaft nur auf die Gegensätze „Öko-                  tigkeitsziele kompromisslos und
     landbau“ versus „Konventionelle                      umfassend erreichen zu können.
     Landwirtschaft“ reduziert. Regel-
     mäßig führen diese Diskussionen
     aber nicht zur Auflösung von
     Problemen, sondern nur zum
     Verharren auf immer gleichen,
     unversöhnlichen Positionen.
19

Weizenanbau in der Bördelandschaft der Köln-Aachener Bucht
20

            C. Die Eifel:

            Eine Landschaft der Vielfalt und
              der naturnahen Wirtschaftsweise

     Nach Südwesten geht die Köln-          nell Ackerbau betrieben, allerdings    Haupterwerb.
     Aachener Bucht in die Mittelge-        weniger intensiv als in der Börde.     Die Eifeler Landwirte sind fort-
     birgslandschaft der Eifel über.        Getreide- und Rapsanbau, daneben       schrittlich. Sie sind die wahren
     Höhere Niederschlagsmengen, eine       auch noch Ackerfutterbau, sind         Pioniere im Bereich von Vertrags-
     kürzere Vegetationszeit mit einer      vorherrschend. Der früher typische     naturschutz- und Agrarumweltmaß-
     niedrigeren Jahresmitteltemperatur     Braugerstenanbau ist dagegen seit      nahmen, an deren Programmen fast
     und die Bodenbeschaffenheit füh-       vielen Jahren rückläufig.              jeder zweite Betrieb teilnimmt.
     ren dazu, dass die Grünlandnut-        Und wer weiß schon, dass es in der     Mehr als ein Drittel der landwirt-
     zung das Bild dieser Kulturland-       Eifel mehr Mutterkuh- und Pferde-      schaftlichen Fläche wird nach die-
     schaft dominiert. Rund 70 % der        halter, als Milchviehbetriebe gibt?    sen Kriterien bewirtschaftet. Die
     landwirtschaftlich genutzten Fläche                                           Zusammenarbeit mit Biostationen
     der Nordeifel (NRW) dienen der         Charakteristisch ist neben dieser
                                            großen Vielfalt in der Feld- und       und Unteren Landschaftsbehörden
     Grünlandwirtschaft.                                                           ist vertrauensvoll und für die Land-
                                            Viehwirtschaft der besonders hohe
     Trotzdem ist das Bild „nur Grün-       Anteil an Nebenerwerbslandwirten.      wirte selbstverständlich. Sie sind,
     land und Milchvieh“ nicht richtig.     Da in der amtlichen Statistik nur      sofern es einen Nutzen für den
     In der Voreifel von Mechernich bis     Betriebe ab fünf Hektar gezählt        Betrieb bringt, neuen Ideen gegen-
     Kreuzau gibt es mehr Ackerflächen      werden, liegt der tatsächliche         über aufgeschlossen. So liegt zum
     als Grünland, selbst in den Eifelge-   Anteil dieser Betriebe in Wirklich-    Beispiel auch der Anteil der Biobe-
     meinden von Bad Münstereifel bis       keit noch viel höher. Zwei von drei    triebe in der Eifel deutlich über
     nach Kall ist der Ackeranteil          Betrieben werden im Nebenerwerb        dem Durchschnitt von Nordrhein-
     beträchtlich. Hier wird professio-     geführt, nur jeder dritte Betrieb im   Westfalen.
21

Auch der Erfolg der Regionalmar-      verbundene touristische Attraktivi-      Gesamtwertschöpfung innerhalb
ke Eifel ist im deutschlandweiten     tät der Region hinaus, ist die land-     dieses Raumes und stärkt so die
Vergleich einmalig.                   wirtschaftliche Nutzung eine             wirtschaftliche und soziale Struktur
                                      wesentliche Voraussetzung zur            der Eifel.
Die Fördersummen je Betrieb sind
dabei nicht immer bedeutsam, für
die überwiegend im Nebenerwerb
                                                     Grafik 6: Anteil der Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe
geführten Betriebe der Eifel sind                              in den Kreisen und kreisfreien Städten
sie aber oft ein wichtiger Baustein
für den Fortbestand des Betriebes.                      GM               47%                                  53%
Die Summe aus außerlandwirt-                            GL                     47%                            53%
schaftlichem Einkommen, Markt-                         LEV              40%                                   60%
ertrag und Förderung stärkt die
                                                        SU                     46%                            54%
klein- und mittelbäuerlichen
Betriebe enorm. Insofern ist der                        BN                                                    53%
Erhalt und Ausbau der sogenannten                         K                          56%                      44%
2. Säule der Agrarförderung von                         BM            30%                                     70%
nicht zu unterschätzender Bedeu-
                                                        EU                           55%                      45%
tung für die Eifeler Landwirtschaft
und die Gesamtregion.                                   DN             31%                                    69%
                                                        AC                   40%           rel. Nebenerwerb   60%
Über den Erhalt der reizvollen                                                             rel. Haupterwerb
                                                        HS           28%                                      72%
Kulturlandschaft und die damit
                                                                       Quelle: Landesdatenbank NRW, IT.NRW 2010
22

     Betrieb Joachim Kremer, Blankenheim

     Eine Landwirtsfamilie mit vielen Berufen
     Joachim Kremer aus Blankenheim-         besucht noch die Schule.             Betrieb Kremer 27 Tiere gehalten.
     Ripsdorf ist überzeugt, dass eines      Das gemeinsame Leben auf dem         Die neun laktierenden Mutterkühe
     seiner Kinder auch in Zukunft den       Familienbetrieb ist für die drei     laufen zusammen mit dem Bullen
     landwirtschaftlichen Nebener-           Kinder ein entscheidender Grund,     der italienischen Rasse „Piemonte-
     werbsbetrieb weiterführen wird:         sich nicht der Landflucht vieler     ser“ und den noch saugenden
     „Der Hof bedeutet Heimat für            junger Menschen in die städtischen   Kälbern von Mitte April bis Mitte
     mich! Alle miteinander in der           Ballungsgebiete anzuschließen.       November auf der Weide. Die
     freien Zeit, an der frischen Luft und   Die Hofstelle mit Wohnhaus und       älteren weiblichen Rinder und
     in dieser schönen Landschaft            Wirtschaftsgebäuden von Familie      Bullen stehen zur Aufzucht und
     unsere Tiere zu versorgen, unsere       Kremer ist mitten in Ripsdorf nahe   Mast in eigenen Gruppen auf der
     Flächen zu pflegen und zu bewirt-       der Kirche gelegen. Die insgesamt    Weide. Im Winter bis zur nächsten
     schaften, ist ein Traum!“,              27 ha große Nutzfläche, davon 23     Weideperiode werden die Gruppen
     schwärmt Joachim Kremer, der            ha Grünland und 4 ha Ackerflä-       in verschiedenen Abteilen einge-
     hauptberuflich als Gas- und Was-        chen, liegt rund um das 470 Ein-     stallt und mit eigenerzeugter Silage
     serinstallateur im 30 km entfernten     wohner zählende Eifeldorf.           und ausschließlich selbst angebau-
     Bad Münstereifel arbeitet. Seine                                             tem Getreide gefüttert. Die Liege-
     Frau Monika Kremer ist Erzieherin       Kreislaufwirtschaft lohnt sich       flächen der Laufstallabteile werden
     in einer Kindertagesstätte in                                                mit dem geernteten Stroh einge-
     Schleiden. Die beiden 19 und 18         Das Einkommen aus dem landwirt-      streut und der Mist wird im Winter
     Jahre alten Söhne befinden sich in      schaftlichen Nebenerwerb kommt       direkt aus dem Stall auf den land-
     der Berufsausbildung, die Tochter       ausschließlich aus der Mutterkuh-    wirtschaftlichen Flächen verteilt.
                                             haltung. Zurzeit werden auf dem
23

Auf seinem Grünland verzichtet          Die hohe Fleischqualität wird zwar
Joachim Kremer auf mineralischen        nicht mit einem höheren Preis ent-
Stickstoffdünger. Da er die Förder-     lohnt, aber dank der Qualität ist
voraussetzungen erfüllt, hat er sich    noch kein Stammkunde verloren
der NRW-Agrarumweltmaßnahme             gegangen. Vorteilhaft ist nach
„Grünlandextensivierung“ ange-          Aussage der Familie Kremer, dass
schlossen und erhält dafür einen        im Vergleich zu anderen Rassen bei
Aufschlag auf seine EU-                 den Piemontesern der Fleischanteil
Flächenprämie.                          höher ist, so dass pro Tier mehr
Wer extensiv wirtschaftet, muss         Fleisch verkauft werden kann.
natürlich auch die Kosten im Griff      In der Phase der Stallabkalbungen
haben, weiß die Familie. „Wir           verfolgen Joachim und Monika
versuchen unsere drei Schlepper         Kremer per Videokamera das
älteren Baujahrs und die Maschi-        Geschehen, um im Ernstfall der
nen zur Futterwerbung in Schuss         Kuh die Geburt zu erleichtern oder
und damit die betrieblichen Kosten      den Tierarzt zur Geburtshilfe
niedrig zu halten“, erklärt der Land-   heranzuziehen.
wirt, der auch die gesamte Stallein-    Dank der EU-Flächenprämie, der
richtung selbst zusammengebaut          Ausgleichszulage für benachteilig-
hat.                                    te Gebiete und der NRW-
                                        Extensivierungsprämie bleibt noch
Piemonteser Qualitätfleisch             genug vom Gewinn aus dem
Die Einkreuzung der Piemonteser         Nebenerwerb übrig, um im Ernst-
Rasse macht sich insbesondere bei       fall eine neue Maschine zu erwer-
der Fleischqualität positiv bemerk-     ben oder Investitionen in die
bar. Die Tiere dieser Rasse sehen       Gebäude zu tätigen.
nicht nur mit ihrer deutlichen Mus-     Die anfallende Arbeit wird unter
kelausprägung und Doppellendig-         den Familienmitgliedern aufgeteilt,
keit edel aus, der Fleischanteil am     wobei die drei Männer im Winter
Schlachtkörper ist dank des leich-      das tägliche Füttern und Misten
ten Knochengerüstes überdurch-          übernehmen und Monika Kremer
schnittlich hoch und das Fleisch in     die Buchführung erledigt. Die
allen Partien mager sowie dank          Familie legt besonderen Wert
eines geringen Bindegewebeanteils       darauf, dass die anfallende Arbeit
sehr zart.                              überschaubar ist und damit die
Im Alter von 18 bis 20 Monaten          Freude an der eigenen Landwirt-
haben die mit dem eigenen Getrei-       schaft erhalten bleibt. Einschrän-
de endgemästeten Rinder die             kungen in der Flächenbewirtschaf-
Schlachtreife erreicht. Im Ripsdor-     tung durch den Gesetzgeber wie
fer Gemeinschaftsschlachthaus           zum Beispiel in Form einer novel-
schlachtet der gelernte Metzger         lierten Düngeverordnung mit noch
und Bruder von Monika Kremer            mehr Bürokratie werden allerdings
fünf bis sechs Mal im Herbst und        mit Sorge gesehen.
Winter ein Tier. Der bis zu 350 kg
schwere Schlachtkörper wird zer-
legt, auf Wunsch weiter zerkleinert
und als Achtelrind in Schlachtkis-
ten an die Kunden zur Selbstabho-
lung verkauft.
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     Erfolgsmodell Vertragsnaturschutz:
     Bauern und Naturschützer ziehen
     an einem Strang
           In der Eifel arbeiten Bauern und           So werden heute schattige Bachtä-
           Naturschützer nicht gegen, sondern         ler, trockene Magerrasen, Hoch-
           miteinander. Aufgrund des Engage-          moore oder felszerklüftete Steil-
           ments einzelner Personen, insbe-           hänge, auf denen sich seltene
           sondere von Prof. em. Wolfgang             Pflanzengesellschaften angesiedelt,
           Schumacher (Univ. Bonn) hat die            bedrohte Vogelarten zurückgezo-
           Eifel im bundesweiten Vergleich            gen oder geschützte Insektenpopu-
           eine Vorreiterrolle in der landwirt-       lationen entwickelt haben, in ihrem
           schaftlichen Pflege von Natur-             besonderen Schutzstatus erhalten
           schutzflächen. Schumacher, der in          und zugunsten des Natur- und
           der Eifel aufwuchs und dort lebt,          Artenschutzes weiterentwickelt.
           ist es gelungen, die Idee des Ver-         Hauptförderbausteine des Vertrags-
           tragsnaturschutzes innerhalb des           naturschutzes in der Eifel sind die
           bäuerlichen Berufsstandes bekannt          naturschutzgerechte Nutzung von
           zu machen. Maßgeblich für den              Grünland auf Magerstandorten
           Erfolg war, dass er die Bauern von         oder in Bachtälern, die Pflege von
           Anfang an als Partner und nicht als        Biotopen wie Heiden oder Nass-
           Gegner betrachtet hat. Er hat sie          wiesen, die Streuobstwiesen- und
           nicht überfordert und hat sich für         Heckenpflege und an einigen
           eine faire Entlohnung ihres Einsat-        Standorten die naturschutzgerechte
           zes eingesetzt.                            Nutzung von Ackerflächen.

           Grafik 7: Bedeutung von Agrarumweltmaßnahmen und Vertragsna-
           turschutz in den Agrarräumen (in Prozent der landwirtschaftlichen
           Nutzfläche)

                                              38 %
                               34 %
                                                                                        Quelle: Landwirtschaftskammer NRW 2015

                                                               20 %

                 14 %
                                                                              12 %

            Köln-Aachener    Bergisches           Eifel   Niederrheinisches   urbaner
                Bucht          Land                           Tiefland          Raum
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Wer sich für mindestens fünf Jahre   Ob eine Fläche für den Vertragsna-
verpflichtet, solche Flächen nach    turschutz geeignet ist, beurteilt die
naturschutzfachlichen Vorgaben zu    zuständige Biologische Station.
bewirtschaften, erhält dafür eine    Deren Mitarbeiter prüfen nicht nur
von der EU kofinanzierte Natur-      die Flächentauglichkeit, sondern
schutzprämie vom Land Nord-          beraten auch die Landwirte hin-
rhein-Westfalen. Die Höhe der        sichtlich der Bewirtschaftungsmaß-
Prämien richtet sich nach den        nahmen und der Antragstellung auf
Bewirtschaftungseinschränkungen      Fördermittel. Die unteren Land-
und dem Mehraufwand an Arbeits-      schaftsbehörden der Kreise bewilli-
zeit gegenüber der gängigen          gen die Förderanträge. Auch für die
Bewirtschaftung.                     Flächen des Vertragsnaturschutzes
In der Nordeifel werden 4.300 ha     erhalten die Antragsteller die EU-
naturschutzgerecht bewirtschaftet    Flächenprämie über die Landwirt-
und gepflegt. Auf diesen Flächen     schaftskammer. Ein regelmäßiger
werden keine Pflanzenschutzmittel    fachlicher Austausch zwischen
eingesetzt und auf mineralische N-   Landwirtschafts- und Naturschutz-
Düngung wird verzichtet. Organi-     behörden hat sich deshalb etabliert.
sche Düngung und Weidegang sind      Schließlich profitieren der Natur-
teilweise in reduziertem Rahmen      schutz und die Landwirte gemein-
zugelassen.                          sam von dieser kooperativen För-
                                     dermaßnahme.
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     D. Landwirtschaft im Ballungsraum
27

Wie vielfältig die Landwirtschaft     Nähe der Städte oft wesentlich        Doch die Landwirtschaft in den
im Regierungsbezirk ist, wird         kleiner sind und damit der            Ballungsgebieten erzeugt nicht nur
nirgends deutlicher als bei einer     Aufwand für den Landwirt steigt,      Lebensmittel - sie ist auch
Fahrt von der Eifel, dem Bergi-       muss in Kauf genommen werden.         „Lebens“mittel: Sie bereichert
schen Land oder der Köln-             Und gerade in den Ballungsgebie-      unser tägliches Leben und Erleben,
Aachener Bucht in die städtischen     ten steigen Pacht- und Kaufpreise     gliedert die Siedlungen, dient als
Ballungsgebiete von Köln, Aachen,     für landwirtschaftliche Flächen       Erholungsgebiet beim abendlichen
Leverkusen oder Bonn: Je dichter      unaufhörlich und liegen weit über     Spaziergang und kühlt an heißen
die Bebauung wird, umso geringer      dem Bundesdurchschnitt.               Sommertagen merklich die Stadt-
wird der Anteil der landwirtschaft-   Doch die Nähe zu den Ballungsge-      luft.
lichen Flächen. Das Verkehrsnetz      bieten und damit zu den dort leben-   Die Landwirtschaft in den
wird engmaschiger und zerschnei-      den und arbeitenden Menschen          Ballungsgebieten kann langfristig
det die Landschaft und damit auch     bietet auch große Chancen:            aber nur funktionieren, wenn der
die Äcker und Wiesen, die es auch     Pensionspferdehaltung lohnt sich      Flächenverbrauch nicht weiter
in städtischen Gebieten noch gibt.    im Bereich der Ballungsgebiete        steigt und der hohe Aufwand der
Die Bewirtschaftung dieser            mehr als die Rinderhaltung, der       Produktion über die Wertschöpfung
Flächen ist für den Landwirt oft      Anbau von Gemüse, Spargel, Obst       ausgeglichen wird. Dafür sollten
eine Herausforderung: Auf dem         und Erdbeeren ermöglicht eine         die Pachtpreise für landwirtschaft-
Schlepper durch den Berufsver-        höhere Wertschöpfung als der          liche Flächen in Ballungsgebieten
kehr, der morgens aus den ländli-     Anbau von Raps und Weizen. So         aber nicht mit den Raten der
chen Gebieten nicht nur über die      werden die erntefrischen Erzeug-      vergangenen Jahre weiter steigen.
Autobahnen in die Innenstädte oder    nisse oft auf dem eigenen Hof den     Und gerade in den dicht bevölker-
die Gewerbegebiete an den             Kunden angeboten und Super-           ten Ballungsgebieten benötigt die
Rändern der Städte drängt. Dass       marktketten direkt - also ohne        Landwirtschaft eine ausreichende
die angefahrenen Flächen in der       Zwischenhändler - beliefert.          gesellschaftliche Wertschätzung!
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     Was ist urbane Landwirtschaft?
           Wer hip ist oder sein will, hat      Beschreibung des urbanen Gärt-
           davon schon gehört oder ist viel-    nerns verwendet.
           leicht schon Teil der Bewegung.      Beim urbanen Gärtnern stehen der
           Junge Menschen besetzen freie        Mensch und sein Wunsch nach
           Flächen in den Großstädten und       Selbstverwirklichung und Selbst-
           beginnen als Ausdruck des Protests   versorgung im Vordergrund.
           und politischen Bewusstseins diese
           Brachen zu bepflanzen und in der     Auch urbane Landwirtschaft ist ein
           Großstadt ein Stück Natur anzusie-   komplexes, sich im Wandel befin-
           deln. Was mit diesem Guerilla Gar-   dendes und in einer Vielzahl an
           dening begann, entwickelt sich       Ausprägungen auftretendes Phäno-
           weiter und setzt sich in anderen     men. Folglich ist es schwierig,
           Formen fort. Ob in Berlin, Köln,     dieses in einer allgemein gültigen,
           Zürich oder Aachen, Hamburg oder     aktuellen Definition darzustellen.
           New York: Überall entwickeln sich    Anerkanntes Kennzeichen urbaner
           neue Formen urbanen Gartenbaus -     Landwirtschaft ist, dass sie profes-
           Interkulturelle Gärten, Community    sionell, markt- und kundenorien-
           Gardens, City Farms, Nachbar-        tiert auf größeren Flächen im Bal-
           schaftsgärten.                       lungsgebiet, insbesondere in stadt-
           Urbane Landwirtschaft im engeren     nahen Zonen von Großstädten wirt-
           Sinne ist dies alles aber nicht.     schaftet. Sie hat sich an die groß-
           Fälschlicherweise wird der Begriff   städtischen Gegebenheiten ange-
           der urbanen Landwirtschaft oft zur   passt und unterscheidet sich insbe-
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sondere durch die räumliche Nähe       Bedeutung. Ein neuer, ursprünglich
zur Großstadt und den Konsumen-        in den USA entstandener Trend, ist
ten von der ländlichen Form der        Green Care. Auch dieser Begriff
Landwirtschaft. Die Art der Nah-       lässt sich nicht eindeutig definie-
rungsmittelproduktion ist in der       ren, sondern umfasst eine Vielzahl
urbanen Landwirtschaft so vielfäl-     von Aktivitäten innerhalb und
tig wie es die unterschiedlichen       außerhalb der Landwirtschaft.
natürlichen Rahmenbedingen erfor-      Arbeitsort, Lebensort, Bildungsort
dern.                                  und Gesundheitsort Bauernhof
Für alle Formen der urbanen Land-      umschreibt alles, was Green Care
wirtschaft sind ihre Anpassungsfä-     bedeuten und leisten kann.
higkeit und die Entwicklung viel-      Traditionelle Formen der Umnut-
fältiger Dienstleitungsangebote, oft   zung landwirtschaftlicher Gebäude,
gekoppelt mit intensiver Flächen-      wie die Entwicklung von Wohnun-
produktion, kennzeichnend. Neben       gen und die gewerbliche Vermie-
überregionalen Absatzmärkten           tung sind und bleiben zukünftig
bestimmen vielfältige Formen der       von großer wirtschaftlicher Bedeu-
Direkt- und Regionalvermarktung        tung. Nicht zuletzt werden von den
die Absatzwege. Im Vergleich zur       Landwirten im urbanen Raum
Landwirtschaft im ländlichen           erhebliche finanzielle Mittel in
Raum ist der Dienstleistungsbe-        außerlandwirtschaftliche Projekte
reich, zum Beispiel die Pensions-      in Stadt und Umland investiert.
pferdehaltung, von besonderer

  Gemüseanbau in Hürth
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     Pferde im Schatten des Kölner Doms
             Vor den Toren Kölns in unmittel-     erschwert das notwendige Flächen-
             barer Nähe zum Fühlinger See liegt   wachstum, zum Teil ist Wachstum
             der Heinrichshof, auf dem die        gar nicht mehr möglich.
             Familie Frenger bereits in der       Michael Frenger hat diese
             vierten Generation einen landwirt-   Entwicklung erkannt und mit
             schaftlichen Betrieb führt. Wie in   seiner Familie nach neuen Wegen
             vielen größeren Betrieben in der     zum Erhalt des Betriebes für die
             Region wurde die erwerbsmäßige       nächste Generation gesucht. Ein
             Viehhaltung in den 60er-Jahren       neuer Weg ist immer ein Wagnis.
             aufgegeben. Damals erfolgte          Familie Frenger hatte den Mut ihn
             konsequent die Ausrichtung auf       zu gehen und ihr ist es trotz einigen
             reinen Ackerbau. So schön die        Stolpersteinen gelungen, die große
             Lage am Rand der Großstadt für       Hofstelle für eine außerlandwirt-
             die Freizeit- und Kulturgestaltung   schaftliche Wertschöpfung zu
             auch ist, für den Ackerbau hat sie   nutzen. Dafür ließen sie die denk-
             große Nachteile. Der starke          malgeschützte Hofanlage umbauen
             Verkehr behindert die Zu- und        und restaurieren. In Folge
             Abfahrt von den landwirtschaftli-    entstanden in idyllischer Lage am
             chen Flächen, auch ist eine          Kölner Stadtrand mehrere Wohn-
             besondere Rücksichtnahme auf die     einheiten, die im Ballungsraum
             Bevölkerung notwendig. Der große     stets nachgefragt sind.
             Flächenhunger der Großstadt
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