Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln Herausforderungen. Chancen. Perspektiven.
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Niederrheinisches Tiefland Wuppe r Leverkusen Bergisches Land Rhe Köln Köln-Aachener Bucht in Ru Erf r t Aachen Sieg Bonn Agrarräume im Eifel Regierungsbezirk Köln Bergisches Land Ah Köln-Aachener Bucht r Eifel Niederrheinisches Tiefland urbaner Raum Betriebsreportagen Betrieb Schmitz in Linnich (Seite 8) Fit für die Zukunft - Ackerbau mit hoher Produktivität Betrieb Kremer in Blankenheim (Seite 22) Eine Landwirtsfamilie mit vielen Berufen Betrieb Frenger in Köln (Seite 30) Pferde im Schatten des Kölner Doms Betrieb Ollertz-Mertens in Heinsberg (Seite 38) Familienbetriebe haben Perspektive Betrieb Hütte in Bergneustadt (Seite 46) Win-win-Situation für Kühe und Menschen Die Agrarräume im Regierungsbezirk Köln
2 Inhalt A. Die Agrarräume des Regierungsbezirks Niederrheinisches Tiefland Wuppe r B. Die Köln-Aachener Bucht Leverkusen Bergisches Land 1. Die Börde - wertvoll wie Edelmetall 6 Rhe Köln Köln-Aachener Bucht in 2. Fit für die Zukunft - Ackerbau mit hoher Produktivität 8 Ru Erf r t Sieg Aachen 3. Gülle? Eigentlich ganz einfach! 11 Bonn 4. Biodiversität: Ein Zukunftsthema 14 Eifel 5. Nachhaltig und trotzdem intensiv? 16 Ah r C. Die Mittelgebirgsregion Eifel 1. Die Eifel: Eine Landschaft der Vielfalt und der naturnahen Wirtschaftsweise 20 2. Eine Landwirtsfamilie mit vielen Berufen 22 3. Erfolgsmodell Vertragsnaturschutz: Bauern und Naturschützer ziehen an einem Strang 24 D. Landwirtschaft im Ballungsraum 1. Was ist urbane Landwirtschaft? 28 2. Pferde im Schatten des Kölner Doms 30 3. Gesellschaftliche Bedeutung der urbanen Landwirtschaft 33 4. Produktionsgartenbau im südlichen Rheinland 35 E. Landwirtschaft im Teilbereich des Niederrheinischen Tieflandes 1. Familienbetriebe haben Perspektive - in mehreren Schritten den Betrieb sichern 38 2. Ohne gesicherte Standorte keine Entwicklung 41 F. Das Bergische Land als Agrarraum 1. Win-win-Situation für Kühe und Menschen 46 2. Trinkwasserschutz durch Kooperation 48 3. Klimaschutz - Herausforderung für die Landwirtschaft 51 G. Daten und Fakten
3 Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln – Herausforderungen. Chancen. Perspektiven. Liebe Leserin, lieber Leser, Ändern sich die Wünsche, ändert sich das Angebot. Deshalb lehnen Landwirte Landwirtschaft ist spannend. Die Landwirtschaft steht Bio, Vegan oder Regional wie kaum eine andere Branche im Interesse der breiten Öffentlichkeit. Fragt man die Menschen nach den auch nicht grundsätzlich ab, sondern sehen solche Foto Gründen für ihr Interesse, lautet die Erklärung häufig: Entwicklungen durchaus „Mein Opa hatte noch einen Betrieb“ oder „Als Kind auch als Herausforderun- habe ich in den Sommerferien dem Bauern bei der gen, die neue Chancen Ernte geholfen“. Manchmal mag das so sein, erklärt eröffnen können. Das aber das rege Interesse der Menschen in den Städten funktioniert natürlich nur, nicht hinreichend. In Wirklichkeit ist das Interesse so wenn die Landwirte in groß, weil Landwirte wie Ärzte oder Feuerwehrmänner ihrer Region auch künftig Entwicklungsperspektiven mit unserem Leben zu tun haben. Landwirte erzeugen und insbesondere ausreichend Fläche für die Produk- unsere Lebensmittel, Landwirte halten Nutztiere, Land- tion haben. wirte wirtschaften in der Natur. Natürlich tragen sie damit auch eine große Verantwortung für Umwelt und Mit dieser Broschüre wollen wir einen Überblick über Natur. Deshalb ist es auch gut, dass Landwirtschaft die Landwirtschaft im Regierungsbezirk Köln geben. breites Interesse findet und intensiv und kritisch beob- Die Beschreibung, Betriebsreportagen und Beiträge zu achtet wird. aktuellen Fragen geben dazu hoffentlich einen guten Einblick. Ich bin mir sicher, dass Ihr Interesse an der Landwirtschaft bleibt also auch in Zeiten des Über- Landwirtschaft durch die Lektüre noch gestärkt und flusses von großer Bedeutung. Das gilt insbesondere weitere Neugier geweckt wird. Wer Daten zur Land- auch in einem durch Ballungszentren und gewerbliche wirtschaft im Regierungsbezirk sucht, wird im Tabel- Wirtschaft geprägten Raum wie dem Regierungsbezirk lenteil der Broschüre fündig. Köln. Hier ist die Land- und Ernährungswirtschaft übrigens ein wichtiger Sektor. Eine von der Innovat- ionsregion Rheinisches Revier erstellte Analyse hat gezeigt, dass in der Land- und Ernährungswirtschaft zusammen mehr Menschen beschäftigt sind, als zum Beispiel in der Energiewirtschaft. Johannes Frizen Landwirtschaft unterscheidet sich grundsätzlich nicht wesentlich von anderen Branchen. Produziert wird, Präsident der Landwirtschaftskammer Nordrhein- was Verbraucher wollen. Westfalen
4 A. Die Agrarräume des Regierungsbezirks Der Regierungsbezirk ist landwirt- derheiten auf. Die landwirtschaftli- die planerische Sicherung landwirt- schaftlich nicht einheitlich geprägt. chen Betriebe konkurrieren stark schaftlich genutzter Flächen zwin- Die Unterschiede ergeben sich aus mit den Flächenansprüchen anderer gend. den naturräumlichen, klimatischen Nutzungsarten wie Siedlungs-, Die Agrarräume Eifel und Bergi- und strukturellen Gegebenheiten. Verkehrs- und Erholungsflächen. sches Land sind durch die natur- Hier ist der Verlust landwirtschaft- Auf dieser Grundlage lassen sich 5 räumlichen und klimatischen licher Flächen besonders hoch. Teilregionen beschreiben: Bedingungen stark viehwirtschaft- Andererseits profitiert die Land- lich ausgerichtet. 1. die Köln-Aachener Bucht wirtschaft von der Nähe zu den Im Bergischen Land werden ange- 2. die Eifel Verbrauchern. Landwirte haben sichts ackerbaulich wenig geeigne- 3. das Bergische Land sich hierauf eingestellt und nutzen ter Böden und hoher Niederschläge 4. das Niederrheinische Tiefland den Standort mit Dienstleistungs- mehr als 85% der Flächen als Grün- angeboten, zum Beispiel in der 5. die urbanen Regionen land genutzt. Grünland lässt sich Pensionspferdehaltung oder der Köln/Bonn und Aachen auch heute noch am sinnvollsten Direktvermarktung. Besonders Grafik 1: Die Agrarräume im Regierungsbezirk Köln Niederrheinisches Tiefland Wuppe r Leverkusen Bergisches Land Köln Rhe Köln-Aachener Bucht in Erf t Ru r Sieg Aachen Bonn Eifel Ah r urbaner Raum Die landwirtschaftliche Nutzung typisch war und ist der Gartenbau durch Viehwirtschaft nutzen. Ins- im Umland der Städte Aachen, im Vorgebirge zwischen Bonn und besondere die Milchviehwirtschaft Leverkusen, Köln und Bonn weist Köln. bietet in der Regel die beste Ver- nicht aufgrund des Naturraumes, wertung. Auch in der Eifel domi- Soll Landwirtschaft hier zukünftig sondern wegen ihrer Nähe zu städ- niert die Grünlandwirtschaft, dane- stattfinden und Freiraum für Erho- tischen Ballungsgebieten Beson- ben ist bedingt durch geringere lungssuchende erhalten bleiben, ist
5 Niederschlagsmengen und bessere führung (konventionell oder biolo- die Futternutzung eine große Rolle. Böden der extensive Ackerbau gisch). Häufig halten die Betriebe neben stark verbreitet. Den Schwerpunkt Rindvieh zusätzlich noch Schweine Die wachsende Weltbevölkerung in der Viehwirtschaft bilden hier oder Geflügel. Wenn Fläche knapp und die steigende Nachfrage nach die Betriebe mit Mutterkühen, ist und die Viehdichte hoch, dann veredelten Nahrungsmitteln führen gefolgt von Pferde- und Milchvieh- ist das Nährstoffmanagement (Gül- zu der Notwendigkeit mehr Acker- betrieben. Diese Struktur der Tier- le) eine spezielle Herausforderung. bauerzeugnisse zu produzieren. haltungsbetriebe weist auf den Hier sind intelligente Handlungs- Hierzu sind die Bördestandorte hohen Anteil an Nebenerwerbsbe- strategien gefragt, doch ohne bestens geeignet und sollten einen trieben hin, die in der Eifel weit Export in die vieharme Nachbarre- entsprechenden Schutz erhalten. mehr als die Hälfte der landwirt- gion (Börde) wird es nicht funktio- schaftlichen Betriebe ausmachen. nieren können. Besonders wichtig für die Familienbetriebe des Nie- Nebenerwerbslandwirte gehen einem außerlandwirtschaftlichen Beruf nach und können mit beiden Einkommen ihre Betriebe sichern, Eifellandschaft bei Hellenthal als aktive Unternehmer stärken sie damit die Wirtschaftskraft und Vitalität ihrer Region. Sie sind als Pendler auf eine gute Infrastruktur und/oder wohnortnahe Arbeitsplät- ze angewiesen. Der Ausbau der Autobahn A1 sowie die Ansiedlung von gewerblichen Betrieben sind für diese Landwirte von wesentli- cher Bedeutung. Andernfalls wird die Entvölkerung des ländlichen Raumes mit allen daraus folgenden negativen Aspekten noch verstärkt. Die Börde war bereits in der Zeit der Römer ein Gunststandort. Wald und Wiesenwirtschaft sind hier nur schwach ausgeprägt. Die klima- tisch begünstigten Standorte mit besonders wertvollen Böden werden in der Regel für den inten- Mit dem Übergang von der Börde derrheins ist die Standortsicherung siven Ackerbau genutzt. Weizen, zum Niederrheinischen Tiefland der Hofstelle. Gerste, Raps sowie Zuckerrüben steigt der Grünlandanteil deutlich und Kartoffeln sind die bestimmen- an. Allerdings werden auch am Die Landwirtschaft am Niederrhein den Früchte. Die Betriebe in der Niederrhein die Flächen intensiv ist eine sehr dynamische Branche, Börde sind nicht zuletzt wegen der genutzt. Hier prägen mittlere bäu- die Wachstumsinvestitionen in hohen Arbeitsproduktivität im erliche Familienbetriebe die Regi- immer kürzeren Intervallen erfor- Ackerbau vergleichsweise groß. on. Sie sind nicht sehr flächenstark dert. Nur wenn die notwendigen und müssen über intensive Vieh- Stall- und Gebäudeerweiterungen Die Zülpicher und Jülicher Börde planerisch abgesichert werden und wirtschaft und Ackernutzung das zählen im weltweiten Vergleich zu dadurch umsetzbar sind, wird die notwendige Einkommen erzielen. den Standorten mit auffallend niederrheinische Landwirtschaft hoher natürlicher Ertragskraft unab- Neben Marktfrüchten wie Getreide, ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten hängig von der Art der Betriebs- Zuckerrüben und Kartoffeln spielt können.
6 B. Die Börde – wertvoll wie Edelmetall Die Köln-Aachener Bucht ist der Beispiel als Schwarzerde-Böden in Wie keine andere Region Europas größte Agrarraum innerhalb des den Weiten der Ukraine. Wenn ist die Agrarregion der Börde durch Regierungsbezirks. Sie erstreckt jedoch Niederschläge fehlen, deren den Abbau von Braunkohle sich von Rheinbach bis nach Köln Verteilung und die Temperaturen geprägt. Etwa drei Viertel der und von Euskirchen über Düren bis nicht optimal sind, können deutschen Braunkohle stammt aus nach Aachen und Erkelenz. trotzdem nur mittlere Erträge dem zwischen Aachen, Köln und Landschaftstypologisch handelt es erzielt werden. Mönchengladbach liegenden sich dabei um eine Börde, definiert Die Köln-Aachener Bucht ist wie Rheinischen Revier. Der als flaches und baumarmes Land nur wenige andere Standorte Braunkohleabbau und deren mit fruchtbarem Lössboden. weltweit durch Bodengüte, Verarbeitung finden auf rund 9.200 Diamanten sind selten, Weine mit Temperaturen und genügend Hektar Betriebsfläche statt. Mit 100 Parker Punkten ebenso. Aber Niederschläge begünstigt. Hier seinen bis zu 450 m tiefen Gruben wer weiß schon, dass auch Hocher- werden deshalb die Könige des hat der Braunkohleabbau große tragsstandorte im Ackerbau selten Ackerbaus angebaut. Weizen, Teile der Lössböden verschluckt und deshalb kostbar sind? Nur Zuckerrüben und Kartoffeln, aber und die Landschaft geprägt. wenn sich mehrere Faktoren auch Sonderkulturen prägen die Auch die Bedingungen für die zusammen finden, besitzen Landschaft. Dagegen spielt die landwirtschaftliche Produktion Ackerböden eine hohe natürliche Viehwirtschaft eine untergeordnete haben sich verändert. Dörfer wie Ertragsfähigkeit. Tiefgründige, Rolle und erklärt den geringen Pier, Garzweiler oder Lich- nährstoffreiche Böden gibt es zum Grünlandanteil. Steinstraß wurden für die Tagebaue
7 aufgegeben. Insgesamt wurden liegt die Verringerung der Flächen und Kaufpreise für landwirt- bisher 35.000 Menschen im Revier ohne die Braunkohleabbauflächen schaftliche Flächen sehr stark umgesiedelt. 32.200 Hektar zuvor bei 5 bis 10 %. Grund hierfür ist gestiegen und der Strukturwandel überwiegend landwirtschaftlich die Nutzung ehemals landwirt- ist forciert worden. genutzter Flächen mussten dem schaftlicher Flächen für den Die Flächeninanspruchnahme Abbau der Braunkohle weichen. Wohnungsbau, die Ansiedlung von durch notwendige Kompensations- Nur ca. 53 % (12.200 ha) der Gewerbe-, Handels- und Dienstlei- und Artenschutzmaßnahmen ist für 22.800 Hektar bisher rekultivierter stungsunternehmen sowie der die betroffenen Landwirte Flächen werden wieder als Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. besonders dann bitter, wenn es zum Ackerland genutzt. Auf einem Über das vorhandene Netz von Entzug der landwirtschaftlichen großen Teil der rekultivierten Bundesstraßen und Autobahnen Nutzung kommt. Hier müssen noch Flächen werden Forste und Seen sind die urbanen Regionen Aachen, intelligente, praxisgerechtere angelegt. Damit geht der landwirt- Düsseldorf und Köln von jedem Lösungen zum Schutz und Erhalt schaftlichen Nutzung infolge des Punkt der Köln-Aachener Bucht in der wertvollen Flächen gefunden Braunkohleabbaus auch nach der weniger als einer Stunde mit dem werden. Die Ressource Boden ist Rekultivierung ein bedeutender Auto zu erreichen. Dies hat in den weder vermehrbar noch mobil. Teil hochwertiger Produktions- letzten Jahren zu einer erhöhten Wenn die in der Erdgeschichte flächen verloren. Nachfrage nach Wohnbau- und entstandenen wertvollen Auch ohne Berücksichtigung des Gewerbeflächen geführt. Lössböden bebaut sind, sind sie für Tagebaus war nur in wenigen In der Folge der dadurch alle Zukunft für die Nahrungsmit- Städten und Gemeinden der Börde- entstandenen Flächenknappheit, telproduktion verloren. Region in den Jahren 1994 bis der zusätzlichen Verknappung 2013 eine unter 5 % liegende aufgrund des Tagebaus und der Verringerung der landwirtschaft- damit verbundenen Artenschutz- lichen Fläche zu verzeichnen (zum maßnahmen sowie der allgemeinen Beispiel in Linnich, Bedburg, inner- und außerlandwirtschaft- Nörvenich). In den meisten lichen Entwicklung sind die Pacht- anderen Gemeinden und Städten Abraumhalde des Tagebaus Hambach bei Niederzier
8 Fit für die Zukunft – Ackerbau mit hoher Produktivität „Als Ackerbauer muss ich langfristig denken und die Bodenfruchtbarkeit erhalten. Das, was ich von meinen Eltern erworben habe, möchte ich gerne an meine Kinder weitergeben!“ Michael Schmitz Betrieb Michael und Stefanie Schmitz, Linnich
9 „Ein Landwirt muss offen für stellen. Neben Rüben wurden Veränderungen sein“, das ist in den zuerst Kartoffeln und später Augen von Michael Schmitz eine Möhren in das Anbauprogramm Grundvoraussetzung für betriebli- aufgenommen. Heute beliefert der chen Erfolg und nach diesem findige Landwirt Einzelhandelsun- Motto hat Michael Schmitz seinen ternehmen wie Rewe und Edeka Ackerbaubetrieb entwickelt. und unterstützt seinen niederländi- schen Nachbarn bei der Produktion Aber auch die Vorfahren haben von Fritten. Veränderungen erlebt und erfolg- reich umgesetzt. Ungewöhnlich für Ermöglicht wurde ihm dieser die Börde, erstreckte sich bis ins Schritt insbesondere durch die 19. Jahrhundert hinein am Zusammenarbeit mit leistungsfähi- Betriebsstandort in Hottorf ein Waldstück, das erst um 1850 gerodet wurde. Nur der Name Grafik 2: Standorte wichtiger landwirtschaftlicher Hottorf, neuzeitlich „Holzdorf“, Handels- und Verarbeitungspartner im südwestlichen Rheinland weist noch auf die ehemalige Bewaldung hin. Die Ackerflächen der Jülicher Börde sind gekennzeichnet durch tiefgründige fruchtbare Böden, die sich aus dem mächtigen Lösssedi- ment entwickelt haben. Landwirt Michael Schmitz (45), der hier einst als kleiner Bub seinem Opa bei der Zuckerrübenernte half, sitzt heute selber auf dem Schlepper und führt in dritter Generation das Werk seines Opas fort. Im Jahr 2000 übernahm der Agra- ringenieur und staatlich geprüfte Landwirt den Betrieb von seinem Vater. Damals deutete sich bereits an, dass Ackerland knapp und Quelle: Eigene Grafik damit kostenintensiver werden würde. Die bisher übliche soge- nannte rheinische Fruchtfolge mit gen, hochprofessionellen Vermark- Weizen, Gerste und Rüben war in tungspartnern. „Allerdings seinen Augen für mittlere Betriebe wachsen die Ansprüche an Qualität allein nicht zukunftsträchtig. und Logistik stetig“, so der umtrie- bige Landwirt. Um diesen noch Hervorragende Standorteigenschaf- besser gerecht werden zu können, ten, Marktnähe und die gute investierte er folgerichtig in den Verkehrsanbindung machten es Bau von Kühl- und Lagerhallen. möglich, den Betrieb breiter aufzu-
10 Das war nicht günstig und bindet „Als Ackerbauer muss ich lang- langfristig, somit war es notwendig fristig denken und die Bodenfrucht- diese Planung intensiv in der barkeit erhalten. Das, was ich von gesamten Familie vorzubereiten meinen Eltern erworben habe, und die Familienmitglieder einzu- möchte ich gerne an meine Kinder binden. Der Betrieb hat damit die weitergeben“ ist seine Maxime. Voraussetzungen für eine ganzjäh- Dieses Verantwortungsbewusstsein rige Belieferung des Einzelhandels versucht er auch seinen Mitmen- geschaffen. Michael Schmitz hofft schen entgegen zu bringen. Rück- mit den jetzigen Lagerkapazitäten sichtnahme im Begegnungsverkehr die Abnehmer noch stärker an den mit Fußgängern und Fahrradfah- Betrieb binden und selber durch rern oder der Verzicht auf Gülle- eine „Lagerwertschöpfung“ eine düngung in der Nachbarschaft von angemessene Vergütung für die Wohngebieten wird bewusst prakti- Investition und seine Arbeit ziert. „Das ist doch eine Selbstver- erzielen zu können. ständlichkeit“ betont Michael Schmitz. Stabile Erträge und sichere Quali- täten sind die entscheidenden Kriterien für eine erfolgreiche Produktion. Tatkräftig unterstützt wird er dabei durch seine rüstigen Eltern und seine Frau Stefanie, die sich als Grundschullehrerin ohnehin dem jungen Gemüse verschrieben hat. Mit Blick auf folgende Genera- tionen legt Michael Schmitz beson- deren Wert auf den Schutz der Ackerflächen.
11 Gülle? Eigentlich ganz einfach! „Es stinkt zum Himmel. Bitte So weit, so gut? werte übrigens sehr niedrig, andere unternehmen Sie etwas. Das muss Gebiete weisen steigende Werte Neben diesen positiven Eigen- sofort aufhören!“ Mitarbeiter von auf. Dies belegt der Nitratbericht schaften besitzt Gülle einige Landwirtschaftskammer, Kreis- NRW. weniger gute Nebenwirkungen: und Gemeindeverwaltungen kennen diese Anrufe sehr gut. Ÿ Als organischer Stoff kommt es Gegen Nebenwirkungen gibt es zu unvermeidbaren Geruchs- Die Anrufe häufen sich immer, Medizin: emissionen bei der Ausbringung wenn die Sonne vom Himmel Viele Gesetze und Verordnungen, brennt und Gülle in der Nähe der Ÿ Wertvolle Nährstoffe können in wie zum Beispiel die Düngeverord- Wohnbebauung ausgebracht wird. das Grundwasser und in die Luft gelangen nung, regeln die Anwendung der Die im Eifer vorgetragene Forde- Gülle und anderer Wirtschaftsdün- rung nach „Nulltoleranz“ ist recht- Geruchsimmissionen werden direkt gemittel. Verstöße werden als lich nicht möglich und fachlich wahrgenommen, Nitratwerte Ordnungswidrigkeit eingestuft, mit auch nicht zu begründen. Gülle ist können im Grundwasser gemessen Bußgeldern sanktioniert und führen ein wichtiger Wirtschaftsdünger werden. In vielen Regionen, wie auch zu einer Kürzung der Agrar- und enthält für die Pflanzen wich- zum Beispiel in der Eifel oder im prämien. tige Nährstoffe, wie zum Beispiel Bergischen Land, sind die Nitrat- Stickstoff in Form von Nitrat und Ammonium, sowie Phosphor und Kalium. Gülle hat eine ökonomi- sche Bedeutung für den Landwirt, Grafik 3: Wirtschaftsdüngereinsatz in den Kreisen und kreisfreien Städten es kann Mineraldünger eingespart (kg/N je ha LF) werden. 170 kg/ha N Der Einsatz von Gülle leistet sogar GM 117 einen wichtigen Beitrag zum Ressourcenschutz. Die Phosphat- GL 109 und Kaliabbaustätten werden LEV 58 geschont und weniger fossile Ener- SU 70 gien zur Erzeugung von Stickstoff- BN 35 düngemitteln benötigt. Wenn Gülle K 30 in den vieharmen Regionen der BM 38 Börde ausgebracht wird, hat sie EU 78 auch noch einen zusätzlichen posi- tiven Einfluss auf die Humusbil- DN 48 dung und damit auf die CO2- AC 91 Bindung im Boden. HS 123 RP Köln 78 kg/ha Stickstoff aus Wirtschaftsdüngern Quelle: Nährstoffbericht 2014, Landwirtschaftkammer NRW
12 Neben den rechtlichen Regelungen Die Düngeverordnung begrenzt Niederlande importiert werden. Die müssen die Landwirte die Erforder- den Einsatz von Gülle und anderen insgesamt sehr positiven Durch- nisse der guten fachlichen Praxis Wirtschaftsdüngern auf 170 kg N schnittswerte in den Kreisen und erfüllen. je ha LF. Im Regierungsbezirk wird Betrieben sind aber allein noch dieser Grenzwert im Durchschnitt kein Freibrief. Es gilt, verantwor- Hier sind Fachkompetenz und aller Kreise eingehalten. In der tungsbewusst auf den einzelnen Verantwortungsbewusstsein Eifel ist es nur ein Bruchteil der Schlägen zu agieren und jede gefragt. Wirtschaftsdünger sind erlaubten Höchstmenge. In der Grundwassergefährdung zu gezielt einzusetzen, also dann, Köln-Aachener Bucht ist die vermeiden. wenn auch ein Bedarf an Nähr- Menge im Mittelwert sehr niedrig, stoffen besteht. Die Düngung muss obwohl aufgrund der geringen angepasst werden oder ganz unter- Viehhaltung die Wirtschaftsdünger bleiben, wenn das Grundwasser aus anderen Regionen und den gefährdet ist. veredlungsintensiven Gebieten der
13 Was kann gemacht werden? ausgebracht wird. Auch bei Wird Gülle zeitgerecht und bedecktem, regnerischem Wetter bodennah ausgebracht, lassen sich sind kaum Gerüche wahrnehmbar. Nährstoffausträge vermeiden. Das Kündigt allerdings der Wetterbe- bedeutet: Optimal wird Gülle in richt Regen an, der dann jedoch der Vegetationszeit ausgebracht ausbleibt, sind Geruchsimmis- und verwertet, wenn die Pflanzen sionen nicht vermeidbar. Der Land- die Nährstoffe benötigen und wirt hat sich in diesem Fall nichts aufnehmen. zu Schulden kommen lassen, aber die Beschwerdeanrufe bei den Auch Geruchsemissionen lassen Behörden erfolgen dennoch. sich deutlich verringern, wenn Gülle bodennah oder in den Boden Hinweise zur Gülleausbringung 1. Gute fachliche Praxis ist die Grundlage der Gülleausbringung 2. Beschwerden der Bürger ernst nehmen und klären 3. Gülleausbringung in direkter Nähe zur Wohnbebauung oder an von Spaziergängern stark frequentierten Wegen möglichst vermeiden 4. Am Wochenende möglichst keine Gülleausbringung und keinen Gülletransport durch Ortschaften. 5. Sofern das nicht vermeidbar ist, frühzeitige Information der betroffenen Anwohner 6. Bodennahe Ausbringung oder Injektion in den Boden anstreben 7. Sofortige Einarbeitung der Gülle parallel zur Ausbringung 8. Dokumentation der Gülle- und Nährstoffmengen für jeden Schlag (Schlagkartei) 9. Planung der gewässerschonenden Gülleausbringung mit dem Nährstoffvergleich 10. Kontrolle der Mengen und Ausbringung auch beim Lohnunternehmereinsatz ...mehr zum Thema: www.guelle-nrw.de
14 Biodiversität: Ein Zukunftsthema Die naturräumliche Vielfalt unseres Diese naturräumliche Vielfalt Zunahme der Immissionen durch Landes bildet sich auch im Regie- bedeutet das Vorhandensein unter- Verkehr und andere Emittenten rungsbezirk Köln ab. Die land- schiedlichster Potenziale für die sowie eine zunehmende Beein- schaftliche Vielfalt reicht von den Ausprägung von Biodiversität aber trächtigung der Natur durch Frei- grünlandgeprägten Mittelgebirgs- auch für unterschiedliche Entwick- zeitnutzung beigetragen. Aber auch lagen bis zur Ackerbauregion der lungsmöglichkeiten der Kultur- die Intensivierung der Landwirt- Köln-Aachener Bucht. In der Eifel, landschaft. Art und Intensität der schaft führte zu einem erheblichen dem Siebengebirge und den bergi- landwirtschaftlichen Nutzung sind Verlust an Biodiversität. Es ist ein schen Kreisen befinden sich zudem einerseits Folge der naturräumli- gesellschaftliches Ziel, geeignete große Waldgebiete. Im Regierungs- chen Gegebenheiten und führen Maßnahmen zu entwickeln um bezirk gibt es auch noch alte andererseits in den Teilräumen zu diesem Trend entgegenzuwirken. Heidegebiete, zum Beispiel die einer unterschiedlichen Gestaltung Die Landwirtschaft nimmt diese Wahner Heide oder die Drover der Kulturlandschaft. Herausforderung an und sucht Heide. Ähnlich einem Netz durch- Bei aller Schönheit der verschie- gemeinsam mit Anderen nach ziehen die Region schließlich zahl- denen Landschaften im südlichen neuen Lösungen zur Bewahrung reiche Gewässer wie Rhein, Sieg, Rheinland gilt: In den vergangenen und Förderung der Biodiversität. Rur, Wupper oder Erft mit ihren Dekaden hat die Biodiversität abge- Schließlich prägt die Landwirt- Auen. nommen. Hierzu haben der erheb- schaft als größter Flächennutzer in liche Verlust der Freifläche durch allen Teilen des Regierungsbezirks Versieglung, die deutliche das Bild der Landschaft und ist von
15 maßgeblicher Bedeutung für die Eine Erfolgstory sind die nunmehr Auch wenn wir erst am Anfang Entwicklung des Naturhaushalts. seit Jahrzehnten laufenden Aktivi- stehen und noch viele Herausforde- Maßnahmen in den Bördeland- täten zum Schutz wertvoller Grün- rungen zu bewältigen sind, gibt es schaften und den urbanen landgesellschaften in der Eifel. zur kooperativen Zusammenarbeit Regionen sind deshalb von beson- Gemeinsam haben all diese aus Sicht der Landwirtschaft bei derer Bedeutung, weil die vorhan- Projekte den Ansatz, durch koope- der Entwicklung von Problemlö- dene Naturausstattung in den rative Zusammenarbeit von Land- sungen keine sinnvolle Alternative. Mittelgebirgslagen im Allgemeinen wirtschaft und Naturschutz neue besser ist. Lösungen zu entwickeln und zur Förderung der Biodiversität beizu- Auf der Suche nach Lösungen zur tragen. Verbesserung der Biodiversität agiert die Landwirtschaft nicht allein. In einer Vielzahl von Projekten arbeiten Landwirtschaft Was ist Biodiversität und was gehört alles dazu? Ÿ Biodiversität ist die Vielfalt des Lebens Ÿ Die Vielfalt des Lebens lässt sich auf drei Ebenen beschreiben: Ÿ Vielfalt der Ökosysteme (Lebensräume wie Wasser, Wald, Alpiner Raum) Ÿ Vielfalt der Arten (Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen) Ÿ Vielfalt der Gene (Rassen oder Sorten von wildlebenden und genutzten Arten) Ÿ Als vierte Ebene versteht man unter funktionaler Biodiversität die Vielfalt der Wechselbeziehungen innerhalb und zwischen den drei Ebenen Quelle: Bundesamt für Umwelt (Schweiz) 2010 und Naturschutz zusammen. Bei diesen Bemühungen stehen in den ackerbaulich geprägten Regionen die Förderung der Feldfauna und in den Mittelgebirgslagen die Bewahrung der floristischen Vielfalt im Mittelpunkt. Aktuelle Projekte beziehen sich auf die Förderung des Insektenreichtums als Nahrungsgrundlage der Fauna in Feld und Flur oder auf den Schutz bestimmter Arten wie Feld- hamster und Grauammer. Andere Projekte zielen auf eine naturnä- here Gestaltung unserer Gewässer.
16 Nachhaltig und trotzdem intensiv? Nachhaltigkeit ist als Leitbild für Zur Definition einer nachhaltigen die Gestaltung der Zukunft seit Landwirtschaft gibt es eine einigen Jahren in aller Munde. Sie Vielzahl verschiedener Ansätze, ein ist herausgehobene Forderung der sehr umfassender beschreibt: „Eine Grundsatzpapiere aller gesell- nachhaltige Landwirtschaft ist schaftlichen Gruppen und fast ökologisch tragfähig, ökonomisch keine öffentliche Debatte wird existenzfähig, sozial verantwort- ohne Bezug zur Nachhaltigkeit lich, ressourcenschonend und dient geführt. Auch die Wissenschaft als Basis für zukünftige Generatio- entdeckt für sich darin ein neues nen.“ Betätigungsfeld. Was aber meint Daraus abgeleitet sind folgende Nachhaltigkeit konkret? Der Nachhaltigkeitskriterien wesent- Ursprungsgedanke stammt aus der lich: Land- und Forstwirtschaft: Um das Holz eines Waldes dauerhaft Ÿ Ausreichende Versorgung der wachsenden (Welt)Bevölkerung nutzen zu können, dürfen nicht mit qualitativ hochwertigen mehr Bäume geschlagen werden, Lebensmitteln als wieder nachwachsen können. Ÿ Existenzsicherung landwirt- So einfach, so einleuchtend! schaftlicher Betriebe Heute wird nachhaltige Entwick- Ÿ Erhalt und Schonung der natür- lichen Ressourcen lung nach der Brundtland- Kommission als eine Entwicklung Ÿ Erhalt der Biodiversität beschrieben, die den Bedürfnissen Ÿ Sicherung der Lebensgrund- der Gegenwart gerecht wird, ohne lagen für die Nachfolgegenera- tionen die Möglichkeiten künftiger Gene- Ÿ Verantwortung im globalen rationen, ihre eigenen Bedürfnisse Kontext. zu befriedigen, zu gefährden. Grafik 4: Vergleich der Weizenproduktivität wichtiger Exportnationen (Produktivität im Vergleich zum mittleren Weizenertrag von 3 t/ha) 310% 247% 231% 96% 87% 87% 94% 72% 68% 55% USA CDN BRA ARG AUS UA RUS F D AK Quelle: Eigene Berechnungen, factfish, AK = Arbeitskreis Ackerbau Düren
17 In der Diskussion wird allerdings sung des Bundesumweltministers häufig verkannt, dass sich die muss die Landwirtschaft dieser einzelnen Kriterien nicht einfach Herausforderung weltweit in erster ergänzen, sondern teilweise auch Linie dadurch begegnen, dass sie ausschließen. So basierten die stei- die Produktion auf bereits bewirt- genden Produktionszahlen in der schafteten Flächen steigert, gleich- Landwirtschaft der Vergangenheit zeitig aber ein weiteres Vordringen auf einem höheren Ressourcenver- auf nur begrenzt für eine landwirt- brauch in Form von Dünge- und schaftliche Nutzung geeignete Pflanzenschutzmitteln. Höhere Standorte unterlässt. Intensitäten haben umgekehrt Ein zweiter entscheidender Ansatz direkten Einfluss auf die Biodiver- ist die Effizienzsteigerung des sität und die Umwelt. Stickstoffeinsatzes als wichtiger Auswege aus diesem Dilemma Baustein des sogenannten Inte- bieten eigentlich nur zwei Wege. grierten Landbaus. Es gilt, mit Eine Möglichkeit besteht darin, gleichem oder geringerem Einsatz zukünftig die Nachfrage nach von Düngemitteln mehr Nahrungs- Nahrungsmitteln zu verändern. mittel zu produzieren. Dieses ist in der Vergangenheit bereits Mehr pflanzliche und deutlich weniger tierische Produkte in unserer Ernährung würden zu einer extensiveren Produktion führen. Dieser Weg setzt aber eine strikte Verhaltenskontrolle der Verbrau- cher voraus. Sie müsste auch nicht nur in den Wohlstandgesellschaften der westlichen Welt umgesetzt werden, sondern insbesondere in den aufstrebenden Regionen und Nationen, deren zusätzlicher Wohlstand sich gerade auch im zunehmenden Verzehr von Milch- und Fleischprodukten widerspie- gelt. Wenn dieser Weg gesellschaftlich nicht vollzogen wird und politisch nicht durchgesetzt werden kann, bleibt nur der Weg, die Effizienz gelungen, sollte aber noch konse- der landwirtschaftlichen Produk- quenter verfolgt werden und setzt tion weiter zu erhöhen. Einfach voraus, dass der Agrarforschung ausgedrückt: Es gilt, zukünftig und der Beratung der Landwirte mehr Nahrungsmittel zu produzie- ein deutlich höherer Stellenwert ren, ohne mehr Ressourcen zu eingeräumt wird. verbrauchen. Nach Prof. Lütke Entrup (FH Ein wesentlicher Hebel hierzu ist Südwestfalen) berücksichtigt der nach Vorstellung der Wissenschaft Integrierte Landbau neben der der Erhalt und die Sicherung der Stickstoffeffizienz auch andere Ressource Boden. Nach Auffas- wesentliche Indikatoren für die
18 nachhaltige Landwirtschaft. Er Dagegen kann eine differenzierte stellt praktisch die Weiterentwick- Betrachtung, die extensivere und lung der konventionellen Landwirt- intensivere Formen der Landwirt- schaft mit zusätzlicher Schwer- schaft nicht als Gegensatz begreift, punktbildung im ökologischen sondern ihnen vorurteilsfrei Bereich dar, also die Schonung und begegnet, zu realen Ergebnissen Entwicklung der abiotischen und führen. Wenn den für den jewei- biotischen Ressourcen mit der Ziel- ligen Standort geeigneten Formen setzung, dem Nachhaltigkeitsan- Entfaltungsmöglichkeiten eröffnet spruch und damit der Zukunftssi- werden, kann die Landwirtschaft in cherung gerecht zu werden. ihrer Vielfalt wichtige Beiträge zu Grafik 5: Entwicklung der Stickstoffeffizienz der Weizenproduktion in Praxisbetrieben 1993 - 2014 (kg Weizen/kg N) 60 58 56 53 kg Weizen / kg N 54 52 51 50 50 48 48 46 46 44 42 40 93-95 96-00 01-05 06-10 11-14 Jahre Quelle: Eigene Berechnungen, Arbeitskreis Ackerbau Düren Im Unterschied zu dieser Betrach- einer Verbesserung der Nachhaltig- tung wird in der außerlandwirt- keit leisten. Damit lässt sich aller- schaftlichen Diskussion häufig die dings kein Anspruch erheben, die Zukunftsfähigkeit der Landwirt- zum Teil widerstrebenden Nachhal- schaft nur auf die Gegensätze „Öko- tigkeitsziele kompromisslos und landbau“ versus „Konventionelle umfassend erreichen zu können. Landwirtschaft“ reduziert. Regel- mäßig führen diese Diskussionen aber nicht zur Auflösung von Problemen, sondern nur zum Verharren auf immer gleichen, unversöhnlichen Positionen.
19 Weizenanbau in der Bördelandschaft der Köln-Aachener Bucht
20 C. Die Eifel: Eine Landschaft der Vielfalt und der naturnahen Wirtschaftsweise Nach Südwesten geht die Köln- nell Ackerbau betrieben, allerdings Haupterwerb. Aachener Bucht in die Mittelge- weniger intensiv als in der Börde. Die Eifeler Landwirte sind fort- birgslandschaft der Eifel über. Getreide- und Rapsanbau, daneben schrittlich. Sie sind die wahren Höhere Niederschlagsmengen, eine auch noch Ackerfutterbau, sind Pioniere im Bereich von Vertrags- kürzere Vegetationszeit mit einer vorherrschend. Der früher typische naturschutz- und Agrarumweltmaß- niedrigeren Jahresmitteltemperatur Braugerstenanbau ist dagegen seit nahmen, an deren Programmen fast und die Bodenbeschaffenheit füh- vielen Jahren rückläufig. jeder zweite Betrieb teilnimmt. ren dazu, dass die Grünlandnut- Und wer weiß schon, dass es in der Mehr als ein Drittel der landwirt- zung das Bild dieser Kulturland- Eifel mehr Mutterkuh- und Pferde- schaftlichen Fläche wird nach die- schaft dominiert. Rund 70 % der halter, als Milchviehbetriebe gibt? sen Kriterien bewirtschaftet. Die landwirtschaftlich genutzten Fläche Zusammenarbeit mit Biostationen der Nordeifel (NRW) dienen der Charakteristisch ist neben dieser großen Vielfalt in der Feld- und und Unteren Landschaftsbehörden Grünlandwirtschaft. ist vertrauensvoll und für die Land- Viehwirtschaft der besonders hohe Trotzdem ist das Bild „nur Grün- Anteil an Nebenerwerbslandwirten. wirte selbstverständlich. Sie sind, land und Milchvieh“ nicht richtig. Da in der amtlichen Statistik nur sofern es einen Nutzen für den In der Voreifel von Mechernich bis Betriebe ab fünf Hektar gezählt Betrieb bringt, neuen Ideen gegen- Kreuzau gibt es mehr Ackerflächen werden, liegt der tatsächliche über aufgeschlossen. So liegt zum als Grünland, selbst in den Eifelge- Anteil dieser Betriebe in Wirklich- Beispiel auch der Anteil der Biobe- meinden von Bad Münstereifel bis keit noch viel höher. Zwei von drei triebe in der Eifel deutlich über nach Kall ist der Ackeranteil Betrieben werden im Nebenerwerb dem Durchschnitt von Nordrhein- beträchtlich. Hier wird professio- geführt, nur jeder dritte Betrieb im Westfalen.
21 Auch der Erfolg der Regionalmar- verbundene touristische Attraktivi- Gesamtwertschöpfung innerhalb ke Eifel ist im deutschlandweiten tät der Region hinaus, ist die land- dieses Raumes und stärkt so die Vergleich einmalig. wirtschaftliche Nutzung eine wirtschaftliche und soziale Struktur wesentliche Voraussetzung zur der Eifel. Die Fördersummen je Betrieb sind dabei nicht immer bedeutsam, für die überwiegend im Nebenerwerb Grafik 6: Anteil der Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe geführten Betriebe der Eifel sind in den Kreisen und kreisfreien Städten sie aber oft ein wichtiger Baustein für den Fortbestand des Betriebes. GM 47% 53% Die Summe aus außerlandwirt- GL 47% 53% schaftlichem Einkommen, Markt- LEV 40% 60% ertrag und Förderung stärkt die SU 46% 54% klein- und mittelbäuerlichen Betriebe enorm. Insofern ist der BN 53% Erhalt und Ausbau der sogenannten K 56% 44% 2. Säule der Agrarförderung von BM 30% 70% nicht zu unterschätzender Bedeu- EU 55% 45% tung für die Eifeler Landwirtschaft und die Gesamtregion. DN 31% 69% AC 40% rel. Nebenerwerb 60% Über den Erhalt der reizvollen rel. Haupterwerb HS 28% 72% Kulturlandschaft und die damit Quelle: Landesdatenbank NRW, IT.NRW 2010
22 Betrieb Joachim Kremer, Blankenheim Eine Landwirtsfamilie mit vielen Berufen Joachim Kremer aus Blankenheim- besucht noch die Schule. Betrieb Kremer 27 Tiere gehalten. Ripsdorf ist überzeugt, dass eines Das gemeinsame Leben auf dem Die neun laktierenden Mutterkühe seiner Kinder auch in Zukunft den Familienbetrieb ist für die drei laufen zusammen mit dem Bullen landwirtschaftlichen Nebener- Kinder ein entscheidender Grund, der italienischen Rasse „Piemonte- werbsbetrieb weiterführen wird: sich nicht der Landflucht vieler ser“ und den noch saugenden „Der Hof bedeutet Heimat für junger Menschen in die städtischen Kälbern von Mitte April bis Mitte mich! Alle miteinander in der Ballungsgebiete anzuschließen. November auf der Weide. Die freien Zeit, an der frischen Luft und Die Hofstelle mit Wohnhaus und älteren weiblichen Rinder und in dieser schönen Landschaft Wirtschaftsgebäuden von Familie Bullen stehen zur Aufzucht und unsere Tiere zu versorgen, unsere Kremer ist mitten in Ripsdorf nahe Mast in eigenen Gruppen auf der Flächen zu pflegen und zu bewirt- der Kirche gelegen. Die insgesamt Weide. Im Winter bis zur nächsten schaften, ist ein Traum!“, 27 ha große Nutzfläche, davon 23 Weideperiode werden die Gruppen schwärmt Joachim Kremer, der ha Grünland und 4 ha Ackerflä- in verschiedenen Abteilen einge- hauptberuflich als Gas- und Was- chen, liegt rund um das 470 Ein- stallt und mit eigenerzeugter Silage serinstallateur im 30 km entfernten wohner zählende Eifeldorf. und ausschließlich selbst angebau- Bad Münstereifel arbeitet. Seine tem Getreide gefüttert. Die Liege- Frau Monika Kremer ist Erzieherin Kreislaufwirtschaft lohnt sich flächen der Laufstallabteile werden in einer Kindertagesstätte in mit dem geernteten Stroh einge- Schleiden. Die beiden 19 und 18 Das Einkommen aus dem landwirt- streut und der Mist wird im Winter Jahre alten Söhne befinden sich in schaftlichen Nebenerwerb kommt direkt aus dem Stall auf den land- der Berufsausbildung, die Tochter ausschließlich aus der Mutterkuh- wirtschaftlichen Flächen verteilt. haltung. Zurzeit werden auf dem
23 Auf seinem Grünland verzichtet Die hohe Fleischqualität wird zwar Joachim Kremer auf mineralischen nicht mit einem höheren Preis ent- Stickstoffdünger. Da er die Förder- lohnt, aber dank der Qualität ist voraussetzungen erfüllt, hat er sich noch kein Stammkunde verloren der NRW-Agrarumweltmaßnahme gegangen. Vorteilhaft ist nach „Grünlandextensivierung“ ange- Aussage der Familie Kremer, dass schlossen und erhält dafür einen im Vergleich zu anderen Rassen bei Aufschlag auf seine EU- den Piemontesern der Fleischanteil Flächenprämie. höher ist, so dass pro Tier mehr Wer extensiv wirtschaftet, muss Fleisch verkauft werden kann. natürlich auch die Kosten im Griff In der Phase der Stallabkalbungen haben, weiß die Familie. „Wir verfolgen Joachim und Monika versuchen unsere drei Schlepper Kremer per Videokamera das älteren Baujahrs und die Maschi- Geschehen, um im Ernstfall der nen zur Futterwerbung in Schuss Kuh die Geburt zu erleichtern oder und damit die betrieblichen Kosten den Tierarzt zur Geburtshilfe niedrig zu halten“, erklärt der Land- heranzuziehen. wirt, der auch die gesamte Stallein- Dank der EU-Flächenprämie, der richtung selbst zusammengebaut Ausgleichszulage für benachteilig- hat. te Gebiete und der NRW- Extensivierungsprämie bleibt noch Piemonteser Qualitätfleisch genug vom Gewinn aus dem Die Einkreuzung der Piemonteser Nebenerwerb übrig, um im Ernst- Rasse macht sich insbesondere bei fall eine neue Maschine zu erwer- der Fleischqualität positiv bemerk- ben oder Investitionen in die bar. Die Tiere dieser Rasse sehen Gebäude zu tätigen. nicht nur mit ihrer deutlichen Mus- Die anfallende Arbeit wird unter kelausprägung und Doppellendig- den Familienmitgliedern aufgeteilt, keit edel aus, der Fleischanteil am wobei die drei Männer im Winter Schlachtkörper ist dank des leich- das tägliche Füttern und Misten ten Knochengerüstes überdurch- übernehmen und Monika Kremer schnittlich hoch und das Fleisch in die Buchführung erledigt. Die allen Partien mager sowie dank Familie legt besonderen Wert eines geringen Bindegewebeanteils darauf, dass die anfallende Arbeit sehr zart. überschaubar ist und damit die Im Alter von 18 bis 20 Monaten Freude an der eigenen Landwirt- haben die mit dem eigenen Getrei- schaft erhalten bleibt. Einschrän- de endgemästeten Rinder die kungen in der Flächenbewirtschaf- Schlachtreife erreicht. Im Ripsdor- tung durch den Gesetzgeber wie fer Gemeinschaftsschlachthaus zum Beispiel in Form einer novel- schlachtet der gelernte Metzger lierten Düngeverordnung mit noch und Bruder von Monika Kremer mehr Bürokratie werden allerdings fünf bis sechs Mal im Herbst und mit Sorge gesehen. Winter ein Tier. Der bis zu 350 kg schwere Schlachtkörper wird zer- legt, auf Wunsch weiter zerkleinert und als Achtelrind in Schlachtkis- ten an die Kunden zur Selbstabho- lung verkauft.
24 Erfolgsmodell Vertragsnaturschutz: Bauern und Naturschützer ziehen an einem Strang In der Eifel arbeiten Bauern und So werden heute schattige Bachtä- Naturschützer nicht gegen, sondern ler, trockene Magerrasen, Hoch- miteinander. Aufgrund des Engage- moore oder felszerklüftete Steil- ments einzelner Personen, insbe- hänge, auf denen sich seltene sondere von Prof. em. Wolfgang Pflanzengesellschaften angesiedelt, Schumacher (Univ. Bonn) hat die bedrohte Vogelarten zurückgezo- Eifel im bundesweiten Vergleich gen oder geschützte Insektenpopu- eine Vorreiterrolle in der landwirt- lationen entwickelt haben, in ihrem schaftlichen Pflege von Natur- besonderen Schutzstatus erhalten schutzflächen. Schumacher, der in und zugunsten des Natur- und der Eifel aufwuchs und dort lebt, Artenschutzes weiterentwickelt. ist es gelungen, die Idee des Ver- Hauptförderbausteine des Vertrags- tragsnaturschutzes innerhalb des naturschutzes in der Eifel sind die bäuerlichen Berufsstandes bekannt naturschutzgerechte Nutzung von zu machen. Maßgeblich für den Grünland auf Magerstandorten Erfolg war, dass er die Bauern von oder in Bachtälern, die Pflege von Anfang an als Partner und nicht als Biotopen wie Heiden oder Nass- Gegner betrachtet hat. Er hat sie wiesen, die Streuobstwiesen- und nicht überfordert und hat sich für Heckenpflege und an einigen eine faire Entlohnung ihres Einsat- Standorten die naturschutzgerechte zes eingesetzt. Nutzung von Ackerflächen. Grafik 7: Bedeutung von Agrarumweltmaßnahmen und Vertragsna- turschutz in den Agrarräumen (in Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche) 38 % 34 % Quelle: Landwirtschaftskammer NRW 2015 20 % 14 % 12 % Köln-Aachener Bergisches Eifel Niederrheinisches urbaner Bucht Land Tiefland Raum
25 Wer sich für mindestens fünf Jahre Ob eine Fläche für den Vertragsna- verpflichtet, solche Flächen nach turschutz geeignet ist, beurteilt die naturschutzfachlichen Vorgaben zu zuständige Biologische Station. bewirtschaften, erhält dafür eine Deren Mitarbeiter prüfen nicht nur von der EU kofinanzierte Natur- die Flächentauglichkeit, sondern schutzprämie vom Land Nord- beraten auch die Landwirte hin- rhein-Westfalen. Die Höhe der sichtlich der Bewirtschaftungsmaß- Prämien richtet sich nach den nahmen und der Antragstellung auf Bewirtschaftungseinschränkungen Fördermittel. Die unteren Land- und dem Mehraufwand an Arbeits- schaftsbehörden der Kreise bewilli- zeit gegenüber der gängigen gen die Förderanträge. Auch für die Bewirtschaftung. Flächen des Vertragsnaturschutzes In der Nordeifel werden 4.300 ha erhalten die Antragsteller die EU- naturschutzgerecht bewirtschaftet Flächenprämie über die Landwirt- und gepflegt. Auf diesen Flächen schaftskammer. Ein regelmäßiger werden keine Pflanzenschutzmittel fachlicher Austausch zwischen eingesetzt und auf mineralische N- Landwirtschafts- und Naturschutz- Düngung wird verzichtet. Organi- behörden hat sich deshalb etabliert. sche Düngung und Weidegang sind Schließlich profitieren der Natur- teilweise in reduziertem Rahmen schutz und die Landwirte gemein- zugelassen. sam von dieser kooperativen För- dermaßnahme.
26 D. Landwirtschaft im Ballungsraum
27 Wie vielfältig die Landwirtschaft Nähe der Städte oft wesentlich Doch die Landwirtschaft in den im Regierungsbezirk ist, wird kleiner sind und damit der Ballungsgebieten erzeugt nicht nur nirgends deutlicher als bei einer Aufwand für den Landwirt steigt, Lebensmittel - sie ist auch Fahrt von der Eifel, dem Bergi- muss in Kauf genommen werden. „Lebens“mittel: Sie bereichert schen Land oder der Köln- Und gerade in den Ballungsgebie- unser tägliches Leben und Erleben, Aachener Bucht in die städtischen ten steigen Pacht- und Kaufpreise gliedert die Siedlungen, dient als Ballungsgebiete von Köln, Aachen, für landwirtschaftliche Flächen Erholungsgebiet beim abendlichen Leverkusen oder Bonn: Je dichter unaufhörlich und liegen weit über Spaziergang und kühlt an heißen die Bebauung wird, umso geringer dem Bundesdurchschnitt. Sommertagen merklich die Stadt- wird der Anteil der landwirtschaft- Doch die Nähe zu den Ballungsge- luft. lichen Flächen. Das Verkehrsnetz bieten und damit zu den dort leben- Die Landwirtschaft in den wird engmaschiger und zerschnei- den und arbeitenden Menschen Ballungsgebieten kann langfristig det die Landschaft und damit auch bietet auch große Chancen: aber nur funktionieren, wenn der die Äcker und Wiesen, die es auch Pensionspferdehaltung lohnt sich Flächenverbrauch nicht weiter in städtischen Gebieten noch gibt. im Bereich der Ballungsgebiete steigt und der hohe Aufwand der Die Bewirtschaftung dieser mehr als die Rinderhaltung, der Produktion über die Wertschöpfung Flächen ist für den Landwirt oft Anbau von Gemüse, Spargel, Obst ausgeglichen wird. Dafür sollten eine Herausforderung: Auf dem und Erdbeeren ermöglicht eine die Pachtpreise für landwirtschaft- Schlepper durch den Berufsver- höhere Wertschöpfung als der liche Flächen in Ballungsgebieten kehr, der morgens aus den ländli- Anbau von Raps und Weizen. So aber nicht mit den Raten der chen Gebieten nicht nur über die werden die erntefrischen Erzeug- vergangenen Jahre weiter steigen. Autobahnen in die Innenstädte oder nisse oft auf dem eigenen Hof den Und gerade in den dicht bevölker- die Gewerbegebiete an den Kunden angeboten und Super- ten Ballungsgebieten benötigt die Rändern der Städte drängt. Dass marktketten direkt - also ohne Landwirtschaft eine ausreichende die angefahrenen Flächen in der Zwischenhändler - beliefert. gesellschaftliche Wertschätzung!
28 Was ist urbane Landwirtschaft? Wer hip ist oder sein will, hat Beschreibung des urbanen Gärt- davon schon gehört oder ist viel- nerns verwendet. leicht schon Teil der Bewegung. Beim urbanen Gärtnern stehen der Junge Menschen besetzen freie Mensch und sein Wunsch nach Flächen in den Großstädten und Selbstverwirklichung und Selbst- beginnen als Ausdruck des Protests versorgung im Vordergrund. und politischen Bewusstseins diese Brachen zu bepflanzen und in der Auch urbane Landwirtschaft ist ein Großstadt ein Stück Natur anzusie- komplexes, sich im Wandel befin- deln. Was mit diesem Guerilla Gar- dendes und in einer Vielzahl an dening begann, entwickelt sich Ausprägungen auftretendes Phäno- weiter und setzt sich in anderen men. Folglich ist es schwierig, Formen fort. Ob in Berlin, Köln, dieses in einer allgemein gültigen, Zürich oder Aachen, Hamburg oder aktuellen Definition darzustellen. New York: Überall entwickeln sich Anerkanntes Kennzeichen urbaner neue Formen urbanen Gartenbaus - Landwirtschaft ist, dass sie profes- Interkulturelle Gärten, Community sionell, markt- und kundenorien- Gardens, City Farms, Nachbar- tiert auf größeren Flächen im Bal- schaftsgärten. lungsgebiet, insbesondere in stadt- Urbane Landwirtschaft im engeren nahen Zonen von Großstädten wirt- Sinne ist dies alles aber nicht. schaftet. Sie hat sich an die groß- Fälschlicherweise wird der Begriff städtischen Gegebenheiten ange- der urbanen Landwirtschaft oft zur passt und unterscheidet sich insbe-
29 sondere durch die räumliche Nähe Bedeutung. Ein neuer, ursprünglich zur Großstadt und den Konsumen- in den USA entstandener Trend, ist ten von der ländlichen Form der Green Care. Auch dieser Begriff Landwirtschaft. Die Art der Nah- lässt sich nicht eindeutig definie- rungsmittelproduktion ist in der ren, sondern umfasst eine Vielzahl urbanen Landwirtschaft so vielfäl- von Aktivitäten innerhalb und tig wie es die unterschiedlichen außerhalb der Landwirtschaft. natürlichen Rahmenbedingen erfor- Arbeitsort, Lebensort, Bildungsort dern. und Gesundheitsort Bauernhof Für alle Formen der urbanen Land- umschreibt alles, was Green Care wirtschaft sind ihre Anpassungsfä- bedeuten und leisten kann. higkeit und die Entwicklung viel- Traditionelle Formen der Umnut- fältiger Dienstleitungsangebote, oft zung landwirtschaftlicher Gebäude, gekoppelt mit intensiver Flächen- wie die Entwicklung von Wohnun- produktion, kennzeichnend. Neben gen und die gewerbliche Vermie- überregionalen Absatzmärkten tung sind und bleiben zukünftig bestimmen vielfältige Formen der von großer wirtschaftlicher Bedeu- Direkt- und Regionalvermarktung tung. Nicht zuletzt werden von den die Absatzwege. Im Vergleich zur Landwirten im urbanen Raum Landwirtschaft im ländlichen erhebliche finanzielle Mittel in Raum ist der Dienstleistungsbe- außerlandwirtschaftliche Projekte reich, zum Beispiel die Pensions- in Stadt und Umland investiert. pferdehaltung, von besonderer Gemüseanbau in Hürth
30 Pferde im Schatten des Kölner Doms Vor den Toren Kölns in unmittel- erschwert das notwendige Flächen- barer Nähe zum Fühlinger See liegt wachstum, zum Teil ist Wachstum der Heinrichshof, auf dem die gar nicht mehr möglich. Familie Frenger bereits in der Michael Frenger hat diese vierten Generation einen landwirt- Entwicklung erkannt und mit schaftlichen Betrieb führt. Wie in seiner Familie nach neuen Wegen vielen größeren Betrieben in der zum Erhalt des Betriebes für die Region wurde die erwerbsmäßige nächste Generation gesucht. Ein Viehhaltung in den 60er-Jahren neuer Weg ist immer ein Wagnis. aufgegeben. Damals erfolgte Familie Frenger hatte den Mut ihn konsequent die Ausrichtung auf zu gehen und ihr ist es trotz einigen reinen Ackerbau. So schön die Stolpersteinen gelungen, die große Lage am Rand der Großstadt für Hofstelle für eine außerlandwirt- die Freizeit- und Kulturgestaltung schaftliche Wertschöpfung zu auch ist, für den Ackerbau hat sie nutzen. Dafür ließen sie die denk- große Nachteile. Der starke malgeschützte Hofanlage umbauen Verkehr behindert die Zu- und und restaurieren. In Folge Abfahrt von den landwirtschaftli- entstanden in idyllischer Lage am chen Flächen, auch ist eine Kölner Stadtrand mehrere Wohn- besondere Rücksichtnahme auf die einheiten, die im Ballungsraum Bevölkerung notwendig. Der große stets nachgefragt sind. Flächenhunger der Großstadt
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