LEBEN & YOGA - SRI AUROBINDOS EWIGE GEGENWART 20. AUSGABE | AUGUST 2021
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
LEBEN & YOGA eMagazin LEBEN & YOGA Berchtesgaden www.auro.press Herausgeber SRI AUROBINDO BHAVAN BERCHTESGADENER LAND www.sriaurobindo.center Redaktion Wilfried Schuh editor@auro.press Verlag AURO MEDIA verlag@auro.media www.auro.media Das eMagazin LEBEN & YOGA ist Sri Aurobindo und der Mutter gewidmet. Es beinhaltet Artikel verschie- dener Autoren zum Integralen Yoga und erscheint viermal im Jahr zu den Darshan-Tagen: •21. Februar: „The Mother’s birthday“ •24. April: „The Mother’s final arrival in Pondicherry“ •15. August: „Sri Aurobindo’s birthday“ •24. November: „Siddhi day or the day of Victory“ Wir danken Autoren, Fotografen, Künstlern und an- deren Mitarbeitern für ihre Hilfe bei der Herausgabe dieses eMagazins. 2
Die Mutter S ri Aurobindo kam auf die Erde, um die Manifestation der supramentalen Welt zu verkünden. Er verkündete diese Manifestation nicht nur, er verkörperte auch zum Teil die sup- ramentale Kraft und zeigte durch sein eigenes Beispiel, wie man sich selbst für die Manifes- tierung vorbereiten muss. Das Beste, das wir tun können, ist, all seine Werke zu studieren, seinem Beispiel zu folgen und uns selbst auf die neue Manifestation vorzubereiten. Das gibt dem Leben seine wahre Bedeutung und es wird uns helfen, alle Hindernisse zu überwinden. Lasst uns für die neue Schöpfung leben und wir werden immer stärker wachsen, indem wir jung und fortschrittlich bleiben. 3 (CWM Vol 13, S. 17)
Inhalt Die Mutter über Sri Aurobindo 06 Die Bedeutung des 15. August 10 Die Uttarpara-Rede 16 Sri Aurobindo – Der moderne Avatar 26 „Lies Sri Aurobindo“ 44 4
Die Mutter über Sri Aurobindo W as Sri Aurobindo in der Weltgeschichte repräsen- tiert, ist keine Lehre, nicht einmal eine Offenba- rung; es ist ein entscheidendes Wirken unmittelbar vom Höchsten. (CWM Vol 13, S. 4) * Sri Aurobindo gehört weder der Vergangenheit noch der Geschichte an. Sri Aurobindo ist die Zukunft, die auf ihre Verwirklichung zuschreitet. Deshalb müssen wir uns die für einen raschen Fort- schritt erforderliche ewige Jugend bewahren, um nicht zu Nachzüglern auf dem Weg zu werden. (CWM Vol 13, S. 5) * Sri Aurobindo kam, um der Welt von der Schönheit der Zukunft zu berichten, die verwirklicht werden muss. Er kam, nicht um Hoffnung zu geben, sondern die Ge- wissheit einer Herrlichkeit, auf die sich die Welt hin- bewegt. Die Welt ist kein unglücklicher Zufall, sie ist ein Wunder, das sich auszudrücken beginnt. Die Welt braucht die Gewissheit von der Schönheit der Zukunft. Und Sri Aurobindo hat uns diese Zusicherung 6 gegeben. (CWM Vol 13, S. 15) *
{ „Sri Aurobindo ist die Zukunft, die auf ihre Verwirklichung zu- schreitet.“ Du hast gesagt, Sri Aurobindos Geburt Es wird gesagt, dass Sri Aurobindo in sei etwas „Ewiges“ in der Geschichte einem seiner früheren Leben aktiv an des Universums. Was genau bedeutet der Französischen Revolution teilge- dieses „Ewige“? nommen hat. Ist das wahr? Der Satz kann auf vier unterschiedliche Man kann sagen, dass Sri Aurobindo Weisen, auf vier aufsteigenden Bewusst- durch die ganze Geschichte hindurch seinsebenen verstanden werden: eine aktive Rolle gespielt hat. Er war be- sonders in den bedeutendsten Bewe- 1. Physisch hat die Konsequenz der Ge- gungen der Geschichte anwesend – und burt eine ewige Bedeutung für die Welt. spielte die bedeutendste, die leitende Rolle. Aber er war nicht immer sichtbar. 2. Mental ist es eine Geburt, der man (CWM Vol 13, S. 10) sich auf ewig erinnern wird in der uni- versalen Geschichte. * 3. Seelisch ist es eine Geburt, die sich Sri Aurobindo ist permanent unter uns von Zeitalter zu Zeitalter auf Erden wie- und offenbart sich jenen, die bereit sind, derholen wird. ihn zu sehen und zu hören. (CWM Vol 13, S. 11) 4. Spirituell ist es die Geburt des Ewigen auf Erden. * (CWM Vol 13, S. 10) Sri Aurobindo ist auf der feinstofflichen * Ebene. Du kannst ihm dort während dei- nes Schlafes begegnen, wenn du weißt, Seit Beginn der Erd-Geschichte, waltete wie man dorthin gelangt. Sri Aurobindo stets über alle großen irdi- (CWM Vol 13, S. 12) schen Umwandlungen, in der einen oder anderen Gestalt, unter dem einen oder * anderen Namen. 7 (CWM Vol 13, S. 10) Sri Aurobindos Hilfe ist immer da: es obliegt uns, zu wissen, wie man sie * empfängt. (CWM Vol 13, S. 13)
Sri Aurobindo Sri Aurobindo ist immer bei uns – erleuchtend, führend, schüt- In der Ewigkeit des Werdens ist jeder Avatar nur der Verkünder zend. Wir müssen auf seine Gnade mit einer vollkommenen und Vorläufer einer vollkommeneren zukünftigen Verwirkli- Ergebenheit antworten. chung. (CWM Vol 13, S. 13) Die Menschen neigen jedoch stets dazu, den Avatar der Ver- * gangenheit zu vergöttlichen und dem Avatar der Zukunft ent- gegenzustellen. Sri Aurobindo ist immer gegenwärtig. Sei aufrichtig und voller Vertrauen. Das ist die erste Bedingung. Meinen Segen. Sri Aurobindo ist gekommen und hat der Welt die Verwirkli- (CWM Vol 13, S. 15) chung von morgen verkündet. Wieder stößt seine Botschaft auf denselben Widerstand wie bei allen, die ihm vorausgegan- * gen sind. Sri Aurobindo verkörperte in einem menschlichen Leib das Die Zukunft wird aber die Wahrheit von dem erweisen, was er supramentale Bewusstsein. Er offenbarte uns nicht nur die Art offenbart hat und sein Werk wird vollbracht werden. des zu folgenden Pfades und der zu befolgenden Methode, (CWM Vol 13, S. 21) um zum Ziel zu gelangen, vielmehr hat er durch seine eigene persönliche Verwirklichung uns das Beispiel gegeben. Er hat * uns den Beweis geliefert, dass es getan werden kann, und dass 8 jetzt die Zeit gekommen ist, es zu tun. (CWM Vol 13, S. 21) *
Viele sagen, die Lehre Sri Aurobindos sei eine neue Religion. Aber die Menschen sind so verrückt, dass sie alles zu einer Würdest du auch sagen, sie sei eine Religion? Religion machen können, so sehr benötigen sie einen Rahmen für ihr enges Denken und ihr begrenztes Handeln. Sie fühlen Die das sagen sind Dummköpfe, die nicht einmal wissen, sich erst sicher, wenn sie behaupten können: Dies ist wahr und wovon sie reden. Es genügt, alles zu lesen, was Sri Aurobindo jenes nicht. Aber solch eine Aussage ist jedem unmöglich, der geschrieben hat, um zu wissen, dass es unmöglich ist, eine Sri Aurobindo gelesen und begriffen hat. Religion und Yoga Religion auf seinem Werk zu begründen, weil er für jedes Prob- gehören nicht zur gleichen Ebene des Seins, und das spirituelle lem, für jede Frage alle Aspekte darstellt und die in jeder Sicht- Leben kann nur dann in seiner ganzen Reinheit bestehen, wenn weise enthaltene Wahrheit aufzeigt; und er erklärt, dass man, es von allem mentalen Dogma frei ist. um die Wahrheit zu erreichen, eine Synthese leisten muss, die (CWM Vol 10, S. 95-96) alle mentalen Begriffe übersteigt, und in einer Transzendenz jenseits des Denkens auftauchen muss. * Der zweite Teil deiner Frage hat also keinen Sinn. Hättest du Um Sri Aurobindo unsere Dankbarkeit zu zeigen, können wir im übrigen gelesen, was im letzten Bulletin erschienen ist, so 1 nichts Besseres tun, als ein lebendiges Beispiel seiner Lehre zu würdest du die Frage nicht gestellt haben können. sein. (CWM Vol 13, S. 28) Ich wiederhole, wenn wir von Sri Aurobindo sprechen, kann von Lehre nicht die Rede sein, ja nicht einmal von Offenbarung, *** 9 sondern von einem Wirken des Höchsten; und darauf kann keine Religion begründet werden. 1 Was Sri Aurobindo in der Weltgeschichte repräsentiert, ist kei- ne Lehre, nicht einmal eine Offenbarung; es ist ein entscheidendes Wir- ken unmittelbar vom Höchsten. (Bulletin, April 1961, S. 169)
Die Bedeutung des 15. August Sri Aurobindos Rede am 15. August 1926 Ich werde heute einige Worte zum 15. Au- gust sagen. Es geht um eine Frage, die mir kürzlich gestellt wurde und auf die ich eine naheliegenden Gründen nicht auf den persönli- chen Aspekt beziehen, sondern möchte etwas Allgemeines darüber sagen, was es in Bezug negative Antwort gab, um gewisse mentale auf den Yoga, auf das gemeinsame Ziel, das und konventionelle Meinungen zur Sache aus wir alle anstreben, bedeuten kann und sollte. dem Weg zu räumen. Was dieses Ziel – dieser Yoga – ist, wisst Ich werde jetzt von der positiven Seite der ihr im Prinzip. Es ist das Herabbringen eines Sache sprechen. Es gibt eine andere Seite von Bewusstseins, einer Macht, eines Lichts, einer ihr, und wenn es diese andere Seite nicht gäbe, Wirklichkeit, die anders ist als das Bewusst- 10 wäre diese Feier nutzlos. Ich werde mich aus sein, mit dem sich der gewöhnliche Mensch
Photo Title: Tiusda debis ende estde volorep erionemsit auf Erden zufriedengibt: Ein Bewusstsein, eine Macht und ein Licht der Wahrheit, eine Gött- liche Wirklichkeit, die dazu bestimmt ist, das irdische Bewusstsein zu erheben und alles hier zu transformieren. Das kann nur stattfinden, wenn es eine Ent- scheidung von Oben ist. Aber es kann auch erst dann stattfinden, wenn das Erdbewusst- sein in irgendeinem Teil, in einigen von denen, die hier auf diesen niederen Ebenen leben, empfangsbereit ist. Wenn dieses Bewusstsein, 11 diese Macht, erst einmal hier herabkommt, dann ist es für alle Zeiten und jeden Tag für diejenigen vorhanden, die willens und fähig sind, es zu empfangen.
Aber wir haben diesem Tag All das können wir nicht tun, Das ist die eine Bedeutung { eine besondere Bedeutung wenn wir an diesem Tag nach des 15. August vom Stand- beigemessen, und das ist be- außen gekehrt sind, sondern punkt unseres Yoga aus rechtigt, wenn wir im Licht der nur durch eine intensive Kon- „Was den Stand gesehen. Wahrheit leben, das er sym- zentration, so dass das innere bolisiert. Wir können diesen Wesen bereit und nach oben der Arbeit betrifft, Was den Stand der Arbeit Tag als eine Wegmarke im gerichtet ist, um das Licht zu betrifft, um zu sehen, wo ihr Stadium des individuellen und empfangen. In dem Maße, um zu sehen, wo steht und wie weit die Arbeit generellen Fortschritts sehen. wie wir irgendeine nach au- ihr steht und wie getan ist usw., dazu muss Es ist ein Tag, der ein Tag der ßen gerichtete Bewegung zu- man sich an bestimmte Dinge Weihung sein sollte, ein Tag lassen, stören wir das höhere weit die Arbeit ge- erinnern. Mit dem Verstand der Selbst-Prüfung, der Vor- Wirken und verschwenden die kennt ihr sie. bereitung auf den zukünftigen Energie, die für die Arbeit des tan ist usw., dazu Fortschritt und wenn möglich inneren Wandels notwendig Als Erstes erinnert euch dar- auf den Empfang einer be- ist. Was immer anders getan muss man sich an an, dass die Ziele der anderen sonderen Macht, welche die wird als an gewöhnlichen Yoga-Systeme für uns nur Arbeit der Weiterentwicklung Tagen, sollte entweder als bestimmte Dinge die ersten Stufen oder ersten fortsetzen wird. ein Teil der Bewegung selbst Voraussetzungen sind. In den getan werden oder als etwas, erinnern.“ früheren Yoga-Disziplinen Dies kann in jedem Einzel- das am Rande des Wesens waren die Menschen zufrie- nen nur gelingen, wenn er die gehalten wird und die innere den, wenn sie das Brahmani- wahre Haltung einnimmt und Bewegung nicht stören kann. sche Bewusstsein oder das an diesem Tag unter den rich- Alle üblichen Umstände des kosmische Bewusstsein oder tigen Voraussetzungen lebt. Tages müssen für den Fort- irgendein herabkommendes schritt genutzt werden. Licht und eine Macht, irgend- Eben das meinte ich, als ich eine Andeutung des Unend- anderntags davon sprach. Wir Als ihr heute morgen zu lichen spüren konnten. sind es, die ihn in diesem Sin- mir kamt, hätte sich das ne zu einem entscheidenden in Erfüllung einer üblichen Man gab sich damit zu- Tag werden lassen können, Zeremonie vollziehen sollen, frieden, wenn das mentale und wir sind es, die helfen jedoch mit eurer Seele und Wesen gewisse spirituelle Er- können, ihn zu erfüllen. eurem Mental in Bereitschaft fahrungen machte und einer zu empfangen. Wenn für euch partiellen Transformation Dazu bedarf es einer Weihung das, was ihr jetzt von mir hört, unterzogen wurde, die auch im Voraus und eines Blicks nur etwas ist, das euer menta- das vitale Wesen berührte. nach innen in die Vergangen- les Interesse berührt, und ein heit, um zu sehen, wie weit mentales Interesse befriedigt, Sie strebten nach einem sta- wir gekommen sind, was in dann würde ich es vorziehen tischen Zustand, und für sie uns bereit ist, was sich noch zu schweigen. Nur wenn es war die Erlösung das letzte nicht geändert hat, was noch irgendwo das innere Wesen Ziel, die äußerste Absicht. geändert werden muss, was berührt, die Seele, dann hat noch hinten ansteht und auf dieser Tag seinen Nutzen und All das zu verwirklichen, offen eine vollständige Transforma- Zweck erfüllt. Auch die Me- zu sein für das Unendliche tion wartet und sich immer ditation sollte unter solchen und die Universale Macht, noch widersetzt und immer Voraussetzungen stattfinden, ihre Berührung zu empfangen noch dunkel ist. Eine Aspi- so dass selbst, wenn nichts und Erfahrungen zu machen, ration ist notwendig und ein Entscheidendes herabkommt, vollkommen über das Ego Herabrufen der Macht, um die sie dennoch eine gewisse hinauszugehen und das Uni- 12 Veränderung zu bewirken, die Infiltration bewirkt, deren Aus- versale Mental, die Universale wir als notwendig betrachten. wirkung sich später zeigen Seele, den Universalen Geist wird. zu empfangen, das alles ist nur die erste Voraussetzung.
{ „Dieser Yoga-Prozess beinhaltet ein umfassendes Ganzes, und jeder ein- 13 zelne Teil hängt vom anderen ab.“
Wir müssen dieses größere verändern, wenn der äußere Bewusstsein direkt in unser Mensch nicht transformiert vitales Wesen und in das ist. Dieser Yoga-Prozess physische Wesen herabrufen, beinhaltet ein umfassendes damit die höchste Ruhe und Ganzes, und jeder einzelne Universalität hier in ihrer gan- Teil hängt vom anderen ab. zen Fülle von oben bis unten Deshalb wäre ein plötzliches gegenwärtig ist. Stehenbleiben auf dem Weg zwar eine Vorbereitung auf Wenn das nicht getan werden ein anderes Leben, aber nicht kann, dann ist die erste Vor- der Sieg. Alles muss verän- aussetzung der Transforma- dert werden, bevor irgend- tion nicht erfüllt. etwas auf Dauer geändert werden kann. Das Zweite, das wir wissen und an das wir uns erinnern Das Dritte, an das wir uns müssen, ist, dass nichts erinnern müssen, ist, dass es vollkommen getan ist, wenn einer vollständigen Hingabe nicht alles vollkommen getan bedarf, wenn alles verändert wird. Es genügt nicht, das und getan werden soll. mentale und das vitale Wesen zu öffnen und das physische Das bedeutet, dass es keinen Wesen seiner Dunkelheit zu Vorbehalt geben darf, in überlassen. keinem Teil des Wesens, keinen Kompromiss mit ge- So kann im Zuge der Trans- wöhnlichen Gedanken und formation auch das Mental mit der menschlichen Art, die nicht transformiert werden, Dinge zu tun. Wo auch immer sofern das Vital nicht trans- irgendetwas zurückbehalten formiert ist. Und wenn das wird, bedeutet das, dass die Vital nicht transformiert Wahrheit nicht akzeptiert wor- ist, kann nichts verwirklicht den ist und wir erneut in den werden; denn es ist das alten Fehler einer nur teilwei- vitale Wesen, das verwirk- sen Errungenschaft verfallen. licht. Wenn also das men- Wir sollten das Feld nicht der tale Wesen nur teilweise Unwissenheit überlassen. verändert ist und das vitale Wesen offen und auch nur Für uns hier kann es keine teilweise verändert ist, dann solchen Theorien, keine genügt dies nicht für unsere solchen Kompromisse zwi- Absicht. Denn der gesamte schen der Unwahrheit und Bereich des vitalen Wesens der Wahrheit, zwischen dem kann nicht gewandelt werden, Höchsten und der Niederen solange nicht auch das phy- Natur geben. sische Wesen geöffnet und verändert ist, weil das gött- Daran müssen wir uns er- liche Vital sich nicht in einem innern, um den Stand unserer für es unpassenden Lebens- Arbeit richtig einzuschätzen, 14 milieu verwirklichen kann. damit wir sehen, wie viel noch zu tun ist; dies jedoch nicht in Es genügt auch nicht, das einem pessimistischen Geist, innere physische Leben zu denn der Weg ist lang und
hart und führt uns nicht wie durch ein Wunder zum Erfolg. Es kann nur durch eine weite und umfassende Bewegung gelingen. Jeden Schritt müsst ihr wie ein Zeichen setzen, wie eine Er- Daran müssen wir mutigung zu einem Schritt zu dem, was über uns hinaus weist. Auf der einen Seite darf es nicht an uns erinnern Entschlossenheit und Strebsamkeit fehlen, um den Sieg zu gewinnen, auf der anderen Seite darf keine hastige Ungeduld oder Depression herr- schen, sondern die ruhige Gewissheit des Gött- lichen Willens, der ruhige Wille, dass es „in uns All das zu verwirkli- Das Zweite, das wir getan werde“, und die Aspiration, dass es „für uns chen, offen zu sein für wissen und an das wir getan werde, damit es für die Welt getan wird“. das Unendliche und die uns erinnern müssen, (Evening Talks with Sri Aurobindo - Universale Macht, ihre ist, dass nichts voll- A. B. Purani, third edition, S. 489-92) Berührung zu empfan- kommen getan ist, gen und Erfahrungen wenn nicht alles voll- zu machen, vollkom- kommen getan wird. men über das Ego Es genügt nicht, das hinauszugehen und mentale und das vitale das Universale Mental, Wesen zu öffnen und die Universale Seele, das physische Wesen den Universalen Geist seiner Dunkelheit zu zu empfangen, das überlassen... alles ist nur die erste Voraussetzung. Das Dritte, an das wir uns erinnern müssen, Wir müssen dieses ist, dass es einer voll- größere Bewusstsein ständigen Hingabe direkt in unser vitales bedarf, wenn alles Wesen und in das phy- verändert und getan sische Wesen herabru- werden soll. fen, damit die höchste Ruhe und Universalität hier in ihrer ganzen Fül- le von oben bis unten gegenwärtig ist... 15
Die Uttarpara-Rede Diese berühmte Rede wurde am 30. Mai 1909 in Uttarpara bei einer Veran- staltung des Dharma Rakshini gehalten, unmittelbar nachdem Sri Aurobindo aus der Haft in Alipore entlassen worden war. A ls man mich einlud, hier bei der Jahresversammlung eures Sabha zu sprechen, wollte ich eigentlich etwas verkünden muss. Zuerst ist es mir im Gefängnis mitgeteilt worden und ich bin aus dem Gefängnis gekommen, um es Er war es, der damals aus seiner Abge- schiedenheit herauskam, in die Gott ihn gesandt hatte, damit er in der Stille und zum heutigen Thema sagen: zur Hindu- meinem Volk zu verkünden. Einsamkeit seiner Zelle das Wort hören Religion. Nun weiß ich aber nicht, ob ich möge, das Er ihm zu sagen hatte. Ihn 16 das tatsächlich tun soll, denn als ich hier Vor mehr als einem Jahr war ich das willkommen zu heißen, wart ihr damals saß, da kam mir ein Wort in den Sinn, letzte Mal hier. Damals war ich nicht zu Hunderten gekommen. Jetzt ist er dass ich euch mitteilen muss, ein Wort, allein. Einer der mächtigsten Propheten weit weg von uns, durch Tausende von das ich der ganzen indischen Nation des Nationalismus saß an meiner Seite. Meilen von uns getrennt. Auch andere,
„Als ich ins Ge- fängnis ging, war das ganze Land erfüllt vom Ruf Bande Mataram, voller Hoffnung, Sri Aurobindo in der Mitte stehend. eine Nation zu werden...“ { die ich bei der Arbeit neben mir zu finden ist ein Gefangener in Burma. Ein anderer gewohnt war, sind nicht anwesend. Der befindet sich im Norden und schmachtet Sturm ist über das Land gefegt und hat in der Haft. Als ich heraus kam, sah ich sie weit und fernhin verstreut. Heute bin mich um. Ich sah mich nach jenen um, ich es, der ein Jahr in der Abgeschieden- zu denen ich für gewöhnlich empor- 17 heit verbrachte. Und nun, nach meiner schaute, um Rat und Inspiration zu Freilassung, finde ich alles verändert. erhalten. Ich fand sie nicht. Es war noch Einer, der immer an meiner Seite saß und mehr als dieses. Als ich ins Gefängnis eng mit meinem Werk verbunden war, ging, war das ganze Land erfüllt vom Ruf
Bande Mataram, voller Hoffnung, eine Nation zu werden, voller Ich wusste um meine Freilassung. Dieses eine Jahr der Haft hoffnungsvoller Menschen, die erst aus der Entwürdigung war nur als ein Jahr der Abgeschiedenheit und des Trainings aufgestanden waren. Als ich aus dem Gefängnis kam, lausch- bestimmt. Wie konnte auch jemand mich länger im Gefäng- te ich nach diesem Ruf, aber stattdessen herrschte Stille. Ein nis festhalten, als es für Gottes Absicht notwendig war? Er Schweigen war auf das Land gefallen und die Menschen waren hatte mir aufgetragen, ein Wort zu verkünden und ein Werk wie bestürzt; denn nun schien statt Gottes hellem Himmel, der zu tun. Ich wusste, dass keine menschliche Macht mich zum von der Schau der Zukunft erstrahlte, über unserem Haupt eine Schweigen b ringen konnte, bis dieses Werk getan war, dass bleierne Wolkendecke zu sein, aus der menschlicher Donner keine menschliche Macht Gottes Instrument stoppen konnte, und Blitze niederzuckten. Keiner schien den einzuschlagenden wie schwach oder klein auch dieses Instrument sein mag. Nun, Weg zu kennen. Von allen Seiten tauchte die Frage auf: „Was nach meiner Freilassung, ja sogar gerade in diesen wenigen sollen wir als nächstes tun? Was können wir überhaupt noch Minuten, ist mir ein Wort nahegelegt worden, das ich gar tun?“ Auch ich wusste nicht, welchen Weg ich einschlagen soll- nicht hatte sagen wollen. Das, was in meinem Sinn war, hat Er te. Auch ich wusste nicht, was man als nächstes tun könnte. hinausgeworfen, und was ich nun sage, geschieht unter einem Aber eine Sache wusste ich: es war die Allgewaltige Macht Got- inneren Drang und Zwang. tes gewesen, die diesen Ruf und diese Hoffnung erweckte, und so war es auch dieselbe Macht, die jene Stille herniedersandte. Als man mich verhaftete und eilends in das Untersuchungsge- Er, der in den Rufen und in den Bewegungen war, war nun auch fängnis von Lal Bazar brachte, war ich eine Zeit lang in meinem im Innehalten und in der Stille. Er sandte sie über uns, damit Glauben erschüttert gewesen, denn ich konnte Seine Absicht die Nation sich einen Augenblick lang in sich zurückziehen und nicht erkennen. Darum schwankte ich für einen Augenblick und in ihr Inneres schauen sollte, um Seinen Willen zu erkennen. Ich flehte Ihn in meinem Herzen an: „Was geschieht da mit mir? bin durch dieses Schweigen nicht entmutigt worden, da ich ja Ich habe geglaubt, eine Aufgabe für mein Land, für mein Volk in meinem Kerker mit dem Schweigen vertraut geworden war, zu haben, und bis diese Aufgabe erfüllt wäre, stünde ich unter und weil ich wusste, dass ich nur im Innehalten und in der Stille Deinem Schutz. Warum bin ich dann hier und stehe unter solch während des langen Jahres meiner Haft diese Lehre gelernt einer Anklage?“ Ein Tag verging, ein zweiter und ein dritter Tag hatte. Als Bipin Chandra Pal aus dem Gefängnis kam, kam er vergingen, bis eine innere Stimme zu mir sprach: „Warte und mit einer Botschaft, mit einer inspirierten Botschaft. Ich erin- sieh“. Da wurde ich ruhig und wartete ab; ich wurde vom Lal nere mich an die hier gehaltene Rede. Es war in ihrer Tragweite Bazar nach Alipore gebracht und für einen Monat in eine Ein- und in ihrer Absicht keine allzu politische Rede, als vielmehr zelzelle gesperrt, abgesondert von den Menschen. Dort habe eine religiöse Rede. Er sprach von seiner Verwirklichung im ich Tag und Nacht auf Gottes Stimme in mir gewartet, um zu Gefängnis, von Gott im Inneren von uns allen, vom Herrn im In- hören, was Er mir zu sagen hatte, und zu lernen, was ich zu tun neren der Nation, und in seinen darauffolgenden Reden sprach hätte. In dieser Abgeschiedenheit hatte ich die erste Lektion, er auch von einer Kraft in der Bewegung, die größer ist als die erste Verwirklichung. Damals erinnerte ich mich, dass ich die gewöhnliche, sowie von einem Ziel dieser Bewegung, das einen Monat oder noch früher vor meiner Inhaftierung einen größer ist als das gewöhnliche. Nun treffe auch ich wieder mit inneren Ruf empfangen hatte, alle Aktivitäten ruhen zu lassen, euch zusammen. Auch ich komme aus dem Gefängnis. Und mich zurückzuziehen und nach innen zu gehen, um in innigere wieder seid ihr es aus Uttarpara, die mich zuerst willkommen Kommunion mit Ihm zu treten. Doch ich war schwach und heißen, und zwar nicht bei einer politischen Versammlung, son- konnte die Aufforderung nicht akzeptieren. Mein Werk war mir dern bei der Tagung einer Gesellschaft für den Schutz unserer sehr lieb und im Hochmut meines Herzens bildete ich mir ein, Religion. Dieselbe Botschaft, welche Bipin Chandra Pal im dass sie ohne mich leiden oder sogar scheitern und beendet Gefängnis von Buxar e mpfangen hat, gab Gott mir in Alipore. sein würde; deshalb konnte ich nicht von ihr lassen. Und dann Dieselbe Erkenntnis schenkte Er mir Tag für Tag während der schien mir, dass Er wieder zu mir sprach und dass Er sagte: zwölf Monate meiner Inhaftierung, und diese Botschaft hat er „Die Bindungen, die zu zerbrechen du nicht die Kraft besessen mir geboten, euch nach meiner Freilassung zu verkünden. hattest, habe ich für dich zerbrochen. Denn es ist nicht mein 18
Wille, noch war es je meine Absicht, dass Schwachen herumzutrampeln. Es erhebt dieses so weitergehen solle. Ich habe ein sich, um das ihm anvertraute ewige Licht anderes Werk für dich zu tun. Für dieses über die Welt hinaus strahlen zu lassen. Werk habe ich dich hierher gebracht, Indien hat immer für die Menschheit um dich das zu lehren, was du nicht für existiert, und nicht für sich selbst. Für die dich allein lernen konntest, und um dich Menschheit muss Indien groß werden für mein Werk zu trainieren.“ Dann legte und nicht für sich selbst. Er die Gita in meine Hände. Seine Kraft drang in mich ein und so konnte ich die Als nächstes ließ Er mich die zentrale Sadhana der Gita praktizieren. Ich konnte Wahrheit der Hindu-Religion verwirk- nicht nur intellektuell das verstehen, was lichen. Er wandte mir die Herzen der Ge- Sri Krishna von Arjuna verlangte, und fängniswärter zu, und sie sagten zu dem was Er von denen verlangt, die danach Engländer, der für das Gefängnis ver- trachten, Sein Werk zu tun, sondern ich antwortlich war: „Er leidet in dieser Enge; sollte ganz und gar frei werden vom Wi- lassen sie ihn wenigstens morgens und derwillen und Begehren, das Werk für Ihn abends eine halbe Stunde draußen her- tun ohne einen Anspruch auf die Frucht umgehen.“ So geschah es, und während des Wirkens, dem Eigenwillen entsagen, meiner Spaziergänge trat Seine Kraft ein passives und vertrauensvolles Werk- wieder in mich ein. Ich schaute auf das zeug in Seiner Hand werden, ein ausge- Gefängnis, das mich von den Menschen glichenes Herz besitzen gegenüber dem trennte, und ich war nicht mehr in seinen Hohen und dem Niederen, Freund und hohen Mauern gefangen; nein, es war Feind, Erfolg und Niederlage und doch Vasudeva, der mich umgab. Ich wandelte Sein Werk nicht nachlässig ausführen. unter den Zweigen des Baumes meiner Da verstand ich erst wirklich, was die Zelle gegenüber; aber es war nicht der Hindu-Religion bedeutet. Wir sprechen Baum: ich erkannte Vasudeva, es war oft von der Hindu-Religion, vom Sana- Sri Krishna, den ich dort stehen und tana Dharma [dem ewigen Gesetz]. Nur mir seinen Schatten spenden sah. Ich wenige unter uns wissen aber wirklich, schaute auf die Gitterstäbe meiner Zelle, was diese Religion ist. Andere Religio- das Gitterwerk, das eine Tür darstellen nen sind überwiegend Religionen des sollte: und wieder sah ich Vasudeva. Es Glaubens und des Bekenntnisses. Aber war Narayana, der mich beschützte und das Sanatana Dharma ist das Leben als bewachte. Oder ich lag auf den rauen solches. Es ist eine Sache, die man nicht Decken, die man mir als Lagerstätte so sehr glauben als leben muss. Das gegeben hatte: und ich fühlte die Arme ist das Dharma, das für die Rettung der Sri Krishnas um mich, die Arme meines Menschheit in der Abgeschlossenheit Freundes, meines Geliebten. Auf diese dieser Halbinsel seit alten Zeiten hoch- Weise verwendete ich zunächst die gehalten worden ist. Um diese Religion tiefere Schau, die Er mir gab. Ich schaute weiterzugeben, erhebt sich Indien. Es auf die Inhaftierten im Gefängnis, die erhebt sich nicht wie die anderen Natio- Diebe, Mörder und Betrüger, doch als ich nen um seiner selbst willen, um dann, sie ansah, erblickte ich Vasudeva: es war wenn es stark geworden ist, auf den Narayana, den ich in diesen verfinster- 19
ten Seelen und misshandelten Körpern und riefst du mich nicht an: „Wo ist Dein fand. Unter diesen Dieben und Banditen Schutz?“ Sieh dir jetzt den Richter an, waren viele, die mich durch ihre Sym- schau dir jetzt den Vertreter der Anklage pathie und Freundlichkeit beschämten, an.“ Ich schaute hin, und es war nicht der und durch ihre Menschlichkeit, die über Richter, den ich wahrnahm: es war Vasu- solch widrige Umstände triumphierte. deva, es war Narayana, der dort auf der Besonders einen sah ich unter ihnen, der Bank saß. Ich schaute auf den Staats- mir ein Heiliger zu sein schien, ein Bauer anwalt, und es war nicht der Anwalt, aus meinem Volke, der weder lesen noch den ich wahrnahm: es war Sri Krishna, schreiben konnte, angeblich ein Bandit, der dort saß, es war mein Freund und der zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt Geliebter, der dort saß und lächelte. war, jemand, auf den wir in unserem pha- „Fürchtest du dich noch?“ fragte Er. „Ich risäischen Klassenstolz herabblicken als bin in allen Menschen. Ich beherrsche auf einen Ausgestoßenen. Und wieder ihre Taten wie ihre Worte. Mein Schutz sprach Er zu mir und sagte: „Schau dir ist immer noch bei dir, und du sollst die Menschen an, zu denen ich dich ge- dich nicht fürchten. Überlasse diesen schickt habe, um ein wenig von meiner Prozess, der gegen dich angestrengt Arbeit zu tun. Das ist das Wesen des wird, meinen Händen. Er gilt nicht dir. Ich Volkes, das ich erhebe, und der Grund, habe dich nicht für die Gerichtsverhand- warum ich es erhebe.“ lung hierher gebracht, sondern wegen etwas anderem. Der Prozess selbst dient Als der Prozess vor dem Unteren Ge- nur meinen Absichten, mehr nicht.“ Als richtshof eröffnet wurde und wir dem der Prozess später vor dem Obersten Richter vorgeführt wurden, war ich von Gerichtshof eröffnet wurde, fing ich an, der gleichen Einsicht begleitet. Er sprach meinem Anwalt allerlei Instruktionen zu zu mir: „Als du ins Gefängnis geworfen schreiben, in welcher Hinsicht z.B. etwas wurdest, stockte dir da nicht das Herz in einer Zeugenaussage gegen mich 20
nicht stimmte, und über welche Punkte und wann immer ich etwas gefragt die Zeugen ins Kreuzverhör genommen wurde, stellte ich fest, dass meine Ant- werden sollten. Da passierte etwas, was worten dem Prozess nicht dienten. Ich ich nicht erwartet hatte. Die Vorkehrun- habe es Ihm überlassen, und Er hat es gen, die zu meiner Verteidigung ge- ganz und gar in Seine Hände genommen troffen worden waren, wurden plötzlich – das Resultat kennt ihr. Während des geändert, und ein anderer Anwalt stand ganzen Prozesses wusste ich, was Er da, mich zu verteidigen. Er kam unerwar- für mich bestimmt hatte, denn ich habe tet, war einer meiner Freunde, aber ich es immer wieder gehört; immer hörte hatte nicht gewusst, dass er kam. Ihr alle ich die innere Stimme: „Ich lenke die habt den Namen des Mannes erfahren, Geschicke, deshalb fürchte dich nicht. der alles andere stehen und liegen ließ, Widme dich deiner eigenen Arbeit, wofür seine Praxis aufgab, monatelang Tag ich dich ins Gefängnis gebracht habe, für Tag und die halbe Nacht dasaß und und wenn du herauskommst, erinnere seine Gesundheit aufs Spiel setzte, um dich daran: fürchte dich niemals, zögere mich zu retten, Srijut Chittaranjan Das. niemals. Erinnere dich, dass ich es bin, Als ich ihn sah, war ich beruhigt, hielt es der handelt, nicht du noch irgendjemand aber immer noch für notwendig, Instruk- sonst. Deshalb ist nichts unmöglich, tionen zu erteilen. Dann wurde all das nichts schwierig, gleich welche Wolken von mir weggeschoben, denn ich hörte auch aufziehen mögen, welche Gefahren die innere Botschaft: „Dies ist der Mann, und Leiden, welche Schwierigkeiten, ja der dich von allen Fußangeln befreien welche Unmöglichkeiten. Ich bin im Volk wird. Leg deine Notizen beiseite. Nicht und seinem Aufbruch, und ich bin Va- du, sondern ich werde ihn instruieren.“ sudeva, bin Narayana; und was ich will, Von da an habe ich zu meinem Anwalt wird sein, nicht, was andere wollen. Was kein Wort mehr zu dem Prozess gesagt, ich will, kann keine menschliche Macht noch einen einzigen Hinweis gegeben, verhindern.“ 21
Inzwischen hatte Er mich aus der Abge- das Werk doch getan werden. Wenn schiedenheit herausgenommen und zu du morgen außen vor bist, hier sind die meinen Mitangeklagten verlegt. Ihr habt jungen Männer, die deine Arbeit auf- heute viel von meiner Selbstaufopferung nehmen werden und sie werden sie viel und von meiner Hingabe an das Land machtvoller tun, machtvoller als du es gesprochen. Diese Reden höre ich seit je getan hast. Du hast von mir lediglich ich aus dem Gefängnis bin, aber ich höre eine gewisse Stärke bekommen, um zu sie mit einem Gefühl der Verlegenheit, dieser Nation ein Wort zu sprechen, dass einem Schmerz. Denn ich weiß um mei- sie emporzuheben vermag.“ Das war das ne Schwäche, ich bin ein Opfer meiner Nächste, was Er zu mir sprach. eigenen Fehler und meiner Rückfälle. Schon früher waren sie mir bewusst, Dann geschah es plötzlich, dass ich aber als sie sich während der Abgeschie- augenblicklich wieder in die Abgeschie- denheit gegen mich erhoben, da fühlte denheit meiner Einzelzelle verlegt wurde. ich sie äußerst stark. Da wusste ich, Was während dieser Zeit mit mir ge- dass ich, der Mensch, nur eine schwäch- schah, muss ich nicht sagen, außer dass liche Masse war, ein fehlerhaftes und Er mir Tag für Tag seine Wunder zeigte unvollkommenes Instrument, das nur und dass Er mich die tiefste Wahrheit dann stark war, wenn eine höhere Macht der Hindu-Religion wirklich erfahren ließ. von mir Besitz ergriff. Und dann fand Früher hatte ich viele Zweifel gehabt. ich mich unter diesen jungen Männern Ich war in England mitten unter fremden wieder, und entdeckte in vielen von ihnen Gedankengut und in einer völlig fremden einen kraftvollen Mut, eine kraftvolle Atmosphäre erzogen worden. Bei vielen Zurückhaltung, gegen die ich einfach ein Dingen im Hinduismus war ich einst Nichts war. Einen oder zwei sah ich dort, geneigt anzunehmen, sie seien reine Ein- die mir nicht nur an Kraft und Charakter bildungen, viel Träumerei, viel Irrglauben überlegen waren – das waren sehr viele und Maya. Jetzt aber erfuhr ich wirklich von ihnen –, sondern auch an jener viel- in meinem Verstand die Wahrheiten versprechenden intellektuellen Befähi- der Hindu-Religion, ich realisierte sie in gung, auf die ich so stolz war. Da sagte meinem Herzen und ich realisierte sie in Er mir: „Das ist die junge Generation, die meinem Körper. Sie wurden für mich zu neue und mächtige Nation, die sich auf lebendigen Erfahrungen. Es wurden mir 22 mein Gebot erhebt. Diese jungen Leute Dinge geoffenbart, die keine materielle sind größer als du. Was hast du noch Wissenschaft erklären könnte. Als ich zu fürchten? Auch wenn du daneben mich Ihm zuerst nahte, geschah das stehen oder schlafen würdest, so würde ganz und gar nicht im Geiste des Bhakta,
auch nicht im Geiste des Jnani. Ich kam in dem, was ich am meisten begehrte, zu Ihm vor langer Zeit in Baroda, einige wurde ich nicht befriedigt. Dann habe ich Jahre bevor die Swadeshi-Bewegung be- in der Abgeschiedenheit des Gefängnis- gann und ich in der Öffentlichkeit stand. ses in der Einzelzelle wiederum darum gebeten. Ich sprach: „Gib mir Deinen Als ich mich damals Gott nahte, hatte Adesh [Weisung]. Ich weiß nicht, was für ich kaum einen lebendigen Glauben an ein Werk ich tun soll, oder wie ich es tun Ihn. In mir steckte der Agnostiker, in mir soll. Gib mir eine Botschaft.“ In der Ge- steckte der Atheist, der Skeptiker steckte meinschaft mit Ihm im Yoga kamen zwei in mir, und ich war mir absolut nicht Botschaften. Die erste Botschaft sagte: sicher, ob Gott überhaupt existierte. Ich „Ich habe dir ein Werk übertragen; es soll fühlte Seine Gegenwart nicht. Und doch dazu beitragen, diese Nation emporzu- zog mich etwas hin zur Wahrheit des heben. Bald wird die Zeit kommen, da Veda, zur Wahrheit der Gita, zur Wahr- du das Gefängnis verlassen sollst, denn heit der Hindu-Religion. Ich fühlte, dass es ist nicht mein Wille, dass du verurteilt irgendwo in diesem Yoga eine mächtige wirst, oder wie die anderen die Zeit im Wahrheit sein musste, eine mächtige Leiden für ihr Land verbringen musst. Wahrheit in dieser Religion, die sich auf Ich habe dich für ein Werk berufen, und den Vedanta gründete. Als ich mich dann das ist die Weisung, um die du gebeten dem Yoga zuwandte und entschlossen hast. Ich gebe dir die Weisung, voran- war, ihn zu praktizieren, um herauszu- zuschreiten und mein Werk zu tun.“ Die finden, ob meine Idee richtig sei, da tat zweite Botschaft kam mit den Worten: ich es in diesem Geist und mit diesem „Es ist dir in diesem Jahr der Abgeschie- Gebet an Ihn: „Wenn Du bist, dann kennst denheit etwas gezeigt worden, etwas Du mein Herz. Du weißt, dass ich nicht worüber du deine Zweifel hattest, und um Mukti [persönliche Erlösung] bitte. das ist die Wahrheit der Hindu-Religion. Ich bitte Dich nicht um etwas, was die Es ist diese Religion, die ich vor der Welt anderen erbitten. Ich bitte Dich nur um emporhebe. Es ist diese Religion, die ich die Kraft, diese Nation emporheben zu durch die Rishis, Heiligen und Avatare können. Ich bitte Dich nur, dass es mir er- vervollkommnet und entfaltet habe, und laubt werde, für dieses Volk, das ich liebe jetzt kommt sie hervor, um mein Werk und verehre, zu leben und zu wirken und unter den Nationen zu tun. Ich erhebe 23 dass ich ihm mein Leben weihen darf.“ jetzt diese Nation, um mein Wort auszu- Ich habe lange um die Verwirklichung senden. Das ist das Sanatana Dharma, des Yoga gerungen. Schließlich hatte ich das ist die ewige Religion, die du bisher sie bis zu einem gewissen Grad. Aber nicht wirklich gekannt hast, die ich dir
„Das ist also die Botschaft, die ich euch zu verkün- den habe...“ { aber nun enthüllt habe. Dem Agnosti- ker und Skeptiker in dir ist geantwortet worden, denn ich habe dir sowohl in deinem Inneren wie in deinem Äußeren subjektive und physische Beweise ge- geben, die dich zufrieden gestellt haben. Wenn du nun nach außen trittst, sprich zu deiner Nation stets dieses Wort, dass sie sich für das Sanatana Dharma erhebt, dass es für die Welt geschieht und nicht für sich selbst. Ich gebe ihr Freiheit, um der Welt zu dienen. Wenn man also sagt, Indien solle wieder auferstehen, dann ist es das Sanatana Dharma, das auferste- hen soll. Wenn man sagt, Indien soll groß werden, dann ist es das Sanatana Dharma, das groß werden soll. Wenn man sagt, Indien soll sich über die Welt ausweiten und ausdehnen, dann ist es das Sanatana Dharma, das sich über die Welt ausweiten und ausdehnen soll. Für dieses Dharma und durch dieses Dharma existiert Indien. Die Religion groß zu machen bedeutet, dass man das Land groß macht. Ich habe dir gezeigt, dass ich überall bin, in allen Menschen und in 24 allen Dingen, dass ich in dieser Bewe- gung bin und nicht nur in jenen wirke, die für das Land k ämpfen, sondern auch in jenen wirke, die ihnen Widerstand leisten
wie wir unsere Rolle in diesem Lila am besten spielen können, und uns dessen subtilsten Gesetze und edelsten Regeln enthüllt. Sie ist die einzige Religion, die hat, weil sie in diesem heiligen und alten selbst im kleinsten Detail das Leben Land der arischen Rasse als Vermächt- nicht von der Religion trennt. Sie weiß nis übergeben wurde, damit diese sie was Unsterblichkeit ist, und hat darum durch die Epochen hindurch erhält. Diese die Wirklichkeit des Todes völlig von uns ewige Religion wird aber nicht durch weggenommen. und ihnen im Wege stehen. Ich wirke die Grenzen eines einzelnen Landes in jedermann. Was die Menschen auch umschrieben, sie gehört nicht für immer Das ist das mir in den Mund gelegte denken und tun mögen, sie können gar einem bestimmten umgrenzten Teil der Wort, um es heute zu verkünden. Was nichts anderes tun als mir bei meinem Welt. Was wir die Hindu-Religion nennen, ich eigentlich sagen wollte, wurde mir Plan zu helfen. Auch sie tun mein Werk; ist in Wirklichkeit die ewige Religion, genommen und über das mir Gegebe- sie sind nicht meine Feinde, sondern denn sie ist die universale Religion, die ne hinaus, habe ich nichts zu sagen. meine Instrumente. Bei all euren Aktio- alle anderen umfasst. Ist eine Religion Denn ich kann nur das Wort verkünden, nen bewegt ihr euch vorwärts, ohne den nicht universal, dann kann sie nicht ewig was mir gegeben wurde. Dieses Wort Weg zu kennen. Ihr meint eine bestimm- sein. Eine enge Religion, eine sektiereri- ist gesprochen. Ich habe früher einmal te Sache zu tun, und dabei tut ihr eine sche Religion, eine ausschließende Reli- mit derselben Kraft in mir geredet und ganz andere. Ihr arbeitet auf ein Ergebnis gion kann nur für eine begrenzte Zeit und damals gesagt, dass diese Bewegung hin, und dabei dienen eure Bemühungen nur für einen begrenzten Zweck leben. keine politische Bewegung und der Nati- einem ganz anderen wenn nicht gar ent- Dies ist die einzige Religion, die über den onalismus keine Politik sei, sondern eine gegengesetztem Ziel. Es ist die Shakti, Materialismus triumphieren kann, da sie Religion, eine Überzeugung, ein Glaube. die hervorgekommen ist und vom Volk die Entdeckungen der Wissenschaft und Heute sage ich das wieder, drücke es Besitz ergriffen hat. Seit langer Zeit habe die Spekulationen der Philosophie in sich aber anders aus. Ich sage nicht mehr, ich diese Erhebung vorbereitet. Jetzt ist einbezieht und vorwegnimmt. Es ist die dass Nationalismus eine Überzeugung, die Zeit für sie gekommen und ich allein einzige Religion, die der Menschheit die eine Religion, ein Glaube sei. Ich sage, werde sie zu ihrer Vollendung bringen.“ Nähe Gottes zu uns vermittelt, und die es ist das Sanatana Dharma, das für alle möglichen Mittel einbezieht, durch uns zum Nationalismus geworden ist. Das ist also die Botschaft, die ich euch die der Mensch sich Gott nahen kann. Diese Hindu-Nation ist mit dem Sana- zu verkünden habe. Der Name eurer Sie ist die einzige Religion, die in jedem tana Dharma geboren worden, und mit Vereinigung heißt „Gesellschaft für Augenblick auf der von allen Religionen diesem bewegt sie sich und mit diesem den Schutz der Religion“. Sehr wohl: anerkannten Wahrheit besteht, dass Er wächst sie. Wenn das Sanatana Dharma der Schutz der Religion, der Schutz der in allen Menschen und in allen Dingen untergeht, dann geht auch die Nation Hindu-Religion und ihre Erhebung vor ist, und dass wir uns in Ihm bewegen unter, und wenn das Sanatana Dharma der Welt, das ist die vor uns liegende und sind. Sie ist die einzige Religion, zugrunde gehen würde, dann müsste Arbeit. Was aber ist die Hindu-Religion? durch die wir diese Wahrheit nicht nur auch die Nation zusammen mit dem Was ist diese Religion, die wir Sanatana, verstehen und glauben, sondern sie mit Sanatana Dharma zugrunde gehen. Das ewig, nennen? Es ist nur aus dem Grund jedem Teil unseres Wesens verwirklichen Sanatana Dharma, das ist der Nationalis- 25 die Hindu-Religion, weil die Hindu-Na- können. Sie ist die einzige Religion, die mus. Das ist die Botschaft, die ich euch tion sie bewahrt hat, weil sie sich in der der Welt zeigt, was die Welt ist: dass zu verkünden habe. Abgeschlossenheit auf dieser Halbinsel sie das Lila [Spiel] von Vasudeva ist. Sie (CWSA Vol 8, S. 3-12) zwischen Meer und Himalaya entwickelt ist die einzige Religion, die uns zeigt,
Nirodbharan SRI AUROBINDO – DER MODERNE AVATAR Eine Ansprache von Nirodbharan 26
Freunde, ihr werdet mir den „Ihr werdet zwei Dinge se- auffälligen Titel, den ich meiner Rede gegeben habe, hen: die Lockerheit meiner verzeihen. Doch ich hoffe, ihn begründen zu können. Ausdrucksweise und die Ich beginne mit einigen Tonart von Sri Aurobindos Sri Aurobindo: Was? Wel- unveröffentlichten Teilen meines Briefwechsels mit ches? Wo? Wie? Welche Antwort, die beide unsere Krankheit? Welche Medizin Sri Aurobindo, irgendwann in 1936, als eine unerklärlich wird gebraucht? gute Beziehung bezeugen.“ gute Beziehung zwischen der Supramentalen Gottheit und Am nächsten Tag musste ich { dem mentalen Hundekopf Sri Aurobindo meine kryp- hergestellt worden war, der tische Ausdrucksweise ein gleichwohl der ersteren eige- wenig erläutern: ner menschlicher Teil war. Frage: Ich schicke Euch Euer Zur Zeit des folgenden Brief- großes Foto; es ist Euer Foto, bedeuten hier die Zeitform wechsels war ich für die Apo- das von Sanjiban gemalt und der psychologische und theke verantwortlich: werden würde. metaphysische Beiklang des „werden würde“? Frage: Mein großes Foto be- Sri Aurobindo: Du stürzt nötigt Sanjibans Bearbeitung. mich in immer neue Myste- Ihr werdet zwei Dinge sehen: Erlaubnis gewährt? rien. Wenn es ein Foto ist, die Lockerheit meiner Aus- wie kann es von jemandem drucksweise und die Tonart gemalt werden? Und was von Sri Aurobindos Antwort, die beide unsere gute Be- ziehung bezeugen. Im Laufe der Zeit verstärkte sich diese gute Beziehung allmählich, bis sie eines Tages ganz ungezwungen wurde, – alle guten Beziehungen entwi- ckeln sich so, – und ich ihn donnern hörte: „Warum zum Teufel willst du Dinge aus meinem Leben wissen?“ Nun, statt eingeschüchtert zu sein, hüpfte mein Herz vor Freude und sprang mir fast aus der Brust! Weil dieses Donnern keine Schärfe hatte, – es war voller Süße. Dann folgte eine Reihe solcher Ausdrücke aus dem niederen Sprachge- brauch wie „Verdammt“, „Zur Hölle“, „Zum Teufel“ et cetera Sri Aurobindo Ashram 27 und ihrer Gegensätze „Ewi- ger“, „Zum Jehova“, „Shoban Allah“ [Allah sei gepriesen; Anm. d. Übers.], „Gütiger Him-
„Diese wenigen Auszüge aus unserem Briefwech- sel sollten euch von der Angemessenheit des Titels meiner Rede überzeugen, denn Sri Auro- bindo ist ein moderner Avatar ... und nur weil Sri Aurobindo ein moderner Avatar ist, bin ich hier. Ein Materialist wie ich konnte in einer spirituellen Institution keinen Platz finden, außer es war ein moderner Ashram...“ 28
mel“, „Oh Gott“ und so weiter. So könnt ihr an Tatsache. Nehmt z. B. die diesen Ergüssen die Tiefe, die Intensität und Tennis spielende Mutter. Und das Ausmaß unserer guten Beziehung sehen. doch lachten wir über Anni Nicht nur „Hundekopf“, sondern viele andere Besants Messias, Krishna- Schimpfnamen warf er mir an den Kopf: Holz- murthy, als er anfing Tennis kopf, Depp, Esel, Idiot. Ich machte gute Miene zu spielen. Oder nehmt Sri zum ‚bösen Spiel‘ und wartete auf den Tag, an Aurobindos Korrespondenz, dem ich es ihm mit witzelndem Spott über sei- die umfangreiche Korrespon- nen Supermind zurückzahlen könnte. Dieser denz, die er Jahr um Jahr, Tag Tag kam. Aber die verbale Lockerheit hörte für Tag weiterführte und in hier nicht auf, gewiss – ich hatte sie ziemlich der er verschiedenen Leuten oft verbrochen, und er musste mich immer dasselbe Thema ausführlich wieder hochholen. erklärte. Er versuchte, sie zu überzeugen, mit ihnen Punkt Diese wenigen Auszüge aus unserem Brief- um Punkt zu besprechen, sie wechsel sollten euch von der Angemessenheit auf seine Sicht der Dinge ein- des Titels meiner Rede überzeugen, denn Sri zustimmen. Einige Leute, wie Aurobindo ist ein moderner Avatar. Er mag un- ich selbst, griffen seinen Yoga ter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet an und bestritten seine Ava- werden; aber meine eigene Sicht ist diese: nur tarschaft, und trotzdem ver- weil Sri Aurobindo ein moderner Avatar ist, bin suchte er mit unendlicher Ge- ich hier. Ein Materialist wie ich konnte in einer duld das moderne Mental und spirituellen Institution keinen Platz finden, den Zeitgeist zu verstehen außer es war ein moderner Ashram und der und uns die Dinge zu erklä- Guru war ebenfalls modern – in der Gestalt ren, bis wir überzeugt waren. Sri Aurobindos. Und ich bin glücklich sagen Oder, wenn es nicht mög- zu können, dass es viele andere gibt, die diese lich war, uns zu überzeugen, Ansicht teilen. Wegen dieses Beweises bin ich tolerierte er uns, bis er eines sicher, alle werden einstimmig zugestehen, Tages in einem seiner Briefe dass es keinen moderneren Ashram als die- über die Sadhaks in seinem sen gibt. Vergleicht ihn mit Ramana Mararshis Ashram schrieb: „Es ist so, als Ashram oder der Ramakrishna Mission, – ob uns durch ihr Hierbleiben unsere Modernität ist eine zu offensichtliche ein Gefallen getan würde!“ { Und ein anderes Mal schrieb er in einer Anwandlung von selbstentlarvender Heiterkeit oder was immer es war: „Die „Wozu ich euch eingeladen habe, ist, mit mir zu- bloße Tatsache, dass ich mit Photo Title: Sri Aurobindo Ashram Pondicherry den Sadhaks jede Nacht über sammen in unserem Briefwechsel, der verschiedene acht bis neun Stunden einen Themen umfasst – spirituelle, medizinische, poeti- Briefwechsel führe, sollte zur sche et cetera, – ein Fest Supramentaler Leichtigkeit Genüge beweisen, dass ich ein Avatar bin.“ zu teilen und sich daran zu erfreuen.“ 29
Dann gab es den Fall eines Sadhaks, der in den frühen Ashram- tagen die Aufgabe bekam, auf das Eingangstor zu achten. Statt die Pforte im Auge zu behalten, beschäftigte er sich immer mit Lesen, und wenn er nicht las, schlief er. Er kümmerte sich nicht darum, wer kam und ging. Dies wurde der Mutter berichtet, die jemanden schickte um ihn zu fragen: „Es scheint, Du liest, statt deine Pflicht tu tun?“ Der Mann antwortete: „Nun, ich kann nichts dafür, es ist meine Schwäche.“ Hier hörte die Sache auf. Und ich habe in einem oder zwei Fällen gesehen, wie Sadhaks die Mutter direkt beschimpften, – was uns alle entsetzte. Aber sie blieb ruhig, verdaute all die Beleidigungen, die ihr entgegen- geschleudert wurden. Nun, ich will nicht auf eine tiefgründige Philosophie des Avatar- Seins eingehen, um zu zeigen, dass Sri Aurobindo ein Avatar ist. Oder um ihn auf die Liste der Avatare zu setzen oder um den modernen Charakter seines Yoga darzulegen. Das ist alles nicht mein Gebiet. Ich bin ein einfacher Mann und ich beschäftige mich mit einfachen Dingen. Wozu ich euch ein- geladen habe, ist, mit mir zusammen in unserem Briefwechsel, der verschiedene Themen umfasst – spirituelle, medizinische, poetische et cetera, – ein Fest Supramentaler Leichtigkeit zu teilen und sich daran zu erfreuen. Die Auszüge, die ich gewählt habe, sind kurz, scharf wie ein Wasserstrahl und funkelnd vor Humor. In diesem Zusammenhang werden wir an eine mächtige Feder erinnert, – jene Shakespeares. Sri Aurobindo schrieb mir einmal: „Nicht jeder Speer erschüttert.“ Ich würde mir erlauben zu sagen, Sri Aurobindos Speer erschütterte stärker als Shakespeares! Ich würde sogar weitergehen und sagen, dass Sri Aurobindo sein eigenes Selbst übertroffen hat, denn ich glaube fest, dass Sri Aurobindo Shakespeare war. Über Shakespeare wurde auch berichtet, dass er nie eine Zeile durchstrich. Dasselbe kann mit noch mehr Fug und Recht und größerer Anerkennung von Sri Aurobindo gesagt werden, denn der ganze Band seiner Korrespondenz wurde in Blitzgeschwin- digkeit verfasst, – manchmal wie in einer Flut des Ganges oder Brahmaputras. Es gibt einen modernen Zug, den unser Freund Purani hervorgehoben hat. Während der frühen Ashramjahre berührte Sri Aurobindos Fuß versehentlich den Amritas. Sri Aurobindo richtete sich auf seinem Stuhl auf und sagte: „Ich 30
bitte um Entschuldigung.“ Nun, ein Guru, der sich bei seinem Sri Aurobindo: Guter Gott! Welch` ein Falstaff von Füllfederhal- Schüler entschuldigt, – wenn das nicht modern ist, weiß ich ter! Aber es ist nicht der Füller, der für die Knauserigkeit verant- nicht, was es ist! wortlich ist; die Zeit ist der Verbrecher, und mit einem dicken Füller kann sie genauso geizig sein wie mit einem mageren.“ Um weiterhin die Lockerheit meiner Ausdrucksweise zu veran- schaulichen, biete ich das Folgende an: „Das Wort ‚Fokus‘ war * unverständlich? Aber Ihr versteht es richtig. Ich bediene mich dieses Mittels und ‚Eurer Aufmerksamkeit‘, um Euch und mir Nun kommen wir zum Thema ‚Pranam‘. Ich bin sicher, viele Zeit zu sparen, wie offensichtlich ist.“ von euch sind mit den zahlreichen Briefen vertraut, die Sri Aurobindo über die Schmähung und den Missbrauch des Sri Aurobindo schrieb als Antwort: „Guter Gott! Ist das Hebrä- Pranams durch die Sadhaks und Sadhikas geschrieben hat. isch oder Aramäisch oder Suaheli? Ich kann kein Wort ver- In der neuesten Ausgabe von Mother India gibt es einen Brief stehen. Welches Mittel? Welche Aufmerksamkeit? Irgendein zu genau diesem Thema. Aus dem Pranam als spirituelle Bezug zu etwas, das ich geschrieben habe? Wenn das so ist, Funktion haben wir zu unserer Schande eine dramatische Auf- ist es völlig aus meinem Kopf verschwunden. Das ist übrigens führung gemacht. Weit davon entfernt, das aufzunehmen, was eine Redensart, denn ich habe nie etwas in meinem Kopf.“ Mutter uns gab, versuchten wir, ihr Verhalten jedem Sadhak und jeder Sadhika gegenüber zu beobachten: ob sie einen Am nächsten Tag schrieb ich ihm eine Entschuldigung: „Dies Sadhak anlächelte oder überhaupt nicht lächelte; wie sehr sie letzte Weglassen tut mir leid. Ich wollte schreiben – ‚ich ver- lächelte; ob sie einen Sadhak mit einem oder mit zwei Fingern wendete das Mittel‘ und ließ das „Eure Aufmerksamkeit“ weg, oder nur mit der Fingerspitze berührte; ob sie ihn überhaupt um Zeit zu sparen. Ich sehe, dass ich das Wort ’weggelassen‘ nicht angeschaut hatte; ob sie mich angeschaut hatte; warum ganz rausgeworfen habe. Daher ist es Hebräisch, Aramäisch sie mich nicht angeschaut hatte, welches Verbrechen hatte ich oder …? geworden. Ich kann das letzte Wort nicht lesen.“ begangen? et cetera. Und das ganze Pranam und der ganze Tag waren verdorben. Ich war keine Ausnahme, und hier ist ein Seine Antwort: „Suaheli. Afrikanische Sprache, Sir, irgendwo in Brief, der dies beweist: Westafrika.“ Frage: Guru, ich weiß nicht, warum Mutter mich so angeschaut Soviel zu meinen Flüchtigkeitsfehlern. Eines Tages entdeckte hat. Habe ich irgendetwas falsch gemacht? ich so einen Fehler in seinem Schreiben. Ich schrieb ihm: „Was, Sir! ‚Expect‘ [dt. erwarten] ist zu ‚except‘ [dt. außer] geworden. Sri Aurobindo: Mutter weiß nichts davon. Ist dies ein supramentaler Flüchtigkeitsfehler? Hurra!“ Frage: Ich habe alles noch einmal überdacht und konnte Sri Aurobindo antwortete: „Willst du sagen, es ist der erste, den nirgendwo sehen, dass ich Tatsachen in der Apotheke falsch du gefunden hast? Früher machte ich in der Eile des Schrei- dargestellt habe. bens zehn pro Seite. Offenbar erreiche ich eine supramentale Fehlerfreiheit, – spontan und sorglos trotz der Blitzgeschwin- Sri Aurobindo: Nein. digkeit meiner Schreibbewegung.“ Frage: … Oder war es, weil ich mich und Euch wegen einer Eines Tages schickte ich ihm einen Füllfederhalter und schrieb: Kleinigkeit plagte? „Ihr werdet etwas in meiner berühmten Tasche finden, Sir, das Euch erstaunen mag. Die Größe wird richtig für Euch sein, aber Sri Aurobindo: Nein. 31 die Feder vielleicht nicht. Ich schicke Euch den Füller, damit Euer Schreiben in Strömen in mein Notizbuch fließen möge, – Frage: Es war keine Einbildung. Es lag eine Bedeutung darin. nicht nur in einigen mageren Zeilen.“
Sie können auch lesen