Leipziger Bildungskonferenz - am 8. und 9. Oktober 2012 Dokumentation 6/13 - Stadt Leipzig

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Leipziger Bildungskonferenz - am 8. und 9. Oktober 2012 Dokumentation 6/13 - Stadt Leipzig
3. Leipziger Bildungskonferenz
am 8. und 9. Oktober 2012
Dokumentation

                                                   6/13

Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule
Amt für Jugend, Familie und Bildung
Leipziger Bildungskonferenz - am 8. und 9. Oktober 2012 Dokumentation 6/13 - Stadt Leipzig
3. Leipziger Bildungskonferenz 2012
Leipziger Bildungskonferenz - am 8. und 9. Oktober 2012 Dokumentation 6/13 - Stadt Leipzig
3. Leipziger
Bildungskonferenz 2012
Dokumentation
Leipziger Bildungskonferenz - am 8. und 9. Oktober 2012 Dokumentation 6/13 - Stadt Leipzig
Impressum

Herausgeber:
Stadt Leipzig, Der Oberbürgermeister
Amt für Jugend, Familie und Bildung, Stabsstelle „Lernen vor Ort“

1. Auflage 2013
Redaktion: Sabine Bolte
V.i.S.d.P.: Thomas Schmidt
Fotos: Martin Klindtworth, Uwe Frauendorf
Layout und Satz: Elisa Sonntag
Verlag: Stadt Leipzig/ Amt für Jugend, Familie und Bildung
Druck: Zentrale Vervielfältigung

Anschrift: Stadt Leipzig, Amt für Jugend, Familie und Bildung,
Naumburger Straße 26. 04229 Leipzig
Telefon: 0341 1234641
E-Mail: jugend-familie-bildung@leipzig.de
Internet: http://www.leipzig.de/jugendamt

Vervielfältigungen, auch auszugsweise, sind nur mit Quellenangabe gestattet.
Leipziger Bildungskonferenz - am 8. und 9. Oktober 2012 Dokumentation 6/13 - Stadt Leipzig
Inhaltsverzeichnis

                       Konferenzprogramm                                                      4

 Montag, 08.10.2012    Fachvortrag                                                            8
                       Sabine Süß
                       „Bildung als Standortfaktor“

                       Begrüßung                                                              26
                       Prof. Dr. Thomas Fabian

                       Podiumsdiskussion                                                      28

Dienstag, 09.10.2012   Quartiersrundgang Grünau
                       Stefan Geiss
                       Präsentation „Grünauer Bildungslandschaften“                           42

                       Susanne Schulze
                       Präsentation „Studierneigung und Hochschullandschaft Leipzig“          45

                       Joachim Triphaus
                       Präsentation „Caritas Kinder-, Jugend- und Familienzentrum Grünau“     47

                       Quartiersrundgang Osten
                       Prof. Dr. Andreas Walther
                       Präsentation „Bildungsübergänge im Kindes- und Jugendalter“            50

                       Judith Jonas-Kamil
                       Präsentation „Einführung in den Stadtteil Leipziger Osten“             55

                       Uwe Hempel
                       Präsentation „16. Mittelschule. Integration an Schulen“                57

                       Thomas Graupner
                       Präsentation „Das Berufsvorbereitungsjahr für Schulverweigerer“        61

                       Ralf Elsässer
                       Präsentation „Integriertes Stadtentwicklungskonzept Leipziger Osten“   63

                       Quartiersrundgang Westen
                       Carola Jarchow
                       „Konzept des NaSch-Hortes“                                             66

                       Simone Neubauer
                       Vorstellung des Theaters der Jungen Welt Leipzig                       72

                       Eindrücke von der 3. Leipziger Bildungskonferenz                       74
Leipziger Bildungskonferenz - am 8. und 9. Oktober 2012 Dokumentation 6/13 - Stadt Leipzig
3. Leipziger Bildungskonferenz 2012

                      Konferenzprogramm
                      3. Leipziger Bildungskonferenz
                      zum Thema „Bildung als
                      Standortfaktor“
 Montag, 08.10.2012   Neues Rathaus

          14:00 Uhr   Begrüßung
                      Prof. Dr. Thomas Fabian
                      Beigeordneter für Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule der Stadt Leipzig

          14:15 Uhr   Vortrag „Bildung als Standortfaktor“
                      Sabine Süß
                      Vorsitzende des Vorstandes der Schader-Stiftung

          15:15 Uhr   Kaffeepause

          15:45 Uhr   Podiumsdiskussion „Bildung als Standortfaktor“
		                    Podiumsteilnehmende:
                      • Ingrid Mössinger, Generaldirektorin der Kunstsammlungen Chemnitz
                      • Sabine Süß, Vorsitzende des Vorstandes der Schader-Stiftung
                      • Prof. Dr. Thomas Fabian, Beigeordneter für Jugend, Soziales, Gesundheit
                        und Schule der Stadt Leipzig

                      Moderation:
                      • Georg Heyn, Stadtschülersprecher
                      • Dr. Annika Gröger, Leiterin der Stabsstelle „Lernen vor Ort“

          17:15 Uhr   Einführung in das Programm des 2. Konferenztages

          18:00 Uhr   Stadtrundgang auf der Leipziger Notenspur
Leipziger Bildungskonferenz - am 8. und 9. Oktober 2012 Dokumentation 6/13 - Stadt Leipzig
Dienstag, 09.10.2012   Quartiersrundgang Grünau, Stationen:

           9:45 Uhr    Theatrium Grünau
          11:00 Uhr    Skaterhalle im Heizhaus
          13:15 Uhr    Kinder- und Familienzentrum Outlaw „Am Kirschberg“
          14:00 Uhr    Arbeitsladen Grünau

                       Quartiersrundgang Osten, Stationen:

           9:45 Uhr    16. Mittelschule
          12:00 Uhr    Kinder-Erlebnis-Restaurant
          13:00 Uhr    Jugendzentrum OFT Rabet
          14:15 Uhr    Kinder- und Familienzentrum Eisenbahnstraße

                       Quartiersrundgang Westen, Stationen:

           9:45 Uhr    Rundgang durch den Westen
          11:00 Uhr    Theater der Jungen Welt
          13:15 Uhr    Hort der Nachbarschaftsschule
          14:00 Uhr    Nachbarschaftsgärten

                                                                            5
Leipziger Bildungskonferenz - am 8. und 9. Oktober 2012 Dokumentation 6/13 - Stadt Leipzig
3. Leipziger Bildungskonferenz 2012

6
Leipziger Bildungskonferenz - am 8. und 9. Oktober 2012 Dokumentation 6/13 - Stadt Leipzig
1. Tag
Montag, 8. Oktober 2012

                          7
Leipziger Bildungskonferenz - am 8. und 9. Oktober 2012 Dokumentation 6/13 - Stadt Leipzig
3. Leipziger Bildungskonferenz 2012

                                                         Fachvortrag
                                                         „Bildung als Standortfaktor“
                                                         Sabine Süß, Vorsitzende des Vorstandes der Schader-Stiftung

Der Begriff Bildung wird im Folgenden                    Bildung ist innerhalb der letzten Jahre                 Bund und Länder an einen Tisch brin-
      unter der Berücksichtigung aller                   zu einem Thema wachsender Bedeu-                        gen sollte, unter Ausschluss der Kom-
 Ebenen, von der formalen, der infor-                    tung geworden, zu dem jeder etwas                       munen oder kommunalen Spitzenver-
mellen, der kulturellen, bis zur sozialen                beitragen kann. Das ist auch ganz                       bände, so dass bereits hier das ganze
               Bildung etc. verstanden                   richtig so. DAS Schlüsselthema für die                  Dilemma sichtbar wurde. Mit der dort
                                                         soziale, wirtschaftliche und politische                 gestarteten     Qualifizierungsinitiative,
                                                         Entwicklung unserer Gesellschaft sollte                 die sich vor allem auf den schulischen
                                                         und muss in aller Munde sein. Dennoch                   Bildungsrahmen bezog, wurde zwar
                                                         lässt sich nicht behaupten, dass die                    im Ziele- und Maßnahmenkatalog der
                                                         bisherigen Anstrengungen, die bun-                      Bundesregierung und der Länderchefs
                                                         desdeutsche Bildungslandschaft in                       richtig diagnostiziert, dass „Bildung (ist)
                                                         einen abgestimmten, zielorientierten                    der Schlüssel für die Zukunft unseres
                                                         Prozess des Wandels und der notwen-                     Landes“1 ist, jedoch das erste Ziel „Bil-
                                                         digen Anpassungen, Erweiterungen,                       dung soll in Deutschland höchste Pri-
                                                         kontinuierlichen Überprüfung auf Wirk-                  orität haben“2 scheint nichtsdestotrotz
                                                         samkeit der Gesetzmäßigkeiten zu                        bislang nicht zu einer zwischen Bund,
                                                         überführen, als konsequentes Handeln                    Ländern, Kommunen, Wirtschaft und
                                                         bezeichnet werden können.                               Zivilgesellschaft koordinierten gemein-
                                                            Wir erinnern uns an den von der                      sam verantworteten Aufgabe herange-
                                                         Bundeskanzlerin initiierten Bildungs-                   wachsen zu sein. Zentral wäre jedoch
                                                         gipfel im Jahre 2008 in Dresden, der                    genau diese Koordination von Koope-
                                                                                                                 rationen auf der lokalen Ebene, vor Ort,
                                                                                                                 vereint mit solcher auf der Unterstüt-
                                                                                                                 zungs- und Qualitätssicherungsebene
                                                                                                                 von Bund, Ländern und Kommunalen
                                                                                                                 Verbänden, Wirtschaftsunternehmen
                                                                                                                 und starken zivilgesellschaftlichen
                                                                                                                 Partnern.
                                                                                                                    Lebenslanges Lernen der Bürger und
                                                                                                                 Bürgerinnen einer Kommune, aber auch
                                                                                                                 das dauerhaft als Querschnittsaufgabe
                                                                                                                 für Stadtentwicklung zu betrachten-
                                                                                                                 de Bildungssystem dürfen nicht nur
                                                                                                                 Schlagworte bleiben, sondern müssen
                                                                                                                 mit einem gemeinsamen Verständnis
                                                                                                                 gefüllt zu einer gelebten Selbstver-
                                                                                                                 ständlichkeit werden. Solange wir uns
                                                                                                                 jedoch bereits an einer gemeinsamen
                                                                                                                 Verständigung über die Bedeutung
                                                                                                                 von Bildung und der Bandbreite ihres
                                                                                                                 Wirkungskreises abmühen, soll hier

1
    Die Bundesregierung/Die Regierungschefs der Länder (Hrsg. 2008): Aufstieg durch Bildung - Die Qualifizierungsinitiative für Deutschland. Vorwort, S. 2.
2
    Die Bundesregierung/Die Regierungschefs der Länder (Hrsg. 2008): Aufstieg durch Bildung - Die Qualifizierungsinitiative für Deutschland. Vorwort, S. 2.

8
Fachvortrag „Bildung als Standortfaktor“

versucht werden, den Zusammenhang                    Die demographische                                   als 50 Jahren, ein Rückgang der Bevöl-
zwischen einer lokalen Bildungsland-                 Herausforderung                                      kerung von rund 82 Millionen in 2008
schaft und ihrer Standortrelevanz auf-                                                                    auf rund 65 bis 70 Millionen Menschen
zuzeigen.                                            Lassen Sie mich einige wichtige Fakten               vorausgesagt (je nach Berechnungs-
  Da mich die Verantwortlichen des                   zum demographischen Wandel, in dem                   korridor begründet auf der Annahme
Bundesprogramms „Lernen vor Ort“                     wir uns bereits seit 2003 befinden, als              annähernd gleichbleibender Geburten-
des Bundesministeriums für Bildung                   die Bevölkerungszahl in der Bundesre-                häufigkeit, ein Anstieg der Lebenser-
und Forschung zu diesem Beitrag ein-                 publik abzunehmen begann, zitieren.                  wartung und ein Wanderungssaldo von
geladen und ermuntert haben, will ich                  In der 12. Bevölkerungsvorausbe-                   100.000 bzw. 200.000 Menschen pro
mich bei meinem Versuch der Synthe-                  rechnung der Statistischen Ämter von                 Jahr)3.
se von bildungsrelevanten Faktoren                   Bund und Ländern (vgl. Abbildung 1)                    Abbildung 1: Altersaufbau der
auf den Lebensraum Stadt, in dem wir                 wird für das Jahr 2060, also in weniger                Bevölkerung in Deutschland
hier uns alle bewegen, konzentrieren.
Natürlich könnte ich mich mit eben-
solcher Legitimation auf die Region,
auch auf die Wechselwirkung zwischen
Stadt und umgebender Region bezie-
hen. Neben allen Gemeinsamkeiten
und allgemeingültigen Phänomenen
und Aspekten gibt es besondere Aus-
formungen im eher ländlich geprägten
Raum, die sich vom städtischen Raum
unterscheiden, wie zum Beispiel die
immense Rolle der Mobilitätsanbin-
dung für die Bildungswilligen, die in
Städten meist verläßlicher geregelt ist
(aber selbstverständlich auch da eine
wichtige Rolle spielt).
  In der Stadt wie auch im ländlichen
Raum ist die sozialräumliche Kompo-
nente bei den Verbesserungsanstren-
gungen als ein wichtiger Baustein für
die Entwicklungspotentiale zu betrach-
ten. Heute und hier jedoch möchte ich
vor allem auf die Stadt als Lebensraum
eingehen und auf die Notwendigkeit,
die Bildung im städtischen Kontext
von der Einengung und Reduzierung
auf klassische Verantwortungsträger
und aus Verantwortungshierarchien zu
lösen, Verknüpfungen neu zu denken
und finanzielle und geistige Investitio-
nen in die Bildung als Investition in eine
stabile entwicklungsfähige Stadtgesell-
schaft zu betrachten.

                                                       Quelle: Homepage des Statistischen Bundesamtes, aufgerufen unter
                                                       www.destatis.de (01.10.2012).
1
 Statistisches Bundesamt (Hrsg. 2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Begleitmaterial zur
Pressekonferenz am 18. November 2009 in Berlin. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt, S. 12.

                                                                                                                                               9
3. Leipziger Bildungskonferenz 2012

Besonders bedeutsam sind die Verän-                  Die Abnahme der Zahl der 20 bis                      mehr Seniorinnen und Senioren gegen-
derungen in der Relation zwischen Jun-               65-jährigen insgesamt geht mit einer                 überstehen. Im Jahr 2008 entfielen auf
gen und Alten (vgl. Abbildung 2). 2008               Verschiebung hin zu den Älteren im Er-               100 Personen im Erwerbsalter (20 bis
bestand die Bevölkerung aus 19%                      werbsalter einher. Zurzeit gehören 20%               unter 65 Jahre) 34 Ältere (65 oder mehr
Kindern und jungen Menschen unter                    der Menschen im erwerbsfähigen Alter                 Jahre). Im Jahr 2060 werden dann je
20 Jahren, zu 61% aus Menschen im                    zur jüngeren Gruppe der 20- bis unter                nach Zuwanderung 100 Personen im
Erwerbsalter, hier 20- bis unter 65-jäh-             30-jährigen, 49% zur mittleren Alters-               Erwerbsalter 63 oder 67 potentiellen
rige, und zu 20% aus 65-jährigen und                 gruppe von 30 bis unter 50 Jahren                    Rentnern gegenüberstehen, also fast
Älteren4.                                            und 31% zur älteren von 50 bis unter                 doppelt soviel.7
   In der Gruppe der Erwerbsfähigen                  65 Jahren. Eine besonders einschnei-                    Eine zentrale Erkenntnis sei bereits
sorgen heute rund 50 Millionen Men-                  dende Veränderung der Altersstruktur                 hier hervorgehoben, daß demnach ei-
schen für Steuereinnahmen, im Jahr                   erwartet die deutsche Wirtschaft zum                 ner der wichtigsten Faktoren für die
2035 werden es voraussichtlich nur                   ersten Mal zwischen 2017 und 2024.                   Stabilisierung von Einwohnerzahlen
noch 39 bis 41 Millionen Menschen                    In diesem Zeitraum wird das Erwerbs-                 die Zuwanderung – sei es Wanderung
sein, im Jahr 2060 36 Millionen, 27 %                personenpotential jeweils zu 40% aus                 innerhalb Deutschlands oder auch Zu-
weniger als heute, falls, aber nur dann,             30- bis unter 50-jährigen und 50- bis                wanderung aus dem Ausland – sein
jährlich 200.000 Menschen zuwandern.                 unter 65-jährigen bestehen (davon ein                wird. Wir kommen noch anderer Stelle
Liegt die Zahl der Zuwanderer nur bei                nicht zu unterschätzender Anteil von                 dazu. Ein kleiner Nachtrag: Eine Erhö-
100.000, gibt es 2060 ein noch geringe-              Hochbetagten, wahrscheinlich auch                    hung des Renteneintrittsalters auf 67
res Erwerbspersonenpotential, 33 Milli-              Pflegebedürftigen)6. Der Bevölkerung                 Jahre führt für das Jahr 2060 zu einer
onen, bzw. -34% gegenüber 20085.                     im Erwerbsalter werden künftig immer                 um 1 bis 2 Millionen größeren Bevölke-
                                                                                                          rung im Erwerbsalter8. Die ältere Grup-
    Abbildung 2: Bevölkerung in Deutschland                                                               pe erhält innerhalb des Erwerbsalters
    nach Altersgruppen                                                                                    dadurch gleichzeitig ein noch stärke-
                                                                                                          res Gewicht. Dies weist schon auf eine
                                                                                                          Einlassung meinerseits an späterer
                                                                                                          Stelle hin.
                                                                                                             Ein Rückgang der Bevölkerungszahl
                                                                                                          ist per se erst einmal kein bedrohliches
                                                                                                          Phänomen, jedoch die Struktur der zu-
                                                                                                          künftigen Gesellschaft, das heißt die
                                                                                                          Alters- und die soziale Zusammen-
                                                                                                          setzung, durchaus, sodass faktischer
                                                                                                          Handlungszwang besteht. Perspekti-
                                                                                                          visch kann Deutschland im Jahr 2050
                                                                                                          wieder ähnlich viele Bundesbürger wie
                                                                                                          1950 haben. Mit dem Unterschied,
                                                                                                          dass 1950 fast doppelt so viele Kin-
                                                                                                          der geboren wurden, wie höchstwahr-
    Quelle: Homepage des Statistischen                                                                    scheinlich 2050 geboren werden kön-
    Bundesamtes, aufgerufen unter                                                                         nen.
    www.destatis.de (01.10.2012).

4
  Statistisches Bundesamt (Hrsg. 2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung.
Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 18. November 2009 in Berlin. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt, S. 14.
5
  Statistisches Bundesamt (Hrsg. 2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Begleitmaterial zur
Pressekonferenz am 18. November 2009 in Berlin. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt, S. 17
6
  Statistisches Bundesamt (Hrsg. 2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Begleitmaterial zur
Pressekonferenz am 18. November 2009 in Berlin. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt, S. 6.
7
  Statistisches Bundesamt (Hrsg. 2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Begleitmaterial zur
Pressekonferenz am 18. November 2009 in Berlin. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt, S. 5-6.
8
  Statistisches Bundesamt (Hrsg. 2009): Bevölkerung Deutschlands bis 2060. 12. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Begleitmaterial zur
Pressekonferenz am 18. November 2009 in Berlin. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt, S. 18.

10
Fachvortrag „Bildung als Standortfaktor“

Aus den reinen Daten lässt sich sehr                 kaum verbessert. Ein weiterer Effekt
leicht die Schlussfolgerung ableiten,                ist, dass auch der Anteil der Neuzu-
dass sich eine Gesellschaft, die zum ei-             gänge im Übergangssystem trotz des
nen schrumpft, zum anderen auf jeden                 absoluten Rückgangs um 76.000 (2011
Menschen angewiesen sein wird, der                   gegenüber 2008) bei knapp einem Drit-
sich aktiv in die Gesellschaft einbrin-              tel aller Übergänge in das Berufsbil-
gen kann, sei es im sozialen, demo-                  dungssystem verharrt“10.
kratischen oder finanziellen Bereich,
es sich auf vielen Ebenen nicht leisten                 Abbildung 3: Risikolagen der unter
kann, auf die Befähigung von jedem,                     18-Jährigen nach Ländern (in %)
vor allem aber der jungen Menschen
zu verzichten. So banal diese Erkennt-
nis klingt, so wichtig ist es jedoch, sie
in ihrem ganzen Ausmaß zu verstehen.
Einige Fakten aus den „Bildungsbe-
richterstattungen: Bildung in Deutsch-
land“ 2010 und 2012 helfen dabei viel-
leicht: „Fast jedes dritte Kind unter 18
Jahren wächst in sozialen, finanziellen
oder/und kulturellen Risikolagen auf
(vgl. Abbildung 3). Im Jahr 2008 lebten
insgesamt gut 29% der 13,6 Millionen
Kinder unter 18 Jahren in mindestens
einer Risikolage. Darunter waren 1,1
Millionen Kinder, die bei Alleinerziehen-
den lebten, womit in dieser Lebens-
form fast jedes zweite Kind von einer
Risikolage betroffen ist. In Familien mit
Migrationshintergrund sind es 1,7 Mil-
lionen Kinder (42%). Seit 2000 nahezu
gleichbleibend sind 3,5% der Kinder
– mit deutlichen Unterschieden zwi-
schen den Ländern – von allen drei Ri-
sikolagen gleichzeitig betroffen. Es ist
zu befürchten, dass diese Kinder und
Jugendlichen insgesamt ungünstigere
Bildungschancen haben“9.
   „Auch 2011 mündeten noch ca.                      Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in
300.000 Jugendliche ins Übergangs-                   Deutschland 2012, S. 26.
system ein. Nach wie vor wechseln vor
allem Jugendliche mit maximal Haupt-                   Bedenklich ist, dass trotz Rückgang                 sen, ohne mindestens den Hauptschul-
schulabschluss in den westdeutschen                  der Quote an Abgängern ohne Ab-                       abschluss erreicht zu haben, konnte
Flächenländern sowie ausländische                    schluss ein hoher Anteil leseschwacher                – in allen Schularten – weitegesenkt
Jugendliche in das Übergangssystem.                  Jugendlicher festzustellen ist: „Die Zahl             werden. 2010 waren es 6,5% der gleich-
Die Situation beider Gruppen hat sich                der Jugendlichen, die die Schule verlas-              altrigen Bevölkerung. In Anbetracht der

9
  Autorengruppe Bildungsberichterstattung/Im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Republik Deutschland und des Bundesminis-
teriums für Bildung und Forschung (Hrsg. 2010): Bildung in Deutschland 2010. Ein indikatorengestützer Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des Bildungs-
wesens im demografischen Wandel. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag, S. 6.
10
   Autorengruppe Bildungsberichterstattung/Im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Republik Deutschland und des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung (Hrsg. 2012): Bildung in Deutschland 2012. Ein indikatorengestützer Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des
Bildungswesens im demografischen Wandel. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag, S. 7-8.

                                                                                                                                                         11
3. Leipziger Bildungskonferenz 2012

Tatsache, dass der Anteil leseschwa-
cher 15-Jähriger dennoch dreimal hö-
her ausfällt, lässt dies auf einen nicht
unbedeutenden Anteil an Jugendlichen
schließen, die bei Schulabschluss nur
über basale (Lese-) Kompetenzen
verfügen“11 (vgl. auch Abbildung 4).

  Abbildung 4: Schulabgänger ohne
  Hauptschulabschluss je 100 Schulab-
  gänger 2009

  Quelle: Laufende Raumbeobachtung
  des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt-              desagentur gemeldeten unbesetzten                     rungspanels des Bundesinstituts für
  und Raumforschung, Bonn 2012.                      Ausbildungsstellen um +10.084 bezie-                  Berufsbildung (BIBB) konnten mehr als
                                                     hungsweise plus 51,4 % auf 29.689.                    ein Drittel der Betriebe (35%), die Aus-
Hier setzt die Sorge der Betriebe an,                Auch Betriebsbefragungen zeigen, dass                 bildungsstellen für das Ausbildungsjahr
da sie zunehmend Schwierigkeiten                     sich für Unternehmen die Suche nach                   2010/2011 angeboten haben, eine oder
haben, ihre angebotenen Ausbildungs-                 Auszubildenden immer schwieriger ge-                  mehrere Ausbildungsstellen nicht be-
plätze zu besetzen. „Ein Indiz dafür ist             staltet. Nach den ersten Ergebnissen                  setzen. […]Besonders betroffen davon
der deutliche Anstieg der bei der Bun-               des vom BMBF geförderten Qualifizie-                  sind kleinere und Kleinstbetriebe“12.

11
   Autorengruppe Bildungsberichterstattung/Im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Republik Deutschland und des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung (Hrsg. 2012): Bildung in Deutschland 2012. Ein indikatorengestützer Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des
Bildungswesens im demografischen Wandel. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag, S. 9.
12
   Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg. 2012): Berufsbildungsbericht 2012. S.10

12
Fachvortrag „Bildung als Standortfaktor“

Es zeigt sich nicht nur, dass aufgrund      Abbildung 5: Zahl der Pflegebe-
der geringere werdenden Anzahl von          dürftigen in Deutschland in Millionen
Jugendlichen die Betriebe besonders         2007-2050
belastet sein werden, auch die Quali-
fikationen der Schulabgänger sind zu-       Modellrechnung (in Millionen)
nehmend häufiger nicht ausreichend,         Stand: Dezember 2011
um den Nachwuchsbedarf in Betrie-
ben, aber sicherlich auch in Unter-
nehmen zu entsprechen. Der laute
Ruf nach Fachkräften für die innova-
tiven Arbeitsplätze macht taub für die
ebenso heikle Situation des betrieb-
lichen Mittelstands, der der Humus
für jede Siedlungsentwicklung ist.
   Zusammengefaßt lässt sich feststel-
len, dass die Anstrengungen der ver-        Quelle: Deutscher Städte- und Gemein-
gangenen Jahre auf Länder- und kom-         debund (Grafik); Verwendung der Daten
munaler Ebene zwar Früchte zeigen,          des Statist. Bundesamtes.
die Risikogruppen jedoch weiterhin
nicht frühzeitig genug Unterstützung
erfahren, die es ihnen ermöglicht, auf      Abbildung 6: Grundsicherung im
einem erfolgreichen Bildungsweg zu          Alter und bei Erwerbsminderung
mündigen Bürgern mit Chancenreich-          2003-2010
tum heranzuwachsen. Angesichts der
Aufgaben, die auf die heranwachsen-         Nettoausgaben in Mrd. Euro
den Generationen warten, sei es für
sozialen Ausgleich zu sorgen, der sich
auf dem Weg gen 2060 vor allem darin
zeigen wird, wie man mit der großen
gesellschaftlichen Gruppe der Älteren
und ihrem Versorgungsbedarf umge-
hen wird, zum Beispiel im Bereich der
Pflege (vgl. Abbildung 5) oder durch
steigende Grundsicherung (vgl. Abbil-     Ausgaben der Kommunen nach dem Sozialge-
dung 6), oder mit der Aufgabe umzu-       setzbuch Zwölftes Buch (SGB XII „Sozialhilfe“, bis
gehen, dass weniger Erwerbstätigen-       2005 BSHG)
potential für diese wachsende Gruppe
aufkommen muss – vorausgesetzt der          Quelle: Deutscher Städte- und Gemein-
Sozialstaat verändert sich nicht grund-     debund (Grafik); Verwendung der Daten
legend in seiner Versorgungsstruktur        des Statist. Bundesamtes.
– angesichts dieser Aufgaben müssen
die Anstrengungen aller verstärkt wer-
den, diese jungen Menschen zu befähi-
gen, ihre Talente zu entwickeln.

                                                                                               13
3. Leipziger Bildungskonferenz 2012

Die Pflichten

Der bereits in den vorherigen Ausfüh-        Erst einmal sind die Einnahmen und
rungen skizzierte Ausflug in die Sphä-       Ausgaben auf staatlicher Ebene zu
ren der Folgen des demografischen            nennen, die massiv durch die Verände-
Wandels im Bereich der Versorgungs-          rung der Altersstruktur beeinflusst zum
lasten für die Altersgruppen muss der        einen rückläufig, zum anderen zuneh-
Vollständigkeit halber um weitere Wir-       mend sein werden. Da die Einnahmen
kungsbereiche erweitert werden, die          des Staates stark vom Alter abhängig
gerade für die Kommunen von großer           sind und die Ausgaben ebenso, wird
Bedeutung sind, da sie die Daseinsvor-       es hier zwangsläufig wirksame Um-
sorge betreffen.                             schichtungen geben. Die Staatsver-
                                             schuldung hat sich in den letzten fünf
  Abbildung 7: Finanzpolitische              Jahren fast verdoppelt, in den letzten
  Nachhaltigkeitslücke 2008-2025             10 Jahren fast vervierfacht.

  Quelle: Demographie-Kongress Ideenforum für ländliche Infrastruktur 29.-30. Juni im BMVBS Berlin: Daseins-Vorsorge und Siedlungs-
  entwicklung – Befunde zum demographischen Wandel aus Sicht der Raumordnung. Hans-Peter Gatzweiler (BBSR) 2011.
  Online verfügbar unter: http://www.ili-kongress2011.de/programm/downloads/Gatzweiler-30-06.pdf (02.10.12)

14
Fachvortrag „Bildung als Standortfaktor“

  Abbildung 8: Staatsverschuldung in         Weitere grundlegende Wirkungsfelder         keine Kinder und Jugendlichen mehr
  Deutschland 1950-2021                      sind die Verkehrs- und technische In-       wohnen. Hier steht vor dem Auftrag an
                                             frastruktur. Der Wohnungsmarkt ist be-      den Architekten die Frage an alle Be-
  Angaben in Milliarden Euro                 reits seit Jahren aufgrund der Wande-       teiligten, auch an die, die einem nicht
  jeweils zum 31.12.                         rungsbewegungen betroffen, dies wird        sofort und zwangsläufig einfallen und
                                             noch zunehmen. Hier lässt sich deut-        vielleicht eher im zivilgesellschaftlichen
                                             lich eine Gleichzeitigkeit des Wachs-       Kontext zu suchen und zu finden sind,
                                             tums und Schrumpfens in bestimmten          wie das Quartier, die Nachbarschaft in
                                             Gebieten einer Region erkennen, was         Zukunft aussehen soll. Was und wie
                                             die Siedlungsstruktur beeinflußt. Die       soll es gestaltet sein? Welche Nutzung
                                             Versorgungsinfra- und      Wirtschafts-     kann das Schul-Gebäude noch über-
                                             struktur, der Arbeitsmarkt und Bildung      nehmen, schon jetzt und erst recht
                                             hängen eng miteinander zusammen.            später? Fragen, die zu klären sind,
  Quelle: Deutscher Städte- und Gemein-      Trotz der zu erwartenden sinkenden fi-      bevor auch nur ein Wort an den Archi-
  debund (Grafik); Verwendung der Daten      nanziellen Mittel des Bundes, der Län-      tekten gerichtet wird. Die Investition in
  des Statistischen Bundesamtes 1950-        der und der kommunalen Haushalte            das Gebäude werden wir alle nur ein-
  2005, Bund des Steuerzahler 2011.          ist die öffentliche Daseinsvorsorge als     mal machen können, deshalb sind alle
                                             Grundaufgabe der öffentlichen Hand          Investitionen mittel- und unmittelbar, in
   Als Wirkungsfeld des demogra-             mit wirtschafts-, gesellschafts-, sozia-    Kinder, wie auch in die Nachbarschaft
fischen Wandels vor Ort sind in un-          len und kulturellen Leistungen zu ge-       und damit die Gesellschaft, in all ihrer
serem Kontext zuerst die Finanzen            währleisten.                                Dimension zu beurteilen. Das erfordert
in den Kommunen zu nennen, deren                Das heißt, Investitionen, die (nicht     ein Umdenken bei den Kämmerern, der
Schulden in den letzten drei Jahren          nur) auf kommunaler Ebene vor Ort           Politik, aber auch bei den Bürgern und
drastisch gestiegen sind (vgl. Abbil-        zu tätigen sind, müssen nicht nur aus       Bürgerinnen einer Kommune.
dung 9), und es gibt kaum berechtigte        ökonomischen, sondern vor allem un-
Hoffnung, dass sich dies absehbar            ter strategischen Gesichtspunkten des
ändern wird. Wobei es ein deutliches         Entwicklungsrhythmus‘ einer Kom-            Die besondere Aufgabe
Gefälle im Schuldenstand zwischen            mune getroffen werden. Aus der Not,
westdeutschen und den ostdeutschen           einfach erscheinende Sachverhalte als       Bislang wird in der allgemeinen Dis-
Kommunen gibt.                               Elemente eines sehr viel komplexe-          kussion, wenn über das Potential der
                                             ren Gesamtbildes verstehen lernen zu        Älteren nachgedacht wird, zumeist in
  Abbildung 9: Staatsverschuldung in         müssen, müssen neue, der komplexen          Kategorien der dem Ehrenamt zuzu-
  Deutschland 1950-2021                      Aufgabe adäquate Erkenntnisprozesse         ordnenden Arbeiten gesprochen. In
                                             und Entscheidungsabläufe entwickelt         unserem Kontext sollten wir uns je-
  Angaben in Milliarden Euro                 und eingeübt werden. Die vertrauten         doch veranlasst sehen, die Perspektive
  jeweils zum 31.12.; ab 2010                Blickwinkel und Urteilsebenen müssen        umfassend zu erweitern. Die Lebens-
  einschließlich Extrahaushalte              hinterfragt, erweitert und als ständig      erwartung der Bevölkerung steigt. Das
                                             zu überprüfen verstanden werden. In-        „Alter“, von dem wir noch sehr sorglos
                                             vestitionen nur aus dem unmittelbaren       als einer Gruppe sprechen, ist höchst
                                             Kosten-Nutzen Effekt heraus zu beur-        differenziert zu betrachten. Mit der
                                             teilen, kann für jede Entscheidung für      Einführung der Rente mit 67 und dem
                                             eine oder auch gegen eine Ausgabe,          Abbau der Frühpensionierungen wird
                                             ohne ihren weiteren Bezugsrahmen            bereits der Weg aufgezeigt, der bei der
                                             und Wirkungsradius zu analysieren,          Bewertung von Alter einzuschlagen
                                             herausgeworfenes Geld bedeuten.             ist. Ein kurzer Blick auf das Rentenein-
                                                Man stelle sich vor, es wird eine        trittsalter im internationalen Vergleich
  Quelle: Deutscher Städte- und Gemein-      Schule in einem Stadtteil gebaut, die       zeigt, dass angesichts der Tatsache
  debund (Grafik), Daten des Statistischen   dort (und nicht anderswo) dringend be-      steigender Lebenserwartung ein deut-
  Bundesamtes.                               nötigt wird, ohne sich Gedanken dar-        licher Wandel angebracht ist (vgl. Ab-
                                             über zu machen, wie die Nutzung des         bildung 10).
                                             Gebäudes aussehen soll, wenn dort

                                                                                                                                15
3. Leipziger Bildungskonferenz 2012

  Abbildung 10: Tatsächliches und
  gesetzliches Rentenalter im inter-
  nationalen Vergleich

  Frankreich                                                                                                tatsächliches Renteneintrittsalter

  Italien                                                                                                   gesetzliches Renteneintrittsalter

  Deutschland

  Spanien
                                                                                                         Tatsächliches und gesetzliches
  Schweiz                                                                                                Renteneintrittsalter in ausgewählten
                                                                                                         Ländern 2007 (Datengrundlage:
  Schweden                                                                                               Europäisches Kommission, für Japan
                                                                                                         und Korea Daten von der OECD 2007)
  Japan

  Korea

  Quelle: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung: Demografische Lage der Nation, Berlin 2011.

   Zwangsläufig verändert sich damit              Es wird bereits in den nächsten 10          Diskussionen, ob oder ob es keine stei-
auch die Perspektive des lebenslangen          bis 20 Jahren viele ältere Menschen            gende Altersarmut geben wird, lenken
Lernens, die zwar schon immer die ge-          geben, die, um angemessen leben zu             vom eigentlichen Problem ab.
samte Lernbiografie eines Menschen             können, arbeiten müssen, und denen                Es ist einfach gesagt, dass die Ren-
im Blick zu haben schien, jedoch die           auch, um angemessen leben zu kön-              te bis 67 oder sogar bis 70 notwendig
Bildung gerade der älteren Menschen            nen, Arbeitsplätze oder Arbeitsformen          ist, um den Sozialstaat aufrechtzuer-
eher in einem engen Sinne verstanden           angeboten werden müssen, die ihnen             halten und Beitragszahler so lange wie
hat, denken wir an die Business Angel,         entsprechen und denen sie entspre-             möglich arbeitsfähig und im Arbeits-
Seniorenangebote an Hochschulen                chen können. Dafür müssen nicht nur            verhältnis zu halten. Das ist aber nur
oder die Rentnerfraktion in den Volks-         die potentiellen Arbeitnehmer weiter           die eine Seite der Medaille. Die andere
hochschulen. Bildungserwerb ist nicht          lernen, sich qualifizieren und sich den        bedeutet, dass der Arbeitsmarkt auch
als ein abzuschließender Prozess zu            Veränderungen öffnen und anpassen.             einer gehörigen Renovierung bedarf,
betrachten. Die Übergänge von der              Es müssen auch die Arbeitgeber, die            um überhaupt mit dem Kapital und der
frühkindlichen Bildung, ob nun in der          Wirtschaft und die Politik lernen und          Potenz der älteren Arbeitnehmer etwas
Familie und/oder in den Kindergärten           sich qualifizieren, um die entsprechen-        anfangen zu können.
angesiedelt, in die der Grundschule,           den Angebote bereitzustellen. Profes-             Es werden neue Modelle erarbeitet
dann in die weiterführenden Schulen,           sionelle Organisationsentwickler, die          und erprobt werden müssen, die die
der Übergang in den Beruf sind selbst-         auf die kommenden Bedürfnisse von              Defizite in der Qualifikation Jüngerer
verständliche Ebenen in den Lernbi-            Unternehmen reagieren können müs-              vielleicht durch Tandembildung mit
ografien, die von allen Bildungsex-            sen, befassen sich schon seit einer            Älteren, diese jedoch im Alter weniger
perten betrachtet und zu verbessern            Weile mit diesem Thema.                        körperlich belastbar oder feinmoto-
getrachtet werden. Ebensowenig sind               Etliche Unternehmen sind bemüht,            risch sensibel, ausgleichen könnten.
die Qualifikationsmaßnahmen im be-             sich dieser veränderten Realität an-           Ein anderes Beispiel, das in dem Wirt-
ruflichen Kontext Endstation einer Bil-        zupassen. Doch das öffentliche Ge-             schaftsmagazin Brand eins vorgestellt
dungsbiografie.                                spräch hierzu fehlt fast völlig. Erregte       wurde: Ein Unternehmer in Amerika,

16
Fachvortrag „Bildung als Standortfaktor“

der nur Pensionäre in seinem Ferti-                     Abbildung 11: Teilnahme an Weiter-                           18-/ 19- bis unter 35- Jährige
gungsunternehmen beschäftigt. Eine                      bildung 2007 und 2010 nach Weiterbild-                       35- bis unter 50- Jährige
der Prüfungen, die diese Arbeitnehmer                   ungstypen und Altersgruppen (in %)                           50- bis unter 65- Jährige
bestehen müssen, ist das Erklimmen
einer Treppe in den ersten Stock, in                    Basis: Bevölkerung
                                                                                                                                                                 48
dem die Firma produziert. Die Ge-                                                                                                                                48
schäftsidee hat sich mittlerweile als                   Weiterbildung           2007                                                    34
                                                                                                                                                       40
unbedingt lohnend herausgestellt, da                    insgesamt               2010                                                                             48
                                                                                                                                                 38
die Angestellten zwar etwas langsamer
                                                                                                                               27
als jüngere Menschen sind, jedoch                                                                                                       34
zum einen ihre Akribie und Geduld die                   Betriebliche            2007                                      23
                                                                                                                     20
Fehlerquote gering halten, und zum an-                  Weiterbildung           2010                                                   33
deren ihr Wille zu arbeiten – sei es aus                                                                                  23
                                                                                                               16
der schieren Not, Geld für das Überle-                                                                   14
ben verdienen zu müssen, da die Rente                   Individuell-berufs-     2007               10
                                                                                                          14
nicht reicht, oder aber „nur“ aus dem                   bezogene Weiter-        2010                    13
sozialen Grund, gebraucht zu werden                     bildung                                    10
                                                                                                             15
– hoch ausgeprägt ist, und damit die                                                               10
Fehlquote ausgesprochen gering ist.                     Nicht-berufsbe-         2007           8
                                                                                                        13
Selbst bei naturgemäß erhöhter Gefahr                   zogene Weiter-          2010               10
                                                                                                   10
zu erkranken. Das Spielfeld in diesem                   bildung
Arbeitsmarktbereich ist noch gar nicht
                                                                                                                                                            42
vermessen worden.                                       Basis: Erwerbstätige                                                                                42
   Der Bildungsbericht 2012 sagt hier-                  Betriebliche Weiter-    2007                                                        35
                                                                                                                                       33
zu, dass trotz aller politischen Auf-                   bildung                 2010                                                              39
forderungen und wissenschaftlicher                                                                                                     33

Nachweise über die Wichtigkeit von
Weiterbildung die Beteiligung an Wei-                                                                                                                                  in %
terbildung in den letzten zehn Jahren                   Quelle : Autorengruppe Bildungs-                          ich hin will, die Stadt, von der ich weg
insgesamt konstant blieb, wenn auch                     berichterstattung (Hrsg.): Bildung in                     will? Ist es ein Ort, an dem ich mich
mit leichten Verbesserungen bei der                     Deutschland 2012, S. 143                                  wohlfühle, an dem ich mich entfal-
Teilnahme älterer und gering qualifi-                                                                             ten kann, ist es ein Ort, der für mich
zierter Personen13 (vgl. Abbildung 11).                                                                           selbstverständlich ist oder möchte ich
An sich ist diese Diagnose eine Kapi-                 Die Stadt – Der soziale Raum                                ihn mitgestalten? Komme ich, bleibe
tulation vor dem Lebenslangen Lernen,                                                                             ich – einfacher kann man die zentrale
aber wenn wir uns das Bild anschauen,                 Die Stadt setzt sich aus verschiedenen                      Frage nach der Auswirkung von indivi-
sehen wir, dass auch in dieser Betrach-               Ebenen und Elementen zusammen und                           dueller Lebensqualität einer Stadt und
tung nur die Menschen bis 65 Jahre                    je nachdem, aus welcher Perspektive                         seiner Gesellschaft nicht stellen. Wir
untersucht wurden. Für den Gedanken,                  der Einzelne seine Stadt betrachtet, ist                    alle benötigen einen Raum, in dem wir
dass es einen Arbeitsmarkt auch au-                   sie die Heimat, der Lebensmittelpunkt,                      uns wohlfühlen, der uns Entwicklungs-
ßerhalb des staatlich festgelegten Ren-               der Arbeitsort, die Nachbarschaft, die                      perspektive, Anregung und Sicherheit
tenalters geben könnte, für den man                   Kulturlandschaft, der Wirtschaftsmo-                        gibt. Der die Umsetzung persönlicher
sich qualifizieren muss – wobei Quali-                tor, der Wohnraum und vieles mehr,                          Zukunftspläne ermöglicht, der sich mit
fikationen durchaus Kompetenzen, Er-                  aber immer ein Ort, der sich aus vielen                     uns und unserem Leben entwickelt, so
fahrungen sein können – ist noch kein                 Facetten zu einem individuellen Bild                        dass wir uns zu Hause fühlen können.
Platz.                                                zusammenfügt. Ist es die Stadt, zu der                      Um solch einen Organismus zu kreie-

13
   Vgl.: Autorengruppe Bildungsberichterstattung/Im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Republik Deutschland und des Bun-
desministeriums für Bildung und Forschung (Hrsg. 2012): Bildung in Deutschland 2012. Ein indikatorengestützer Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des
Bildungswesens im demografischen Wandel. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag, S. 142f.

                                                                                                                                                                      17
3. Leipziger Bildungskonferenz 2012

ren, zu erhalten und zu nähren, bedarf               sichts der natürlichen Entwicklung, die              Der Prognos Zukunftsatlas von 2010
es des permanenten Erkenntnisdrangs,                 wir als die Folgen des demografischen                (vgl. Abbildung 13) kommt zu dem
der dauerhaften Entwicklung, der ge-                 Wandels kennengelernt haben. Den-                    Ergebnis, dass Städte zunehmend an
meinsamen Anstrengung und der groß-                  noch sind Städte, die bereits frühzeitig             Attraktivität und Anziehungskraft ge-
en Offenheit auch Neuem gegenüber.                   sich präventiv auf die vorhersehbaren                winnen und ein höheres Wachstum
   Städte sind nie fertig, immer in Be-              Entwicklungen vorbereitet haben, in                  verzeichnen als das Umland. Hochqua-
wegung, immer im Wandel, anfällig für                einer sehr guten Startposition (vgl. Ab-             lifizierte sowie Forschung und Entwick-
von außen herangetragene Probleme,                   bildung 12). Und hier kommt Bildung                  lung seien entscheidend für die Zu-
wie auch für die hausgemachten. Die                  als der entscheidende Standortfaktor                 kunftsfähigkeit einer Region14. Prognos
Auswirkungen von Wirtschafts- und                    ist Spiel. Wenn es wahr ist, und es gibt             kommt zu dem Ergebnis, „nur mit ei-
Finanzkrisen sind genauso spürbar                    keinen Grund es nicht anzunehmen,                    ner Fokussierung auf forschungs- und
wie die des demografischen Wandels.                  dann ist einer der besonders wichtigen               technologieintensive Industrien sowie
Auch wenn wir unsere politischen Ver-                Faktoren für den Zuzug und auch das                  wissensintensive        Dienstleistungen
treter und die städtische Verwaltung mit             Bleiben in einer Stadt der Arbeitsplatz.             kann sich Deutschland entscheidende
der Lösung dieser Aufgaben betraut                   Wir haben bereits an anderer Stelle                  Wettbewerbsvorteile im internationa-
haben, ihnen diese Aufgaben anver-                   gehört, dass die Betriebe in Schwie-                 len Standortwettbewerb erarbeiten“15.
traut haben, sind wir in der Pflicht, uns            rigkeiten kommen, da ihnen geeigneter                „Humankapital wird dabei zur Schlüs-
ebenfalls mit den Aufgaben vertraut zu               Nachwuchs fehlt. Nun können wir zu-                  selkomponente im Wettbewerb. Mitt-
machen, sie als unsere eigenen anzu-                 sätzlich noch die Fachkräfte, die für die            lerweile ist jeder zehnte Beschäftigte in
erkennen und den Weg zu einer verant-                Innovationskraft und Weiterentwick-                  Deutschland hochqualifiziert, Tendenz
wortungsgeprägten vielfältigen den-                  lung einer auf Wettbewerb ausgelegten                weiter steigend. […] Auch künftig wer-
noch gemeinsamen Stadtgesellschaft                   Wirtschaft stehen, in die Gleichung ein-             den die Anforderungen der Unterneh-
zu gehen. Doch wie kann ein solcher                  bringen.                                             men an das Qualifikationsniveau der
Weg gegangen werden? Wie kann                                                                             Mitarbeiter weiter steigen“16.
eine Stadt, eine Region sich so auf-                   Abbildung 12: Bevölkerungspro-
stellen, dass sie in dem zunehmenden                   gnose Stadt Leipzig bis 2050
Wettbewerb der Städte und Regionen
um Arbeitskräfte, um Ansiedlung, um                    Bevölkerung
dauerhaften Zuwachs – und wenn wir                     in 1.000
uns Innovationskraft und Wirtschafts-
wachstum wünschen, muss dieser
Wettbewerb global verstanden werden
– bestehen kann, sogar mit der Nasen-
länge voran?

Der Wettbewerb

Zuallererst muss unter den bereits
vorgestellten Gesichtspunkten jedem
deutlich werden, dass es nicht nur um
Wachstum einer Stadt oder Region ge-
hen kann. Das Ziel, Abwanderung zu                                                                Jahr
verhindern, ist für einige Städte bereits              Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung der Daten der 5. Regionalisierten
ein sehr hochgestecktes Ziel ange-                     Bevölkerungsprognose für den Freistaat Sachsen bis 2025, Statistisches Landesamt
                                                       des Freistaat Sachsen.

14
   Prognos AG: Auf einen Blick: Prognos Zukunftsatlas 2010 – Deutschlands Regionen im Zukunftswettbewerb, S. 3. Online verfügbar unter: www.prognos.com/
Zukunftsatlas-2010-Regionen.753.0.html (abgerufen am 01.10.2012)
15
   Prognos AG: Auf einen Blick: Prognos Zukunftsatlas 2010 – Deutschlands Regionen im Zukunftswettbewerb, S. 3. Online verfügbar unter: www.prognos.com/
Zukunftsatlas-2010-Regionen.753.0.html (abgerufen am 01.10.2012)
16
   Prognos AG: Auf einen Blick: Prognos Zukunftsatlas 2010 – Deutschlands Regionen im Zukunftswettbewerb, S. 3. Online verfügbar unter: www.prognos.com/
Zukunftsatlas-2010-Regionen.753.0.html(abgerufen am 01.10.2012).

18
Fachvortrag „Bildung als Standortfaktor“

  Abbildung 13: Prognos Zukunfts-
  atlas 2010

  Quelle: Prognos AG, Zukunftsatlas 2010, www.prognos.com/Zukunftsatlas-2010-
  Regionen.753.0.html (01.10.2012).

Und das Hamburgische WeltWirt-                       Komponenten gemeint. In diesem Zu-
schaftsinstitut stellt in einer Studie „Die          sammenhang spielen die Hochschu-
Arbeitsplätze der Zukunft. Regionen im               len naturgemäß eine besondere Rolle.
Wettbewerb“ aus dem Jahre 2009 fest,                 Ein Motiv für junge Menschen, sich
dass das Vorhandensein qualifizierter                in Bewegung zu setzen, und ein Ziel
Arbeitskräfte maßgeblich ist für die                 sind nach den statistischen Unter-
Standortwahl von Unternehmen in wis-                 suchungen Städte und Regionen mit
sensintensiven Wirtschaftsbereichen17.               Universitäten und Hochschulen (vgl.
Die starke Entwicklung weg von einer                 Abbildung 14). Ein weiteres Indiz dafür,
industriellen     Fertigungsgesellschaft             daß Städte und Regionen mit diesem
hin zu einer wissensorientierten Ge-                 Element aus der Bildungskette, den
sellschaft bedeutet, Bildung als den                 Hochschulen und Universitäten, sich
maßgeblichen Faktor für jede Stand-                  einen Vorteil verschaffen. Nur wie kann
ortentscheidung in den Vordergrund                   man diese jungen Menschen auch
zu stellen. Bildung ist in dem Kontext               nach dem Studium halten, so dass sie
ohne Zweifel in ihrer gesamten Band-                 möglicherweise der Pool sind, aus dem
breite inklusive sozialer und kultureller            die Wirtschaft ihre Potentiale schöpft?

17
   Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI)(2009): Deutschland 2020 - Die Arbeitsplätze der Zukunft. Regionen im Wettbewerb - Faktoren, Chancen und
Szenarien. In: Update – Wissensservice des HWWI 01/09. Online verfügbar unter: http://www.hwwi.org/uploads/tx_wilpubdb/HWWI_Update_01.09.pdf
(abgerufen am 01.10.2012).

                                                                                                                                                          19
3. Leipziger Bildungskonferenz 2012

  Abbildung 14: Binnenwanderungssaldo                                                                      Die Entscheidung von Menschen, wo
  der EW von 18 bis unter 25 Jahre je                                                                      sie leben und arbeiten wollen, wird
  1000 EW der Altersgruppe                                                                                 von zahlreichen Faktoren beeinflusst.
                                                                                                           In seiner Studie sagt das Hambur-
                                                                                                           gische WeltWirtschaftsinstitut, dass
                                                                                                           generell städtische Regionen, die wirt-
                                                                                                           schaftlich florieren, hohe Löhne und
                                                                                                           vielseitiges Lebensumfeld bieten, ei-
                                                                                                           nen Attraktivitätsvorsprung haben18.
                                                                                                           Familienfreundlichkeit, die Qualität
                                                                                                           des Bildungssektors und die Attrak-
                                                                                                           tivität der Immobilienangebote sind
                                                                                                           entscheidend. Und der Bildungsbe-
                                                                                                           richt von 2012 konstatiert, dass bei
                                                                                                           „Betrachtung der letzten Dekade die
                                                                                                           Integration in den Arbeitsmarkt nach
                                                                                                           Bildungsabschlüssen ein stabiles Mu-
                                                                                                           ster zeigt: Personen mit Fachhoch-
                                                                                                           schul- oder Hochschulabschluss sind
                                                                                                           am besten in den Arbeitsmarkt inte-
                                                                                                           griert. Am schwierigsten gestaltet sich
                                                                                                           die Integration in den Arbeitsmarkt bei
                                                                                                           Personen ohne beruflichen Abschluß,
                                                                                                           deren Erwerbstätigkeit seit 1999 stets
                                                                                                           unter 60% liegt. […] Die Situation für
                                                                                                           erwerbsfähige Personen ohne beruf-
                                                                                                           liche Ausbildung stellt sich in zweierlei
                                                                                                           Hinsicht problematisch dar: Die Betrof-
                                                                                                           fenen weisen einen deutlich niedrigeren
                                                                                                           Erwerbstätigenanteil auf als Personen
                                                                                                           mit beruflichen Abschlüssen, und sie
                                                                                                           befinden sich zu deutlich höheren An-
                                                                                                           teilen in geringfügiger Beschäftigung
                                                                                                           oder Zeitarbeitsverhältnissen. Daher
                                                                                                           ist diese Gruppe mit einem höherem
                                                                                                           Maße von Armutsgefährdungsrisiken
                                                                                                           betroffen als Personen mit einem mitt-
                                                                                                           leren oder höheren Bildungsniveau“19.
                                                                                                           Das ist nicht nur eine Belastung für
                                                                                                           den kommunalen Haushalt, von dem
                                                                                                           erwartet wird, dass er hier eine soziale
  Quelle: Binnenwanderungssaldo der Einwohner von 18 bis unter 25 Jahren je 1.000                          Sicherung leistet, sondern auch eine
  Einwohner 2009 der Altersgruppe, Indikatoren und Karten zur Raum- und Stadtent-                          Verschwendung im Hinblick auf die Po-
  wicklung in Deutschland und in Europa (INKAR 2011) des Bundesinstitutes für Bau-,                        tentiale, die diese Menschen nicht aus-
  Stadt- und Raumforschung (BBSR).                                                                         schöpfen können, aus welchem Grund
                                                                                                           auch immer.
18
   Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI)/PwC, Frankfurt am Main (Hrsg. 2010): Deutschland 2020 - Die Arbeitsplätze der Zukunft. Regionen im Wettbe-
werb - Faktoren, Chancen und Szenarien.
19
   Autorengruppe Bildungsberichterstattung/Im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Republik Deutschland und des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung (Hrsg. 2012): Bildung in Deutschland 2012. Ein indikatorengestützer Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des
Bildungswesens im demografischen Wandel. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag, S. 200f.

20
Fachvortrag „Bildung als Standortfaktor“

Der Lebensraum –                            Wenn die soziale Situation eine so          Einer der entscheidenden Faktoren ist
Die soziale Stadt                           große Rolle spielt für diese wesentliche    die Familie, wobei auch hier ein grund-
                                            Entscheidung, wenn festgestellt wird,       legender Wandel zu bemerken ist. Die
Eine soziale Ausgewogenheit in einer        dass Bildung einen sozialen Aufstieg        familienfreundliche Stadt wird sich da-
Gesellschaft ohne große Spaltungen ist      ermöglicht und damit die Stärkung der       mit auseinandersetzen müssen, dass
ein erstrebenswertes Ziel. In einer Pha-    Chancen an der Teilhabe an den Belan-       der Familienbegriff sich verändert und
se großer gesellschaftlicher Umbrüche       gen unserer Stadtgesellschaft, muss         vielfältige Formen neuer und alter Le-
spielt soziale Ausgewogenheit in jeder      alles getan werden, um auch denjeni-        bensgemeinschaften nebeneinander
räumlichen Dimension eine bedeut-           gen, die sich in den vorher genannten       existieren. Zusätzlich sieht man eine
same Rolle, in der Region, in der Stadt,    Risikogruppen befinden, Unterstüt-          Vielfalt von Lebens- und Haushalts-
im Quartier, in der Nachbarschaft – im      zung anzubieten.                            formen, gekennzeichnet durch Verklei-
schlichten Zusammenleben. Dieser               Die sozialräumliche Betrachtung er-      nerung der Haushalte, Abkehr von der
Faktor ist ebenso bedeutend für die         möglicht eine differenzierte Analyse der    Ehe, zeitlichen Aufschub der Familien-
Antwort auf unsere Frage, will ich dort     Faktoren und Einflüsse, die die Nach-       gründung (einhergehend mit dem Risi-
hingehen, bleiben oder will ich gehen,      barschaft auch unter Betrachtung ei-        ko, dass es dann, wenn man will, nicht
weg aus oder hin zu der Nachbar-            ner Mittelfristperspektive zukunftsfähig    mehr klappt), Zunahme der Kinderlo-
schaft, der Stadt oder der Region? (vgl.    macht. Das bedeutet jedoch ebenso,          sigkeit und Rückgang kinderreicher Fa-
Abbildung 15).                              dass alle Faktoren, die diese Perspek-      milien (vgl. Abbildung 16). Die Stärkung,
                                            tive ausmachen, unter dem Aspekt der        Akzeptanz und Flexibilität im Umgang
  Abbildung 15: Gesamtwanderungssaldo       Bildungsrelevanz betrachtet werden          mit diesen veränderten Lebensformen
  (Differenz Zuzüge – Fortzüge je 1000 EW   müssen.                                     und damit mit gesellschaftlichen
  2009) in Deutschland

  Quelle: Raumbeobachtung des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), Bonn 2012.

                                                                                                                              21
3. Leipziger Bildungskonferenz 2012

Gruppierungen können Städte und                                                                Es bedarf einer gemeinsamen Strategie
Stadtgesellschaften vor anderen aus-                                                           von Bund, Ländern und der Kommune
zeichnen.                                                                                      gemeinsam mit der Wirtschaft, den
                                                                                               Kirchen, zivilgesellschaftlichen Grup-
  Abbildung 16: Bevölkerung in Deutsch-                                                        pierungen und anderen, um diesem
  land 2006 und 2010 nach Lebensformen                                                         Missstand gezielt zu begegnen. Eine
  (in %)                                                                                       Zunahme der Spaltung in den Bildung-
                                                                                               schancen können sich weder die Kom-
                                                                                               mune noch die Bundesrepublik leisten.
                                                                                               Es gibt mittlerweile Städte, in denen
                                                                                               die Mehrheit der jungen Generation
                                                                                               aus Familien mit Migrationshintergrund
                                                                                               stammt, Tendenz steigend. Wenn hier
                                                                                               die Bildungsanstrengungen, derer, die
                                                                                               sie strukturieren und anbieten, aber
                                                                                               auch derer, die sie umsetzen müssen,
                                                                                               nicht deutlich wirksamer werden, wird
                                                                                               der Faktor Bildung die Standortsiche-
                                                                                               rung schwächen.

                                                                                                 Der soziale Frieden, die Kriminalitäts-
                                                                                               rate in einer Stadt hängen ebenso von
                                                                                               diesen bereits genannten Faktoren ab.
                                                                                               Die Attraktivität einer Stadt steht im-
                                                                                               mer in Beziehung zu ihrem Leumund,
                                                                                               zu ihrer Erscheinung, zu ihrem Ruf.
  Quelle: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland 2012,
  S. 24.

   Der Wohnungsmarkt, die Nachbar-            Abbildung 17: Allgemeinbildender Schulabschluss insgesamt, nach Altersgruppen bei
schaften, die Bildungsanbieter müssen         Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sowie nach Herkunftsland in Prozent
auf diese Realität eingehen und sie in
ihren Angebotsstrukturen berücksichti-          insgesamt
gen (vgl. Abbildung 17). Bei der Fra-           unter 25 Jahren                                                  ohne Migrationshintergrund
ge nach der Rolle, die die Familie im           25 bis 34 Jahre                                                  mit Migrationshintergrung
Wechselspiel mit der Stadt einnimmt,            35 bis 44 Jahre
sind die Familien der Migranten be-             45 bis 54 Jahre
sonders zu beachten. Will man auch              55 bis 64 Jahre
ihren Anschluß an die Entwicklung der           65 Jahre und älter
Stadtgesellschaft garantieren, muss             Polen
man sich gewahr sein, dass die Bil-             Ukraine                                                          nach Herkunftsland
dungschancen ihrer Kinder und damit             Rumänien
die Teilhabechancen an der Entwick-             Spätaussiedler
lung auch ihrer Stadt weitaus geringer          Kroatien
sind als in ansonsten vergleichbaren            Bosnien und Herzegowina
Familien. Ähnliches gilt auch für die Ri-       Italien
siken, denen Kinder Alleinerziehender           Serbien und Montenegro
ausgesetzt sind. Diesen Lebensbedin-            Griechenland                                                Quelle: Autorengruppe
gungen muss unbedingt präventiv be-             Afrika                                                      Bildungsberichterstattung
gegnet werden.                                  Türkei                                                      (Hrsg.): Bildung in Deutsch-
                                                                          0   5   10      15   20    25     land 2012, S. 24.

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Fachvortrag „Bildung als Standortfaktor“

 Je stärker die entscheidenden Elemen-     ren können. Es ist sehr sinnvoll, diese     ten zu müssen und lösen zu wollen.
te für einen Zuzug oder eine Bleibeent-    Fragen zu stellen, die Bedingungen          Das heißt in seinem Sinne, sich in Al-
scheidung positiv besetzt sind, desto      ehrlich zu prüfen und gegebenenfalls        lianzen, neuen Verbünden oder neuen
wahrscheinlich ist auch eine positive      daran zu arbeiten, dass sie sich ver-       Verantwortungsgemeinschaften         ver-
Entscheidung. Insofern sind es nicht       bessern, damit es für die, um die ge-       bindlich zusammenzutun. Er forderte,
nur die Bildungsangebote selbst, die       worben werden soll, auch wirklich reiz-     dass die Zivilgesellschaft stärker in
für eine Kommune sprechen, sondern         voll genug ist, dauerhaft in einer neuen    die Gestaltung des Gemeinwesens
auch ihre nachweislichen unmittelbaren     Gemeinschaft zu Hause sein zu wollen.       eingebunden werden muss und Bund
wie mittelbaren Bildungserfolge: mehr                                                  und Länder die Kommunen als Partner
Schulabgänger mit Abschlüssen, mehr                                                    auf Augenhöhe anerkennen müssen.
Übergänge auf die Hochschule auch            Von Government zu                         Seine ultimative Forderung an Bund
der Gruppen, die eher weniger diesen         Governance                                und Länder lautet: Kooperationsver-
Weg gehen, wie zum Beispiel Jugend-                                                    bot muss durch Kooperationsgebot
liche mit Migrationshintergrund, oder         Was sind die entscheidenden Maß-         ersetzt werden. Diese Forderung trifft
auch eine geringe Kriminalitätsrate.       gaben, die es einer Stadtgesellschaft       natürlich mitten ins Herz der staatlich
                                           ermöglichen sollte, die Herkulesauf-        geregelten Zuständigkeitshoheit. Will
   Fachkräfteanwerbung und Fach-           gaben zu meistern, die vielleicht nur in    man, ohne diese aufzugeben, im Sinne
kräftezuzug, egal ob aus dem In- oder      der langfristigen Betrachtung als sol-      Herrn Rombeys agieren, sind vor allem
dem Ausland, werden ebenso wie die         che wahrnehmbar werden, da es sich          Einsichten notwendig, die auf dem Ver-
Steigerung der Erwerbstätigkeit von        um prozessuale Entwicklung handelt?         ständnis der Handlungsnotwendigkeit
Frauen, vor allem weg von der Teil-,       Grundlage wird es sein müssen, ein          und dem strategischen Einvernehmen
hin zur Vollzeit, gerne für die Korrek-    Bewusstsein dafür bei allen – den Ver-      über die gemeinsamen Ziele basieren.
tur auf dem Arbeitsmarkt zur Heilung       antwortungsträgern wie der gesamten         Dies lässt sich nur pro Kommune indi-
der demografischen Kurve gesehen.          Bürgerschaft – zu wecken, dass es sich      viduell einlösen, jedoch gibt es Voraus-
Sicherlich sind beide Initiativen rich-    um einen andauernden, nicht endlichen       setzungen, die durchaus allgemein un-
tig, doch ebenso wie alle anderen          Veränderungs- und Wandlungsprozeß           terstützend entwickelt werden können.
Faktoren an Bedingungen geknüpft,          handeln wird, der auch dauerhaft das        Bleibt man im Hoheitsrahmen, könnte
denn auch hier gilt, dass um dieselben     Ziel verfolgen muss, bestmöglichen          es dennoch für die Kommune wirksam
Kräfte aus vielen Kommunen oder Län-       Teillösungen, bestmögliche Verantwor-       werden, wenn die Ausbildung der Erzie-
dern geworben werden wird. Insofern        tungsstrukturen und bestmögliche Teil-      herinnen und Erzieher, der Lehrerinnen
ist eine realistisch Prüfung, ob in der    habe- und Entwicklungschancen für           und Lehrer, aber auch der Sozialar-
Stadtgesellschaft neben einem guten        jeden Einzelnen zu erringen, und zwar       beiter und anderer für das Bildungs-
Wohnangebot, exzellenter Bildungs-         immer in dem Bewusstsein, dass es           system der Kinder und Jugendlichen
landschaft und einer interessanten,        sich um die Stärkung existierender Po-      Zuständigen aufeinander abgestimmt,
gut bezahlten Position auch wirklich       tentiale handelt, gleichermaßen auch        oder zum Beispiel gemeinsame Quali-
die Willkommenskultur gepflegt wird,       die Prävention vor höheren, kommunal        tätsstandards für Sprach- und Förder-
die jemandem aus dem Ausland das           gesehen entscheidenden, Zusatzbe-           kurse den tatsächlichen Bedürfnissen
Lebensumfeld für sich und seine Fa-        lastungen. Die, wie vorher dargelegt,       gemäß entwickelt werden würden.
milie garantiert, das er gerne hätte und   immer zu Standortnachteilen werden             Eine Entscheidung muss jede Kom-
möglicherweise woanders auch erhal-        würden.                                     mune jedoch für sich selbst treffen.
ten kann. Oder ob das Lebensumfeld            In einem Bericht vor dem Stiftungs-      Zwar sagt der Föderalismus, dass die
für den Binnenwanderer mit oder ohne       verbund des Bundesprogramms Ler-            Bildungshoheit im schulischen Be-
Familie attraktiv genug ist, um sich für   nen vor Ort vor zwei Wochen in Aachen       reich bei den Ländern liegt, doch das
einen Ortswechsel zu entscheiden.          hat Stadtdirektor Rombey, der auch          darf Kommunen nicht davon abhalten,
Oder ob die Arbeitsgestaltungsmög-         Vorsitzender des Schulausschusses           für sich zu entscheiden, dass die Bil-
lichkeiten für Frauen (schön wäre es,      des Deutschen Städtetages bundes-           dung für sie in dem obigen Sinne eine
hier: auch für Männer sagen zu können)     weit ist, zentrale Aussagen gemacht,        kommunale Pflichtaufgabe sein muss,
genügend flexibel sind, so dass sie ih-    die den Kern des Veränderungswillens        als sie eine Selbstverpflichtung für die
ren Lebensentwurf mit Kind und eine        treffen. Er sagte, dass Politik lernen      Sicherung ihrer Zukunftsfähigkeit be-
anspruchsvolle Arbeitsstelle vereinba-     müsse, nicht alleine Aufgaben verwal-       deutet. In zunehmendem Maße sind

                                                                                                                             23
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