LEUTE IN IbizaHEUTE - Andre Wiersig
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Der Extrem-Sportler in seiner „Eistonne“. Jeden Tag mindestens 12 Minuten im eisigen Wasser. Das härtet ab für die Stunden, die er in eiskalter, rauer See schwimmen muss… Extrem-Schwimmer André Wiersig über Wale, Haie, giftige Quallen, seine Eis-Tonne und Ibiza… „Du bist mutterseelen- allein mitten im Pazifik und dann kommt ein Hai…“ Eigentlich führt André Wiersig ein ganz normales Dasein: Er lebt mit seiner Familie in Paderborn und ist Vertriebsleiter in einem Software-Unternehmen. Und das „eigentlich“? Nun, nebenbei durchschwimmt André den 12 Grad kalten Nordkanal, begegnet Haien und Killer-Quallen zwischen den Hawaii-Inseln oder dem gefährlichen Schiffsverkehr auf dem Ärmelkanal. André ist Kanalschwimmer und seine größte Herausforderung sind die „Ocean´s 7“: die sieben schwierigsten Schwimmstrecken der Welt. Auf Ibiza trainiert er für seine Odysseen – und hier begann seine unglaubliche Geschichte. Bericht: Carina Neumann, Fotos: Andrè Wiersig IbizaHEUTE 2 | 2017 29
„Draußen auf dem offenen Pazifik gibt es eigentlich keine kleinen Tiere. Alles, was man dort trifft, ist groß.“ A ndré steht am Empfangstresen der Redaktion. Es nig: „Ich dachte, wenn ich es bis zur Boje und zurück schaffe, ist recht kalt auf Ibiza – und er kommt gerade von dann kann ich auch den Ärmelkanal durchschwimmen“, seinem Schwimmtraining bei Aguas Blancas. Er schmunzelt er. trägt Schlappen, Shorts und Salz in den Haaren. So sieht also ein Kanalschwimmer aus! „Ich habe mir gerade 9,5 Stunden durch den Ärmelkanal 12 Kilogramm für den Nordkanal angefuttert“, lacht André händeschüttelnd. „Und hier auf Ibiza trainiere ich nun für die Gesagt, getan – 2014 schwamm André von England nach Durchquerung des Santa Catalina Kanals vor Kalifornien.“ Frankreich, ganz nach den Regeln seines großen Vorbilds Cap- Das klingt aufregend. Wir wollen mehr hören! tain Matthew Webb – dem Mann, der 1875 als erster Mensch den Ärmelkanal durchschwamm. „Das wollte ich als Kind Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet eine einfache An- schon machen – mein Englischlehrer las uns damals die Ge- lege-Boje in André den Wunsch erwecken würde, den Ärmel- schichte des Captain Webb vor“, so André. Doch solch einen kanal zu durchschwimmen? Es war ein kalter Januar-Tag im Heldentitel muss man sich verdienen: Webb schwamm damals Jahr 2012, als er in der Cala Llenya etwa 150 Meter vom Ufer lediglich mit Badehose, Schwimmhaube und Schwimmbrille entfernt die Boje sah, um die er noch im vergangenen Som- von Dover nach Calais. 34 Kilometer bei 15 Grad kaltem Wasser mer herumgeschwommen war. Als langjähriger Ibiza-Freund und lediglich einem kleinen Beiboot als Begleitung. Das kommt der 44-Jährige immer wieder hierher zurück: „Da hab´ Gleiche wartete auf André – also 15 Grad kaltes Wasser, nur in ich mich gefragt ob ich es schaffe, im 12 Grad kalten Wasser Badehose, nur mit einem kleinen Begleitboot. Und er schaffte hin- und wieder zurückzuschwimmen. Doch schon auf den es – mit der Zeit von 9,5 Stunden sogar deutlich schneller als sein ersten Metern blieb mir die Luft weg! Das hat mich so ge- Idol Webb, der dafür fast 22 Stunden brauchte. wurmt, dass ich dachte: ist ja lächerlich! Das schaffst du!“ „Es kommt immer auf die Umstände an“, erklärt André. Wetter, Also fing er an, kalt zu duschen – jeden Tag. Und jeden Strömung und Wellengang kann man sich nicht aussuchen. Monat steigerte er die Zeit unter eiskaltem Wasser. Aber das Übrigens ist dem Kanalschwimmen nicht jeder Extrem-Sportler war ihm noch nicht hart genug. Er fuhr zum Baumarkt, kaufte gewachsen: Viele Schwimmer werden durch die hohen Wel- sich eine große Wassertonne und stellte sie in seinen Carport. len auf offenem Meer seekrank und müssen abbrechen. „Ich Er nennt sie liebevoll seine „Eistonne“ und verbringt dort jeden bin davon zum Glück verschont, genau wie mein treuer Be- Tag – auch im Winter – 12 Minuten in klirrend kaltem Wasser, gleiter und Schwager Jürgen Peters.“ Der steuert das Beiboot, das teils kurz vor dem Gefrierpunkt ist. Nein, ein Warmduscher ist mentaler Beistand und kümmert sich um die Koordination ist André sicher nicht. der Routen. Er ist auch der Mann, der André energiereiche Flüssignahrung zuwirft, wenn sein Kiefer wegen der frostigen Im Januar 2013 stand er wieder am Ufer der Cala Llenya. Wassertemperaturen erstarrt. Aber dazu später mehr. Die Boje war noch da. So, als hätte sie auf ihn gewartet. Dieses Mal schaffte André es, sie trotz eiskaltem Wasser zu um- Nur so viel vorweg: „Wenn alle anderen sich übergeben schwimmen. Und dann wurde er mutig – bis größenwahnsin- und vor Übelkeit fast verrecken, ist Jürgen immer noch mit 30 IbizaHEUTE 2 | 2017
André noch im Wärmeanzug vor dem aufgepeitschten Meer auf Ibiza, in das er in wenigen Minuten springen wird – nur in Badehose, um dann Stunde um Stunde zu schwimmen… dem Boot bei mir“, lacht André. Im Kaiwi Kanal vor Hawaii nicht viel gefährlicher als mit dem Auto von Santa Eulària zur waren die Wellen bis zu fünf Meter hoch. Und das ist für den Cala Sant Vicent zu fahren.“ Schwimmer und den Mann im Beiboot gleichermaßen extrem hart. Mit Jürgen zusammen hält André auch Vorträge in Fir- „Nerven behalten, sonst flippst du aus“ men und Universitäten. „Es ist übrigens wirklich schwer einen Fotografen zu finden, der seefest ist und nicht ständig über Neben dem körperlichen Aspekt ist das Geheimnis des Bord spuckt“, sagt André. Er hat bisher keinen gefunden – Durchhaltens vor allem eines: Kopfsache. Neben seinem doch das eigene Bildmaterial kann sich ja sehen lassen. regelmäßigen Schwimmtraining macht André viel Meditation und Yoga. Für die Kondition geht er Laufen und macht Kraft- Aber zurück zur Kanal-Überquerung. Als André – von Eng- training. Früher nahm er an vielen Triathlons teil, was auch land losgeschwommen – im französischen Calais ankam, war knochenhart ist: „Das Wichtigste ist die richtige Einstellung. er erledigt, aufgequollen – aber glücklich. „Naja, also sexy Wenn deine Hände und Füße gerade bei 12 Grad Wassertem- seh´ ich nicht gerade aus, wenn ich an Land gehe“, schmunzelt peratur vor Kälte absterben, du Haien begegnest oder mitten er. „Ich bin komplett aufgedunsen und all meine Schleimhäu- in der Nacht ein Buckelwal unter dir herschwimmt, musst du te sind von dem Salzwasser zerstört. Ich kann eine Woche lang kopfmäßig gut aufgestellt sein – sonst flippst du aus.“ Das kann nur stilles Mineralwasser trinken.“ In Empfang nimmt ihn immer man wohl so unterschreiben. seine Familie. André ist verheiratet und Vater von zwei Kindern (6 und 14 Jahre): „Meine Familie ist mir das Wichtigste und sie Nachdem André sein Ziel erreicht hatte, den Ärmelkanal zu unterstützt mich in dem was ich tue.“ Anders als bei einem durchschwimmen, setzte er sich ein neues, weitaus krasseres: Marathon steht keine Menschentraube im Ziel und applau- Er will die „Ocean´s 7“ schwimmen. Sie bestehen aus den sie- diert, wenn André das Ufer erreicht. Aber jedes Mal ist es sein ben schwierigsten Schwimmstrecken der Welt und wurden als Sieg über Kälte, das Meer, die Schmerzen – Sieg über sich Pendant der Bergsteiger-Challenge „Seven Summits“ (Sieben selbst, über seine persönliche Herausforderung. Gipfel) geschaffen, deren Ziel es ist, die jeweils höchsten Gipfel der sieben Kontinente zu erklimmen. Die „Ocean´s 7“ sind Aber ist das nicht auch ein bisschen verrückt? „Naja, wenn noch ein relativ neuer Wettkampf. Seit 2012 haben nur sechs da um dich herum die Motoren der riesigen Frachtschiffe Menschen weltweit diese Herausforderung gemeistert. brummen und es in deiner Brust vibriert, da wird dir schon an- ders“, so der Schwimmer. Der Ärmelkanal ist eine der am Die Schwimmstrecken sind folgende: die Cookstraße zwi- stärksten befahrenen Schiffsrouten weltweit – bis zu 500 Schiffe schen der Nord- und Südinsel Neuseelands (27 Kilometer), der passieren täglich den Kanal. Wenn man da in den Sog und Nordkanal zwischen Irland und Schottland (34 Kilometer), die die Schrauben der Ozeanriesen gerät, hat man keine Chan- Straße von Gibraltar zwischen Marokko und Spanien (14 Kilo- ce… Doch das sieht André anders: „So verrückt finde ich das meter), der Kaiwi Kanal zwischen den Hawaii-Inseln Moloka´i gar nicht. Es ist natürlich eine Herausforderung, die auch ein und O´ahu (44 Kilometer), die Tsugaru-Straße zwischen den gewisses Wagnis beinhaltet, aber ich bereite mich ja auch japanischen Inseln Honshu und Hokkaido (20 Kilometer), der entsprechend darauf vor. Vom Risiko her finde ich es im Grunde Ärmelkanal zwischen England und Frankreich (34 Kilometer) IbizaHEUTE 2 | 2017 31
Schwager Jürgen versorgt den Kanalschwimmer per Netz mit Nahrung. Wenn der Kiefer im eiskalten Wasser so verkrampft ist, dass André Wiersig nicht mehr kauen kann, kann er sich nur noch von Flüssignahrung ernähren… und der Santa Catalina Kanal zwischen Santa Catalina Island erreichen – denn in der Dämmerung sind die Haie auf Jagd und Los Angeles (34 Kilometer). und können aggressiv werden. „Selbst die Olympia-Legende Michael Phelps sieht aus der Wahrnehmung eines Hais dann 44 Kilometer nur Meer, Wellen und Haie aus wie jemand, der sich gerade im Todeskampf befindet. Und das gucken die Jäger sich natürlich an und machen auch mal Jede Strecke hat ihre eigenen Herausforderungen. Die einen Probebiss“, sagt André. Das erste Mal kann man so etwas Cookstraße ist das Zuhause gefährlicher Haie und der Würfel- wie leichte Besorgnis in seinem Gesicht lesen. qualle – einem der giftigsten Meerestiere der Welt, Berührung kann den sicheren Tod bedeuten. Der Nordkanal hat eine Quallen – und wahnsinnige Schmerzen eisige Wassertemperatur von nur 12 Grad im Sommer. In der Straße von Gibraltar gibt es starke Strömungen, die Schwimmer Selbst ein Adrenalin-Junkie wie André kann auf diese Art vom direkten Weg abbringen. Der Kaiwi-Kanal ist stürmisch von Dinner-Party verzichten. Daher brach er schon nachts auf und beherbergt Haie und giftige Quallen. In der Tsugaru- – 7,5 Stunden schwamm er in völliger Dunkelheit. Rückbli- Straße leben die berüchtigten Humboldt-Kalmare, die gele- ckend eine gute Entscheidung, denn der Kaiwi-Kanal sollte gentlich auch Menschen angreifen. Im Ärmelkanal herrscht einige Überraschungen für ihn bereithalten. Die erste folgte gefährlicher Schiffsverkehr. Und im Santa-Catalina-Kanal gibt bereits 45 Minuten nach Start: „Plötzlich hatte ich grausame es neben weißen Haien auch eine Algenart, deren Blätter Schmerzen am ganzen Körper. Rote Striemen überzogen mei- über 50 Meter lang werden und sich teils wie Schlingpflanzen ne Haut und alles brannte. Schnell war klar: Ich wurde von der um den Körper legen. Portugiesischen Galeere erwischt“, erinnert sich André. Drei dieser Herausforderungen hat André bisher schon Die Portugiesische Galeere gehört zu den giftigsten Quallen gemeistert: Nach dem Ärmelkanal durchschwamm er als erster der Welt. Ihre bis zu 50 Meter langen, hauchdünnen Tentakel Deutscher 2015 den Kaiwi-Kanal und 2016 den Nordkanal. treiben durch die Strömung und sorgen bei Berührung für ge- „Die Schwimmer, die die ‚Ocean´s Seven‘ geschafft haben, fährliche Verbrennungen. „Gegen die Portugiesische Galeere sind sich einig: Diese beiden Strecken sind die schlimmsten“, sind die Feuerquallen die hier um Ibiza herumschwimmen nur sagt er. „Das kann ich bezeugen, das war wirklich krass.“ ein kleiner Juckreiz. Das wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht“, sagt André. „Ich dachte, ich muss abbrechen. Mir Der Kaiwi-Kanal zwischen der Hawaii-Inseln ist mit 44 Kilome- wurde bewusst: Du bist mutterseelenallein, mitten im Pazifik.“ tern mit Abstand die längste Strecke. Die Wellen dort sind über fünf Meter hoch. Jürgen konnte mit dem motorisierten Beiboot Das einzig Gute am Gift der Portugiesischen Galeere ist: nicht neben André herfahren, sondern fuhr einige Meter voraus. Nach etwa einer Stunde lässt der Schmerz stark nach. Nur lei- André musste das andere Ufer vor der Abenddämmerung der hat André während dieser Stunde gleich noch mal eine 32 IbizaHEUTE 2 | 2017
„Ich dachte nur: Junge, du hast mir jetzt gerade Begegnungen der unangenehmen Art: ein riesiger Buckelwal (o.l.), eine giftige noch gefehlt“ Portugiesische Galeere (o.r.) und ein Blauhai. Die Qualle erwischte André. Die Schmerzen waren furchtbar IbizaHEUTE 2 | 2017 33
Nach 44 Kilometern im stürmischen Meer vor Hawaii und der Begegnung mit einem Hai tut der Schluck aus der Flasche besonders gut. Rechts im Bild die Ehefrau von André Wiersig erwischt. Im Laufe der Challenge kam er auch noch mit einer gefehlt“, sagt André. Er spulte die Worte des hawaiianischen „Gelben Haarqualle“ in Berührung. Der Schirm der Qualle Haischützers in seinem Kopf ab, der ihn zuvor mental auf diese misst über einen Meter, ihre Tentakel bis zu 40 Meter. Ihr Gift ist Situation vorbereitet hatte: „Bleib ruhig. Schau ihm direkt in äußerst schmerzhaft. „Nach dieser Odyssee waren meine Le- die Augen. Bändige deinen Herzschlag. Kehr ihm bloß nicht berwerte drei Mal so hoch wie normal. Wäre ich nicht in einer den Rücken zu und schwimm auf keinen Fall weg!“ Top-Verfassung gewesen – wer weiß, was passiert wäre. Ich habe immer noch wenig Gefühl in meinen Fingerkuppen“, Der Kaiwi-Kanal ist 300 bis 2000 Meter tief. Schwimmer sind sagt André. etwas Ungewöhnliches, etwas Neues auf dem offenen Meer. „Potenzielle Beutetiere von Haien schwimmen normalerweise „Unter mir ein riesiger Buckelwal…“ nicht einfach so draußen auf dem Ozean herum. Haie greifen dann auch nicht gleich an, weil man eben nicht ins typische Und es sollte nicht die letzte tierische Begegnung sein. „Man Beuteschema passt“, sagt André. Die Räuber sind aber trotz- kann sich nicht vorstellen, wie stockfinster es zwischen zwei dem neugierig und wollen wissen, mit wem oder was sie es Hawaii Inseln ist“, erinnert sich André. „Immerhin liegen sie hier zu tun haben. „Man kann ihnen nichts vorspielen – sie mitten auf dem Ozean. Zu viel Licht durften wir auch nicht vernehmen die Frequenz des Herzschlags und jegliche An- verwenden – sonst hätten wir womöglich ungebetene, neu- zeichen von Nervosität“, so André. gierige hungrige Begleiter angelockt. Und draußen auf dem offenen Pazifik gibt es eigentlich keine kleinen Tiere. Alles, was Mit den genannten Tipps demonstriert man dem Jäger, man dort trifft, ist groß.“ Er sollte recht behalten. Denn unter dass man keine Beute ist. „Raubtiere sind es gewöhnt, dass ihm war irgendetwas – etwas sehr, sehr großes. Das spürte er man panisch vor ihnen flieht. Und sie mögen es gar nicht, einfach. „Ich schaute hinunter und sah eine graue Fläche, wenn man ihnen tief in die Augen blickt. Denn dann wissen die sich zirka fünf Meter unter mir bewegte. Ich dachte erst sie: Das andere Geschöpf sieht mich und ich bin nicht in der an einen Felsen, doch dann wurde mir klar: Das ist ein Wal!“ gewohnten Position, mich anzuschleichen und überraschend Genauer gesagt ein Buckelwal. „Er schwamm eine Zeit lang anzugreifen“, erklärt André. Offenbar gehen Haie dann auch unter mir her und verschwand dann in der Tiefe. Er versprühte kein Risiko ein: Nachdem der Blauhai André minutenlang eng eine unglaublich starke Energie. Das war schon irre.“ umkreist und gemustert hatte, drehte er ruckartig ab und verschwand. „Was für ein eleganter, schnittiger Bursche“, sagt Der Tag war bereits angebrochen. André war gerade auf André. „Und ich war heilfroh, als er wieder weg war.“ gutem Kurs – da bewegte sich plötzlich eine Rückenflosse in sein Blickfeld. Ein gut 3 Meter großer Blauhai musterte ihn Der Haiforscher erklärte André auch: „Du kannst unmöglich neugierig aus wenigen Metern Entfernung. Er kam immer da durchschwimmen, ohne dass die Haie das mitkriegen. Die näher. „Ich dachte nur: Junge, du hast mir jetzt gerade noch wissen genau, dass du da bist. Vielleicht sind sie 20 Meter unter 34 IbizaHEUTE 2 | 2017
Der Extrem-Schwimmer beim Vortrag mit seinem Schwager Jürgen, der ihn jedes Mal mit einem kleinen Boot begleitet dir und beobachten dich. Das ist ihr Lieblingsspiel: Sie sehen „Genüssliche Pausen gibt es bei den Challenges nicht – da dich, du sie aber nicht.“ Klingt nicht gerade beruhigend… Es geht es nur drum, möglichst schnell möglichst viele Kalorien in sollte nicht die letzte böse Überraschung sein: „Irgendwann sich reinzustopfen“, lacht André. Für den Nordkanal fraß er sich schwamm ich nur noch auf der Stelle. Wir waren in eine star- 12 Kilo an: „Den Speck brauchte ich, um nicht zu erfrieren.“ Er ke Gegenströmung geraten und nichts ging mehr vorwärts“, brauchte 12 Stunden und 17 Minuten zur Durchquerung des erzählt André. 4 km/h schwimmt er durchschnittlich. André Kanals. Wie gesagt: bei 12 Grad kaltem Wasser… Normale und kämpfte an diesem Tag 5 Stunden lang gegen die Strömung nicht so hart durchtrainierte Menschen würden diese niedrigen an. Für die Durchquerung des Kaiwi-Kanals brauchte er un- Temperaturen im Meer keine einzige Stunde überleben. fassbare 18,5 Stunden. „Ich kroch an Land wie das letzte Häufchen Elend“, erinnert er sich. Doch die Hawaiianer, de- Ibiza-Training zur Abhärtung nen er von seiner Odyssee erzählte, feierten ihn wie einen Helden. Nur sechs Wochen waren seit dieser Challenge vergangen, als André uns in der IbizaHEUTE-Redaktion besuchte. Er trai- Die Iren hatten da weitaus weniger Verständnis für die nierte auf der Insel für seine nächste große Herausforderung: Durchquerung des Nordkanals: „Als ich in Nordirland war habe den Santa Catalina Kanal. Auf Ibiza trainierte er in den ver- ich einigen Iren bei einem Bierchen erzählt, was mich dort hin gangenen Wintern auch für den Nord- und Ärmelkanal. Zu verschlug. Die waren völlig entsetzt und hielten mich für irre – seinen liebsten Spots zählen Aguas Blancas, die Cala Llenya keiner von ihnen war je dort im Wasser. Die haben mich ange- sowie Benirràs. Und André ist wohl der einzige Mensch, der guckt wie jemanden vom anderen Stern. Ich war der 46. sich über die Quallen im Wasser freut: „Die härten mich für die Mensch, der je dort im Sommer durchgeschwommen ist.“ gefährlichen Quallen der Meere ab.“ Die Herausforderung des Nordkanals? „Am Nordkanal wur- Und wie geht es weiter? „2017 im Sommer durchschwimme de die britische Mittelalter-Serie ‚Games of Thrones‘ gedreht, ich den Santa-Catalina-Kanal und die Straße von Gibraltar. und genau so ist es dort auch: rau, kalt und düster. Es wurde 2018 ist die Tsugaru-Straße dran und 2019 die Cookstraße…“ kaum richtig Tag. Teilweise konnte ich Zehen und Finger nicht mehr bewegen, mein Kiefer war starr vor Kälte. Wir waren im Sollten Sie, liebe Leser, beim winterlichen Strand-Picknick Hochsommer da und es hatte maximal 20 Grad – ganz zu mit Tee und Daunenjacke je einen Kerl in Badehose sehen, schweigen vom 12 Grad kalten Wasser.“ André konnte vor Käl- der sich in die eisigen Fluten stürzt, dann kann das eigentlich te seinen Kiefer nicht mehr bewegen. Essen? Unmöglich! Zum nur einer sein: André. Wir wünschen ihm für seine Abenteuer Glück hatte er das einkalkuliert – sein Schwager und Begleiter alles Glück der Welt. Und freuen uns, wenn er uns wieder in Jürgen warf ihm statt der sonst üblichen festen Energie-Snacks der Redaktion besucht. Denn dann ist sicher: Er hat gegen flüssige Energienahrung zu, die er sich in den Rachen kippte. die See gewonnen… ■ IbizaHEUTE 2 | 2017 35
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