LNG im Schwerlastverkehr - eine Alternative!

 
WEITER LESEN
LNG im Schwerlastverkehr - eine Alternative!
FORSCHUNG & ENTWICKLUNG

     LNG im Schwerlastverkehr –
     eine Alternative!
     LNG (Liquefied Natural Gas) wird im straßengebundenen Warentransport, wie z. B. im Schwerlastver-
     kehr, weltweit als Alternative zu konventionellen flüssigen Kraftstoffen betrachtet. In Deutschland und
     Europa kann LNG aus fossilen Quellen zudem als Brückenlösung für einen zukünftig dekarbonisierten
     Verkehr im europaweiten Kontext mit geringem Aufwand an benötigter Infrastruktur dienen. Durch eine
     vollständige Substitution des fossilen LNG durch regenerative Gase (insbesondere durch SNG aus
     Biomasse- und PtG-Prozessen) kann zudem die deutsche Zielvorstellung von 95 Prozent CO2,äqui-Emis-
     sionsminderung ohne Systemwechsel erreicht werden. Um die vermuteten ökologischen und ökonomi-
     schen Vorteile von LNG im Schwerlastverkehr zu prüfen, wurde das DVGW-Forschungsvorhaben
     „Einsatz von LNG in der Mobilität, Schwerpunkte und Handlungsempfehlungen für die technische
     Umsetzung“ – kurz: Potenzialanalyse LNG – durchgeführt.

     von: Wolfgang Köppel, Johannes Ruf, Frank Graf (alle: DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut
     des KIT), Frank Burmeister, Alexey Mozgovoy, Rolf Albus (alle: Gas- und Wärme-Institut Essen e. V.), Ronny Erler,
     Enrico Schuhmann, Marco Henel (alle: DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH)

     Der Fernlastverkehr größer 12 Tonnen          schungsvorhaben G7-01-15 „Einsatz             emissionen zurückzuführen [3]. Da-
     und Sattelzugmaschinen waren im Jahr          von LNG in der Mobilität, Schwer-             neben sind auch diverse gesundheit-
     2015 für ca. 45 Prozent des bundesdeut-       punkte und Handlungsempfehlungen              liche Beeinträchtigungen und Schä-
     schen Dieselkraftstoffverbrauchs auf          für die technische Umsetzung“ unter-          den wie z. B. Atemwegserkrankungen,
     der Straße verantwortlich [1, 2]. Für die     sucht. Im ersten Teil werden die Tech-        Herzinfarkte und Schlafstörungen
     Zukunft werden dabei noch ca. 50 Pro-         nologien, die vorhandenen techni-             [4–10] u. a. auf Verkehrsemissionen
     zent höhere Fahrleistungen [1] und da-        schen Regelwerke und Normen sowie             zurückzuführen, die zu Kosten im Ge-
     durch trotz Effizienzverbesserungen           die Potenziale und Märkte von LNG             sundheitssystem in Höhe von 8 bis
     keine Emissionssenkungen prognosti-           bzw. LNG-Prozessketten beschrieben.           15 Mrd. Euro pro Jahr führen. Davon
     ziert. Da jedoch die CO2,äqui-Emissio-        Der zweite Teil beschäftigt sich mit der      sind dem Güterverkehr 40 bis 50 Pro-
     nen zur Einhaltung der CO2-Ziele ge-          ökologischen Bewertung von LNG im             zent [11–13] zuzurechnen.
     senkt werden müssen, ist ein Strategie-       Vergleich zu Diesel als Kraftstoff im
     wechsel hin zu CO2-armen Kraftstoffen         Schwerlastverkehr. Abschließend wird
                                                                                                 Lärm, Stickoxide und Feinstaub
     wie LNG/CNG und/oder noch effizien-           ein ökonomischer Vergleich von LNG-
     teren Fahrzeugtechnologien notwen-            betriebenen und von dieselbetriebe-           In Abbildung 1 ist die Verteilung der
     dig. Ferner müssen gerade in Ballungs-        nen Lkw angestellt.                           betrachteten Emissionen (Feinstaub,
     räumen Verbesserungen der Feinstaub-,                                                       Stick- und Schwefeloxide sowie Lärm)
     der Stickoxid-, der Schwefel- und der                                                       aller Sektoren in Deutschland darge-
                                                   Minderungspotenziale verkehrs-
     Lärmbelastungen erfolgen. Hierfür                                                           stellt. Methodisch werden die vom
                                                   bedingter Schadstoffemissionen
     können straßenbauliche (z. B. Schall-                                                       Umweltbundesamt dokumentierten
                                                   durch den Einsatz von LNG in
     schutz) in Kombination mit erhebli-                                                         Überschreitungen [14] der jeweilig gül-
                                                   Deutschland
     chen motorischen Maßnahmen (z. B.                                                           tigen Grenzwerte der Tages- und Jah-
     Abgasnachbehandlungen) eingesetzt             Neben den CO2 -Emissionen, die für            resmittelwerte aller Messstellen in
     oder ebenfalls ein Kraftstoffwechsel          den Klimawandel mitverantwortlich             Deutschland als Daten herangezogen.
     angestrebt werden.                            gemacht werden, sind gesundheitlich           Es werden Summenwerte dargestellt,
                                                   bedenkliche Emissionen wie Lärm,              um die Regionen zu ermitteln, die eine
     Die Anforderungen für den Einsatz             Stickoxide oder Feinstaub von beson-          hohe Anzahl an Überschreitungen
     von LNG mit Schwerpunkt im Lkw-               derer Bedeutung. In Deutschland sind          aufweisen. Hierfür wird keine Wertung
     Bereich w urden im DVGW-For-                  ca. 3.000 Tote pro Jahr auf Verkehrs-         der Schadstoffe vorgenommen, son-

48                                                                                                                 energie | wasser-praxis   5/2017
LNG im Schwerlastverkehr - eine Alternative!
dern alle werden als gleichwertig betrachtet. Im
Einzelnen sind die folgenden Emissionen ein-
geflossen:

•	
  Feinstaubbelastung PM10 (Tagesmittelwert)
  2010–2015 (TMW PM10)
•	
  Feinstaubbelastung PM10 (Jahresmittelwert)
  2010–2015 (JMW PM10)
•	
  Feinstaubbelastung PM2,5 (Jahresmittel-
  wert) 2010–2015 (JMW PM2,5)
•	
  Stickstoffoxide 2014
•	
  Schwefelverbindungen 1985–2008
•	
  Lärmbelastung (24-h-Wert) 2012
•	
  Lärmbelastung (nachts) 2012

Zu erkennen ist, dass insbesondere in den Bal-
lungsräumen und an den großen Verkehrsstra-
ßen eine starke Belastung vorliegt.

Beim Einsatz von LNG im Schwerlastverkehr
sowie CNG im sonstigen Güter- und Personen-
verkehr können deutliche Verbesserungen der
Schadstoffemissionen NOx (-23 Prozent), Fein-
staub (-92 Prozent) und Lärm (-50 Prozent) ge-
genüber Dieselmotoren neuester Generation,
die die Euro-VI-Grenzwerte sogar unterschrei-
ten, erzielt werden (Abb. 2). Aufgrund der guten
Verbrennungseigenschaften von LNG und

                                                                                                                                                                                                                             Quelle: [14] und eigene Rechnungen
CNG werden diese Verbesserungen im Gegen-
satz zum Dieselmotor mit relativ geringem
technischem Aufwand erreicht.

Unter Beachtung, dass der Güterverkehr beim
Lärm bzw. bei den NOx für 47 Prozent bzw. für

                                                                                                                                                                                             Abb. 1: Regionale Verteilung
                                                                                                                                                                                             der kumulierten Grenzwert-
                                                                                     Grenzwert Euro VI          Realwert Euro VI                     Realwert LNG                            überschreitungen innerhalb
                                                                                                                                                                                             eines Jahres verschiedener
                                                         100                                                                                                                                 Emissionen (PM10 JMW;
   NOx- und Feinstaub-Emission vom Schwerlast-Lkw in %

                                                                                                                                                                                             PM10 TMW; PM2,5 JMW;
                                                                                                                     10,0 mg/kWh

                                                         90
                                                                        0,40 g/kWh

                                                                                                                                                                                             NO2 JMW; SO2 JMW; Lärm
        Lärm-Emission in % vom Schwerlast-Lkw mit

                                                                                                                                                                                             24h; Lärm nachts)
                                                         80                                                                                                                                  JMW: Jahresmittelwert; TMW:
                                                                                                                                                                                             Tagesmittelwert, PM:
                                                         70
                                                                                                                                                                                             Feinstaub
                   vom Grenzwert Euro VI

                                                                                      0,30 g/kWh

                                                         60
                       Dieselmotor

                                                                                                                                      6,4 mg/kWh

                                                         50
                                                                                                   0,23 g/kWh

                                                         40

                                                         30
                                                                                                                                                   0,5 mg/kWh

                                                         20

                                                         10

                                                          0                                                                                                                                  Abb. 2: Emissionsminde-
                                                                                                                                                                           Quelle: [15–17]

                                                                                      NOx                                          Feinstaub                        Lärm                     rungspotenzial von LNG und
                                                                                                                                                                                             Dieselmotoren im Vergleich zu
                                                                                                                                                                                             den Euro VI-Grenzwerten

energie | wasser-praxis                                        5/2017                                                                                                                                                                                             49
FORSCHUNG & ENTWICKLUNG

                                                                                                        Kohlenstoffanteil. Die spezifischen CO 2 -
       Tabelle 1: Verkehrsemissionen, verursacht durch den Güterverkehr [18-22]
                                                                                                        Emissionen sind somit trotz des heute noch
                                     Emissionsanteil Güterverkehr in %                                  höheren spezifischen Verbrauchs beim LNG-
                                    bezogen auf Gesamtemission Verkehr                                  Lkw deutlich geringer. Für eine umfassende
       Lärm                                         47                                                  Bewertung muss allerdings noch die Vorket-

                                                                                    Quelle: [18 – 22]
       Feinstaub                                    14                                                  te von der Förderung bis zur Kraftstoffbereit-
                                                                                                        stellung an der Tankstelle berücksichtigt wer-
       Stickoxide                                   41
                                                                                                        den. Hierbei werden u. a. der Aufwand für
                                                                                                        den Transport inklusive Förderung und Ver-
                               41 Prozent der verkehrsbedingten Emissionen                              flüssigung bzw. Kompression und die freige-
                               (Tab. 1) verantwortlich ist und dass laut KBA                            setzten Methanemissionen während des
                               im Januar 2016 ca. 51 Prozent der Lkw und                                Transports einbezogen. Das in Europa benö-
                               Sattelzüge lediglich Euro-V- bzw. 33 Prozent                             tigte LNG stammt im Wesentlichen aus Katar,
                               nur Euro-III-Standard einhielten, kann in ers-                           Trinidad und Tobago, Norwegen, Algerien
                               ter Näherung mit deutlichen Emissionsmin-                                und Nigeria. Für Deutschland günstig gele-
                               derungspotenzialen von mehr als 37 Prozent                               gene Terminals sind Rotterdam und Zeebrüg-
                               für NOx und ca. 43 Prozent für Lärm (Lkw und                             ge sowie zukünftig Swinemünde.
                               Pkw) gerechnet werden. Beim Feinstaub könn-
                               ten etwa 14 Prozent der verkehrsbedingten                                Die Verflüssigung von Erdgas wird üblicher-
                               Feinstaub-Emissionen (Lkw und Pkw) vermie-                               weise in großen Anlagen am Ort der Förde-
                               den werden.                                                              rung durchgeführt. Teilweise werden kleine
                                                                                                        Anlagen am Ort des Verbrauchs aus Pipeline-
                               Diese Vermeidungspotenziale können zukünf-                               gas, z. B. für Peak-Shaving, eingesetzt. Seit
                               tig weiter erhöht werden, da das Entwicklungs-                           wenigen Jahren werden Kleinanlagen auch
                               potenzial von LNG-Motoren deutlich höher                                 für die Verflüssigung von Biogas betrieben.
                               ist als das der technisch ausgereiften Diesel-                           Die Kapazitäten kleiner Anlagen betragen
                               motoren.                                                                 1 bis 50 Tonnen LNG/Tag. In Deutschland
                                                                                                        existiert z. B. eine Anlage in Stuttgart aus dem
                                                                                                        Jahr 1972 mit einer Produktionsleistung von
                               Fossile Kohlenstoffdioxidemission
                                                                                                        ca. 110 t/d [23]. Die Wirkungsgrade kleiner
                               Gegenüber Diesel hat LNG (im Wesentlichen                                Anlagen liegen zwischen 74 und 84 Prozent
                               Methan) einen ca. 25 Prozent geringeren                                  [24–41]. Großanlagen mit Verflüssigungska-

     Abb. 3: Betrachtete
     Prozessketten                Variante „Seeschiff“

                                                                      Transport
                                  Verflüssigung     Bunkerung                                             Bunkerung
                                                                    Hochseeschiff

                                                                                                          Transport
                                    Förderung                                                                             Tankstelle              Lkw
                                                                                                         Binnenland

                                  Variante „Pipeline“

                                    Transport
                                                            Verflüssigung                                 Bunkerung
                                     Pipeline

                                                                                                          Transport
                                    Förderung                                                                             Tankstelle              Lkw
                                                                                                         Binnenland

                                  Verflüssigung Biogas/SNG

                                                            Verflüssigung                                 Bunkerung
                                                                                                                                                                    Quelle: die Autoren

                                                                                                           Transport
                                                            Biogas/SNG                                                    Tankstelle               Lkw
                                                                                                          Binnenland

50                                                                                                                               energie | wasser-praxis   5/2017
Tabelle 2: Betrachtete Varianten mit und ohne Maßnahmen zur Senkung der CO2,äqui-Emissionen,
  Abwärmenutzung und Einsatz von EE-Strom zur Verflüssigung
  				                                                                                  Maßnahmen zur Senkung von
  Variante Bezeichnung Zusammen-     LNG-/LBG- und                                           CO2,äqui-Emissionen
  		                   setzung LNG SNG-Erzeugung in D                                   Anteil der           Verflüssigung
  				                                                                              genutzten Abwärme        mit EE-Strom
  „Pipeline“ ohne                   P0     100 % Erdgas                 ja                     -                      nein
  Maßnahmen zur
  CO2,äqui-Senkung
  „Pipeline“ mit   P1                      50 % Erdgas                  ja                   20 %                       ja
  Maßnahmen zur		                          50 % Biogas
  CO2,äqui-Senkung
  „Seeschiff“ ohne                  S0     100 % Erdgas                nein                    -                      nein
  Maßnahmen zur
  CO2,äqui-Senkung
  „Seeschiff“ mit  S1                      50 % Erdgas           Erdgas: nein             Erdgas: nein             Erdgas: nein
  Maßnahmen zur		                          50 % Biogas            Biogas: ja              Biogas: 20 %              Biogas: ja
  CO2,äqui-Senkung

                                                                                                                                    Quelle: die Autoren
  LNG-Referenz [45]                RLNG    100 % Erdgas                nein                    -                      nein
  Diesel-Referenz [45]             RD      100 % Diesel                 -                      -                        -

pazitäten von mehreren 1.000.000          große Verflüssigungsanlagen mit             den Pfad Power-to-Gas) substituiert
t/a weisen Wirkungsgrade zwischen         mehr als 50.000 t/d zum Einsatz. Da-        werden kann. Neben der Beimischung
87 und 94 Prozent auf [23, 42–44], da     gegen werden bei der Variante „Pipe-        bzw. Substitution von fossilem LNG
optimierte Kälteprozesse eingesetzt       line“ kleine Verflüssigungsanlagen          durch regenerative Gase können zur
werden können, die für Kleinanlagen       mit ca. 20.000 t/d für die Erdgasver-       weiteren Dekarbonisierung von fossi-
zu teuer sind.                            flüssigung betrachtet. Für den Fall         lem LNG noch die Nutzung der bei der
                                          der Beimischung von Biogas (LBG)            Kompression anfallenden Abwärme
Für die energetische bzw. klimawirksa-    und PtG-Methan (SNG) sind dezent-           als Prozesswärme oder als Nah-/Fern-
me Bewertung wurden beispielhaft          rale Biogas-/SNG-Verflüssigungsan-          wärme in angrenzenden Industrien
zwei Pfade zur Bereitstellung von LNG     lagen mit 10 bis 50 t/d vorgesehen.         oder Wohngebieten sowie der Einsatz
aus Erdgas untersucht (Abb. 3). Bei der   Vorteilhaft ist hierbei, dass LNG, das      von regenerativem Strom zur Verflüs-
Variante „Seeschiff“ wird LNG am Ort      bis zu 98 Prozent aus Methan besteht        sigung beitragen.
der Erdgasförderung hergestellt und       und ansonsten nur weitere leichte
per Schiffstransport über eine Strecke    Kohlenwasserstoffe wie Ethan, Propan        Grundsätzlich sind diese ökologischen
von 10.000 km (z. B. aus Trinidad oder    und Butan aufweist, ohne Restriktio-        Maßnahmen an allen LNG-Produkti-
USA) nach Europa geliefert. Bei der Va-   nen durch Biogas und SNG (z. B. über        onsstandorten möglich, werden aber
riante „Pipeline“ wird das Erdgas zu-
nächst per Pipeline vom Ort der Ge-
winnung über 5.000 km (z. B. Russ-
                                            Tabelle 3: Spezifische Treibhausgasemission CO2,äqui der Prozessschritte
                                            [16, 23, 24, 50–64]
land) nach Europa transportiert und
dann in Europa am Ort der Nutzung                                                Bezug auf               Einheit            Wert
verflüssigt. Für beide Varianten werden     Förderung Erdgas                        LNG                  g/kWh               2,5
alle wesentlichen Prozess- und Trans-       Verflüssigung in Großanlagen            LNG                  g/kWh               15,2
portschritte von der Förderung bis hin
                                            Seetransport LNG                        LNG                  g/kWh                9
zur Nutzung des Kraftstoffs im Lkw
                                            Pipelinetransport Erdgas                LNG             g/km/kWh             0,005
berücksichtigt.
                                            Verflüssigung in Kleinanlagen           LNG                  g/kWh               45
In beiden Varianten werde moderns-          Erzeugung Windstrom                    Strom                 g/kWh               15
te Technologien für Verflüssigung           Erzeugung Biogas aus Müll              Biogas                g/kWh               22
und Transport betrachtet, die hohe          PtG aus Wind                            SNG                  g/kWh               27,3
                                                                                                                                    Quelle: die Autoren

energetische Wirkungsgrade und ge-
                                            LNG-Nutzung in Lkw                      LNG                  g/kWh           198,5
ringe Methanschlupfe ermöglichen.
                                            Diesel-Nutzung in Lkw                  Diesel                g/kWh           266,7
In der Variante „Seeschiff“ kommen

energie | wasser-praxis   5/2017                                                                                                                          51
FORSCHUNG & ENTWICKLUNG

                                                                                                                                                                                                                                                                              voraussichtlich zuerst in Europa um-
                                                                   Diesel   Förderung   Pipeline    Verflüssigung    Hochsee-Transport   Lkw   Summe
                                                             350                                                                                       350                                                                                                                    gesetzt. Daher wird nur für die Varian-
                                                                                                                                                                                                                                                                              te „Pipeline“ eine Betrachtung aller
                                                             300                                                                                       300

                                                                                                                                                             spezifische fossile CO2-Emission in g CO2,äqui /kWh
       spezifische fossile CO2-Emission in g CO2,äqui /kWh

                                                                                                                                                                                                                                                                              drei Maßnahmen zur Dekarbonisie-
                                                             250                                                                                       250
                                                                                                                                                                                                                                                                              rung von LNG und bei der Variante

                                                                                                                                                                                                                   Quelle: [16, 23, 24, 45–49, 50–64] und eigene Rechnungen
                                                                                                                                                                                                                                                                              „Seeschiff“ nur die partielle Substitu-
                                                             200                                                                                       200                                                                                                                    tion durch Biogas in Deutschland be-
                                                                                                                                                                                                                                                                              trachtet (Tab. 2). Zu Vergleichszwecken
                                                             150                                                                                       150
                                                                                                                                                                                                                                                                              werden aus [45] eine konventionelle
                                                             100                                                                                       100                                                                                                                    LNG-Kette entsprechend Variante
                                                                                                                                                                                                                                                                              „Seeschiff“ und eine Diesel-Prozessket-
                                                             50                                                                                        50                                                                                                                     te herangezogen.

                                                              0                                                                                        0
                                                                                                                                                                                                                                                                              Mit den Daten aus Tabelle 3, die die in
                                                             -50                                                                                       -50                                                                                                                    dieser Studie auf Basis der Literatur [16,
                                                                     P0            P1              S0               S1           RLNG          RD
                                                                                                                                                                                                                                                                              23, 24, 50–64] angenommenen spezi-
     Abb. 4: Spezifische Treibhausgasemissionen für die untersuchten Prozessketten                                                                                                                                                                                            fischen Treibhausgasemissionen auf-
                                                                                                                                                                                                                                                                              listet, und den angenommenen spezi-
                                                                                                                                                                                                                                                                              fischen Verbräuchen von LNG- und
                                                                                                                                                                                                                                                                              Diesel-Lkw von 0,29 kg LNG/km und
                                                                                                                                                                                                                                                                              0,3 l Diesel/km [46–49] werden die
                                                                                                                                                                                                                                                                              spezifischen Treibhausgasemissionen
                                                                                                                                                                                                                                                                              für die untersuchten Prozessketten be-
                                                                                                                                                                                                                                                                              stimmt ( Abb. 4). Zu erkennen ist, dass
                                                                                                                                                                                                                                                                              die optimierten Prozessketten P0 bzw.
                                                                                                                                                                                                                                                                              S0 verglichen mit RLNG [45] ca. 13
                                                                                                                                                                                                                                                                              Prozent bzw. ca. 19 Prozent weniger
                                                                                                                                                                                                                                                                              CO2,äqui emittieren. Die Vorteile gene-
                                                                                                                                                                                                                                                                              rieren sich im Wesentlichen aus der
                                                                                                                                                                                                                                                                              Annahme, dass moderne und effizi-
                                                                                                                                                                                                                                                                              ente Anlagen und Schiffe eingesetzt
                                                                                                                                                                                                                                                                              werden. Gegenüber Diesel (Variante
                                                                                                                                                                                                                                                                              RD [45]) steigt der Vorteil auf max. 30
                                                                                                                                                                                                                                                                              Prozent an. Selbst in der Referenz [45]
                                                                                                                                                                                                                                                                              weist das LNG (Variante RLNG) einen
                                                                                                                                                                                                                                                                              CO2,äqui-Emissionsvorteil von ca. 14
                                                                                                                                                                                                                                                                              Prozent gegenüber RD [45] auf.

                                                                                                                                                                                                                                                                              Wenn zusätzlich eine Beimischung
                                                                                                                                                                                                                                                                              von 50 Prozent LBG zur Senkung der
                                                                                                                                                                                                                                                                              CO2,äqui-Emissionen realisiert wird (Va-
                                                                                                                                                                                                                                                                              rianten P1 und S1), lassen sich Emissi-
                                                                                                                                                                                                                                                                              onssenkungen bis zu 64 Prozent erzie-
                                                                                                                                                                                                                                                                              len. Zudem wäre der sukzessive Aus-
                                                                                                                                                                                                                                                                              tausch von fossilem LNG durch bioge-
                                                                                                                                                                                                                                                                              nes oder strombasiertes LNG ohne
                                                                                                                                                                                                                                                                              Verteilinfrastrukturmaßnahmen und
                                                                                                                                                                                                                                                                              ohne Änderung der Fahrzeugantriebe
                                                                                                                                                                                                                                                                              und somit ohne weitere Kosten in der
                                                                                                                                                                                                                                                                              Verteilung und Nutzung möglich.
                                                                                                                                                                                                                   Quelle: die Autoren

                                                                                                                                                                                                                                                                              Infrastruktur
                                                                                                                                                                                                                                                                              Die Infrastruktur gilt als eine wesent-
                                                                                                                                                                                                                                                                              liche Voraussetzung zum Gelingen ei-
     Abb. 5: Identifizierte Standorte für potenzielle LNG-Tankstellen in Deutschland                                                                                                                                                                                          ner Markteinführung. Hierzu wurde in

52                                                                                                                                                                                                                                                                                             energie | wasser-praxis   5/2017
der Studie eine Untersuchung der mi-
nimal notwendigen Standorte für
                                                                                                           35

                                              Differenzbetrag zwischen Diesel und LNG in Cent/km
LNG-Tankstellen in Deutschland
durchgeführt. Hierfür wurden relevan-                                                                      30
te Daten zu Logistikzentren, Auto- und
Rastplätzen, Verkehrsströmen sowie                                                                         25
LNG-Transportwegen georeferenziert
und anschließend potenzielle Tank-                                                                         20
stellenstandorte identifiziert. In einem                                                                                            maximale Preisdifferenz (am 10.09.2012)
                                                                                                           15
weiteren Schritt wurden die folgenden
Randbedingungen mit den potenziel-                                                                         10
len Standorten verglichen und bewer-
                                                                                                                                                                                      minimale Preisdifferenz (am 05.10.2015)
tet, sodass ein minimal notwendiges                                                                         5
Tankstellennetz definiert werden
                                                                                                             0

                                                                                                                                                                                                                                 Quelle: [66, 67]
konnte:
                                                                                                            150.000          250.000       350.000     450.000     550.000     650.000     750.000        850.000    950.000
                                                                                                                                                                 Laufleistung in km
•	
  Tankstellenentfernung möglichst
  gering zu Transportrouten und -zen-      Abb. 6: Kostendifferenz Diesel – LNG
  tren (maximale Entfernung Luftli-
  nie 5 km)
                                                                                                           0,25
                                              spezifische Verbrauchskosten in Euro/km ohne Steuern

•	
  Tankstellen im nahen Ausland wer-                                                                                             spezifische Verbrauchskosten LNG                 spezifische Verbrauchskosten Diesel
  den mit einbezogen
•	
  maximaler Abstand von Tankstel-                                                                           0,2
  len für den Fernlastverkehr im In-
  und Ausland darf 400 km nicht
  überschreiten                                                                                            0,15
                                                                                                                       heutiger Dieselpreis mit
•	
  maximaler Abstand von Tankstellen                                                                                    Steuern von 1 Euro/l
  für den regionalen Transport im In-
                                                                                                            0,1
  und Ausland darf 100 km nicht über-
  schreiten
•	
  Einbindung der Häfen der Binnen-                                                                         0,05
  schifffahrt
                                                                                                                                                        heutiger LNG-Preis von 25 Euro/MWh

                                                                                                                                                                                                                                 Quelle: die Autoren
Im Ergebnis werden mindestens sechs                                                                          0
                                                                                                                  10           15         20         25      30      35        40       45           50        55      60
Tankstellen für den Fernlastverkehr
                                                                                                                                                     spezifischer Kraftstoffpreis in Euro/MWh
benötigt. Wenn auch der regionale
Transport bedient werden soll, sind        Abb. 7: Kostenvergleich von LNG und Diesel zu heutigen Kraftstoffkosten
insgesamt 40 Tankstellen erforderlich
(Abb. 5).
                                                                                                            0,25
                                                    spezifische Verbrauchskosten in Euro/km ohne Steuern

                                                                                                                                    spezifische Verbrauchskosten LNG          spezifische Verbrauchskosten Diesel
Deutlich wird bei einer zweistufigen
Vorgehensweise, dass die erste Stufe                                                                         0,2
mit sechs Tankstellen sehr schnell                                                                                         2020 erwarteter Dieselpreis mit
und auch relativ kostengünstig umge-                                                                                       Steuern von 1,44 Euro/l
                                                                                                            0,15
setzt werden kann. Hierbei ist wichtig,
dass dieses Konzept im europäischen
Kontext geplant wird. Die zweite Stu-                                                                        0,1
fe der regionalen LNG-Versorgung ist
mit vergleichsweise geringerem Auf-
wand und Kosten verbunden. Dies be-                                                                         0,05
deutet, dass eine Umsetzung kurzfris-
tig erfolgen kann. Die geringen Kosten                                                                                                                     2020 erwarteter LNG-Preis von 25,3 Euro/MWh
                                                                                                                                                                                                                                 Quelle: die Autoren

                                                                                                                  0
und die Möglichkeit des stufenweisen
                                                                                                                      10         15         20        25       30       35        40       45         50        55       60
Ausbaus haben zudem den Vorteil,                                                                                                                     spezifischer Kraftstoffpreis in Euro/MWh
dass die Kosten in der Anfangszeit
überschaubar bleiben, obwohl paral-        Abb. 8: Kostenvergleich von LNG und Diesel zu erwarteten Kraftstoffkosten 2020

energie | wasser-praxis   5/2017                                                                                                                                                                                            53
FORSCHUNG & ENTWICKLUNG

     lele Systeme benötigt werden und zu        servativ ist und in der Zukunft sogar     ringen Infrastrukturaufwand und mit
     Beginn eine geringe Auslastung der         deutlich positiver ausfallen dürfte.      einem hohen CO2 -, NOx- und Lärm-
     Tankstellen zu erwarten ist.                                                         Minderungspotenzial ist. Ebenfalls
                                                                                          wurde gezeigt, dass LNG durch die
                                                Fazit
                                                                                          Möglichkeit der vollständigen Substi-
     Kosten
                                                LNG wird als Alternative im Schwer-       tution des Erdgases durch SNG/Biogas
     Aufgrund des starken internationalen       lastverkehr diskutiert. LNG weist         einen wichtigen Beitrag zur Dekarbo-
     Konkurrenzdruckes agieren Spediteure       ohne Beimischung regenerativer Gase       nisierung leisten kann und damit eine
     äußerst kostenoptimiert, sodass die hö-    nach den Ergebnissen der „Potenzial-      zukunftsfähige Option darstellt.
     heren Anschaffungskosten von LNG-          analyse LNG“ gegenüber Diesel bis zu
     Lkw durch geringere Kraftstoffkosten       30 Prozent weniger CO2,äqui auf. Dies     Die Literatur zu diesem Beitrag steht
     kompensiert werden müssen. In Abbil-       bedeutet, dass bei einer vollständigen    auf www.energie-wasser-praxis.de zum
     dung 6 ist die Kostendifferenz Diesel      Umstellung des Schwerlastverkehrs         Download zur Verfügung. W
     – LNG über der Laufleistung aufgetra-      (N3) auf LNG in erster Näherung ca.
     gen. Zu erkennen ist, dass heute auf-      14 Mio. Tonnen fossiles CO2 einge-
     grund der niedrigen Dieselpreise sehr      spart werden könnten. Zusätzlich
     hohe Laufleistungen von über 900.000       kann LNG relativ einfach und kurz-
     km zur Amortisation benötigt werden.       fristig durch Biogas und mittel- bis
     Hohe Dieselpreise bei gleichzeitig nied-   langfristig durch PtG-Methan kom-
     rigen LNG-Preisen, wie sie z. B. 2012      plett substituiert und somit CO2 -neu-
     vorlagen, benötigen eine moderate          tral werden.
     Laufleistung von ca. 250.000 km,
     welche in der Regel nach ca. drei Jahren   Ein weiterer positiver Effekt von LNG
     erreicht wird [65].                        sind die kurzfristig zu erreichenden
                                                Emissionsminderungen des verkehrs-
     Die heutige Situation ist in der Kosten-   bedingten Feinstaubs um ca. 14 Pro-
     analyse zum Verbrauch in Abbildung         zent, der verkehrsbedingten NOx um
     7 dargestellt. Der Unterschied der spe-    ca. 37 Prozent und der verkehrsbeding-
                                                                                            Die Autoren
     zifischen Kraftstoffverbrauchskosten       ten Lärmemissionen um ca. 43 Prozent        Kontakt:
     zeigt deutlich, dass kaum Spielraum für    im Vergleich zu Diesel. Um diese Vor-       Wolfgang Köppel
     erhöhte Fahrzeugkosten zur Verfügung       teile heben zu können, werden für den       DVGW-Forschungsstelle am
     steht. Im Jahr 2020 bei einem prognos-     Fernschwerlasttransport in Deutsch-         Engler-Bunte-Institut des Karlsruher
     tizierten steigenden Dieselpreis und       land nur sechs Tankstellen an den           Instituts für Technologie
     einem nahezu gleichbleibenden LNG-         Fernstraßen benötigt. Weitere 34 Tank-      Gastechnologie
     Preis zeigt sich eine positive Situation   stellen sind für eine flächendeckende       Engler-Bunte-Ring 3
     für das LNG (Abb.8). Der LNG-Preis         Mindestversorgung des regionalen            76131 Karlsruhe
     kann als relativ konstant betrachtet       Transportverkehrs ausreichend, was zu       Tel.: 0721 9640-223
     werden, da sich in den letzten Jahren      einer zeitnahen Umsetzung der politi-       E-Mail: koeppel@dvgw-ebi.de
     durch Inbetriebnahme von neuen Ver-        schen Forderung zur Dekarbonisie-           Internet: www.dvgw-ebi.de
     flüssigungsanlangen mit einer jährli-      rung des Mobilitätssektors beiträgt.
     chen Produktionskapazität von jeweils                                                  Alexey Mozgovoy
     mehreren Millionen Tonnen LNG ein          Die ökonomische Analyse ergab, dass         Gas- und Wärme-Institut Essen e. V.
     Überangebot an LNG entwickelt hat.         eine Kompensation der höheren Lkw-          Hafenstr. 101
     2020 würden schon ca. 650.000 km           Investition beim heutigen Preisgefüge       45356 Essen
     Laufleistung ausreichen, um eine Kom-      nicht innerhalb der üblichen Laufzei-       Tel.: 0201 3618-250
     pensation innerhalb von ca. 6,5 Jahren     ten der Lkw möglich ist. Erst in naher      E-Mail: mozgovoy@gwi-essen.de
     zu erreichen. Zu beachten ist jedoch,      Zukunft und bei steigenden Dieselprei-      Internet: www.gwi-essen.de
     dass die LNG-Motoren bis dahin weiter      sen kann der LNG-Lkw kostengünsti-
     entwickelt werden und einen geringe-       ger als der Diesel-Lkw sein. Die dabei      Ronny Erler
     ren Verbrauch aufweisen können. So-        zu erwartenden fallenden Lkw-Preise         DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH
     mit würde sich die für eine Kompensa-      sowie verbesserte LNG-Motoren wür-          Karl-Heine-Str. 109/111
     tion benötigte Laufleistung verrin-        den die Situation weiter verbessern.        04229 Leipzig
     gern. Ferner ist davon auszugehen, dass                                                Tel.: 03731 4195-328
     bei höheren Lkw-Verkaufszahlen die         In der Studie konnte somit gezeigt wer-     E-Mail: ronny.erler@dbi-gruppe.de
     Preise fallen werden, sodass die hier      den, dass LNG eine schnell umsetzba-        Internet: www.dbi-gut.de
     dargestellte Kostenrechnung sehr kon-      re Alternative zu Diesel mit einem ge-

54                                                                                                          energie | wasser-praxis   5/2017
Sie können auch lesen