LOST HERO CHRONIKEN Ein Kriminalroman Maurice de Winter & Bob Michaels

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LOST HERO CHRONIKEN

          Ein Kriminalroman

   Maurice de Winter & Bob Michaels
Die Kirchturmuhr im Westend schlug das volle Programm.
Genau um Mitternacht schälte sich der alte Frank aus seinem
Karton, währenddessen fauchte ihn sein Magen missmutig
an: Füttere mich! Mit noch müden Augen taxierte der Alte
sein Revier. Die schmale Gasse zwischen zwei verfallenen
Wohnhäusern bot ein trauriges Bild. Unbeleuchtet und
verlassen, selbst der Mond warf kein Licht in diese ehemals
belebte Schlucht des Elends. Katzen und Ratten machten
einen weiten Bogen um diesen schattenlosen Ort des langsa-
men Sterbens. Das uralte Kopfsteinpflaster war übersät mit
Unrat, Eingänge und Türen waren seit Jahren mit Brettern
notdürftig vernagelt und durch die zerstörten Fenster-
scheiben, die wie offene Wunden die Häuserfronten
aufrissen, fegte der nasskalte Wind.

Nachbarn hatte der alte Frank keine, nicht weil er so lieblich
duftete, nein, in früheren Zeiten war er Boxer in Lunaparks
und das ließ er jeden spüren, der ihm zu nahe kam. Frank
war nicht schüchtern, ein wenig durchgeknallt vielleicht, ein
bisschen eigenartig, doch friedlich, wenn man ihm seine
Ruhe ließ. Gespräche, Musik, Spaß, all das mochte er nicht.
Nur Lothar, sein einziger Freund und abartige Beagle-
mischung, war der einzige Begleiter in seinem faden Leben.
Der Fastbeagle war genauso närrisch, manchmal verwech-
selte er Frank mit einer läufigen Hündin und besprang ihn.
Lothar war fast blind, sein Geruchssinn ruiniert, denn er
ging stramm auf die Zwanzig zu. Dann wieder hielt er
seinen Kumpel für einen Baum und pisste ihn an. Dem alten
Frank war es egal, seine Hosen standen wie eine Eins, vom
Wetter, Dreck und Pisse gehärtet.

Hungrig zogen beide los, zwei Blocks weiter zum „Lost
Hero“, einer abgewrackten Bar mit Fastfoodspeisen, deren
Frischezustand zu denken gab. Nach Feierabend wanderte
der Großteil der ungenießbaren Speisen in die Mülltonnen.
Unterwegs schlug Frank einige Leute zu Boden, weil diese
ihre Nasen rümpften. Solche Gelegenheiten schätzte auch
Lothar, er nahm sich jeden der Unglücklichen einzeln vor,
biss und knurrte, noch bevor sie schreiend davonrannten

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konnten. An der nächsten Ecke ging Detta ihrer Berufung
nach und bot romantische Liebe zum Nulltarif. Die schnelle
Autonummer gab es für fünf Dollar dazu. Jede Nacht, seit
Jahren, kreuzten sich ihre Wege, sie knuffte Frank an der
Schulter und reichte ihm die Flasche Gin. Er trank sie in
einem Zug aus und die Beaglemischung zwickte der Dame
ins Bein. Alle Freier hielten den groben Frank für ihren
Loddel. So behandelten sie Detta stets mit Respekt, außer-
dem hatten sie Schiss vor dem Köter.

Lo_t _ero blinkte ihnen das Reklameschild entgegen, noch
wenige Schritte bis zu ihrem Nachtmahl. Frank wühlte in
den Mülltonnen, grabschte tief hinein, wurde fündig und
stopfte seine Taschen voll. Die Beagleattrappe hielt während
des operativen Eingriffs die Ratten auf Abstand, knurrte den
Mond an und versprühte seine Duftmarken. Die ersten
Happen nahmen sie vor Ort ein, schmatzend, sabbernd,
misstrauisch umherblickend. So gestärkt machten sie sich
auf den Rückweg zu ihrer Pappwohnung.

Zwei Polizeistreifen bogen angesichts der drohenden
Gefahr rechtzeitig ab, eine dritte lief ihnen genau in die
Arme. Frank quetschte dem Einen die Nieren aus dem Leib,
der Andere zog blank, schoss dem Boxer ins Bein, in den
Arsch und ins Genick. Lothar ging auf Nummer Sicher und
trollte sich in die nächste Einfahrt. Der sterbende Frank
verbog mit letzter Kraft den Kopf des ballernden Bullen auf
Halbacht, beide taten zugleich ihren letzten Atemzug.
Kumpel hin, Kumpel her, die Beaglemischung riss sich ein
Stück Wegzehrung aus Franks linker Wade und machte sich
auf den Heimweg. An der nächsten Ecke pisste er der
Liebesdame ans Bein, verbellte einige Schaulustige und
lokale Katzengrößen.

Endlich, nach etlichen Umwegen, vernahm er mit schwa-
chem Blick die Umrisse des Kartons, seines Kartons.
Glücklich wie noch nie in seinem beschissenen Leben, rollte
Lothar sich ein. Sein erstes eigenes Zuhause. Vergnügt
spuckte er den letzten Rest von Franks Wade aus.

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Lost Hero

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Johnny

   Es war bereits Vormittag, als Johnny mit Kopfschmerzen
einen Blick ins Wachsein riskierte. Schließlich stand er auf
und latschte durch die ganze Unordnung, sah sich um und
schlüpfte in einen seiner Hausschuhe. Fluchend suchte er
den anderen. Verdammt. Scheiß Morgen, scheiß Tag. Scheiß
letzte Nacht ohne Erinnerung. Naserümpfend sah er sich
um, sah das totale Chaos in seinem Büro, überall Dreck.
Davon gab es reichlich, dafür keine Aufträge mehr. Was war
los mit seinen Kunden, waren alle brav geworden oder was
stimmte nicht? Johnny setzte sich auf seinen Schreibtisch,
auf den er letzte Nacht seine Sekretärin Babe beglückt hatte.
Statt Lohnschecks bezahlte er sie seit einigen Monaten mit
Naturalien. Sein Kater machte Johnny zu schaffen, jeder
Schritt tat weh. Irgendetwas brummte, nicht nur in seinem
Schädel. Johnny, ganz Detektiv, ging der Sache auf den
Grund. Sein Kopierer hing im Leerlauf, die Papierzufuhr
war unterbrochen. Er drückte den Offknopf und sah den
Prachtarsch in der Auslage, einen ganzen Stapel Ärsche. Zu
viele Ärsche am frühen Morgen. Unterwegs zu seinem Bett
sammelte er ihr liegen gelassenes Strumpfband ein und
stülpte es sich grinsend über seine schweißnassen Haare.

Spät abends im Lost Hero. Der Barkeeper brachte Malt pur,
etwas vorgewärmt. Johnny war auf Swingkurs. Yes, Babe.
Die Welt im Allgemeinen und auch sonst ging ihm am Arsch
vorbei, Swing. St. Louis Blues vom ollen Gil Evans. Shit! Wie
gut. Mister Barmann schaute sich um. Nichts los heute.
Johnny bestellte Nachschub. Und wie immer, kopflastig,
wie er war, voller Gedankenschwere, die es durch ein paar
Drinks aufzubrechen galt. Prost, Gemeinde. Und zu seinem
inneren Ich: Schau auf die Uhr! Sein Blick beschweifte sie
soeben, aber knapp vorbei. Gewollt vorbei. Depressionen
kosten Geld, und diese hier wollte bezahlt sein. Er bestellte
noch einen Doppelten.
Die Schwere zog ihn nieder. Bewusst langsam zog er eine
Zigarette aus dem Etui, ungedopt, pur.
„Feuer, Mister?“

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Die Musikbox grüßte aus den 40igern mit Take five von Bud
Shank. Die Dame mit dem Feuer blickte ihm tief in die
Augen, einsam, mütterlich, verstehend.
Er ging mit.

   Nach dem Fick schlief er den ganzen Tag durch.
Irgendwann am Abend weckte ihn sein täglicher Albtraum.
„Kaffee“, röchelte er fast unhörbar, noch halb in seinen
Traumfetzen verstrickt. Seine Gedanken waren kraus, seine
Stimme weg. Ein Griff in seine vermuteten Taschen, er war
nackt. Keine Zigaretten, der Platz auf ihm war leer. Luft,
Johnny brauchte Luft. Das Fenster war geschlossen, er zu
schwach, zu faul. Ist es hell draußen? Frühling, Herbst? An
Sommer mochte er nicht denken, gestern sind ihm noch die
Eier abgefroren. Januar. Mittendrin. Langsam wachte er auf.
Aus der Küche tröpfelte Sister Morphine in sein Ohr. Oh,
Marianne, nicht jetzt. Kaffee wäre ihm lieber, und eine
Zigarette.

Er ging ins Bad, putzte sich das Gesicht und alles weg, alles,
was nach letzter Nacht roch. Der Spiegel zeigte einen Mann
in den Fünfzigern. Er zeigte ein immermüdes schmales
Gesicht mit Dreitagebart, blaugraue ernste Augen und mit
einem undefinierbaren Grinsen. Johnny war mittelgroß,
eher mager und sehnig, er hatte schütteres, graues Haar und
einen unbeugsamen Willen. Johnny war ein gefährlicher
Mann. Johnny war ein Mann, den die Frauen liebten und die
meisten anderen Männer wurden, nachdem sie einen
zweiten Blick auf ihn geworfen hatten, vorsichtig, ver-
dammt vorsichtig.

Ganz langsam schleppte er sich in die Küche, fand frische
Brötchen vor, seinen geliebten Kaffee und besonders ihren
Geruch. „Babe, wie hast Du mich gefunden?“
Ihr unvergleichlicher Hüftschwung, ihr morgendliches
Summen. Sein Bart juckte. Das Radio weckte ihn endgültig
mit After Midnight von J.J. Cale.
„Aufwachen, Chef“, küsste sie ihm auf den Mund.
Letzte Nacht war Vollmond.

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Später, gegen Nachmittag in Smokie Joes Café, Theke,
südliches Ende. Vor sich ein voller Aschenbecher und eine
Reihe leerer Gläser.
„Hey, Johnny.“
„Oh, Matthilda, Mädchen, Dich hab ich ja ewig nicht
gesehen. Wo warst Du die letzten Jahre?“
„Ach, Du, ich bin musste hier raus. War ne Weile in Indien,
dann im Nepal.“
„Du hast Buddha gesucht, nicht wahr?“, lachte Johnny.
„Mein Lieber, seine Aura, Wahnsinn, da bekommste ne
Gänsehaut.“
„Oh shit, Babe“. Johnny furzte diskret, sein Darm.
„Johnny?“
„Ja?“
„Lass uns vögeln!“
„Matthilda, ich muss noch was erledigen, später, Okay?
Warte bei mir.“
Johnny hatte zu tun, er gab ihr seinen Zimmerschlüssel und
ging. Mathilda wartete in seinem Bett. Beseelt, glücklich.

Johnny bekam in letzter Zeit neue Aufträge. Andere
Aufträge, keine wie früher. Er nahm alles. Für ihn waren es
nur Klienten, oft suchte er sie stundenlang vergebens, oft
kam er zerschlagen, vom Wetter und seinem Alter geschun-
den, zurück. Todmüde.

Eine Stunde nach dem Gong. Die Glocke von St. George
schepperte, ein Ton war neu. Das ganze Viertel lag unter
einer süßlichen Schneedecke. Johnny probierte die
Schneeflocken. »Mit etwas Honey & Cherryflavour wären
sie ein Verkaufsschlager«, dachte er. Wieder einmal ging er
in Richtung Westend. Sein Auftrag: Ein Collegestudent von
der Texaco-Tanke, Westend. Das bedeutete weitere 85 Dollar
bar Kralle. Johnny prüfte wie immer seine 45iger. Alles gut.
Der Wind war schneidig, kalt und frisch. Sein Rücken
zwickte. Johnny las seine Auftragskarte durch und schaute
sich das Foto an. Der Typ war blond, Ende Zwanzig, hatte
ein Nasenpiercing, war klein, fett, auffällig waren seine
wulstigen Lippen.

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Johnny ging mit der Zeit, einem Kunden hatte er seinen
Walkman abgenommen. Auf der Kassette nur ein Song.
Good thing von den Fine Young Cannibals. Nur dieser eine
Song, immer und immer wieder. Seine Knarre pochte heiß
an seinem Schenkel.
Nulluhreinunddreissig. Shit, er hasste Unpünktlichkeit. Er
stemmte sich gegen den Wind. Nur noch wenige Schritte.
Sein Lampenfieber spulte den immergleichen Spruch: »Du
bist zu alt. Alter Sack! Fuck you. Fick dich selbst«. Johnny
liebte seine Monologe. Wenigstens er selbst hörte sich zu.

Texaco.
Die Reklamelichter waren schon ausgeschaltet.
Johnny nestelte an seinem Halfter. Nervös. Alles im Blick.
Die Ohren weit auf. Der Gepiercte pisste eine der Tanksäu-
len an. Er sah Johnny, drehte sich um und sprang mit riesi-
gen Fangzähnen auf ihn zu. Johnny zog zu spät, viel zu spät.

„Johnny?“
„Hmmmmm.“
„Jooooooooooohnny!“
„Ja, verdammt?“
„Küss mich!“
Johnny sah ihr Nasenpiercing und drückte ab.
Dann wurde Johnny langsam wach. Kaffee, sein sehnlichs-
ter Wunsch, schwarz, ohne Zucker. Er schaute auf die
zerfetzte Matratze, auf die zerfetzte Matthilda. Das wollte er
nicht, echt nicht. So ein böser Traum. Matthilda, er schüttelte
ihren im Nachtlicht bläulich schimmernden Restkörper.
Suchte ihre Nase ab, kein Piercing. »Verdammt, ich bin
einfach zu alt für diesen Scheißjob«, Johnny versank in
Selbstmitleid, welches ihn wärmte und zugleich ankotzte.
Sein Auftrag, shit. Der Beknackte lief noch frei herum,
schlachtete weiß Gott wen ab. Drecksau. Diese verdammte
Drecksau.

   Ein paar Häuser weiter, eine kleine Bar, Johnny nahm
Platz, bestellte Kaffee. Neben ihm eine menge Leute. Punks,
Späthippies und so. Mit Lidschatten und bunten Klamotten.

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Beide Hände griffen um die Tasse. Johnny zitterte. Alles gut.
Klar. Scheiß Monolog. Der Barmann griente ihn an, ein
Mondgesicht. Breit, aber nicht wirklich breit. Ein Täuscher.
„Mister, ich muss tanken, am liebsten Texaco.“
„Gleich um die Ecke, macht einen Dollar.“

An der Ecke zum nächsten Block stand ein grelle Blondine,
ein widerlicher Köter in ihrem Bein verbissen. Sie schien wie
der leibhaftige Albtraum, und er, der Halbbeagle pisste an
seine Hose. Auf dem Rückweg knall ich sie beide ab, dachte
Johnny. Doch er blieb locker. Links das Lost Hero, diese
scheiß Kneipe. Dahinter endlich die verwichste Texaco-
tanke. Dunkel, keine Sau da. Johnny drehte ab, Feierabend.
Ein letzter Drink, nur einen kleinen. Das Hero lud ihn
widerwillig ein. Die fliesenbeigen, abgegriffenen Speckvor-
hänge beiseite schiebend, trat Johnny ein.

Der Barmann räumte gerade die Speisen des Tages in den
Abfall. Er kam wieder mit einem schrägem Blick auf Johnny.
„Nen Drink? Der letzte aber, Schicht hier!“ und schob die
Flasche Bourbon rüber.
„Ich hätte lieber einen doppelten Scotch, randvoll, mein
Freund.“
„Ist aus.“
Johnny trank widerwillig den Bourbon, mit Ginger Ale,
ohne Eis. Eine blonde Dame gab ihm Feuer, er dachte an
seinen übernächsten Auftrag im Westend. Er blickte sich
um, suchte einen abgefuckten Typen mit Eisen in der Nase.

Draußen war die Hölle los, Polizeisirenen, ein wildes
Durcheinander. Johnnys Blick deutete zur Tür, Mister
Barmann verstand.
„Der olle Penner, Frank, hat zwei Bullen abgeschlachtet und
ist selber dabei draufgegangen. Und seine Töle hat sich ein
Andenken mitgenommen, Franks Wade.“
Johnny schaute auf seine nasse Hose. Verflixter Köter.
„Hey, Mister, kennen Sie hier ein Typen mit Nasenpiercing,
klein, untersetzt? Ein Weißer, blond.“
„Crazy Tex“, lachte der Barkeeper, „von der Tanke. Der

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hängt hier jeden Abend ab, komischer Kerl, so stechende
Augen, trinkt immer nur Kaffee.“
„Tex?“
„Na, wegen der Tanke, keine Ahnung, wie er mit richtigem
Namen heißt.“
„Hier ist meine Karte, mein Freund, rufen Sie mich an, wenn
er hier aufkreuzt.“
„Alles klar, Chef.“

   Johnny dachte wieder an seinen übernächsten Auftrag.
Dachte an früher, als er nur Leute beschatten musste.
Schlechte Zeiten, alles hat sich verändert, alles. Johnny
brauchte Geld. „Also erstmal diesen Auftrag“, flüsterte er,
„auf ins Westend.“

»Immer weiter nach Westen«, murmelte Johnny zu sich
selbst. Auf der Karte stand 42. Straße, also ganz in der Nähe.
Düstere Gegend, nur defekte Straßenlaternen, vergammelte
Schrottkarren, links und rechts huschten gefräßige Ratten in
Katzengröße. Zugepappte Hauswände, ab und zu Werbe-
plakate, alte verwitterte, halbherzig abgerissene. »Buchen Sie
noch heute Ihre Traumreise. Eine Kreuzfahrt in die Karibik!«.
Gerne würde Johnny noch einmal die Sonne sehen.
Langsam ging er auf die Sechzig zu und sein Husten machte
ihm zu schaffen. Einmal raus aus dem grauen Dunst, träum-
te er vor sich hin. Johnny trottete weiter. Ein Unwetter zog
auf, schnell klappte er den Kragen hoch, die ersten
Regentropfen – groß wie Kieselsteine – platschten ihm ins
Gesicht. Wenige Meter noch, er lauschte. Von außen sah der
Laden schäbig aus, doch die Musik kam gut: World in
Harmony, vom alten Greeny. Wie passend, lächelte Johnny
in die stumpfe, verspiegelte Tür. Er trat ein, Kerzenlicht als
Beleuchtung war normal in diesen Zeiten, alle sparten an
Strom. Hinter der Theke hantierte ein blonder Engel mit
einer Plastikflasche. Johnny sah genauer hin. Lady Sandras
Bodylotion.
Das blonde Gift cremte ihre Arme ein, ihr erster und letzter
Satz zu Johnny: „Wir haben Whisky und Bier.“
„Ein Bier.“

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Dann zog er seine 45iger und schoss ihr ein hübsches Loch in
die Stirn. Ohne sich umzusehen, verließ Johnny die Bar, der
Regen war eisig. Es gibt einfach zu viele Mutanten, dachte
Johnny und zählte in Gedanken die Kopfprämie nach.
Ganze 85 Dollar. Schlechte Zeiten. Scheiß Job.
Johnny war müde, Eisennase war morgen dran, so oder so.

   Er träumte von Matthilda, seiner Bekannten aus frühe-
ren, guten Tagen. Die er wieder getroffen hatte, neulich in
Smokie Joes Café. Und er hatte sich gefreut auf sie, auf die
kleinen Zärtlichkeiten, auf einen guten Fick. Matthilda.
Dann hatte er sie ausversehen abgemurkst. Johnnys Träume
und Realität vermischten sich immer mehr. Das machte ihm
zu schaffen. Matthilda mit ihrem neuen Buddhatick.
Eisenfresse war schuld. »Ich kriege Dich, ich puste Dich
weg«. Johnnys Träume konzentrierten sich wieder auf sein
Geschäft.

Seine unterbezahlte Bürohilfe weckte ihn mit heißem Kaffee,
in Strapsen und mit einem rosa Lächeln.
„Na, Alterchen, bekomme ich heute meinen Scheck? Wenn
nicht, musst Du ran, mein Guter.“
„Erst den Kaffee, Du verdammtes Luder“.
Johnny grinste sie unter Bartstoppeln an.
„Babe, ich muss gleich los. Schau in meine Jacke, nimm das
Geld und halte die Stellung.“
Auf dem Weg zum Bad gab er ihr einen liebevollen Klaps.
Das Telefon klingelte.
„Jeff vom Lost Hero, ist Johnny da?“
„Moment bitte.“
Ein blaurotweisszahnpastagefärbtes Gebiss schrie in die
Muschel: „Ist er da?“
„Er sitzt hier, schlürft sein Kaffee wie immer. Ganz ruhig,
komischer Vogel.“

Johnny legte auf, wischte sich ab, zog sich eilig an.
Unterwegs in einem Yellow Cab lud er seine 45iger nach.
Eine Patrone fehlte. Der blonde Engel, der gut geschmierte
Engel. Mit der rotverschmierten Stirn. Job ist Job.

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Und abgehakt, für ganze 85 Dollar. Johnny maulte den
Fahrer an: „Gib Gas, drück auf die Tube, 5 Dollar extra.“

Lost Hero, Eingangstür. Ein Mann davor, klatschnasse graue
Haare verklebten sein Gesicht, eine Zigarette dampfte in
seinem Mundwinkel und seine Augen waren Schlitze. »Du
Arschloch«, dachte Johnny und meinte sich selbst, zog seine
Knarre und ging rein. Das Scheppern der Tür war noch nicht
verklungen, Eisennase raste Richtung Herrenklo, Johnny
hinterher. Auf dem Klo links ein röchelnder Schönling,
blutüberströmt, Beine im Genick. Eindeutig das Werk von
Eisenfresse, der erste Schuss fiel. Johnny, an der Brust
verwundet, erwiderte das Feuer. Ganz langsam sackte der
Gepiercte in die Knie, sterbend. Johnny anlächelnd.
„Hey Dad“. Seine Worte kamen schwer, zu schwer für
Johnny, er griff in die Tasche des Todeskandidaten, nahm die
Brieftasche und las.

„Scotch, mein Freund, und zwar einen Doppelten.“
Johnny kippte den Ersatzwhisky hinunter, bestellte nach.
Pur. Der Strom wurde ausgeschaltet, Kerzen angezündet.
Was für ein Tag, was für eine Zeit, was für ein Leben. What's
up von den vier Nichtblonden strömte aus der Wurlitzer.
Die Bullen erledigten den Rest. Unterwegs knallte er den
pissenden Beagle ab. Johnny dachte an Matthilda, ging mit
Detta ins Stundenhotel, gleich um die Ecke. Johnny dachte
ans Sterben, nur noch drei Aufträge, nur noch drei.

   Die Tage schleppten sich dahin, tropften auf Johnnys
Gemüt. Es lohnte nicht, die Vorhänge beiseite zu ziehen,
draußen blieb es dunkel. Ein scharfer Wind blies durch die
Fensterritzen und trug die nasse Kälte herein. Johnny saß an
seinem Küchentisch mit den zerkratzten Beinen, das Werk
seiner verstorbenen Katze. Vor ihm ein übervoller Aschen-
becher und eine Tasse mit den Kaffeeresten von irgend-
wann. Er grübelte. Babe hatte eine Woche frei, also konnte er
sich den Weg ins Büro sparen. Sein Denken kreiste um den
nächsten Auftrag: Ted Kaminsky, der stellvertretende

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Bürgermeister, eine harte Nuss. Er musste weg, heute noch.
Johnny ahnte nichts Gutes, machte sich Sorgen wegen der
Leibwache, die Ted keine Sekunde aus den Augen ließ. Er
kannte Ted von früher, wusste um seine Verbindungen zur
Mafia. Schwieriger Auftrag, es roch geradezu nach Ärger,
großem Ärger. Johnny wusste, er brauchte einen Plan und
zwar einen verdammt guten. Er sollte Josie anrufen, Teds
Frau, am besten von einer Telefonzelle aus, ein paar Blocks
weiter.

Das Gespräch war gut verlaufen, wenn alles wie am
Schnürchen klappte, gehörte Ted bald der Vergangenheit
an. Johnny schaute auf die Uhr, noch vier Stunden.
Genügend Zeit für ein paar Drinks, er steuerte das Lost Hero
an. Mister Barmann Jeff erkannte ihn, und ohne zu fragen
schob er ihm einen Doppelten hin. Johnny war nun
Stammgast, an diesem Nachmittag der einzige Gast. Jeff
schenkte nach und schlurfte zur Musicbox, Hudson
Whittaker wurde zum Leben erweckt, leise verströmte er
sein Just you and i alone. Johnny grinste den Barmann an.
Dann folgten Count Basie und die ganze gute, alte Zeit,
Johnny zählte die Gläser vor sich. Nach dem Zwölften und
drei Stunden später wechselte er auf Kaffee, schwarz und
dick. Es wurde Zeit. Sein Namensvetter Mr. Winter begleite-
te ihn hinaus. Harlem Nocturne.

   Die Spuren ihrer Misshandlung waren noch nicht ganz
verheilt. Mit geschwollenem Gesicht öffnete Josie die Tür
zum Dienstboteneingang.
„Dafür wird dieses Dreckschwein mit seinem Leben bezah-
len“, begrüßte Johnny sie. Er nahm sie freundschaftlich in
den Arm, sie roch ängstlich an seiner Fahne.
„Keine Sorge, Kleine, nur ein paar Drinks, alles in Ordnung
mit mir.“
Auf ihrer Stirn stand runzelndes Mitleid, als sie Johnny
anblickte. Wie alt er geworden ist. So ausgemergelt, nur
seine Augen versprühten noch das alte Feuer. Wie damals,
als sie für kurze Zeit ein Paar waren, lange bevor Ted in ihr
Leben und in ihr Gesicht trat. Nach all den Jahren empfand

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sie nur noch Hass auf ihren Mann. Sie gab Johnny einen
Umschlag, der ihn wortlos einsteckte und ihr zunickte.
Beide wussten Bescheid, es gab nun kein Zurück mehr. Alles
muss nach Plan laufen. Johnny zog Handschuhe über,
packte Josie und zerrte sie in den Keller. Auf dem Weg zur
Heizungsanlage schmiss er einige alte Möbel um, nahm das
dort versteckte Seil und fesselte seine Jugendfreundin. Zum
Abschied gab er ihr einen sanften Kuss, wischte ihren Mund
ab, knebelte sie. Bloß keine Spuren hinterlassen. Schnell
nach oben, in Josies Schlafzimmer, Teds lag nebenan. Sie
schliefen schon lange getrennt. Johnny betrachtete sich im
Spiegel, stülpte die blonde Perücke auf. Für ein Lächeln war
keine Zeit mehr, er nahm seine alte Heckler & Koch, prüfte
den Schalldämpfer, das Magazin. Die 45iger als Reserve.
Alles bestens.

Ted hatte eine üble Angewohnheit. Jeden Abend besuchte er
seine Frau in ihrem Schlafzimmer, erzählte ihr, mit welcher
Frau er gerade Sex hatte, ließ keine Einzelheit aus. Wenn sie
ihn endlich anflehte, aufzuhören, schlug er sie, solange, bis
Tränen rollten. Erst dann konnte er befriedigt einschlafen.

Johnny legte sich ins Bett und deckte sich bis zum Kopf zu,
drehte sich auf die Seite. Im Halbdunkel sah er aus wie Josie.
Noch eine Viertelstunde, Ted war immer pünktlich. Johnnys
einzige Sorge war, ob die Gorillas draußen im Wagen den
Schuss hören konnten. Das wirkliche Leben ist kein
Kinofilm, dort hörte man nur ein kurzes Plopp. So ein
Schalldämpfer federt nur den Mündungsknall ab, das
trockene Knacken des Schusses war trotzdem zu hören.
Johnny beruhigte sich, die Haustüre würde geschlossen
sein, das Auto zu weit weg vom Eingangsbereich stehen. Sie
würden vor dem Haus nichts mitbekommen. Die Minuten
verstrichen zähflüssig. Der alte Mann zitterte, nur seine
Hand war ruhig.

Immer noch voller Wut betrat Ted sein Haus. Sie hatte ihn
ausgelacht, ihn! Als er sich auf ihr abmühte mit hochrotem
Kopf. Diese Schlampe. Von wegen Geliebte. Schnell hatte er

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ihre, die von ihm bezahlte Wohnung verlassen, voller
Scham, zornig und klein. Scheiß Nutte. Die bekommt ihr Fett
noch. Aber er wollte sich jetzt sofort abreagieren. Er wusste
genau, bei wem und wie. Er schnappte sich einen der teuren
Golfschläger und stampfte die Treppe hoch. Rasend vor
Wut. Kurz vor Josies Schlafzimmer bekam er sich ein wenig
unter Kontrolle, leise öffnete er die Tür, schlich zu ihrem
Bett. Johnny lag still, bereit. Doch irgendetwas stimmt hier
nicht, dachte er, genau in dem Moment, als seine Schulter
zersplitterte. Er drehte sich um, der zweite Schlag zertrüm-
merte seine Nase, er schoss blind.
Die Wucht der Kugel zwang Ted in die Knie: „Johnny, Du?“
Er blutete bereits wie ein frisch geschlachtetes Schwein, er
starrte auf seinen Bauch. Knack, die nächste Kugel zwischen
seine Augen.
„Johnny …“

Johnny zog die rot gefärbte Bettdecke ab, keine Spuren, bloß
keine Spuren hinterlassen. Er schleppte sich und die Decke
in den Keller. Tut mir leid, Kleine. Drückte ihr das Bettzeug
vor ihrem Schädel und drückte ab. Kein erstickter Laut,
nichts. Absolute Stille. Er nahm den Bettbezug wieder mit
nach oben, wischte die Heckler & Koch ab, drückte sie dem
toten Ted in die Hand und schoss sich in seine lädierte
Schulter. Wegen den Schmauchspuren. Beide Aufträge
ausgeführt. Die Mafia hatte deutlich darauf bestanden,
ebenso wie das FBI, keine Spuren, keine Zeugen. Bis auf den
Bettbezug, den nahm er mit, das würde den Bullen Rätsel
aufgeben, egal. Die ganze Sache war gut gelaufen.

   Später. Detta tränkte seine Schulter mit echtem Whisky,
zog die Kugel heraus. Johnny verzog keine Miene.
„Du hängst mit drin, Süße“, ergab ihr Fünfhundert von den
Zweitausend Dollar aus dem Umschlag. „Komm, lass uns
was trinken gehen“. Jeff wollte gerade das Lokal schließen,
sah Johnny samt Begleitung, dachte an seine Stromrechnung
und ließ sie rein.
„Wie immer, mein Freund, für die Dame das Gleiche.“
Der Barmann schloss zu, Johnny schmiss einen Dime in die

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Box: Murderin'Blues, Robert Nighthawk. Cooler Song, ganz
nach seiner momentanen Laune.
„Jeff, mein Freund, schenk' nach.“

Gegen Fünf nahm Jeff seine C-Harp, nur für Johnny: Don't
you scandalize my name. Auf G gespielt. Johnny lachte
unter Schmerzen, der alte William Gillum. Scheiß drauf.
Nur noch einen Auftrag.

Nur noch diesen einen Auftrag. Keine 85 Dollar, keine
Zweitausend. Zehntausend! Der absolut letzte Auftrag.
Johnny wurde schwermütig, schickte Detta per Taxi nach
Hause, er selbst wollte nur trinken. Dort, im Lost Hero, bei
Jeff und der Musicbox. Die Ratten sagten sich gute Nacht,
die ersten Frühstücksgäste besetzten die roten Lederbänke,
gegenüber der Theke. »Johnny, mein guter Johnny«, raunte
er sich zu, »Johnny. Zehn Riesen«. Die Kerzen wurden
ausgeblasen, der Strom angestellt.
„Kaffee, Johnny?“
„Ja, dick und schwarz.“
Regen prasselte an die Scheiben. Tommi röhrte aus der Box:
Flower's Grave. Schräg und schlimm. Zu schlimm. Zu
schlimm für Johnny. Zu gerne würde er gehen, schlafen oder
sonst was. Eine kleine Träne erinnerte ihn an seinen nächsten
Job. Zehn Riesen, nur der eine Job. Der letzte Auftrag.

Auf dem Weg in seine kleine Wohnung: Mr. Waits als beglei-
tender Zwillingsbruder. Poor Edward. Schwermut pur.
»Johnny? Johnny? Johnny! Ach, Johnny. Ach Du. Geh weg,
Matthilda. Geh, geh. Keine Träume mehr. Keine Träume,
nichts mehr«. Johnny schaute in die Mündung seines
Fünfundvierzigers. Er entsicherte. Drückte ab. »Good bye,
Johnny«. Sein letzter Auftrag.

  Keine Zeugen, Johnny, keine Zeugen. Seine letzte
Ansprache an Johnny ließ ihm keine Ruhe. Er hätte nie, nie
geglaubt, dass er das in die Tat umsetzen würde. Obwohl
Giovanni wusste, Johnny war unheilbar krank, dem Tode
geweiht. Ihm, dem Boss, liefen Tränen des Verlustes über die

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Wangen. Er saß allein in seinem schicken Büro und weinte.
Zückte sein Scheckbuch, trug 10.000 Dollar ein, unter-
schrieb. Für sie. Mit Umleitung über eine Schweizer Bank,
anonym. „Johnny, mein letzter Dienst an Dich, wie verspro-
chen“, murmelte er sich selbst zu.

Der Speichel beim Zukleben des Kouverts kam ihm schwer,
schwer und salzig. Johnny. Die Adresse, Johnnys Büro. Nur
für die Bank, die Schweizer Bank. Ein flinker Bote kam,
nahm und leitete die letzte Überweisung auf Johnnys Konto
ein. Im Anhang die Kopie von Johnnys Testament.

   Babe saß ihm gegenüber, ihm, Dr. Goldstein, Frauenarzt
im Westend.
„Sind Sie sozialversichert?“
„Ja, mein Chef hat immer alles überwiesen, hier, meine
Karte.“
„Sie sind schwanger im vierten Monat.“
Babe wusste es bereits. „Alles klar, Doc.“

Ihr letzter Tag im Büro. Sie las den letzten Eintrag auf das
Firmenkonto, mit Anhang. „Babe: Für Dich“. Sie weinte.
Ach, Johnny, das wusstest Du? „Babe, nehme das Geld,
schließe die Firma, und passe auf Dich auf. Auf Dich und auf
das Kleine. Babe, wenn ich nur jünger gewesen wäre. Babe“.

Trauerfeier im Lost Hero. Johnnys Abschied.

Aus der Musicbox röhrte Mick Jagger »Street fighting Man«.
Das Lost Hero platzte aus allen Nähten, so gut gefüllt wie nie
zuvor. Zur Feier des Tages schenkte Barmann Jeff echten
Scotch aus, nicht diesen üblen Bourbonverschnitt wie sonst.
Liebesdame Detta ging ihm zur Hand, spülte Gläser, füllte
neue. Auf den roten Lederbänken gegenüber der Theke
saßen Johnnys wenige Freunde. Gangsterboss Giovanni und
Babe, seine neue Flamme. Babe war mittlerweile Mutter
eines kleinen Jungen, die Detektivagentur hatte sie längst
geschlossen. Da Johnny nie eine richtige Beerdigung und

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keine Trauerfeier bekam, hatten sie beschlossen, Johnnys
Jahrestag zu feiern. Genau ein Jahr nach seinem Tod sollte er
würdig verabschiedet werden. Auf Johnny! Salute.

Jeff, Barmann und für diesen Tag für den musikalischen
Background zuständig, entpuppte sich als waschechter
Stonesfan. I'm free. Ja, Johnny war jetzt frei. Und im Viertel
war es nicht ruhiger geworden. Immerhin, es gab jetzt
ständig Strom, Rattenplage und Korruption waren fast
beseitigt. Was aber allen Westendbewohnern Kopf-
schmerzen bereitete, war diese neue Generation von Freaks,
die wahllos Leute abschlachteten, vergewaltigten und
anschließend verstümmelten. Johnny wurde schmerzlich
vermisst, im Gegensatz zu den Bullen hatte er gründlich
aufgeräumt. Giovanni, dem diese abgefuckten Mörder ein
Dorn im Auge waren, machte sich Gedanken. Diese Chaoten
störten seine Ordnung und vor allem seine Geschäfte.
Johnny war immer ein zuverlässiger Partner gewesen.
„Auf Johnny! Cheerio.“

An der Theke ging es heftig zu, Leute aus dem Viertel
standen in Viererreihen. Irgendwie alles Leute, die Johnny
kannten. Der Barmann füllte die Gläser im Akkord. Und
zwischendurch immer schnell zur Musicbox. Anybody Seen
My Baby? Das Lost Hero wabberte, schwitzte. Mittendrin
Duffy, neu im Westend. Ein schweigsamer Enddreissiger,
schlank, mit scharfen Augen. Sein Stoppelbart verriet
Uneitelkeit, sein Anzug hatte bessere Tage gesehen. Er war
der Einzige unter den Gästen, der Jeffs Ersatzwhisky trank.
Bourbon mit einem Schuß Ginger Ale. Die Stones gingen
ihm auf den Sack, er trabte mit finsterer Miene zur
Musicbox, suchte dort Willy Deville. Und fand ihn. Gypsy
deck of hearts. Duffy träumte jeden Tag von Big Easy. Er war
ein Junge aus den Sümpfen. Einer aus dem Messergeschäft,
einer, der viel Blut vergossen hatte, einer der Gerechten. Er
hatte Johnny nie kennen gelernt, kannte ihn nur aus den
Erzählungen seiner Schwester Matthilda. Lay me down
easy. Wieder Willy Deville. Er wollte ihren Tod rächen, zu
spät. »Johnny, du Schweinehund«.

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Einer von Giovannis Gorillas gab Duffy das Zeichen, ihm zu
folgen, hin zur den roten Lederbänken. Giovanni lächelte
ihn an. „Setz Dich, mein Junge“. Babe lächelte nicht, sie hatte
eine Ahnung.

Duffy blickte misstrauisch in die Runde, seine Linke fest am
Hosenbein. Der kühle Stahl in der angenähten Tasche
beruhigte ihn ein wenig. Giovanni kam gleich zur Sache.
„Du heißt Duffy, hast eine lange Spur in New Orleans
hinterlassen. Und Johnny ist tot, mausetot, Du bist spät
dran. Und Du weißt nicht, wie es weiter gehen soll mit Dir.
Stimmt's?“
Duffy nickte, presste seine Hand härter auf sein Messer.
„Hör zu, einen wie Dich könnten wir brauchen, leise,
diskret, schnell. Hier im Westend gibt es viel zu tun. Babe,
kläre ihn über die Agentur auf.“
Babe klärte Duffy auf. Sie einigten sich auf 150 $ pro
Standardauftrag. Bei Problemfällen auf 1.200 $. Nach Er-
folgsmeldung in bar.
Offiziell sollte Duffy als Privatdetektiv arbeiten, von
Johnnys ehemaligem Büro aus. Seine Wohnung konnte er
auch übernehmen. Die Koordination sollte über Babe
laufen.
„Und, Duffy, keine Zeugen. Kein Troubel hier im Lost Hero.
Verstanden?“
Sie einigten sich schweigend per Handschlag. Langsam ging
die Nacht dem Ende zu. Die Trauergesellschaft löste sich
auf. Der Boss war zufrieden. Babe dachte an Johnny.

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