MAGAZIN - FRAUEN WEITERHIN BENACHTEILIGT SOVD MACHT DEN MÄRZ ZUM GLEICHSTELLUNGSMONAT - SOZIALVERBAND DEUTSCHLAND

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MAGAZIN - FRAUEN WEITERHIN BENACHTEILIGT SOVD MACHT DEN MÄRZ ZUM GLEICHSTELLUNGSMONAT - SOZIALVERBAND DEUTSCHLAND
März
                                                     2023

                           Magazin
       Herausgegeben vom Sozialverband Deutschland

   Frauen weiterhin benachteiligt
SoVD macht den März zum Gleichstellungsmonat
MAGAZIN - FRAUEN WEITERHIN BENACHTEILIGT SOVD MACHT DEN MÄRZ ZUM GLEICHSTELLUNGSMONAT - SOZIALVERBAND DEUTSCHLAND
2     Über uns                                                                                                                                                                                 Inhalt       3

    Eine starke Gemeinschaft                                                                         Benachteiligung von Frauen

    Der Sozialverband Deutschland (SoVD)                rungssysteme ein. Der Sozialstaat ist ein    Weltfrauentag, Equal Care Day und Equal
    vertritt die Interessen der Rentner, der            wichtiges Auffangnetz für die Menschen       Pay Day – der SoVD macht den März zum
    Patienten und gesetzlich Krankenversi-              – das zeigt sich gerade in Zeiten wirt-      Gleichstellungsmonat.
    cherten sowie der pflegebedürftigen und             schaftlicher Krisen. Uns geht es auch um
    behinderten Menschen. Wir setzen uns für            Chancengleichheit, zum Beispiel um die                                                   Seite 16–23
    Ihre Rechte ein und bie-                                            Bildung und Ausbildung,
    ten unseren Mitgliedern                                             die unsere Gesellschaft                                                                 Pflege bis zur Erschöpfung
    Beratungsstellen in ganz                                            behinderten und benach-
    Deutschland. Dort erhal-                                            teiligten Kindern und Ju-                                                               Beruflich und privat Pflegende gehen oft-
    ten sie Hilfe bei Fragen                                            gendlichen bietet.                                                                      mals an ihre gesundheitlichen Grenzen.
    zur gesetzlichen Kranken-,                                          Der SoVD ist eine starke                                                                
    Renten- und Pflegeversicherung oder in              Gemeinschaft mit rund 600.000 Mitglie-                                                                                               Seite 4–15
    behindertenrechtlichen Dingen. Soziale              dern. Bei uns können Sie sich engagieren
    Gerechtigkeit steht im Mittelpunkt un-              und mit anderen gemeinsam aktiv wer-         Erste Vorschläge zur Reform
    serer Arbeit. Wir setzen uns für den Aus-           den. Einer von über 2.000 Ortsverbänden
    bau und den Erhalt der sozialen Siche-              befindet sich bestimmt auch in Ihrer Nähe.   Kommission zur Krankenhausversorgung
                                                                                                     empfiehlt Leitstellen und Notfallzentren.

                                                                                                     
                                                                                                                                                 Seite 24–27

                                                                                                                                                                Grundsicherung für Kinder

                                                                                                                                                                Mehr Geld für arme Familien: Ministerium
                                                                                                                                                                stellt Eckpunkte der Großreform vor.
                                                                                                                                                                
                                                                                                                                                                                            Seite 30–37

                                                                                                     Schnelle Hilfe im Notfall

                                                                                                     Unter der Nummer 112 sind Feuerwehr
                                                                                                     und Rettungsdienste in der Europäischen
                                                                                                     Union (EU) erreichbar.     Seite 42–45

    Die bundesweit ca. 600.000 Mitglieder des SoVD bilden eine starke Gemeinschaft.
                                                                                                     Foto Titel: Krakenimages.com / Adobe Stock
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4   Sozialpolitik                                                                                                                                    Sozialpolitik            5

                    Beruflich und privat Pflegende gehen oftmals an ihre gesundheitlichen Grenzen

                        Zuwendung bis zur Erschöpfung

                          Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, benötigen über konkrete Hilfestellungen
                             hinaus auch seelischen Zuspruch. Im Alltag fehlt hierfür allerdings häufig die
                                Zeit. Doch auch die Gefühle und Bedürfnisse der Pflegenden selbst kommen
                                 oftmals zu kurz. Das kann schnell zur Überlastung führen. Der SoVD fordert
                                   daher bessere Arbeitsbedingungen in der beruflichen sowie mehr Unter-
                                   stützungsangebote in der häuslichen Pflege.

                                                                                                                    Fotos: Jale Ibrak, Angelov / Adobe Stock; Montage: SoVD

                                                                                                              Wer neben einem Job und der eigenen Familie
                                                                                                              noch Angehörige versorgt, ist im Alltag einer
                                                                                                              enormen Belastung ausgesetzt.
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6   Sozialpolitik                                                 Sozialpolitik             7

                                                           Foto: Jale Ibrak / Adobe Stock

      Die Fähigkeit zur Empathie ist       der Folge schnell hilflos und ein-
      eine wichtige Grundlage mensch-      sam. Ein zugewandter Austausch
      lichen Miteinanders. Sie lässt uns   mit dem Pflegepersonal oder An-
      am Schicksal anderer teilhaben       gehörigen könnte einen Großteil
      und zeigt diesen, dass wir sie in    der Frustration auffangen. Hierbei
      ihrer konkreten Situation wahr-      kommt jedoch der Faktor Zeit ins
      nehmen. Wer eine andere Person       Spiel.
      pflegt, ob nun im Krankenhaus, in    Nicht nur Pflegende kennen das:
      einer stationären Einrichtung oder   Es gibt immer etwas zu tun. Im
      auch in den eigenen vier Wänden,     privaten Bereich stehen speziell
      kommt ohne ein gewisses Einfüh-      Angehörige dabei vor der Heraus-
      lungsvermögen meist nicht weit.      forderung, nebenher noch das ei-
      Sich die Bedürfnisse und Gefühle     gene Leben zu organisieren und
      anderer erschließen zu können, ist   eventuell noch einer bezahlten
      also eine zentrale Voraussetzung     Beschäftigung nachzugehen. Auch
      pflegerischer Arbeit. Umgekehrt      Pflegefachkräfte stehen bei ihrer
      erwarten Menschen, die aufgrund      Arbeit eigentlich ständig unter
      einer Erkrankung oder altersbe-      Zeitdruck. Das wirkt sich keines-
      dingter Einschränkungen auf Hilfe    wegs nur auf die von ihnen be-
      angewiesen sind, dieses Mitgefühl    treuten Menschen aus.
      auch von ihrer Umwelt.
                                           Mitgefühl ist wichtig,
      Wer unter Zeitdruck pflegt,          kann aber auch belasten
      hat kaum Zeit für Gespräche          Analysen des Wissenschaftli-
      Nicht selten fällt es gerade Pfle-   chen Instituts der AOK zeigen die
      gebedürftigen schwer, sich in ihre   gesundheitlichen Folgen einer
      Situation einzufinden. Bedürfnis-    hohen Belastung durch Stress.
      se, die sie selbst nicht mehr er-    Demnach treten etwa psychische
      füllen können, erhalten in ihrem     Erkrankungen in der Pflege nahe-
      Alltag einen immer größeren Stel-    zu doppelt so häufig auf wie in al-
      lenwert. Betroffene fühlen sich in   len anderen Berufsgruppen. Auch
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8   Sozialpolitik                                                     Sozialpolitik          9

                                                    Foto: LIGHTFIELD STUDIOS / Adobe Stock

      die Zahl der Krankmeldungen           ligt, mit dem Pflegekräfte lernen
      liegt deutlich über dem Durch-        können, empathisch für andere zu
      schnitt. Wie lässt sich daran etwas   sein, ohne sich dabei selbst aus
      ändern?                               dem Blick zu verlieren. Eine bes-
      Menschen, die sich in der Pflege      sere Selbstwahrnehmung, so das
      engagieren, möchten ja prinzi-        Ergebnis zahlreicher Schulungen,
      piell anderen helfen und dabei        wirkte sich insgesamt positiv auf
      natürlich auch an deren Schick-       die Gesundheit aller am Pflege-
      sal Anteil nehmen. Das kann je-       prozess Beteiligten aus. Ein ähn-
      doch im Fall von Angehörigen          liches Angebot für Angehörige
      aufgrund der persönlichen Bezie-      hält die AOK mit dem „Familien-
      hung schwierig werden. Beruflich      coach Pflege“ bereit.
      Pflegende dagegen treffen auf
      ihnen fremde Personen. Sie sind       SoVD: Politik muss mehr
      allerdings jeden Tag mit so vielen    Unterstützung anbieten
      verschiedenen Lebensgeschich-         Überaus vollmundige Verspre-
      ten konfrontiert, dass auch sie       chungen gab es in den letzten
      mit ihrem Mitgefühl recht bald        Jahren viele, passiert ist jedoch
      an Grenzen stoßen.                    aus Sicht des SoVD zu wenig.
                                            Der Verband setzt sich deshalb
      Pflegende sollten eigene              weiterhin für mehr Angebote zur
      Bedürfnisse ernstnehmen               Entlastung und Unterstützung in
      Der Bonner Pflegewissenschaft-        der häuslichen Pflege ein. Hierzu
      ler Andreas Kocks warnt daher vor     gehört insbesondere der Ausbau
      einer „unreflektierten Empathie“.     und die Stärkung der Tages- und
      Er rät Pflegenden dazu, auch die      Verhinderungspflege.
      eigenen Bedürfnisse nicht außer       Auch der Personalnotstand bleibt
      Acht zu lassen (siehe Interview auf   ein Problem. Besonders in der Al-
      den folgenden Seiten). Kocks war      tenpflege muss die Politik daher
      an der Entwicklung des Entlas-        endlich bessere Lohn- und Ar-
      tungskonzeptes empCARE betei-         beitsbedingungen schaffen.
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10   Sozialpolitik                                                                                                                            Sozialpolitik 11

                                                         Interview mit Pflegewissenschaftler Andreas Kocks

                                    „Eigene Bedürfnisse nicht ignorieren“

       Andreas Kocks arbeitete über zwölf Jahre hinweg als Krankenpfleger an der
       Uniklinik Bonn und studierte nebenbei Pflegeforschung. Im Rahmen des „empa-
       thiebasierten Entlastungskonzeptes in der Care-Arbeit“ (empCARE) beschäftigte
       sich der Pflegewissenschaftler mit herausfordernden Situationen im Pflegealltag.
       Mit der SoVD-Zeitung sprach Andreas Kocks über dringend notwendiges Mitge-
       fühl, über die Grenzen von Empathie und über die Frage, warum Pflegende ihre
       eigenen Bedürfnisse ernst nehmen sollten.

       ___Bevor Sie Wissenschaftler wur-          higkeiten einbringen. Und das ist un-
       den, haben Sie selbst als Kranken-         ter den derzeitigen Bedingungen eine
       pfleger gearbeitet. Was ist denn           große Herausforderung.
       die größte Herausforderung, vor
       der Pflegende derzeit stehen?              ___Wenn Personal fehlt, dann über-
       Was wir vor allem spüren, ist ein          nehmen die verbliebenen Pflege-
       Fachkräftemangel. Im Mittelpunkt           kräfte doch automatisch deren Ar-
       steht für mich deshalb die Attrakti-       beit. Führt das nicht zu einer immer
       vität von Pflege. Mit Blick auf die Zu-    größeren Belastung?
       kunft halte ich es für enorm wichtig,      Absolut. Das ist eine Art Teufelskreis,
       dass wir Menschen für diesen Beruf         den wir dort haben. Man verliert vie-
                                                                                                                             Foto: LIGHTFIELD STUDIOS / Adobe Stock
       begeistern und sie dann auch in ih-        le engagierte Menschen, die mit der
                                                                                                             Auf Pflege angewiesen zu sein ist nicht leicht
       rem Job halten – und zwar so, dass         in ihrer Arbeit erreichbaren Qualität                      zu akzeptieren – vor allem, wenn man bisher
       sie gerne dort arbeiten und ihre Fä-       unzufrieden sind. Sie sind schlicht                        noch selbstständig agierte.
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12   Sozialpolitik                                                       Sozialpolitik 13

       frustriert, weil sie in ihrem Beruf
       nicht das machen können, wofür sie
       ursprünglich angetreten sind, und
       wenden sich ab.

       ___Überlastung und Zeitdruck so-
       wie geringe Anerkennung für das
       Geleistete – das trifft in ähnlicher
       Weise auch auf die private Pflege
       zu, oder?
       In jedem Fall. Das hat für mich auch
       etwas mit dem Blick auf Pflege ins-
       gesamt zu tun. Da scheint oftmals
       die Meinung vorzuherrschen, das
       könne jeder tun. Das macht man aber
                                                         Andreas Kocks
       nicht mal eben nebenbei. Und wenn
       wir über die Pflege von Angehörigen
       nachdenken, dann wage ich mir gar
       kein Bild davon zu machen, welche
                                                      Foto: LIGHTFIELD STUDIOS / Adobe Stock
       Leistung Menschen dort erbringen.
       Das erfährt leider nicht die Wert-     fühle nicht außer Acht lassen. Das
       schätzung, die angemessen wäre.        ist eine Frage der Selbstpflege und
                                              wäre auch eine wichtige Botschaft
       ___Was können Pflegende tun, um        für pflegende Angehörige. Man soll-
       nicht in einen Kreislauf zu gera-      te sich eigene Bedürfnisse bewusst
       ten, der in Frustration endet?         machen und diese ernst nehmen.
       Man kann lernen, mit Empathie re-
       flektiert umzugehen. Darum ging        ___In der Pflege komme ich doch
       es bei dem Projekt empCARE. Wenn       aber ohne Mitgefühl nicht weiter.
       ich mit meinem Gegenüber mitfüh-       Wie schaffe ich es, das nicht als
       le, dann darf ich meine eigenen Ge-    eine Einbahnstraße zu begreifen?
MAGAZIN - FRAUEN WEITERHIN BENACHTEILIGT SOVD MACHT DEN MÄRZ ZUM GLEICHSTELLUNGSMONAT - SOZIALVERBAND DEUTSCHLAND
14   Sozialpolitik                                                         Sozialpolitik 15

       Das ist gar nicht so einfach. In Pfle-
       gesituationen geht es immer um das
       Aushandeln von Nähe und Distanz.
       Aber man kann Empathie lernen.
       Wenn ich mir bewusst werde, was
       meine Bedürfnisse sind und die von
       meinem Gegenüber, kann das schon
       helfen, Lösungen zu finden. Natürlich
       kann es auch vorkommen, dass man
       keine Lösung findet. Auch im Kran-
       kenhaus können wir den Menschen
       ihre Ängste nicht immer nehmen. Wir
                                                         Foto: LIGHTFIELD STUDIOS / Adobe Stock
       können ihnen aber das Gefühl geben,
       dass wir ihre Sorgen ernst nehmen        Nur sind sie hierbei dringend auf
       und uns darum kümmern.                   bessere Rahmenbedingungen an-
                                                gewiesen.
       ___Möglicherweise sieht mein Ge-         Ich bin da total bei Ihnen. Es bräuch-
       genüber aber nur die eigenen Be-         te mehr Unterstützung und es
       dürfnisse. Darauf habe ich dann          bräuchte überhaupt eine Anerken-
       keinen Einfluss.                         nung. Da müssen wir uns gar nichts
       Genau. Und damit umzugehen ist           vormachen: Die häusliche Pflege
       eine große Herausforderung. Das          durch Angehörige ist der größte
       gilt für Pflegefachkräfte genauso        Pflegedienst, den wir in Deutsch-
       wie für pflegende Angehörige. Bei        land haben. Nur mit der Forderung
       der Pflege zu Hause kommt in der         nach Wertschätzung alleine ist es
       Regel auch noch eine persönliche         dabei nicht getan. Das hat auch et-
       Beziehung hinzu, die das Ganze zu-       was damit zu tun, wie man mit sich
       sätzlich schwierig machen kann.          selber umgeht, mit der eigenen Ge-
                                                sundheit. Man sollte sich immer
       ___Viele Familien leisten diese          wieder fragen: Was tut mir gut? Was
       Pflege aber, weil sie das wollen.        gibt mir Kraft?
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16   Titel                                                                                                                                      Titel     17

                Weltfrauentag, Equal Care Day und Equal Pay Day – der SoVD macht den März zum Gleichstellungsmonat

                                   Frauen sind weiterhin benachteiligt

       Die SoVD-Frauen haben den März wieder zum Gleichstellungsmonat ausgerufen.
       Denn für echte Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern müssen Politik und
       Gesellschaft noch nachlegen. Frauen sind weiterhin in vielen Bereichen faktisch
                                                                                                                   Foto: Krakenimages.com / Adobe Stock
       benachteiligt. Das markieren auch drei Termine: der Equal Care Day am 1., der
                                                                                                 Statt Blumen lieber Gerechtigkeit: Auch der
       Equal Pay Day am 7. und der Internationale Frauentag am 8. März.                          Weltfrauentag am 8. März ist ein Kampftag.
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18   Titel                                                                                                                                                                Titel   19

                                                                                                                                           Foto: Krakenimages.com / Adobe Stock

       Frauen bekommen immer noch                                                                                               Aktionstage für gleiche
       deutlich weniger Lohn und leisten                                                                                        Bezahlung und Sorgearbeit
       mehr unbezahlte Arbeit. Sie sind                                                                                         Ein großer Punkt bleibt die Bezah-
       zudem stärker von Armut bedroht,                                                                                         lung. Darum gibt es den bundes-
       auch im Alter.                                                                                                           weiten Equal Pay Day (EPD), den
       „In den letzten Jahrzehnten ist zwar                                                                                     Tag der Entgeltgleichheit. Er ist im-
       viel passiert, aber es ist noch ein                                                                                      mer an dem Tag, bis zu dem Frau-
       weiter Weg bis zur Gleichstellung                                                                                        en rechnerisch im Durchschnitt
       von Mann und Frau“, so SoVD-Vor-                                                                                         über die Jahreswende weiterarbei-
       standsvorsitzende Michaela Engel-                                                                                        ten, bis sie den Lohn der Männer
       meier. „Hier muss dringend mehr                                                                                          vom Vorjahr erreicht haben. Immer
       passieren, da bleiben wir dran.“                                                                                         noch 18 Prozent „Gender Pay Gap“,
       Bundesfrauensprecherin Jutta Kö-                                                                                         geschlechtsspezifische Lohnlücke,
       nig ruft alle im SoVD auf, die Pro-                                                                                      sind es laut Statistischem Bundes-
       testtage im März zu nutzen, um sich                                                                                      amt (Destatis). Das sind 66 Tage. So
       für Gleichstellung starkzumachen.                                                                                        fällt der EPD 2023 auf den 7. März
       Neben anderen Aktionen (die Ver-                                                                                         – wie 2022. Die Lücke schließt sich
       bandsmedien werden weiter be-                                                                                            nur langsam, und diesmal hat sich
       richten) ist auch eine SoVD.TV-Fol-                                                                                      rein gar nichts getan.
       ge „Frauen an die Macht!“ geplant,                                                                                       Themenschwerpunkt ist die Bran-
       in der es um den Arbeitsmarkt und                                                                                        che Kunst und Kultur. Hier klafft
       Führungspositionen geht.                                                                                                 die Lücke besonders weit.
                                                                                                                                Der SoVD protestiert wieder beim
       Schlechtere Jobchancen und                                                                                               Equal Pay Day mit und fordert: Glei-
       weniger politische Teilhabe                                                                                              cher Lohn für gleiche und gleich-
       Vorbereitend tagte der Frauen-                                                                                           wertige Arbeit! Die Geldfrage ist
       politische Ausschuss. Die Mitglie-     SoVD ebenso angehört. Auch hier            müssten so viele Frauen wie Männer     verknüpft mit der Frage, wer sich
       der sprachen über Renten- und          geht es um „Macht“, vielmehr Teilha-       vertreten sein. Ein Seminar „Soziale   um Kinder, Haushalt, Angehörigen-
       Arbeitsmarktpolitik, das Bündnis       be – in der Politik. Jutta König fordert   Medien“ vermittelte zudm praktisch,    pflege oder ein Ehrenamt küm-
       „Sorgearbeit fair teilen“ und die      zur Wahlrechtsreform: „Das muss in         wie die SoVD-Frauen ihre Forderun-     mert; was Nachteile bei Job und
       Initiative #ParitätJetzt, der der      den Gesetzentwurf!“ In Parlamenten         gen bekannter machen können.           Rente hat. Wie im Februar berich-
20   Titel                                                                                                                                                            Titel   21

                                                                                                                                       Foto: Krakenimages.com / Adobe Stock

       tet wenden Frauen dafür deutlich                                                                                     Arbeitsmarkt“. Er bezieht die be-
       mehr Zeit auf. Um in Familie und                                                                                     zahlte Arbeitszeit und Erwerbstäti-
       Gesellschaft so viel unbezahlte                                                                                      genquote ein.
       Sorgearbeit zu leisten wie Frauen
       in einem Jahr, bräuchten Männer                                                                                      UN-Frauenrechtskonvention
       etwa vier Jahre. Gleiche Aufgaben-                                                                                   und Istanbul-Konvention
       teilung fordert daher der Equal                                                                                      Deutschland muss auch internati-
       Care Day am 1. März.                                                                                                 onale Abkommen erfüllen. Gegen
                                                                                                                            Diskriminierung gilt über 40 Jahre
       Immer noch 18 Prozent                                                                                                die UN-Frauenrechtskonvention
       weniger Stundenlohn                                                                                                  CEDAW („Convention on the Elimi-
       Der Gender Pay Gap von jetzt 18                                                                                      nation of All Forms of Discriminati-
       Prozent gilt pro Stunde brutto.                                                                                      on Against Women“). Seit 2018 gibt
       Laut Destatis bekamen Frauen in                                                                                      es die „CEDAW-Allianz Deutsch-
       Deutschland 2022 durchschnitt-                                                                                       land“: 32 Organisationen, darunter
       lich 20,05 Euro, gegenüber Män-                                                                                      der SoVD, prüfen die Anwendung
       nern fehlten ihnen 4,31 Euro in                                                                                      bei Legislative, Judikative und Exe-
       der Geldbörse.                                                                                                       kutive in Bund, Ländern und Kom-
       Die Ursachen sind nun besser sta-                                                                                    munen.
       tistisch erfasst. Zu knapp zwei Drit-                                                                                Fünfjähriges Jubiläum hat in
       teln liegt es daran, dass Frauen                                                                                     Deutschland auch die „Istan-
       häufiger in schlechter bezahlten                                                                                     bul-Konvention“ des Europara-
       Branchen, Berufen und Niveaus                                                                                        tes. Insgesamt 34 Staaten unter-
       arbeiten und mehr in Teilzeit. Letz-                                                                                 zeichneten den Gewaltschutz für
       teres tun sie oft unfreiwillig. Sogar                                                                                Frauen. Dass auch der für gleiche
       die Brückenteilzeit kann zur Falle                                                                                   Lebenschancen nötig ist, betont
       werden, das Gesetz ab 2019 findet       Doch selbst bei vergleichbaren Tä-    Pflege wirken negativ auf Karrieren    der SoVD oft. Neu ist eine bun-
       der SoVD nicht zufriedenstellend.       tigkeiten und Erwerbsbiografien wa-   und Stundenlöhne.                      desweite Meldestelle für frau-
       Seit Jahren fordert er ein echtes       ren es noch 7 Prozent Lohnabstand –   Im Osten sind die Unterschiede klei-   enfeindliche Anfeindungen und
       Rückkehrrecht in Vollzeit und fle-      ohne klaren Grund. Das Statistikamt   ner als im Westen. Und ein neuer       körperliche Angriffe unter: www.
       xiblere Arbeitszeitmodelle.             vermutet, Pausen durch Kinder und     Vergleichswert ist der „Gender Gap     antifeminismus-melden.de.
22   Service                                                        Service 23

               www.sovd.de/gleichstellungsmonat

                                                  Foto: studio romantic / Adobe Stock
24   Sozialpolitik                                                                                                           Sozialpolitik 25

                                Kommission zur Krankenhausversorgung empfiehlt Leitstellen und Notfallzentren

                                               Erste Vorschläge zur Reform

       Notaufnahmen und Rettungsdienste sind überlastet. Den Mangel an Personal be-
       kommen auch die Patient*innen immer stärker zu spüren. Ändern sollen sich die-
                                                                                                                           Foto: upixa / Adobe Stock
       se für alle Beteiligten unhaltbaren Zustände nun durch eine Krankenhausreform.
                                                                                                        Eine Krankenhausreform soll bessere
       Erste Empfehlungen hierfür liegen jetzt vor. Die SoVD-Vorstandsvorsitzende                       Voraussetzungen für eine Behandlung
       Michaela Engelmeier forderte, den Plänen endlich Taten folgen zu lassen.                         in der Klinik schaffen.
26   Sozialpolitik                                                                                                                             Sozialpolitik 27

                                                                                                                                            Foto: upixa / Adobe Stock

       Ende vergangenen Jahres hatte                                                                                     Versorgung der Menschen müs-
       Bundesgesundheitsminister Karl                                                                                    se wieder im Mittelpunkt stehen,
       Lauterbach (SPD) eine große Re-                                                                                   nicht der Profit. Engelmeier emp-
       form im Bereich der Krankenhaus-                                                                                  fahl, die Vorschläge der Kommis-
       versorgung angekündigt. Diese                                                                                     sion vor allem im Sinne der Pati-
       sehe unter anderem eine Abkehr                                                                                    ent*innen zu prüfen.
       von den sogenannten Fallpau-                                                                                      SoVD-Vizepräsidentin Ursula En-
       schalen vor, die Kliniken bisher er-                                                                              gelen-Kefer richtete einen ein-
       halten. Das solle die Anreize sen-                                                                                dringlichen Appell an Bund und
       ken, möglichst viele Patient*innen                                                                                Länder. Sie erklärte, um eine hoch-
       zu behandeln. Im Gegenzug sollen                                                                                  wertige und ortsnahe Notfall- und
       die Kliniken künftig feste Beträge                                                                                Akutversorgung sicherzustellen,
       für das Vorhalten von Personal,                                                                                   sei eine angemessene Finanzie-
       einer Notaufnahme oder notwen-                                                                                    rung nötig.
       diger Medizintechnik bekommen.
       Mit Blick auf eine Neuorganisa-                                                                                   Versorgung der Menschen
       tion der Notfallversorgung leg-                                                                                   bleibt wichtigstes Anliegen
       te die Regierungskommission für                                                                                   Bundesgesundheitsminister Karl
       eine moderne und bedarfsgerech-                                                                                   Lauterbach kündigte bereits an,
       te Krankenhausversorgung nun                                                                                      er wolle die Reform gemeinsam
       weitere Empfehlungen vor.                                                                                         mit den Ländern besprechen. Eine
                                                                                                                         entsprechende Arbeitsgruppe traf
       Zentrale Anlaufstelle könnte                                                                                      sich bereits Ende Februar. Hierbei
       im Notfall weiterhelfen                                                                                           rief auch der Minister die Bundes-
       Im Mittelpunkt dieser Vorschläge       lung zugewiesen. Hierfür könnte     te integrierte Notfallzentren. Diese   länder zu Investitionen in die Kli-
       steht der Aufbau neuer integrierter    das Personal der Leitstelle einen   würden aus der Notaufnahme eines       niken auf. Lauterbach erklärte, das
       Leitstellen in ganz Deutschland.       Rettungswagen rufen oder aber       Krankenhauses sowie einer ärztli-      für das Projekt nötige Gesetz solle
       Über diese könnten Hilfesuchen-        einen Termin in einer regulären     chen Notfallpraxis bestehen.           auf jeden Fall noch in dieser Legis-
       de künftig eine erste Einschät-        Arztpraxis beziehungsweise in ei-   Den Ansatz der Reform teilt auch       laturperiode wirken. Einen genau-
       zung erhalten und würden dann          ner Notaufnahme buchen.             die Vorstandsvorsitzende des SoVD,     en Zeitpunkt allerdings nannte er
       einer passenden Notfallbehand-         Ebenfalls geplant sind sogenann-    Michaela Engelmeier. Sie sagte, die    nicht.
28   Sozialpolitik                                                                                                                    Sozialpolitik 29

                                                                    Aktuelles Urteil aus dem Sozialrecht

                        Art des Hilfsmittels selbstbestimmt wählen

       Die Krankenkasse darf nicht bestimmen, welche Art von Rollstuhl ein Versicherter
       benötigt. Im Sinne des Betroffenen entschied das Landessozialgericht Nieder-
       sachsen-Bremen.

       In dem Fall ging es um einen
       49-Jährigen mit Querschnittsläh-
       mung. Bisher hatte er einen Aktiv-
       rollstuhl, den er mit der eigenen
       Körperkraft bewegte. Wegen nach-
       lassender Kraft und Schulterbe-
       schwerden beantragte der Mann
       bei der Krankenkasse ein elekt-
       risch unterstütztes Zuggerät für
       seinen Rollstuhl.
       Die Krankenkasse lehnte dies als
       Überversorgung ab und bewilligte
       einen Elektrorollstuhl. Das Gericht
       gab dem Mann Recht und verwies
       auf dessen Selbstbestimmungs-
       recht. Ein Elektrorollstuhl nehme
                                                                                                                          Foto: 24K-Production / Adobe Stock
       ihm Raum zur eigenverantwort-
                                                                                                           Auch wenn es billiger ist, darf die Kasse
       lichen Gestaltung seines Lebens                                                                     keinen nur passiv bewegten E-Rollstuhl
       (Az.: L16 KR 421 / 21).                                                                             vorschreiben.
30   Sozialpolitik                                                                                                                     Sozialpolitik 31

                                   Eckpunkte der Kindergrundsicherung vorgestellt – mehr Geld für arme Familien

                        „Jedes Kind muss uns gleich viel wert sein“

       Noch zwei Jahre, dann soll Schluss sein mit Sozialleistungen vom Jobcenter für
       Kinder: Ab 2025 soll endlich die Kindergrundsicherung kommen. Jetzt stellte
       Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90 / Die Grünen) die Eckpunkte des
       Großprojektes aus ihrem Ministerium vor, das gleichzeitig eines der zentralen so-
       zialpolitischen Vorhaben der Ampel ist. Mit der Kindergrundsicherung soll „nicht
       nur das Leistungsniveau“ erhöht, also mehr Geld zur Verfügung gestellt werden.
       Durch Entbürokratisierung möchte man außerdem künftig mehr leistungsberech-
       tigte Familien und ihre Kinder erreichen. Der SoVD begrüßt die geplanten Ver-
       besserungen als wichtigen Schritt im Kampf gegen Kinderarmut und für mehr
       Chancengerechtigkeit.

                                                                                                                                  Foto: synthex / Adobe Stock

                                                                                                        Armut ist häufig mit Scham verbunden. Auch
                                                                                                        deshalb scheuen bislang viele Familien, staat-
                                                                                                        liche Unterstützungsleistungen zu beantragen.
32   Sozialpolitik                                                  Sozialpolitik 33

                                                       Foto: Mikael Damkier / Adobe Stock

       Über die Kindergrundsicherung      Direkter Vergleich zeigt
       wird seit Langem diskutiert.       Vorteile künftiger Regelung
       Sozialverbände, Kinderschutz-      Im direkten Vergleich der heutigen
       und     Familienorganisationen     und künftigen Regelung wird deut-
       fordern sie bereits seit Jahren.   lich, mit welchen Vereinfachungen
       Einer der Gründe dafür ist, dass   und oftmals Verbesserungen Fa-
       die derzeit geltenden staatli-     milien mit geringem Einkommen
       chen Unterstützungsleistungen      ab 2025 rechnen dürfen, wenn die
       komplex und schwer zu über-        Kindergrundsicherung 2025 tat-
       blicken sind. Hinzu kommt die      sächlich kommt.
       Stigmatisierung, die von Armut     Heute zahlt der Staat für jedes Kind
       betroffene oder armutsgefähr-      bis zum Ende der ersten Ausbil-
       dete Familien fürchten und die     dung, etwa einer Lehre oder eines
       sie oftmals davon abhält, zum      Studiums, bis zum Alter von 25 Jah-
       Jobcenter oder Sozialamt zu ge-    ren monatlich 250 Euro Kindergeld.
       hen. „Die Scham, Leistungen zu     Den Betrag erhalten die Eltern.
       beantragen, ist bei Eltern häu-    Parallel dazu gibt es die sogenann-
       fig groß. Und da, wo vielleicht    ten Kinderfreibeträge. Die Freibe-
       keine Scham ist, wissen doch       träge sind steuerfreie Anteile des
       viele Familien nicht, welche       Einkommens, die sich nach der
       Leistungen ihnen zustehen. So      Kinderanzahl und der Höhe des
       leben sie dann oft in verdeck-     Einkommens der Eltern richten. Bei
       ter Armut – mit allen negativen    der Steuerberechnung ermittelt
       Auswirkungen für sie und ihre      das Finanzamt, ob sich Kindergeld
       Kinder“, weiß SoVD-Vorstands-      oder Freibeträge für die Eltern
       vorsitzende Michaela Engel-        mehr lohnen.
       meier. „Mit dem Stigma Armut       Sind es die Freibeträge, wird dies
       darf kein Kind aufwachsen. Für     mit dem ausgezahlten Kindergeld
       uns ist deshalb klar: Jedes Kind   verrechnet. Davon profitieren vor
       sollte eine eigene Absicherung     allem hohe Einkommen. Denn
       erhalten.“                         Spitzenverdiener*innen       werden
34   Sozialpolitik                                                                    Sozialpolitik 35

                                                                                 Foto: synthex / Adobe Stock

                     dadurch im Verhältnis stärker entlas-     dem Staat gleich viel wert sein“,
                     tet als Geringverdienende, die Kin-       verlangt SoVD-Vorstandsvorsitzen-
                     dergeld beziehen. Das soll sich pers-     de Michaela Engelmeier.
                     pektivisch ändern.
                                                               Gestaffelter Zusatzbeitrag
                     Kindergrundsicherung                      ist einkommensabhängig
                     besteht aus zwei Teilen                   Den zweiten Teil der Kindergrund-
                     Konkret soll die Kindergrundsiche-        sicherung bildet ein altersgestaf-
                     rung nach den bislang bekannt gewor-      felter Zusatzbeitrag. Hier spielt die
                     denen Details aus zwei Komponenten        Höhe des Einkommens der Eltern
                     bestehen: einem Garantiebetrag und        eine Rolle. Der maximale Zusatzbe-
                     einem altersgestaffelten, einkom-         trag der Kindergrundsicherung soll
                     mensabhängigen Zusatzbetrag. Der          so festgesetzt werden, dass er – in
                     einheitliche Garantiebetrag ist unab-     der Summe mit dem Garantiebetrag
                     hängig vom jeweiligen Einkommen           – das altersgestaffelte Existenzmi-
                     der Eltern für jedes Kind auszuzahlen     nimum eines Kindes abdeckt. Ver-
                     – die Höhe soll anfangs mindestens        schiedene staatliche Leistungen
                     dem dann geltenden Kindergeld ent-        werden somit zusammengefasst
                     sprechen. Auf längere Sicht wächst        und unbürokratisch mit der Kin-
                     der Sockelbetrag laut Plan des Fami-      dergrundsicherung ausgezahlt. Ein
                     lienministeriums auf das maximale         einfach gehaltenes Online-Portal
                     Entlastungsniveau des Kinderfreibe-       mit einem anwendungsfreundli-
                     trages an. Dieser liegt momentan bei      chen, intelligenten Antragssystem
                     354 Euro im Monat. Sind Kinder 18         und ein automatisierter „Kinder-
                     geworden, in Ausbildung und ziehen        grundsicherungs-Check“ sollen es
                     zu Hause aus, geht das Geld direkt an     Leistungsberechtigten leicht ma-
                     sie und bietet eine Hilfe zur Finanzie-   chen, einen Überblick zu gewinnen
                     rung von Studium und Ausbildung.          und Leistungen erhalten.
                     Auch der SoVD fordert, allen Familien     Nochmals zum Vergleich: Auch
                     den Mindestbetrag in Höhe von 354         heute können Familien mit gerin-
                     Euro zu gewähren. „Jedes Kind muss        gen Einkommen, die aber nicht so
36   Sozialpolitik                                                                               Sozialpolitik 37

       wenig haben, dass sie auf Bürger-
       geld angewiesen sind, zusätzlich
       zum Kindergeld einen „Kinderzu-
       schlag“ beantragen. Je nach finan-
       zieller Situation gibt es maximal
       250 Euro pro Kind. Zudem haben
       diese Familien, wie auch Famili-
       en im Bürgergeldbezug, Anspruch
       auf Leistungen aus dem soge-
       nannten Bildungs- und Teilhabe-
       paket. Der Staat kann etwa Kosten
       für Schulausflüge, Klassenfahr-
       ten, Musikschule, Sportverein
       und Schulbedarf übernehmen.
       Das komplizierte Bezugssystem
                                                            Foto: Mikael Damkier / Adobe Stock
       über verschiedene Anlaufstellen
       schließt jedoch bislang viele Leis-   Dass das Existenzminimum von Kin-
       tungsberechtigte vom tatsächli-       dern überdies neu und bedarfsge-
       chen Bezug aus.                       recht ermittelt werden müsste, um
                                             mit der Kindergrundsicherung Kin-
       Gesetzgebungsverfahren                derarmut wirksam zu bekämpfen, ist
       startet im Herbst                     längst überfällig. In Bezug auf die
       Bis Herbst soll jetzt ein entspre-    Festlegung der Regelsätze gibt es
       chender Gesetzentwurf entstehen.      im Sozialrecht noch viele ungeklärte
       Noch ist vieles ungewiss: Denn        Baustellen. Das muss sich ändern, for-
       obwohl die Kindergrundsicherung       dert der SoVD. Gemeinsam mit ande-
       erklärtermaßen ganz oben auf der      ren – so etwa im Bündnis für Kinder-
       Agenda der Koalition aus SPD, Grü-    grundsicherung – wird er den Prozess
       nen und FDP steht, gab es von den     aufmerksam begleiten und weiterhin
       Liberalen zuletzt erheblichen Ge-     gegen Armut und für soziale Gerech-
       genwind.                              tigkeit eintreten.
38   Service                                         Service 39

               Inklusionslauf am 24. Juni 2023

                                                 Foto: Denny Brückner
40   Service                                                                                                                                 Service 41

                                                     Digitale Anwendung zur Kommunikation mit Behörde

                                                      App der Arbeitsagentur

       Mit „BA-mobil“ bietet die Bundesagentur für Arbeit eine App für Mobiltelefone.
       Darüber können Kund*innen mit der Arbeitsagentur kommunzieren, Termine und
       Unterlagen einsehen und künftig auch Dokumente hochladen.

       Wer bei der Bundesagentur als ar-
       beitsuchend gemeldet ist, eine*n
       Ansprechpartner*in vor Ort hat
       und über ein Benutzerkonto auf
       www.arbeitsagentur.de     verfügt,
       kann die App „BA-mobil“ auf dem
       Smartphone nutzen.
       Die App bietet eine Terminüber-
       sicht und sendet Vermittlungsvor-
       schläge direkt auf das Handy. Mit
       ihr lässt sich auch der Bearbei-
       tungsstand von Online-Anträgen
       verfolgen, zudem kann man Nach-
       weise wie zum Beispiel Krank-
       schreibungen online hoch- sowie
       Bescheide herunterladen.
                                                                                                                      Foto: Björn Wylezich / Adobe Stock

                                                                                                        Gut zu wissen: Eine spezielle App er-
                                                                                                        leichtert die Kommunikation mit der
                                                                                                        Arbeitsagentur.
42   Service                                                                                                                                        Service 43

                                       Notrufnummer 112 ist auch in der Europäischen Union (EU) die erste Wahl

                                         Rasche Hilfe in akuten Notfällen

       Die 112 ist der Feuerwehr- oder Rettungsdienst-Notruf. In Deutschland kennen die
       meisten Menschen die oft lebensrettende Nummer. Doch viele wissen nicht, dass
                                                                                                                                Foto: Peter Atkins / Adobe Stock
       der Notruf auch auf Reisen ins europäische Ausland funktioniert. Wann wähle ich
                                                                                                         Im Notfall erreichen Sie unter 112 europaweit
       welche Nummer? Ein Überblick.                                                                     dringend benötigte Hilfe.
44   Service                                                                                                                 Service 45

       In akuten Notfallsituationen, in
       denen unmittelbar Hilfe geleistet
       werden muss, ist die 112 die ers-
       te Wahl. Das ist der Fall, wenn ein
       schwerer Unfall passiert ist, wenn
       jemand ohnmächtig oder bewusst-
       los geworden ist. Auch wenn es
       brennt, ist die 112 die richtige
       Nummer.
       Rufen Sie die 110, wenn Sie die
       Hilfe der Polizei benötigen, weil
       Sie sich bedroht fühlen, in Gefahr
       oder einer Straftat ausgesetzt sind,
       die polizeilichen Einsatz erfordert.
       Oder wenn Sie beobachten, dass
       andere in solche Situationen gera-
       ten. Auch wenn Sie nur vermuten,
       dass eine solche Situation vorlie-
       gen könnte, wählen Sie die 110. Im
       Zweifelsfall hat die 112 Priorität
                                                                                                    Foto: Christian Müller / Adobe Stock
       vor dem Ruf der 110. Die Polizei
       wird sofort nach dem Notruf vom        versuchen Sie es alternativ mit einer     Rufen Sie die 112 auch, wenn Sie
       Rettungsdienst benachrichtigt.         prägnanten Beschreibung.                  kein Netz haben: Unabhängig vom
       Wenn Sie oder andere in akuter Not     Erklären Sie kurz den Notfall: Was ist    eigenen Provider verbindet sich Ihr
       sind: Versuchen Sie möglichst, Ihr     passiert? Welche Straftat oder Gefah-     Handy mit der nächsten Leitstelle.
       Anliegen klar zu formulieren. Nen-     renlage liegt vor? Gibt es Verletzte      Der Beschluss der EU-Kommission
       nen Sie hierzu zuerst Ihren Namen      und welche Art von Verletzungen ha-       zum EU-weiten Notruf stammt üb-
       und den Ort des Geschehens, etwa       ben Sie oder andere Personen? Wich-       rigens von 1991; erst 2008 wurde
       Straßenname, Stockwerk oder aber       tig: Bleiben Sie an der Leitung, folgen   er umgesetzt. In den meisten Län-
       Autobahnabschnitt, Bahnstation.        Sie den Hinweisen und warten, bis         dern existieren zudem nationale
       Wenn der Ort nicht bekannt ist,        das Gespräch beendet wird.                Notrufnummern.
46   Sozialpolitik                                                                                                               Sozialpolitik 47

                                  Mitbestimmung bei Renten- und Krankenversicherung: Briefwahl bis zum 31. Mai

                                            Sozialwahlen 2023 starten bald

       Alle sechs Jahre sind Sozialversicherungswahlen, kurz Sozialwahlen – Deutsch-
       lands drittgrößte Wahlen nach Bundestag und Europaparlament. Rund 52 Millio-
       nen Wahlberechtigte stimmen 2023 wieder ab, wie sich die Selbstverwaltungen
       der gesetzlichen Sozialversicherungsträger zusammensetzen.

       Die      Selbstverwaltungsorgane          Rentenversicherung Bund (DRV) ver-
       sind die Vertreterversammlung             sichert sind. Sie erhalten Ende April
       der Rentenversicherung und die            die Unterlagen per Post. Schon jetzt
       Verwaltungsräte der Kranken-              aber informiert die DRV die mehr als
       und Unfallversicherung. Versi-            30 Millionen Versicherten und Rent-
       cherte und Arbeitgeber wählen             ner*innen über die Wahl.
       ihre Vertreter*innen getrennt.
       Unwichtig ist das nicht: Bei der
       Rentenversicherung entscheidet
       das Gremium etwa über die Ver-
       wendung von Beitragsgeldern,
       über Reha-Leistungen und prüft
       Widersprüche. Mitmachen ist also
       ratsam.
       Wahlberechtigt sind alle, die am
       1. Januar 2023 mindestens 16
                                                                                                                              Foto: caftor / Adobe Stock
       Jahre alt waren und selbst bei den
                                                                                                          Die Sozialwahl findet alle sechs Jahre
       Ersatzkassen oder der Deutschen                                                                    als Briefwahl statt.
48   Unterhaltung                                                                                                                                Unterhaltung               49

                                                                                 Hätten Sieʼs gewusst?

                                               Rechtsherum geht‘s schneller

       Es klingt zunächst wie ein schlechter Witz: Das amerikanische Unternehmen United
       Parcel Service (UPS) hält Beschäftigte dazu an, mit dem Lieferwagen stets nur rechts
       abzubiegen. Dahinter steckt keine Schikane, sondern schlichte Ökonomie. Denn die
       entsprechend festgelegten Routen senken das Unfallrisiko und sparen Zeit. Der ge-
       ringere Treibstoffverbrauch schont zudem die Umwelt.

       Bestimmt kennen Sie das: Man
       wartet auf der Spur zum Linksab-
       biegen meist ewig auf ein grünes
       Ampelsignal. Außerdem hat der
       Gegenverkehr generell Vorfahrt.
       Statistiken des Gesamtverbandes
       der Versicherungswirtschaft dage-
       gen ergaben, dass Rechtsabbiegen
       weit weniger oft zu Unfällen führt.
       Aus diesen Erkenntnissen zog der
       Paketdienst UPS die logischen
       Konsequenzen. Minutiös plant der
       Konzern die Strecken der Liefer-
       fahrzeuge im Voraus und nutzt so-
       gar ein spezielles Navigationssys-
                                                                                                             Fotos: Fabian Ibelherr, Michael / Adobe Stock; Montage: SoVD
       tem. Laut eigenen Angaben spart
                                                                                                         Im Speditionsgewerbe spart vorrangiges Rechts-
       das Unternehmen damit rund 38                                                                     abbiegen Zeit und Geld. Das klappt jedoch nur
       Millionen Liter Sprit pro Jahr.                                                                   anhand vorab optimierter Lieferwege.
50   TV-Tipp                                                                                                                                      TV-Tipp        51

                                   Bjarne Mädel („Tatortreiniger“) spielt depressiven Kommissar mit Panikattacken

                                                Ein Mann für skurrile Typen

       Ob Bürotrottel („Stromberg“) oder Dorfpolizist („Mord mit Aussicht“) – Bjarne
       Mädel ist vielseitig. Für seine Rolle des an Panikstörungen leidenden Kriminal-
       kommissars Sörensen erhielt er zuletzt den Adolf-Grimme-Preis. Am 12. März
       feiert der wandlungsfähige Schauspieler seinen 55. Geburtstag.

       Wer ihn als Heiko Schotte in
       „Der Tatortreiniger“ gesehen
       hat, erlebt ihn als Sörensen
       von einer gänzlich neuen Seite.
       Bjarne Mädel spielt den an einer
       Angststörung leidenden Kom-
       missar so überzeugend, dass
       selbst tatsächlich Erkrankte
       beeindruckt waren. Mitglieder
       einer Selbsthilfegruppe reisten
       Ende letzten Jahres sogar zum
       Drehort der zweiten Verfilmung,
       um Bjarne Mädel zu sagen, wie
       toll er das macht.

                                                                                                                                    Foto: Jörg Landsberg / NDR
       Der Film „Sörensen hat Angst“ ist
                                                                                                         Für den neuen Film „Sörensen fängt Feuer“
       noch bis zum 19. März in der Me-                                                                  stand Bjarne Mädel mit Liv Clasvogt und Film-
       diathek der ARD verfügbar.                                                                        hund Cord zuletzt in Friesland vor der Kamera.
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