Marie Gentz, Frauke Strickrodt & Sandra Verena Müller - Ostfalia
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Balance zwischen strukturierten Aktivitäten und individuellen Freiräumen Marie Gentz, Frauke Strickrodt & Sandra Verena Müller Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie ISSN 0948-6704 Volume 54 Number 5 Z Gerontol Geriat (2021) 54:492-499 DOI 10.1007/s00391-020-01749-8 1 23
Your article is protected by copyright and all rights are held exclusively by Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature. This e-offprint is for personal use only and shall not be self-archived in electronic repositories. If you wish to self-archive your article, please use the accepted manuscript version for posting on your own website. You may further deposit the accepted manuscript version in any repository, provided it is only made publicly available 12 months after official publication or later and provided acknowledgement is given to the original source of publication and a link is inserted to the published article on Springer's website. The link must be accompanied by the following text: "The final publication is available at link.springer.com”. 1 23
Zeitschrift für Gerontologie+Geriatrie Author's personal copy Originalien Z Gerontol Geriat 2021 · 54:492–499 Marie Gentz1,2 · Frauke Strickrodt2 · Sandra Verena Müller1 https://doi.org/10.1007/s00391-020-01749-8 1 Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Wolfenbüttel, Deutschland Online publiziert: 10. Juli 2020 2 Lebenshilfe Braunschweig gemeinnützige GmbH, Braunschweig, Deutschland © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Balance zwischen strukturierten Aktivitäten und individuellen Freiräumen Vorstellungen vom Ruhestand von Menschen mit intellektueller und psychischer Beeinträchtigung Einleitung das Rentenalter [5, 26]. Während im Jahr -rollen, sondern auch viele Sozialkontak- 2007 noch 25.053 Menschen mit einer te. Um dem entgegenzuwirken, wurden Die Auswirkungen des demografischen intellektuellen Beeinträchtigung im Alter tagesstrukturierende und -gestaltende Wandels zeigen sich nicht nur in der von 55 bis 65 Jahren waren, sind es im Angebote entwickelt. Diese unterschei- Veränderung der Altersstruktur der Be- Jahr 2017 bereits 41.999 Menschen [23, den sich hinsichtlich der Räumlichkeit, völkerung, sondern sie sind genauso 24]. Durch das Anwachsen dieser Alters- der Zielgruppe, der Nutzungsbedingun- in der Veränderung der Altersstruktur gruppe kommt es zwangsläufig zu einem gen sowie hinsichtlich der Inhalte und von Menschen mit einer intellektuellen Anstieg von Rentnern in Werkstätten Ziele voneinander [22]. Beeinträchtigung (IB)1 sichtbar. Durch für behinderte Menschen (WfbM) [21]. Gegenwärtig sehen Menschen mit moderne medizinische Versorgung und Das Literaturstudium zu diesem Thema intellektueller und psychischer Beein- individuelle Förderung erreicht erstmals, zeigt, dass das Altern bei Menschen trächtigung der Zukunft eher besorgt nach der systematischen Vernichtung mit intellektueller Beeinträchtigung erst entgegen, betrachten den Ruhestand von Menschen mit intellektueller Beein- seit Anfang der 1980er-Jahre in das entweder als ein unbekanntes Risiko trächtigung in der Zeit des Nationalso- Blickfeld der Wissenschaft rückt. Das oder erwarten Langeweile [2, 8, 26]. zialismus, ein Großteil dieser Menschen Forschungsinteresse lag zunächst auf Im Gegensatz zu Menschen ohne ei- den Themen Mortalität und Morbidität. ne intellektuelle Beeinträchtigung haben Themen wie Altersvorsorge und Ser- Menschen mit intellektueller Beeinträch- 1 Wie Menschen mit einer geistigen Behinde- viceleistungen für ältere Menschen mit tigung grundsätzlich Schwierigkeiten, rung oder einer intellektuellen Beeinträchti- gung bezeichnet werden, ist einem ständigen intellektueller Beeinträchtigung spiel- Wünsche zu erkennen, zu formulieren Wandel unterworfen. Diskriminierende Begriffe ten eine untergeordnete Rolle [9, 10]. und zu äußern [25]. Diesen Menschen wie Idiotie, Schwachsinn oder „mental retar- In den Fokus rückt das Thema durch wurde in der Vergangenheit nicht oder dation“ verschwanden. Um Diskriminierung eine Forschergruppe an der Universität nur unzureichend die Möglichkeit ge- zu vermeiden, wurden zahlreiche Synonyme von Michigan sowie eine Konferenz in geben, Wünsche und Forderungen zu vorgeschlagen. Im biopsychosozialen Modell der Weltgesundheitsorganisation wird Be- Toronto 1974, auf der erstmalig über äußern. Somitkonntendie erforderlichen hinderung als funktionelle Einschränkung in mögliche (Freizeit-)Angebote für älte- Kompetenzen zu Selbstbestimmung und einer bestimmten Lebenssituation, die durch re Menschen mit Beeinträchtigungen selbstbestimmter Teilhabe nur begrenzt Umweltfaktoren verursacht wird, verstanden. nachgedacht wurde. In Deutschland erworben werden [15]. Klein-Haar und Alternativ wird der Begriff Menschen mit wird dieses Thema im Vergleich zum Roters-Möller [12] unterstreichen diese Lernschwierigkeiten von der britische People- First-Bewegung vorgeschlagen. Dieser Begriff internationalen Diskurs mit zeitlicher Aussage; für die meisten war es unge- ist allerdings missverständlich, da er auch für Verzögerung diskutiert [9]. Doch auch wohnt, nach ihren Wünschen gefragt Menschen mit Legasthenie oder Dyskalkulie hier stellt das Ausscheiden aus dem Ar- zu werden. Scheinbar unterscheiden verwandt wird.Im englischsprachigenRaum hat beitsleben für viele ältere Menschen mit sich die Wünsche und Bedürfnisse von sich der Begriff „intellectual disability“ mehr- intellektueller Beeinträchtigung durch Menschen mit einer intellektuellen Be- heitlich durchgesetzt, daher soll im folgenden Artikel die deutsche Übersetzung „Menschen den Wegfall der Tagesstruktur ein ein- einträchtigung für den Ruhestand nicht mitintellektuellerBeeinträchtigung“verwendet schneidendes Ereignis dar. Damit ent- von denen von Menschen ohne eine werden. fallen nicht nur die Berufsaufgaben und Beeinträchtigung. Kernthemen für die 492 Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 5 · 2021
Author's personal copy pen in WfbM arbeiten und für beide das Ausscheiden aus der WfbM und der Übergang in den Ruhestand bevor- steht. Ungeachtet der Tatsache, dass es Unterschiede zwischen diesen Personen- kreisen gibt, arbeiten sie z. T. gemeinsam in den WfbM. Gleichzeitig wird von Einrichtungen des gemeinschaftlichen Wohnens erwartet, Angebote für den Ruhestand zu machen, die dann ggf. von beiden Personenkreisen wahrgenom- men werden können. Um die Situation in der Praxis korrekt abzubilden, wollten wir sowohl von Menschen mit intellek- tueller Beeinträchtigung als auch von Menschen mit psychischer Beeinträch- tigung erfahren, welche Vorstelllungen und Wünsche sie hinsichtlich des anste- henden Ruhestands haben. Ein positives Votum der Senatskom- mission für Forschungsethik der Ostfa- lia Hochschule liegt vor, und die Vorga- ben der Deklaration von Helsinki wur- den berücksichtigt. Von allen Teilneh- menden sowie der gesetzlichen Betreu- ung wurde die informierte Zustimmung vor den Interviews eingeholt. Zuerst wur- den die gesetzlichen Betreuer angeschrie- ben. Neben der Vorhabenbeschreibung erhielten sie die Einverständniserklärun- gen mit der Bitte, diese unterschrieben zurückzusenden, sollten sie mit der Be- fragung des Klienten einverstanden sein (. Abb. 1). Im zweiten Schritt fanden In- Abb. 1 8 Flussdiagramm der Untersuchungsstichprobe. WfbM Werkstätten für behinderte Menschen formationsgespräche statt, bei denen In- formationen zu den Zielen, dem Vorge- hen und der Verarbeitung der Daten ge- Gestaltung des Ruhestands sind für beide WfbM geführt. Zunächst wurden alle geben wurden. Den Teilnehmenden wur- Personengruppen: Wohnen, Freizeitak- Beschäftigten mit intellektueller und/ den Einverständniserklärungen in leich- tivitäten und Arbeit [12]. Dem wollen oder psychischer Beeinträchtigung in ter Sprache für die Durchführung und wir u. a. in den Interviews nachgehen. den WfbM eines großen Trägers der die Aufnahme der Interviews mit einem Eingliederungshilfe im städtischen Kon- Diktiergerät vorgelegt. Methode text erfasst, die 62 Jahre und älter sind (n = 32). Einige dieser Menschen wohnen Interviews Personen in einer gemeinschaftlichen Wohnform, andere wohnen selbstständig, und man- Die Interviews wurden an zwei Ta- Ziel der Interviews war es die Vorstel- che wohnen gemeinsam mit der selbst gen in den Werkstätten für behinderte lungen, Wünsche und Sorgen für den gegründeten Familie. In Anbetracht der Menschen (WfbM) durchgeführt. Sie- Ruhestand von Menschen mit intellek- ohnehin kleinen Teilnehmerzahl wur- ben der zehn teilnehmenden Personen tuellen oder psychischen Beeinträch- de die Wohnform nicht als zusätzlich haben eine intellektuelle Beeinträchti- tigungen kurz vor dem Ruhestand zu differenzierende Variable eingeführt. gung und drei Personen eine psychische erfassen. Dementsprechend sollen ex- Wir haben uns entschieden, sowohl Beeinträchtigung. Fünf Personen sind emplarisch subjektive Sichtweisen von Menschen mit intellektueller Beeinträch- männlich (50 %), und fünf Personen sind Werkstattbeschäftigten herausgearbeitet tigung als auch Menschen mit psychi- weiblich (50 %). werden. Dazu wurden halbstrukturierte scher Beeinträchtigung einzubeziehen, Die Interviews fanden an einem ruhi- Interviews mit Beschäftigten mehrerer da in der Praxis beide Personengrup- gen, ungestörtenOrtinnerhalbderWerk- Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 5 · 2021 493
Author's personal copy Zusammenfassung · Abstract statt statt. In einem Fall war ein Mitarbei- Z Gerontol Geriat 2021 · 54:492–499 https://doi.org/10.1007/s00391-020-01749-8 ter der Werkstatt dabei, um ggf. als Dol- © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 metscher unterstützen zu können. Dabei wurde darauf geachtet, so weit wie mög- M. Gentz · F. Strickrodt · S. V. Müller lich, in leichter Sprache zu kommunizie- Balance zwischen strukturierten Aktivitäten und individuellen ren und den Interviewten ausreichend Freiräumen. Vorstellungen vom Ruhestand von Menschen mit Zeit für eine Antwort zu lassen, um den intellektueller und psychischer Beeinträchtigung besonderen Bedürfnissen dieser Grup- pe gerecht zu werden. Die Ermittlung Zusammenfassung von Wünschen ist bei dieser Personen- Hintergrund. Die Anzahl von Menschen mit Ergebnisse. Diese ergaben, dass sich intellektuellen Beeinträchtigungen, die das Menschen mit intellektuellen und psychi- gruppe eine besondere Herausforderung, Rentenalter erreichen, ist in den letzten 10 schen Beeinträchtigungen einen Ausgleich da viele von ihnen nicht gelernt haben, Jahren um mehr als zwei Drittel angestiegen. zwischen strukturierten Gruppenangeboten ihre Wünsche zu formulieren. Theunis- Ziel der Arbeit. Durch die große Anzahl an und individuell gestalteter Zeit wünschen. sen [25] spricht sogar von einer „er- Renteneintritten dieser Personengruppe sind Sportliche und kreative Angebote wurden lernten Bedürfnislosigkeit“. Dem wurde die Einrichtungen der Eingliederungshilfe als positiv beurteilt. Die Aufrechterhaltung gefordert, entsprechende Angebote des zwischenmenschlichen Kontakts hat bei versucht, durch sensibles und geduldiges bereitzustellen, sowohl in Bezug auf den den Befragten einen hohen Stellenwert. Der Vorgehen Rechnung zu tragen. Weiterhin Übergang in den Ruhestand als auch für die bevorstehende Ruhestand wurde von einem wurden bei Bedarf Pausen eingelegt und Zeit des Ruhestands. Großteil der Befragten wegen der damit bei Konzentrationsmangel Fragen wie- Methode. In mehreren Werkstätten für verbundenen „neuen Freiheit“ als positiv derholt und/oder umformuliert. behinderte Menschen, die großenteils im bewertet. Sorgen um die finanzielle Situation städtischen Kontext angesiedelt sind, wurden im Alter machten sich nur wenige. Der Interviewleitfaden ist teilstandar- Interviews zum Thema Gestaltung des disiert und beinhaltet im ersten Abschnitt Ruhestands mit angehenden Ruheständlern Schlüsselwörter Fragen zur gegenwärtigen Freizeitgestal- geführt. Gestaltung des Ruhestandes · Rente · tung der Interviewten, um die aktuelle Erwartungen · Freizeitgestaltung · Interviews Lebenssituation zu erfassen. Im zweiten Abschnitt wurden konkrete Fragen zu dem bevorstehenden Ruhestand gestellt. Balance between structured activities and individual leisure time. Dabei ging es um die Themen Vorstel- Perceptions of retirement by people with intellectual and mental lungen vom Ruhestand, Pläne, Wünsche disabilities und Ängste bezüglich des bevorstehen- Abstract den Ruhestands. Vertiefende Fragen hat- Background. The number of people with Results. These interviews showed that people ten das Ziel zu erfahren, wie intensiv sich intellectual disabilities reaching retirement with intellectual and mental disabilities die Interviewten mit dem Thema Ruhe- age has risen by more than two thirds in the wanted a balance between structured group stand auseinandergesetzt hatten. last decade. offers and individual privacy. Sporting and Objective. Due to the high number of creative offers were perceived as positive. retirements in this group of persons, the Maintaining interpersonal contact is very Auswertung facilities for integration assistance are important for the respondents. The upcoming required to provide appropriate offers, both in retirement was seen as positive by the Die Auswertung der Interviews erfolgte terms of the transition to retirement and the majority of the respondents because of the mit dem Programm RQDA (R packa- course of retirement. associated “new freedom”. Only a few worried Methods. Interviews on retirement planning about the financial situation in old age. ge for computer assisted qualitative data were conducted with aspiring pensioners analysis) und wurde gemäß der qualitati- from several workshops for disabled people, Keywords ven Inhaltsanalyse nach Mayring durch- which were mostly located in urban areas. Organization of Retirement · Pension · geführt [18]. Im ersten Schritt wurden Expectations · Leisure activities · Interviews die Interviews unter Berücksichtigung der entsprechenden Transkriptionsre- geln transkribiert [14]. Bei der Tran- skription wurden nonverbale Elemente stellen von Intersubjektivität durch zwei tert. Anhand der Anzahl der Zitate zu nicht berücksichtigt. Für die weitere Forscherinnen. den einzelnen Themen zeigt sich, dass Vorgehensweise wurde die zusammen- Eine Übersicht der Kategorien, die für der Fokus unserer Interviewpartner auf fassende und strukturierte Inhaltsanalyse die Auswertung verwendet wurden, zeigt der Freizeitgestaltung und den Hobbys gewählt [17]. Hierfür wurden Kategori- . Tab. 1. lag. en gebildet, welche zielführend für die Beantwortung der Forschungsfrage sind Ergebnisse Aktuelle Freizeitaktivitäten (. Tab. 1). Eine „Cross“-Validierung der Kategorienbildung erfolgte durch Her- Die nachfolgenden Ergebnisse wurden Zum Themenkomplex der aktuellen Frei- mit Zitaten aus den Interviews unterfüt- zeitgestaltung und vorhandenen Hobbys 494 Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 5 · 2021
Author's personal copy Tab. 1 Kategorien der Interviewauswertung Nicht mehr so viel arbeiten. (WfbM-Be- Kategorie Unterkategorie schäftigte mit intellektueller Beeinträchti- Aktuelle Aktivitäten gung, weiblich) Freizeitgestaltung Aufenthaltsort Viel Freizeit. (WfbM-Beschäftigte mit in- tellektueller Beeinträchtigung, weiblich) Gemeinschaft vs. Alleinsein Bedeutung der Begriffsverständnis Rente Es zeigt sich, dass kein lineares Bezugs- Verständnis der Konsequenzen des Renteneintritts und Begriffsverständnis vorliegt. So gab Zukunft Vorstellungen darüber, wie die künftige freie Zeit genutzt wird es zwei Personen, die nicht sagen konn- Pläne ten, was mit dem Begriff Rente gemeint Allein oder in Gemeinschaft Aufenthaltsort ist. Im weiteren Verlauf des Interviews Freizeitangebote zeigten sie, dass sie dennoch (vage) Vor- Ruhestand/Rente stellungen davon hatten, was sie in dieser Vorbereitung Zeit erwartet. Eine der Befragten wuss- Persönliche Veränderungen te nicht, was Rente im Sinne von Ru- Positive Assoziationen Negative Assoziationen hestand bedeutet, oder wann sie in den Ruhestand gehen wird. Dennoch hatte sie konkrete Pläne für den Ruhestand. wurden 21 Aussagen gemacht. Knapp Aktuelle Freizeitaktivitäten: Eine der Befragten hatte eine vage Idee die Hälfte der Aussagen bezieht sich Gemeinschaft vs. Alleinsein vom Begriff Ruhestand und gab an, sich auf sportliche Aktivitäten, wie Tanzen, auf den Ruhestand zu freuen. Auf die Fußballspielen, Tischtennisspielen oder Auf die Frage, ob die Teilnehmenden ihre Frage, welche Veränderungen der Ruhe- Spazierengehen. Kreative Aktivitäten, Freizeit am liebsten allein oder in Gesell- stand mit sich bringen würde, antwortete wie Musizieren, Lesen oder Stricken, schaft einer oder mehrerer Personen ver- sie jedoch, dass sich nichts ändern wird. stellen knapp ein Drittel der Aussagen bringen, antworteten lediglich zwei Teil- dar. nehmende, dass sie ihre Freizeit am liebs- Zukunft: Ruhestand/Rente – ten allein verbringen. Drei Teilnehmende Vorbereitung Also, ich lese sehr gerne, und ich wür- gaben an, ihre Freizeit gern mit dem Part- de auch sagen, ich stricke sehr gerne. ner zu verbringen. Andere gaben an, ih- Sechs Personen gaben an, dass sie wis- (WfmB-Beschäftigte mit intellektueller re Freizeit mit den eigenen Kindern oder sen, wann sie in den Ruhestand gehen Beeinträchtigung, weiblich) Freunden zu verbringen. Sechs Personen werden. Vier Personen wussten es nicht. Also, außer Fußball gucke ich noch gern in bewerteten die Freizeitgestaltung in einer Zwei Teilnehmende, die angaben nicht zu die Sterne. Ich habe ein Planetarium bei Gruppe als positiv. wissen, wann sie in den Ruhestand ge- mir zu Hause am Computer. (WfbM-Be- hen, fühlten sich jedoch auf ihren Ruhe- schäftigter mit intellektueller Beeinträch- Rente: Begriffs-/Bezugsverständnis stand vorbereitet. Insgesamt fühlen sich tigung, männlich) 6 Teilnehmende auf den Ruhestand vor- Vier Teilnehmende gaben an, gegen- Sieben Personen kannten die Bedeutung bereitet. Die Frage, ob der bevorstehen- wärtig Angebote der gemeinschaftli- des Begriffs „Rente“ im Sinne von Ru- de Ruhestand thematisiert wurde, wurde chen Wohneinrichtung in Anspruch hestand. Der Begriff Rente wurde hier von 6 Personen bejaht. Zwei davon hatten zu nehmen (Chor, Musikgruppe, Bür- im Sinne von Ruhestand als die Zeit das Thema eigeninitiativ angesprochen. gerzentrum, Reisegruppe). Über die nach dem Ausscheiden aus der WfbM Zwei weitere wurden von Mitarbeiten- Hälfte der Befragten nutzen aktuell kei- und nicht im Sinne finanzieller Transfer- den der Einrichtung auf das Thema an- ne Freizeitangebote der Einrichtung der leistungen verwendet. Im Gespräch mit gesprochen und eine Person von ihrer Eingliederungshilfe. den Werkstattbeschäftigen wurde jedoch Herkunftsfamilie. Bei der Beantwortung der Begriff „Rente“ verwendet. Die in dieser Frage gab es keine Unterschiede Tanzen, singen. Ich bin in der . . . in dem der Werkstatt übliche Spracheregelung zwischen denen, die ein Konzept vom Chor. (WfbM-Beschäftigte mit intellektu- ist, dass in der Regel von „Rente“ ge- Ruhestand hatten, und denen, die keines eller Beeinträchtigung, weiblich) sprochen wird, wenn von der Zeit nach hatten. Ich geh immer ins (Stadtteil-)Viertel (Café der Beschäftigung in der WfbM die Rede Es ergab sich kein direkter Einfluss auf der gemeinschaftlichen Wohneinrich- ist. die Beantwortung dieser Frage durch die tung), dahin jeden Dienstag und Don- Von den sieben Personen konnten vorherige Frage nach dem Bezugs- und nerstag. (WfbM-Beschäftigter mit intel- fünf Teilnehmende mit dem Rentenein- Begriffsverständnis von Rente. Mit an- lektueller Beeinträchtigung, männlich) tritt übliche Veränderungen benennen, deren Worten, auch Menschen, die den wie z. B.: Begriffs „Rente“ nicht mit Inhalt füllen konnten, fühlten sich z. T. auf den Ru- Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 5 · 2021 495
Author's personal copy Originalien hestand vorbereitet (hier dann eher im immer gemacht habe. Was ich jetzt nicht Zukunft: Vorstellungen darüber, praktischen als im konzeptionellen Sinn). mehr kann. Das sind jetzt die Pläne, die wie die künftige freie Zeit genutzt ich jetzt habe denn. (WfbM-Beschäftig- wird Zukunft: Ruhestand/Rente – ter mit intellektueller Beeinträchtigung, persönliche Veränderungen männlich) Nachdem eingangs die aktuelle Frei- zeitgestaltung erfragt wurde, geht es in Auf die Frage, was sich mit dem Eintritt in Zwei Befragte gaben an, im Ruhestand diesem Abschnitt darum, mögliche Vor- den Ruhestand verändern wird, berich- einem Minijob nachgehen zu wollen. Ei- stellungen und Ideen für die künftige teten drei Personen, nicht mehr arbeiten ne weitere Person möchte den Ruhestand Freizeitgestaltung zu erfassen. Neben müssen. Zwei Teilnehmende sahen keine mit ehrenamtlichen Tätigkeiten verbrin- dem täglichen Besuch in der STN bietet Änderungen auf sich zukommen. gen. die Einrichtung zusätzliche Einzelak- tivitäten, wie z. B. Sportangebote oder Ja, wie soll es weitergehen? Weiß ich nicht. Und mit dem Grund, warum ich hier (. . . ) Seniorenstammtische, an. Die STS als Sitze ich zu Hause, gucke Fernsehen oder angefangen habe, mal war, dass (. . . ) zu auch die einzelnen Gruppenangebo- irgendwas. (WfbM-Beschäftigter mit in- allererst die Frage „Kann ich, wenn ich in te waren allen Interviewten bekannt, tellektueller Beeinträchtigung, männlich) Rente bin, 450 € hier weiterarbeiten?“ (. . . ) deshalb schien es nicht notwendig, im Und deshalb wird es so sein, dass ich hier, Der Großteil der Aussagen bezog sich auf Rahmen der Interviews explizit darauf auch wenn ich in Rente bin, wieder noch positive Veränderungen, wie beispiels- hinzuweisen. meine Vormittage verbringen werde. (Be- weise auszuschlafen, Ruhe zu genießen, Auf die Frage, ob und welche Ange- schäftigte mit psychischer Beeinträchti- Freizeitaktivitäten nachzugehen oder in bote der Einrichtung die Befragten in gung, weiblich) den Urlaub zu fahren. Zwei Teilnehmen- Anspruch nehmen würden, antworteten Naja, ich wollte mir das so machen wie de gaben an, sich auf die Ruhe während drei Personen, dass sie gern die Angebo- mein Freund. Der arbeitet zwei Stun- des Ruhestands zu freuen. Dementspre- te der STS annehmen würden. Eine Per- den noch in der [. . . ] ehrenamtlich und chend planten sie, nur tageweise in die son berichtete, gern an Sportangeboten mal gucken, ob ich das auch mache. Seniorentagesstätte (STS) gehen zu wol- teilnehmen zu wollen, und zwei weite- (WfbM-Beschäftigte mit intellektueller len. Lediglich in einer Aussage wurde die re Personen äußerten den Wunsch nach Beeinträchtigung, weiblich) finanzielle Veränderung angesprochen. speziellen Angeboten für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung. Und dann denke ich auch darüber Zukunft: Ruhestand/Rente – Zwei Befragte gaben an, kein Interesse nach: „Wo bleibe ich mal, mit dem we- positive/negative Assoziationen an Angeboten der Einrichtung zu haben. nigen finanziellen Polster, was ich habe?“ (WfbM-Beschäftigte mit psychischer Be- Ich finde das aber gut, dass die [. . . (Einrich- Sieben der Befragten gaben an, sich auf einträchtigung, weiblich) tung)] was macht. Es gibt andere, die ihren Ruhestand zu freuen. Die häufigs- alleinstehend sind und alleine sind, die Hinsichtlich der Pläne für die Rentenzeit te Begründung hierfür war, ausschlafen nehmen das bestimmt gern an, solche An- bezogen sich 37 % der Aussagen auf zwi- zu wollen. Bei drei Personen ist der Ru- gebote. Aber ich bin schon mit Familie schenmenschliche Aktivitäten, beispiels- hestand mit Sorgen verbunden, für zwei [gemeint ist hier die eigene Kernfamilie] weise Zeit mit der Familie zu verbringen Personen waren Sorgen über die Finan- ausgefüllt. (WfbM-Beschäftigte mit intel- zu wollen, die Kolleg*innen und Mitar- zen der Grund, bei einer weiteren die lektueller Beeinträchtigung, weiblich) beiter*innen der WfbM oder Wohngrup- Sorge um die Gesundheit im Alter. Das Nein, nicht. Ne, ne. Ich bin so ausgefüllt, pe zu besuchen, Freund*innen zu treffen Thema Geld wurde in sieben Aussagen denke ich mir mal. (WfbM-Beschäftigte und sich zu unterhalten. von vier Personen angesprochen, wobei mit psychischer Beeinträchtigung, weib- dies in 3 Fällen mit negativen Assozia- Ja, sonst lesen, Hörbücher hören, mit mei- lich) tionen verbunden war. nem Mann was unternehmen, spazieren gehen, mit Freunden treffen. Kinder-/ Also mit dem Wort Rente verbinde ich also Enkelkinder habe ich, mein Sohn ist auch erstmal kein Geld. (Beschäftigte mit psy- Diskussion und Schluss- noch da. (WfbM-Beschäftigte mit intel- chischer Beeinträchtigung, weiblich) folgerung lektueller Beeinträchtigung, weiblich) Da muss man auch gucken, wie das geld- Aus den Interviews geht hervor, dass ein mäßig hinkommt oder so. (WfbM-Be- Weiterhin nannten die Befragten die Aus- Teil der angehenden Ruheständler, die schäftigter mit intellektueller Beeinträch- übung von Hobbys wie Malen, Kochen, in der WfbM arbeiten, sehr genaue Vor- tigung, männlich) Lesen, Musizieren oder sich körperlich stellungen von seinem Ruhestand hat. zu betätigen, z. B. spazieren zu gehen. Fast die Hälfte der Befragten hatte kei- ne Ideen zur Gestaltung des Ruhestands, Dann schön in Ruhe frühstücken, dann wodurch der Ruhestand zu einem un- kann man noch schön durch die Stadt erwartet eintretenden Ereignis werden marschieren, was ich sonst auch Sonntag kann. Daraus ergibt sich die Forderun- 496 Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 5 · 2021
Author's personal copy gen nach Vorbereitungsmaßnahmen auf deren Menschen gewünscht. Havemann strukturierende Gruppenangebote durch den Ruhestand seitens der gemeinschaft- und Stöppler betonen, dass sowohl das Alternativen zu ersetzen sind, bei de- lichen Wohneinrichtung [7]. Die Befrag- Ermöglichen von Bewegung als auch das nen die Individualität und die Vielfalt ten wünschen sich mehrheitlich eine Ba- Schaffen von Rückzugsmöglichkeiten ge- an Wünschen und Bedürfnissen berück- lance von Gruppenaktivitäten und Zeit, gebenseinsollte [9]. Mitdem häufig geäu- sichtigt werden kann. Die Ergebnisse der die selbstbestimmt allein verbracht wird; ßerten Wunsch, auszuschlafen und freie semistrukturierten Interviews von Buys dies gilt sowohl für Menschen mit in- Zeit zu haben, rückt das Thema Wohnen et al. [4] untermauern diese Position: tellektueller als auch psychischer Beein- in den Fokus. So betont auch Dieckmann Menschen mit intellektueller Beeinträch- trächtigung. [6] die Wichtigkeit des Themas Wohnen, tigung wünschen sich die Bereiche des Unsere Ergebnisse sind im Sinne einer dass in dieser Lebensphase von besonde- Lebens, die ihnen Freude bereiteten, auch exemplarischen Pilotstudie zu interpre- rer Bedeutung ist, und neben einem funk- im Ruhestand fortzusetzen. Darüber hi- tieren. Aufgrund der geringen Anzahl tionalen auch einen emotionalen Aspekt naus wünschen sie sich mehr Kontrolle von Interviewpartnern sind grundsätzli- hat. Ebenso unterstreicht Kuhn [13] die über ihr Leben und sinnstiftende Tätig- che Verallgemeinerungen nicht möglich. Wichtigkeit der Wohnsituation und das keiten. Mentale Anregung, Freundschaft, Grenzen der Verallgemeinerung ergeben Gefühl „zu Hause zu sein“ für diesen zuverlässige Unterstützung und Sicher- sich weiterhin dadurch, dass unsere In- Personenkreis. heit wurden von den Befragten als rele- terviewpartner ausschließlich in WfbM Um dem Wunsch nach einem Aus- vante Punkte genannt [1]. rekrutiert wurden. Basierend auf den gleich zwischen individuell gestaltetem Das Thema Gesundheit im Alter wur- Interviews können dementsprechend Freiraum und strukturierten Aktivitäten de in den Interviews 2-mal in Bezug auf keine Aussagen gemacht werden, über mit anderen zu entsprechen, sollten die eingeschränkte Handlungs- und Wahl- Menschen mit intellektueller Beeinträch- Angebote der Freizeitgestaltung im Ru- möglichkeiten genannt. Der Alterungs- tigung, die auf dem ersten Arbeitsmarkt hestand modular gestaltet und individu- prozess von Menschen mit intellektueller oder in Inklusionsfirmen tätig sind, ell wählbar sein und altersgerecht ausge- Beeinträchtigung verläuft ähnlich wie der ebenso wenig wie über Menschen, die baut werden. Dementsprechend sollten der Gesamtbevölkerung. Allerdings tre- in der Tagesförderung betreut werden. alle Einrichtungen der Eingliederungs- ten bei dieser Personengruppe häufiger Um die Realität in der Praxis mög- hilfe ihre personellen und strukturellen Krankheiten im Alter auf [9], die z. T. eine lichst gut abbilden zu können, wurden Rahmenbedingungen weiterentwickeln. Pflegebedürftigkeit nach sich ziehen. So- sowohl Menschen mit intellektueller Viele Einrichtungen des gemeinschaft- bald die Menschen mit intellektueller Be- Beeinträchtigung als auch Menschen lichen Wohnens halten sowohl Freizeit- einträchtigung pflegebedürftig werden, mit psychischer Beeinträchtigung ein- angebote für Menschen in gemeinschaft- kommen die Einrichtungen des gemein- bezogen. Grundsätzlich konnten bei der lichen Wohnformen als auch für ambu- schaftlichen Wohnens an ihre Grenze, da Beantwortung der Fragen inhaltlich kei- lant betreut wohnende Menschen, selbst- die bestehenden Strukturen in der Re- ne Unterschiede zwischen den Menschen ständig wohnende Menschen oder Men- gel nicht auf Pflegebedürftige ausgerich- mit intellektueller Beeinträchtigung und schen, die bei Angehörigen wohnen, vor. tet sind und es zudem an ausgebildetem psychischer Beeinträchtigung festgestellt Angebote der Seniorenbegleitung sollen Pflegepersonal mangelt [26]. werden. In einem Punkt unterschieden nicht Personen in bestimmten Wohn- Drei der Befragten konnten sich vor- sich jedoch die Antworten der Menschen formen diskriminieren, sondern für al- stellen, im Ruhestand eine STS zu be- mit psychischer Beeinträchtigung von le Personen zugänglich sein, unabhängig suchen. Hier gilt es zu berücksichtigen, denen mit intellektueller Beeinträchti- von der Wohnform, in der sie leben. Die dass die STS seit Jahren ein fester Be- gung; sie äußerten häufiger Sorgen und Fortschreibung bestehender tagesstruk- standteil des Angebots der Einrichtung zwar im Hinblick auf ihre finanzielle turierender Abläufe in Form von STS sind und diese bei den Werkstattbeschäf- Situation und ihren gesundheitlichen mit verbindlicher Teilnahme ist in Zei- tigen gut bekannt sind. In der Vergan- Zustand. Hier stand besonders ihre psy- ten der Individualisierung von Teilha- genheit war es üblich, dass auf das Ende chische Verfassung im Vordergrund. beleistungen [3] keine angemessene und der Beschäftigung in der Werkstatt der Weiterhin ist festzuhalten, dass die Men- zeitgemäße Option. Dies entspricht nicht Übergang in die STS folgte. Daher ist es schen mit psychischer Beeinträchtigung mehr den Grundsätzen der Individua- nicht verwunderlich, dass sich einige der sich eloquenter und detailreicher zu den lität oder denen der Selbstbestimmung Befragten den Besuch der STS vorstellen gestellten Fragen äußerten, auch wenn von Menschen mit intellektueller oder können, da dies jahrelang das gängige die angesprochenen Themen die gleichen psychischer Beeinträchtigung, wie es im Angebot im Ruhestand war. Menschen waren. Bundesteilhabegesetz festgeschrieben ist mit intellektueller Beeinträchtigung fällt Weiterhin äusserten die Interviewten [3]. So fordern auch Klein-Haar und Ro- es schwer, sich Alternativen zu dem Be- das Bedürfnis, Dinge in Ruhe zu erledi- ters-Möller [12], dass sich die Freizeit- kannten vorzustellen. Daher kann diese gen und sich dafür Zeit nehmen zu kön- gestaltung an den persönlichen Eigen- Aussage nicht als expliziter Wunsch nach nen, vorhanden ist. Jedoch wird auch ein heiten und Bedürfnissen der Zielgruppe einem regelmäßigen Besuch in der Se- Ausgleich zwischen individuellem Frei- orientieren sollte. Weiterhin fordern sie, niorentagestätte verstanden werden. raum und strukturierter Aktivität mit an- dass die derzeitig vorherrschenden tages- Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 5 · 2021 497
Author's personal copy Originalien Die Auswertung der Interviews zeigt, Arbeit wird jedoch nicht nur als Zeit- Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen oder an menschlichem Gewebe wurden mit Zustim- dass viele der Befragten Gruppenange- vertreib genutzt, sondern auch als finan- mung der zuständigen Ethikkommission, im Einklang bote nutzen würden und ein grundsätz- zielle Einnahmequelle während des Ru- mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration liches Interesse an derartigen Angeboten hestands gesehen. Drei Personen gaben von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen Beteiligten liegt eine vorhanden ist. Zentral ist der Wunsch an, sich Sorgen um ihre finanzielle Si- Einverständniserklärung vor. nach der Wahlmöglichkeit zwischen tuation zu machen, zwei von ihnen pla- mehreren attraktiven und adäquaten nen, während ihres Ruhestands auf 450- Freizeitangeboten. Deutlich wird hier €-Basis weiter zu arbeiten. Diese Aus- Literatur insbesondere, dass die Auswahl von An- sagen verdeutlichen die Notwendigkeit, geboten nach Interesse gewünscht wird, eine angemessene Finanzierung des Ru- 1. Bigby C (2004) Ageing with a lifelong disability: a guide to practice, program and policy issues for was durch die Individualisierung von hestands zu gewährleisten, um einer vor- human services professionals. Jessica Kingsley, Teilhabeleistungen durch das Bundesteil- programmierten Altersarmut dieses Per- London, Philadelphia habegesetz möglich geworden ist [3]. Das sonenkreises entgegenzuwirken. 2. Bigby C, Wilson NJ, Balandin S et al (2011) Disconnected expectations: staff, family, and sup- derzeit übliche gebundene Freizeitange- ported employee perspectives about retirement. bot der STS mit einem verpflichtenden Fazit für die Praxis J Intellect Dev Disabil 36:167–174 Programm an 5 Tagen in der Woche wird 3. BMAS (2020) Bundesteilhabegesetz. https:// www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Inklusion/ von vielen zukünftigen Ruheständlern 4 Die Weiterentwicklung von Ange- bundesteilhabegesetz.html. Zugegriffen: 9. Apr. als zu starr wahrgenommen. Aktuell boten zur Vorbereitung auf den 2020 sind sowohl sportliche als auch kreative Ruhestand ist notwendig. 4. Buys L, Boulton-Lewis G, Tedman-Jones J et al (2008) Issues of active ageing: perceptions of Aktivitäten Teil der Freizeitgestaltung 4 Wahlmöglichkeiten zwischen ver- older people with lifelong intellectual disability. der Befragten. Hier wird großenteils schiedenen modularen Freizeitan- Australas J Ageing 27:67–71 die Fortschreibung der aktuellen Frei- geboten für Ruheständler sollten 5. Dieckmann F, Giovis C, Offergeld J (2015) The life expectancy of people with intellectual disability in zeitgestaltung gewünscht. Betont wurde realisiert werden. Germany. J Appl Res Intellect Disabil 28:373–382 weiterhin der Wunsch nach zielgrup- 4 Wichtig ist die Balance zwischen 6. Dieckmann F, Schäper S, Thimm A, Dieckmann P, penspezifischen modularen Angeboten. strukturierten Gruppenangeboten Dluhosch S, Lucas A (2015) Die Lebenssituation älterer Menschen mit lebenslanger Behinde- Inklusive Freizeitangebote gemeinsam und individuell gestalteter Zeit für rung in Nordrhein-Westfalen. In: Ministerium für mit und für älter werdende Menschen Ruheständler mit intellektueller und Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nord- mit intellektueller Beeinträchtigung wur- psychischer Beeinträchtigung. rhein-Westfalen (Hrsg) Schriftenreihe des MAIS zur Berichterstattung über die Lebenssituation den ebenfalls genannt. Freizeitangebote 4 Flexible Gestaltung von tagesstruk- von Menschen mit Behinderung in Nordrhein- aus der Altenhilfe, wie beispielsweise turierenden Maßnahmen. Westfalen, Bd. 2 die „Weckworte“ [19] oder das „Kreative 4 Finanzielle Sicherung des Ruhestands 7. Franz D (2016) Menschen mit geistiger Behin- derung im Alter: Impulse zur inklusiven Wei- Geschichtenerfinden“ [20], können hier für Menschen mit intellektueller und terentwicklung der Dienste und Einrichtungen. entsprechend adaptiert werden. Kabsch psychischer Beeinträchtigung, damit Lebenshilfe-Verlag, Marburg (Bundesvereinigung [11] fordert in diesen Zusammenhang, eine weitere (geringfügige) Berufstä- Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinde- rung (Hrsg)) dass eine selbstbestimmte Form des wür- tigkeit eine freiwillige Entscheidung 8. Goods N, Millsteed J (2016) Understanding devollen Alterns Priorität haben sollte ist. retirement for ageing adults with a disability und ggf. mit Unterstützung realisierbar 4 Gesundheitspräventive Angebote in supported employment. Br J Occup Ther 79:713–721 sein sollte. im Ruhestand, um altersbedingten 9. Haveman M, Stöppler R (2010) Altern mit geistiger Des Weiteren wird der Wunsch nach gesundheitlichen Einschränkungen Behinderung. Grundlagen und Perspektiven für Aufgaben im Ruhestand geäußert. In den vorzubeugen. Begleitung, Bildung und Rehabilitation, 2. Aufl. Kohlhammer, Stuttgart von uns geführten Interviews wurde von 10. Hershenson DB (2015) The individual plan for einigen Teilnehmenden geäußert, dass sie retirement: a missing part of plan development Korrespondenzadresse with older consumers. Rehabil Couns Bull 59:9–17 überlegen, Minijobs oder ehrenamtliche 11. Kabsch J (Hrsg) (2018) Projekt „Leben Alter Tätigkeiten auszuüben. Nach Mair [16] Prof. Dr. – Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung wird „Arbeit“ grundsätzlich als positiv Sandra Verena Müller im Alter“. Projektbericht und Bewertung der erlebt, weshalb viele Menschen auch im Ostfalia Hochschule für Ergebnisse. Lebenshilfe Verlag, Marburg angewandte Wissenschaften 12. Klein-Haar AK, Roters-Möller S (2010) Den Alter den Wunsch nach einer Tätigkeit Ruhestand gestalten lernen. „Gute Praxis“, wenn Wolfenbüttel, Deutschland haben. Diese Aufgaben sollten Sinn erge- s-v.mueller@ostfalia.de Menschen mit Behinderungen in den Ruhestand ben, die Menschen fordern und das Ge- gehen. Informationsd Altersfr 37:9–14 13. Kuhn C (2018) Praxisnah: Die „Tecklenburger fühl vermitteln, teilzuhaben und etwas zu Biografie Methode“. Ein Weg zur systematischen leisten. Gleichzeitig sollten diese Tätig- Einhaltung ethischer Richtlinien Erfassung der individuell sinnlichen Vorlieben keiten frei wählbar sein und die selbstbe- von Menschen mit Lernschwierigkeiten. Demenz 39:26–27 stimmte Ruhestandsgestaltung dabei im Interessenkonflikt. M. Gentz, F. Strickrodt und 14. Lamnek S (2010) Qualitative Sozialforschung: Vordergrund stehen. Um diesem Wunsch S.V. Müller geben an, dass kein Interessenkonflikt Lehrbuch, 5. Aufl. Beltz, Weinheim und Basel nachzukommen, ist die Schaffung von besteht. 15. Lindmeier B, Windheuser J, Riecken A et al (2012) „Andersalt!?“. ErgebnissedesForschungsprojektes Wahlmöglichkeiten unverzichtbar [16]. 498 Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 5 · 2021
Author's personal copy Fachnachrichten „Lebensqualität für Menschen mit geistiger Europäisches Forschungsprojekt Communi- oder mehrfacher Behinderung“. Technische Informationsbibliothek u. Universitätsbibliothek, care will die Kommunikationsfähigkeiten von Osnabrück Pflegenden verbessern 16. Mair H (2012) Den Ruhestand gestalten lernen. Alter und Behinderung – Behinderung und Unter der Leitung des Wohlfahrtswerks wird an virtuellen Alter. Herausforderungen für die Gesellschaft. Trainings gearbeitet Deutsches Rotes Kreuz e. V., Berlin, S 84–96 17. Mayring P (2010) Qualitative Inhaltsanalyse. Durch die Corona-Pandemie wurden die Entwicklungen im Grundlagen und Techniken, 11. Aufl. Beltz, Bereich des E-Learnings beschleunigt. So sind generell mehr Weinheim und Basel 18. Mayring P (2016) Einführung in die qualitative Geräte zur Nutzung digitaler Angebote im Einsatz und die Sozialforschung. Eine Anleitung zu qualitativem Kompetenzen zur Nutzung sind gestiegen. Auch Angehö- Denken, 6. Aufl. Beltz, Weinheim und Basel rige von Menschen, die über ambulante Dienste oder im 19. Müller SV, Focke V (2015) „Weckworte“ – Alz- poetry zur Steigerung der Lebensqualität von Pflegeheim versorgt werden, können auf diesem Weg nun älteren Menschen mit geistiger Behinderung und oftmals besser erreicht werden. Virtuelle Trainingskurse zu Demenz. Teilhabe 54:68–71 Pflegethemen stellen daher eine zukunftsweisende Weiter- 20. Müller SV, Aust J (2017) „Kreatives Geschich- tenerfinden“ in kleinen und großen Gruppen. bildungsmöglichkeit dar – sowohl für Fachpersonal als auch Möglichkeit zum Erhalt der Kommunikationsfä- im privaten Umfeld. Das europäische Projekt „Communicare“ higkeit bei geistiger Behinderung und Demenz. entwickelt unter der Leitung des Wohlfahrtswerks für Baden- Erwachsenenbildung und Behinderung Alter und Demenz Was vermag Bildung? 28:29–40 Württemberg eine digitale Lernplattform, die sich dem Thema 21. Müller SV, Gentz M, Oelmann F (2019) Ren- „Kommunikation“ in der Pflege widmet. teneintritte von Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen. Pro Alter 51:63–66 Zur Steigerung der Lebensqualität ist es für gepflegte Personen wichtig, dass ihre Wünsche 22. Schuh M, Kirvel S, Oliva H (2014) Abschlussbericht und Bedürfnisse von den Pflegenden verstanden werden. Für Angehörige wie für Fachkräfte Tagesgestaltung und Tagestruktur für ältere lohnt es sich daher gleichermaßen, ihre Kommunikationsfähigkeiten zu trainieren. Das wird Menschen mit Behinderung. Foges, Köln 23. Statistisches Bundesamt (2009) Statistik der umso wichtiger, wenn die Bedingungen erschwert sind, beispielsweise beim Gepflegten die schwerbehinderten Menschen. Kurzbericht 2007. Hörfähigkeit eingeschränkt ist oder eine dementielle Erkrankung vorliegt. Genau hier setzt Destatis, Wiesbaden Communicare an: Ziel des Projekts ist es, mit der Trainingsplattform für alle an der Pflege 24. Statistisches Bundesamt (2018) Statistik der schwerbehinderten Menschen. Kurzbericht 2017. Beteiligten eine gute Unterstützung zu bieten, um in der Kommunikation sicherer zu werden Destatis, Wiesbaden und sich mit anderen über die eigenen Erfahrungen austauschen zu können. 25. Theunissen G (2002) Altenbildung und Behinde- Praxisnah entwickelt und erprobt rung. Impulse für die Arbeit mit Menschen, die als lern- und geistig behindert gelten (Heilpäd- Im ersten Schritt untersucht das Forschungsteam Faktoren, die für das Gelingen der agogische Handlungsfelder in Schule und sozialer Kommunikation im Alltag entscheidend sind. Interviews mit Pflegenden und eine breite Arbeit). Klinkhardt, Bad Heilbrunn/Obb Auswertung der Fachliteratur bilden die Grundlage für das weitere Projekt. 26. Zander M, Zander M (Hrsg) (2016) Behindert alt werden-spezifische Lebenslagen und Bedarfe. Im zweiten Schritt geht es bei Communicare um die konkrete Entwicklung von Trai- In: Expertise zum Siebten Altenbericht der ningsmöglichkeiten: Typische Alltagssituationen werden definiert und unterschiedliche Bundesregierung (Hrsg) Deutsches Zentrum für Reaktionsmöglichkeiten mit deren Wirkung aufgezeigt. Beispiele demonstrieren, wie gute Altersfragen, Berlin. https://www.ssoar.info/ssoar/ bitstream/handle/document/49886/ssoar-2016- Kommunikation mit der gepflegten Person aussehen kann. Daraus entstehen Aufgabenstel- zander-Behindert_alt_werden_-_spezifische. lungen und Materialien, die auf einer E-Learning-Plattform eingestellt werden. Ein Forum zum pdf?sequence=1. Zugegriffen: 26. März 2018 Austausch der trainierenden Nutzer ist ebenfalls vorgesehen, um das Potenzial zur Selbsthilfe zu unterstützen. Die Funktionalität und Akzeptanz der Plattform gilt es zunächst zu testen und zu optimieren, bevor sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Dabei ermöglicht es der europäische Rahmen des Projekts, vielfältige Erfahrungen aus den beteiligten Ländern einfließen zu lassen: Die Evaluationsphase wird in Deutschland, Österreich, Italien und Griechenland mit unterschiedlicher Akzentsetzung auf Fachpersonal oder pflegende Angehörige durchgeführt. Die E-Learningplattform wird zum Projektabschluss 2023 veröffentlicht. Das Projekt Communicare wird im Rahmen des Programms Erasmus+ gefördert und läuft drei Jahre bis zum Sommer 2023. Die Projektpartner und ihre Steuerungsfunktionen: Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg, Stuttgart www.wohlfahrtswerk.de Konsortialführer, Kommunikation und Koordination Duale Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart www.dhbw-stuttgart.de Bildungs- und Trainingsinhalte; Curriculum Berufsförderinstitut Oberösterreich: https://www.bfi-ooe.at/de Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 5 · 2021 499
Sie können auch lesen