Migrantinnen und Migranten in Ausbildung und Beschäftigung - Integrationschancen durch Vernetzung und aktives Engagement

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Migrantinnen und Migranten in Ausbildung und Beschäftigung - Integrationschancen durch Vernetzung und aktives Engagement
Migrantinnen und Migranten in Ausbildung und
 Beschäftigung – Integrationschancen durch
     Vernetzung und aktives Engagement

         Dokumentation des Innovationsforums
     der Entwicklungspartnerschaft EQUAL IN.OWL
      am 1. Oktober 2003 in der Stadthalle Bielefeld

    Gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds
                               im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative EQUAL
Migrantinnen und Migranten in Ausbildung und Beschäftigung - Integrationschancen durch Vernetzung und aktives Engagement
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
         Inhalt

         Einleitung................................................................................................................................3
INHALT

         Programm des Innovationsforums.......................................................................................4

         10 Handlungsempfehlungen in Kürze ..................................................................................6

         Begrüßung..............................................................................................................................7
         • Detlef Helling, Bürgermeister der Stadt Bielefeld..............................................................7
         • Anna Renkamp, Geschäftsstelle EQUAL IN.OWL............................................................9

         Hintergrundreferate..............................................................................................................11
         • Elmar Hönekopp, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg
            Zuwanderungssteuerung: Einwanderung und Arbeitsmarktintegration vor dem
             Hintergrund von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage.....................................................11

         •    Robert Vehrkamp, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
              Erfolge in der Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern. Studie der Bertelsmann
              Stiftung zu internationalen Erfahrungen und Erfolgsfaktoren.........................................25

         •    Nilgün Öksüz, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Bonn
              Berufliche Integration von Migrantinnen und Migranten –
              Unterschiedliche Ansätze der BMWA Programme EQUAL und XENOS..........................33

         Podiumsgespräch:...............................................................................................................41
         Neue Ansätze, Projekte und Netzwerke zur Stärkung der Selbsthilfepotenziale und
         Arbeitsmarktintegration

         Inputreferate in den Foren...................................................................................................43
         • Forum 1: Arbeitsmarktintegration durch ehrenamtliches Engagement.............................43
                     Beruflich erfolgreiche Migrantinnen und Migranten als Vorbilder und Paten

         •    Forum 2: MigrantInnen in Wirtschaft und Verwaltung.......................................................50
                       Interkulturelle Kompetenz als Wettbewerbsvorteil

         •    Forum 3: Die Potenziale nutzen........................................................................................61
                      Migrationsnetzwerke für Ausbildung und Beschäftigung

         Zusammenfassung der Ergebnisse aus den Foren und
         Handlungsempfehlungen.....................................................................................................73

         Anhang
         • Liste der TeilnehmerInnen.................................................................................................76

         2
Migrantinnen und Migranten in Ausbildung und Beschäftigung - Integrationschancen durch Vernetzung und aktives Engagement
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
 Einleitung

 EINLEITUNG

Die Arbeitslosenquote ausländischer                  Vernetzung u.a. mit Migrantenselbstorgani-
Arbeitskräfte liegt bei knapp 20 Prozent,            sationen.
und ist damit fast doppelt so hoch wie bei
Inländern. Dabei spielen sprachliche                 Das Forum wurde von der EQUAL
Defizite und Unterschiede im Ausbildungs-            Entwicklungspartnerschaft
niveau genauso eine Rolle wie die sozial-            Innovationsnetzwerk für Beschäftigung in
und arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedin-             Ostwestfalen - Lippe (kurz: EQUAL
gungen, wie auch die Einstellung von                 IN.OWL) ausgerichtet. In diesem Netzwerk
Behörden und Arbeitgebern gegenüber                  haben sich Behörden, Kammern,
Migrantinnen und Migranten1. Die                     Beschäftigungsförderungsgesellschaften
ungenügende Arbeitsmarktintegration                  und andere arbeitsmarktpolitische Akteure
bedarf dringender Lösungen, sind doch                zusammengeschlossen, um gemeinsam
Arbeit und Beruf in unserer Gesellschaft             Projekte zur Förderung der Beschäftigung
entscheidende Voraussetzungen für soziale            von benachteiligten Gruppen zu unterstüt-
Integration.                                         zen und umzusetzen. Ein wichtiger
                                                     Bestandteil der „Netzwerkphilosophie“ ist
In den verschiedenen Regionen                        der überregionale Austausch von Projekten,
Deutschlands werden vielversprechende                um guten Ideen zum Durchbruch zu
Strategien zur Arbeitsmarktintegration von           verhelfen und gemeinsam auf die Rahmen-
Migrantinnen und Migranten erprobt.                  bedingungen zur Verbesserung der
Arbeitsmarktakteure schließen sich zu                Ausbildungs- und Beschäftigungssituation
Netzwerken zusammen, immer mehr                      einzuwirken.
Migrantenselbstorganisationen engagieren
sich in der Beratung von Jugendlichen und            Über 130 Personen aus ganz Deutschland
Eltern zur Förderung der                             haben an dem Innovationsforum
Bildungsmotivation, Behörden und                     teilgenommen. Die Dokumentation enthält
Verbände gehen neue Wege, um speziell                alle Referate, die wichtigsten Ergebnisse
Jugendliche mit Migrationshintergrund                und eine Liste aller vertretenen Personen
anzusprechen.                                        und Institutionen, so dass sich die
                                                     Leserinnen und Leser noch mal einen
Das Innovationsforum zum Thema „Migran-              Überblick über die Vielzahl an Informationen
tinnen und Migranten in Ausbildung und               verschaffen und Kontakte zu anderen Ak-
Beschäftigung – Integrationschancen durch            teuren knüpfen können.
Vernetzung und aktives Engagement“ am 1.
Oktober 2003 in Bielefeld richtete sich an           Damit besteht die Chance, über die
Fachleute und Entscheidungsträger aus                Veranstaltung hinaus weitergehende
Kommunen, Gewerkschaften, Ministerien,               Synergien und Vernetzungen anzustoßen.
Politik und Verwaltung wie auch an Unter-            Wir danken allen ReferentInnen, die uns
nehmen, Schulen, Bildungsträger,                     ihre Beiträge zeitnah zur Verfügung gestellt
Ausländerbeauftragte und Migrantenorgani-            und dadurch die umfangreiche
sationen. Ziel war es, über neue Wege der            Dokumentation erst möglich gemacht
Heranführung an Ausbildung und Arbeits-              haben.
markt zu informieren, Erfahrungen auszu-
tauschen, Handlungsempfehlungen zu
formulieren und zur Verbreitung erfolgrei-           Anna Renkamp               Cemalettin Özer
cher Ansätze zur Verbesserung der Ausbil-            Leitung und Koordination   Leitung des EQUAL-
dungs- und Beschäftigungssituation von               des Netzwerkes             Projekts MigrantInnen
MigrantInnen beizutragen. Dabei wurde ein            EQUAL IN.OWL               integrieren MigrantInnen
Schwerpunkt gelegt auf Modelle zur Förde-            Bertelsmann Stiftung       MOZAIK Consulting
rung der Selbsthilfepotenziale und der

 1
  Im folgenden wird anstatt „Migrantinnen“ und
 „Migranten“ der Ausdruck „MigrantInnen" verwendet

                                                                                                    3
Migrantinnen und Migranten in Ausbildung und Beschäftigung - Integrationschancen durch Vernetzung und aktives Engagement
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Programm

1. Oktober 2003

Programm

10.30 h                   Grußworte
                          Detlef Helling, Bürgermeister der Stadt Bielefeld
                          Anna Renkamp, Geschäftsstelle EQUAL IN.OWL

10.45 h                   Zuwanderungssteuerung: Einwanderung und
                          Arbeitsmarktintegration vor dem Hintergrund von Tendenzen bei
                          Arbeitskräfteangebot und -nachfrage
                          Elmar Hönekopp, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB,
                          Nürnberg

11.15 h                   Erfolge in der Arbeitsmarktintegration von Zuwanderern: Studie
                          der Bertelsmann Stiftung zu internationalen Erfahrungen und
                          Erfolgsfaktoren
                          Robert Vehrkamp, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh

11.30 h                   Berufliche Integration von Migrantinnen und Migranten –
                          Unterschiedliche Ansätze der BMWA Programme EQUAL und
                          XENOS
                          Nilgün Öksüz, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Bonn

11.45 h                   Podiumsgespräch: Neue Ansätze, Projekte und Netzwerke zur
                          Stärkung der Selbsthilfepotenziale und Arbeitsmarktintegration

                          Cemalettin Özer, Mozaik Consulting, Interkulturelles Bildungs- und
                          Beratungszentrum ( IBBZ), Bielefeld

                          Ingibjörg Pétursdóttir, Multikulturelles Forum Lünen e.V., Lünen

                          Sevim Yilmaz, IHK zu Essen

                          Wolfgang Fehl, BQN II, Beratungsstelle zur Qualifizierung
                          ausländischer Nachwuchskräfte, Köln

13.45 h                   Foren

                          Forum 1
                          Arbeitsmarktintegration durch ehrenamtliches Engagement –
                          Beruflich erfolgreiche Migrantinnen und Migranten als Vorbilder
                          und Paten

                          ExpertInnen:
                          - Iris Wolter, Internationales Beratungszentrum AWO Bezirksverband
                            OWL e.V., Löhne
                          - Cemalettin Özer, Mozaik Consulting, IBBZ, Bielefeld
                          - Tülay Zengingül, Patin
                          - Julia Kozyrina, Integrationshelferin

                          Moderation:
                          Dr. Wolfgang Sieber, Regionale Personalentwicklungsgesellschaft
                          REGE mbH, Bielefeld

4
Migrantinnen und Migranten in Ausbildung und Beschäftigung - Integrationschancen durch Vernetzung und aktives Engagement
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Programm

                          Forum 2
                          MigrantInnen in Wirtschaft und Verwaltung -
                          Interkulturelle Kompetenz als Wettbewerbsvorteil

                          ExpertInnen:
                          - Dr. Thomas Brieden, ProInteCra - Berufliche Integration von
                            Migranten im Handwerk, ZWH – Zentralstelle für die Weiterbildung im
                            Handwerk, Düsseldorf

                          - Dr. Gisela Baumgratz-Gangl, Initiativstelle Berufliche Qualifizierung
                            von Migrantinnen und Migranten IBQM,
                            Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn

                          - Spiros Christodoulou, Pallas Athene Restaurant, Bielefeld

                          - Arndt Bohnenkamp, Bohnenkamp Elektrotechnik GmbH, Bielefeld

                          Moderation:
                          Carolina Monfort-Montero, Beratungsstelle zur Qualifizierung
                          ausländischer Nachwuchskräfte, Bremen

                          Forum 3
                          Die Potenziale nutzen – Migrationsnetzwerke für Ausbildung und
                          Beschäftigung

                          Expertinnen:
                          Margit Reuter, SIMBA – Soziale Integration von Migrantinnen und
                          Migranten in Beruf und Arbeit, Carl von Ossietzky Universität,
                          Oldenburg

                          Annerose Poleschner, Integrationsnetzwerk INCLUSION für Migranten
                          im Land Brandenburg, Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft
                          e.V., Potsdam

                          Moderation:
                          Martina Helmcke, Initiative für Beschäftigung OWL e.V.

16.15 h                   Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen (im Plenum)

                          Dr. Wolfgang Sieber, REGE mbH, Bielefeld, Forum 1
                          Carolina Monfort-Montero, BQN Bremen, Forum 2
                          Martina Helmcke, Initiative für Beschäftigung OWL e.V., Forum 3

16.30 h                   Ausblick und Verabschiedung

                          Anna Renkamp, Geschäftsstelle EQUAL IN.OWL

                          Gesamtmoderation: Purvi Patel (Journalistin)

                                                                                                    5
Migrantinnen und Migranten in Ausbildung und Beschäftigung - Integrationschancen durch Vernetzung und aktives Engagement
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Handlungsempfehlungen

Handlungsempfehlungen zur Integration von MigrantInnen in den Arbeitsmarkt

                        Die wichtigsten Ergebnisse aus den Foren in Kürze:

1. Die Potenziale von MigrantInnen müssen stärker ins Blickfeld rücken: Zweisprachigkeit
   und Kenntnisse über Kulturen und Mentalitäten sind hilfreich für Unternehmen beim
   Zugang zu neuen Märkten und Kunden. Unternehmen sollten dieses Potenzial nutzen.

2. Berufsbildungsabschlüsse aus anderen Ländern müssen in Deutschland anerkannt
   werden. Bewerbungstrainings und Personalentwicklungskonzepte zu den Potenzialen
   von Migrantinnen und Migranten sollen angeboten werden, um Unternehmen zu
   bewegen, vermehrt Mitbürger mit Migrationshintergrund einzustellen.

3. Interkulturelle Kompetenz sollte in Ausbildungsordnungen und Testverfahren
   aufgenommen werden, um auf die beruflichen Anforderungen in einem multikulturellen
   Umfeld im In- und Ausland vorzubereiten.

4. Kammern, Arbeitsämter, Bildungseinrichtungen und Migrantenorganisationen sollten
   Kooperationen eingehen und Berührungsängste abbauen.

5. Arbeitsämter und Bildungseinrichtungen sollten MigrantInnen als Berater einstellen, um
   Hemmschwellen zu senken und über die Zweisprachigkeit einen leichteren Zugang zu
   den Zuwanderern zu finden.

6. Auch kleinere Firmen, z.B. Handwerksbetriebe, sollten über die Potenziale von
   MigrantInnen informiert und mit unbürokratischen Förderprogrammen dazu angeregt
   werden, MigrantInnen zu beschäftigen.

7. Vereine von MigrantInnen, Moscheevereine, Sportvereine und türkische Medien sind
   wichtige Kommunikationskanäle. Darüber hinaus sollten mehrsprachige Hotlines
   eingerichtet werden, die über Bildungsabschlüsse und Berufe informieren.

8. Die öffentliche Hand sollte finanzielle Ressourcen für die professionelle Begleitung
   ehrenamtlicher Arbeit und die Koordination von Netzwerken zur Verfügung stellen.

9. Selbsthilfepotenziale von MigrantInnen müssen aktiviert werden, ehrenamtliches
   Engagement muss gefördert werden. MigrantInnen können Vorbildfunktion übernehmen
   und z.B. für Sprachkurse und formale Abschlüsse motivieren.

10. Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig: Erfolgreiche Beispiele und Projekte, positive Beispiele
    ehrenamtlichen Engagements und gelungener Integration müssen bekannt gemacht
    werden, um durch ihren Vorbildcharakter nachhaltig zu einer veränderten Praxis in den
    Institutionen beizutragen.

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Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Begrüßung Detlef Helling

Begrüßung

Detlef Helling
Bürgermeister der Stadt Bielefeld

Sehr geehrte Frau Renkamp,                     Und es muss ebenfalls betont werden,
meine sehr geehrten Damen und Herren,          dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
                                               mer mit Migrationshintergrund fast doppelt
für die Stadt Bielefeld begrüße ich Sie sehr   so stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind
herzlich zum Innovationsforum „Migrantin-      wie ihre deutschstämmigen Kollegen. Die-
nen und Migranten in Ausbildung und Be-        ses betrifft vor allem auch die unter 30-
schäftigung - Integrationschancen durch        Jährigen und Frauen.
Vernetzung und aktives Engagement“ hier
in unserer Stadthalle.                         Zudem zeigen Beobachtungen, meine
                                               Damen und Herren, dass Migrantinnen
Meine Damen und Herren, die Bevölke-           und Migranten vergleichsweise schneller
rungsforscher sind sich einig: in den          als Einheimische aus dem regulären
kommenden Jahrzehnten wird die Bevöl-          Arbeitsmarkt hinausgedrängt werden.
kerungszahl in Deutschland gravierend
sinken und der Anteil der Älteren zu- und      Vielen von Ihnen, meine Damen und
der Anteil der Jüngeren abnehmen. Das          Herren, sind vielleicht auch die Ergebnisse
hat – wie Sie alle wissen – für unsere         einer aktuellen Studie der Fakultät für
sozialen Sicherungssysteme erhebliche          Pädagogik der Bielefelder Universität zur
Konsequenzen.                                  Bildungs- und Ausbildungsbeteiligung be-
Diese Entwicklung kann durch eine ge-          kannt, nach der Bielefeld im Landesver-
zielte und gesteuerte Integrationspolitik      gleich schlecht abschneidet:
wie auch durch konkrete Maßnahmen
zwar nicht gestoppt, aber doch zumindest       Während im Landesdurchschnitt der Anteil
gemildert werden. Auf der anderen Seite        der Migrantenkinder an Hauptschulen 36
sind - auch das wissen wir - die gesell-       Prozent beträgt, sind es in Bielefeld 61
schaftlichen Integrationschancen der Ein-      Prozent, wobei zugleich auch gilt: Je hö-
wanderinnen und Einwanderer in erster          her die Schulform, desto geringer der
Linie abhängig von ihren Möglichkeiten am      Anteil der Migranten.
Arbeitsmarkt. Sichere Arbeitsplätze und
ein befriedigendes Einkommen sind die          Bezogen auf die jungen Arbeitslosen
Voraussetzung einer eigenständigen und         schneidet Bielefeld ebenfalls nicht besser
selbstbewussten Lebensführung.                 ab: In Bielefeld sind 32 Prozent der
Erkennbar ist jedoch, dass junge Migran-       Migranten unter 25 Jahren arbeitslos – im
ten - trotz einer insgesamt im Laufe der       Landesdurchschnitt liegt diese Quote bei
letzten Jahre verbesserten schulischen         23 Prozent.
und beruflichen Bildung - weiterhin über-
wiegend in den gleichen Wirtschaftsberei-
chen beschäftigt sind wie die Einwanderer
der ersten Generation.

                                                                                          7
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Begrüßung Detlef Helling

Meine Damen und Herren, alles in allem
lassen sich zwar insgesamt                   Deshalb halte ich es für wichtig, dass
beachtenswerte integrative Fortschritte      heute über neue Ansätze und Erfolge zur
feststellen; der Abstand zur deutschen       Aktivierung der Selbsthilfepotenziale von
Bevölkerung im Bildungs- und                 Migrantinnen und Migranten informiert
Beschäftigungsbereich ist jedoch auch 45     wird und zu einer bundesweiten
Jahre nach Abschluss des ersten              Verbreitung beigetragen werden soll.
Anwerbeabkommens weiterhin groß.
                                             Und ich begrüße auch, dass auf der
Ich denke, Sie werden mir darin              Veranstaltung andere gute Ideen und
zustimmen, dass durch politische Ent-        Konzepte vorgestellt werden, von denen
scheidungen allein sich wirtschaftliche      Bielefeld und die Region OWL lernen
Aufwärtsmobilität nur schwer herstellen      können, denn wir haben ein Interesse
lässt. Gesellschaft und Staat können je-     daran, von den Erfahrungen in anderen
doch ihrerseits dazu beitragen, dass nicht   Regionen zu profitieren, die bereits
auch noch die Migrantinnen und Migranten     erfolgreich neue, auch unkonventionelle
der sogenannten „vierten Generation“, die    Wege gehen.
alle hier geboren und aufgewachsen sind,
„Ausländer“ bleiben!                         Meine Damen und Herren, dass der
                                             Einladung so viele Vertreterinnen und
Und das tun wir – mit Blick auf das          Vertreter von Unternehmen und Behörden
eingangs Gesagte – in unserem ureigenen      wie auch Experten und Multiplikatoren
Interesse! Außerdem gehen uns wertvolle      nicht nur aus der Region OWL sondern
Kompetenzen verloren, die junge Migran-      aus dem gesamten Bundesgebiet gefolgt
tinnen und Migranten einbringen können.      sind, freut mich sehr und auch, dass
                                             etliche Migranten-Selbstorganisationen
Meine Damen und Herren, vor diesem           teilnehmen.
Hintergrund ist Bielefeld sehr an neuen
Konzepten und Modellen und vielfältigen      Ihr Interesse dafür geweckt haben Frau
Initiativen aus den unterschiedlichen        Anna Renkamp von der Bertelsmann
Regionen Deutschlands interessiert und       Stiftung und Herr Özer von Mozaik
froh, dass es das EQUAL Projekt              Consulting, denen ich abschließend
„MigrantInnen integrieren MigrantInnen in    meinen herzlichen Dank für die
Bielefeld/OWL“ gibt. Dabei unterstützen      Organisation dieses Innovationsforums
beruflich erfolgreiche Migranten ehrenamt-   aussprechen möchte. Beiden, wie auch
lich andere Migranten bei der Arbeits-       Ihnen allen, wünsche ich deshalb letztlich
markteingliederung.                          viel Erfolg bei dieser Veranstaltung und ich
                                             hoffe, dass von diesem Forum viele neue
Denn ich bin der Meinung, dass wir in der    Impulse ausgehen.
Vergangenheit die für die Wirtschaft wert-
vollen Potenziale unterschätzt bzw. nicht    Vielen Dank!
gefördert haben.

8
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Begrüßung Anna Renkamp

Begrüßung

Anna Renkamp
Geschäftsstelle EQUAL IN.OWL

Sehr geehrter Herr Helling, lieber
Cemalettin Özer, liebe EQUAL                 Konkreter Anlass für die Veranstaltung
Projektpartner, meine sehr verehrten         heute ist unser EQUAL Projekt
Damen und Herren,                            MigrantInnen integrieren MigrantInnen,
                                             das von Mozaik Consulting in Kooperation
ich begrüße Sie hier im Namen der            mit den AWO Verbänden Bielefeld,
Bertelsmann Stiftung als verantwortliche     Gütersloh und Herford hier in der Region
Leiterin und Koordinatorin des Inno-         OWL umgesetzt wird. MIM ist ein
vationsnetzwerkes für Beschäftigung in       Teilprojekt unseres über das EQUAL
Ostwestfalen-Lippe EQUAL IN.OWL.             Programm der Europäischen Union
Herzlich willkommen.                         geförderten Netzwerkes IN.OWL. In
                                             Ostwestfalen – Lippe haben sich die
Auch wenn die Statistiken zur Bildungs-      Arbeitsämter, Kommunen und Kreise, Be-
und Beschäftigungssituation der              schäftigungsgesellschaften, die Kammern,
Migrantinnen und Migranten noch nicht        Arbeitsloseninitiativen und andere
sehr gut aussehen, ist in den letzten        arbeitsmarktpolitische Akteure zu diesem
Jahren einiges in Bewegung geraten. Mit      Netzwerk zusammengeschlossen. Unser
dem Aktionsprogramm zur Verbesserung         Ziel ist es u.a., die Beschäftigungsfähigkeit
der Bildungschancen von Migrantinnen         von Migranten, Jugendlichen, Frauen und
und Migranten des Bündnisses für Arbeit      Langzeitarbeitslosen zu verbessern. Wir
sind neue Impulse gesetzt und Förderpro-     haben dazu mehrere Projekte angesto-
gramme aufgelegt worden. Viele Aktivitä-     ßen, unter anderem das Projekt
ten wurden gestartet, die an die positiven   „MigrantInnen integrieren MigrantInnen“.
Kompetenzen und Potenziale der Migran-
tinnen und Migranten anknüpfen – und
nicht mehr so sehr die Defizite in den       Es ist das erste Innovationsforum, das wir
Vordergrund stellen. Die große Bedeutung     im Rahmen unseres Netzwerkes
der Kooperation und Vernetzung               durchführen. Unsere Innovationsforen
unterschiedlicher Bereiche und Akteure       dienen dazu, über die Erfahrungen,
wurde erkannt. In der Vorbereitung auf       Ergebnisse und Erfolge aus unseren
diese Veranstaltung habe ich gemerkt,        Projekten zu berichten, zu einer Verbrei-
dass es mittlerweile eine Fülle von neuen    tung der erfolgreichen Ansätze und Verän-
Ideen, Modellen und Projekten gibt – diese   derung der Praxis in der Arbeitsmarktpoli-
jedoch häufig über die eigene Region         tik beizutragen. – mit einem
hinaus nicht bekannt sind und noch kaum      fördertechnischen Begriff ausgedrückt:
Eingang gefunden haben in die normale        zum Mainstreaming innovativer Ansätze
Praxis der Institutionen und Träger der      beizutragen.
Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik. Von
einer – auch institutionell gesicherten -    Wir möchten Ihnen heute jedoch nicht nur
Kooperation und Vernetzung aller rele-       den spezifischen Ansatz unseres Projekts
vanten Akteure vor Ort sind wir noch weit    MIM der ehrenamtlichen Arbeit von
entfernt.                                    MigrantInnen für MigrantInnen vorstellen,

                                                                                        9
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Begrüßung Anna Renkamp

sondern auch viele andere interessante         Mich hat das große Interesse an dem
Ansätze und Modelle zur Integration von        Innovationsforum im Vorbereitungsstress
Migrantinnen und Migranten aus anderen         immer wieder motiviert. Bedanken möchte
Regionen Deutschlands präsentieren,            ich mich schon jetzt bei den 24 Referen-
einen Austausch anregen und gemeinsam          tInnen, ModeratorInnen und ExpertInnen
mit Ihnen Handlungsempfehlungen                für ihr großes Engagement und die
erarbeiten.                                    sorgfältige Vorbereitung der Veranstaltung.

Ich freue mich, dass die Veranstaltung auf     Wir werden über die Veranstaltung eine
so großes Interesse gestoßen ist und Sie       Dokumentation erstellen, die Sie
so zahlreich der Einladung gefolgt sind.       bekommen werden, die Ergebnisse mit
Vielen Dank dafür! Besonders positiv finde     den Handlungsempfehlungen, die wir
ich, dass so viele Akteure, die alle mit der   gemeinsam heute erarbeiten werden,
Integration von Migrantinnen und               werden über die Presse und weitere Me-
Migranten beruflich befasst sind, aus den      dien veröffentlicht.
unterschiedlichen Bereichen und
Regionen Deutschlands heute zusammen           Ich wünsche allen Beteiligten eine
gekommen sind und zusammen arbeiten            spannende Veranstaltung mit vielen guten
werden. Im Vorfeld der Veranstaltung habe      Ideen und Anregungen für ihre eigene
ich mit Frau Prof. Dr. Süssmuth                berufliche Praxis. Ich hoffe, dass es uns
gesprochen, die Vorsitzende des                gelingt, Handlungsempfehlungen zu erar-
Sachverständigenrats für Zuwanderung           beiten, die nachhaltige Wirkungen zeigen
und Integration. Sie wäre gerne                und die Integration von Migrantinnen und
gekommen, musste ihre Teilnahme                Migranten in Ausbildung und
aufgrund eines anderen Termins leider          Beschäftigung ein Stück weit voranbringen
absagen. In Vertretung für Frau Süssmuth       und Sie hinterher sagen, es hat sich
begrüße ich Herrn Dr. Wapler vom               gelohnt, an diesem Innovationsforum
Bundesamt für die Anerkennung ausl.            teilzunehmen.
Flüchtlinge aus Nürnberg. Frau Süssmuth
hat zugesagt, dass die Ergebnisse dieser       Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Veranstaltung an den Zuwanderungsrat
berichtet werden.

10
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Hintergrundreferat Elmar Hönekopp

Hintergrundreferat

Elmar Hönekopp
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
(IAB), Nürnberg

Zuwanderungssteuerung: Einwanderung und Arbeitsmarktintegration vor dem
Hintergrund von Tendenzen bei Arbeitskräfteangebot und -nachfrage

1. Größenordnungen der                            schäftigung in Deutschland nicht unwe-
   gegenwärtigen Einwanderung                     sentlich erhöht.
Im Saldo sind im vergangenen Jahrzehnt            Die genannte Netto-Einwanderung von 4,6
(1990 bis 2002) ca. 4,6 Millionen Perso-          Millionen Personen ist in unterschiedlicher
nen netto nach Deutschland einge-                 Weise arbeitsmarktrelevant: teilweise war
wandert. Hierin sind alle Einwanderer-            sie direkt arbeitsmarktorientiert, zumindest
gruppen eingeschlossen: Ausländer und             aber war und ist sie zeitverzögert für den
Deutsche; Asylbewerber, Flüchtlinge,              Arbeitsmarkt von Bedeutung, da die Per-
Aussiedler und Familienangehörige; Bil-           sonen in der Regel irgendwann auch nach
dungs- oder Arbeitsmigranten. Dahinter            Arbeit suchen werden, das Arbeitskräfte-
verbergen sich viele Millionen Zuzüge und         potenzial also quantitativ verändern.
Fortzüge. Migration ist nichts
                                                  Diese Wanderungen bzw. Mobilitätspro-
abgeschlossenes, sondern bedeutet lau-
                                                  zesse verliefen z.T. durchaus im Sinne
fende Anpassungsprozesse, inter- und
                                                  einer Einwanderungspolitik direkt gesteu-
intranational, inter- und intraregional, inter-
                                                  ert (wie bei den Aussiedlern oder den
und intragenerativ.
                                                  Programmarbeitnehmern aus den MOE-
Zusätzlich hat sich seit 1990 verstärkt eine      Ländern).
internationale Arbeitskräftemobilität
                                                  2. Aktuelle Arbeitsmarktentwicklung
besonderer Art entwickelt: die befristete
Beschäftigung von Personen insbeson-              Der innerhalb der letzten drei Jahre zu
dere aus den mittel- und osteuropäischen          beobachtende fast schon überraschende
Transformations- bzw. (heutigen) Bei-             mehrfache Diskurswechsel in der
trittsländern als Werkvertrags-, Saison-,         politischen Diskussion zu den Entwicklun-
Grenz- oder „neue“ Gastarbeitnehmer.              gen auf dem Arbeitsmarkt und zu den
Hierdurch hat sich der Bestand der Be-            notwendigen Schlussfolgerungen für eine
                                                  Einwanderungspolitik – zunächst

                                                                                           11
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Hintergrundreferat Elmar Hönekopp

ausgelöst durch die Debatte um die                  die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die
sogenannte „Greencard“ - wirft die Frage            Arbeitslosenquote für Personen ohne
auf, ob die Situation sich tatsächlich              Ausbildung lag 2000 bei 20 v.H.
grundlegend verändert hat, oder ob die              (Deutschland-West) bzw. bei 50 v.H.
Wahrnehmung nur eine andere geworden                (Deutschland-Ost), für Fachhochschul-
war. Wurde bis dahin vor allem von an-              und Hochschulabsolventen jedoch nur bei
haltender Massenarbeitslosigkeit und vom            3 v.H. (West) bzw. bei 5 v.H. (Ost). Diese
Ende der Erwerbsarbeit gesprochen, so               Schere klafft im Zeitverlauf immer weiter
ging es dann um eine Halbierung der                 auseinander (siehe hierzu
Arbeitslosigkeit, Vollbeschäftigung                 Reinberg/Hummel 2002).
innerhalb weniger Jahre und drohenden
                                                    In der Landwirtschaft und im Hotel- und
Fachkräftemangel (Fuchs, Schnur, Zika
                                                    Gaststättengewerbe steigt die Nachfrage
2000). Diese längerfristig orientierten
                                                    nach ausländischen Saisonarbeitnehmern
Argumente hat man dann allerdings
                                                    in den letzten Jahren kontinuierlich an. Im
schnell wieder im Vorfeld der Bundes-
                                                    vergangenen Jahr wurden hier mehr als
tagswahl 2002 und vor dem Hintergrund
                                                    300.000 ausländische Arbeitskräfte
eines heftigen, nicht erwarteten Konjunk-
                                                    beschäftigt, da kaum ein Angebot an
tureinbruchs beiseite geschoben.
                                                    Inländern existierte. Auch die Nachfrage
Trotz einer Arbeitslosigkeit von derzeit 4,2        nach ausländischen Haushaltshilfen
Millionen Personen und einer Gesamtar-              wächst. Hier ist eine legale Beschäftigung
beitslosenquote von 10,1 Prozent stellt             von Personen aus einigen EU-Beitrittslän-
sich die Situation und Entwicklung recht            dern im Gefolge des sogenannten Leh-
unterschiedlich dar, etwa bei einer                 mann-Erlasses möglich geworden3.
regionalen Betrachtung oder für bestimmte           Insgesamt wurden 2002 ca. 360.000
Personengruppen oder sektoral. Schon im             Personen aus den mittel- und
groben Ost-West-Vergleich gibt es                   osteuropäischen Ländern als sogenannte
wesentliche Unterschiede: In Ostdeutsch-            Programmarbeitnehmer (überwiegend als
land liegt die Arbeitslosenquote am                 Saison- und auch als Werkvertragarbeit-
aktuellen Rand (September 2003,                     nehmer) beschäftigt – mit steigender
Angaben der Bundesanstalt für Arbeit) im            Tendenz (siehe folgende Tabelle). Auch
Durchschnitt bei 17,8 v.H., aber bei „nur“          die Nachfrage nach gutqualifizierten
8,1 v.H. in Westdeutschland. Noch                   Arbeitskräften aus dem Ausland nimmt
deutlicher werden die Diskrepanzen bei              zumindest in einzelnen Segmenten zu. Die
einem Vergleich auf Arbeitsamtsebene mit            Entwicklungen im Zusammenhang mit der
dem Maximum von ca. 24 v.H. (Neubran-               „Greencard“-Regelung geben hierzu
denburg) oder ca. 15 v.H. in West-                  Hinweise.4
deutschland (Gelsenkirchen) und einem
Minimum von 4 v.H. (Freising). Ausländer            Somit scheinen schon diese ersten groben
und Aussiedler sind wesentlich stärker von          Hinweise zu signalisieren, dass einerseits
Arbeitslosigkeit betroffen als Deutsche:            die ökonomischen Anreize für einen zu-
Die Arbeitslosenquote für Ausländer liegt           mindest in der Tendenz funktionierenden
fast doppelt so hoch wie die der                    regionalen Ausgleichsprozess nicht aus-
Deutschen (Hönekopp 2000b). Für                     reichend sind und von daher bei
Personen mit einer Staatsangehörigkeit
aus dem Gebiet der früheren Sowjetunion
                                                    3
errechnet sich eine Arbeitslosenquote von             Die entsprechende Verordnung ist allerdings im
50 v.H. (20012).                                      Zusammenhang mit den politischen Diskussionen
                                                      um das Zuwanderungsgesetz und dessen
Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit                  Außerkraftsetzen durch das
verläuft auch nach Qualifikationsebenen               Bundesverfassungsgericht ausgelaufen. Eine
wesentlich ungleicher: Je niedriger die               Wiedereinsetzung scheint derzeit nicht
formale Qualifikation, desto ungünstiger ist          beabsichtigt.
                                                    4
                                                      Die „Greencard“-Verordnung wurde gerade bis
                                                      zum 31.12.2004 verlängert. Eine Bewertung der
2
    Berechnet unter Verwendung der Ergebnisse der     Arbeitsmarktsituation von „Greencard“-Inhabern
    Strukturanalyse 2001 (September ) und der         in Deutschland geben Schreyer/Gebhardt 2003
    Beschäftigtenstatistik (Juni 2001)                und Schreyer 2003.

12
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Hintergrundreferat Elmar Hönekopp

insgesamt weiterhin hoher Arbeitslosigkeit                                                             Erst Nettowanderungen in einer Grö-
offensichtlich regionale Engpässe                                                                      ßenordnung von 500.000 Personen
gegeben sind, und dass sich andererseits                                                               würden das Potenzial zunächst wesentlich
augenscheinlich für Hochqualifizierte, aber                                                            erhöhen, den Rückgang aber nur (um ca.
auch für weniger gut Qualifizierte in ein-                                                             20 Jahre) verschieben (Fuchs, Thon
zelnen Sektoren bzw. Tätigkeitsbereichen,                                                              1999).
schon auf dieser allgemeinen
                                                                                                       Aktuelle, neuere Bedarfsprojektionen sind
Betrachtungsebene Knappheiten auf dem
                                                                                                       wegen fehlender Daten (Revision der
Arbeitsmarkt andeuten.
                                                                                                       VGR) derzeit nicht verfügbar. Das
                                                                                                       grundlegende Bild, wie es im Jahr 1998
                                                 Mittel- und osteuropäische Programmarbeitnehmer in Deutschland
                                                                             insgesamt
                                                                            1991 - 2002
                              1991          1992      1993       1994     1995      1996    1997     1998     1999                                2000        2001   2002 (6)
  Werkv.-AN (1)               51.771        93.592     67.270    39.069   47.565     44.020 37.021   31.772    38.620                             43.575      45.379   43.839
  Saison-AN (2)              118.393       195.446 165.753 140.657 175.672 203.921 210.174 208.028 230.343                                       263.795     284.690 307.167
  Gast-AN (3)                  2.234         5.057       5.771    5.529    5.478      4.341  3.165    3.083     3.705                              5.891       5.338    4.864
  Kr.-pfl.-Pers. (3)                         1.455         506      412       367       398    289      125        74                                140         318      358
  Grenz-AN (4)                   7.000      12.400     11.200     8.000    8.500      7.500  5.900    5.700     4.020                              3.980       4.633    4.100
  Haushaltshilfen (5)                                                                                                                                                   1.102
  insgesamt                  179.398       307.950       250.500      193.667       237.582       260.180      256.549       248.708   276.762   317.381     340.358 361.430
  1) Jahresdurchschnittswerte 2) realisierte Vermittlungen, incl. Schausteller 3) Vermittlungen                                                                   © IAB-Hö 0308
  4) Beschäftigte (Wohnort/Arbeitsortvergleich), angepaßt über Arbeitserlaubnisdaten
  5) seit Februar 2002 6) Grenz-AN geschätzt
  Quelle: IAB-Dateien zur MOE-Beschäftigung (IAB-Hö), eigene Berechnungen bzw. Schätzungen;
  zum Verfahren vgl.: Elmar Hönekopp, Labour Migration to Germany from Central and Eastern Europe - Old and New Trends, IAB Topics No. 23, Nuremberg 1997;
  und: ders., Zentral und Osteuropäische Programmarbeitnehmer in Deutschland - Beschäftigungsentwicklung und Einkommensübertragungen in die Heimatländer,
  in: Informationen für die Beratungs- und Vermittlungsdienste der Bundesanstalt für Arbeit (ibv), Nr. 28/99 vom 14. Juli 1999

                                                                                                       mit den damaligen Projektionen des
                                                                                                       Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-
3. Mittelfristige und längerfristige                                                                   schung (IAB) gezeichnet wurde (Fuchs
   Perspektiven                                                                                        u.a. 1998) und die dortige Diskussion der
Die oben angesprochene, derzeit                                                                        zugrunde gelegten Annahmen zur
allerdings unterbrochene Trendwende auf                                                                Entwicklung von realer
dem Arbeitsmarkt zum Positiven war einer-                                                              Bruttowertschöpfung, Arbeitsproduktivität,
seits bedingt durch die (noch) relativ                                                                 Löhnen und Arbeitszeit dürfte sich aber
günstigen ökonomischen Rahmenbedin-                                                                    auch mit einer neuen Datenbasis nicht
gungen und ihre Wirkungen auf die                                                                      ändern. Für Westdeutschland kann daher
Arbeitskräftenachfrage. Andererseits sind                                                              mit einer leicht expansiven Entwicklung
aber auch bereits Entlastungstendenzen                                                                 der Erwerbstätigkeit gerechnet werden. In
auf der Arbeitskräfteangebotsseite                                                                     Ostdeutschland sind jedoch nur in
abzusehen. Aufgrund der Altersstruktur                                                                 wenigen Teilbereichen Anzeichen für eine
der Bevölkerung und des Erwerbsperso-                                                                  eigendynamische Entwicklung zu erken-
nenpotenzials scheiden mehr Personen                                                                   nen, weshalb es dort kaum zu einem
aus dem Arbeitsmarkt aus als Personen                                                                  Anstieg der Erwerbstätigkeit kommen
neu auf den Arbeitsmarkt kommen.                                                                       dürfte.
Allerdings wird dies derzeit bereits durch                                                             In einer Gegenüberstellung der Entwick-
eine steigende Erwerbsneigung                                                                          lung von Arbeitskräfteangebot und -
(insbesondere von Frauen)                                                                              nachfrage bedeuten diese Feststellungen,
überkompensiert (Bach u.a. 2001). Der                                                                  dass auch auf mittlere Sicht (bis 2010) die
demografische Effekt wird sich aber in den                                                             Unterbeschäftigung im Westen nur relativ
nächsten Jahren deutlich verstärken.                                                                   geringfügig zurückgehen wird, während
Ohne Einwanderung und selbst bei der                                                                   sie im Osten sogar weiter ansteigen
Annahme des Anstiegs der                                                                               könnte. Eine Unterauslastung des
Erwerbsneigung auf ein Niveau wie in                                                                   Erwerbspersonenpotenzials in einer
Skandinavien wird das Erwerbspersonen-                                                                 Größenordnung von insgesamt ca. 5 bis 6
potenzial etwa ab 2010 rapide abbrechen.                                                               Millionen Personen auch noch um das
Auch bei angenommenen Nettozuwande-                                                                    Jahr 2010 ist somit nicht unwahr-
rungen von z.B. 200.000 Personen pro                                                                   scheinlich.
Jahr wird dieser Effekt (mit geringer
verschiebender Wirkung) weiter existieren.

                                                                                                                                                                             13
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Hintergrundreferat Elmar Hönekopp

4. Projektionen zur Nachfrage nach            -   Dies wirkt sich auf einen klaren Trend
   Fachkräften                                    hin zur Nachfrage nach Hochschul-
                                                  und Fachhochschulabsolventen und
Diese Arbeitskräftebilanzaussagen geben -
                                                  auf einen Rückgang der Nachfrage
entsprechend den obigen Erörterungen
                                                  nach Geringqualifizierten aus. Die
zur aktuellen Arbeitsmarktlage - keine
                                                  Nachfrage nach Absolventen mit
Hinweise auf die strukturellen
                                                  mittlerem Bildungsniveau dürfte
Entwicklungen (für Wirtschaftszweige,
                                                  stagnieren.
Personengruppen, Regionen), sondern
zeigen nur den allgemeinen Rahmen der         Die Analysen berücksichtigen die wesent-
zukünftigen Entwicklung an. Das IAB hat       lichen Grundannahmen zur Entwicklung
deswegen bereits mehrfach in der Ver-         der Weltwirtschaft und des internationalen
gangenheit zusammen mit Prognos               Handels, die technische Entwicklung und
(Basel) längerfristige Projektionen der       damit die der Arbeitsproduktivität,
Arbeitslandschaft erarbeitet, die zuletzt     Annahmen zur Zins- Lohn- und Preisent-
1999 (unter der Berücksichtigung der          wicklung und Nachfragestruktureffekte im
veränderten Situation in einem vereinten      Zusammenhang mit dem Alterungspro-
Deutschland) überprüft und aktualisiert       zess der deutschen Bevölkerung.
wurden. Hierbei werden in nach Sektoren
                                              Insofern vermitteln diese Projektionen
und Tätigkeitsbereichen tief
                                              plausible Vorstellungen der Strukturverän-
disaggregierten Analysen die Grundlagen
                                              derungen bei der Arbeitskräftenachfrage
für längerfristige Aussagen zu den Verän-
                                              und geben Anstöße für Umorientierungen
derungsprozessen auf Wirtschaftszweig-
                                              bei der Bildungsstrukturpolitik.
ebenen und damit verbunden der Tätig-
keiten (einschließlich ihrer qualifikatori-   Letztlich nicht möglich sind jedoch auf
schen Inhalte und der Nachfrage nach Ab-      dieser Basis Aussagen zur quantitativen
solventen der verschiedenen Niveaus des       Entwicklung der Arbeitskräftenachfrage
Bildungssystems) geschaffen. Der              (und schon gar nicht zu einem Bedarf an
Projektionshorizont der aktuellsten Studie    arbeitsmarktorientierter Einwanderung), da
geht bis zum Jahr 2010.                       diese von den vielen Parametersetzungen
                                              und deren laufenden Veränderungen
Zentrale Aussagen sind (Schnur 1999;
                                              abhängen. Insbesondere können aber
Dostal, Reinberg 1999; Schüssler u.a.
                                              keine Hinweise gegeben werden zu
1999 und Weidig 1999, Schnur, Zika
                                              Knappheiten auf dem qualifikationsspezifi-
2002):
                                              schen Arbeitsmarkt, denn es fehlt das
-    Die relative Beschäftigung in den        wichtige Pendant einer längerfristigen
     Dienstleistungsbranchen steigt weiter    Angebotsprojektion der Absolventen aus
     an, wohingegen mit weiteren Verlusten    dem Bildungssystem, differenziert nach
     im warenproduzierenden Gewerbe und       den Qualifikationsebenen (und Fachrich-
     in der Land- und Forstwirtschaft zu      tungen). Eine solche Projektion ist derzeit
     rechnen ist.                             noch nicht möglich gewesen.
-    Damit verbunden (aber auch wegen
                                              5. Ergänzende Hinweise auf
     der generellen intrasektoralen
                                                 tatsächliche (aktuelle) Knappheiten
     Entwicklung hin zu höherem Human-
                                                 auf dem Arbeitsmarkt
     kapitaleinsatz) sind deutlich höhere
     Anteile bei den Dienst-                  Exakte Vorhersagen zum Arbeitskräftebe-
     leistungstätigkeiten zu erwarten.        darf sind nach dem bisher gesagten
     Gleichzeitig nehmen                      grundsätzlich nicht und schon gar nicht in
     produktionsorientierte Tätigkeiten ab.   einer feinen Differenzierung möglich. Es ist
                                              daher die Frage, wie die Situation am
-    Insbesondere werden die Beschäfti-
                                              aktuellen Rand gegeben ist. Welche
     gungsanteile anspruchsvollerer Tätig-
                                              zusätzlichen Informationen stehen dann
     keiten (wie Disposition, Organisation,
                                              zur Verfügung, um Anspannungsten-
     Management, Planung, Beratung,
                                              denzen aufzuzeigen, aus denen man
     Forschung, Entwicklung) stark
                                              gegebenenfalls auch Schlussfolgerungen
     anwachsen.
                                              für Stellenbesetzungsprobleme ableiten

14
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Hintergrundreferat Elmar Hönekopp

kann? Folgendes kann, basierend auf            dem Arbeitsmarkt und zur zukünftigen
verschiedenen Daten bzw. Informations-         Entwicklung geben aber deutliche
quellen, gesagt werden:                        Hinweise, dass mit einer Zunahme von
                                               Knappheiten in verschiedenen
-   Die Auswertung der letzten Wellen des
                                               Teilbereichen zu rechnen ist. Dies betrifft
    IAB-Betriebspanels zeigt, dass in der
                                               derzeit zunächst vor allem Hochschul- und
    Tendenz zusätzlicher Fachkräftebedarf
                                               Fachhochschulabsolventen der Fachrich-
    und die Schwierigkeiten bei der
                                               tungen Informatik, Mathematik, Physik,
    Besetzung von Stellen ein
                                               Chemie, aber auch andere im Bereich der
    zunehmendes Problem darstellen
                                               personenbezogenen Dienstleistungen
    dürfte. Dies betrifft insbesondere
                                               (z.B. Altenpflege). Die Politik ist gefordert,
    Fachhochschul- und Hochschulabsol-
                                               diese Hinweise nicht nur zur Kenntnis zu
    venten, davon wiederum v.a.
                                               nehmen, sondern ein Gesamtkonzept zu
    Ingenieure, Informatiker und
                                               entwickeln, durch das sowohl auf der An-
    Mathematiker. Im Jahr 2000 gaben
                                               gebots- wie auf der Nachfrageseite (unter
    über 20 v.H. der Betriebe an, offene
                                               Einbeziehung von Setzungen zu
    Stellen nicht besetzen zu können.
                                               arbeitsmarktorientierter Zuwanderung)
-   Das IAB führt seit über 10 Jahren          Potenziale einerseits besser genutzt wer-
    regelmäßig Repräsentativerhebungen         den und andererseits die ökonomischen
    über das gesamtwirtschaftliche             Anpassungsprozesse auf den
    Stellenangebot durch. Die jüngsten         Arbeitsmärkten gefördert werden. Eine
    Erhebungen deuten dabei zwar an,           Akzeptanz notwendig werdender Zuwan-
    dass westdeutsche Betriebe häufiger        derung wird hierdurch gefördert.
    als früher über Arbeitskräftemangel
                                               Genaue Vorhersagen eines
    berichten. Dies bewegt sich jedoch mit
                                               Fachkräftebedarfs oder gar einer exakten
    15 v.H. auf einem Niveau wie schon
                                               Lücke zwischen Arbeitskräfteangebot und
    bei früheren ähnlichen Phasen (Ende
                                               -nachfrage und damit eines
    der achtziger, Anfang der neunziger
                                               arbeitsmarktorientierten Ein-
    Jahre). Allerdings sehen sich einzelne
                                               wanderungsbedarfs sind weder allgemein
    Wirtschaftszweige mit einer
                                               und schon gar nicht speziell (nach
    zunehmenden Schlüsselrolle in der
                                               Berufen, Qualifikationsniveaus oder
    Volkswirtschaft besonders betroffen:
                                               Regionen) möglich. Selbst wenn den
    27 v.H. der konsumnahen und der
                                               bisher vorliegenden Projektionen der
    wirtschaftnahen Dienstleistungen
                                               strukturellen Entwicklung der Arbeitskräf-
    äußern Probleme mit dem
                                               tenachfrage Projektionen der Absolven-
    Arbeitskräftemangel. In
                                               tenzahlen nach Bildungsniveaus und
    Ostdeutschland ist Arbeitskräftemangel
                                               Ausbildungs- bzw. Fachrichtungen ge-
    nur von geringer Bedeutung.
                                               genübergestellt werden könnten, wären
-   Die Laufzeiten offener Stellen sind seit   hierüber nur Richtungen aufzuzeigen,
    1997 stetig angestiegen und haben          innerhalb derer Bildungs-, Beschäftigungs-
    inzwischen den Stand von 1992              und Wirtschaftspolitik die Zukunft im
    (Hochkonjunkturjahr) erreicht. Die         Gesamtkontext zu gestalten haben.
    Entwicklung der Laufzeiten signalisiert
                                               Bei aller Wichtigkeit der Berücksichtigung
    eine zunehmende Anspannung bzw.
                                               der allgemeinen Wohlfahrtseffekte der
    einen steigenden Mismatch bei den
                                               internationalen Migration von
    Besetzungsvorgängen. Dabei zeigt
                                               Arbeitskräften bleibt es Aufgabe der
    sich, dass die Besetzungszeiten
                                               Politik, die einheimischen Potenziale
    insbesondere in den Berufssegmenten
                                               besser zu nutzen, einerseits um die
    der Ingenieure, Chemiker, Mathemati-
                                               Rendite aus Investitionen ins Humanka-
    ker und Physiker besonders hoch sind.
                                               pital zu erhöhen, andererseits um die ge-
6. Bewertung der Ergebnisse                    sellschaftspolitische Akzeptanz von
                                               Arbeitskräfteeinwanderung bei auch für die
Exakte Schätzungen eines Fachkräftebe-         kommenden Jahre sehr wahrscheinlich
darfs sind nicht möglich. Vorliegende Un-      hoher Arbeitslosigkeit (zumindest in Teil-
tersuchungen zur aktuellen Situation auf

                                                                                          15
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Hintergrundreferat Elmar Hönekopp

segmenten des Arbeitsmarktes)                − durch Verbesserung der institutionellen
sicherzustellen.                               Rahmenbedingungen, um so auf fle-
Oben wurde dargestellt, dass schon heute       xiblere Anpassungen an den Umstruk-
Anspannungstendenzen in Teilbereichen          turierungsprozess der Wirtschaft und an
des Arbeitsmarktes existieren und bei der      die Nachfrage nach Arbeitskräften ein-
absehbaren Entwicklung des Arbeitskräf-        zuwirken,
tepotenzials weiter zunehmen werden.         − durch Erleichterung individuell gestal-
Zuwanderung ist hier nur eines von             teter Arbeitszeiten (etwa Teilzeitarbeit
mehreren möglichen Mitteln, um steuernd        oder Wechsel zwischen verschiedenen
und ausgleichend in die Prozesse des           Arbeitszeitmodellen je nach Familien-
Arbeitsmarktes einzugreifen. Grund-            situation),
sätzlich sind nach diesen Untersuchungen     − durch Förderung der betrieblichen
daneben folgende Steuerungs-                   Weiterbildung über die gesamte Er-
möglichkeiten gegeben (Hönekopp 1993,          werbsphase hinweg.
Walwei 2001):                                Diesen Maßnahmen sind in ihrer
1. Auf der Angebotsseite:                    Wirksamkeit allerdings Grenzen gesetzt,
                                             gerade was die Erhöhung der
− durch Qualifizierung und Aktivierung       Erwerbsbeteiligung von Frauen oder von
  der Arbeitslosen,                          Älteren angeht. Auch lässt sich das
− durch Arbeitszeitgestaltung                Rentenalter aus biologischen Gründen
  (Verlängerung von Wochen- oder             nicht beliebig erhöhen. Aber insgesamt
  Lebensarbeitszeiten),                      könnten die vorhandenen Potenziale
− Regelungen zur Bildungsdauer (obwohl       besser genutzt werden.
  es sich hier eher um die Verteilung über
                                             Gleichzeitig ist wichtig, die
  das Arbeitsleben als um eine generelle
                                             unterschiedlichen Fristigkeiten zu
  Verkürzung der Bildungsdauer handeln
                                             berücksichtigen zwischen aktuellen
  kann, da sonst mit negativen Auswir-
                                             Entwicklungen bei Anspannungen in
  kungen auf die Wettbewerbsfähigkeit
                                             Teilsegmenten auf dem Arbeitsmarkt und
  der deutschen Wirtschaft zu rechnen
                                             denen der Wirkung der dargestellten
  wäre),
                                             möglichen Maßnahmen. Von daher
− Steuerung von Bildungsinvestitionen
                                             müssen die Maßnahmen immer als Teil
  hin in erwartbare Richtungen des
                                             eines Gesamtkonzeptes (einschließlich
  Bedarfs von Fachkräften und Erhöhung
                                             arbeitsmarktorientierter Wanderungen)
  der Investitionen gerade in den Teilen
                                             gesehen werden.
  des Bildungssystems, die zur besseren
  Integration von derzeit noch
                                             7. Exkurs: Aktivierung inländischen
  benachteiligten Gruppen (Ausländer,
                                             Erwerbspersonenpotenzials – das
  Aussiedler) wesentlich beitragen
                                             Beispiel der Ausländer
  könnten,
− durch Erhöhung der Erwerbsbeteiligung      Eine tragfähige Teilhabe am Erwerbsleben
  insbesondere von Frauen, Älteren und       ist auch die beste Voraussetzung für eine
  Ausländern (Hönekopp 2000a),               erfolgreiche Integration ausländischer Mit-
− auch steuer- und versicherungsrechtli-     bürger – insbesondere der jüngeren. Ein
  che Regelungen können den Anreiz zur       Blick auf die Fakten indes macht klar, dass
  Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beein-     dieser Prozess immer weniger gut
  flussen (Ehegattensplitting,               gelingen mag: Die Schere zwischen
  Mitversicherungsmöglichkeit bei der        Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage klafft
  Krankenversicherung des arbeitenden        immer weiter auseinander. Nach Jahren
  Ehepartners).                              umfangreicher Nettozuwanderung nach
2. Auf der Nachfrageseite                    Deutschland ist derzeit ein moderater
                                             Saldo von Zu- und Fortzügen in der
− durch Forcierung des Sachkapitalein-       Bundesrepublik zu beobachten. Das
  satzes (und damit durch eine Erhöhung      Bevölkerungswachstum ist gleichzeitig
  der Arbeitsproduktivität),                 erheblich zurückgegangen. Der
                                             Ausländeranteil verharrt bei etwa

16
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
Hintergrundreferat Elmar Hönekopp

10,5 Prozent. Trotzdem wird das                           Deutschen tendenziell steigt,
ausländische Arbeitskräftepotenzial in                    insbesondere wegen der zunehmenden
Deutschland kräftig steigen. Der Zuwachs                  Erwerbsneigung (von Frauen, fällt sie bei
dürfte insbesondere bei Türken recht hoch                 Ausländern deutlich zurück. Dabei hatte
sein. Der Grund liegt in der Altersstruktur:              sie 1982 noch bei allen ausländischen
Die Altersgruppen der unter 15-Jährigen                   Nationalitäten über der deutschen gele-
sind bei den Ausländern wesentlich                        gen. Im Vergleich zu 1982 haben von der
stärker besetzt als bei der                               ausländischen erwerbsfähigen
Gesamtbevölkerung. Das bedeutet, dass                     Bevölkerung im Jahre 2002 ca. 10 Prozent
in den nächsten Jahren wesentlich mehr                    weniger den Zugang zum deutschen
Ausländer in den Arbeitsmarkt eintreten                   Arbeitsmarkt gefunden. Allerdings muss
als altersbedingt ausscheiden werden.                     man berücksichtigen, dass die Zahl der
                                                          ausländischen Erwerbspersonen in der
Die hohen Zugänge von Ausländern in                       fraglichen Zeit durch natürliches
den Arbeitsmarkt erfordern erhebliche                     Bevölkerungswachstum und durch
bildungspolitische Anstrengungen, damit                   Nettozuwanderungen um ca. 1 Million, die
die Arbeitsmarktchancen der jugendlichen                  der erwerbsfähigen ausländischen Bevöl-
Ausländer verbessert werden. Unter                        kerung um ca. 2 Millionen zugenommen
anderem haben die hohe Konzentration in                   hat.
städtischen Wohngebieten und die dort oft
hohen Klassenanteile von Ausländern                       Noch deutlicher ist der Unterschied
bewirkt, dass ausländische Kinder und                     zwischen Deutschen und Ausländern beim
Jugendliche bildungsmäßig benachteiligt                   Zugang zur Erwerbstätigkeit (vergleiche
sind. Wie vom Deutschen Institut für                      hierzu die folgenden Graphiken). Die
Wirtschaftsforschung bereits mehrfach                     Erwerbstätigenquote6 liegt für die
belegt, wird deren Integration ins                        Deutschen im Jahre 2002 immerhin um
Bildungssystem und in die berufliche                      ca. 3 Prozent-Punkte über der des Jahres
Ausbildung eher wieder schlechter.                        1982. Bei den Ausländern insgesamt und
                                                          bei den Türken ist sie jedoch um
Dies droht auch in Zukunft den heute unter                dramatische 13 Prozent-Punkte
sechs Jahre alten Ausländern. Denn                        zurückgegangen. Nur noch weniger als die
wegen der hohen Jahrgangsstärken sind                     Hälfte aller Türken im erwerbsfähigen Alter
auch für die nächsten 10 – 15 Jahre                       sind derzeit abhängig oder selbständig
überproportional viele Neuzugänge dieser                  erwerbstätig. Auch hier ist aber darauf
Gruppe auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten.                  hinzuweisen, dass die Zahl der
Eine gute Schulausbildung und eine solide                 Erwerbstätigen 2002 noch immer
berufliche Qualifikation sind jedoch                      wesentlich über der von vor 20 Jahren
wichtige Voraussetzung für bessere                        liegt: bei den Deutschen (mit ca.
Chancen am Arbeitsmarkt und in der                        26,5 Millionen) um ca. 2 Millionen, bei den
Gesellschaft. Überdies ist auch zu beden-                 Ausländern insgesamt (mit ca. 2,8
ken, dass junge ausländische Arbeits-                     Millionen) um ca. 600 Tausend und bei
kräfte und Arbeitskräfte ausländischer                    den Türken (mit ca. 780 Tausend) um ca.
Herkunft wegen ihrer Mehrsprachigkeit für                 130 Tausend. Die allgemeine
eine exportorientierte Wirtschaft ein                     Wirtschaftsentwicklung und die
interessantes Arbeitskräftepotenzial                      Veränderungen in der Struktur der
bilden.                                                   Arbeitskräftenachfrage haben jedoch nicht
                                                          zugelassen, dass das
Die Erwerbsbeteiligung (Erwerbsquote5)                    Arbeitskräfteangebot absorbiert werden
hat sich in den vergangenen 15 Jahren bei                 konnte.
Deutschen und Ausländern in zwei
grundsätzlich verschiedene Richtungen                     Die ausländischen Beschäftigten sind vom
entwickelt: Während sie bei den                           Strukturwandel sehr viel stärker betroffen
5                                                         6
    Die Erwerbsquote ist der Anteil der Erwerbspersonen       Die Erwerbstätigenquote ist der Anteil der
    (Erwerbstätige + Arbeitslose) an den jeweiligen           Erwerbstätigen (abhängige und selbständige) an den
    Personen im erwerbsfähigen Alter (15- bis unter           jeweiligen Personen im erwerbsfähigen Alter (15- bis
    65Jährige).                                               unter 65Jährige).

                                                                                                                17
Innovationsforum 1.10.2003 in Bielefeld
       Hintergrundreferat Elmar Hönekopp

                                                Erwerbstätigenquoten für ausgewählte Nationalitäten in D-West
                                                                                                     1982 - 1992 - 2002
             80,0

             70,0                                                                   1982
                                                                                    1992
                                                                                    2002

             60,0

             50,0

     in
     v.H
     . 40,0

             30,0

             20,0

             10,0

              0,0
                             Deutsche                         Ausländer                              Türken                             Italiener                        Griechen                                insgesamt
                    Hinweis: Deutschland-West einschließlich Berlin (gesamt)
                    Erwerbstätigenquote: Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15- bis unter 65-Jährige)
                    Quelle: Statistisches Bundesamt und Eurostat; eig. Auswertung, Berechnung und Darstellung

                            Erwerbstätigenquoten nach Altersgruppen für ausgewählte Nationalitäten                                        Erwerbstätigenquoten nach Altersgruppen für ausgewählte Nationalitäten
                                                        Männer                                                                                                         Frauen
                                                 Deutschland-West 2002                                                                                          Deutschland-West 2002
     100,0                                                                                                         100,0

      90,0                                                                                                          90,0

      80,0                                                                                                          80,0
                                                                            Deutsche
                                                                            Ausländer insg.                                                                                                    Deutsche
      70,0                                                                  EU-Ausländer                            70,0                                                                       Ausländer insg.
                                                                            Türken                                                                                                             EU-Ausländer
                                                                                                                    60,0                                                                       Türken
      60,0
in                                                                                                            v.
v.    50,0                                                                                                    H.    50,0
H.

      40,0                                                                                                          40,0

      30,0                                                                                                          30,0

      20,0                                                                                                          20,0

      10,0                                                                                                          10,0

       0,0                                                                                                           0,0
                15-24          25-34           35-44            45-54           55-64           15-64                           15-24            25-34           35-44            45-54            55-64              15-64

         Hinweis: Deutschland-West einschließlich Berlin (gesamt)                                                          Hinweis: Deutschland-West einschließlich Berlin
         Erwerbstätigenquote: Anteil der Erwerbstätigen (der jeweiligen Altersgruppe) an der                               (Erwerbstätigenquote:
                                                                                                                                   t)            Anteil der Erwerbstätigen (der jeweiligen Altersgruppe) an der
         Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (der entsprechenden Altersgruppe)                                              Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (der entsprechenden Altersgruppe)
         Quelle: Eurostat, LFS 2002, eigene Auswertung, Berechnung und Darstellung                                         Quelle: Eurostat, LFS 2002, eigene Auswertung, Berechnung und Darstellung

       als die deutschen. Die Beschäftigung in                                                                                     aller Ausländer (insgesamt: ca. 56
       den produzierenden Bereichen ist stark                                                                                      Prozent) im produzierenden Bereich
       abgebaut worden. Im expandierenden                                                                                          beschäftigt, 2000 nur noch ca. 53 Prozent
       Dienstleistungsbereich ist sie auch bei                                                                                     (insgesamt ca. 40 Prozent). Gleichzeitig
       Ausländern deutlich gestiegen. Die                                                                                          sind die entsprechenden Anteile der
       Ausländer waren von Beginn an                                                                                               Beschäftigung in den Dienstleistungsbe-
       überwiegend für eine Beschäftigung in den                                                                                   reichen stark gestiegen. Dies könnte auf
       produzierenden Bereichen (Bergbau,                                                                                          den ersten Blick zunächst positiv als
       Verarbeitendes Gewerbe, Bau) für eher                                                                                       "Normalisierung" der
       einfache Tätigkeiten mit erschwerten                                                                                        Ausländerbeschäftigung interpretiert
       Arbeitsbedingungen angeworben worden.                                                                                       werden. Tatsächlich zeigt jedoch eine
       Aufgrund des technologie- und                                                                                               detailliertere Analyse der Beschäftigungs-
       wettbewerbsbedingten Strukturwandels                                                                                        entwicklung, dass - zumindest derzeit -
       wurden Arbeitsplätze gerade in diesen                                                                                       auch die Tertiarisierung der Beschäftigung
       Bereichen abgebaut, was Ausländer                                                                                           für Ausländer wieder nach einem
       deshalb sehr viel stärker betroffen hat als                                                                                 ähnlichen Muster abläuft wie früher der
       Deutsche. 1974 waren fast 80 Prozent                                                                                        Prozess im Produktionsbereich: Während

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