MASARYK-UNIVERSITÄT - Die Liebe im Werk von Arnošt Lustig PÄDAGOGISCHE FAKULTÄT - Bakkalaureatsarbeit

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MASARYK–UNIVERSITÄT
                PÄDAGOGISCHE FAKULTÄT
               Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur

       Die Liebe im Werk von Arnošt Lustig

                          Bakkalaureatsarbeit

                               Brünn 2014

Betreuer: Mgr. Pavel Váňa, Ph.D.       Vorgelegt von: Gabriela Kuběnová
Erklärung

Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen
als die angegebenen Quellen benutzt habe. Alle Stellen der Arbeit, die dem Wortlaut
oder dem Sinne nach anderen Werken entnommen sind, habe ich in jedem einzelnen
Fall unter Angabe der Quelle deutlich als Entlehnung kenntlich gemacht.

                                          ………………………………………

                                                     Unterschrift
Ich möchte mich ganz herzlich bei Herrn Mgr. Pavel Váňa, Ph.D. für seine Hilfe,
Ratschläge und Unterstützung bei der Verarbeitung meiner Bakkalaureatsarbeit bedanken.
Inhaltsverzeichnis
 Einleitung ....................................................................................................................................... 5
 1.      Die Leiden und Leidenschaften im außergewöhnlichen Leben von Arnošt Lustig .............. 6
 1.1.        Kindheit vor dem Krieg .................................................................................................... 6
 1.2.        Heranwachsen im Konzentrationslager ............................................................................ 7
 1.3.        Rückkehr zum alltäglichen Leben .................................................................................. 11
 2.      Erste Anzeichen eines Schreibtalents, Bemühungen um eine Veröffentlichung, Bestreben
 zur Weiterentwicklung, weltweite Anerkennung......................................................................... 13
 2.1.        Vom Anfang bis zum Ende ............................................................................................. 13
 2.2.        Kurze Übersicht der Werke ............................................................................................ 15
 2.3.        Kinder als Hauptfiguren in der Literatur von Arnošt Lustig .......................................... 19
 2.4.        Frauen als Hauptfiguren in der Literatur von Arnošt Lustig .......................................... 20
 3.      Frauen im Leben von Arnošt Lustig ................................................................................... 22
 4.      Die Liebe und der Körper sind stärker als der Krieg .......................................................... 25
 5.      Colette und das Schicksal einer heimlichen Liebe .............................................................. 29
 6.      Der Kofferdieb – auch in der Hölle existiert Glück ............................................................ 32
 7.      Flucht vor der grauenvollen Realität hinter dem Stacheldraht ............................................ 35
 Zusammenfassung ....................................................................................................................... 36
 Resumé......................................................................................................................................... 38
 Quellenverzeichnis....................................................................................................................... 39
Einleitung

    In meiner Bachelorarbeit beschäftige ich mich mit dem Thema der Liebe
in den Werken von Arnošt Lustig, konkret in folgenden drei Büchern: Liebe und Körper
(2009), Colette: Ein Mädchen aus Antwerpen (2013) und Der Kofferdieb (2008).

    Die Handlung dieser Bücher spielt sich während des zweiten Weltkrieges ab. Liebe
und Körper und Der Kofferdieb sind im Ghetto in Theresienstadt situiert, Colette:
Ein Mädchen aus Antwerpen im Vernichtungslager in Auschwitz. sie                  erzählen
über verbotene Liebe, Verständnis, Offenheit, Freundschaft und auch Sexualität.

    Mein Ziel ist es, zu zeigen, dass ein Mensch die Liebe auch an solchen Orten finden
kann, wo er nur den Tod erwartet. der Glauben an eine gemeinsame Zukunft kann Kraft
zum Leben geben. der Gedanke an den Tod neben einem geliebten Menschen muss nicht
ganz so schrecklich sein. In den von mir ausgewählten Büchern kommen immer Liebe
oder Freundschaft vor. die Hauptfiguren dieser Bücher machen ähnliche Erfahrungen
durch und mein Ziel ist es, zu verfolgen, wie sich diese Figuren unterscheiden
und worin sie einander ähnlich sind.

    Die Werke gehen aus den eigenen Erfahrungen des Autors hervor. Es ist wichtig,
seine Lebensgeschichte zu kennen, um zahlreiche seiner Werke verstehen zu können.

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1. Die Leiden und Leidenschaften im außergewöhnlichen Leben
   von Arnošt Lustig

   1.1.         Kindheit vor dem Krieg

    Arnošt Lustig wurde am 21. 12. 1926 in Prag geboren. Seine Kindheit durchlebte
er im Prager Industrieviertel Libeň. Hier lebten auch die meisten jüdischen Bewohner
Prags. Sein Vater Emil Lustig war ein armer jüdischer Textilhändler. die Mutter Terezie
Lustigová war Schneiderin, eine strenge, aber gerechte Frau. das Textilgewerbe brachte
die Familie Lustig bis in den Bankrott, weshalb der Vater zu einem Geschäftsreisenden
mit Lederwaren wurde. Es begann ihnen sehr gut zu gehen, bevor die Deutschen alles
aufkauften.

    Arnošt Lustig beschreibt seine Kindheit als glücklich und froh, obwohl er kein
Spielzeug hatte. In der Familie wurde nur tschechisch gesprochen. Nur wenn die Eltern
nicht wollten, dass die Kinder etwas verstehen, sprachen sie deutsch. Deshalb war
der Vater     nicht   einverstanden,   als   seine      Frau   den   vierjährigen    Arnošt
in einen deutschsprachigen Kindergarten brachte. er führte ihn sogleich wieder weg.
Seitdem wuchs Arnošt Lustig mit den anderen Kindern auf der Straße auf, wo er seine
Freizeit von 8 Uhr morgens bis 7 Uhr abends verbrachte. die Eltern arbeiteten fleißig
und hatten keine Zeit für die Kinder. Schon in diesem jungen Alter lernten die Kinder,
für sich selbst zu sorgen. Morgens verließen sie das Haus mit nur einer Zwiebel
und einem halben Liter Wasser. Manchmal stahlen sie etwas am Markt, sonst musste ihnen
diese Verpflegung reichen. Diese Erfahrungen waren für die jüdischen Kinder später sehr
nützlich. Zur Schule ging Arnošt Lustig schon mit 5 Jahren, damit die Eltern keine Angst
haben mussten, was er sonst anstellen würde. In der Schule erlebte er erstmals den Hass
gegen Juden. er schlug Kinder, die ihn wegen seiner Herkunft beleidigten, und bekam
vom Vater Geld dafür. er begann ein Realgymnasium zu besuchen, das er aber im Jahr
1941    aus     Rassengründen    verlassen    musste.     Seine   Lehre    absolvierte   er
in einer Schneiderwerkstatt, später arbeitete er auch in einer Verziererwerkstatt. der Vater
überließ ihm das Geld, das er verdient hatte. er konnte sich aber nichts kaufen, weil alles
verboten war. Deshalb nutzte der das Geld für das Glücksspiel.

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Seine Kindheit endete sehr plötzlich. er konnte nicht mehr die Kinos besuchen,
die er sehr geliebt hatte. Juden durften kein Fleisch kaufen, später auch kein Mehl und zum
Schluss nicht einmal mehr Zwiebel. sie durften nicht mit dem Zug oder der Straßenbahn
fahren oder Parks betreten. die Nachbarn teilten sich auf zwei Gruppen auf. die einen
behandelten die Juden mit Achtung und Mitgefühl, die andern überlegten bereits, welche
Möbel sie sich aneignen würden. Alle hatten Angst, da sie nicht wussten, was sie
in Zukunft erwartete.

   1.2.       Heranwachsen im Konzentrationslager

    Im Alter von sechzehn Jahren wurde er am 9. November 1942 gemeinsam
mit seiner Mutter und Schwester in das Ghetto in Theresienstadt deportiert. Sein Vater
musste in Prag bleiben und niemand wusste, ob einander die Familienmitglieder noch
wiedersehen würden. Beim Abschied sah Arnošt Lustig seinen Vater das erste Mal weinen.
die Juden mussten drei Tage lang im Messepalast auf den Transport warten. der junge
Arnošt Lustig nahm dieses Warten als Abenteuer wahr.

    Das erste Erlebnis aus Theresienstadt war für Arnošt Lustig leicht erotisch.
Alle mussten die Quarantänestation besuchen. Frauen, Männer, Mädchen, Jungen
und Kinder   mussten     sich   ausziehen   und eine        Desinfektionsdusche   absolvieren.
Danach    musste    er   sich    von   seiner      Mutter     und Schwester   verabschieden,
die in die Frauenkasernen verlegt wurden. der Vater kam nach einer gewissen Zeit
tatsächlich nach. Sie verbrachten hier gemeinsam knapp zwei Jahre. Arnošt Lustig lernte
hier Menschen kennen, die für ihn bis heute, bis auf wenige Ausnahmen, Vorbilder
des Ehrgefühls, des Mutes und der Anständigkeit sind. In Theresienstadt erlebte er
das erste Mal, was wirkliche Freundschaft bedeutet und wie es ist, mit einer Frau
zusammen zu sein.

    Seine Freunde waren die Brüder Picek. Sie waren Halbjuden nach ihrem Vater.
die Eltern schickten ihnen aus Prag Essenspakete und sie teilten sie immer mit ihren
Mitbewohnern. zu dieser Zeit schickten die Deutschen Halbjuden nicht in die Transporte.
Als Arnošt Lustig vorgeladen wurde, stieg Zdeněk, der ältere der Brüder, mit ihm

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in den Zug. Er wollte ihn nicht alleine gehen lassen. Auschwitz überlebte er aber nicht.
Er war fünfzehn Jahre alt und ging von der Rampe direkt in die Gaskammer.

    Arnošt Lustig machte seine erste Erfahrung mit der Liebe in Theresienstadt. Im Alter
von siebzehn Jahren arbeitete er gemeinsam mit seinem Vater an der Eisenbahn.
Hier hatten sie genügend Zeit für Gespräche. die Arbeit war anstrengend, weshalb sie zwei
Portionen Essen pro Tag bekamen. der Vater fragte ihn oft, ob er schon eine Frau gehabt
habe. Arnošt Lustig gestand, dass er noch keine näheren Kontakte mit Mädchen gehabt
habe. Er bewunderte sie nur und hatte alles schon gehört. der Vater bohrte ständig
nach und der junge, fast siebzehnjährige Mann hatte einmal genug davon und suchte
ein williges, käufliches Mädchen auf. Sie hieß Inge und war eine schöne, gut gewachsene,
zwanzigjährige Kunstreiterin aus dem Zirkus Odeon in Hamburg. Er ersuchte sie,
ihn einzuweihen. Für zwei Dekagramm Margarine war sie einverstanden. Am nächsten Tag
erwartete er, dass ihn der Vater wieder fragen würde, aber dieser fragte nie wieder.
Anscheinend hatte er es ihm angesehen oder es hatte ihm jemand gesagt, dass der Sohn
bei Inge gewesen war.

     Mit seinen Freunden im Ghetto stellte er auch Streiche an. die prominenten Juden
bewohnten im Ghetto ein schönes Haus mit einem Garten. Dahinter wuchs
ein großer Apfelbaum, der viel mehr Früchte trug, als die Prominenten essen konnten.
Sie teilten sie aber mit niemandem. die Jungen sprachen sich zusammen und ernteten
den ganzen Apfelbaum ab, bevor die Äpfel vollständig reifen konnten. Diesen Streich
bereute Arnošt Lustig bis zu seinem Tod.

    Auschwitz nahm er als eine Hölle wahr, die der Mensch für den Menschen erdacht
hatte. Täglich schickten die Deutschen hier Menschen in die Gaskammern, zehntausend
am Tag und zehntausend in der Nacht. Hier starben nicht nur Juden, sondern auch
Katholiken, Russen und viele andere. Er nahm das Lager als Ort der Vernichtung wahr,
wo sein Leben enden würde.

    Nach seiner Ankunft stellte er sich mit den anderen in eine Reihe. Doktor Mengele
zeigte mit dem Finger nach links und Arnošt Lustig bekam das Recht zu leben. Als seinen
Beruf führte er neun verschiedene Berufe und als zehnte die Not an. Er musste

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alle seine Sachen beim Zug zurücklassen. Es blieben ihm nur der Gürtel und die Schuhe.
Danach erwartete ihn eine Dusche, wo die Deutschen Spaß daran hatten, die Häftlinge
abwechselnd mit kochend heißem und eisigem Wasser zu begießen. die Menschen spürten
aber keinen Schmerz mehr, da sie vor Hunger und Durst erschöpft waren. die Männer
wurden in ehemaligen Zigeunerlagern untergebracht, wo sie von den ursprünglichen
Einwohnern schikaniert wurden. Arnošt Lustig wartete lange auf die Ankunft seines Vaters.
Er trieb für ihn sogar eine Zigarette auf, um ihm das neue Umfeld erträglicher zu machen.
der Vater kam aber nie mehr dazu, diese Zigarette zu rauchen. Er nahm vor Doktor
Mengele seine Brille nicht ab, was ihn das Leben kostete. Arnošt Lustig konnte nicht
mit dem Gedanken fertig werden, dass sein Vater tot war. Er versuchte sich selbst
zu überzeugen, dass unter den Duschen Tunnels seien, die die Juden zur Flucht nutzen
konnten.

      Seine Mutter, eine sehr fromme Frau, hörte in Auschwitz auf zu beten. Sie sah
Gruben, wohin die Deutschen Kleinkinder warfen und sie mit Benzin anzündeten.
Seine Mutter sah Arnošt Lustig hier nur einmal. Er wünschte sich, dass sie erfrieren würde,
um diese Gräueltaten nicht mehr länger erleben zu müssen. Er hörte, dass sie das Essen
aufteilte, das die Frauen bekamen. Sie galt als die gerechteste Frau im Lager.

      Die    Häftlinge     unterhielten   sich    mit     Fußball.   Sie   bastelten   einen   Ball
aus Kleidungsstücken, die Tore bestanden aus Stacheldraht. die älteren Männer verbrachten
ihre Freizeit mit dem Schachspiel im Kopf.

      Die Deutschen unterhielten sich mit Demütigungen, die Arnošt Lustig nur sehr schwer
verkraftete. Sie wollten erreichen, dass sich die Häftlinge wie Ameisen vorkamen,
wie unnötige Insekten. Alle Männer mussten oftmals ganze Nächte im Regen
auf    den   Höfen       verbringen.   Viele     von     ihnen   starben   an   Lungenentzündung
und Unterkühlung. Arnošt Lustig erinnerte sich bis zu seinem Tod an jede Sekunde
in Auschwitz.

      Am 28. 10. 1944 wurde er für Arbeiten in Buchenwald ausgewählt. Hinter dem Tor
bekam er eine Spitzhacke und eine Schaufel und wurde gleich zur Arbeit eingeteilt.
Dieses Lager kam ihm wie ein Erholungsort vor, da hier nicht vergast, sondern nur

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geschossen wurde. Hier wurden Prominente gefangen gehalten, zum Beispiel Ferdinand
Peroutka, der französische Reporter Leon Blum, die italienische Prinzessin Mafalda
von    Savoy,    die Schriftsteller    Jean    Amery       und Robert   Autelme,   die späteren
Nobelpreisträger Imre Kertézz und Elie Wiesel und viele andere. Diese Häftlinge hatten
immer genug zu essen und litten auch nicht an Durst. Arnošt Lustig hatte in Auschwitz
einen Freund namens Milan Weiner, der ihm ans Herz legte, in Buchenwald seinen Onkel
Ferdinand Peroutka aufzusuchen. Dieser würde sich um ihn kümmern und er müsste nicht
mehr Hunger leiden. Es gelang ihm aber nie, diesen Onkel zu treffen.

      Im   Januar   des   Jahres      1945    zerstörten   die Amerikaner   das Munitionslager
in Buchenwald und retteten Arnošt Lustig das Leben. Einen Tag vor dem Angriff hatte er
nämlich die Maschine, an der er arbeitete, kaputt gemacht. Diese Panne hielten
die Deutschen für Sabotage, er wäre sofort erschossen worden. der Angriff brachte auch
den anderen Häftlingen Vorteile – bei der Bergung der toten Körper der deutschen Soldaten
konnten sie sich besser einkleiden.

      Arnošt Lustig betonte auch oft, dass nicht alle Deutschen böse gewesen waren.
In Buchenwald traf er einen Deutschen, der im Krieg drei Söhne verloren hatte. Arnošt
erinnerte ihn an den jüngsten Sohn und er kümmerte sich um ihn. Er brachte ihm täglich
Essen und bestahl so seine eigene Familie. Wenn das jemand herausgefunden hätte, wären
der Deutsche und Arnošt sofort erschossen worden. Vor Weihnachten fragte der Deutsche,
was sich Arnošt wünschen würde. Dieser erbat sich ein Bad in heißem Wasser, mit Seife
und Handtuch. Auch dieser Wunsch wurde ihm erfüllt.

      Ein weiterer freundlicher Deutscher war der Werkstattmeister in der Munitionsfabrik.
Er war sehr ordnungsliebend, deshalb fegte Arnošt Lustig die Umgebung seiner Maschine
immer gewissenhaft. Dadurch erlangte er das Wohlwollen des Meisters. Einmal verletzte
er sich während der Arbeit ernsthaft ein Auge. der Meister ließ ihn nicht erschießen,
sondern brachte ihn zu einer deutschen Ärztin. Diese wollte Arnošt aber nicht behandeln,
also brachte ihn der Meister zu einer russischen Medizinstudentin, die ihm das Auge
rettete.

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Als die Deutschen im Jahr 1945 bereits wussten, dass sie den Krieg verlieren würden,
überführten sie die Juden ins Krematorium in Dachau. In einem der Züge waren auch
Arnošt Lustig und sein Freund Jirka Justic. In der Nähe der Stadt Kraslice wurde
die Lokomotive von einem amerikanischen Flieger beschossen. die Juden nutzten
die Gelegenheit und begannen aus dem Zug zu flüchten. Arnošt und sein Freund kamen
in die ersten Reihen, die anderen Juden vor ihnen bildeten aber eine lebendige Mauer,
in welche die rumänischen SS-Männer schossen. Am 13. April 1945 flüchteten sie vor den
deutschen Soldaten und versteckten sich in den Wäldern. Seitdem glaubte Arnošt Lustig
an die magische Kraft der Nummer dreizehn. Sie wurden dreimal gefangen und zum Tod
verurteilt, sie konnten aber jedes Mal fliehen. In den Wäldern trafen sie auf französische
Flüchtlinge, die ihnen zu essen gaben. Sie gaben ihnen Kraft, ihren Weg fortzusetzen.

   1.3.         Rückkehr zum alltäglichen Leben

    Die Freunde reisten mit dem Zug nach Prag. Hier hatte Jirka Justic bei seinen
Bekannten Geld versteckt. Diese gaben ihm sein Geld zurück. Sie waren Kollaboranten
und sahen diese jungen Juden als gutes Alibi an. Sie gaben ihnen Kleidung, Essen und viel
Geld. Außerdem halfen sie ihnen auch, ein Versteck zu finden, wo sie bis zum Ende
des Krieges bleiben konnten. die Jungen mussten sich bei der Polizei Dokumente besorgen.
Sie gaben an, böhmische Arbeiter aus Dresden zu sein, die Brüder Janota. Sie erhielten
Essensrationen für drei Monate im Voraus und gingen täglich ins Kino. Zum Essen hatten
sie gebackenes Schweineblut mit Kartoffeln, da dieses nicht an Zuteilungskarten gebunden
war. das Bier war aber nur mit diesen Karten zu haben.

    Plötzlich    änderte      sich   alles   und die Juden   konnten   wieder   unbehelligt
an die Öffentlichkeit gehen. Auf den Plätzen verbrannten tschechische Staatsbürger
Deutsche an Straßenlampen und die Rote Armee kam. Arnošt Lustig konnte ein Studium
beginnen, da er Intelligenztests bestanden hatte. zu dieser Zeit kehrten auch seine Mutter,
seine Schwester und seine Cousine zurück. Von den Ämtern bekam er einen Ausweis,
wo geschrieben stand, welche Lager er durchgemacht hatte, und alle Ämter kamen ihm
entgegen. Er bekam sogar eine Wohnung mit einem Bad, wo er die ersten paar Monate
seiner Freiheit verbrachte.

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12- -
2. Erste Anzeichen eines Schreibtalents, Bemühungen um eine
   Veröffentlichung, Bestreben zur Weiterentwicklung,
   weltweite Anerkennung

   2.1.       Vom Anfang bis zum Ende

    Ab dem Jahr 1946 studierte der die Hochschule für Politik und Sozialwissenschaften
in Prag. Er interessierte sich auch für den Journalismus. Er schrieb Beiträge für Zeitungen
und Zeitschriften. die Landwirtschaftliche Zeitung, die Volkszeitung und das Judenblatt
schickten ihn im Jahr 1948 nach Israel, wo er Nachrichten über den israelisch-arabischen
Krieg übermitteln sollte. Hier traf er seine Frau Vera Weislitzová, die er bereits
im Konzentrationslager kennengelernt hatte. Später kehrte er in die Tschechoslowakei
zurück, wurde Redaktor im Tschechischen Rundfunk und leitete die Kultur-Rubrik
des Wochenblattes Mladý svět.

    Er widmete sich auch dem Film und schrieb ein Drehbuch zu seiner Novelle
Ein Gebet für Katharina Horowitz. Dieses Werk erntete weltweiten Erfolg. Im Jahr 1960
wurde er Szenarist des Filmstudios Barrandov. Zahlreiche seiner Werke wurden auch
verfilmt. der Regisseur Zdeněk Brynych schuf im Jahr 1960 eine Fernsehinszenierung
von Ein blauer Tag und Ein Bissen und im Jahr 1961 inszenierte er Transport
aus dem Paradies. Im Jahr 1962 wurde von Jan Němec der Film Diamanten der Nacht
gedreht.

    Im August des Jahres 1968 musste Arnošt Lustig wegen der Invasion der Truppen des
Warschauer Vertrages die Tschechoslowakei verlassen. Ursprünglich emigrierte er nach
Jugoslawien, wo er im Zagreber Filmstudio Jadranfilm tätig war. Sein Weg führte ihn
weiter nach Israel und endete im Jahr 1970 in den USA. Er hatte hier keine Freunde
und keine finanziellen Mittel. Er wusste nicht, was er hier machen würde oder womit er
seinen Lebensunterhalt bestreiten würde. Er sprach auch nicht richtig Englisch.
Er verbesserte seine sprachlichen Fähigkeiten aber mit Fleiß so sehr, dass er Arbeit
an der Universität in Iowa bekam. Im Jahr 1973 begann er an der Amerikanischen
Universität in Washington Vorträge über europäische Literatur, literarische Imagination,

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künstlerisches Schreiben und die Geschichte des zweiten Weltkrieges in der Literatur
und im Film zu halten. Seine Arbeit wurde hier so hoch geschätzt, dass er hier
den Professorentitel erlangte. Er wurde amerikanischer Staatsbürger. Er betrachtete Prag
als seine erste Heimat und Washington als die zweite.

      Arnošt Lustig erkrankte im Jahr 2006 an Krebs. Er kämpfte fünf lange Jahre
mit dieser schweren Krankheit. Am 26. Februar 2011 verlor er seinen Kampf. Er starb
in Prag, im Alter von fast fünfundachtzig Jahren.

      Zum gemeinsamen Thema seiner Werke wurde der Holocaust. der Autor geht
aus    seinen    eigenen   Erfahrungen   aus    und beschreibt        das physische,   seelische
und moralische Leid der Wehrlosen, besonders der Frauen, der Kinder und der Alten. Seine
Bücher beschreiben das Verhalten von Menschen in Lebensgefahr, in unmenschlichen
Bedingungen, in ausgangslosen Situationen. Er zeigt uns, dass der Mensch oftmals
seine moralischen Grundsätze umbewerten muss, um zu überleben. Er beschreibt
sehr lebendig, was alles der menschliche Körper und die Seele ertragen können. Welche
Gräueltaten der Mensch begehen kann, wenn er an die Macht kommt. Er beschreibt
vor allem die Psyche von einzelnen Menschen, nicht die allgemeine Faktographie dieser
Zeit. Er schreibt oft die Geschichten reeller Menschen nieder.

      Arnošt Lustig ist ein Autor von weltweiter Bedeutung. Seine Publikationen brachten
ihm zahlreiche hoch geschätzte ausländische Auszeichnungen ein. Im Jahr 1985 nahm
er den höchsten amerikanischen Fernsehpreis EMMY entgegen, für seine Mitarbeit
am Drehbuch des Films Seltenes Erbe des Regisseurs David Weissman. Im Jahr 1996
erhielt er den Karel-Čapek-Preis vom Tschechischen Zentrum des PEN-Clubs. Ein weiterer
Erfolg von Arnošt Lustig war eine Nomination für den Pulitzer-Preis. Letztendlich bekam
er     den      Preis   zwar   nicht,    gelangte     aber       in     die engere     Auswahl.
In die Endrunden der Nomination kam er auch bei der Erteilung des Nobelpreises
für Literatur, und zwar sogar dreimal. Für seine Novellen Dita Saxová und Die Ungeliebte
erhielt er die Auszeichnung Jewish Book Award. Ein weiteres ausgezeichnetes Werk ist
Ein Gebet für Katharina Horowitzová, das den National Book Award und den B'nai B'rith
Book Award gewann. Zum achtzigsten Jubiläum wurde Arnošt Lustig die Auszeichnung
von Artis Bohemiae Amicis (Freunde der tschechischen Kunst) verliehen. Im Jahr 2008

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erhielt er den Franz-Kafka-Preis. Dieser Preis ist für Persönlichkeiten der Literatur
bestimmt, die sich mit ihrem Werk um die Werte der Demokratie, der Toleranz
und des Humanismus verdient gemacht haben. Im Jahr 2009 wurde er gemeinsam
mit 11 weiteren Autoren für seinen langfristigen Beitrag zur Weltliteratur in englischer
Sprache für den Internationalen Man-Kooker-Preis nominiert.

    Seit dem Jahr 2012 wird zu Ehren dieses bedeutenden tschechischen Schriftstellers
der Arnošt-Lustig-Preis        verliehen.     Diesen     Preis   erhalten        Persönlichkeiten,
die für Eigenschaften wie Mut, Tapferkeit, Menschlichkeit und Gerechtigkeit stehen.
Diese     charakteristischen     Eigenschaften      waren   Arnošt      Lustig    sehr    wichtig.
die Auszeichnung wurde von der Tschechisch-israelischen Handelskammer, geleitet
von Pavel Smutný, eingerichtet. das Komitee des Arnošt-Lustig-Preises hat fünfzehn
Mitglieder, die die Preisträger auswählen. der erste Laureat wurde im Jahr 2011 der Prager
Bischof    Monsignore     Václav      Malý,    die zweite   Laureatin     war     die tschechische
Nachrichtensprecherin Kamila Moučková.

   2.2.         Kurze Übersicht der Werke

    Im Jahr 1957 schrieb Arnošt Lustig eine Sammlung von sieben Erzählungen
mit der Bezeichnung Nacht und Hoffnung. die Erzählungen gehen aus den eigenen
Erlebnissen des Autors im Ghetto von Theresienstadt hervor. Ein Jahr später schrieb er
eine weitere Sammlung mit der Bezeichnung Diamanten der Nacht. Beide Sammlungen
zeichnen sich durch eine starke dramatische Spannung aus, der Autor beschreibt auf sehr
lebendige Weise die Charakterzüge der Hauptfiguren, die meist Kinder sind. der Autor legt
besonderen Nachdruck auf moralische Grundsätze, die sich oft ändern, wenn der Mensch
Erniedrigungen und Gewalt ausgesetzt ist. Diese Kinder finden in sich selbst eine Courage,
von der sie in der Vergangenheit nichts geahnt haben. die Erzählung Finsternis wirft keine
Schatten aus der Sammlung Diamanten der Nacht wurde auch verfilmt. Diamanten
der Nacht erzählt die Geschichte zweier Jungen, denen es gelingt, aus dem Zug
zu flüchten, der sie zum Transport des Todes bringt. Dargestellt wird auch der Hass
der Dorfbewohner, die versuchen, die jungen Juden zu töten.

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Eine weitere Sammlung von Erzählungen mit dem Namen Die Straße der verlorenen
Brüder kam im Jahr 1959 heraus. Diese Sammlung wurde sehr stark kritisiert.
die Geschichten beschäftigen sich mit verlorenen Existenzen, sie sind zu kompliziert
und enthalten auch vulgäre Großtuerei. Eine dieser Erzählungen namens Mein Bekannter
Vili Feld gab der Autor im Jahr 1961 auch separat heraus, arbeitete sie zu einer Novelle
um und schuf daraus letztendlich den Roman Der König sprach, er sagte nichts.
das Hauptthema dieses Romans ist die Freundschaft zwischen dem Geschäftsmann Vili
Feld und dem Erzähler Jindřich Kraus, welche ihre Erlebnisse aus drei Tagen in Rom
beschreiben. Wir finden hier die Lebensweisheit, dass die Freundschaft sehr wichtig ist,
nicht nur in schweren Lebenssituationen.

      Die Sammlung Erste Station Glück wurde im Jahr 1961 herausgegeben. Sie enthält
vierzehn Geschichten von Menschen, die versuchen, für eine bessere Zukunft unser aller
zu kämpfen.

      Die Novelle Dita Saxová, die im Jahr 1962 herausgegeben wurde, endet
mit dem tragischen Tod eines jungen, achtzehnjährigen Mädchens. Dita Saxová überlebte
das Konzentrationslager, wurde aber nicht mit den Schrecken fertig, die sie dort erlebt
hatte. Sie hatte ihre ganze Familie verloren. Während der Zeit des Friedens fand sie
den Weg zu ihrer Identität nicht mehr. das Misstrauen gegenüber der Welt und ihre innere
Einsamkeit trieben sie bis zum Selbstmord.

      Die von den Kritikern am höchsten geschätzte Novelle Ein Gebet für Katharina
Horowitz wurde im Jahr 1964 herausgegeben. Für diese Novelle wurde Arnošt Lustig
mit    dem    Staatspreis   ausgezeichnet.   die Geschichte   enthält   zwei   Ereignisse,
die aus der Wirklichkeit hervorgehen. Eines davon ist die Ausbeutung der reichen Juden,
das andere ist die Courage einer polnischen Schauspielerin jüdischen Ursprungs. Sie kann
sich nicht mit einem Tod ohne Rache abfinden und erschießt vor der Gaskammer
einen Aufseher.

      In den Jahren 1962 bis 1966 wurden auch weitere, genauso bedeutende Bücher
herausgegeben. Es handelt sich um die neu bearbeitete Sammlung einiger schon früher
herausgegebener Erzählungen mit dem Namen Nacht und Tag (1962), die Erzählung

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Transport aus dem Paradies (1962), die Sammlung von vier Erzählungen Du wirst
niemanden erniedrigen (1963), einige neu bearbeitete Werke mit dem Namen Wellen
im Fluss     (1964), die Novelle Weiße Birken im Herbst          (1966) und den Roman
Abgrund (1966).

    Die Sammlung von Erzählungen Der bittere Duft von Mandeln wurde im Jahr 1968
herausgegeben. Sie enthält vier Novellen: Das Haus des zurückgekehrten Echos,
Der Mensch in Briefmarkengröße, Recht ohne Gott, Frühmorgendliche Augenblicke.
Thematisch    widmen    sich   die Novellen   den    Konzentrationslagern,   dem    Krieg
und seinen Folgen.

    Der Roman Liebling (1968) findet während des arabisch-israelischen Konflikts statt.
Es handelt sich um eine liebende Erzählung über eine Frau und ein Land,
aus dem Blickwinkel eines Journalisten.

    Eine weitere Novelle, Die Ungeliebte: aus dem Tagebuch einer Siebzehnjährigen
spielt sich im Ghetto von Theresienstadt ab. Dieses Buch schrieb der Autor im Jahr 1976
im amerikanischen Exil, es wurde im Jahr 1980 bei '68 Publishere Toronto herausgegeben.
das Buch hat die Form eines Tagebuches und ist auf drei Teile aufgeteilt. Es beschreibt
das Leben einer jungen Prostituierten in der Zeit vom 1. August bis zum 22. Dezember.
die Hauptfigur namens Perla Sch. tötet einen deutschen Offizier, ähnlich wie auch
Katharina Horowitzová. Sie bereut ihre Tat nicht und ist stolz auf sich selbst, obwohl sie
weiß, dass sie sterben wird. das Buch enthält Elemente von Erotik, Sex und den intimen
Seiten des Menschen. Für die Novelle die Ungeliebte wurde Arnošt Lustig im Jahr 1986
mit dem Nationalen jüdischen Buchpreis für den besten Roman des Jahres ausgezeichnet.

    Ein weiteres bedeutendes Werk ist eine Trilogie über die Schicksale dreier jüdischer
Frauen: Colette: Ein Mädchen aus Antwerpen (1992), Tanga: Ein Mädchen
aus Hamburg (1992), Lea: Ein Mädchen aus Leeuwarden (2000). die Novelle Colette:
Ein Mädchen aus Antwerpen wird später näher im Kapitel 5 behandelt. die Novelle Tanga:
Ein Mädchen aus Hamburg vermittelt uns die Gefühle eines Menschen, der weiß,
dass er bald sterben wird. Eine reife, erfahrene und selbstbewusste Frau verliert im Zug
des Todes plötzlich ihr ganzes Selbstbewusstsein. die Angst vor dem Tod nimmt überhand

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und ergreift   nicht   nur    die psychische,       sondern   auch      die physische     Seite
ihrer Persönlichkeit. Auch Erinnerungen an die Vergangenheit helfen ihr nicht,
die Gedanken an den Tod zu vertreiben. Auch hier inspiriert sich der Autor an wirklichen
Ereignissen. Als Vorbild für Tanga diente ihm Inge, die Prostituierte aus Theresienstadt.
die Novelle Lea: Ein Mädchen aus Leeuwarden ist die Geschichte eines Mädchens,
das ihr Leben mit ihrem eigenen Körper erkaufen muss. Im Konzentrationslager erlebt sie
auch verbotene Liebe. Ihre Geschichte endet mit dem Tod – sie kommt in die Waggons,
die in die Gaskammern fahren.

    Von den Kritikern hoch geschätzt war auch der Roman Deine grünen Augen.
Es handelt sich um eine spannende Geschichte, die vorwiegend in einem Feldbordell
stattfindet. die Hauptfigur ist das fünfzehnjährige Mädchen Hanka Kaudersová, das Kůstka
genannt wird. Sie beschreibt die Gewalt, die sie im Bordell erlebt hat. Sie erzählt
von den Strafen, die die Mädchen bekamen, falls sich die Offiziere beschwerten. Kůstka
überlebte den Krieg, wurde die schrecklichen Erlebnisse aber nie los.

    In seinen letzten Lebensjahren gab Arnošt Lustig die Romane Wir können nicht
wählen (2007) und Kameraden (2008) und die Sammlungen von Erzählungen Von früh
bis spät (2006) und Ein blauer Tag (2008) heraus. die Bücher Der Kofferdieb (2008)
und Liebe und Körper (2009) werden in einem späteren Teil dieser Arbeit behandelt.

    Unter anderem gab er auch Interviews, die in Buchform verarbeitet wurden. Im Jahr
2008     kamen     die Gespräche      mit       der Bezeichnung      Über Frauen        heraus,
welche Markéta Mališová mit Arnošt Lustig führte. Im Jahr 2011 schrieb Karel Hvížďal
das Buch Tachles, Lustig, in dem er mit Arnošt Lustig dessen Lebenswege, Erlebnisse aus
den Konzentrationslagern, seine Lieben, seine Ansichten und Gefühle bespricht.

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2.3.           Kinder als Hauptfiguren in der Literatur von Arnošt
        Lustig

      Arnošt      Lustig    macht   oft    Kinder,      die Opfer   des   Holocaust       wurden,
zu den Hauptfiguren seiner Werke. Er beschreibt ihre Geschichten sehr glaubwürdig
und naturalistisch. die Kinder mussten in dieser schweren Zeit lernen, für sich selbst
zu sorgen. Sie mussten neue Regeln respektieren, um überhaupt zu überleben.
Sie verstehen nicht, warum sie von ihren Eltern getrennt werden. Sie erleben Armut,
Hunger und Angst, die sie nie zuvor gekannt haben. Sie kommen alltäglich mit dem Tod
in Berührung und müssen schon in jungem Alter damit fertig werden. Sie finden
in ihrem Inneren eine Courage, eine Würde und einen Mut, den die meisten Menschen
in ihrer Umgebung schon verloren haben. Viele von ihnen verlieren das Leben,
weil sie versuchen, sich gegen ihr Schicksal aufzulehnen. Oftmals retten ihnen
ihre heldenhaften Taten aber auch das Leben. Geschichten, in denen gequälte Kinder
vorkommen, sind für den Leser sehr grausam. Wir sind uns dessen bewusst, dass ein Kind
wehrlos und hilflos ist und die Lebenserfahrungen entbehrt, die ihm helfen könnten, sich
zu wehren. Arnošt Lustig zeigt in seinen Werken, dass Kinder sehr erfindungsreich sind
und sich    oft    besser    anpassen     können     als   Erwachsene.    Als    Arnošt    Lustig
in das Konzentrationslager kam, war er selbst noch ein Kind, deshalb kann er sich
in das kindliche Gemüt hineinversetzen. Er behauptet, dass ein Mensch davon schreiben
sollte, was er selbst kennt. Er beschreibt seine Hauptfiguren sehr realistisch und stellt
den     Übergang       von     der kindlichen      Sorglosigkeit    zu den      Gedankengängen
eines Erwachsenen dar. Diese Übergänge sind sehr drastisch und hinterlassen
in den Kindern schwere Folgen. die Deutschen in den Lagern waren unglaublich grausam
zu den Kindern. Deshalb brachte der Autor aus den Konzentrationslagern ein Mitgefühl
für Kinder mit, das er weiter vermitteln wollte.

      Kindliche Hauptfiguren finden wir in zahlreichen Werken von Arnošt Lustig. Im Werk
Diamanten der Nacht beschreibt er auch eigene Erfahrungen. In der Sammlung Nacht
und Hoffnung zeichnet er auf vollkommene Weise die Charaktere der Kinder auf.
In der Novelle Mein Bekannter Vili Feld erinnert sich der erwachsene Jindřich Kraus
an das Waisenhaus zurück, in dem er seine Kindheit verbracht hat. die Sammlung
der bittere Duft von Mandeln zeigt den inneren Kampf eines kleinen Jungen,

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der das Konzentrationslager überlebt hat. Er weiß nicht, ob er sich für seine zerstörte
Kindheit rächen soll oder ob er lernen soll, zu vergeben. die Sammlung Kameraden
beschreibt eine Clique jüdischer Jungen, die in einem Prager Waisenhaus leben. der Autor
beschreibt, wie die Jungen mit der Realität, dem Krieg und der Liebe fertig werden. Es ist
auch ein starker erotischer Beiklang zu finden.

    In der Prosa der Kofferdieb beschreibt Arnošt Lustig das Leben von Ludvíček Adler
und Markétka     Fischerová    im    Konzentrationslager.   Diese    Kinder    durchleben
ihre erste Liebe, die sie selbst noch nicht einmal benennen können. Ihre Liebe ist rein
platonisch. In vielen Hinsichten verhalten sie sich aber wie Erwachsene, die geistreiche
Gespräche über das Glück, die Liebe, das Leben, den Tod und Gut und Böse führen.
Ludvíček ist aufgeklärter als Markétka, deren Ansichten oft naiv sind. Dieser Unterschied
geht aus der Tatsache hervor, dass Ludvíček alleine im Konzentrationslager lebt, während
Markétka immer in der Nähe ihrer Eltern ist. Mit der Zeit wird auch Markétka
mit der Realität fertig, dass sie in einem Konzentrationslager lebt, und wird
widerstandsfähiger. Sie lernt, sich an Kleinigkeiten zu erfreuen und die Anwesenheit
von Ludvíček zu genießen. Bemerkenswert ist auch die Ruhe, mit der sie über den Tod
sprechen. Sie haben keine Gefühle wie Angst oder Mutlosigkeit. die Kinder stellen sich
im Buch oft die Frage, warum gerade sie und ihre Familien solches Leid erleben müssen.

   2.4.        Frauen als Hauptfiguren in der Literatur von Arnošt
       Lustig

    Häufige Hauptfiguren in den Werken von Arnošt Lustig sind auch Frauen. Weibliche
Figuren waren in der Nachkriegsliteratur sehr beliebt. Seine Achtung gegenüber Frauen
lernte er auch dank seiner Mutter, die für ihn ein Musterbeispiel der Vollkommenheit
darstellte. Frauen nahm er als Symbol der Schönheit und Kraft wahr. Der Autor erwählt
Frauen zu seinen Hauptfiguren, da er während des Krieges täglich zum Zeugen
ihrer Erniedrigung wurde. Er bewunderte ihre Courage und ihre Kraft. Frauen hatten
in den Konzentrationslagern schlechtere Bedingungen als Männer. Sie wurden häufiger

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erniedrigt, behielten aber trotzdem ihre Würde. Die Deutschen wussten, dass die Nacktheit
für die Frauen ein großes Leid darstellte, und ließen sie regelmäßig nackt durch das ganze
Konzentrationslager marschieren. Sie waren gezwungen, zu töten und zu schießen,
um   selbst      zu     überleben.   Sie   begleiteten   ihre   Kinder   in   die   Gaskammern,
weil ihre Mutterliebe stärker war als die Sehnsucht nach dem Leben.

     Die Hauptfiguren sind meist junge, schöne Mädchen, die anziehend auf Männer
wirken. Für einige von ihnen stellte ihre Schönheit die Rettung dar, andere litten
dafür. Diese Mädchen hatten ihre Familien verloren, fühlten sich einsam und mussten
vorzeitig erwachsen werden. Ihr Ziel war es, zu überleben. Eine Ausnahme bildet Dita
Saxová, die sich nicht mit der Vergangenheit abfinden konnte und Selbstmord verübte.
Hauptfiguren wie Colette, Tanga, Perla, Lea und Kůstka nutzten ihre Körper,
um zu überleben. Sie versuchten sich den Bedingungen anzupassen, in denen sie sich
befanden. Der Autor beschreibt auch den inneren Kampf, den diese jungen Mädchen
führten.   Sie        wurden   zu    Geliebten   von     Deutschen.   Einerseits    gaben   ihnen
diese Beziehungen Hoffnung auf Leben, andererseits befriedigten sie Männer,
die ihre Familien getötet hatten. Katharina Horowitzová ist das Beispiel einer Frau,
die die innere Kraft fand, sich aufzulehnen. Sie vergaß, dass sie zu Demut erzogen worden
war, und stellte sich alleine gegen einen Aufseher, den sie erschoss.

     Arnošt Lustig sah viele getötete junge Frauen und wollte ihnen in seinen Büchern
Ehre erweisen. Er hielt Frauen für besser und tapferer als Männer.

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3. Frauen im Leben von Arnošt Lustig

      Die Mutter wurde für Arnošt Lustig zum Mittelpunkt seines Lebens. Mütter stellen
für Männer die erste weibliche Kontaktperson dar und formen ihre zukünftigen
Beziehungen zu Frauen. Seit der Kindheit verglich er seine Mutter mit seinem Vater. Beide
hatten in der Familie ihre Aufgaben. die strengere Seite der Erziehung fiel der Mutter
zu, der Vater war freundlicher. Als Kind nahm er den Vater als das nettere Elternteil wahr.
die Mutter sparte nicht mit Schlägen. Als sie dabei einmal einen Kochlöffel zerbrach,
bekam er noch mehr Schläge, da der Kochlöffel drei Kronen gekostet hatte. die Mutter
stammte vom Land und war sehr streng erzogen worden. Ihre stattliche Figur rettete
ihr im Konzentrationslager das Leben.

      In Auschwitz trat die Mutter von Arnošt Lustig mit seiner Schwester Hana
und seiner Cousine Věra vor Doktor Mengele an. die Familie hatte Věra aufgenommen,
da ihre Eltern während des Krieges gesteinigt worden waren. sie hatten ihre Hühner
im Grenzland mit Getreide gefüttert, was Juden verboten war. die Kinder waren
eifersüchtig auf Věra. Ihnen schien, dass die Mutter Věra mehr Aufmerksamkeit widmete
als den anderen Kindern. Diese wollte aber nur, dass das Kind den Tod seiner Eltern besser
verkraften könne. Beide Mädchen wurden von Doktor Mengele zu den Lebenden gereiht.
sie   waren jung und gesund und konnten deshalb arbeiten. die Mutter sah gut
aus, aber während der Schrecken, die sie erlebt hatte, waren ihre Haare ergraut. Auch
eine solche Kleinigkeit wie graues Haar kostete viele Menschen das Leben. Doktor
Mengele begann mit Terezie Lustigová aus Langeweile ein Gespräch. er fragte
sie, welchen Beruf sie ausgeübt habe und woher sie stamme. die Mutter antwortete
auf Deutsch, dass sie Näherin sei. Mengele fragte sie aus, wo sie so gut Deutsch gelernt
habe. sie erklärte ihm, dass sie aus Mähren stammte, wo vorwiegend deutsch gesprochen
worden war. Dann fragte sie nach, warum ihre Kinder anderswo hingingen als sie.
Mengele machte eine Ausnahme und führte die Mutter über die Gleise zu ihren Kindern.
Ihr schönes Deutsch hatte sie vor der Vergasung gerettet. In den meisten Fällen schickte
Mengele nämlich die Kinder zu den Müttern. Diese waren zufrieden, dass sie beisammen
waren. Sie wussten aber nicht, dass sie innerhalb weniger Minuten in die Gaskammern
gehen würden. Arnošt Lustig hielt diese Tat von Mengele für sehr schön. er vergab ihm

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aber nie, dass er einen Tag zuvor seinen Vater in die Gaskammer geschickt hatte. Doktor
Mengele spielte Gott. er bestimmte, wer leben durfte und wer nicht.

        Terezie Lustigová war auch im Konzentrationslager eine anerkannte Person.
Wenn die Frauen Essen bekamen, brachten sie es zu ihr. sie teilte es immer gerecht
auf und überließ ihren eigenen Anteil ihren Mädchen, damit diese nicht verhungerten.
Sie hatte genug Courage und Mut. Dies bewies sie , als sie ihrer Nichte Věra das Leben
rettete. Ein SS-Mann zerrte die kranke Věra im Lager zur Gaskammer. Terezie hielt
sie aber fest an der Hand. der Soldat drohte Terezie mit dem Tod, falls sie Věra weiter
halten würde. sie gab aber nicht auf und ließ Věra nicht los. Letztendlich ließ
sie der Soldat gehen.

      Arnošt Lustig sah seine Mutter am 19. 6. 1945 wieder. Statt einer stattlichen Dame
kehrte eine abgemagerte Frau mit großer Nase zurück. An dieser Nase erkannte er sie.
Ihre erste Frage betraf ihren Mann. Nachdem sie erfahren hatte, dass er tot war, sprach
sie nie wieder von ihm.

      Zu den Frauen, die Arnošt Lustig beeinflussten, gehörten auch Lehrerinnen.
Eine davon war Frau Marxová. In der vierten Klasse verkündete der kleine Arnošt,
welche Liebesspiele er mit der Frau Lehrerin gerne machen würde. Frau Marxová
verblüffte ihn mit ihrer ruhigen Reaktion. Sein Verhalten brachte ihm nur eine Mitteilung
für die Mutter ein, die allerdings eher belustigt als böse war. Frau Lehrerin Rodrová
erweckte in ihm das Interesse an der Literatur. In den Stunden der Heimatkunde las
sie der Klasse romantische Erzählungen vor. Dank ihr entdeckte er, wie schön Literatur
sein kann.

      Auch die Prostituierte Inge aus dem Ghetto in Theresienstadt (Terezín) beeinflusste
ihn stark. mit ihr erlebte er seine erste sexuelle Erfahrung. sie wurde seine Freundin
und    Vorbild   der Romanheldinnen     in    seinen   Werken    Deine   grünen   Augen
und die Ungeliebte.

      Alle Frauen, die Arnošt Lustig traf, beeinflussten ihn auf eine gewisse Weise.
Zur Liebe seines Lebens wurde Věra Weislitzová, die er im Konzentrationslager kennen

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lernte. er verliebte sich in sie in seinem zwanzigsten Lebensjahr. er glaubte aber nicht,
dass auch sie ihn lieben könnte. Věra war von Arnošts Intellekt beeindruckt. sie heirateten
im Jahr 1949 in Israel. Věra Weislitzová war hier Angehörige der israelischen Armee.
Später   wurde   sie   Schriftstellerin.   sie   schrieb   autobiographische   Erzählungen
mit dem Titel der Hund aus Klagenfurt, in denen sie                das tragische Schicksal
ihrer Angehörigen beschrieb, und gab auch eine tschechisch-englische Gedichtsammlung
mit dem Namen Die Tochter von Olga und Leo heraus. mit ihrem Gatten Arnošt Lustig
hatte sie zwei Kinder – Josef und Eva. Nach sechzig gemeinsamen Jahren
starb sie am 11. Mai 2009.

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4. Die Liebe und der Körper sind stärker als der Krieg

       Im Jahr 2009 wurde im Verlag Mladá fronta Arnošt Lustigs Buch Liebe und Körper
herausgegeben, mit dem Untertitel sie gt eine verbotene Beziehung über den Tod?
Der Roman wird als längere Novelle bezeichnet. das Buch ist vorwiegend in Form
von   Dialogen    gehalten,   zu finden   sind      auch    die Gedanken    der Hauptfiguren
und Anmerkungen des Gauleiters Wilfred Vergessen. Im Text tauchen sehr oft die Worte
Liebe, Körper, Liebling und Transport auf. das Buch enthält keine epische Handlung.
Die Hauptpersonen sind zwei Juden – Josef Reinisch und Gabriela Lágusová.
Eine wichtige Rolle spielt auch die Nebenfigur Herš Sasson, die im Buch nur einmal
vorkommt. Gabriela und Josef sprechen aber sehr oft von ihm. die Handlung spielt sich
im Ghetto von Theresienstadt ab.

       Josef Reinisch, ein stattlicher, schwarzhaariger und ansehnlicher Mann mit gutem
Charakter, arbeitet im Ghetto von Theresienstadt als Fleischer. Diese Arbeit bekam er,
da er mit einem der ersten Transporte angekommen war. Nach Möglichkeit stiehlt
er Fleisch und trägt es in seiner Hose hinaus. er nutzt es nicht nur für den eigenen
Verbrauch,   sondern    tauscht    es     auch      gegen    Bücher   aus     oder   knüpft
damit neue Bekanntschaften an.

       Gabriela Lágusová ist eine achtzehnjährige Mischlingsfrau. Ihr Vater war
ein gläubiger Katholik. Vor dem Krieg verließ er sie und ihre Mutter, um sich selbst
vor dem Transport zu retten. Ihre Mutter und Großmutter sind bereits gestorben.
Nach der Ankunft in Theresienstadt wohnte sie gemeinsam mit ihrem damaligen Partner
Herš Sasson, um später zu Josef in eine Dachwohnung im Altersheim umzuziehen.

       Die Beziehung von Josef und Gabriela ist sehr leidenschaftlich. Es handelt
sich nicht nur um geistige Liebe, sondern auch um ein körperliches Bedürfnis. Josef R.
spricht oft vom Körper. der Körper und die Anwesenheit von Gabriela L. wurden
zum Sinn seines Lebens. Gabriela L. hatte das Gefühl, dass Josef R. die Bedeutung
des Körpers überbewertet. Trotzdem erwartete sie ihn fast immer nackt. sie konnte
aus seinem Blick lesen, was er brauchte. die Leidenschaftlichkeit ihrer Beziehung zeigte

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sich auch in Raufereien, die mit der Vereinigung ihrer Körper endeten. Ihre Beziehung
begründete sich auf vollkommener Aufrichtigkeit und Hingabe.

       Ihre Gespräche drehten sich um Literatur, Transporte, Herš Sasson, das Töten
und das Unrecht, das den Juden geschehen war. Gabriela fürchtete sich sehr
vor den Transporten nach Osten, da sie in Theresienstadt keine Arbeit hatte. sie half
aber den Bewohnern des Altersheimes, um ihnen das Leben etwas einfacher zu machen.
Zum festen Punkt im Leben der Menschen in Theresienstadt wurde ihre Vergangenheit.
Josef lernte in der Anwesenheit von Gabriela, Theresienstadt zu verdrängen, und gewöhnte
sich schnell an das dortige Leben. Gabriela hatte sehr große Angst. Josef beruhigte sie,
dass die Deutschen weder Russland noch Amerika besiegen könnten und dass sie beide
gemeinsam den Krieg überleben würden. Gabriela stellte sich die Frage, warum
sich die Juden nicht gewehrt hatten? sie verglich sie mit in Netzen gefangenen Fischen.
Sie wünschte sich, mit Josef nach Paris fahren zu können und mit ihm ein Kind zu haben.
sie war nur achtzehn Jahre alt, aber so wie alle Menschen in Theresienstadt war sie geistig
reifer. In ihren Gedanken bestand die Welt aus zwei getrennten Welten. die „normale“
Welt, in der man zur Schule gehen und sich alles kaufen kann, was man möchte,
und die „jüdische“, in der alle sterben müssen. sie dachte auch über Selbstmord nach,
aber in der Gegenwart von Josef war sie glücklich. sie bemühten sich, das gemeinsame
Leben zu genießen. Am Sonntag musste Josef nicht arbeiten und sie konnten spazieren
gehen. mit der Zeit lernte auch Gabriela, bei Josef nicht über Theresienstadt,
die   Transporte    und den    Tod    nachzudenken.     Abends     waren    sie    dankbar,
dass sie nebeneinander einschlafen konnten. der Schlaf war für sie eine Erleichterung.

       Josef fragte gerne nach Herš Sasson, der aus Mukatschewe stammte. Gabrielas
Erzählungen    regten ihn aber immer auf.           er wusste nicht, ob es        Eifersucht
oder eine Abneigung gegen sein Verhalten war. Gabriela wohnte bei Herš, da sie Angst
hatte, alleine zu sein. In seiner Gegenwart kam sie sich wie ein bloßes Stück Fleisch
vor. Ihr Körper war ihm nicht gut genug. Ihm kam es nur auf Menschen an, die er brauchte.
In Theresienstadt spielte er Karten. Seinen Zorn nach Verlusten ließ er an Gabriela aus,
manchmal bot er sie auch als Gegenwert an. Im Buch taucht Herš Sasson selbst nur einmal
auf. er hörte, dass die Anzahl der Transporte steigt. Daraufhin besuchte er Gabriela und bat

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sie , wieder zu ihm zurückzukehren. er wollte seine letzten Tage nicht alleine verbringen.
sie lehnte aber ab.

        Seine Sorgen um das Leben aller Juden vertraute Josef auch der Rabbi Leo Baeck
an. der Rabbi hörte, dass die Deutschen alle Juden ermorden wollten. er hörte auch
Berichte   über das Leben        in    Auschwitz-Birkenau.      die Menschen       bezahlten    dort
ihre Wasserrationen mit Armbanduhren und Gold, falls sie arm waren, verdursteten sie.
Josef begann Angst zu verspüren, von der er Gabriela aber nichts sagte. er schrieb
ihr im Geiste einen Brief. er erklärte ihr darin seine Liebe und anerkannte
die    Schwierigkeiten       ihres     momentanen          Lebens.   er gestand       darin    auch,
dass er in seinem Inneren unruhig sei, auch wenn er sich nach außen hin ruhig verhalte.

        Im Buch sind auch Anmerkungen des Gauleiters Wilfred Vergessen zu finden.
Er    bezeichnet    die Juden     mit den    verschiedensten     Beleidigungen        und verwendet
für sie verschiedene Insektennamen. der beste ist seiner Meinung nach das Wort
Pferdebremse. er zeichnet den Zustand des Krieges auf, die Anzahl der gefallenen
deutschen Soldaten, die Anzahl der getöteten Juden und den Stand der erworbenen
jüdischen Finanzen und Wertgegenstände, die dem Reich zufallen.

        Im Abschluss des Buches denkt Gabriela vorwiegend über Herš Sasson und seinen
Charakter nach. sie hat eine Vorladung für den Transport nach Osten. Josef legt für sie
in der Zentralevidenz des Rates der Älteren Fürsprache ein. er hat hier Bekannte,
die   er   mit Fleisch     besticht.    er erfährt   von    der Ausrottung,     den    Vergasungen
und den Massengräbern. er erfährt, dass alle Einwohner von Theresienstadt nach Osten
geschickt werden sollen. Diese Feststellungen teilt er aber Gabriela nicht mit. er selbst hat
keine Vorladung bekommen, aber die Vorstellung eines Lebens ohne Gabriela wird
unvorstellbar.     er besteigt   den     Transport       gemeinsam   mit ihr.     das Buch     endet
mit der Abfahrt des Zuges nach Osten, in dem Gabriela Lágusová und Josef Reinisch
gemeinsam in einem Waggon sitzen.

        Arnošt Lustig beschrieb in diesem Buch die Liebe zum Leben und zu allem,
was körperlich ist. die Körper der beiden Liebenden werden zu einem Versteck
vor dem Krieg. Ihre Liebe ist für sie alles. sie sagen einander alles und denken

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über alles nach. sie fühlen keine Scham voreinander. Ein Leben ohne den anderen ist
für sie   sinnlos. die Gedanken und Dialoge der Liebenden bringen uns näher,
was die Menschen in Theresienstadt fühlten und erlebten.

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5. Colette und das Schicksal einer heimlichen Liebe

       Im Jahr 2013 gab der Verlag Mladá fronta die 3. Ausgabe des Buches Colette:
Ein Mädchen aus Antwerpen heraus, mit dem Untertitel Eine fesselnde Geschichte
über die Liebe, die stärker ist als der Tod. Es handelt sich um eine Novelle aus der Trilogie
über das Schicksal dreier jüdischer Frauen. das Buch diente als Vorlage für den Film
Colette aus dem Jahr 2013. der Film unterscheidet sich stark vom Buch. Im Buch wird
angedeutet, dass Colette stirbt, im Film überlebt sie den Krieg. sie lebt ein langes Leben
ohne die Liebe ihres Lebens namens Vili Feld. sie trifft ihn erst nach zwanzig Jahren,
während der Hochzeit ihrer Kinder. die Hauptfiguren sind die jungen Liebenden Colette
Cohen und Vili Feld. Eine ebenso wichtige Rolle spielen auch die Leiterin der Abteilung
Kanada namens Broder und der faschistische Aufseher Weissacher. die Handlung steht eher
im Hintergrund. der Autor hält sich nicht an eine einheitliche zeitliche Linie.
Die Gestalten kehren in Gedanken bis in die Zeit ihrer Kindheit vor dem Krieg zurück.
Das Buch enthält vorwiegend Dialoge zwischen Colette und Vili und Colettes Gedanken.
Arnošt Lustig widmet sich auch dem Kommandanten Weissacker und der Leiterin Broder.
Wegen dem Untertitel erwartet der Leser eine gewisse Spannung, die er aber nur
in dem Abschnitt wiederfindet, als Colette einen gestohlenen Diamanten unter ihrer Zunge
verbirgt. Im Buch kommen keine anderen zugespitzten Situationen vor. die Handlung spielt
sich im Lager von Auschwitz ab.

       Colette Cohen, eine junge, gut gebaute, schöne, neunzehnjährige belgische Jüdin,
kommt mit ihrer Familie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Da Colette
wunderschön war, riet ihr ein deutscher Soldat, ihre Armbanduhr im Schuh zu verstecken.
Später nutzte sie sie zur Bestechung. sie musste sich auch von ihrer Familie
verabschieden.   Ihre   Eltern   und Schwestern      wurden   in   die Gaskammer     geführt
und sie wünschte sich, mit ihnen zu sterben. sie konnte sich ein Leben ohne ihre Lieben
nicht vorstellen. In dem Augenblick, als sie           an den Tod dachte, wurde sie
in eine Arbeitsabteilung eingegliedert. sie kam in das Arbeitskommando Kanada,
da sie gelogen hatte, als Näherin gearbeitet zu haben. Ihre Arbeit bestand im Auftrennen
von beschlagnahmter Kleidung und in der Suche nach verstecktem Schmuck, Geld
oder anderen Wertgegenständen. die Leiterin ihres Abteils hieß Broder und hielt
ihre Stellung mithilfe von Prostitution. Kommandantin Broder fand Gefallen an Colette.

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sie wurde zu ihrer Freundin und Beschützerin. sie machte sie auch mit der Lebensweise
im Lager bekannt. Colette stellte fest, dass sie ihr Leben im Konzentrationslager
nur mithilfe ihres Körpers verlängern konnte.

       Ihre Schönheit fiel auch dem sadistischen Kommandanten Weissacher auf.
Sie war gezwungen, seine sexuellen Gelüste zu befriedigen. Es reichte ihm nicht, sie bloß
zu erniedrigen, er tat Colette gerne auch körperlich weh. Jeglicher Widerstand hätte
sie das Leben gekostet. das Töten war seine Leidenschaft. er wurde als menschliche
Verkörperung von Bosheit und Grausamkeit beschrieben. er beaufsichtigte die Mädchen,
dass sie beim Auftrennen nichts stehlen konnten. Deshalb hatte er Colette ständig
in seiner Nähe.

       Die Freundschaft mit der Leiterin Broder brachte Colette Vorteile. sie bekam
gefälschte Passierscheine und konnte heimliche ihre Liebe Vili Feld treffen. Vili Feld
arbeitete als Schriftführer. er schrieb die Namen der Menschen auf, die in die Gaskammern
geschickt wurden. Dank seiner Verantwortlichkeit und seinem Arbeitswillen hatte
er eine privilegierte Stellung, die auch etwas Privatsphäre brachte.

       Colette Cohen und Vili Feld durchleben eine verbotene Liebe. Ihre Liebe wird
als rein und wahrhaftig beschrieben, eine Liebe, die nicht nehmen will, sondern nur geben.
Auch in solch unmenschlichen Bedingungen haben sie das Bedürfnis, jemanden zu lieben.
mit Vili fühlt sich Colette geläutert und stärker. mit ihm erlebt sie eine physische Liebe
voller Romantik, Zärtlichkeiten und Verständnis. sie erfährt, dass Sex viele Gestalten hat.
Bevor sie Vili kennen gelernt hat, wurde sie nur vom Kommandanten Weissacher
vergewaltigt. Beide Liebenden verwenden fromme Lügen, um dem anderen nicht weh
zu tun. Colette gesteht Vili nicht, dass sie die Beischläferin des Mörders ihrer Eltern
und Schwestern ist. Vili kann nur mutmaßen, womit Colette ihr Leben loskauft.
Er   verurteilt   sie   nicht.   er ist   sich    bewusst,   dass      die Stellung   von   Frauen
in den Konzentrationslagern viel schwieriger ist als die der Männer. die jungen Liebenden
sprechen      häufig     von      der Vergangenheit.         Colette       hat    Gewissensbisse,
dass sie die ihre verlassen hat. Vili bemüht sich, ihr das Gefühl von Trost, Sicherheit
und Hoffnung zu vermitteln. Colette kann aber das Gefühl der Scham nicht unterdrücken
und kämpft beständig mit ihrem Gewissen. sie verbringen ihre gemeinsame Zeit so,

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