Medikamente, die Parkinson-Symptome verursachen können
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Medikamente, die Parkinson-Symptome verursachen können Dr. Ferenc Fornadi, Gertrudis-Klinik Biskirchen, Deutschland Eine bei der Diagnosestellung der Parkinson-Krankheit wichtige anamnestische Fra- ge ist, ob der Patient vor dem Auftreten der typischen Symptome bestimmte Medi- kamente genommen hat. Diese Frage dient zum Ausschluss eines medikamentö- sen Parkinson-Syndroms, das auch Parkinsonoid genannt wird. Die Unterschei- dung des medikamentösen Parkinson-Syndroms von den primären und anderen se- kundären Parkinson-Syndromen hat eine enorme Bedeutung. Während die anderen Formen der Parkinson-Syndrome im Allgemeinen einen progressiven Verlauf zeigen, ist das medikamentöse Parkinson-Syndrom reversibel, das heißt, dass die Sympto- me nach dem Absetzen des auslösenden Mittels wieder verschwinden. Im eigentli- chen Sinne können wir dieses Syndrom nicht als Krankheit bezeichnen, es ist eher als eine Nebenwirkung von Medikamenten zu betrachten. Die medikamentös ausge- lösten Symptome klingen nach einiger Zeit bei Beendigung der Therapie mit dem Auslöser auch ohne Parkinson-Therapie ab. Die richtige Differenzierung des Parkin- sonoid von den anderen Formen der Parkinson-Syndrome, erspart dem Patienten die seelische Belastung der Diagnose einer unheilbaren Krankheit und eventuell eine jahrelange überflüssige Behandlung mit Antiparkinsonmitteln. Die Kenntnis dieser auslösenden Medikamente ist auch für Parkinson-Patienten und ihre Ärzte von großer Wichtigkeit, weil diese Medikamente auch die Symptome einer bestehenden Parkinson-Krankheit vorübergehend deutlich verschlechtern können. Es lohnt sich bei Einnahme neuer Medikamente im Beipackzettel nachzuforschen, ob das Mittel als Nebenwirkung Parkinson-Symptome verursachen kann. Häufig finden wir bei den aufgeführten Nebenwirkungen anstelle der Parkinson-Symptome das Wort extrapyramidale Nebenwirkungen, was gleichbedeutend ist. Wie ist es möglich, dass Medikamente ein reversibles Parkinson-Syndrom aus- lösen können? Bei den primären (idiopathischen) und auch bei den anderen symptomatischen Par- kinson-Syndromen sind die Nervenzellen der Schwarzen Substanz größtenteils zer- stört, infolge dessen wird zu wenig Dopamin produziert. Diese Veränderungen sind verantwortlich für die Symptome der Parkinson-Krankheit. Der Überträgerstoff Do- pamin übt seine Wirkung auf die Dopamin-Aufnehmer (Rezeptoren) in dem so ge- nannten Streifenkörper (lat. Striatum) aus. Diese bleiben bei der Parkinson-Krankheit unversehrt und das therapeutisch verabreichte L-Dopa kann nach Umwandlung ins Dopamin die Rezeptoren stimulieren und dadurch die Parkinson-Symptome bessern. Bei dem medikamentösen Parkinson-Syndrom finden wir keinen Zellschwund in der Schwarzen Substanz und auch keine anderen krankhaften anatomischen Verände- rungen. Auch die Dopamin-Produktion ist intakt. Die Medikamente, die Parkinson- Symptome auslösen oder verschlechtern können, besetzen, also blockieren die ge- nannten Rezeptoren und das Dopamin kann infolge dieser Blockade nicht mehr wir- ken. Diese Blockade, die im Allgemeinen nur vorübergehend, also reversibel ist, ist verantwortlich für die Entstehung der Parkinson-Symptomatik in diesem Falle. Die Rückbildung der Parkinson-Symptome kann sogar bis zu 6 Monate dauern, bei der 1
endgültigen Diagnosestellung sollte demzufolge bei vorausgegangener Einnahme von solchen Medikamenten diese Zeit abgewartet werden. Die Medikamente, die die Blockade ausüben, werden auch Dopamin-Antagonisten (Gegenspieler des Dopamins) genannt. Eine weitere Möglichkeit ist, dass Medikamente die Dopamin-Speicher entleeren und dadurch einen vorübergehenden Dopamin-Mangel verursachen. Der durch Medikamente verursachte Dopamin-Mangel oder die Rezeptor-Blockade ist im Allgemeinen reversibel. In einigen Fällen verschwinden aber die Symptome auch nach dem Absetzen des auslösenden Mittels nicht, die Parkinson-Symptomatik besteht weiterhin. In diesen Fällen bestand schon eine sich in Entwicklung befinden- de Parkinson-Krankheit, aber noch ohne körperliche Symptome. Es ist bekannt, dass die Symptome erst dann auftreten, wenn ein großer Teil (ca. 50 %) der dopamin- produzierenden Zellen nicht mehr funktionsfähig ist. In diesen Fällen kommt es durch die Medikamente zu einem frühzeitigen Ausbruch der Krankheit. Diese Erscheinung wird als „frühzeitige Demaskierung“ bezeichnet. Bei dieser Demaskierung liegt also eine Parkinson-Krankheit schon im Hintergrund, die latenten Symptome wurden durch die Medikamente verstärkt. Wie schon erwähnt, können bei einer bekannten Parkinson-Krankheit die Medika- mente, die die Rezeptoren blockieren oder die Speicher entleeren, zu einer manch- mal sehr deutlichen Verschlechterung der Symptomatik führen, die aber in den meis- ten Fällen nur vorübergehend ist. Bei Parkinson-Patienten sollten deswegen diese Medikamente möglichst nicht verabreicht werden. Welche Medikamente können Parkinson-Symptome auslösen? Typische oder klassische Neuroleptika Es ist seit der Einführung bestimmter Psychopharmaka, der so genannten Neurolep- tika gut bekannt, dass diese zum Auftreten von einem medikamentösen Parkinsonoid führen können. Bei den „klassischen Neuroleptika“ wurde sogar die Stärke der an- tipsychotischen Wirkung mit den extrapyramidalen Nebenwirkungen gekoppelt (neu- roleptische Potenz). Diese klassischen Neuroleptika sollten nur mit der Indikation einer Psychose verabreicht werden, nicht als Beruhiguns- oder Schlafmittel. Interes- sant, dass die individuelle Empfindlichkeit der Menschen sehr unterschiedlich ist, bei einigen können schon nach einer einzigen Einnahme, bei anderen nur nach einer längeren Einnahmezeit extrapyramidale Nebenwirkungen auftreten. Bei Frauen sind Parkinsonoid-Erscheinungen 2-mal häufiger als bei Männern. Ältere Menschen sind auch eher gefährdet. Neben vorübergehenden Parkinson-Symptomen können die Neuroleptika leider auch bleibende Störungen des extrapyramidal-motorischen Systems verursachen, die so genannten Spätdyskinesin (tardive Dyskinesien). Die wichtigsten Wirkstoffe der Neuroleptika: 2
Hochpotente Neuroleptika: • Benperidol • Haloperidol • Bromperidol • Flupentixol • Fluspirilen • Olanzapin • Pimozid • Risperidon • Fluphenazin • Trifluoperazin • Perphenazin Neuroleptika mit mittlerer Potenz • Zuclopenthixol • Clopenthixol • Chlopromazin • Clozapin • Melperon • Perazin • Quetiapin • Thioridazin Niedrigpotente Neuroleptika: • Pipamperon • Triflupromazin • Chlorprothixen • Prothipendyl • Levomepromazin • Promazin • Promethazin • Amisulpirid • Sulpirid Bei der Entwicklung neuerer Antipsychotika wurde der Begriff „atypische Neurolep- tika“ eingeführt. So werden Neuroleptika bezeichnet, die die typischen extrapyrami- dalen Nebenwirkungen seltener hervorrufen. Die atypischen Neuroleptika sind: • Clozapin • Olanzapin • Quetiapin • Risperidon • Paliperidon • Amisulprid • Ziprasidon • Aripiprazol 3
• Sulpirid Es wurde mit viel Erwartung geprüft, welche Neuroleptika für die Behandlung von Parkinson-Patienten geeignet sind. Es blieben 2 Wirkstoffe, die in der bei der Parkin- son-Krankheit üblichen Dosierung im Allgemeinen keine Verschlechterung der Par- kinson-Symptome verursachen: • Clozapin • Queatiapin Bei psychischen Nebenwirkungen der Antiparkinson-Mittel werden diese beiden Wirkstoffe eingesetzt. Weitere Dopamin-Antagonisten Neuroleptika, bzw. Dopamin-Antagonisten werden auch gegen nicht-psychotische Symptome eingesetzt. Sulpirid wird gegen Schwindel eingesetzt, Thiethylperazin gegen Schwindel und Erbrechen. Beide Medikamente können extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen auslösen. Gegen Übelkeit und Erbrechen wird häufig Metoclopramid verschrieben. Dieser Do- pamin-Antagonist blockiert auch die zentralen Dopamin-Rezeptoren, kann also die Parkinson-Symptome deutlich verstärken, sogar nach 1- bis 2-maliger Einnahme. Parkinson-Patienten sollten deswegen lieber Domperidon nehmen, dieser Dopamin- Antagonist blockiert nur das Brechzentrum, das außerhalb der Blut-Hirn-Schranke liegt. Tiaprid wird selten auch bei Parkinson-Patienten eingesetzt, die sehr starke Über- bewegungen entwickeln. In diesen Fällen muss man aber damit rechnen, dass die Parkinson-Medikation und das Tiaprid gegenseitig die Wirkung abschwächen, bildlich gesagt: wir geben gleichzeitig Gas und treten die Bremse. Calcium-Kanal-Blocker Diese Medikamente (Flunarizin, Cinnarizin) werden bei so genannten „Durchblu- tungsstörungen“ eingesetzt, weiterhin bei Kopfschmerzen und Schwindel. Sie kön- nen ein medikamentöses Parkinson-Syndrom auslösen Mittel gegen hohen Blutdruck Das heute praktisch nicht mehr verwendete Blutdruckmittel Reserpin kann durch die Entleerung der Dopamin-Speicher zum Parkinsonoid führen. Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) Die erste Generation dieser Medikamente, insbesondere Fluvoxamin kann Parkin- son-Symptome verstärken oder auslösen. 4
Lithium Auch die chronische Behandlung mit Lithium kann extrapyramidal-motorische Sym- ptome hervorrufen. Mittel gegen Epilepsie Bei der chronischen Einnahme von Valproat wurde ebenfalls eine Beeinflussung bzw. Auslösung von Parkinson-Symptomen beobachtet. Antibiotika Bestimmte Antibiotika, die so genannten Aminoglykoside können erfahrungsgemäß die Parkinson-Symptomatik negativ beeinflussen. Auch bei anderen Antibiotika mer- ken einige Patienten die vorübergehende Verschlechterung der Parkinson- Symptome. Medikamente gegen Herzrhythmusstörugen Amiodaron kann einen extrapyramidalen Tremor verursachen oder verstärken. Rheuma-Mittel Unter Einnahme von Indomethacin kann eine Verschlechterung der Parkinson- Symptomatik auftreten. Bei der Diagnosestellung ist entsprechend der bisherigen Betrachtungen sehr wich- tig, dass der Arzt über die vorangegangene Einnahme solcher Medikamente infor- miert wird. Wenn Verdacht auf das medikamentöse Parkinson-Syndrom besteht, können schon die klinischen Symptome auf die medikamentöse Verursachung hin- weisen. Die primäre Parkinson-Krankheit tritt selten symmetrisch auf, der Parkinso- noid ist im Allgemeinen symmetrisch. Die Parkinson-Krankheit zeigt gewöhnlich ei- nen progressiven Verlauf, der Parkinsonoid bleibt konstant, zeigt nach dem Absetzen des Mittels eine - eventuell bis zu einem halben Jahr dauernde - Rückbildung der Symptome, ohne spezifische Therapie. Wenn aufgrund des klinischen Bildes und der Rückbildung der Symptome nicht ein- deutig ist, ob es sich hier um ein primäres oder ein medikamentöses Parkinson- Syndrom handelt, kann die DaT-Scan-Untersuchung Klarheit schaffen. Die Parkin- son-Krankheit zeigt in der Dopamin-Transporter-Untersuchung den typischen Dopa- min-Mangel, bei dem Parkinsonoid zeigt die Untersuchung eine normale Dopamin- Transporter-Konzentration. 5
Medikamentöses Parkinson-Syndrom Idiopathisches Parkinson-Syndrom (Normaler DaT-Scan) linksbetonte Reduzierung der DaT Wenn ein Patient unter Behandlung mit Medikamenten das Auftreten oder die Ver- schlechterung von Parkinson-Symtomen bemerkt, sollte er den behandelnden Arzt umgehend informieren. Bei der Verordnung neuer, zusätzlicher Mittel sollten die Ne- benwirkungen und Wechselwirkungen beachtet werden. Das medikamentöse Parkinson-Syndrom wird in der Regel nicht mit Antiparkinson- Mitteln behandelt, sondern durch Absetzen oder Ersetzen des auslösenden Mittels. Der Arzt beobachtet die Rückbildung der Symptome. 6
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