Meereskenntnisse 2020 - Grünbuch von der Kartierung des Meeresbodens bis zur ozeanografischen Prognose - Europa EU

 
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Meereskenntnisse 2020 - Grünbuch von der Kartierung des Meeresbodens bis zur ozeanografischen Prognose - Europa EU
Grünbuch
Meereskenntnisse 2020
      von der Kartierung des Meeresbodens
      bis zur ozeanografischen Prognose

      Maritime
      Angelegenheiten
Meereskenntnisse 2020 - Grünbuch von der Kartierung des Meeresbodens bis zur ozeanografischen Prognose - Europa EU
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Katalogisierungsdaten befinden sich am Ende der Veröffentlichung.

Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2012

ISBN 978-92-79-25349-2
doi:10.2771/41374

© Europäische Union, 2012
Nachdruck mit Quellenangabe gestattet.

Titelseite: Gelbe Steinkoralle (Leptopsammia pruvoti), aufgenommen im Meeresschutzgebiet Portofino, Italien. – © Marco Faimali.

Printed in Belgium

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem papier
Meereskenntnisse 2020 - Grünbuch von der Kartierung des Meeresbodens bis zur ozeanografischen Prognose - Europa EU
Europäische Kommission

      Grünbuch
Meereskenntnisse 2020
von der Kartierung des Meeresbodens
 bis zur ozeanografischen Prognose
                   COM(2012) 473 final

Generaldirektion Maritime Angelegenheiten und Fischerei
Meereskenntnisse 2020 - Grünbuch von der Kartierung des Meeresbodens bis zur ozeanografischen Prognose - Europa EU
3

Inhaltsverzeichnis
 1.    Die Vision                                                           5

 2.    Dieses Grünbuch                                                      6

  3.   Der Bedarf an Meereskenntnissen                                      8
3.1.   Industrie                                                            8
3.2.   Behörden                                                             9
3.3.   Wissenschaft                                                         9
3.4.   Zivilgesellschaft                                                    9

  4.   Verfügbarkeit und Interoperabilität                                 10
4.1.   Engpässe                                                            10
4.2.   Mehrfachnutzung von Meeresdaten                                     10
4.3.   Wettbewerbsfähigkeit und Innovation                                 11

  5. Bisherige Fortschritte                                                12
5.1. Nationale Anstrengungen                                               12
5.2. Europäisches Meeresbeobachtungs- und Datennetzwerk (EMODnet)          12
5.3.	Meeresdienst im Rahmen der globalen Umwelt- und
      Sicherheitsüberwachung (GMES)                                        14
5.4. Rahmenregelung für die Erhebung von Fischereidaten                    14
5.5. Forschung                                                             15
5.6. Umweltberichterstattung                                               16
5.7. Anpassung an den Klimawandel                                          18
5.8. Internationale Initiativen                                            18

  6. Governance                                                            19
6.1.	Gleichgewicht zwischen den Anstrengungen der EU
      und der Mitgliedstaaten                                              19
6.2.	EU-Unterstützung für die Erhebung und Verarbeitung von Meeresdaten   19
6.3. Einbeziehung der Nachbarländer                                        20
6.4. Bestimmung der Prioritäten                                            20

 7.    Beteiligung des Privatsektors                                       22

 8.    Reaktionen auf das Grünbuch                                         23
4
    GRÜNBUCH

               Das im Ligurischen Meer verankerte Hochseeobservatorium ODAS Italia 1,
               das vom italienischen Nationalen Forschungsrat geführt wird
M eereskenn t n i sse 2 0 2 0
                                                                    V on d er K ar t i erung d es M eeresbo d ens b i s z ur o z eanograf i schen P rognose        5

1                                     Die Vision
                                      Die Ozeane und Meere rund um Europa bieten neue
                                      Möglichkeiten, um die Ziele der Strategie Europa
                                      2020 (1) zu verwirklichen. Damit dieses Potenzial aus-
                                                                                                      soll. Diese Karte sollte die höchstmögliche Auflösung
                                                                                                      haben und sowohl die Topografie und Geologie als
                                                                                                      auch Lebensräume und Ökosysteme erfassen. Hinzu-
                                      geschöpft wird, müssen wir den Unternehmen das                  kommen sollte der Zugang zu aktuellen Beobach-
                                      Investieren erleichtern. Wir müssen die Kosten sen-             tungsdaten und Informationen über den derzeitigen
                                      ken, Risiken mindern und Innovation anregen. Und wir            und früheren physikalischen, chemischen und biolo-
                                      müssen dafür sorgen, dass dieser Ausbau der blauen              gischen Zustand der darüberliegenden Wassersäule,
                                      Wirtschaft zukunftsfähig ist. Die Ressourcen sind               einhergehend mit den entsprechenden Daten über
                                      groß, aber nicht unbegrenzt. Um sicherzustellen, dass           menschliche Tätigkeiten und deren Auswirkungen auf
                                      der Ausbau der blauen Wirtschaft tatsächlich und                das Meer sowie ozeanografischen Prognosen. All dies
                                      auf nachhaltige Weise stattfindet und dass Europas              sollte leicht zugänglich, interoperabel und frei von
                                      Meere einen guten Umweltzustand (2) erreichen, müs-             Nutzungsbeschränkungen sein. Unterstützt werden
                                      sen wir den Zustand der Meere heute und in der Ver-             muss dies durch ein nachhaltiges Verfahren, dessen
                                      gangenheit kennen und wissen, wie er sich in Zukunft            Zweckmäßigkeit schrittweise verbessert wird und das
                                      ändern könnte. Die Kommission arbeitet gemeinsam                den Mitgliedstaaten ermöglicht, das Potenzial ihrer
                                      mit den Mitgliedstaaten daran, die verfügbaren Res-             marinen Beobachtungs-, Probenahme- und Überwa-
                                      sourcen und Mechanismen zusammenzuführen, um                    chungsprogramme zu maximieren.
                                      dieses Wissen zum Nutzen von Industrie, Behörden,
                                      Forschern und Gesellschaft zu sammeln.                          Die EU kann zwar im Rahmen des gemeinsamen
                                                                                                      strategischen Rahmens für Strukturfondsmittel, ein-
                                      Dies umfasst ein Leuchtturmprojekt, in dessen Rah-              schließlich des Europäischen Meeres- und Fischerei-
                                      men bis zum Jahr 2020 eine lückenlose digitale                  fonds, Unterstützung leisten, aber zur Erreichung
                                      Karte des Meeresbodens in den europäischen                      dieses Ziels bedarf es auch des Engagements der
                                      Gewässern mit Mehrfachauflösung erstellt werden                 Mitgliedstaaten und des privaten Sektors.
© Roberto Bozzano und Sara Pensieri

                                      1.   EUROPA 2020 – Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum
                                           (Brüssel, den 3.3.2010), KOM(2010) 2020.
                                      2.   Gemäß der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EG) bis zum Jahr 2020.
6
    GRÜNBUCH

2              Dieses Grünbuch
               In ihrer Mitteilung „Meereskenntnisse 2020“ (3) vom
               September 2010 erläutert die Kommission, warum
               wir das wirtschaftliche Potenzial von Europas reich-
                                                                             Beobachtung über die Auslegung und Verarbeitung
                                                                             bis hin zur Verbreitung. In ihr sind Grundsätze ver-
                                                                             körpert wie „Daten sollten einmal erhoben und für
               haltigen Meeresbeobachtungsdaten erschließen                  viele Zwecke genutzt werden“ und „Daten sollten
               müssen. Sie legt dar, wie dies dazu beitragen                 interoperabel, zugänglich und frei von Nutzungsbe-
               würde, die Ziele der Strategie „Europa 2020“ (4) für          schränkungen sein“. Durch diese gemeinsamen
               Beschäftigung, Innovation, Bildung, soziale Integra-          Grundsätze, Regeln und Normen wird gewährleistet,
               tion und die Bekämpfung des Klimawandels zu                   dass die Programme der Mitgliedstaaten sowie
               erreichen. Es würde die Wissensgrundlage geschaf-             andere wichtige Maßnahmen der EU zusammen mit
               fen, um durch die Verbesserung der Wettbewerbs-               EMODnet zu einem System beitragen, das leis-
               fähigkeit und Effizienz von Industrie, Behörden               tungsfähiger ist als die Summe seiner Teile. Das
               und Forschung das Entstehen einer nachhaltigen                schließt auch den Meeresdienst im Rahmen der glo-
               beschäftigungsfördernden „blauen Wirtschaft“ in               balen Umwelt- und Sicherheitsüberwachung
               den marinen und maritimen Sektoren zu erleichtern.            (GMES) (6), die Rahmenregelung für die Erhebung
               Innovation würde vorangetrieben und unser Ver-                von Fischereidaten und neue gesamteuropäische
               ständnis der Abläufe in Meeren und Ozeanen ver-               Forschungsinfrastrukturen ein, die vom Europäi-
               bessert. In der Mitteilung wurden außerdem die                schen Strategieforum für Forschungsinfrastruktu-
               Grundsätze für eine Strategie skizziert, die es ermög-        ren (ESFRI) bestimmt werden.
               lichen würde, dass Investitionen der Mitgliedstaaten
               und der EU in die Meeresbeobachtung ihr Potenzial             Seit der Verabschiedung der Mitteilung „Meeres-
               für die Schaffung von nachhaltigem Wachstum und               kenntnisse 2020“ wurden bereits gute Fortschritte
               Beschäftigung entfalten.                                      erzielt. Durch vorbereitende Maßnahmen im Rahmen
                                                                             der integrierten Meerespolitik wurden prototypische
               Kern dieser Strategie ist das Konzept eines Europä-           thematische Portale für EMODnet für ausgewählte
               ischen Meeresbeobachtungs- und Datennetzwerks                 Meeresbecken entwickelt. Eine Zwischenbewertung (7)
               (EMODnet (5)), ein Netz von marinen Organisationen,           auf der Basis von Benutzerfeedback hat die Solidität
               das eine einzige Anlaufstelle für den Zugang und              der ausgewählten technologischen Optionen und
               Abruf von Meeresdaten aus Beobachtung, Erhebun-               Verfahren zur Zusammenführung der unterschiedli-
               gen oder Probenahmen aus Hunderten von Daten-                 chen Datensätze bestätigt. Auf dieser Grundlage ist
               banken bildet, die von Agenturen, Behörden,                   EMODnet in seine zweite Phase gegangen, die aus
               Forschungsinstituten und Hochschulen in der                   dem Haushalt für die integrierte Meerespolitik (8)
               gesamten EU geführt werden. Des Weiteren würde                finanziert wird. Damit wird bis Ende 2014 eine digi-
               das Netz ebenfalls Parameterschichten für die digi-           tale Karte aller europäischen Gewässer zur Verfü-
               tale Karte liefern, die für die gesamten Meeresbe-            gung stehen.
               cken um Europa aus diesen Primärdaten abgeleitet
               werden können.                                                Über eine zentrale Anlaufstelle stehen dann Infor-
                                                                             mationen über die Wassertiefe sowie die Art von
               Die Initiative „Meereskenntnisse 2020“ geht jedoch            Sedimenten, Mineralvorkommen, Gebiete mensch-
               über EMODnet hinaus. Sie bietet einen einheitlichen           licher Tätigkeiten und die Art des Lebensraums
               Rahmen für alle laufenden Tätigkeiten im Bereich              bereit. Diese werden durch Beobachtungen zu phy-
               der Meeresbeobachtung in der EU. Die Initiative               sikalischen, chemischen und biologischen Para-
               umfasst den vollständigen Vorgang von der ersten              metern wie Temperatur, Salzgehalt, Säuregehalt,

               3.   „Meereskenntnisse 2020: Meeresbeobachtung und Meeresdaten für intelligentes und nachhaltiges Wachstum“
                    (KOM(2010) 461 vom 8.9.2010).
               4.   Siehe Fußnote 1.
               5.   In diesem Grünbuch sind wir bemüht, die Verwendung von Kurzformen (Akronymen) zu begrenzen,
                    verzeihen Sie uns aber bitte den wiederholten Gebrauch dieses Akronyms.
               6.   Mitteilung der Kommission über das Europäische Erdbeobachtungsprogramm (GMES) vom 30.11.2011
                    (KOM(2011) 831 endg.).
               7.   Im Anhang zu diesem Grünbuch.
               8.   Verordnung (EU) Nr. 1255/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2011 zur Schaffung eines
                    Programms zur Unterstützung der Weiterentwicklung der integrierten Meerespolitik (ABl. L 321 vom 5.12.2011, S. 1).
M eereskenn t n i sse 2 0 2 0
                               V on d er K ar t i erung d es M eeresbo d ens b i s z ur o z eanograf i schen P rognose        7

Verschmutzung durch Chemikalien und die marine                          was bisher auf gesamteuropäischer Ebene
Tier- und Pflanzenwelt ergänzt. Das System wird                         öffentlich zur Verfügung stand. Vermessungs-
eng mit dem GMES-Meeresdienst verknüpft sein, der                       instrumente sind bis auf Zentimeter genau,
weiterhin schrittweise genauere Beobachtungen und                       so dass es zumindest in einigen Regionen
Prognosen über den Zustand der Ozeane liefern wird.                     möglich wäre, ein Produkt mit weit höherer
                                                                        Auflösung, wie sie die Nutzer wünschen, her-
Es gibt jedoch eine Reihe von neuen Herausforde-                        zustellen und zu verbreiten.
rungen:
                                                                 (3) Der EU-Finanzrahmen 2014-2020 bietet die
(1) Wichtige EU-Initiativen, insbesondere EMOD-                      Möglichkeit, eine nachhaltigere Governance-
    net und GMES, wurden bislang im Rahmen                           Struktur zu schaffen, bei der sich die Erhe-
    von zeitlich begrenzten Projekten umgesetzt,                     bung, Zusammenstellung und Verbreitung von
    die bis 2014 abgeschlossen sein werden.                          Meeresdaten von einer Reihe von Projekten,
                                                                     die von der Kommission bestimmt werden, zu
(2) Durch die anhaltende Finanzkrise hat sich die                    einem kontinuierlichen, integrierten Verfahren
    Aufmerksamkeit auf die öffentlichen Ausga-                       verlagert, dessen Prioritäten auf den Bedürf-
    ben gerichtet. Mehr denn je muss sicherge-                       nissen der Nutzer in Industrie, Behörden und
    stellt werden, dass die rund 1,5 Mrd. EUR, die                   Forschung beruhen.
    die EU-Mitgliedstaaten jährlich in Europas
    Meeresbeobachtungssystem investieren, kos-                   (4) Der rasche Ausbau der Offshore-Windenergie
    teneffizient sind.                                               wird die gesamte Meereswirtschaft transfor-
                                                                     mieren, ankurbeln und steigern. Auf der Grund-
(3) Der Zugang zu Fischereidaten ist nicht einfa-                    lage der Wirtschaft 2010 berechnete Vorteile
    cher geworden.                                                   eines besseren Zugangs zu Meeresdaten dürf-
                                                                     ten zu gering angesetzt sein.
(4) Durch die tragische Erdbeben- und Tsunami-
    Katastrophe im März 2011 in Japan, gefolgt                   (5) Das neue Forschungsprogramm „Horizont
    von dem nuklearen Unfall in Fukushima, wurde                     2020“ bietet Gelegenheit zur Verbesserung
    deutlich, welche Vorteile die öffentliche Bereit-                von Technologien zur Erhebung und Verar-
    stellung von Informationen über den Zustand                      beitung von Meeresdaten.
    der Meeresumwelt in Beinahe-Echtzeit hat.
                                                                 (6) Die Mitgliedstaaten und assoziierten Länder
(5) Die Unsicherheit bezüglich der derzeitigen und                   haben vereinbart, ihre Ressourcen in einer Ini-
    künftigen Auswirkungen des Klimawandels                          tiative zur gemeinsamen Planung im Bereich
    auf Europas Meere und Küsten bremst die                          „Intakte und fruchtbare Meere und Ozeane“ (10)
    Anpassungsbemühungen der lokalen und                             zu bündeln, die einen Rahmen für die Koordi-
    regionalen Behörden.                                             nierung von Beobachtungsprogrammen bie-
                                                                     ten kann.
Aber es gibt auch neue Chancen:
                                                                 Dieses Grünbuch enthält eine Bestandsaufnahme
(1) Eine Studie (9) hat gezeigt, dass private Unter-             dessen, was bisher getan wurde. Des Weiteren wird
    nehmen noch mehr Daten als die Behörden                      die beste Strategie für den Übergang zu einer
    sammeln; diese waren jedoch bisher nicht Teil                neuen Phase diskutiert, die den hier definierten Her-
    der EU-Initiativen.                                          ausforderungen entspricht und durch die die Chance
                                                                 genutzt wird, bis 2020 eine allgemein zugängli-
(2)    EMODnet wird im Jahr 2014 eine Verbesse-                  che, nachhaltige digitale Vermessung des europäi-
       rung gegenüber der bestehenden Situation                  schen Meeresbodens zu schaffen. Ferner würden
       bringen und bereits dann für öffentliche sowie            aktuelle Informationen über den derzeitigen und
       private Einrichtungen von Nutzen sein. Die der-           früheren physikalischen, chemischen und biologi-
       zeit verfügbare Technologie wird jedoch nicht             schen Zustand der darüberliegenden Wassersäule
       in vollem Maße genutzt. Das digitale Gelände-             und Prognosen sowie ein Verfahren bereitgestellt,
       modell des europäischen Meeresbodens wird                 das den Mitgliedstaaten ermöglicht, das Potenzial
       mit einer Auflösung von etwa 250 m darge-                 ihrer marinen Beobachtungs-, Probenahme- und
       stellt werden; das ist viermal höher als alles,           Überwachungsprogramme zu maximieren.

9.    Marine Data Infrastructure (Meeresdateninfrastruktur), Abschlussbericht an die GD Maritime Angelegenheiten
      und Fischerei, November 2009.
10. Empfehlung der Kommission vom 16. September 2011 über die Initiative zur gemeinsamen Planung der
    Forschungsprogramme im Bereich „Intakte und fruchtbare Meere und Ozeane“ (2011/C 276/01).
8
    GRÜNBUCH

3              Der Bedarf an
               Meereskenntnissen
               3.1. Industrie
               Unsere Meere und Ozeane können den Anreiz liefern,
                                                                                  jedermann separate Untersuchungen des Meeres-
                                                                                  bodens, Messungen der Gezeiten und Strömungen
                                                                                  und Bewertungen der Meereslebewesen, die durch
               den wir benötigen, um unsere Wirtschaft in Schwung                 seine Tätigkeit beeinträchtigt werden könnten,
               zu bringen. Sie bieten anspruchsvolle, befriedigende               durchführen sowie dem Tsunami- oder Sturmrisiko
               Arbeitsplätze, die den Erwartungen junger Menschen                 und gefährlichen Meeresbewohnern Beachtung
               entsprechen. Sie können die saubere Energie liefern,               schenken muss.
               die wir zur Vermeidung einer Klimakatastrophe
               benötigen. Aus Meeren und Ozeanen kommt Eiweiß                     Aquakulturbetreiber beispielsweise benötigen War-
               für eine gesunde Ernährung. Sie liefern Arzneimittel               nungen vor bevorstehenden toxischen Algenblüten
               oder Enzyme aus Organismen, die Regionen mit den                   oder Qualleninvasionen. Bergbauunternehmen
               extremsten Temperaturen, Licht- und Druckverhält-                  müssen die Topografie und Geologie des Meeres-
               nissen bewohnen, denen Lebewesen ausgesetzt sein                   bodens kennen. Versicherungsgesellschaften und
               können. Außerdem erhöht der zunehmende globale                     Investoren in Häfen und Tourismus benötigen Daten
               Hunger nach Rohstoffen die wirtschaftliche Attrak-                 über extreme Ereignisse in der Vergangenheit, um
               tivität des Tiefseebergbaus.                                       die Wahrscheinlichkeit künftiger Schäden einzu-
                                                                                  schätzen und eine „klimasichere“ Küsteninfrastruk-
               Diese neuen Chancen für blaues Wachstum und                        tur zu entwickeln. Biotechnologie-Unternehmen, die
               Beschäftigung werden vor allem durch zwei Ent-                     nach neuen Arzneimitteln oder Enzymen für die
               wicklungen vorangetrieben. Erstens lässt uns ein                   Katalyse industrieller Prozesse forschen, müssen
               Mangel an verfügbarem Land und Süßwasser                           wissen, wo sie nach den sonderbaren Lebensformen
               erneut den Blick auf die 71 % des Planeten richten,                suchen müssen, die ohne Licht leben oder extremen
               die von Salzwasser bedeckt sind. Zweitens ermög-                   Temperaturen standhalten können.
               lichen rasche Fortschritte in Technologien für Beob-
               achtung, Fernsteuerung und Konstruktion unter                      Meereskenntnisse sind für die Genehmigung, die
               Wasser, die vor allem von der Erdölindustrie entwi-                Auslegung, den Bau und den Betrieb von Offshore-
               ckelt wurden, nunmehr sicheres Arbeiten in der Tief-               Anlagen erforderlich. Ein führender Offshore-Wind-
               see unter unterschiedlicheren ozeanografischen                     energieanlagenbetreiber hat angeführt (11), dass
               und meteorologischen Bedingungen.                                  Meeresdaten ein öffentliches Gut sein sollten, Unter-
                                                                                  nehmen wettbewerbsfähiger sein könnten und der
               In bestimmten Sektoren hat das Wachstum bereits                    Preis für die Erzeugung von Offshore-Energie fallen
               begonnen. So ist die Windenergie beispielsweise in                 könnte, wenn es klarere öffentliche Maßnahmen zum
               Bezug auf die installierte Kapazität die am schnells-              Eigentum an Daten gäbe sowie die Behörden weni-
               ten wachsende Form der Stromerzeugung. Bereits                     ger eine Politik der Kostendeckung verfolgten und
               10 % der Windkraftanlagen liegen vor der Küste,                    gemeinsame Standards über alle Zuständigkeitsbe-
               und dieser Anteil wächst noch. Schätzungen des                     reiche und Disziplinen hinweg bestünden.
               Europäischen Verbands für Windenergie zufolge
               werden bis 2020 30 % der neuen Anlagen offshore                    „Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle
               gebaut werden, bis 2030 sogar 60 %. Erfolg macht                   gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen,
               erfolgreich. Investitionen z. B. in Stromnetze für                 sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre
               diese Offshore-Windenergieplattformen werden das                   Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als gute
               Wachstum in anderen Wirtschaftszweigen tragen.                     Eltern den nachfolgenden Generationen verbessert
                                                                                  zu hinterlassen.“ (12) Diese neue Meereswirtschaft
               Wenn für jede Offshore-Anlage eigene Infrastruk-                   muss also nachhaltig sein. Betreiber von Offshore-
               turen wie Kabel oder Versorgungsnetze konstruiert                  Anlagen müssen über Meereskenntnisse verfügen,
               werden müssen, wird die Arbeit in diesem neuen                     um die Umweltauswirkungen jeglicher vorgeschla-
               Grenzbereich allerdings unweigerlich teurer und                    gener Maßnahmen zu bewerten und zu begrenzen.
               risikoreicher sein als an Land. Dasselbe gilt, wenn

               11. Zwölfte Sitzung der Sachverständigengruppe für Meeresbeobachtung und -daten, 10. März 2011
                   https://webgate.ec.europa.eu/maritimeforum/node/1709
               12. Karl Marx, Das Kapital, Band III Abschnitt VI, „Verwandlung von Surplusprofit in Grundrente“.
M eereskenn t n i sse 2 0 2 0
                              V on d er K ar t i erung d es M eeresbo d ens b i s z ur o z eanograf i schen P rognose        9

3.2. Behörden                                                   Mit diesen Beobachtungen können Wissenschaftler
                                                                beginnen, die Unsicherheit hinsichtlich vergangener
Die Küstenbehörden müssen Kenntnisse über Erosi-                und gegenwärtiger Reaktionen von Prozessen wie
onsraten, den Sedimenttransport und die Topografie              der Meeresströmung, dem Eisschmelzen, dem
haben, um zu bestimmen, ob Schutz, Akkommoda-                   Anstieg des Meeresspiegels, der Kohlendioxidauf-
tion oder Rückbau für das Küstenmanagement am                   nahme, dem Ökosystemwandel bzw. der Versaue-
besten geeignet sind. Die Fischereibehörden benöti-             rung der Ozeane zu klären – all diese Abläufe haben
gen Daten über den früheren Fischereiaufwand und                erhebliche Auswirkungen auf das Wohlergehen
die Zusammensetzung der Fänge, um die Quoten für                des Menschen und auf die natürlichen Ökosysteme.
das folgende Jahr festzulegen. Die Gesundheits-                 Eine bessere Beobachtung der Meere und Ozeane
behörden müssen prüfen, ob das Bad im Meer und                  wird nicht ausreichen, um diese Unsicherheit zu
der Verzehr von Meeresfrüchten ungefährlich sind.               beseitigen, dennoch ist sie zweifellos notwendig.
Die Katastrophenschutzbehörden müssen berechnen                 Im Economist (17) wurde angedeutet, dass die Regie-
können, an welcher Stelle die Ölpest auf die Küste              rungen nicht ausreichend in die Satellitenbeobach-
treffen wird. Die Küstenwache muss wissen, wie                  tung investieren.
lange Menschen nach einem Unfall im Wasser über-
leben können. Die Umweltbehörden müssen den                     Indem Unsicherheiten in Bezug auf Vergangenheit
Umweltzustand der Meere und Ozeane bewerten                     und Gegenwart beseitigt werden, können Prognosen
und sicherstellen, dass sie sicher und sauber blei-             für das Klima in Europa verbessert werden, die in die
ben (13). Zum Erreichen der EU-Ziele für das integ-             Prüfungen und Evaluierungen des Zwischenstaatli-
rierte Küstenzonenmanagement (14) und die maritime              chen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovern-
Raumplanung (15) sind Kenntnisse über menschliche               mental Panel on Climate Change – IPCC) einfließen.
Tätigkeiten und empfindliche Lebensräume notwen-                Aufgrund der breiten internationalen Beteiligung
dig. Die Meeresüberwachung durch Radar oder Sonar               und sorgfältigen Prüfung durch Fachleute sind die
wird mithilfe von Kenntnissen über die Bedingungen,             Evaluierungen des Ausschusses das wichtigste Inst-
die Temperatur und den Salzgehalt an der Meeres-                rument zur Information der Regierungsbeamten, die
oberfläche verbessert.                                          für Anpassungsmaßnahmen zuständig sind.

3.3. Wissenschaft                                               3.4. Zivilgesellschaft
Wissenschaftliche Erkenntnisse bilden den Grund-                Bürger in einer Demokratie benötigen Informatio-
stein für Innovation und Umweltschutz.                          nen, damit sie ihre gewählten Vertreter in Fragen
                                                                zur Rechenschaft ziehen können, die ihre Umge-
Die Meereswissenschaften sind abhängig von                      bung, ihre Existenzgrundlage, ihre Gesundheit oder
Beobachtungen. Uns steht kein zweiter Planet Erde               den Planeten Erde betreffen, den sie ihren Kindern
zur Verfügung, um kontrollierte Versuche durchzu-               hinterlassen möchten. Die Erfahrung hat gezeigt,
führen. Nur indem wir zurück in die Vergangenheit               dass es falsch ist anzunehmen, dass die techni-
blicken, können wir verstehen, was in der Zukunft               schen Hintergrundinformationen zu diesen Fragen
passieren könnte. Lücken in den Aufzeichnungen                  am besten vollständig den zuständigen Behörden
können nicht nachträglich gefüllt werden. In einem              überlassen werden sollten. In einem Leitartikel
Leitartikel in der wissenschaftlichen Zeitschrift               in Nature (18) wurde der Unfall in Fukushima als
Nature wurde argumentiert, dass genaue und                      Beispiel angeführt, um die zu verdeutlichen, dass
zuverlässige Aufzeichnungen von Geschehnissen                   ein besserer Zugang der Öffentlichkeit zu Daten zu
jedwede besondere Strategie zu deren Verständnis                einer besseren Risikobewertung beitragen würde:
ausstechen können (16).                                         Dies würde die vielfältige Kreativität der Wissen-
                                                                schaftler, Journalisten, Computerfreaks und Karto-
                                                                grafen entfesseln.

13. Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines
    Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie)
    (ABl. L 164 vom 25.6.2008, S. 19).
14. Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2002 zur Umsetzung einer Strategie
    für ein integriertes Management der Küstengebiete in Europa (ABl. L 148 vom 6.6.2002, S. 24-27).
15. Maritime Raumordnung in der EU – aktueller Stand und Ausblick (KOM(2010) 771 endg.).
16. Editorial, Nature 450, 761 (6.12.2007).
17. Editorial, Economist „Something to watch over us“ (12.5.2012).
18. „A little knowledge“, Nature 472, 135 (14.4.2011).
10
     GRÜNBUCH

4               Verfügbarkeit und
                Interoperabilität
                                                      4.1. Engpässe
                                                      Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung
                                                      „Meereskenntnisse 2020“ (19) aus dem Jahr 2010 dar-
                                                      auf hingewiesen, dass Investitionen in Meeresdaten
                                                      aufgrund von Engpässen ihren potenziellen Nutzen
                                                      nicht entfalten können. Hunderte von verschiedenen
                                                      Institutionen in der EU – hydrografische und geologi-
                                                      sche Dienste, lokale Behörden, Umweltagenturen,
                                                      Forschungsinstitute und Hochschulen – verfügen über
                                                      Daten. Es war eine große Herausforderung herauszu-
                                                      finden, wer im Besitz solcher Daten ist. Ihre Beschaf-
                                                      fung könnte wochenlange Verhandlungen erfordern.
                                                      Und ihr Zusammenfügen zu einem vollständigen Bild
                                                      könnte ein komplexer und langwieriger Prozess sein.
                                                      Viele Daten waren in der Regel weder zugänglich
                                                      noch interoperabel.

                                                      4.2. Mehrfachnutzung
                                                            von Meeresdaten
                                                      Dieselben Meeresbeobachtungen zu physikalischen,
                                                      chemischen und biologischen Parametern können
                                                      von Nutzen für eine Vielzahl von Endnutzern sein.
                                                      Daten zu Temperatur und Salzgehalt der Ozeane
                                                      kommen beispielsweise bei der Bewertung des
                                                      Klimawandels in den Meeren, der Auswahl von
                                                      Standorten für die Aquakultur oder der Berechnung
                                                      der Grenzen von Sonar beim Aufspüren von U-Boo-
                                                      ten zum Einsatz. Daten zu den Substraten des Mee-
                                                      resbodens werden benötigt, um die Gewinnung von
                                                      Zuschlagstoffen oder Kohlenwasserstoffen zu pla-
                                                      nen, Windenergieplattformen auf ein sicheres Fun-
                                                      dament zu stellen oder die Folgen der Fischerei
                                                      einzuschätzen. Dieselben Daten zu Meereslebens-
                                                      räumen können verwendet werden, um die Auswir-
                                                      kungen einer neuen Anlage oder den Zustand der
                                                      Umwelt zu beurteilen.

                                                      Aufgrund dieses Mehrfachnutzens der zugrunde lie-
                                                      genden Meeresdaten für verschiedene Disziplinen
                                                      und Sektoren ist eine Politik des offenen Zugangs
                                                      die effizienteste Option. Damit eine solche Politik
                                                      effizient und wirksam sein kann, müssen die Daten
                                                      öffentlich zugänglich und interoperabel sein. Ent-
       Entnahme von Bodenproben an Bord der           sprechend der Politik der Kommission sollten Mee-
       R/V Geomari im Finnischen Meerbusen            resdaten relevant, zugänglich, kostenlos und frei
                                              © GTK

                                                      von Nutzungsbeschränkungen sein.

                                                      19. Siehe Fußnote 3.
Meereskenntnisse 2020
                               Von der Kartierung des Meeresbodens bis zur ozeanografischen Prognose                        11

4.3. Wettbewerbsfähigkeit                                        Ein optimiertes, zugängliches und interoperables
     und Innovation                                               Meeresbeobachtungssystem, das Wissenschaftlern
                                                                  bei der Reduzierung der Unsicherheit hilft, wäre ein
Die Fragmentierung und Unzugänglichkeit von Mee-                  wichtiger Beitrag zur Anpassung an den Klimawan-
resdaten bringt eindeutig Kosten mit sich. In der der             del. Die Versauerung der Meere bzw. Änderungen
Mitteilung beigefügten Folgenabschätzung (20) heißt               des Salzgehalts und des in den Meeren gelösten
es, dass bestehende Nutzer 300 Mio. EUR pro Jahr                  Sauerstoffs werden sicherlich Auswirkungen auf die
einsparen würden, wenn die Daten richtig integriert               marinen Ökosysteme und unsere Fähigkeit haben,
und verwaltet würden. Bei diesen Schätzungen sind                 aus ihnen Lebensmittel und anderes zu gewinnen.
das zwangsläufige künftige Wachstum der Meeres-                   Frühzeitigere Information wird Gewerben z. B. im
wirtschaft und die daraus resultierende gesteigerte               Bereich der Schalentier-Aquakultur Zeit zur Anpas-
Nachfrage nach Daten nicht berücksichtigt. Das                    sung verschaffen. Und obwohl die Erderwärmung
erste spezifische Ziel der Mitteilung „Meereskennt-               eine Tatsache ist, ist nicht klar, wie sich lokale Kli-
nisse 2020“ ist, die Kosten für Industrie, Behörden               mazonen in Europa in den nächsten Jahrzehnten
und Wissenschaft zu verringern.                                   entwickeln werden (22). Es ist jedoch bekannt, dass
                                                                  Änderungen bei den Meeresströmungen bestimmen
Ohne einen besseren Zugang zu Meeresdaten kön-                    werden, wie streng oder mild die Jahreszeiten in
nen Mehrwertdienste wie die Abschätzung der                       Europa ausfallen. Mit größerer Sicherheit können
Bestände oder der Gefährdung von Küsteninfra-                     auch Vorhersagen zur Stromnachfrage oder zur
strukturen durch Sturmfluten nur von Organisatio-                 landwirtschaftlichen Erzeugung verbessert werden.
nen, die im Besitz der Daten sind, angeboten werden.              Investitionen in Anpassungsmaßnahmen können
Dies ist ineffizient und wettbewerbswidrig. Die Öff-              mit größerem Selbstvertrauen vorgenommen werden.
nung dieser Ressourcen ermöglicht neuen Anbietern                 Das dritte spezifische Ziel der Mitteilung „Meeres-
den Markteintritt. Interoperabilität ermöglicht klei-             kenntnisse 2020“ ist es, die Unsicherheit in Bezug
nen Unternehmen oder Wissenschaftlern die Ent-                    auf unser Verständnis der Abläufe in Meeren und
wicklung neuer Produkte und Dienstleistungen auf                  Ozeanen zu reduzieren.
der Grundlage von Daten aus unterschiedlichen
Quellen und unterschiedlicher Art. Der entspre-                   Diese spezifischen Ziele wurden im Dezember 2011
chende Wert für die EU-Wirtschaft ist schwer abzu-                vom Rat (23) gebilligt.
schätzen, doch laut Folgenabschätzung könnten es
ca. 200 Mio. EUR jährlich sein. Das zweite spezifi-
sche Ziel der Mitteilung „Meereskenntnisse 2020“                   1. Gibt es Gründe für Ausnahmen (abgesehen
ist die Förderung der Innovation.                                      vom Schutz der Privatsphäre) vom Ziel der
                                                                       Kommission, Meeresdaten frei zugänglich
Bei dieser Schätzung wird einer Rationalisierung der                   und interoperabel zu machen?
derzeitigen Meeresbeobachtungssysteme nicht
Rechnung getragen, die Unsicherheiten in unserem
Verständnis der Abläufe im Meer beseitigen würden.
Der wirtschaftliche Wert ist sogar noch schwieriger
zu beziffern; er könnte jedoch noch höher liegen.
Tatsächlich ist die Unsicherheit der größte Feind
derer, die für die Planung von Offshore-Anlagen, die
den Launen des Meeres widerstehen müssen, für
die Bewirtschaftung von Fischbeständen oder für
die Planung von Meeresschutzgebieten verantwort-
lich sind. Schätzungen (21) zufolge würde eine Redu-
zierung der Unsicherheit bezüglich des künftigen
Anstiegs des Meeresspiegels um 25 % den für das
Küstenmanagement zuständigen Behörden rund
100 Mio. EUR einsparen.

20. Europäisches Meeresbeobachtungs- und Meeresdatennetzwerk – Folgenabschätzung (8.9.2010, SEK(2010) 998).
21. Siehe Fußnote 20.
22. „The real holes in climate science“, Nature Vol. 463, 21.1.2010.
23. 3 139. Tagung des Rates Umwelt, 19. Dezember 2011, Brüssel.
12
     GRÜNBUCH

5               Bisherige Fortschritte
                5.1. Nationale Anstrengungen
                Daten über die Meeresumwelt sind ein wertvolles
                                                                                  5.2. Europäisches
                                                                                        Meeresbeobachtungs- und
                                                                                        Datennetzwerk (EMODnet)
                Instrument. Langfristige Trends können nur dann
                von jahreszeitlichen Veränderungen und dekadi-                    Das Konzept eines Europäischen Meeresbeob-
                schen natürlichen Schwankungen unterschieden                      achtungs- und Datennetzwerks (EMODnet), mit
                werden, wenn vergangene Beobachtungen, ein-                       dem fragmentierte und verborgene Meeresdaten-­
                schließlich solcher, die vor dem Aufkommen digita-                Ressourcen erschlossen würden, kam erstmals in
                ler Datenträger gemacht wurden, mit aktuellen                     dem Grünbuch über die Meerespolitik (26) aus dem
                Daten verglichen werden können. Gehen diese                       Jahr 2006 zur Sprache. EMODnet ist ein Netz von
                Daten verloren, ist es für immer. Beobachtungen                   Organisationen, die im Rahmen der integrierten
                können nicht wiederholt werden.                                   Meerespolitik der EU gefördert werden. Diese Orga-
                                                                                  nisationen arbeiten gemeinsam an der Beobachtung
                Und sie müssen unverzüglich zum Einsatz bereit-                   der Meere sowie daran, die gewonnenen Meeresda-
                stehen, um sich auf Bedrohungen wie z. B. eine                    ten frei zugänglich und interoperabel zu machen,
                bevorstehende Ölpest vorbereiten zu können.                       nahtlose Datenschichten über Meeresbecken hinweg
                                                                                  zu schaffen und Daten sowie Datenprodukte über
                Daher etablieren eine Reihe von Mitgliedstaaten nati-             das Internet zu verbreiten.
                onale Verfahren für die ordnungsgemäße Verwal-
                tung der Daten, die nicht nur die sichere Archivierung,           Eine erste Reihe von vorbereitenden Maßnahmen,
                sondern auch die Katalogisierung sicherstellen,                   mit denen prototypische Datenplattformen einge-
                wobei Standards und Technologien für das schnelle                 richtet werden sollten, wurde im Jahr 2009 eingelei-
                Wiederauffinden der Daten eingesetzt werden. Diese                tet. In sechs thematischen Gruppen – für Hydrografie,
                nationalen Systeme bilden die Grundlage für die ver-              Geologie, Biologie, Physik, Chemie und physische
                netzten Verfahren, die derzeit auf EU-Ebene anhand                Lebensräume – ist ein Netz aus 53 Organisationen
                von Standards aufgebaut werden, die auf der Infra-                versammelt. Dabei handelte es sich vor allem um
                struktur für raumbezogene Informationen in Europa                 öffentliche Einrichtungen – hydrografische und geo-
                (INSPIRE (24)) beruhen. Zu den Beispielen gehören                 logische Dienste, ozeanografische Institute –, die
                MEDIN im Vereinigten Königreich, das französische                 bereits selbst mit der Verwaltung von Meeresdaten
                Ifremer-Sextant-Geoportal, das deutsche MaNIDA-                   befasst waren. Sie erhielten Unterstützung von pri-
                Portal zur Koordinierung von Forschungsdaten                      vaten Unternehmen mit Know-how in der Datenver-
                und die ebenfalls deutsche MDI-DE-Initiative für                  arbeitung und -verbreitung.
                die Agenturen. Regionale Initiativen wie etwa das
                spanische Küstenbeobachtungs- und Vorhersage-                     Diese Gruppen konstruierten Internetgateways zu
                system für die Balearen (25) können ebenfalls einen               Datenarchiven, die von den Mitgliedstaaten und
                Beitrag leisten.                                                  internationalen Organisationen verwaltet wurden.
                                                                                  Damit werden laufende Bemühungen in den Mit-
                                                                                  gliedstaaten, wie die in Abschnitt 5.1. aufgeführten,
       2. Wie können die Mitgliedstaaten                                         gestärkt und auf ihnen aufgebaut. Über diese sechs
          sicherstellen, dass die in ihrem Besitz                                 Portale haben öffentliche und private Nutzer von
          befindlichen Daten sicher gespeichert,                                  Meeresdaten nun Zugang zu den standardisierten
          zugänglich und interoperabel sind?                                      Beobachtungsdaten selbst, einschließlich Daten-
                                                                                  qualitätsindikatoren, sowie zu Datenprodukten,

                24. Richtlinie 2007/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2007 zur Schaffung einer
                    Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft (INSPIRE) (ABl. L 108 vom 25.4.2007, S. 1).
                25. Dies ist keine erschöpfende Liste der nationalen Maßnahmen.
                26. Grünbuch „Die künftige Meerespolitik der EU: Eine europäische Vision für Ozeane und Meere“
                    vom 7.6.2006 (KOM(2006) 275 endg.).
Meereskenntnisse 2020
                             Von der Kartierung des Meeresbodens bis zur ozeanografischen Prognose                          13

wie Karten zur Darstellung von Sedimenten oder                 Dauer, die von der Kommission bestimmt werden,
physischen Lebensräumen in ganzen Meeresbe-                    zu einem dauerhaften und nachhaltigen Verfahren
cken. Für den Zugang zu diesen Daten oder deren                mit festgelegten Prioritäten werden, die sich an den
Nutzung gelten keine Auflagen. Die Arbeit baut auf             Bedürfnissen von Industrie, Behörden und Wissen-
der INSPIRE-Richtlinie (27), der Richtlinie über den           schaft orientieren. Optionen für eine Governance-
Zugang zu Informationen über die Umwelt (28) und der           Struktur dieses Verfahrens sind in Abschnitt 6 dieses
Richtlinie über die Weiterverwendung von Informati-            Dokuments skizziert.
onen des öffentlichen Sektors (29) auf und stärkt
diese. In den gemeinsamen Informationsraum (Com-               Die thematischen Gruppen werden es den betref-
mon Information Sharing Environment – CISE) (30)               fenden Sachverständigen ermöglichen, eine gemein-
werden EMODnet-Daten importiert werden können                  same Struktur für alle Daten innerhalb jedes
und so Seeschifffahrtsbehörden in den Bereichen                Themenbereichs festzulegen. Beispielsweise sind bei
Umwelt, Fischerei, Verkehr, Grenzkontrollen, Zoll und          der Beobachtung biologischer Arten zumindest ver-
die allgemeine Rechtsdurchsetzung sowie Verteidi-              allgemeinerte Angaben zu Zeit, Ort und Methode der
gung zur Verfügung gestellt.                                   Probenahme, die Bezeichnung der Arten und Genau-
                                                               igkeit der Messung erforderlich. Die Zwischenbe-
Diese Arbeit wurde von einer unabhängigen Sach-                wertung von EMODnet (35) zeigte, dass die für die
verständigengruppe geleitet und überwacht, und                 thematischen Gruppen vorgeschlagenen Bereiche
mit einer Zwischenbewertung (31) wurde die Fundiert-           logisch nachvollziehbar sind; allerdings wurde ange-
heit des Konzepts bestätigt. Entsprechend wird die             regt, die Zusammenlegung der Hydrografie- und der
Arbeit im Rahmen der Verordnung (32) aus dem Jahr              Geologie-Gruppen in Erwägung zu ziehen. Fast alle
2011 zur Unterstützung der integrierten Meerespo-              Länder haben gesonderte Hydrografie-Agenturen und
litik fortgeführt, um alle europäischen Meeresbecken           geologische Dienste mit eigenen Aufgaben; es gibt
zu erfassen. Eine thematische Gruppe zu menschli-              heutzutage jedoch Überschneidungen. Beide sind
chen Tätigkeiten wird zur Ergänzung der übrigen                heute mit dem Umweltschutz befasst, und für Erhe-
Sechs eingerichtet werden. Bis 2014 soll eine mit-             bungen werden zum Teil die gleichen Instrumente
telauflösende (33) Kartierung der europäischen Meere           und Methoden eingesetzt. Beide tragen Kenntnisse
für diese sieben Themenbereiche vorliegen.                     über den Meeresboden mithilfe von Messungen durch
                                                               Fächerecholote zusammen.
Mit der Verordnung werden erstmals auch prototy-
pische „Meeresbecken-Kontrollpunkte“ unterstützt.
Mithilfe dieser Mechanismen soll ermittelt werden,              3. Sind die sieben thematischen Gruppen des
ob die derzeitige Beobachtungsinfrastruktur den                     Europäisches Meeresbeobachtungs- und
höchstmöglichen Wirkungsgrad erreicht und ob sie                    Datennetzwerks am besten für die Aufgabe
den Bedürfnissen der öffentlichen oder privaten                     geeignet? Sollten einige kombiniert (z. B.
Nutzer entspricht. Die ersten beiden werden die                     Geologie und Hydrografie) oder aufgeteilt
Nordsee und das Mittelmeer erfassen.                                werden?

Mit dem Vorschlag der Kommission für einen neuen                4. Wie sollte im EMODnet die Gewichtung
Europäischen Meeres- und Fischereifonds (34) im                     zwischen der Bereitstellung des Zugangs
Finanzrahmen 2014-2020 soll EMODnet finanzielle                     zu Rohdaten und der Entwicklung digitaler
Unterstützung erhalten, um es voll betriebsfähig zu                 Kartenschichten aus den Rohdaten für
machen. Mit einem sicheren Haushalt kann das                        alle Meeresbecken verteilt sein?
Netz von einer Reihe von Projekten mit begrenzter

27. Siehe Fußnote 24.
28. Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit
    zu Umweltinformationen (ABL. L 41 vom 14.2.2003, S. 26).
29. Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. November 2003 über die Weiterverwendung
    von Informationen des öffentlichen Sektors (ABL. L 345 vom 31.12.2003, S. 90).
30. Mitteilung über den Entwurf eines Fahrplans für die Schaffung des gemeinsamen Informationsraums für die Überwachung
    des maritimen Bereichs der EU, 20.10.2010, KOM/2010/0584.
31. Siehe Fußnote 7.
32. Verordnung (EU) Nr. 1255/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2011 zur Schaffung eines
    Programms zur Unterstützung der Weiterentwicklung der integrierten Meerespolitik (ABL; L 321 vom 5.12.2011, S. 1).
33. Beispielsweise eine achtel Längen- und Breitenminute für das digitale Geländemodell und 1:250 000 für Sedimente
    am Meeresboden.
34. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Meeres- und
    Fischereifonds, 2.12.2011, KOM(2011) 804 endg.
35. Siehe Fußnote 7.
14
     GRÜNBUCH

                5.3. Meeresdienst im Rahmen                                   übernehmen kann. Diese Investition ist hilfreich für
                      der globalen Umwelt- und                                 die Bestimmung von Veränderungen der Meeres-
                      Sicherheitsüberwachung                                   eigenschaften im Rahmen der Meeresstrategie-
                      (GMES)                                                   Rahmenrichtlinie und ist ein wertvoller Baustein für
                                                                               den vorgeschlagenen neuen Klimadienst.
                Das Europäische Erdbeobachtungsprogramm
                (GMES) (36) ist eine Leitinitiative der Raumfahrt-             Derzeit werden Standards entwickelt, damit sowohl
                politik der Europäischen Union (37). Der dazugehörige          der GMES-Meeresdienst als auch EMODnet auf die-
                Meeresdienst soll hauptsächlich Produkte und                   selben In-situ-Daten zugreifen können.
                Dienstleistungen erbringen, auf denen Anbieter von
                Mehrwertdiensten für öffentliche und private Nut-
                zer aufbauen können. Der Idee nach soll gewähr-                 5. Sollte eine gemeinsame Plattform für
                leistet werden, dass Produkte auf der Grundlage                     Produkte der GMES-Initiative und des
                der am weitesten fortgeschrittenen Technologie,                     EMODnet eingerichtet werden?
                Satellitenbeobachtung, Rechenleistung und Progno-
                sefähigkeit in Europa entwickelt werden.                        6. Sollten die GMES-Meeresprodukte und
                                                                                    der GMES-Meeresdienst auch auf die
                Im Rahmen des GMES-Programms ist schrittweise                       Nutzung durch Klima- und Umweltforscher
                ein Meeresdienst entwickelt und von 60 Organisa-                    sowie Nutzer, die einen operationellen
                tionen umgesetzt worden. Mit dem Dienst werden                      Dienst in Beinahe-Echtzeit benötigen,
                Informationen aus In-situ- und Weltraum-Messun-                     zugeschnitten sein?
                gen zu zwei Informationsklassen verarbeitet und
                analysiert: 1) Meeresbeobachtungen und 2) Über-
                wachung und Prognosen.
                                                                               5.4. Rahmenregelung für die
                Ozeanmodelle werden verwendet, um den vergan-                        Erhebung von Fischereidaten
                genen, gegenwärtigen und zukünftigen Zustand (38)
                auf Ebene der Meeresbecken weltweit und in Europa              Seit 2001 (39) finanziert die EU die Erhebung und
                für verschiedene Parameter wie Temperatur, Strö-               Verbreitung von Daten über die Fischereien in der
                mungsverhältnisse, Salzgehalt, Meereis, Meeresspie-            EU durch die nationalen Behörden. Auf der Grund-
                gel, Wind und Biogeochemie dreidimensional                     lage von Daten aus Erhebungen und Stichproben
                darzustellen. Bisher ist dieser Dienst aus dem For-            sowie Angaben zu gemeldeten Fangmengen,
                schungshaushalt der EU finanziert worden. Ab 2014              Fischereiaufwand und Rückwürfen können die Aus-
                wird die GMES-Initiative voll einsatzfähig sein und            wirkungen auf die Fischbestände beurteilt werden.
                sollte durch operative Mittel gefördert werden.                Parameter wie Flottenkapazität, Beschäftigung und
                                                                               Rentabilität machen außerdem eine Analyse der
                Zusätzlich zum Meeresdienst, bei dem bisher der                sozioökonomischen Gesundheit der von der Fische-
                Schwerpunkt auf Beobachtungen und Informationen                rei lebenden Gemeinschaften möglich. Hauptziel ist
                in Beinahe-Echtzeit sowie Prognosen für Meere und              die Unterstützung der Verwaltung der Gemeinsa-
                Ozeane liegt, wird jetzt ein GMES-Klimadienst vorge-           men Fischereipolitik, auch wenn die Daten mit einer
                schlagen. Die Simulationsmodelle des derzeitigen               Überarbeitung im Jahr 2008 (40) auf den Aquakul-
                Meeresdienstes müssen kalibriert und anhand von                tur- und den Verarbeitungssektor ausgedehnt wur-
                vergangenen Beobachtungen geprüft werden, so dass              den und der Zugang für wissenschaftliche Zwecke
                der Meeresdienst bereits die Speicherung und Verar-            oder zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit geöff-
                beitung dieser Zeitreihen von Meeresbeobachtungen              net wurde.

                36. Siehe Fußnote 6.
                37. Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Weltraumstrategie der Europäischen Union im Dienst der Bürgerinnen und Bürger“
                    vom 4.4.2011 (KOM(2011) 152).
                38. Gewissermaßen handelt es sich um das ozeanografische Gegenstück zu einer Wettervorhersage.
                39. Verordnung (EG) Nr. 1543/2000 des Rates vom 29. Juni 2000 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Rahmenregelung
                    für die Erhebung und Verwaltung der Daten, die zur Durchführung der gemeinsamen Fischereipolitik erforderlich sind
                    (ABl. L 176 vom 15.7.2000, S. 1).
                40. Verordnung (EG) Nr. 199/2008 des Rates vom 25. Februar 2008 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Rahmenregelung
                    für die Erhebung, Verwaltung und Nutzung von Daten im Fischereisektor und Unterstützung wissenschaftlicher Beratung
                    zur Durchführung der Gemeinsamen Fischereipolitik (ABl. L 60 vom 5.3.2008, S. 1).
Meereskenntnisse 2020
                             Von der Kartierung des Meeresbodens bis zur ozeanografischen Prognose                     15

Artikel 37 des Vorschlags für eine Reform der Gemein-           7. Sollten auf der Grundlage der Rahmenrege-
samen Fischereipolitik (41) geht noch weiter: Demnach               lung für die Erhebung von Fischereidaten
sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, biologische, tech-           für einen bestimmten Verwendungszweck
nische, ökologische und sozioökonomische Daten zu                   (z. B. für die Bestandabschätzung) gesam-
erheben und regional zusammenzuarbeiten. Durch                      melte Daten wiederverwendet werden,
diese Bestimmungen der Grundverordnung wird die                     ohne der Verpflichtung nachzukommen,
Verordnung aus dem Jahr 2008 ersetzt. Die Einzelhei-                die Genehmigung der ursprünglichen
ten werden in einem neuen mehrjährigen Programm                     Datenanbieter einzuholen?
der EU für den Zeitraum 2014-2020 verdeutlicht.
                                                                8. Sollte ein Internetportal ähnlich denen für
Im Vorschlag für einen neuen Europäischen Meeres-                   EMODnet eingerichtet werden, um Zugang
und Fischereifonds (42) im Finanzrahmen 2014-2020                   zu den Daten der Mitgliedstaaten sowie der
schlägt die Kommission vor, dass die Rahmenrege-                    Daten für bestimmte Bestände, bestimmte
lung für die Erhebung von Fischereidaten von der                    Flottensegmente oder bestimmte Fanggebiete
zentralen in die geteilte Mittelverwaltung übergeht,                zu geben? Falls ja, wie sollte es mit EMODnet
damit die Mitgliedstaaten der Kommission die Ver-                   verknüpft werden?
antwortung für die Mittelverwaltung und die Über-
wachung der Durchführung abnehmen.                              9. Sollten Kontrolldaten wie solche, die über
                                                                    das Schiffsüberwachungssystem zur Verfol-
Im Allgemeinen sind für Fischereigutachten Daten                    gung von Fischereifahrzeugen gesammelt
aus allen Ländern erforderlich, die eine bestimmte                  werden, besser zugänglich gemacht werden?
Art oder ein bestimmtes Gebiet befischen. Sobald                    Falls ja, wie können Bedenken in Bezug auf
die Daten für einen spezifischen Zweck zusammen-                    den Datenschutz geklärt werden?
getragen sind, können sie in einem Bericht veröf-
fentlicht werden. Die von den Mitgliedstaaten
vorgelegten Rohdaten können zum jetzigen Zeit-
punkt jedoch ohne die Zustimmung der Datenlie-                 5.5. Forschung
feranten nicht für andere Zwecke weitergegeben
werden. In der Praxis ist dieses Verfahren so umständ-         Die EU-Mitgliedstaaten geben rund 1,85 Mrd. EUR
lich, dass dies nie geschieht. Das führt zu einem              jährlich für Meeresforschung aus. Rund die Hälfte
Mangel an unabhängigen Kontrollen, was das Ver-                fließt in Infrastrukturen zur Erleichterung von Beob-
trauen in die Ergebnisse einschränkt und Innovation            achtungen. Dies umfasst Schiffe, unter Wasser lie-
im Keim erstickt.                                              gende Beobachtungsstellen, schwimmende Bojen
                                                               und treibende Geräte, ferngesteuerte oder auto-
Die Kommission ist der Ansicht, dass Fragen im                 nome Unterwasserfahrzeuge, die alle mit einer
Zusammenhang mit der Privatsphäre und dem                      Reihe von Sensoren und Analysekapazitäten ausge-
Geschäftsgeheimnis leicht gelöst werden können.                stattet sind. Das Europäische Strategieforum für
Es ist durchaus möglich, Fischereidaten zu verbrei-            Forschungsinfrastrukturen (ESFRI) hat derzeit sechs
ten, die alle Anforderungen erfüllen, um das Öko-              gesamteuropäische Infrastrukturen bestimmt, die
system zu verstehen, ohne zugleich die Tätigkeiten             eine wesentliche Rolle für die europäischen Meeres-
der einzelnen Schiffe erkennen zu lassen. Das neue             forscher spielen werden. In ihrer Mitteilung aus dem
Mehrjahresprogramm 2014-2020 wurde entspre-                    Jahr 2010 über eine „Innovationsunion“ schlägt die
chend angelegt.                                                Kommission vor, dass 60 % der von ESFRI ausge-
                                                               wählten Infrastrukturen bis 2015 in Betrieb gehen
Auf der Grundlage der Rahmenregelung für die                   oder errichtet werden sollen.
Erhebung von Fischereidaten gesammelte Daten
sind derzeit über EMODnet nicht zugänglich.                    Der Beitrag der EU zu Maßnahmen im Zusammen-
                                                               hang mit der marinen und maritimen Forschung im

41. Vorschlag für eine Verordnung über die Gemeinsame Fischereipolitik [zur Aufhebung der Verordnung (EG)
    Nr. 199/2008] (KOM(2011) 425).
42. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Meeres- und
    Fischereifonds vom 2.12.2011 (KOM(2011) 804 endg.).
16
     GRÜNBUCH

                Rahmen des Siebten Rahmenprogramms beläuft sich            10.Welchen Schwerpunkt sollte die EU-
                auf 350 Mio. EUR (43) jährlich. Davon fließen 25-30 Mio.        Finanzierung für neue Technologien für
                EUR pro Jahr in Meeresforschungsinfrastrukturen und             die Meeresbeobachtung haben? Wie können
                die Forschung im Bereich der Technologien für die               wir die Überwachung der Ozeane und ihre
                Meeresbeobachtung (Sensoren und Systeme für die                 Kosteneffizienz erhöhen? Wie kann die
                Meeresbeobachtung). Über das Rahmenprogramm                     EU ihre wissenschaftliche und industrielle
                wurde auch das SeaDataNet unterstützt, das zur                  Position in diesem Bereich stärken?
                Harmonisierung der Standards für Meeresdaten
                und zur Gewährleistung der Interoperabilität zwi-          11. Sollte bei Forschungsprojekten die
                schen Meeresdatenbanken einen entscheidenden Bei-               Verpflichtung bestehen, die Archivierung
                trag geleistet hat. Die SeaDataNet-Technologie                  von wissenschaftlichen Beobachtungen
                ist von grundlegender Bedeutung für die EMODnet-                und den Zugang zu ihnen zu gewährleisten?
                Plattform. Im Rahmen anderer EU-Projekte werden
                außerdem Beobachtungen gemacht, die unsere Mee-
                reskenntnisse verbessern.
                                                                           5.6. Umweltberichterstattung
                Der Vorschlag der Kommission für das Forschungs-
                und Innovationsprogramm „Horizont 2020“ für die            Die Mitgliedstaaten erheben ein breites Spektrum an
                Jahre 2014-2020 umfasst eine größere Mittelaus-            Daten, um EU-Richtlinien wie die Wasserrahmenricht-
                stattung und einfachere Verfahren als das auslau-          linie, die Badegewässerrichtlinie, die Habitat-Richtlinie
                fende Programm. Dieses Forschungsprogramm                  und seit kurzem die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie
                kann zu den Zielen der Mitteilung „Meereskennt-            umzusetzen. Die Mitgliedstaaten übermitteln auch
                nisse 2020“ beitragen, indem es 1) die Entwicklung         Umweltindikatoren an regionale Meeresübereinkom-
                und Integration von Meeresforschungsinfrastruktu-          men wie OSPAR, HELCOM, das Übereinkommen von
                ren auf EU-Ebene und 2) die Entwicklung nutzero-           Barcelona und das Bukarest-Übereinkommen. Als Teil
                rientierter und kostengünstiger Technologien für die       der Vorschriften gemäß der Meeresstrategie-Rahmen-
                Meeresbeobachtung sowie 3) Forschungsprojekte,             richtlinie sind die Mitgliedstaaten rechtlich verpflich-
                die Daten über die Meeresumwelt und ihre Wech-             tet, die der Anfangsbewertung zugrundeliegenden und
                selwirkung mit menschlichen Tätigkeiten, auch für          aus Überwachungsprogrammen der Kommission und
                die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, unterstützt.         der Europäischen Umweltagentur stammenden Daten
                                                                           mitzuteilen. Die aus der Meeresstrategie-Rahmen-
                Um die Entwicklung geistigen Eigentums zu fördern,         richtlinie erwachsenden Berichtspflichten bilden die
                gehen im Rahmen von EU-Forschungsprojekten ent-            Grundlage für die marine Komponente des Wasserin-
                wickelte Ideen in das Eigentum des Wissenschaftlers        formationssystems für Europa, WISE-Meer. Gemäß
                über. Auf diese Weise wird mit neuen Sensoren oder         Artikel 19 der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sind
                Meeresbeobachtungsplattformen nicht nur eine effi-         die Mitgliedstaaten verpflichtet, Daten aus den Bewer-
                zientere, wirksame Überwachung unserer Meere und           tungen und der Überwachung zugänglich zu machen.
                Ozeane unterstützt, sondern auch die Grundlage für         EMODnet wird verwendet, um diesen Zugang zu
                Ausfuhrpotenzial in einem Hochtechnologiesektor            ermöglichen.
                mit einem globalen Markt geschaffen.
                                                                           Die Europäische Umweltagentur war an der Ent-
                Jedoch sind Meeresbeobachtungen nicht patentier-           wicklung von EMODnet umfassend beteiligt.
                bar und werden der Wirtschaft am stärksten zugute          Die Prototypen der Portale, die bereits in der ersten
                kommen, wenn sie allen kostenlos zur Verfügung             Phase des Projekts aufgebaut wurden, und die
                gestellt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wer-          in der zweiten Phase in der Entwicklung befindli-
                den viele dieser Beobachtungen nicht verbreitet,           chen fortgeschritteneren Portale wurden speziell
                sobald ein Forschungsprojekt abgeschlossen ist.            entworfen, um Parameter für die Festlegung von
                Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass For-        Indikatoren zu liefern, die zur Bewertung des
                scher ihre Ergebnisse veröffentlichen möchten,             Umweltzustands im Rahmen der Meeresstrategie-
                bevor sie die Daten freigeben; des Weiteren beste-         Rahmenrichtlinie erforderlich sind.
                hen keine Anreize bzw. Vorschriften, damit sie sich
                diese Mühe machen.

                43. Insgesamt 5,4 Mrd. EUR durchschnittlich.
Meereskenntnisse 2020
                                                                              Von der Kartierung des Meeresbodens bis zur ozeanografischen Prognose          17
© Geological Survey of Ireland & Marine Institute

                                                    Bathymetrie von Aran Sound, Galway Bay, Irland –
                                                    INFOMAR Kartierungsprogramm

                                                    Die Berichtsvorgaben für verschiedene Berichts-        12. Sollte das Übermittlungsverfahren, das
                                                    verfahren sind nicht unbedingt dieselben, innerhalb         der Übermittlung von Berichten über die
                                                    der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie ist jedoch eine        Meeresumwelt dient, schrittweise durch
                                                    stärkere Annäherung zu erwarten. Einige der für die         ein Abfrageverfahren ersetzt werden, so
                                                    Festlegung verwendeten Indikatoren, die der zustän-         dass Daten über das Internet zur Verfügung
                                                    digen Behörde oder der Kommission übermittelt wer-          gestellt und von der zuständigen Behörde
                                                    den, sind öffentlich zugänglich, viele andere nicht.        unter Verwendung der im Rahmen von
                                                                                                                EMODnet entwickelten Technologie
                                                                                                                abgefragt werden?
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