LUA-Mitteilungen 01/2020 - LANDESUNTERSUCHUNGS-ANSTALT FÜR DAS GESUNDHEITS- UND VETERINÄRWESEN - Sachsen
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Inhaltsverzeichnis Humanmedizin Epidemiologische Information für den Freistaat Sachsen.......................................................................................................................................... 2 Nichttuberkulöse Mykobakterien...................................................................................................................................................................................... 7 Lebensmitteluntersuchungen Döner Kebab – Was steckt im Fladenbrot?...................................................................................................................................................................13 Neue Rechtsbestimmungen im Bereich des LFGB – 4. Quartal 2019...................................................................................................................15 Beschwerdeproben-Report für Lebensmittel und Bedarfsgegenstände sowie Tabakerzeugnisse 4. Quartal 2019.................................19 BSE-Untersuchungen 4. Quartal 2019..........................................................................................................................................................................20 Tollwutuntersuchungen 4. Quartal 2019......................................................................................................................................................................20 Salmonellenberichterstattung im Freistaat Sachsen 4. Quartal 2019..................................................................................................................21 Jahresinhaltsverzeichnis 2019.........................................................................................................................................................................................25 │1
Epidemiologische Information für den Freistaat Sachsen 4. Quartal 2019 (vom 30.09.2019 – 29.12.2019) Borreliose nicht gegen FSME geimpfte Erwachsene im Alter zwischen 25 Die Anzahl der gemeldeten Erkrankungsfälle (n = 566) lag über und 76 Jahren sowie um einen 49-Jährigen, der im März eine dem Niveau des 5-Jahresmittelwertes (n = 427). Im Vergleich FSME-Impfung erhalten hatte. Alle Patienten mussten stationär zum 4. Quartal des Vorjahres (n = 431) gab es 31 % mehr Neu- therapiert werden. In 2 Fällen lag ein meningitischer Verlauf vor. erkrankungen. In den meisten Fällen wurde symptomatisch ein Bis auf zwei Betroffene, die sich während der Inkubationszeit Erythem angegeben. 21-mal lagen eine Hirnnervenlähmung, in Österreich bzw. Tschechien aufgehalten hatten, gaben alle 9-mal eine Radikuloneuritis sowie 4-mal eine Meningitis vor. anderen ihr Wohnumfeld als wahrscheinlichen Infektionsort an. Zusätzlich kamen 8 arthritische Verläufe zur Meldung. Bei ei- Die Infektionen wurden durch verschiedene Antikörpernach- nigen Patienten wurde eine Mehrfachsymptomatik angegeben. weismethoden bestätigt. Chikungunyafieber Haemophilus influenzae-Erkrankung, invasiv Eine 38 Jahre alte Frau erkrankte nach einem 10-monatigen Es kamen im Berichtszeitraum 8 Fälle nach Referenzdefinition und ein 56-Jähriger nach einem 2-wöchigen Aufenthalt in My- zur Meldung, die bis auf ein 4-jähriges Mädchen, Erwachsene anmar. Die Betroffenen zeigten Fieber, Hautausschlag und teils im Alter zwischen 52 und 90 Jahren betrafen. Der Nachweis Gelenk- und Muskelschmerzen. Die Infektionen konnten serolo- von Haemophilus influenzae gelang aus der Blutkultur bzw. bei gisch bestätigt werden. einem mit meningitischer Symptomatik erkrankten Mann aus Liquor. Todesfälle wurden nicht registriert. Clostridioides difficile-Infektion, schwerer Verlauf Im 4. Quartal des Jahres 2019 wurden 41 schwere Verläufe einer Hantavirus Clostridioides difficile-Infektion übermittelt. Es verstarben ins- Ein 40 Jahre alter Mann erkrankte mit Nierenfunktionsstörun- gesamt 13 Patienten (7 Männer und 6 Frauen) im Alter zwischen gen. Die Infektion konnte serologisch bestätigt werden. Der Pa- 64 und 99 Jahren an den Folgen der Infektion. tient gab an, auf dem Dachboden seines alten Fachwerkhauses Arbeiten durchgeführt zu haben. Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CJK) Im Berichtzeitraum kamen die klinischen Erkrankungen zweier Hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS), enteropathisch Frauen (56 und 74 Jahre) sowie der klinisch-labordiagnostisch Ein 11 Jahre alter Junge erkrankte mit blutigem Durchfall und bestätigte Todesfall einer 72-Jährigen zur Meldung. Nierenfunktionsstörungen, was eine stationäre Behandlung nötig werden ließ. Aus Stuhl gelang der Nachweis von EHEC, Denguefieber Shigatoxin 1 und 2. Eine mögliche Infektionsquelle konnte nicht Es erkrankten 11 Frauen und 4 Männer im Alter zwischen 22 eruiert werden. und 78 Jahren nach Aufenthalten in Ägypten, Französisch Poly- nesien, Indien, Kuba, Malaysia, Mexiko, Nepal, Sri Lanka, Thai- Influenza land und auf den Malediven. Mit der 40. KW 2019 hat die Influenzasaison begonnen. Seit Beginn der Influenzasaison in der 40. Meldewoche wurden in Echinokokkose Sachsen kumulativ 400 Infektionen registriert (Vorjahr 2018: Bei einer 70 Jahre alten deutschen Frau, die wegen einer spas- 326). Hierbei handelte es sich 357-mal um Influenza A (darun- tischen Tetraparese stationär behandelt werden musste, wur- ter 26-mal Subtyp (H1N1)pdm09 bzw. 7-mal H3N2), 40-mal um de serologisch sowie mittels PCR eine zystische Echinokokkose Influenza B sowie 3-mal um nicht nach A oder B differenzierte (Echinococcus granulosus) diagnostiziert und durch das Bern- Influenza. hard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (NRZ) bestätigt. Es er- 80-mal wurde ein stationärer Aufenthalt angegeben. Bis auf 6 gaben sich keinerlei Hinweise auf die mögliche Infektionsquelle. Patienten waren die Betroffenen aktuell nicht gegen Influenza geimpft. Enterovirus-Infektion Ein 70 Jahre alter Mann mit bekannter Vorerkrankung (COPD) Mit 357 Fällen lag die Zahl der im Berichtszeitraum übermittel- verstarb an den Folgen einer Influenza A-Infektion. ten Infektionen im Vergleich zum 5-Jahresmittelwert (n = 177) um das Doppelte höher. 254 betroffene Patienten wiesen eine Keuchhusten respiratorische, 54 eine gastroenteritische und 10 eine menin- Im Berichtszeitraum errechnete sich aus den übermittelten 139 gitische Symptomatik (Erregernachweis im Liquor) auf. Weitere Erkrankungen eine Neuerkrankungsrate von 3 Erkrankungen 39 Erregernachweise wurden ohne bekanntes klinisches Bild er- pro 100.000 Einwohner, was im Vergleich zum Vorquartal ei- fasst. nem Rückgang der Inzidenz um 34 % entsprach. Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum (n = 234) wurden rund 41 % weniger Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) Erkrankungen registriert. Zusätzlich kamen 72 Keimträger zur Bei den 7 im Berichtsquartal übermittelten labordiagnostisch Meldung, bei denen das klinische Bild fehlte beziehungsweise bestätigten Erkrankungen handelte es sich in 6 Fällen um bisher nicht vollständig ausgeprägt war. 2│
Von den 82 erkrankten Betroffenen mit dem Nachweis von Bor- anderen Betroffenen hatten im Zusammenhang mit ihren Rei- detella pertussis waren 67 % nicht beziehungsweise nur unvoll- sen keine Chemoprophylaxe erhalten. ständig gegen Pertussis geimpft. Einige Infektionen konnten zwei neuen und bereits bestehenden Meningitiden Pertussis-Erkrankungshäufungen zugeordnet werden. Im Quartal wurden 45 Erkrankungen, darunter eine mit Todes- Auffällig war die steigende Zahl an Parapertussis-Infektionen folge übermittelt. Durch welche Erreger diese verursacht waren, (n = 57) sowie -Nachweisen (n = 42) ohne vollständig ausge- ist aus Tabelle 1 ersichtlich. Berücksichtigt sind hier nur die Fäl- prägtes klinisches Bild. Es kamen 5 Erkrankungshäufungen zur le, bei denen der Erregernachweis aus dem Liquor der Patienten Meldung. Betroffen waren 4 Kindertagesstätten sowie eine Fa- erfolgte. milie. Tabelle 1: Erkrankungen mit dem klinischen Bild Meningi- Legionellose tis/Enzephalitis in Sachsen (Vergleich 4. Quartal Die übermittelten Fälle betrafen 14 männliche Patienten und 6 2019 zum 4. Quartal 2018) Frauen im Alter zwischen 38 und 90 Jahren, die mit Pneumo- Erreger 4. Quartal 2019 4. Quartal 2018 nie erkrankten. Die Erregernachweise wurden mittels Antigen- Nachweis aus Urin bzw. mittels PCR aus Trachealsekret oder Erkran- Tod Inzi- Erkran- Tod Inzi- kung denz kung denz Bronchiallavage geführt. Bei 5 Betroffenen konnte der Hotel- bakt. Erreger gesamt 14 1 0,34 10 0,25 aufenthalt in Italien, Kenia, Thailand beziehungsweise im Saar- Borrelien 4 0,10 3 0,07 land sowie ein Tagesausflug in ein sächsisches Thermalbad als Haemophilus influenzae 1 0,02 1 0,02 mögliche Infektionsquelle eruiert werden. Alle anderen Betrof- Meningokokken 1 1 0,02 4 0,10 fenen hatten sich während der Inkubationszeit in ihrem häusli- Pneumokokken 7 0,17 1 0,02 chen Umfeld aufgehalten. sonstige Streptokokken 1 0,02 1 0,02 An den Folgen der Infektion verstarben 4 Männer im Alter zwi- virale Erreger gesamt 31 0,76 28 0,69 schen 71 und 90 Jahren. Adenovirus 1 0,02 Enterovirus 10 0,25 11 0,27 Leptospirose FSME-Virus 2 0,05 Eine 30 Jahre alte, als Tierärztin tätige Frau erkrankte mit Fieber Herpesvirus 2 0,02 und allgemeinen Krankheitszeichen und wurde stationär behan- Varizella-Zoster-Virus 18 0,44 15 0,37 delt. Gesamtzahl 45 1 1,10 38 0,93 Ein 24 Jahre alter Mann (ohne bekannte Vorerkrankungen) zeig- te zunächst allgemeine Krankheitszeichen, später Fieber und Meningokokken-Erkrankung, invasiv Ikterus. Aufgrund dieser Symptome wurde er stationär aufge- Ein 5 Monate alter, bisher nicht gegen Meningokokken geimpf- nommen. Da sich sein Zustand weiter verschlechterte, erfolgte ter Säugling erkrankte mit schwerem septischen Krankheitsbild. die Verlegung in ein Leipziger Klinikum. 4 Tage nach Auftreten Trotz stationärer Aufnahme noch am selben Tag verstarb der der ersten Symptome verstarb der Patient mit akutem Leberver- Junge 2 Stunden später. Aus Liquor des Kindes gelang der Nach- sagen und ausgeprägter Hepatosplenomegalie. Es ergaben sich weis von Meningokokken (Serogruppe B). keine Hinweise auf die mögliche Infektionsquelle. In beiden Fäl- Ein zweiter Fall betraf ein einjähriges, bisher ebenfalls nicht len konnte mittels Antikörper-Nachweis jeweils eine Infektion gegen Meningokokken geimpftes Mädchen, das mit Fieber und mit Leptospira interrogans diagnostiziert werden. Sepsis erkrankte. Das Kind wurde daraufhin stationär behandelt. Eine 30 Jahre alte Frau zeigte einen Tag nach ihrer Rückkehr von Aus Blut gelang der Nachweis von Meningokokken der Gruppe W. einem 3-wöchigen Urlaub in Thailand allgemeine Krankheitszei- chen und Fieber. Sie hatte dort an einer Rundreise mit verschie- MRSA-Infektion (invasive Erkrankung) denen Aktivitäten (Aufenthalt in einem Elefantencamp, Urwald- Im Berichtszeitraum wurden 27 Infektionen übermittelt. Mit wanderung, Flussbaden) teilgenommen. Zwecks diagnostischer einem Anteil von 37 % war die Altersgruppe der über 65-Jähri- Abklärung der bestehenden Symptomatik wurde sie stationär gen am häufigsten betroffen. Die MRSA-Nachweise wurden aus aufgenommen. Auch hier wurde eine Infektion mit Leptospira Blut geführt. Ein 91-jähriger Mann verstarb an den Folgen der interrogans mittels Antikörper-Nachweis diagnostiziert. Erkrankung. Listeriose CA-MRSA-Nachweis Bei den 8 an Listeriose erkrankten Patienten handelte es sich um Im 4. Quartal 2019 kamen 32 Nachweise (22 Infektionen und 10 Erwachsene im Alter zwischen 67 und 82 Jahren. Ein 77-jäh- Kolonisationen) zur Übermittlung. Es handelte sich um 8 Kinder riger Mann mit septischem Verlauf kam als an der Erkrankung im Alter zwischen 1 und 12 Jahren, einen 16-jährigen Jugend- verstorben zur Meldung. lichen und um Erwachsene zwischen 20 und 79 Jahren (Alters- median: 31,5 Jahre). 3 Fälle wurden im Zusammenhang mit fa- Malaria miliären Umgebungsuntersuchungen detektiert. Im Berichtszeitraum kamen 5 Fälle zur Übermittlung. Je 2-mal 13 Fälle waren vermutlich auslandsassoziiert. Die Nachweise bei handelte es sich um eine Malaria tertiana bzw. Malaria tropica den Patienten erfolgten anhand von unterschiedlichen Abstri- sowie einmal um eine Malaria quartana. Betroffen waren ein chen. 8-jähriges Mädchen sowie Erwachsene im Alter zwischen 19 und 42 Jahren. Die Patienten erkrankten nach Aufenthalten in Multiresistente Erreger (MRE) mit Carbapenem-Resistenz Ghana, Guinea, Nigeria, Togo und Uganda. Ein Patient gab an, Im Berichtszeitraum wurden 109 Nachweise (Erregeraufschlüs- eine Chemoprophylaxe (Malarone) durchgeführt zu haben; alle selung in Tabelle 2) erfasst. Den größten Anteil (48 %) stellten │3
Pseudomonas aeruginosa, gefolgt von Klebsiella spp. mit 20 %. In 3 Fällen ergab sich kein konkreter Hinweis auf die mögliche Es wurde der Tod eines 68 Jahre alten Mannes durch P. aerugi- Infektionsquelle. nosa-Infektion übermittelt. Kumulativ lag die Zahl der erfassten Nachweise 14 % unter dem Tuberkulose Niveau des Vorjahres (2019: 453; 2018: 525). Unter den 30 im Berichtsquartal erfassten Tuberkulosen wurde der krankheitsbedingte Tod (Lungentuberkulose) eines 73-jähri- Tabelle 2: Gramnegative Bakterien mit erworbener Carba- gen Deutschen, der unter dem klinischen Bild einer Pneumonie penemase/Carbapenem-Resistenz im 4. Quartal verstarb, übermittelt. 2019 Erreger Infektion Koloni- Gesamt- dav. Tod Tularämie sation Fallzahl Ein 50 Jahre alter Mann erkrankte mit Fieber, Gelenkschmerzen Acinetobacter spp. 1 4 5 - sowie Lymphknotenschwellung und musste stationär behandelt Enterobacterales 12 40 52 - werden. Die Infektion wurde serologisch durch das Bernhard- Citrobacter spp. - 1 1 - Nocht-Institut für Tropenmedizin bestätigt. Die Exposition er- Enterobacter spp. - 8 8 - folgte mit hoher Wahrscheinlichkeit während eines Aufenthal- Escherichia coli 6 11 17 - tes in Österreich, wo der Patient an verschiedenen Aktivitäten Klebsiella spp. 6 16 22 - im Freien teilgenommen hatte beziehungsweise ihm Tierkontak- Serratia spp. - 1 1 - te erinnerlich waren. sonstige - 3 3 - Pseudomonas aeruginosa 13 39 52 1 Gesamtzahl 26 83 109 1 Typhus abdominalis Nach der Rückkehr aus Indien wurde bei einem 40 Jahre alten Norovirus-Gastroenteritis Mann eine Salmonella Typhi-Infektion diagnostiziert. Der Nach- Gegenüber dem vorherigen Quartal wurde ein saisonal beding- weis gelang aus der Blutkultur. ter Anstieg (+ 51 %) der Norovirus-Infektionen registriert. Die Inzidenz lag mit 60 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner je- West-Nil-Virus-Infektion doch deutlich unter dem 5-Jahresmittelwert von 73 Erkrankun- Ein 81 Jahre alter Mann aus der Stadt Leipzig litt zunächst unter gen pro 100.000 Einwohner. Eine 85 Jahre alte Frau verstarb an allgemeinen Krankheitszeichen sowie Fieber und entwickelte im den Folgen der Infektion. späteren Verlauf eine Enzephalitis. Aufgrund der Schwere der Es kamen im Berichtszeitraum 94 Erkrankungshäufungen zur Symptomatik musste der Patient in einem Leipziger Klinikum Meldung. Betroffen waren hauptsächlich Kindertagesstätten intensivmedizinisch behandelt werden. Der virologische Nach- (44), Seniorenheime (29) und medizinische Einrichtungen (14). weis erfolgte am Nationalen Referenzzentrum für tropische In- fektionserreger am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Pneumokokken-Erkrankung, invasiv (BNITM) sowohl serologisch, als auch durch direkten Nachweis Bei den im Berichtsmonat registrierten 75 Infektionen handelte des Virusgenoms mit einer WNV-spezifischen PCR. sich bis auf ein 1 Jahr altes, bisher lediglich 2-mal gegen Pneu- Eine 24-Jährige erkrankte mit Exanthem, Kopf- und Glieder- mokokken geimpftes Mädchen und eine ungeimpfte 2-Jährige, schmerzen sowie Abgeschlagenheit. Die Frau hatte sich nur in um Erwachsene zwischen 27 und 94 Jahren (Altersmedian: 68 ihrem Wohnumfeld aufgehalten; Mückenstiche waren der Pati- Jahre). Der Erregernachweis gelang aus Blut beziehungsweise entin erinnerlich. Auch hier konnte die Infektion am Bernhard- bei 7 Patienten mit meningitischem Verlauf aus Liquor. An den Nocht-Institut für Tropenmedizin bestätigt werden. Folgen der Infektion verstarben zwei Frauen und ein Mann im Somit wurden in Sachsen bisher 3 autochthon erworbene Fälle Alter zwischen 83 und 94 Jahren. einer West-Nil-Virus-Infektion registriert. Q-Fieber Tod an sonstiger Infektionskrankheit Bei einem 58 Jahre alten Mann, der mit einem grippalen Infekt Die im 4. Quartal des Jahres übermittelten Fälle betrafen Er- erkrankte, wurde serologisch eine Q-Fieber-Infektion diagnosti- wachsene im Alter zwischen 56 und 91 Jahren (Median: 80 ziert. Der Patient hat gelegentlich Kontakt zu einem Pferdehof. Jahre). Weitere Hinweise auf die mögliche Infektionsquelle ergaben sich nicht. Tabelle 3: Todesfälle gemäß IfSGMeldeVO § 1 (2) im 4. Quartal 2019 Salmonellose Erreger Anzahl Klinisches Bild Es wurde eine höhere Neuerkrankungsrate (5,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner) erreicht als im Vorquartal. Die Inzidenz Escherichia coli 6 Multiorganversagen, Sepsis lag in etwa auf dem Niveau des 5-Jahresmittelwertes (6,4 Er- Klebsiella spp. 1 Sepsis krankungen pro 100.000 Einwohner). Mit 38 % dominierte der Moraxella spp. 1 Sepsis Serovar Salmonella Enteritidis, gefolgt von Salmonella Typhi- Myroides odoratimimus 1 Sepsis murium mit einem Anteil von 22 % am Gesamtvorkommen. Es Staphylococcus spp. 8 Multiorganversagen, Pneumonie, wurden keine Todesfälle übermittelt. Sepsis Shigellose Im Berichtszeitraum kamen 12 Erkrankungen (8-mal Shigella Verantwortlich: sonnei, einmal Shigella flexneri sowie 3 Shigella spp.) zur Mel- Dr. med. Sophie-Susann Merbecks dung. 9 Betroffene machten Angaben zu Auslandsaufenthalten und Mitarbeiter des FG Infektionsepidemiologie in Ägypten, Namibia, Sudan, Tansania, Usbekistan, und Vietnam. LUA Chemnitz 4│
Übermittelte Infektionskrankheiten im Freistaat Sachsen 4. Quartal 2019 und kumulativer Stand 2018 und 2019 4. Quartal kumulativ 40. - 52. MW 2019 1. - 52. MW 2019 1. - 52. MW 2018 Fälle T Fälle T Fälle T Adenovirus-Enteritis 495 1.565 2 2.053 Adenovirus-Infektion, respiratorisch 256 1.203 1.101 Adenovirus-Konjunktivitis 16 76 63 Amöbenruhr 5 14 25 Astrovirus-Enteritis 166 1.618 1.670 Borreliose 566 2.307 2.146 Brucellose 2 Campylobacter-Enteritis 1.158 4.928 1 5.338 Chikungunyafieber 2 3 Chlamydia trachomatis-Infektion 994 4.127 3.940 Clostridioides difficile-Enteritis 620 2.955 3.948 Clostridioides difficile-Infektion - schwerer 41 13 190 48 172 64 Verlauf Creutzfeldt-Jakob-Krankheit 3 1 8 2 10 8 Denguefieber 15 49 26 Diphtherie 1 3 Echinokokkose 1 4 2 EHEC-Erkrankung 34 131 206 Enterovirus-Infektion 357 1.071 1 705 1 Escherichia coli-Enteritis 329 1.058 978 FSME 7 27 12 Gasbrand 2 8 3 Giardiasis 54 253 271 Gonorrhoe 180 811 681 Gruppe B-Streptokokken-Infektion 577 2.424 2.690 Haemophilus influenzae-Erkrankung, invasiv 8 40 47 3 Hantavirus-Erkrankung 1 7 2 Hepatitis A 8 31 27 3 Hepatitis B 61 170 233 Hepatitis C 58 215 199 Hepatitis D 1 4 2 Hepatitis E 69 308 2 257 2 Herpes zoster 546 2.267 1 1.757 3 HUS , enteropathisch 1) 1 4 3 Influenza 400 1 22.965 74 47.796 177 Keuchhusten 139 801 873 Kryptosporidiose 53 160 196 Legionellose 20 4 66 9 44 2 Leptospirose 3 1 8 1 5 Listeriose 8 1 44 6 54 1 Malaria 5 10 12 1 Masern 16 8 Meningokokken-Erkrankung, invasiv 2 1 11 3 18 1 MRE2)-Nachweis mit Carbapenem-Resistenz 109 1 453 6 525 6 MRSA3)-Infektion, invasiv 27 1 130 16 197 21 CA4)-MRSA-Nachweis 32 116 99 Mumps 4 12 7 Mycoplasma hominis-Infektion 261 939 1.035 Mycoplasma-Infektion, respiratorisch 269 846 1.527 1 Norovirus-Enteritis 2.447 1 8.117 10 7.840 4 │5
4. Quartal kumulativ 40. - 52. MW 2019 1. - 52. MW 2019 1. - 52. MW 2018 Fälle T Fälle T Fälle T Ornithose 1 Parainfluenza-Infektion, respiratorisch 304 963 2 683 Paratyphus 2 Parvovirus B19-Infektion 9 100 112 Pneumokokken-Erkrankung, invasiv 75 3 316 15 376 24 Q-Fieber 1 2 4 Respiratory-Syncytial-Virus-Infektion 92 5.435 23 3.811 2 Rotavirus-Erkrankung 294 4.660 11 5.090 6 Röteln 2 Salmonellose 227 857 2 909 1 Scharlach 587 2.652 2.546 Shigellose 12 47 72 Syphilis 66 242 200 Toxoplasmose 9 31 36 Tuberkulose 30 1 145 3 171 5 Tularämie 1 3 Typhus abdominalis 1 4 1 West-Nil-Infektion 2 3 Windpocken 392 1.791 1.769 Yersiniose 77 287 384 Zikavirus-Infektion 1 1 Zytomegalievirus-Infektion 117 452 438 angeborene Infektion 6 10 Tod an sonstiger Infektionskrankheit 17 147 169 T Todesfälle MW Meldewoche 1) Hämolytisch-urämisches Syndrom 2) multiresistente Erreger 3) Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus 4) Community-Acquired Veröffentlicht werden Fälle nach den Kriterien der RKI-Referenzdefinition (soweit vorhanden). 6│
Nichttuberkulöse Mykobakterien Nichttuberkulöse Mykobakterien (NTM) umfassen eine Gruppe Einteilung der Mykobakterien nach RUNYON von Mykobakterien, welche weltweit in der Umwelt verbreitet Langsam wachsende Mykobakterien vorkommen und nicht dem Mycobacterium-tuberculosis-Kom- 1. Gruppe: photochromogen (bilden unter Einfluss von Licht plex und nicht Mycobacterium leprae zugeordnet werden. Unter gelbe Farbpigmente) begünstigenden Faktoren können einige Vertreter der nichttu- ]] Mycobacterium kansasii (verursacht Pneumonien, disse- berkulösen Mykobakterien Auslöser verschiedener Mykobakte- minierte Infektionen bei Immunsuppression) riosen sein, deren Prävalenz in den letzten Jahrzehnten gestie- ]] Mycobacterium marinum (kutane Manifestation z. B. gen ist (1, 2, 7). Schwimmbadgranulom) ]] Mycobacterium simiae (selten pulmonale Infektioen), und Bezeichnungen wie „atypische Mykobakterien“, „ubiquitäre My- andere kobakterien“, „potentially pathogenic environmental mycobac- 2. Gruppe: scotochromogen (bilden bereits ohne Lichteinwir- teria“ (PPEM) sowie „MOTT“ (mycobacteria other than tubercle kung Pigmente) bacilli) wurden synonym verwendet, wobei sich in der aktuellen ]] Mycobacterium scrofulaceum (zervikale Lymphadenitis im deutschsprachigen Literatur der Name nichttuberkulöse Myko- Kindesalter) bakterien mit der Abkürzung NTM durchgesetzt hat (1, 2). ]] Mycobacterium szulgai (kutane Manifestation, Lymph- adenitis) Die systematische Einordnung der Mykobakterien aus der Fa- ]] Mycobacterium flavescens milie der Mycobacteriaceae erfolgt gemeinsam mit den Cory- ]] Mcobacterium gordonae (vor allem im Leitungswasser, oft nebacteriaceae sowie den Nocardiaceae ect. in die Ordnung der Kontamination ohne klinische Relevanz), und andere Actinomycetales (7). 3. Gruppe: nonchromogen (nicht pigmentbildend) ]] Mycobacterium-avium-Komplex (MAC) sehr heterogene Im Gegensatz zu den Vertretern des M.-tuberculosis-Komplexes Gruppe, bestehend und andere aus Mycobacterium avium sind die nichttuberkulösen Mykobakterien nicht auf einen Wirt und Mycobacterium intracellulare (Pneumonie, dissemi- angewiesen und kommen frei in der Umwelt vor. So wurden im nierter Verlauf bei Immunsuppression) Meerwasser z. B. Mycobacterium fortuitum, Mycobacterium ]] Mycobacterium ulcerans (Buruli-Ulcus in subtropischen chelonae, Mycobacterium marinum als auch Mycobacterium Gebieten) gordonae isoliert. Das häufigste im Trinkwasser nachgewiesene ]] Mycobacterium haemophilum (Haut-, Weichteil-, Kno- Mykobakterium ist M. gordonae, es wird im englischsprachigen chen- und Gelenkentzündungen bei Immunsuppression) Raum auch „tap water bacillus“ genannt. Des Weiteren kommen ]] Mycobacterium malmoense (pulmonale Infektionen) nichttuberkulöse Mykobakterien im Erdboden, bei Nutztieren ]] Mycobacterium xenopi (pulmonale Infektionen bei vorbe- wie Schweinen, Rindern und Schafen sowie Vögeln, in Eiern und stehenden Lungenerkrankungen), und andere Milch vor. Die gute Anpassung an die Umwelt bedingt gene- rell eine hohe Resistenz gegenüber Fremdeinflüssen sowie eine Schnell wachsende Mykobakterien (nach < 7 Tagen sichtbare gewisse natürliche Unempfindlichkeit gegenüber Antituberku- Kolonien auf Festmedium) lotika. Die Übertragung erfolgt durch Aerosole, Staubpartikel, aber auch über direkten Kontakt zu kontaminiertem Wasser 4. Gruppe: oder Erdböden. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch bei ]] Mycobacterium fortuitum (Haut- und Weichteilabszesse, immunkompetenten Personen wurde bisher nicht beschrieben. disseminierter Verlauf mit Hautbeteiligung bei Immun- Dies begründet auch, dass Mykobakteriosen, welche durch suppression) nichttuberkulöse Mykobakterien verursacht werden nicht IfSG- ]] Mycobacterium abscessus (häufig bei Patienten mit zys- meldepflichtig sind (2, 3). tischer Fibrose) ]] Mycobacterium chelonae (Haut- und Weichteilabszesse, Wenig später, nachdem Robert Koch 1882 Mycobacterium tu- disseminierter Verlauf mit Hautbeteiligung bei Immun- berculosis, den Erreger der menschlichen Tuberkulose, isoliert suppression), und andere hatte, erfolgte auch die Beschreibung der nichttuberkulösen Mykobakterien. Vor Einführung der antiretroviralen Therapie er- Nach dieser Einteilung können M.-tuberculosis-Komplex sowie langten die nichttuberkulösen Mykobakterien in der Mitte des M. leprae zur Gruppe III gerechnet werden. 20 Jahrhunderts besondere klinische Bedeutung, da HIV- In- fektionen häufig Komplikationen mit Erkrankungen des Myco- Für die phylogenetische Einteilung hat heute das Pigmentver- bacterium-avium-Komplexes (MAC) zeigten (2). Ernest Runyon halten keine Relevanz, hierfür spielen vielmehr molekularbio- stellte 1959 die erkrankungsassoziierten Mykobakterien in vier logische Methoden eine Rolle. Nichtsdestotrotz ist die Photo- Hauptgruppen zusammen. Er unterschied nach Wachstumsge- chromogenität entscheidend für die Beurteilung der Kulturen schwindigkeit und Pigmentbildung (20). auf den Festmedien (2, 3, 20). Epidemiologie Aufgrund der nicht erforderlichen Meldepflicht ergeben sich durch eine fehlende Surveillance keine Daten zu Prävalenz und Inzidenz der nichttuberkulösen Mykobakteriosen. Auch die Er- │7
hebung von mikrobiologischen Daten spiegelt kein reales Abbild Prädisponierende Faktoren der Klinik wieder, da nicht jeder Nachweis von nichttuberku- Nichttuberkulöse Mykobakterien sind opportunistische Pa- lösen Mykobakterien gleichbedeutend einer Infektion und Er- thogene und können Erkrankungen bei bestehender Immun- krankung ist. Nach Schönfeld et al. kommt der Unterscheidung schwäche auslösen. Diese kann lokal bei vorbestehenden nach Kontamination, Kolonisation, Infektion ohne Erkrankungs- Lungenerkrankungen (Tuberkulose, Zystische Fibrose, COPD, zeichen sowie Infektion mit Erkrankungszeichen eine besondere Bronchiektasien, Silikose) oder systemisch (HIV-Infektion, hä- Rolle zu (2). matologische Tumorerkrankungen, genetische Immundefekte oder immunsuppressive Medikamente) bedingt sein (2, 12). NTM-assoziierte Lungenerkrankungen sind mit 65 % bis 80 % die häufigsten durch nichttuberkulöse Mykobakterien aus- Weitere Risikofaktoren für nichttuberkulöse Lungenerkrankun- gelösten Erkrankungen. Die zervikofaciale Lymphadenitis im gen sind ein erhöhtes Lebensalter, das männliche Geschlecht, Kindesalter ist die zweithäufigste NTM-assoziierte Erkrankung Nikotin- und Alkoholabusus sowie das Bewohnen von Stadt- und betrifft Kinder unter 12 Jahren. Eine nationale Studie des und Küstenregionen. Das „Lady Windermere Syndrome“ tritt Robert Koch-Institutes im Zeitraum von 2003 bis 2005 zeigte meist bei postmenopausalen immunkompetenten Frauen ohne eine jährliche Inzidenz von 1,3/100.000 Kindern. Kinder unter Raucheranamnese sowie ohne prädisponierende bronchopul- 4 Jahren waren am häufigsten betroffen. Ein drittes Krankheits- monale und sonstige Erkrankungen auf. Kennzeichnend sind bild sind Hautinfektionen, welche vor allem durch M. marinum M.-avium-Komplex assoziierte Bronchiektasien im Lungenmit- ausgelöst und auch Aquariumgranulom oder Schwimmbadgra- tellappen mit geringfügig putridem Auswurf. Dieser war jedoch nulom genannt werden. Insgesamt steigt die Anzahl von NTM- bei diesen älteren Damen sozial nicht akzeptiert und daher oft assoziierten Erkrankungen vor allem in Regionen mit einer nied- in der Anamnese verschwiegen. Auch anatomische Faktoren wie rigen Prävalenz für Tuberkulose (2, 4, 6, 21). ein schlanker Habitus, Trichterbrust, Skoliose sowie ein Mitral- klappenprolaps begünstigen ebenso wie vorbestehende Lun- Immunsupprimierte Patienten mit weniger als 50 CD4+-T- generkrankungen mit eingeschränkter mukoziliärer Clearance Lymphozyten/µl Blut erkranken häufig an disseminierten In- die Besiedlung mit nichttuberkulösen Mykobakterien (2, 5, 11, fektionen mit nicht-tuberkulösen Mykobakterien. Circa 90 % 12). dieser Infektionen werden durch den M.-avium-Komplex (MAC) ausgelöst. Das Risiko ohne antiretrovirale Therapie sowie ohne Als besondere Risikofaktoren gelten medizinische Eingriffe so- Chemoprophylaxe an einer nichttuberkulösen Mykobakterienin- wie Verletzungen, welche durch Pediküre oder Tätowieren ent- fektion zu erkranken liegt bei einer Lymphozytenzahl < 100/µl stehen können. Infektionsquellen können auch der Kontakt zu bei über 10 % pro Jahr. Nach Einführung der antiretroviralen kontaminiertem Wasser (Schwimmbadgranulom) oder in tropi- Therapie 1995 ist die Anzahl der M.-avium-Komplex-Infektio- schen Regionen zu kontaminierten Böden (Buruli-Ulkus) sein. nen stark gesunken (15, 16). Eintrittspforten sind meist kleine Hautläsionen (2, 14). Epidemiologische Zusammenhänge zwischen Tuberkulose Geographische Besonderheiten von NTM-assoziierten und nichttuberkulösen Mykobakteriosen Lungenerkrankungen Seit 1998 wird die BCG-Impfung gegen Tuberkulose in Deutsch- 2008 untersuchte die NTM-Network European Trials Group über land aufgrund der günstigen epidemiologischen Situation (In- 20.000 Patienten mit NTM-assoziierter Lungenerkrankung in 30 fektionsrisiko für Tuberkulose in Population < 0,1%) von der Ländern von 6 Kontinenten. M.-avium-Komplex (MAC) war mit Ständigen Impfkommission (STIKO) nicht mehr empfohlen und 47 %, gefolgt von M. gordonae mit 11 % und M. xenopi mit entspricht somit den Empfehlungen der WHO. In verschiedenen 8 %, die am häufigsten identifizierte Spezies (8). europäischen Ländern wurde nach Beendigung der generellen BCG-Impfung ein Anstieg an NTM-Lymphadenitis bei nichtge- M.-avium-Komplex trat am häufigsten in Australien (71 %) und impften Kindern beobachtet. In Schweden zum Beispiel, wo die am seltensten in Südamerika auf (31 %). An zweiter Stelle in generelle BCG-Impfung 1975 beendet wurde, kam es zu einem Europa wurde M. gordonae isoliert, welcher auf anderen Kon- jährlichen Anstieg der NTM-Lymphadenitis bei nicht geimpften tinenten erst an dritter Stelle rangiert. M. xenopi ist in Europa Kindern (von 0,06/100.000 zu 5,7/100.000). Diese cross-Immu- und Ostkanada die dritthäufigste Spezies, während es in Ungarn nität kann ein Indiz für das Ansteigen der NTM-Lymphadenitis mit 49 % aller nichttuberkulösen Mykobakterien an der Lan- im Kindesalter sein (9, 10, 17). desspitze steht und in Asien, Australien sowie Südamerika nicht isoliert wurde. M. kansasii wurde am häufigsten in Südamerika, Die zur Verbesserung der Lebensbedingungen beitragenden Osteuropa und den Metropolen wie Paris, London und Tokio so- zentralisierten Wasserversorgungssysteme, welche pathogene wie einer Region mit vielen Minenarbeitern um Johannesburg Bakterien minimieren, sind oft kolonisiert mit nichttuberkulö- isoliert. Bei den schnellwachsenden Mykobakterien konnten sen Mykobakterien (Biofilmbildung in Rohrleitungen) und kön- M. abscessus und M. fortuitum vorrangig nachgewiesen werden nen ebenfalls zu einem Anstieg NTM-assoziierter Erkrankungen und zeigten weltweit ein Ost-West-Gefälle mit höchsten Fall- führen (9). zahlen in Ostasien (27 %) und den geringsten in Nordamerika (17,9 %) (8). Während im Jahr 1969 weniger als 20 nichttuberkulöse Myko- bakterienspezies bekannt waren, werden aktuell mehr als 190 In Nordeuropa konnte M.-avium-Komplex (MAC) mit 44 % verschiedene Spezies beschrieben. Das erhöhte Augenmerk und und in Südeuropa mit 31 % isoliert werden. Umgekehrt wur- die präzisere Taxonomie durch Einsatz der Molekularbiologie de M. xenopi mit 21 %, in Südeuropa und 6 % in Nordeuropa führen zu einem weiteren Anstieg der nun nachweisbaren NTM- nachgewiesen (8). Erkrankungen (9, 22). 8│
Diagnostik Die mikroskopische Bewertung erfolgt nach DIN 58943-32, wo- Bei der Diagnosestellung NTM-assoziierter Erkrankungen ist bei bei der Diagnostik auf Erreger des M.- tuberculosis-Komple- eine Zusammenschau aus klinischem Erscheinungsbild, gege- xes mindestens 300 Blickfelder durchgemustert werden, bevor benenfalls radiologischem Befund und mikrobiologischer Dia- ein Präparat als negativ beurteilt werden darf. gnostik wegweisend. Zum Ausschluss einer Kontamination ist bei nicht sterilen Proben wie Sputum der mehrfache Nachweis Kulturelle Nachweismethode von Mykobakterien des gleichen Erregers sowie bei sterilen Proben (Biopsiemateri- Als Goldstandard findet eine Kombination aus mindestens zwei alien, Punktate) der einfache Nachweis des Erregers gefordert. Festmedien und einem Flüssigmedium Verwendung. An der LUA Vor Sputumabgabe sollte auf vorheriges Zähneputzen und das Sachsen werden als Festmedien Ogawa und Stonebrink mit Ausspülen des Mundes mit Wasser verzichtet werden, um Kon- PACT (eine Antibiotikakombination aus Polymyxin B, Amphote- taminationen durch verunreinigtes Wasser (z. B. mit M. gordo- ricin B, Carbenicillin und Trimetoprim) verwendet, um eine Kon- nae) zu vermeiden (3, 7). tamination durch schneller wachsende Konkurrenzorganismen zu verhindern. Zusätzlich erfolgt eine Vorbehandlung des Unter- Der Tuberkulinhauttest kann bei Vorhandensein von nichttu- suchungsmaterials zur Abtötung der Begleitkeime, zur Homo- berkulösen Mykobakterien falsch-positiv ausfallen. Der Inter- genisierung und zur Anreicherung von Mykobakterien nach der ferongamma-Release-Assay (IGRA) zeigt ebenfalls für einzelne N-Acetyl-L-Cystein-NaOH-Methode (3, 7). nichttuberkulöse Mykobakterien falsch-positive Reaktionen, vor allem bei Infektionen mit M. kansasii, M. marinum und M. szul- Während das Stonebrink-Medium durch den Pyruvatzusatz das gai (2). Wachstum von M. bovis fördert und das Ogawa-Medium durch Glycerinanreicherung das Wachstum von M. tuberculosis be- Die LUA Sachsen führt die Diagnostik auf Erreger des M. tu- günstigt, stehen für die nichttuberkulösen Mykobakterien die berculosis-Komplex durch, die im Folgenden im Wesentlichen Bebrütungstemperaturen im Vordergrund. beschrieben wird. Im Rahmen dieser Untersuchungen können, sozusagen als Beiprodukte, auch NTM nachgewiesen werden. Mykobakterien, die bevorzugt bei niedrigen Temperaturen (um ca. 30 °C) wachsen, wie M. abscessus, M. chelonae, M. marinum Als diagnostischer Goldstandard gelten nach wie vor die Mi- und M. ulcerans, können vor allem aus Geweben der Körperperi- kroskopie und die kulturelle Anzucht. Die Identifizierung von pherie isoliert werden (2). Mykobakterien des M.-avium-Kom- Tuberkulosebakterien und deren Differenzierung erfolgt mit mo- plexes bevorzugen Temperaturen von 28 °C bis 38,5 °C (11). Bei lekularbiologischen Methoden (3, 7). höheren Temperaturen (42 °C) kann M. xenopi isoliert werden (1). Die Identifizierung von nichttuberkulösen Mykobakterien erfolgt an der LUA Sachsen bis auf Speziesebene. Für die Kultivierung im Flüssigmedium wird ein automatisier- tes System verwendet. Durch Fluoreszenzmessungen über Pho- Färbemethoden und Mikroskopie von Mykobakterien todetektoren wird die Abnahme der Sauerstoffkonzentration In der mikroskopischen Diagnostik macht man sich die Säure- ermittelt, welche der von den kultivierten Mikroorganismen festigkeit der Mykobakterien mit der Ziehl-Neelsen-Methode verbrauchten Sauerstoffmenge entspricht und somit deren sowie der Acridinorange- oder Auraminfärbung zu nutze. Die Wachstum nachweist. Das Wachstum kann somit 1 bis 2 Wo- Mykobakterien nehmen Karbolfuchsin (Ziehl-Neelsen-Färbung) chen früher erkannt werden als auf Festmedien (3, 7). beziehungsweise die Fluoreszenzfarbstoffe Acridinorange oder Auramin in der Zellwand auf und geben sie nach Entfärbung Die Bebrütung dauert (bei negativem Wachstum) 9 Wochen bei mit Salzsäurealkohol nicht mehr ab. Verwendet werden sowohl 36 ± 1 °C für Festmedien bzw. 6 Wochen bei 37 +1/-2 °C für in der Sicherheitswerkbank luftgetrocknete Direktpräparate als Flüssigmedien. auch Kulturpräparate, welche durch Hitze-Fixierung und Hitze- Inaktivierung behandelt wurden (Abbildung 1, Abbildung 2) Es erfolgt eine wöchentliche Ablesung der Festmedien. Bei (3, 7). Wachstum wird das morphologische Erscheinungsbild der Kul- Abbildung 1: Hellfeldmikroskopie säurefester Stäbchen (M. marinum, modifi- Abbildung 2: Fluoreszenzmikroskopie säurefester Stäbchen (M. avium, Acridi- zierte Ziehl-Neelsen-Färbung, Vergrößerung: 1000fach) norange-Färbung, Vergrößerung 400fach) │9
Abbildung 5: Spezies-spezifische Bandenmuster des verwendeten Streifenhy- AAbbildung 3: M. marinum auf AAbbildung 4: M. avium auf bridisierungstests. CC: Konjugatkontrolle, IC: interne Kontrolle, Ogawa-Medium nach Stonebrink-Medium GC: Genuskontrolle, 4-17: Spezies-spezifische Banden, Lichtexposition (nonchromogen) Spur 1. M. avium, (photochromogen) Spur 2: Negativkontrolle, Spur 3: Positivkontrolle (M. kansasii) turen beurteilt. Man unterscheidet nach Wuchsform eugon (trocken, rau) oder dysgon (glatt, feucht, glänzend), der Wachs- Der Test basiert auf der Analyse bestimmter Genabschnitte (z. B. tumsgeschwindigkeit in Tagen/ Wochen (schnell- und langsam- 23S rRNA-Gen) mittels PCR und der anschließenden Hybridisie- wachsende Mykobakterien), Pigmentbildung sowie dem Wachs- rung an Gensonden. Die PCR-Amplifikate binden an die auf Nit- tum bei unterschiedlichen Temperaturen und bevorzugten rozellulosestreifen immobilisierten Gensonden und zeigen somit Nährmedien (Abbildung 3, Abbildung 4) (3, 7). spezies-spezifische Bandenmuster. Die Beurteilung erfolgt an- hand der Interpretationstabelle des Testkits (Abbildung 5, Ab- Bei den verdächtigen Kolonien auf den Festmedien erfolgt nach bildung 6) (7). Ausschluss von Kontaminationen (Gramfärbung) anschließend die oben genannte Ziehl-Neelsen-Färbung. Mykobakterien prä- Die CC-Konjugatkontrolle ist der Nachweis für die korrekte Kon- sentieren sich im mikroskopischen Bild als säurefeste Stäbchen. jugatbindung und Substratreaktion und sollte immer entwickelt sein. Die GC-Genuskontrolle weist auf das Vorhandensein eines Zur weiteren Identifizierung und Differenzierung kommt mit Vertreters der Gattung der Mykobakterien hin. dem Streifenhybridisierungstest ein Nukleinsäureamplifikati- onstest zum Einsatz. Das verwendete Testsystem ermöglicht die Zur weiteren Differenzierung von nichttuberkulösen Mykobak- Identifizierung des M.-tuberculosis-Komplexes sowie die Diffe- terien und zur Qualitätssicherung werden auf je zwei Festme- renzierung folgender nichttuberkulöser Mykobakterien: M.-ab- dien (Ogawa- und Stonebrink-Medium) Subkulturen bei 25 °C-, scessus-Komplex, M. avium, M. chelonae, M.-fortuitum-Gruppe, 36 °C- und 42 °C-Bebrütungstemperatur angelegt und nach M. gordonae, M. interjectum, M. intracellulare, M. kansasii, M. Wachstumsgeschwindigkeit, Koloniemorphologie und Pigment- malmoense, M. marinum, M. scrofulaceum, M. szulgai, M. ulce- bildung beurteilt. rans, M. xenopi. Abbildung 6: Interpretationstabelle des verwendeten Streifenhybridisierungstests 10 │
Ein ähnliches Vorgehen erfolgt bei positiven Flüssigmedien, wel- die eine hohe Widerstandsfähigkeit sowie Säurefestigkeit be- che jedoch zunächst mittels Mikroskopie auf säurefeste Stäb- wirken (2, 7). chen überprüft und zum Ausschluss von Kontaminationen auf Blutagar ausgestrichen werden. Weitere Eigenschaften bedingen die Unempfindlichkeit gegen- über Antituberkulotika. Als eine Ursache für die Nichtempfind- Beim Nachweis von säurefesten Stäbchen im mikroskopischen lichkeit ist das Makrolidresistenzgen oder erm gene zu nennen, Präparat kommt ein TBc-Identifizierungstest zum Einsatz, der welches M. abscessus ssp. abscessus und spp. bolletii sowie auch als chromatographischer Immunoassay dem qualitativen Nach- M. fortuitum präsentieren. Zudem kann es unter Makrolidthera- weis von Erregern des M.-tuberculosis-Komplexes dient. Er pie zu einer Resistenzentwicklung von M.-avium-Komplex kom- weist eine mykobakterielle Proteinfraktion, das MPT64 nach. men. Aus diesem Grund muss die Makrolidtherapie um effektive Diese Antigene binden an im Teststreifen gebundene und zur Vi- Antituberkulotika erweitert werden, um die Selektion von Orga- sualisierung markierte Anti-MPT64-Antikörper und wandern im nismen mit einer 23S rRNA-Mutation zu vermeiden (13). Teststreifen zum Reaktionsbereich. Bei Vorliegen von Erregern des M.-tuberculosis-Komplexes und somit des MPT64-Antigens Aktuell gibt es für die Resistenztestung bei nichttuberkulösen erfolgt durch Binden an einen weiteren spezifischen Antikörper Mykobakterien keine Standardverfahren. Für die Resistenztes- eine Farbreaktion, welche als pink- oder rotfarbene Linie sicht- tung des M.-tuberculosis-Komplexes wird ein Flüssigkultursys- bar wird (3). tem unter Verwendung kritischer Konzentrationen genutzt. Bei Anwendung dieses Testverfahrens auf die nichttuberkulösen Bei Vorliegen einer Kontamination ist eine erneute Vorbehand- Mykobakterien sind zum Beispiel M. kansasii, Mycobacterium lung nach der N-Acetyl-L-Cystein-NaOH-Methode nötig (3, 7). malmoense resistent gegenüber Isoniazid. Diese wird als „low level – Resistenz“ beurteilt, sodass eine Kombinationstherapie Überblick Erregerspektrum LUA Sachen mit Isoniazid sowohl bei M. kansasii als auch M. malmoense Unter den nichttuberkulösen Mykobakterien war M. gordonae empfohlen wird (1,2). die an der LUA Sachsen in den Jahren 2016 bis 2018 am häu- figsten aus humanmedizinischen Untersuchungsproben iso- Therapie lierte Mykobakterienspezies (Abbildung 7). Aus der Gruppe der Vor Therapieplanung muss unterschieden werden zwischen Ko- schnellwachsenden Mykobakterien wurden M. chelonae, M.-ab- lonisation und behandlungsbedürftiger Erkrankung. Hierfür sind scessus-Komplex sowie die Vertreter der M.-fortuitum-Gruppe neben der mikrobiologischen Diagnostik die ausführliche Ana- nachgewiesen. Unter den Erregern des M.-avium-Komplexes mnese, körperliche Untersuchung sowie bei Verdacht auf eine waren auch seltene wie Mycobacterium chimaera und Myco- durch nichttuberkulöse Mykobakterien ausgelöste Lungener- bacterium mantenii. krankung eine radiologische Bildgebung indiziert. Die antimy- kobakterielle Therapie von nichttuberkulösen Mykobakterien er- Resistenzen fordert eine hohe Compliance des Patienten. Die Therapiedauer Bei nichttuberkulösen Mykobakterien korrelieren die in vitro ist oftmals langfristiger (bis zu 18 Monate) als die antituber- Sensibilitätstestungen oftmals nicht mit dem klinischen Anspre- kulöse Therapie und führt nicht selten zu unerwünschten Ne- chen auf Antituberkulotika. Die natürliche Unempfindlichkeit benwirkungen. Zum Einsatz kommen auch hier ausschließlich der ubiquitär in der Umwelt vorkommenden nichttuberkulösen Kombinationstherapien. Eine chirurgische Behandlung sollte Mykobakterien gegenüber externen Einflüssen ist bedingt durch immer dem kurativen Anspruch entsprechen. Beispiele hier- den typischen Zellwandaufbau, welcher weitestgehend dem für sind das Debridement von Haut- und Weichteilinfektionen grampositiver Bakterien entspricht. Für alle Mykobakterienspe- durch M. xenopi, M. fortuitum oder M. marinum, welche mit zies charakteristisch sind der hohe Lipidanteil und Mykolsäuren, einer medikamentösen Therapie kombiniert werden sollten. Bei 40 35 Anzahl Humanmed. Proben 30 25 Mycobacterium kansasii 20 Mycobacterium-avium-intracellulare- Komplex 15 Schnellwachsende NTM 10 Mycobacterium gordonae 5 weitere nichttuberkulöse Mykobakterien 0 2016 2017 2018 Abbildung 7: Überblick über die häufigsten NTM-Isolate aus humanmedizinischen Proben an der LUA Sachsen │11
der Therapie von immunsupprimierten Patienten sowie Patien- 17. RKI-Ratgeber Tuberkulose, Stand: 21.02.2013 ten mit strukturell pulmonalen Vorerkrankungen steht die The- 18. Erste Zulassung eines inhalativen Antibiotikums für die Be- rapie der Grunderkrankung im Vordergrund. Bei disseminierten handlung der NTM-Lungenerkrankung. Deutsches Zentrum Infektionen durch M.-avium-Komplex ist eine Makrolidtherapie für Lungenforschung, Stand: 03.04.2019 zu wählen, welche mit Ethambutol und gegebenenfalls Rifabu- 19. Guidelines for the Prevention and Treatment of Opportuni- tin kombiniert werden sollte (2, 15, 16, 19). stic Infections in Adults and Adolescents with HIV. https:// aidsinfo.nih.gov/guidelines on 1/10/2020 Eine neue Therapieoption von NTM-Lungenerkrankungen be- 20. Meißner, G. Kulturelle Artendifferenzierung. In: Mykobak- steht in der inhalativen Therapie von Amikacin. Da dieses in der terien und mykobakterielle Krankheiten, Fischer Verlag intravenösen Therapie von schweren Krankheitsbildern ototo- 1968, S. 149-237 xisch und nephrotoxisch wirkt, wurde es liposomal gebunden 21. Reuss, A.M. et al. Incidence rate of nontuberculous myco- und kann als Inhalativum eingesetzt werden. Eine Zulassung in bacterial disease in immunocompetent children a prospec- Deutschland wird 2020 erwartet (11, 18). tive nationwide surveillance study in Germany. Pediatric Infectious Disease Journal 2009; 28 (7): 642-644 Quellen 22. „www.bacterio.cict.fr/m/mycobacterium.html“, abgerufen 1. Bös, L. et al. Nichttuberkulöse Mykobakterien – eine kur- am 31.01.2020 ze Übersicht zur Epidemiologie, Diagnostik und Therapie. Pneumologie 2015; 69: 287-296 2. Schönfeld, N. et al. Empfehlungen zur Diagnostik und The- Bearbeiter: WBA Stefanie Wiegand LUA Dresden rapie nichttuberkulöser Mykobakteriosen des Deutschen DB Bernd Zimmermann LUA Dresden Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK) und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Be- atmungsmedizin (DGP). Pneumologie 2013; 67: 605-633 3. MIQ Qualitätsstandards in der mikrobiologisch-infektiolo- gischen Diagnostik. Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) 3. Auflage 05/2019 4. Altmeyer, P. Mykobakteriosen atypische (Übersicht), aktua- lisiert 06.11.2019 5. Chan, E.D; Iseman M.D. Slender, Older Women Appear to Be More Susceptible to Nontuberculous Mycobacterial Lung Disease. Gender Medicine 2010; 7 (1): 5-18 6. Kentrup, H. et al. Nichttuberkulöse Mykobakterien als Ur- sache zervikaler Lymphadenitiden im Kindesalter. Deut- sches Ärzteblatt 1997; 94 (38): A2416-A2419 7. Richter, E. Mykobakterien In: Neumeister, B. et al. Mikro- biologische Diagnostik. Thieme Verlag 2009, S. 398-418 8. Hoefsloot, W. The geographic diversity of nontuberculous mycobacteria isolated from pulmonary samples. Eur Respir J 2013; 42: 1604-1613 9. Brode, S.K. et al. The epidemiologic relationship between tuberculosis and nontuberculous mycobacterial disease: a systematic review. INT J TUBERC LUNG DIS 2014; 18(11): 1370-1377 10. Van Ingen, J.; Wagner, D. Epidemiology of nontuberculous mycobacterial disease in Germany and worldwide. Der Pneumologe 2011; 8(6): 396-403 11. Akram, S.M.; Attia F.N. Mycobacterium Avium Intracellula- re. NCBI Bookshelf Januar 2020 12. Sexton, P; Harrison, A.C. Review Susceptibility to nontu- berculous mycobacterial lung disease. Eur Respir J 2008; 31: 1322-1333 13. Griffith, D.E. An Introduction and Historical Perspective. In: Nontuberculouse Mycobacterial Disease. Springer Verlag 2018, S. 1-14 14. Franco-Paredes, C. et al. Cutaneous Mycobacterial Infec- tions. American Society for Microbiology 2019; 32 (1) 15. Herzmann, C.; Lange, G. Nicht-tuberkulöse Mykobakterio- sen bei HIV-Infektionen. Dtsch. Med. Wochenschrift 2010; 135 (23): 1192-1197 16. Deutsch-Österreichische Leitlinien zur Therapie und Pro- phylaxe opportunistischer Infektionen bei HIV-Infizierten erwachsenen Patienten. Version 2.0 vom 12.09.2014 12 │
Döner Kebab – Was steckt im Fladenbrot? Seit 1972 das erste Mal saftig gegrilltes Fleisch vom Spieß (Brät), verschiedenen Bindemitteln (Stärke, Cellulose) und unter mit Zwiebelringen, etwas Salat und Soße im Fladenbrot ser- Zusatz von Wasser und Zusatzstoffen hergestellt werden [2] [3]. viert wurde, zählt Döner Kebab zu den beliebtesten Fast-Food- Da diese Spieße sehr stark von der allgemeinen Verkehrsauf- Gerichten in Deutschland. Das Wort „Döner Kebab“ kommt fassung eines „Döner Kebab“ abweichen, handelt es sich um aus dem Türkischen und bedeutet sinngemäß „sich drehender Erzeugnisse eigener Art. Es muss eine beschreibende Bezeich- Braten“. Angeblich wurden die ersten Döner in Berlin verkauft nung gewählt werden, die es dem Verbraucher ermöglicht, die und eroberten von dort aus ganz Deutschland. In der „Berliner Art des Lebensmittels zu erkennen und es von verwechselbaren Verkehrsauffassung“, die auf ein Abkommen zwischen amtli- Erzeugnissen zu unterscheiden. Derartige Produkte dürfen nicht cher Überwachung und türkischen Kaufleuten zurückgeht, wur- als „Döner“ bezeichnet werden. de 1989 die Zusammensetzung von „Döner Kebab“ festgelegt. Diese Verkehrsauffassung wurde in die Leitsätze für Fleisch und Varianten Fleischerzeugnisse[1] des deutschen Lebensmittelbuchs über- Das am Spieß gebratene Fleisch gibt es in verschiedenen Ange- nommen und bildet die Grundlage für die Beurteilung durch die botsformen. Die beliebteste Variante ist Döner Kebab im Fladen- Lebensmittelüberwachung. brot mit Salat, Tomate, Gurke, Zwiebel, Weiß- und Rotkohl und wahlweise Knoblauch-, Kräuter- oder scharfer Sauce. Ein „Döner Zusammensetzung Teller“ wird meist mit Reis, Pommes frites oder Brot serviert. „Döner Kebab“ besteht nach den Leitsätzen für Fleisch und Flei- Eine weitere Variante des Döner Kebab ist der „Dürüm-Döner“. scherzeugnisse aus dünnen, auf einen Drehspieß aufgesteckten Dürüm ist eine wrap-ähnliche Rolle aus Yufka-Fladenbrot mit Fleischscheiben vom Schaf und/oder Rind. In Deutschland ent- einer Fleisch-Gemüse-Füllung [4]. Bei einer „Döner-Box“ oder hält Döner Kebab neben schierem Fleisch oft auch Hackfleisch. „Döner-Tüte“ wird das Fleisch mit Pommes frites zusammen mit Ein Hackfleischanteil von höchstens 60 % ist zulässig. Neben Salat, Tomate und Zwiebel in eine Pappschachtel oder Tüte ge- Salz, Gewürzen, Eiern, Zwiebeln, Öl, Milch und Joghurt enthält schichtet und mit Sauce getränkt und mit der Gabel gegessen Döner Kebab keine weiteren Zutaten. Sehr beliebt sind auch [4]. Da vegetarische und vegane Lebensmittel im Trend liegen, Spieße aus Hühner- und/oder Putenfleisch. Bei „Geflügeldöner“ werden auch „Veggie-Döner“ oder vegetarische Döner z. B. mit darf kein wie Hackfleisch zerkleinertes Fleisch eingesetzt wer- Falafel angeboten. Ob derartige Erzeugnisse aber als Döner be- den und der mitverarbeitete Geflügelhautanteil beträgt maxi- zeichnet werden dürfen, ist fraglich [5]. mal 18 %. Die Verwendung von Schweinefleisch zur Herstellung einer dem Untersuchungsergebnisse islamischen Kulturkreis zuzurechnenden Spezialität verbietet Im Jahr 2019 wurden 30 verzehrfertig zubereitete Proben mit sich von selbst, weshalb Döner Kebab durch Schweinefleisch- der Bezeichnung „Döner“ untersucht. Dabei handelte es sich zusatz zu einem „Aliud“ (lateinisch: alius; etwas anderes) wird um gegrilltes, in dünne Scheiben geschnittenes Fleisch mit ver- und eine andere Bezeichnung tragen muss. Für Drehspieße aus schiedenem Gemüse und Sauce, meistens im Fladenbrot. Bei 13 Schweinefleisch gibt es die Bezeichnung „Gyros“, eine aus Grie- Proben wurde das „Dönerfleisch“ durch molekularbiologische chenland stammende Spezialität. Untersuchungen mittels real-time PCR auf die verwendeten Fleischarten untersucht. Nur drei dieser „Döner“ entsprachen Für „Drehspieße“ gibt es keine festgeschriebene Verkehrsauffas- den Anforderungen der Leitsätze und waren ausschließlich aus sung und somit auch keine rechtlich vorgeschriebene oder ver- Rindfleisch hergestellt. Bei 10 Proben wurde neben Rind- auch kehrsübliche Bezeichnung. Bei diesen Erzeugnissen handelt es Putenfleisch festgestellt. Da in diesen Fällen der Anteil an Pu- sich meistens um reine Hackfleischspieße, die unter Verwendung tenfleisch nicht kenntlich gemacht war, wurde die Bezeichnung von Rind-, Kalb- oder Putenfleisch, fein zerkleinertem Fleisch „Döner“ als irreführend beurteilt. Abbildung 2: Kennzeichnung eines Hackfleischdrehspießes Abbildung 1: Döner Kebab (Quelle: LUA Sachsen) (Quelle: LUA Sachsen) │13
Abbildungen 3 und 4: Auszug einer Speisekarte (Quelle: LUA Sachsen) Einige Proben wurden mit der Kennzeichnung beziehungsweise Phosphat im Döner dem Etikett des verwendeten Spießes eingesandt. Hinsichtlich Im Dezember 2017 wurde im EU-Parlament über die Zulas- der Bezeichnung und der verwendeten Zutaten handelte es sich sung von Phosphatzusätzen im Dönerfleisch abgestimmt. Der hier in den meisten Fällen um „Hackfleischdrehspieße“ oder Hintergrund: Es gab bislang keine rechtssichere Zulassung auch „Drehspieße nach Döner Kebab Art gewürzt“. Abweichun- für den Phosphateinsatz bei tiefgefrorenen Dönerspießen. gen, wie z. B. die Verwendung von Fleisch anderer Tierarten, Im Ergebnis dieser Abstimmung ist gemäß Anhang II Teil Bindemittel, Pflanzeneiweiß oder die Verwendung von fein zer- E Nr. 08.2 der VO (EU) Nr. 1333/2008 die Verwendung von kleinertem, brühwurstartigem Brät waren in der Kennzeichnung Phosphaten unter Beachtung der Höchstmengenbegrenzung des Spießes angegeben. Eine Weitergabe dieser Informationen offiziell erlaubt in „tiefgefrorenen vertikalen Fleischdreh- an den Endverbraucher fand jedoch häufig nicht statt. Da Er- spießen aus mit Flüssigwürze behandeltem Schaf-, Lamm-, zeugnisse aus diesen Spießen als „Döner“ verkauft wurden, liegt Kalb- und/oder Rindfleisch oder aus mit oder ohne Flüssig- eine Irreführung des Verbrauchers vor. würze behandeltem Geflügelfleisch, das jeweils allein und/ oder kombiniert sowie in Scheiben und/oder zerkleinert ver- Beim Verkauf von loser Ware in Imbisseinrichtungen oder Gast- wendet wird und dazu bestimmt ist, von einem Lebensmittel- stätten muss die Kennzeichnung von Zusatzstoffen nach den unternehmer gegrillt und anschließend vom Endverbraucher Vorgaben der Zusatzstoffzulassungsverordnung erfolgen. Die verzehrt zu werden“. Angaben z. B. „mit Konservierungsstoffen“, „mit Geschmacks- Ohne Phosphate funktioniert ein Fleischdrehspieß nicht. Der verstärker“ oder „mit Phosphat“ können in Aushängen, Spei- Zusatz ist notwendig, damit das Fleisch nicht zusammensackt sekarten oder Flyer deutlich sichtbar für den Verbraucher an- und beim Grillen auseinanderfällt; der Fleischspieß trocknet gegeben werden. Bei zwei Imbisseinrichtungen erfolgte keine nicht aus und gart gleichmäßig. Kennzeichnung der verwendeten Geschmacksverstärker. Weite- re Details bezüglich des Zusatzes von Phosphat entnehmen Sie bitte dem grau markierten Kasten. Seit dem Inkrafttreten der Lebensmittelinformationsverordnung Literatur – LMIV müssen bei der Abgabe von loser Ware Allergene ge- [1] Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse Neufassung kennzeichnet werden. Bei sechs der untersuchten „Döner“-Pro- vom 25.11.2015 (BAnz AT 23.12.2015 B4, GMBl. Nr. 69- ben fehlte die Allergenkennzeichnung oder sie war nicht korrekt 70, S. 1357 vom 29.12.2015) angegeben. Dies betraf hauptsächlich das Fladenbrot. Hier muss [2] Ist Döner Kebab drin, wo Döner Kebab draufsteht? (https:// die Getreideart namentlich benannt werden (z. B. Weizen) – nur www.laves.niedersachsen.de), abgerufen am 20.01.2020 die Angabe „glutenhaltiges Getreide“ reicht nicht aus. Oftmals [3] Zusatzstoffe und Zusammensetzung von Drehspießen und ist das Fladenbrot mit Sesam bestreut. In einigen Fällen fehlte Döner Kebab(p) – Untersuchungsergebnisse 2015 (https:// die Allergenkennzeichnung des Sesams. www.lgl.bayern.de), abgerufen am 22.01.2020 [4] https://www.wikipedia.org, abgerufen am 28.01.2020 Alle eingesandten Proben dieser Produktgruppe wurden auch [5] Prof. Dr. Goetz Hildebrand „Nichts dreht sich am Veggie- mikrobiologisch untersucht. Erfreulicherweise wurde bei keiner Döner“, FleischWirtschaft 1/2014 „Döner“-Probe eine erhöhte Keimbelastung festgestellt. Fazit Auf Grund der hohen Beanstandungsquote von mehr als 30% Bearbeiter: DLC Karla Mehwitz LUA Chemnitz werden wir auch weiterhin einen kritischen Blick auf das belieb- te Fast-Food-Gericht „Döner Kebab“ werfen. 14 │
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