Metallzeitung - IG Metall Riesa
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01_mz_04_2021_Bezirk_data.qxp_01_Titel_Bezirk 18.03.21 20:05 Seite 1 metallzeitung M i t g l i e d e r z e i t u n g d e r I G M e t a l l | J a h r g a n g 7 03 | AF epbr irlu 2a 0 r 2210 1| 8D |4D7 1437 1 3 metallzeitung.de IG METALL-TARIFBEWEGUNG 2021 Kämpfen für die Zukunft E-MOBILITÄT Heidelberger Druck- URLAUB PLANEN Was Metalle- BEZIRK maschinen erweitert Produktpalette und rinnen und Metaller, die in Kurzarbeit fertigt Ladeboxen für E-Autos. U Seite 20 sind, jetzt wissen müssen. U Seite 22
02_03_mz_04_2021_data.qxp_02_03_Inhaltsverz_Leserbriefe_Editorial 18.03.21 18:17 Seite 2 2 metallzeitung | April 2021 INHALTSVERZEICHNIS Foto: Heidelberger Druckmaschinen 4 Stärker in die Zukunft dank Tarif Kein Rauch ohne Flamme: Die IG Metall Jugend kämpft für ihre Themen. Foto: Martin Leissl 6 Solidarität ist Zukunft Unter diesem Motto ruft der DGB die Mitglieder der Gewerkschaften zum 1. Mai auf. 7 Radikal demokratisch denken Psychologe Oliver Decker erklärt die Wirkung von Verschwörungsmythen. 8 IG Metall vom Betrieb aus denken Veränderungspro- Rappen für Conti Masken E-Mobilität 170 Jahre alt motoren und -promotorinnen stellen ihre Projekte vor. auf, Mikrofone an: Die fünf und beweglich wie ein Start- von der ContraContiCrew up: Heidelberger Druckma- erzählen uns vom Kampf schinen erweitert sein Portfo- TITEL Hundertausende Metallerinnen gegen die Streichpläne bei lio und baut Ladeboxen für Conti in Karben. U Seite 16 U Seite 20 10 und Metaller kämpfen jetzt E-Autos. für die Zukunft Die Warnstreikaktionen in der Metall- und Elektroindustrie zeigen: Arbeitskampf geht trotz Corona. Wir haben drei Aktionen in Siegen, Leipzig und Rheinböllen begleitet. Sie stehen beispielhaft für das, was den Beschäftigten auf den Nägeln brennt, worum es in der Tarifbewe- gung geht und wofür es sich zu kämpfen lohnt. Titelfoto: Christian v. Polentz/transitfoto.de LESERBRIEFE Keine Vorbilder | metallzeitung 3/2021 »Der Kampf um Gleichberechtigung« 16 »Da läuft was mächtig schief« Mit einem Musikvideo wehrt sich die ContraContiCrew gegen die Streichpläne Für mich sind die Frauen auf dem Bild keine Vorbilder. des Conti-Managements in Karben. Seine Kinder vor einem Plakat, das diese diskreditiert, zu präsentieren, zeugt von Gefühlskälte und mangeln- 18 Betriebsräte sind systemrelevant Auch während der dem Verantwortungsbewusstsein. Wurden diese Frauen Pandemie beweisen IG Metall-Betriebsräte: Die Beschäf- etwa gezwungen zu heiraten und eine Familie zu grün- tigten können sich auf sie verlassen. den? Es wäre sinnvoller gewesen, ein Plakat mit der For- 20 Heidelberger Druckbetankung Transformation live: derung nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu Die Beschäftigten von Heidelberger Druckmaschinen präsentieren. Dies ist auch heute noch ein großes Pro- können auch Ladeboxen für E-Autos. blem, das sich wegen der Coronamaßnahmen gerade für viele Frauen extrem verstärkt hat. 22 Urlaubsplanung in der Kurzarbeit Was Beschäftigte Barbara Rodday, per E-Mail jetzt bei der Urlaubsplanung beachten müssen. 23 Pauschbetrag bei Behinderung Bundesfinanzmini- sterium äußert sich zum Nachweis der Behinderung. Ein Skandal! | metallzeitung 2/2021 »Wenn Pflege arm macht« 24 Was jobbende Studis jetzt wissen müssen Werk- studentenprivileg, Einkommensgrenzen für die Familien- Für den Artikel möchte ich Euch ein großes Lob aus- versicherung: Ein Ratgeber erklärt, was unter Corona gilt. sprechen! Das Beispiel von Helmut und Marita Adler ist besonders schwer und macht damit die Dramatik auch 26 Junge Leute in der Region halten Auszubildende sehr gut sichtbar. Die Pflegeversicherung übernimmt und dual Studierende von Siemens Energy in Görlitz nur einen unzureichenden Teil der Kosten und der kämpfen für den Erhalt ihrer Ausbildungswerkstätte. Betrag ist seit Einführung der Pflegeversicherung kaum erhöht worden. Wie in der Grafik dargestellt, sind die anderen Kostenbestandteile neben dem Eigenanteil zur 28 Aus den Bezirken Pflege ebenfalls enorm und von Klein-, Normalverdie- 30 Lokales/Karikatur nern und Rentnern nicht zu stemmen. Der angesprochene Deckel von Minister Spahn ist 31 Rätsel/Impressum absolut unzureichend, denn an den weiter enorm stei- genden Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investi- tionskosten ändert der nichts. Meine Mutter wohnt in einem Pflegeheim in Leipzig mit einem absoluten Eigen- Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 17. März 2021 beitrag von rund 1600 im Monat im Jahr 2021. Das liegt
02_03_mz_04_2021_data.qxp_02_03_Inhaltsverz_Leserbriefe_Editorial 18.03.21 18:17 Seite 3 April 2021 | metallzeitung 3 EDITORIAL Foto: francescoridolfi/iStock Foto: Nikolai Schmidt Urlaubsplanung Viele Ausbildung Immer mehr Arbeitnehmer müssen jetzt Betriebe bilden nicht mehr Foto: Frank Rumpenhorst ihren Urlaub für 2021 bean- aus. Auszubildende und dual tragen. Aber was ist bei der Studierende in Görlitz kämp- Urlaubsplanung in Kurzarbeit fen für den Erhalt der Ausbil- zu beachten? U Seite 22 dungswerkstätte. U Seite 26 Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall Trotz Abstand zusammenstehen deutlich über ihrer Rente plus Witwenrente. Hier erschreckt besonders die starke Kostensteigerung in den Während ich dieses Editorial schreibe, ist ungewiss, ob bis letzten zwei Jahren: in Summe von 2019 bis heute circa zum Erscheinen der metallzeitung ein Ergebnis in den lau- plus 56 Prozent. Das liegt jenseits jeder Teuerungsrate fenden Tarifrunden erzielt wurde. und ist auch nicht überzeugend mit dem Hinweis auf Gewiss ist dagegen schon heute, dass sich an den Warn- nötige und gerechtfertigte Lohnerhöhungen der Mitar- streiks Hunderttausende Beschäftigte trotz Pandemie mit beiter zu erklären. Niemand der Beschäftigten bekommt Abstand und Maske oder digital beteiligt haben. Metallerin- Lohnerhöhungen im zweistelligen Prozentbereich. nen und Metaller haben in Auto- oder Fahrradkorsos, als Dass die Pflegekassen und Sozialhilfeträger das Glied in einer Menschenkette oder aus dem Homeoffice genehmigt haben, hilft in der Praxis keinem Betroffe- heraus, aber stets kämpferisch und kreativ vollen Einsatz nen. Und die Pflegekassen zahlen von den Kostensteige- gezeigt. rungen keinen müden Cent. Die Betroffenen aber wer- Sie taten es für die drei Forderungen, für die sich auch den gar nicht gefragt! Ein Skandal! Die Forderung nach die große Mehrheit der Teilnehmenden an unserer Beschäf- einer Vollversicherung unterstütze ich voll und ganz! tigtenbefragung ausgesprochen hat: Beschäftigung sichern, Die Bürgerversicherung wäre auch der richtige Weg. Zukunft gestalten, Einkommen stabilisieren. Stefan Bergmann, Leipzig In dieser beeindruckenden Geschlossenheit zeigt sich einmal mehr die wahre Stärke der großen Solidargemein- schaft IG Metall. Dieses Engagement ist umso beachtlicher, GEWONNEN da doch große Unsicherheit angesichts der Infektionssitua- tion und der unübersichtlichen Coronaregeln in Bund, Län- Lösungswort März-Rätsel: »Luftfahrt« dern und Kommunen sowie der Impfstrategie vorherrscht. 1. Preis: Sönke Christophersen, Flensburg Wir haben auf allen Veranstaltungen dafür gesorgt, 2. Preis: Diana Nebert, Muhr dass es sicher zuging, die Hygieneregeln und Auflagen ein- 3. Preis: Sina Traub, Aalen gehalten wurden. Trotz der Einschränkungen haben wir unser Grundrecht auf Protest und Warnstreik wahrgenom- Verlosung »Beste Bilder« men. Wir haben unsere demokratischen Rechte ausgeübt, Je ein Exemplar des Cartoons geht an: uns nicht einschüchtern lassen. Trotz Abstand zusammen- Birgit Kißing, Hagen; Ferran Cornella, Berlin; stehen – das war und ist eine wertvolle Erfahrung der Soli- Hennadiy Netuzhylov, Braunschweig; Kerstin Jansen, darität für uns alle. Rheine; Kornelia Wrzesniok, Dietzenbach; Marcus Fischer, Nordenham; Michal Stoinski, Schnaittenbach; Monika Schneider, Ruppichteroth; Simon Hame, Kreuzwertheim; Tanja Neuf, Neuhütten
04_05_mz_04_2021_data.qxp_04_05_Bild/Infografik_des_Monats 18.03.21 19:40 Seite 4 4 metallzeitung | April 2021 Stärker in die Zukunft dank Tarif JUGEND Mit viel rotem Rauch macht die IG Metall Jugend auf ihre Forderungen aufmerksam. Von Jacqueline Sternheimer Gesehen und gehört werden – das hat die IG Metall Jugend bei ihrer Warnstreikaktion Anfang März in Gelsenkirchen unter dem Motto »Ohne Wenn und Aber« gefordert. »Wir kämpfen für unsere Zukunft. Für eine sichere und eine solidarische Zukunft. Gegen eine Generation Corona. Wir als IG Metall Jugend wollen gesehen und gehört werden«, sagte Cosima Steltner, Jugendvertreterin der Thyssen- Krupp AG Essen, auf der Bühne in einem umgebau- ten Autokino. Auf ihr Kommando zündeten 40 Aus- zubildende und dual Studierende Bengalos, begleitet von lautstarkem Hupen. Die Aktion vor dem Amphitheater in Gelsenkir- chen war eine von mehr als 500 mit insgesamt knapp 230 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die die Beschäftigten mit der IG Metall allein in der ersten Woche nach Ende der Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie auf die Beine gestellt haben. Doch nicht nur Beschäftigte aus der Metall- und der Elektroindustrie beteiligten sich, auch Metallerinnen und Metaller aus den anderen Branchen solidarisier- ten sich. So auch bei der Aktion in Gelsenkirchen. Die Beschäftigungssicherung steht in der Tarif- bewegung 2021 der IG Metall im Vordergrund, als Reaktion auf die Coronakrise. Ebenso fordern die Beschäftigten vier Prozent mehr Entgeltvolumen. Sichere Arbeitsplätze gibt es nur mit Zukunftstarif- verträgen, die im Zuge der Transformation dafür sor- gen, dass die Arbeitsplätze auch in fünf Jahren noch da sind. Außerdem macht sich die IG Metall dafür stark, dass die Ausbildungsplätze erhalten werden, die Qualität der Ausbildung noch verbessert wird und die mittlerweile über 110 000 dual Studierenden in den Betrieben endlich in die Tarifverträge aufge- nommen werden. Auch das ist Investition in die Zukunft. »Die Jugend darf nicht aus dem Blickfeld gera- ten«, sagt auch Mohamed Al Kadi, Jugendsekretär der IG Metall in Gelsenkirchen. »Wir wollen mit unserer Aktion allen zeigen, dass wir da sind und dass wir für unsere Forderungen kämpfen werden. Ob mit Corona oder ohne.« Aktuelle Nachrichten zu Warnstreikaktionen der Tarifrunde findet Ihr hier: igmetall.de/newsticker
04_05_mz_04_2021_data.qxp_04_05_Bild/Infografik_des_Monats 18.03.21 19:40 Seite 5 April 2021 | metallzeitung 5 Foto: Thomas Range
06_07_mz_04_2021_data.qxp_06_07_Vermischtes_Layout_2 18.03.21 17:22 Seite 6 6 metallzeitung | April 2021 Innovation Rettungsdecke schützt Das Plakat zum Tag der Arbeit bei Selbstentzündung Das Motiv ist in diesem Jahr etwas Besonderes: Für 2021 hat E-AUTO Akkus von E-Autos können sich eine Gruppe von Studieren- noch zwei Tage nach Unfällen erneut den der Universität der Künste in DGB Bundesvorstand, V.i.S.d.P. Reiner Hoffmann, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin • Gestaltung: Niklas Apfel, UdK Berlin, Klasse Prof. Fons Hickmann in Brand geraten. Ein Produkt des Textil- Berlin mit dem DGB und dem unternehmens Ibena löscht trocken. 1. Mai beschäftigt. Das Gewinner- motiv hat der junge Künstler Niklas Apfel entworfen hat. Er Die Batterie eines Elektroautos will damit ermutigen, bewegen, kann sich nach einer Beschädi- mobilisieren und zum Schmun- gung noch bis zu zwei Tage nach zeln bringen und ist überzeugt: »Gemeinsam sind wir stärker.« Foto: DGB dem Unfall erneut selbst entzün- den. Feuerwehrleute müssen das dgb.de/erstermai Fahrzeug entweder 48 Stunden lang beobachten oder es in einen Container mit Löschwasser ver- MAIDEMO FÜR SOLIDARITÄT Solidarisches Handeln in der Arbeits- senken. Am Auto entsteht da- welt ist zentraler Bestandteil der gewerkschaftlichen Identität. durch Totalschaden. In dem tarifgebundenen Tex- »Solidarität ist Zukunft«: Unter diesem Motto ruft der DGB die Mitglieder tilunternehmen Ibena in Bocholt der Gewerkschaften in diesem Jahr zum 1. Mai auf. Der Tag der Arbeit steht haben Ingenieure eine Alternative auch 2021 im Zeichen der Coronapandemie. Neben Aktionen vor Ort wird entwickelt: eine Hülle aus mehrla- der DGB wieder einen Livestream zum 1. Mai senden. Denn eines ist in die- gigem Gewebe, mit der das Fahr- sen Zeiten wichtiger denn je: zu zeigen, dass die Gewerkschaften für die zeug eingepackt und ein erneuter Menschen in diesem Land aktiv sind. Brand erstickt wird. Das extrem In Deutschland wollen die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter feste Material verhindert, dass bei dort, wo es unter Einhaltung der Hygieneauflagen möglich ist, auf den einer Explosion oder Verpuffung Plätzen ein Netz der Solidarität spannen, weil Solidarität die Zukunft ist. brennende Teile umherfliegen und Menschen verletzen. Feuer- WER WO SPRICHT Vorbehaltlich der Coronabestimmungen spricht der wehren interessieren sich für die Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, bei der Kundgebung in Rettungsdecke, da sie damit München. Die Zweite Vorsitzende, Christiane Benner, redet in Wolfsburg. Unfallfahrzeuge bergen können. Hauptkassierer Jürgen Kerner spricht in Erlangen, Wolfgang Lemb in Saar- Aber auch in Parkhäusern und brücken, Ralf Kutzner in Oberhausen, Irene Schulz in Friedrichshafen und Kfz-Werkstätten kommt die Ibena- Hans-Jürgen Urban in Ulm. Mehr Informationen zu den Maidemos unter: Entwicklung zum Einsatz. igmetall.de/erster-mai Foto: Ibena Menschenrechte achten KAMPF FÜR FAIRE LIEFERKETTEN GEHT WEITER Das geplante Lieferkettengesetz ist ein wichtiger nächster Schritt für men- schenwürdige und faire Arbeitsbedingungen entlang globaler Wertschöp- fungsketten. Es verpflichtet deutsche Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte in den Betrieben ihrer Lieferkette. Bei Verstößen drohen Feuerwehrleute wickeln ein Elektro- Bußgelder und der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen. Das auto in eine Löschdecke ein. Das Gesetz soll ab 2023 zunächst für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäf- schützt bei einer Selbstentzündung tigten gelten, ab 2024 dann für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftig- des Fahrzeugs nach einem Unfall. Die ten. Die IG Metall fordert, dass eine zivilrechtliche Haftung verankert wird Entwicklung von Ibena kommt auch in und gewerkschaftsfeindliche Aktionen kompromisslos geahndet werden. Autowerkstätten zum Einsatz. igmetall.de/international
06_07_mz_04_2021_data.qxp_06_07_Vermischtes_Layout_2 18.03.21 17:22 Seite 7 April 2021 | metallzeitung 7 Foto: privat 3 Fragen an Oliver IG Metall lädt ein Decker HANNOVER MESSE Metallerinnen und Metaller erhalten kostenlosen Zugang zur virtuellen Industriemesse. Radikal demokratisch denken VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN Sozialpsychologe ITIO N Oliver Decker erklärt die Wirkung von Verschwörungs- DIGITAL ED Vom 12. bis 16. April 2021 fin- RIL 2021 ION 12 – 16 AP I N NOVART ATION mythen auf die Psyche – und fordert mehr Demokratie det die Hannover Messe statt in den Betrieben. I N SPI IO N – erstmals in digitaler Form. T I N T E R AC In diesem Jahr lautet das Leit- und Netwo rking- Wissens- die Logisti k. führende Was macht Verschwörungsmythen so attraktiv? HANNOV ER MESSE für die Digital Edi pro duz thema »Industrial Transfor- tion ist die ierende Ind ustrie, die Energiewir tschaft und Plattform OLIVER DECKER: Wer an sie glaubt, hat das e #H M21 hannoverm esse.d mation«. Dort präsentieren Gefühl, Kontrolle zurückzugewinnen. Die die Vordenker der Industrie ied erhälts t Du tall-Mitgl Als IG Me et. Registr iere Fronten klären sich: Es gibt dann eine gute ein kosten dich bitte unt er ihre Technologien und Ideen loses Tick dem Link de. in dem ten QR-Co abgebilde und eine böse Seite – und man selbst stellt für die Fabriken, Energiesys- sich auf die gute. Die Unsicherheit fällt weg. teme und Lieferketten der Das kann sehr erleichternd sein. Zukunft. Auch die IG Metall betei- Was ist daran problematisch? ligt sich mit eigenen Veran- Foto: Hannover Messe DECKER: Der Verschwörungsglaube erklärt staltungen am interaktiven Dinge, die man nicht versteht, mit Verweis auf Konferenzprogramm. So fin- HOME OF INDUS TRIAL PIONEE RS bestimmte Personen, die angeblich im Hinter- det am 13. April von 13 bis 14 grund die Fäden ziehen. In einer Demokratie Uhr der Livestream »Rüttelt sind aber an jeder Entscheidung ganz unter- Tesla an den Grundfesten des deutschen Industriemodells?« statt. schiedliche Personen und Gruppen beteiligt. Nach einem kurzen Vortrag von Professor Dr. Andreas Boes vom Verschwörungsmythen blenden das aus. Klar Institut für sozialwissenschaftliche Forschung in München disku- ist aber auch: Vielerorts fehlt es an Beteiligung. tieren unter anderem Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, und Bernd Osterloh, Gesamt- Was tun? betriebsratsvorsitzender bei Volkswagen, über Herausforderun- DECKER: Zum Beispiel die Mitbestimmung aus- gen und Ausblicke in die Produktion und Mobilität der Zukunft. bauen. Wer im Betrieb die Erfahrung macht, In diesem Jahr könnt Ihr nur digital an der Messe teilnehmen. sich beteiligen zu können, verfällt seltener in Deshalb müsst Ihr Euch erst über einen Registrierungslink anmel- Verschwörungsgläubigkeit und Vorurteile. den. Diesen findet Ihr auf dem obigen Plakat in dem QR-Code. Mehr zum Programm findet Ihr hier: Das komplette Interview gibt es hier: igmetall.de igmetall.de U Suchbegriff: Decker U Suchbegriff: Hannover Messe B I G G I S TA H L Cartoon: Stephan Rürup
08_09_mz_04_2021_data.qxp_08_09_Interview_Meldungsspalte 18.03.21 19:44 Seite 8 8 metallzeitung | April 2021 IG METALL VOM BETRIEB AUS DENKEN Leuchten, die Daten transportieren TRANSFORMATION Im Interview spricht Erich Bullmann über Die Transformation verändert unser Arbeitsleben, unsere seine Arbeit als Veränderungspromotor beim Leuchtenhersteller Wirtschaft, unsere Gesellschaft grundlegend. Deshalb und um auch in Zukunft stark zu bleiben, muss sich auch die Trilux. Antje Raczkowiak, Yonas Yemane und Veronika Bachmaier IG Metall verändern. Was hat Dich bewogen, Verände- berichten auf Seite 9 von ihren Projekten und davon, wie sie die rungspromotor zu werden? IG Metall vom Betrieb aus denken. | Von Jan Chaberny Bullmann: Es war pure Neugierde. Ich habe den Titel gelesen und mich gefragt: Was hat das zu bedeuten? Dann habe ich Erich, hat die Transformation auch Eure Branche erfasst? mich mit meiner Geschäftsstelle, der Geschäftststelle Arnsberg, Erich Bullmann: Ja, wir stecken mitten im Wandel. Trilux ist spe- zusammengefunkt. Danach wusste ich: Ich will mit dabei sein. zialisiert auf technische Leuchten. Hier am Standort in Arnsberg produzieren wir Industrieleuchten, Leuchten für Schulen und Als Veränderungspromotor treibst Du ein eigenes, betrieb- Büros. Als ich 1990 angefangen habe, war eine Leuchte nicht viel liches Projekt voran. mehr als ein Blechkasten mit einer Leuchtstoffröhre. Die Beschäf- Bullmann: Ja. Ich möchte die Vertrauensleutearbeit bei uns im tigten haben hier im Grunde Blech bearbeitet. Spätestens mit der Betrieb stärken. Das ist elementar wichtig. Wir wollen den Kol- Einführung von LED-Leuchten hat sich das geändert. leginnen und Kollegen zeigen: Die IG Metall, das ist nicht der Vorstand in Frankfurt. Die IG Metall, das sind in erster Linie Inwiefern? ihre Mitglieder. Und das sind Kolleginnen und Kollegen im Bullmann: Um LED-Leuchten herzustellen, braucht man andere Betrieb. Menschen, die ich ansprechen kann, die greifbar sind. Fähigkeiten und Qualifikationen. Gefragt sind nicht mehr so sehr mechanische Kenntnisse, wichtig ist vor allem elektroni- Als Veränderungspromotor wirst Du, werdet Ihr von den sches Verständnis. Bei unseren neuen Leuchten geht es um Bildungszentren der IG Metall begleitet und unterstützt. Lichtsteuerung, um Datentransport. Da braucht man IT- und Bullmann: Ja, in den sogenannten Zukunftsreihen. Die bestehen Softwarekenntnisse, digitale Kompetenz. Unsere Arbeit wan- aus einzelnen Modulen. Theorieblöcke in Seminaren und Pra- delt sich. Das komplette Arbeitsleben wandelt sich. xisphasen im Betrieb wechseln sich ab. Das ist genial, weil es einem ermöglicht, das, was man im Seminar gelernt hat, gleich Foto: Jonas Carstens im Betrieb umzusetzen. Die Erfahrungen, die man dabei macht, die nimmt man wiederum in die nächste Theorieeinheit mit. Insgesamt durchlaufen 1000 Kolleginnen und Kollegen die Qualifizierung zur Veränderungspromotorin oder zum Veränderungspromotor. Welchen Impuls möchtest Du geben? Bullmann: Ich habe kein Patentrezept, ich glaube, niemand hat das. Es ist wichtig, dass wir voneinander lernen, dass wir uns viel stärker als bislang vernetzen und austauschen. Mir ist vor allem wichtig, dass meine Kolleginnen und Kollegen im Betrieb die IG Metall wieder mehr als die Summe aller Mitglieder sehen. Als nahbare Menschen und nicht als abstrakte Organisation. Wie kann das gelingen? Bullmann: Wir sind eine tolle Gemeinschaft, eine starke Orga- nisation. Ich habe aber manchmal das Gefühl, dass unsere gute Arbeit nicht genug sichtbar ist. Vielleicht müssen wir noch Erich Bullmann mehr digitale Kommunikationsmittel einsetzen. Ich finde es gestaltet die Transfor- auch wichtig, dass wir gesellschaftspolitisch sichtbar bleiben. mation beim Leuchten- Niemals vergessen dürfen wir aber, dass es der unmittelbare hersteller Trilux – als Kontakt zum Kollegen, zur Kollegin ist, der am Ende zählt. Veränderungspromotor.
08_09_mz_04_2021_data.qxp_08_09_Interview_Meldungsspalte 18.03.21 19:44 Seite 9 April 2021 | metallzeitung 9 1. Welches betriebliche Projekt hast Du Dir ausgesucht, und warum? 2. Was läuft gut – und wo hakt es? 3. Welche Impulse willst Du in die IG Metall geben? Antje Raczkowiak, Betriebsrätin, Aleris, mium unterstützt, was sehr hilfreich ist. Die Themen für die Koblenz: Sprechstunde waren schnell klar und wurden in Präsentatio- Zu 1 ▸ Unser Projekt heißt »Sprechstunden im Foto: privat nen ausgearbeitet. Was das Ganze erschwert, ist die Corona- Angestelltenbereich«. Wir haben bei uns ei- pandemie. Es wurden schon mehrfach Termine festgesetzt, die nen guten Organisationsgrad von knapp 90 durch die Umstände der Pandemie leider nicht stattfinden Prozent, sehen jedoch noch Entwicklungs- konnten. Doch wir sind zuversichtlich, dass wir bald die Ter- möglichkeiten, vor allem im Angestelltenbereich. Der Kontakt mine durchführen können. zu den Beschäftigten in der Produktion ist bei uns intensiver als Zu 3 ▸ Die Seminarreihe hat uns als Teilnehmern viele tolle der zu den angestellten Kolleginnen und Kollegen. Um das zu Tools in den Werkzeugkasten gepackt, die es jetzt auszuprobie- ändern, wollen wir in Sprechstunden miteinander ins Gespräch ren gilt. Für mich und auch die anderen Teilnehmer der Semi- kommen. Es ist uns wichtig, ein Gefühl dafür zu bekommen, narreihe ist es wichtig, sich auch weiterhin in gewissen Abstän- welche Themen den Angestellten wirklich wichtig sind, welche den zu treffen und sich auszutauschen. Die Geschäftsstelle ihnen wirklich auf den Nägeln brennen. Koblenz steht uns mit Rat und Tat zur Seite, und das ist sehr, Zu 2 ▸ Das Projekt wird von unserem gesamten Betriebsratsgre- sehr gut. Yonas Yemane, VK-Leiter, ZF Luftfahrttechnik, Calden: Zu 1 ▸ Wir wollen bei uns die Vertrauensleutestrukturen nach- Zu 3 ▸ Ich möchte eine positive Grundhaltung Foto: privat haltig sichern. Das ist eminent wichtig, damit wir auch langfris- in die Organisation geben: Alles ist möglich. tig Mitglieder gewinnen und halten, die Beschäftigten beteili- In jedem Betrieb. Unser Projekt war sehr er- gen und unsere Rechte sichern können. Wir müssen auch in folgreich. Zu Beginn lag der Organisations- Zukunft schlagkräftig unsere Interessen vertreten. grad bei unter 30 Prozent, aktuell liegt er bei Zu 2 ▸ Die Zusammenarbeit mit unserem Gewerkschaftssekretär über 92 Prozent. Es funktioniert besser, als wir gedacht haben. Andreas Köppe und unseren Betriebsratsvorsitzenden Michael Aber das ging und geht nur, weil wir im Betrieb authentisch Brömsen verläuft einwandfrei. Auch das Selbstbewusstsein der waren und davon überzeugt sind, dass es funktioniert. Das Vertrauensleute ist mit der Zeit gestiegen. Der Betrieb sieht ak- große Geheimnis: Mit den Kolleginnen und Kollegen reden, tuell knallbunt aus. Überall hängen Plakate, wir sind alle aktiv ihre Themen ernst nehmen und mit ihnen gemeinsam Ideen dabei. Das Tollste ist: Meine Kolleginnen und Kollegen machen entwickeln. Auch die Projektbegleiterinnen und Projektbeglei- das sichtbar mit Stolz. Wir müssen uns jetzt aber noch besser ter im IG Metall-Bildungszentrum Bad Orb haben uns super organisieren. Das ist ein Lernprozess. Das wird schon. unterstützt. Das ist sehr hilfreich gewesen. Veronika Bachmaier, JAV, Elektro Kreutz - Stück Weg vor uns. Und die Pandemie macht es uns allen nicht pointner, Burghausen gerade leicht. Unsere Möglichkeiten, mit Kolleginnen und Kol- Zu 1 ▸ Meine Arbeitskollegin und ich haben Foto: privat legen auf den einzelnen Baustellen in direkten Kontakt zu kom- uns ein ganz einfaches und zugleich ganz men, sind jedenfalls nicht leichter geworden, oft ist das nur be- wichtiges Thema vorgenommen: Wir wollen dingt, manchmal gar nicht gut möglich. Deshalb intensivieren zusammen erarbeiten, wie wir unsere Kolle- wir, natürlich alles coronakonform und geschützt, Zusammen- ginnen und Kollegen in Zukunft besser erreichen können. Das künfte von mehreren Baustellenstandorten und setzen auf Be- ist nicht ganz einfach: Wir sind ein großes Dienstleistungsun- triebsversammlungen. Wir müssen in Zukunft aber gerade für ternehmen, die Beschäftigten sind in vielen verschiedenen unsere jungen Kolleginnen und Kollegen neue, digitale Instru- Berufssparten eingesetzt, auf unterschiedliche Standorte ver- mente entwickeln, um mit ihnen und miteinander ins Gespräch teilt. Persönliche Gespräche sind da oft schwierig und meist zu kommen. nur möglich am Hauptstandort oder durch einen Besuch auf Zu 3 ▸Mein Impuls ist: Ich bin zuversichtlich, was die Zukunft den einzelnen Baustellen und Standorten. anbelangt! Ich bin stolz, ein Teil einer so tollen Community zu Zu 2 ▸ Wir sind dabei, Ideen miteinander zu diskutieren und sein. Ich bin stolz, Metallerin zu sein! Allein ist man stark, ge- Lösungsansätze zu entwickeln, aber wir haben noch ein ganzes meinsam unschlagbar.
10_15_mz_04_2021_data.qxp_10_15_Titelgeschichte_mz_04_2021 18.03.21 20:01 Seite 10 WARNSTREIKAKTIONEN IN DER Kämpfen für METALL- UND ELEKTROINDUSTRIE Arbeitskampf geht auch mit Abstand und Maske – das haben die Beschäftigten die Zukunft gemeinsam mit der IG Metall schon vor Beginn der Warnstreiks eindrücklich demonstriert. Wir haben drei Aktionen begleitet, die veranschaulichen, was die Beschäftigten in den laufenden Tarif - verhandlungen fordern und wie sie dafür kämpfen. Von Dirk Erb und Jacqueline Sternheimer
10_15_mz_04_2021_data.qxp_10_15_Titelgeschichte_mz_04_2021 18.03.21 20:01 Seite 11 März April 2021 | metallzeitung 11 Foto: Thomas Range Menschenkette um Arbeitgeberverband Zusammenstehen für sichere Die Beschäftigten, die hier in Siegen zusammenstehen, verbindet auch ihre Forderung Arbeitsplätze in Siegen an die Arbeitgeber. E igentlich ist das Haus der Arbeitgeber mitten auf der beginnen. »Ich bin heute hier, weil wir sichere Arbeitsplätze lauten Hauptstraße in Siegen gut zu erreichen. Es von den Arbeitgebern fordern. Das ist für uns hier in der liegt zentral und genügend Parkplätze sind auch vor- Region das Allerwichtigste«, sagt Ralf Neuser, der als Tech- handen. Nicht so an diesem 1. März, denn eine 200 Meter niker bei einem Maschinenhersteller arbeitet und nun mit lange Menschenkette versperrt die Zufahrt. Ein Autofahrer zwei Kolleginnen zur Menschenkette dazugestoßen ist. »Die setzt trotzdem stur seinen Blinker, muss aber weiterfahren, Krise wurde bislang sehr stark auf unserem Rücken ausge- nachdem Menschen mit Absperrband in der Hand ihm zu tragen, zum Beispiel durch weniger Geld während der lan- verstehen geben, dass hier kein Durchkommen ist. Die gen Kurzarbeit und durch unseren Verzicht auf eine Lohn- Beschäftigten in Warnwesten sind in ihrer Mittagspause vor erhöhung in der letzten Tarifrunde. Dadurch, dass die das Haus der Siegerländer Metallindustriellen gezogen, um Arbeitgeber in den Verhandlungen nichts anbieten, müssen den Arbeitgebern einen Vorgeschmack zu geben, wie gut wir Beschäftigten uns jetzt bewegen und auch in Coronazei- Aktionen auch in Pandemiezeiten funktionieren. In der ten Stärke zeigen«, sagt er. Seine Kolleginnen stimmen ihm Nacht zum 2. März lief die Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie aus – jetzt können die Warnstreiks Fortsetzung auf Seite 12
10_15_mz_04_2021_data.qxp_10_15_Titelgeschichte_mz_04_2021 18.03.21 20:01 Seite 12 € + 37,5 % Metall- und Elektroindustrie erwartet mehr Produktion – 7,6% Metall- und Elektroindustrie will Jobs abbauen Foto: Thomas Range Quelle: Ifo-Geschäftsklimaindex, Saldo aus positiven und negativen Erwartungen, Februar 2021. Fortsetzung von Seite 11 zu. Die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroin- als Zulieferer für Maschinen und Anlagen arbeiten – »und dustrie sind in vollem Gange, doch die Arbeitgeber bewe- die haben jetzt aufgrund der Stahlkrise ein Problem.« Lang- gen sich weder in Sachen Beschäftigungssicherung noch fristige, nachhaltige Lösungen sollen her, die den Beschäf- bei der Entgelterhöhung auf die Beschäftigten zu. Die IG tigten Sicherheit geben und in die Zeit passen. Metall fordert in der Tarifrunde ein Volumen von vier Pro- Insgesamt ist die wirtschaftliche Lage in Siegen-Witt- zent für mehr Geld oder Beschäftigungssicherung in den genstein gemischt. Manche Auftragsbücher füllen sich, Betrieben und will bessere Regelungen für Auszubildende während andere Arbeitgeber noch mit Kurzarbeit überbrü- und tarifliche Regelungen für dual Studierende durchset- cken. »Arbeit ist da, aber die Umsätze stimmen nicht, des- zen. Außerdem sollen betriebliche Zukunftstarifverträge halb werden manche nach Hause geschickt, während wir her. Auch in Siegen ist man mit der Haltung der Arbeitgeber anderen in der gleichen Zeit mehr arbeiten sollen«, sagt nicht zufrieden. »Die Arbeitgeber behaupten, Lohnzurück- die Bürofachfrau und Betriebsrätin Gabriele Bottenberg. haltung würde Arbeitsplätze sichern, aber das hat es noch Von dieser Tarifrunde erhoffen sie und ihr Kollege sich des- nie getan und das wird es auch in Zukunft nicht«, sagt halb auch mehr Geld – »weil alles teurer geworden ist«. Andree Jorgella, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Die Arbeitgeber sehen das natürlich anders. »Keine Siegen. zusätzlichen Steine in den Weg legen« ist ihr Motto an die- sem Tag. Auch sie beobachten die Menschenkette vor dem Lösungen auf Augenhöhe mit Beschäftigten finden Haus ihres Verbands und fordern, die IG Metall solle auf Punkt fünf vor zwölf steigen knallrote Luftballons in den »unnötige« Warnstreiks verzichten. Andree Jorgella bereitet strahlend blauen Himmel. Andree Jorgella – jetzt mit Mega- dagegen schon weitere Aktionen vor, am nächsten Tag ist fon in der Hand – hat das Startzeichen gegeben und die eine Warnstreikaktion im Autokinoformat in Siegen Beschäftigten lassen die mit Helium gefüllten Ballons flie- geplant. Er sagt: »Unsere Botschaft an die Arbeitgeber ist, gen. »Die Luftballons stehen für die Arbeitsplätze, die nach dass man auf neue Herausforderungen nicht mit alten der Krise weg sein werden, wenn die Arbeitgeber jetzt nicht Parolen antworten kann. Es geht jetzt darum, Lösungen an der Beschäftigungssicherung festhalten«, sagt er. »Die auf Augenhöhe zu finden – gemeinsam mit den Beschäf- kommen nicht wieder.« tigten und den Betriebsräten.« Die IG Metall Siegen vertritt 16 000 berufstätige Mit- Genauso schnell, wie sie sich aufgebaut hat, löst sich glieder aus 130 Unternehmen. Über 9000 Beschäftigte kom- die Menschenkette wieder auf. Die Ordner gehen durch die men aus der Metallindustrie, aber auch die Zulieferer für Reihen und erinnern daran, dass der Abstand auch am die Stahlindustrie sind stark vertreten. »Es gibt viele Röh- Ende der Aktion eingehalten werden muss. »Es ist schön, renhersteller, die im Ölbereich tätig sind. Die werden in mal wieder bekannte Gesichter zu sehen – auch hinter der den nächsten Jahren keine richtige Auslastung haben und Maske«, sagt eine Frau, bevor sie Richtung Auto läuft. da müssen wir zusehen, dass wir hier eine vernünftige Eigentlich hatten die Siegener Gewerkschafter mit 50 Teil- Beschäftigungssicherung haben und anständige Zukunfts- nehmenden gerechnet, am Ende waren es 100 – »ein voller tarifverträge«, sagt Jorgella. Außerdem seien viele Unter- Erfolg«, wie Jorgella den Fernsehteams vor dem Haus der nehmen aus dem Stahlbau in der Umgebung ansässig, die Arbeitgeber berichtet.
10_15_mz_04_2021_data.qxp_10_15_Titelgeschichte_mz_04_2021 18.03.21 20:01 Seite 13 April 2021 | metallzeitung 13 BMW Leipzig Um 12.30 Uhr legte die Frühschicht die Arbeit nieder. 1700 demonstrierten mit einem Autokorso rund um das BMW-Werk in Leipzig. Georgsmarienhütte: Auch in der Eisen- und Stahlindustrie laufen Warnstreiks. Die IG Metall will Beschäftigung und Foto: Peter Endig Einkommen sichern. Warnstreik mit Autokorso rund ums Werk in Leipzig W arnstreik bei BMW in Leipzig. Es ist 12.30 Uhr. Die Köhler, der auch Mitglied der Verhandlungskommission Fabrik steht still. Die komplette Frühschicht hat bei den Tarifverhandlungen ist. die Arbeit niedergelegt. 1000 Autos fahren im »Die Stärkeren müssen auch für die Schwächeren ein- Korso einmal ums weitläufige Werksgelände, mit IG Metall- treten«, ergänzt Bernd Kruppa, Erster Bevollmächtigter der Fahnen und maximal zwei Leuten im Auto. IG Metall Leipzig. »Und die Arbeitgeber nutzen Corona aus. An der Werkseinfahrt hat die IG Metall Leipzig eine Bei den Verhandlungen bewegt sich nichts. Sie stellen Bühne aufgebaut. Der Ton wird per Livestream in die Autos sogar Gegenforderungen.« übertragen. Warnstreik trotz Corona? Das geht, aber anders! »Vier »Wir können wegen Corona unmöglich eine Demo mit Prozent für Einkommen und Beschäftigung«, »Zukunft 2000 Leuten machen«, erklärt der Betriebsratsvorsitzende sichern« und »Arbeitszeit verkürzen« steht auf den Plaka- Jens Köhler dem Fernsehteam vom MDR. ten, die die IG Metall-Vertrauensleute bei BMW vor dem Ob sich die IG Metall denn keine Sorgen machte, dass Autokorso an den Straßen aufgehängt haben. Streiks schräg ankämen, bei denen, die durch Corona viel Um den Arbeitsplatz und um die Zukunft macht sich verloren hätten, will das Fernsehteam wissen. »Als IG hier keiner Sorgen. Das BMW-Werk in Leipzig brummt. 1700 Metall sind wir schon immer vorangegangen. Wenn wir nichts holen, kriegen die anderen erst recht nichts«, betont Fortsetzung auf Seite 14
10_15_mz_04_2021_data.qxp_10_15_Titelgeschichte_mz_04_2021 18.03.21 20:01 Seite 14 € Metall- und Elektroindustrie hat sich stabilisiert ARBEITGEBER FORDERN ACHT PROZENT Auftragseingänge liegen wieder auf dem Stand vor der Coronakrise. Wir wollen acht 120 Prozent Rendite – und schmeißen dafür 13 000 Leute raus. Diese Ansage hat der 100 Arbeitgeber der IG Metall bei (Index 2015 = 100) Continental gemacht. In anderen Unternehmen läuft es ähnlich. 80 Acht Prozent war die durch- schnittliche Rendite der Auto- zulieferer vor der Krise. Das wollen 60 Kapitalanleger weiterhin haben, auf Kosten des Personals. 40 ▸ IG Metall fordert Zukunft Die IG Metall will Arbeit langfristig 20 durch Zukunftstarifverträge mit In- 2020 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 2021 vestitionen, Qualifizierung und In- /1 /1 novationen sichern. Allerdings Quelle: Statistisches Bundesamt, Auftragseingänge in der Metall- und Elektroindustrie, März 2021 entscheidet die Kapitalseite, wofür Geld investiert wird. IG Metall und Betriebsräte haben kein Initiativ- recht und können meist erst dann relangen Verhandlungen durchgesetzt. Der Umbau läuft mitgestalten, wenn die Krise da ist bereits. Im Februar war das Werk deshalb schon mal drei und der Arbeitgeber Geld will. Wochen geschlossen, im Sommer noch mal. Deshalb fordert die IG Metall, Aber eine richtige Lohnerhöhung wäre nach drei Jahren dass die Arbeitgeber verhandeln mal wieder nötig. Und schließlich arbeiten sie in der ost- müssen, wenn es aus ihrer Sicht deutschen Metall- und Elektroindustrie immer noch drei notwendig ist. Ziel ist, dass IG Stunden mehr in der Woche als im Westen – 38 statt 35. Das Videos Metall und Betriebsräte früher bedeutet drei Jahre mehr bis zur Rente. Obwohl gerade die von den Warnstreiks eingreifen können. Die Arbeit- Autoindustrie längst genauso produktiv ist wie im Westen. bei BMW und geber wollen das nicht. Das Porsche in Leipzig. »Warum – über 30 Jahre nach der Wende? Das fragen macht Gesamtmetall-Präsident wir uns hier alle«, meint Nicole, die in der Montage arbeitet. Stefan Wolf klar: »Die Gestaltung »Mehr Zeit ist für die meisten hier am wichtigsten. Der des Strukturwandels ist eine ur- Großteil hat sich ja auch für freie Tage statt tarifliches unternehmerische Aufgabe und Zusatzgeld entschieden. Wenn ich könnte, würde ich auch fällt nullkommanull unter die Mit- die freien Tage wählen.« bestimmung.« Die 38 Stunden passen zudem in kein Schichtmodell. Schichtarbeiter im Osten müssen oft noch mal samstags Fortsetzung von Seite 13 ran, um auf ihre 38 Stunden zu kommen. »Ich muss auch diesen Samstag wieder arbeiten«, Leiharbeiter sind schon wieder da. »Die müssen wir end- ärgert sich Tom, der im Presswerk arbeitet. »Das ist schon lich fest einstellen«, fordert Köhler. »Sonst wird das doof. Und daheim warten dann alle auf mich, meine Fami- schwierig mit der Zukunft. Der Arbeitsmarkt in der Region lie, meine Freunde.« ist leergefegt.« Besonders liegen Tom die Auszubildenden und dual Studierenden am Herzen. »Bei uns ist das mit der Über- Zukunft sicher – Beschäftigte wollen mehr Zeit nahme nach der Ausbildung kein Problem. Aber anderswo Ansonsten ist die Zukunft klar. Elektroautos werden schon sparen Betriebe wegen Corona an der Ausbildung – und seit 2013 in Leipzig gebaut. Demnächst auch Batteriemo- damit an der Zukunft der jungen Menschen. Da müssen dule. Das haben die IG Metall-Betriebsräte bei BMW in jah- wir bei BMW solidarisch sein.«
10_15_mz_04_2021_data.qxp_10_15_Titelgeschichte_mz_04_2021 18.03.21 20:01 Seite 15 April 2021 | metallzeitung 15 Warnstreiken für die Zukunft in Rheinböllen Punkt 0 Uhr, Ende der Friedenspflicht. Mit Fackeln und Flammenwerfern wie bei einem Ramm- Rheinböllen ja auch Software entwickeln«, meint Patrick. Er ist Industriemechaniker, Anfang 30, und arbeitet als Ein- stein-Konzert zieht die komplette Nachtschicht von Conti- richter in der Montage. Sein Wissen hat er aus Fachbüchern nental in Rheinböllen in Rheinland-Pfalz vors Tor. Alle und Dokus. Er macht sich Sorgen. »Derzeit verkaufen wir Hundert sind draußen beim Warnstreik, auch die Leih- die aAGVs nur intern im Continental-Konzern. Und wer weiß, arbeiter. Auf dem Boden sind Abstände markiert. Die ob die aAGVs dann auch wirklich bei uns industrialisiert IG Metall hat Fahnen, Streikwesten und Masken dabei. werden. Für uns Beschäftigte ist es sehr wichtig zu wissen, »Für Euch ist das hier ein besonderer Warnstreik. Weil womit unser Unternehmen in fünf Jahren Geld verdient.« Euer Standort in Gefahr ist«, macht Ingo Petzold, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Bad Kreuznach, klar. Die »Zukunft oder Widerstand« Unternehmensleitung will über 400 der rund 670 Arbeits- »Die Leute hier brauchen eine Zukunft. Hier im Hunsrück plätze abbauen. Die Fertigung von Bremsen soll verlagert gibt es nicht viele Alternativen, da auch andere Betriebe werden, in ein Werk in einem Billiglohnland, das Beschäf- abbauen«, meint Betriebsrätin Christel Meier, die hier seit tigte aus Rheinböllen sogar noch mit aufgebaut haben. 30 Jahren in der Produktion arbeitet. Sie hat schon viel Zwar sollen dafür sogenannte autonom fahrende Trans- erlebt, etwa wie sie schon einmal acht Jahre lang auf Weih- porter (aAGVs) in den Werkshallen produziert werden. Aber nachts- und Urlaubsgeld verzichtet haben, um einen beson- ob die in Zukunft genug Arbeit sichern, ist fraglich. deren Bremsentyp zu halten. »Aber so schlimm wie jetzt war es noch nie. Viele haben Angst um ihren Arbeitsplatz.« Produkte und Arbeitsplätze für die Zukunft Auch eine Delegation von Continental im hessischen Fast alle Beschäftigten sind mittlerweile in der IG Metall. Babenhausen ist heute Nacht hier. Sie haben bereits Auf digitalen Mitgliederversammlungen haben sie Forde- gemeinsam mit der IG Metall ihre Schließung und Entlas- rungen beschlossen: Zum Ausgleich für den Abbau wollen sungen verhindert und viele Arbeitsplätze gerettet. sie einen Sozialtarifvertrag mit hohen Abfindungen und Die Betriebsräte und IG Metall-Vertrauensleute bei Xxxxxxxxx Augustus fermentet einer Transfergesellschaft. suis. Fiducias Außerdem fordernvix sieneglegenter einen insectat Conti quadrupei, utsind in Rheinböllen ma.zufrieden mit dem Warnstreik. Zukunftstarifvertrag, mit Investitionen und einem verbind- Mittags waren sie noch skeptisch, ob das alles klappt. lichen Produktionsvolumen für ihren Standort. Deshalb Die Flammenwerfer hat der Sohn des Betriebsratsvor- stehen sie auch besonders hinter der Tarifforderung der sitzenden Volker Diel mitgebracht. Er ist Veranstaltungs- IG Metall nach Zukunftstarifverträgen. techniker, Anfang 20. »Highway to Hell« von AC/DC dröhnt »Die Arbeitgeber wollen das nicht«, kritisiert Petzold. zum Abschluss aus den Boxen. Dazu gibts noch mal meter- »Das haben sie uns in der Verhandlung gesagt: ›Haltet Euch hohe Flammenfontänen. Zwei Tage später geht es wieder da raus.‹ Sie machen ihre Transformation – und Ihr sollt sie raus zum Warnstreik. Sogar Führungskräfte sind diesmal einfach bezahlen, ohne Sicherheiten für Eure Arbeitsplätze.« dabei. Auch sie haben Familien, hier im Hunsrück. Dabei machen sich die Beschäftigten sehr wohl Gedan- »Die wollen acht Prozent Rendite und dafür bundes- Foto: Mickey Markovic ken über Technik und neue Geschäftsmodelle. »Mit unse- weit 13 000 Leute rausschmeißen, gegen unsere Stimmen rem Know-how könnten wir nicht nur aAGVs, sondern auch im Aufsichtsrat«, ärgert sich Verhandlungsführer Uwe mobile Robots bauen. Wir haben den Vorteil, dass wir in Zabel vom IG Metall-Bezirk Mitte, der auch schon in Baben- hausen verhandelt hat. Klar: Im Aufsichtsrat hat die Kapitalseite per Gesetz immer eine Stimme mehr als die Arbeitnehmerseite. Doch die Warnstreiks zeigen Wirkung: Einen Tag später setzt sich Continental endlich mit der IG Metall an den Verhandlungstisch. »Wir wollen bis zum 1. Mai eine Zukunftslösung mit tariflichen Garantien für den Standort und sozialverträgliche Lösungen«, erklärt Zabel. »Nun soll Continental zeigen, ob es ihnen ernst ist mit der Zukunft.« Continental Rheinböllen Zum Ende der Friedenspflicht um Punkt 0 Uhr zog die Nacht- schicht zum Warnstreik vor das Werkstor.
16_17_mz_04_2021_data.qxp_16_17 18.03.21 18:05 Seite 16 16 metallzeitung | April 2021 Das Musikvideo der ContraContiCrew findet Ihr hier: »Da läuft was mächtig schief in unserer Gesellschaft!« Fotos: Martin Leissl Mit Gruselmasken gegen gruselige Schließungspläne. STELLENABBAU Mit einem Musikvideo wehrt sich die ContraContiCrew gegen die Streichpläne des Conti- M it Eurem Musikvideo wehrt Ihr Euch gegen die Managements in Karben. Die fünf Metallerinnen und Schließung des Conti-Werks in Karben. Im Song sagt Ihr: »Das Problem sind Dinge, wo das Management Metaller erzählen in ihrem Song von skrupellosen Arbeit- versagt hat«. Was werft Ihr dem Management vor? gebern, Managementfehlern und skandieren: »Was Helmut*: Fast jedes Jahr bekommen wir einen Preis als Fabrik machen wir, wir bleiben hier!« | Von Christoph Böckmann des Jahres. Die Arbeit der Belegschaft ist also top, die Qualität hervorragend. Für unternehmerische Entscheidungen ist da- gegen das Management verantwortlich. Und da hat es versagt, weshalb wir jetzt in der Krise stecken. Das musst Du jetzt erklären. schäftigte neue Jobs finden. Außerdem sind die Betriebe nicht Helmut: Seit Jahren ist klar, wo der Trend im Automobilmarkt in der Tarifbindung. Selbst wenn also ein paar Beschäftigte bei hingeht, doch das hat Continental weitestgehend ignoriert. diesen Betrieben einen neuen Job finden sollten, verschlech- Und jetzt wird die Coronakrise als Vorwand genommen, um tern sie sich. einen längst geplanten Stellenabbau durchzuführen. Im Video tragt Ihr Masken aus dem Film »The Purge« und Du arbeitest bei Conti, hat es Dich überrascht, als das auch in Eurem Song heißt es »Zustände wie bei ›The Management ankündigte, dass es das Werk schließen will? Purge‹«. In dem Film ist eine Nacht lang alles erlaubt — Helmut: Wir haben zehn Jahre Ergänzungstarifvertrag hinter was dann zu einem Gemetzel führt. Fühlt sich das Vorge- uns. 2019 lief der aus. Als da vom Arbeitgeber gesagt wurde, hen des Conti-Managements für die Beschäftigten an, als dass der nicht verlängert werden soll, war uns klar, dass was wären sie in einem krassen Horrorfilm gelandet? im Busch ist. Denn das Einzige, was die davon haben, den Er- Elmar*: Ja, ein Sparprogramm, wie es sich Continental vorstellt gänzungstarifvertrag auslaufen zu lassen, ist betriebsbedingt – nicht nur in Karben, sondern an allen Standorten –, bedeutet kündigen zu können. die Verbannung aller moralischen Werte aus der Arbeitswelt. Und dann behauptete der Vorstand noch, dass der Abbau so- Im September 2020 informierte das Management, dass es zialverträglich ablaufen solle und kam mit Abfindungsange- den kompletten Standort schließen wolle. Was würde es boten, die eine reine Frechheit waren. bedeuten, wenn knapp 1100 Beschäftigte gleichzeitig in Ariane*: Und es ist nicht nur bei Conti so. Auch bei Schaeffler, der Stadt Karben den Job verlieren? Mahle und vielen anderen Betrieben versuchen die Konzern- Nikolai*: In der Region gibt es nur eine Handvoll Industriebe- chefs, die Coronakrise zum Stellenabbau zu nutzen. Da läuft triebe. Die meisten davon stecken gerade in der Krise, fahren was mächtig schief in unserer Gesellschaft. Für uns Metalle- Kurzarbeit oder entlassen Leute, da werden nicht über 1000 Be- rinnen und Metaller ist klar: Dagegen müssen wir uns wehren.
16_17_mz_04_2021_data.qxp_16_17 18.03.21 18:06 Seite 17 April 2021 | metallzeitung 17 Die Crew setzt sich im Netz und bei Demos für die Beschäftigten ein. Ihr habt Euch für einen kreativen Protest entschieden. Wie kamt Ihr auf die Idee, ein Musikvideo zu machen? Wolfgang*: Wir kennen uns alle aus dem Frankfurter Ortsju- gendausschuss der IG Metall. Ein Teil von uns arbeitet bei Conti in Karben, die anderen wollten einfach die Kolleginnen und Kollegen unterstützen. Dazu muss man sagen, auch wenn man in dem Video meist nur drei Personen sieht, besteht un- sere Crew aus fünf Leuten. Ich stell mir das nicht leicht vor, ein Musikvideo zu produ- zieren? Wie lief das ab? Ariane: Wir hatten Wut im Bauch, da schrieb sich der Song wie von selbst. Auch sonst haben wir uns sehr gut ergänzt: Text, Zustände wie bei »The Purge« beklagen die Beschäftigten von Musik, Drehortsuche, Konzept, Kameraführung, Schnitt, Kos- Conti in Karben. Sie kämpfen gemeinsam für ihre Zukunft. tüme: Jeder und jede von uns konnte etwas davon. Bei Conti in Babenhausen war die Situation ähnlich. Auch hier wollte das Management rücksichtslos streichen. Die IG IG METALL KÄMPFT FÜR CONTI-BESCHÄFTIGTE Metall, der Betriebsrat und die Beschäftigten wehrten sich und konnten einen Teil der Produktion retten und einen ▸ Das Conti-Management plant, in Deutschland Sozialtarifvertrag durchsetzen. Wie kam das bei Euch an? 13 000 Stellen abzubauen. Wolfgang: Das machte uns in Karben Mut. Der Sozialtarifver- ▸ Beschäftigte und IG Metall wehren sich dagegen: Am trag aus Babenhausen setzt einen neuen Maßstab. Denn er Standort Babenhausen konnten sie die Produktion zum bietet deutlich höhere Leistungen, als das Management am Teil erhalten und haben einen Zukunfts- und Sozialtarif- Anfang rausrücken wollte. Aber für uns war vor allem wichtig, vertrag durchgesetzt, der den Arbeitsplatzabbau sozial- dass die IG Metall dort die Produktion retten konnte. Denn wir verträglich und weitestgehend freiwillig gestaltet. fertigen viele Teile in Karben, die dann zur Weiterverarbeitung Zudem beinhaltet er Zukunftsprojekte zur Gestaltung nach Babenhausen gehen. einer nachhaltigen Transformation. ▸ Auch in Karben und Rheinböllen streiten IG Metall und Beschäftigte aktuell für ähnliche Regelungen. *Die Namen der Crew-Mitglieder haben wir geändert.
18_19_mz_04_2021_data.qxp_18_19_Portraet_Layout_1 18.03.21 18:07 Seite 18 18 metallzeitung | April 2021 Betriebsräte sind systemrelevant ARBEITNEHMERVERTRETUNG Unter den schwierigen Bedingungen der Pandemie beweisen IG Metall-Betriebs- räte täglich aufs Neue, dass die Beschäftigten sich auf sie verlassen können. Von Martina Helmerich und Antonela Pelivan Foto: Heiko Meyer Regina Ries, 60, Betriebsratsvorsit- Florian Pröbster, 37, Betriebsrat, MAN zende, Wilvorst, Northeim Truck & Bus SE, Nürnberg Regina Ries arbeitet in einem Traditionsunternehmen Erst Corona, dann die Ankündigung des Unterneh- der deutschen Bekleidungsindustrie. Wilvorst in Nort- mens, im In- und Ausland insgesamt 9500 Stellen strei- heim bei Göttingen stellt Anzüge, Smokings und Frä- chen zu wollen. Auch der Standort Nürnberg ist mit cke für festliche Anlässe her. Alles, was in Coronazei- 1300 Stellen betroffen. Inzwischen hat das Unterneh- ten kaum nachgefragt wird, weil alle Veranstaltungen men mit der IG Metall einen Zukunftstarifvertrag ge- dieser Art nicht stattfinden können. Bis Juni ist die schlossen. »Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir für die Kurzarbeit bei Wilvorst verlängert. Zum großen Kum- Belegschaft sichtbar bleiben«, sagt Florian Pröbster, Be- mer der Betriebsratsvorsitzenden soll die Produktion triebsrat beim Nürnberger Motoren- und Lastwagen- geschlossen werden. Ries hat vor 35 Jahren dort den bauer. Dort, wo möglich, informiert der Betriebsrat Beruf der Bekleidungsfertigerin erlernt. »Wir haben nach wie vor in direkten Gesprächen. Wo das nicht geht, uns gegen den Abbau gewehrt ohne Ende, die Presse finden Onlinetermine statt. Die gute Arbeit des Betriebs- mobilisiert und gezeigt, dass sich die Beschäftigten rats zeigt sich auch in der Mitgliedschaft: Die Zahlen nicht kampflos aus der Firma kanten lassen«, sagt sie. steigen. »Wir haben viele Krisen überwunden und tarif- Manche sind schon 40 Jahre bei der Wilvorst beschäf- liche Erfolge errungen. Unsere Stärke war stets, dass wir tigt, vor allem Frauen. zusammengehalten haben.«, sagt Pröbster. Foto: privat Anpacken, wo sie gebraucht wird Sie verhandeln jetzt mit dem Arbeitgeber über Sozial- plan und Interessenausgleich, Abfindungen und Transfergesellschaft. Von 250 Arbeitsplätzen wird wohl nur noch die Hälfte übrig bleiben. Die Unterneh- menskrise hat die Beschäftigten noch mehr zusam- mengeschweißt. Regina Ries versucht, das Beste für die Kolleginnen und Kollegen herauszuholen. Die All- rounderin ist es gewohnt einzuspringen, wenn Not an der Frau ist. Auch im Ehrenamt als Arbeitsrichterin kümmert sie sich darum, dass Beschäftigte zu ihrem Recht kommen. »Ich kann nicht anders.«
18_19_mz_04_2021_data.qxp_18_19_Portraet_Layout_1 18.03.21 18:07 Seite 19 April 2021 | metallzeitung 19 Ljiljana Čuljak, 48, Betriebsratsvorsit- zende, Mahle Behr, Stuttgart Seit Juli 2020 treffen sich die Beschäftigten des Autozu- lieferers Mahle Behr in Stuttgart einmal in der Woche vor dem Tor und ziehen einmal ums Werk. Zukunfts- MAHLEr heißt die Aktion, die immer dienstags stattfin- det. Die Mahle-Konzernleitung will 2000 Arbeitsplätze in Deutschland abbauen. Und längst ist nicht mehr nur die Produktion betroffen: Auch in der Entwicklung sol- len über 800 Stellen wegfallen, davon 380 am Entwick- lungsstandort Stuttgart-Feuerbach. »Einen Betrieb mit innovativen und zukunftsfähigen Produkten so zu be- schneiden, zeigt, dass die Geschäftsleitung nicht den Willen hat, den Standort zukunftsfähig aufzustellen«, kritisiert Ljiljana Čuljak, Betriebsratsvorsitzende von Mahle Behr in Feuerbach. Sie ist überzeugt, dass das Unternehmen die Pandemie nutzen will, Arbeitsplätze schlicht billig zu verlagern. »Wir fordern einen Zu- kunftsvertrag mit Investitionen in neue Produkte und einen weiteren Ausbau von Innovationen im Bereich Thermomanagement«, sagt Čuljak. Deshalb hat der Be- Foto: Frank Rumpenhorst triebsrat mit Beratern ein Alternativkonzept für den Standort erarbeitet. Michael Iglhaut, 57, Betriebsratsvorsit- zender, Continental, Frankfurt Krise als Chance Besonders wichtig ist der Betriebsrätin, die Beleg- Gelernt hat er bei Conti und dort hat der Hesse sein schaft offen über die Konzepte zu informieren und komplettes Berufsleben zugebracht. Bei der IG Metall keine Scheinbeteiligung vorzugaukeln. Das kommt hat er schon viele Stationen durchlaufen: Als Jugend- gut an. Die Krise sei für die Arbeitnehmervertretung und Auszubildendenvertreter, Vertrauensmann, Be- auch eine Chance. »Die Kolleginnen und Kollegen ste- triebsrat, Betriebsratsvorsitzender und Aufsichtsrats- hen hinter uns, denn sie wissen, dass wir um jede mitglied hat er schon ziemlich viele Stürme miterlebt, Stelle kämpfen«, freut sich Čuljak. die ihn als wind- und wettererprobten Bikerfan aber nicht wirklich beeindruckt, geschweige denn umge- Foto: Matthias Funk hauen hätten. Jetzt angesichts der Coronapandemie muss Iglhaut eine Schippe drauflegen. »Einen Warn- streik zu organisieren, ist einfach ‘ne andere Nummer, wenn zwei Drittel der Belegschaft im Homeoffice ar- beiten«, sagt der Metaller. Noch mehr mobilisieren Als erfahrener Netzwerker hat Iglhaut Anfang März alle Register gezogen. Die Infos an die Belegschaft wurden über Chatgruppen und Onlinekanäle verbrei- tet sowie über den guten alten Streikaufruf frühmor- gens am Tor, wenn die Beschäftigten die Conti-Haupt- verwaltung in Rödelheim betreten. In der laufenden Tarifrunde geht es ihm nicht nur um Beschäftigungs- sicherung und einen Tarifvertrag, der die Zukunft si- chert, sondern auch darum, den Abbau von 457 Stel- len abzuwenden. Sein Motto: mobilisieren, was geht.
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