Integrations betriebe - in Frankfurt am Main

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Integrations betriebe - in Frankfurt am Main
Umschlagseiten_neu:Layout 1   07.12.2011   20:37 Uhr   Seite 1

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                                                                                                                                       in Frankfurt am Main

                                                                                                              Cook Company I DialogMuseum I fbb I hoffmanns höfe I kombinat

                                                                                                                                  »   Keine Arbeit ist so beschwerlich,
                                                                                                                                      dass man sie nicht der Kraft dessen,

                                                                 Integrations betriebe in Frankfurt am Main
                                                                                                                                      der sie verrichtet, anpassen könnte.
                                                                                                                                      Vorausgesetzt, dass die Vernunft
                                                                                                                                      und nicht die Habsucht sie regelt.               «
                                                                                                                                                              Montesquieu, 1689-1755
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                                                Integrationsbetriebe in Frankfurt am Main

                                              Cook Company                                  Seite 10

                                              DialogMuseum                                  Seite 16

                                              fbb                                           Seite 22

                                              hoffmanns höfe                                Seite 28

                                              kombinat                                      Seite 34

                                                                                                       5
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     Soziale Unternehmen behaupten sich am Markt
     Die Erfolgsgeschichte der Integrationsfirmen
     von Arnd Schwendy

                                                                        Arnd Schwendy
                                                                        war bis 2003 Leiter des Sozialamtes der Stadt Köln.
                                                                        Er war bis 2010 Vorsitzender der Bundesarbeits-
                                                                        gemeinschaft Integrationsfirmen, deren Beirat er
                                                                        jetzt angehört.

                                  D    ie fünf Frankfurter Integrationsfirmen, die
                                  dieses Heft vorstellt, sind Teil eines Netzwerkes
                                                                                       ten Reha- und Arbeitsmarktpolitik. Sie erblick-
                                                                                       ten in den damals so genannten Selbsthilfe-Fir-
                                  von rund 600 sozialen Unternehmen, die min-          men eine Gefährdung der Qualitäts- und
                                  destens 20 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit be-       Sicherheitsstandards der Werkstätten für behin-
                                  hinderten Menschen besetzen, also deutlich           derte Menschen (WfbM). Sie übersahen dabei
                                  mehr als gesetzlich verlangt. Nach dem Urteil        freilich, dass deren Unfähigkeit, neben Men-
                                  des CDU-Sozialpolitikers Karl-Josef Laumann          schen mit geistigen oder schweren körperlichen
                                  sind sie „unverzichtbar, wenn behinderte Men-        Handicaps auch ehemalige Psychiatrie-Patien-
                                  schen mit besonderen Eingliederungshemmnis-          ten aufzunehmen, diese Form der Selbsthilfe erst
                                  sen eine faire Chance auf dem allgemeinen            erforderlich gemacht hatte. Es gab damals nur
                                  Arbeitsmarkt haben sollen“. Als Sozialminister in    wenige auf psychisch Beeinträchtigte speziali-
                                  Nordrhein-Westfalen hatte Laumann daher mit          sierte WfbMs, wie beispielsweise pionierhaft in
                                  den Integrationsämtern Rheinland und West-           Frankfurt am Main. Was war der Auslöser der
                                  falen-Lippe ein 20-Millionen-Programm zur            Entwicklung? In den späten 70er und 80er Jah-
                                  Schaffung weiterer 1.000 Arbeitsplätze in der-       ren des letzten Jahrhunderts wurden im Zuge
                                  artigen Firmen gestartet. Schon vorher hatte         der Umsetzung der Psychiatrie-Enquête überall
                                  seine Kollegin Malu Dreyer für Rheinland-Pfalz       die großen psychiatrischen Anstalten verkleinert.
                                  Erfolge mit ähnlichen Bemühungen.                    Es entstanden psychosoziale Hilfevereine, die in
                                                                                       den Städten und Kreisen ambulante Hilfen, Kon-
                                  Als Anfang der 1980er Jahre in Freiburg im           taktstellen und kleine Heime für die ehemaligen
                                  Breisgau, Gütersloh, Münster und Walldorf die        „Anstaltsinsassen“ schufen. Was aber – nicht zu-
                                  ersten Versuche starteten, für Arbeitslose mit       letzt wegen der Negativentwicklungen am
                                  schweren psychischen Beeinträchtigungen kleine       Arbeitsmarkt – zunehmend fehlte, waren Ar-
                                  Firmen zu schaffen, ernteten die Gründer nichts      beitsplätze. Die Stiftung Freudenberg des Wein-
                                  als Spott und Hohn aus den Kreisen der etablier-     heimer Familienunternehmens nahm sich der
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       Sache an. War doch Dr. Rudolf Freudenberg, ein         Widerstand gegen die neue Beschäftigungsform
       vor den Nazis nach England geflohener Sozial-          schwand. Im Sozialgesetzbuch IX, das die Teil-
       psychiater, einer der Pioniere der beruflichen         habe behinderter Menschen in allen Lebensbe-
       Reintegration psychisch Kranker. Er konnte zu-         reichen international vorbildlich regelt, wurden
       sammen mit Douglas Bennett bei der Vorberei-           2001 Bestimmungen zur Aufgabe, Struktur und
       tung der Auflösung eines Großkrankenhauses in          Finanzierung der Integrationsprojekte, wie die
       London praktisch und wissenschaftlich belegen:         Selbsthilfefirmen jetzt heißen mussten, aufge-
       Patienten, die unter weitgehend normalen Be-           nommen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Inte-
       dingungen arbeiten dürfen, gesunden schneller,         grationsfirmen wurde zu ihrer Vertretung im
       wiedererkranken seltener, finden leichter den          Beirat des Bundesarbeitsministeriums bestimmt.
       Weg zurück in die Gesellschaft, weil die Arbeit-
       nehmerrolle ihr Selbstvertrauen stärkt und ihren       Kern der gesetzlichen Regelung war das, was die
       sozialen Status hebt – beides heikle Punkte im         Gründer wollten, nämlich keine weitere Sonder-
       Leben langfristig psychisch Kranker.                   einrichtung, sondern eine Positionierung im
                                                              normalen Arbeitsleben. Daher sind die Integrati-
       Die Freudenbergstiftung erkannte die betriebs-         onsunternehmen ausdrücklich als Teil des allge-
       und marktwirtschaftlichen Defizite der ersten          meinen (und nicht des besonderen oder des
       Selbsthilfefirmen-Gründer und stellte ihnen            zweiten Arbeitsmarktes) definiert. Das bedeutet:
       daher eine fachkompetente Beratung zur Seite,          Die behinderten Mitarbeiter haben die gleichen
       nämlich die Fachberatung für Arbeits- und Fir-         Rechte wie alle anderen Arbeitnehmer. Die Un-
       menprojekte (FAF). Diese berät Gründer und Fi-         ternehmen müssen sich am Markt behaupten.
       nanzierer und begleitet mit Teams in mehreren          Sie erhalten im Grunde die gleichen finanziellen
       Bundesländern das Werden und Wachsen der               Hilfen wie jeder andere Arbeitgeber, der sich be-
       Firmen. Die FAF war zunächst ein Verein, dem           sonders für die Beschäftigung schwerbehinder-
       sich immer mehr Projekte anschlossen, um auch          ter Menschen engagiert, auch:
       ihre sozialpolitischen Forderungen gemeinsam
       zu vertreten. Da unabhängige Fachberatung und              Investitionskostenzuschüsse
       Lobbyarbeit aber zwei paar Schuhe sind, wurden             fachliche Beratung
       diese Funktionen getrennt: Für die fachpolitische          Minderleistungsausgleiche zur Kompensa-
       Interessenvertretung wurde die Bundesar-                   tion der Wettbewerbsnachteile, die sie ge-
       beitsgemeinschaft der Integrationsfirmen e. V.             genüber anderen Anbietern haben, die nur
       (BAG-IF) gegründet, die FAF wurde in eine ge-              voll Leistungsfähige beschäftigen.
       meinnützige GmbH umgewandelt.
                                                              Diese Hilfen werden ergänzt durch Zuschüsse der
       Beharrliche Überzeugungsarbeit im politischen          Aktion Mensch, die hier wesentliche Entwick-
       Raum, ein Modellprogramm des Bundesarbeits-            lungsimpulse gibt, sowie z. T. durch Stiftungen
       ministeriums sowie Studien der FAF im Auftrag          auf Länder- und Regionalebene. Voraussetzung
       der Arbeitsministerien von Nordrhein-Westfalen         dafür ist jeweils die Gemeinnützigkeit der An-
       und Bayern führten schließlich dazu, dass der          tragsteller.

                                                                                                                  7
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                                         Das Wichtigste ist der Minderleistungsausgleich,     wegen geistiger Behinderungen in einer Werk-
                                         der inzwischen auf rund 30 Prozent der Netto-        statt für behinderte Menschen waren, schwer
                                         lohnkosten abgesenkt wurde. Das bedeutet: Ein        Hörbehinderte, Rollstuhlfahrer, Blinde. Diese
                                         schwerbehinderter Beschäftigter in einer Inte-       Gruppen sind ausdrücklich neben den seelisch
                                         grationsfirma sollte eine Leistungsfähigkeit von     behinderten Menschen im SGB IX benannt, man
                                         70 Prozent haben. Um zu ermitteln, ob das im         will die Firmen damit zu Recht zwingen, sich
                                         Einzelfall möglich oder erreichbar ist, bieten die   derer anzunehmen, die ohne ihre Hilfe keinen
                                         Unternehmen im Auftrag der Arbeitsverwaltung         Platz im normalen Arbeitsleben finden. Gesteu-
                                         die unterschiedlichsten betrieblichen Förder-        ert wird das im Einzelfall von den Integrations-
                                         maßnahmen an. Wer sich positiv entwickelt,           ämtern, die auch für die Finanzierung zuständig
                                         kann – vorausgesetzt, die Auftragslage lässt es      sind und sich nach anfänglicher Skepsis in Sa-
                                         zu – übernommen werden. Diese Perspektive ist        chen Unternehmensentwicklung zu engagierten
                                         für Motivation und Stabilität der Betroffenen        und kompetenten Behörden entwickelt haben.
                                         äußerst bedeutsam, denn viele sind schon jahre-
                                         lang von Maßnahme zu Maßnahme gereicht               Ein gewöhnliches Unternehmen mit mehr als
                                         worden.                                              19 Arbeitsplätzen muss in der Regel 5 Prozent
                                                                                              der Stellen mit schwerbehinderten Menschen
                                         Die Firmenprojekte der Gründerjahre waren ganz       besetzen, andernfalls hat es eine Ausgleichsab-
                                         auf Menschen mit psychiatrischen Vorgeschich-        gabe von monatlich bis zu 250 Euro für jeden
                                         ten ausgerichtet; hier herrschte schließlich der     nicht besetzten Pflichtplatz zu entrichten. Diese
                                         größte Nachholbedarf. Inzwischen aber haben          fließt in den Ausgleichsfonds, aus dem die Hilfen
                                         auch andere Gruppen von Behinderten den Weg          für die berufliche Eingliederung schwerbehin-
                                         in die Firmen gefunden: Menschen, die früher         derter Arbeitnehmer gefördert werden. Für die
                                                                                              Integrationsämter stehen davon jährlich rund
                                                                                       29,4   500 Millionen Euro zur Verfügung, davon wen-
             30           Integrationsunternehmen sind in                                     den sie rund 10 Prozent für die Integrations-
                          vielen Branchen aktiv                                               firmen auf.
             25           (Angaben in Prozent)
                                                                                              Das Aufkommen aus der Ausgleichsabgabe
                                                                                              schwankt und stagniert. Dies setzt der Weiter-
             20                                                                               entwicklung der Firmen trotz des großen Bedarfs
                  16,4                                                                        und trotz vieler solider Neugründungspläne in
                                                                                              manchen Regionen Grenzen. Die Politik hat
             15
                          11,2                                                                daher die Aufgabe, diesen Engpass durch Er-
                                  9,5                                                         schließung anderer Geldquellen zu beseitigen;
             10                           8,2
                                                           7,2                                ein erster – leider nicht konsequent umgesetzter
                                                   6,9
                                                                    5,9                       – Schritt in diese Richtung ist die Zahlung von
                                                                            5,3
                                                                                              Minderleistungsausgleich aus dem Budget der
              5
                                                                                              Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende

              0
                                  ie

                                 te

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                                                                    els

                                                                   ent

                                                                    ng

                                                                   bau

                                                                     n

                                                                                         e
                                                                                     stig
                               che

                                                                 nge
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                              ärk

                                                                eitu
                                                                Hot

                                                                em

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                                                                                  Son
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                                                             istu
                         telm

                                                           nag

                                                            arb

                                                          sch
                       Gro

                                                         stle
                       Gas

                      mit

                                                       llbe
                                                       Ma

                                                      and

                                                     ien
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                   ens

                                                   eta
                                                 ility

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                tine

                                               ried
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                                            z-/M
                                             Fac

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                                           ust
                                         Hol

                                        Gar

                                        Ind
Integrations betriebe - in Frankfurt am Main
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                                                                   Editorial

       (SGB II/§16e). Eine andere Quelle sehen Fach-             Die meisten Integrationsprojekte sind gemein-
       leute in der Eingliederungshilfe (SGB XII), die           nützig. Die dadurch möglichen Steuervorteile er-
       dann zu zahlen ist, wenn ein Betroffener eine             halten sie, wenn sie mindestens 40 Prozent der
       Förderung in einer Werkstatt für behinderte               Stellen mit schwerbehinderten Menschen beset-
       Menschen beanspruchen kann, aber lieber wo-               zen. Voraussetzung für die Anerkennung der
       anders tätig ist. Einen Teil dieser Mittel kann er        Förderungsfähigkeit durch die Integrationsäm-
       in Rheinland-Pfalz und auch Niedersachsen als             ter ist eine Quote von 20 Prozent.
       „Persönliches Budget“ nehmen und sich damit
       quasi einen Job auf dem allgemeinen Arbeits-              Durch die Länderprogramme in Rheinland-Pfalz
       markt kaufen. Wer das Inklusions-Gebot der UN-            und Nordrhein-Westfalen konnten erfreulicher-
       Konvention zu den Rechten behinderter                     weise auch Unternehmen dazu gewonnen wer-
       Menschen ernst nimmt, kommt kaum darum                    den, intern Ingegrationsabteilungen zu gründen.
       herum, derartige Alternativen zu nutzen. Wie an-          Ein weiterer wichtiger Zuwachs findet statt
       ders soll das Recht der Betroffenen, sich ihren           durch die Gründung von Integrationsbetrieben
       Arbeitsort frei zu wählen, möglichst mitten im            durch Werkstätten für behinderte Menschen, die
       normalen Arbeitsleben, umgesetzt werden?                  sich damit „zukunftsfester“ machen, weil sie den
                                                                 Betroffenen mehr Alternativen bieten können.
       An Betätigungsfeldern für Integrationsbetriebe
       herrscht kein Mangel. Standen in den Gründer-             Der Wirtschaftskrise 2009/10 haben die Firmen
       jahren industrielle Serviceaufgaben im Vorder-            erstaunlich gut standgehalten, es gab nur ganz
       grund, so gibt es jetzt – siehe Grafik – einen breit      wenige Insolvenzen. Der Geschäftsführer der
       gefächerten Branchenmix. Sozial- und kommu-               Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsfirmen
       nalpolitisch interessant und zukunftsträchtig             Anton Senner: „Die Betriebe sind es seit ihrer
       sind dabei nicht zuletzt Projekte zur Stabilisie-         Gründung gewohnt, hart an den wechselnden
       rung der Infrastruktur in benachteiligten Stadt-          Winden des Marktes zu segeln. Da sie klein sind,
       teilen und ländlichen Regionen, z. B. durch               meist mehrere Geschäftsfelder haben, können
       Betrieb kleiner oder mobiler Supermärkte (rol-            sie sich relativ schnell auf neue Situationen ein-
       lende Dorfläden), Übernahme pflegeergänzen-               stellen.“
       der häuslicher Dienstleistungen, Pflege von
       Gärten und Wohnsiedlungen, Betrieb von Ho-                Die Bundesarbeitsgemeinschaft Integrationsfir-
       tels, Cafeterias und Kantinen (Museen, Behörden           men appelliert an Kommunen und Behörden,
       etc.). Zunehmend entdecken große Träger von               Vergaben so zu gestalten, dass soziale Unterneh-
       Sozial- und Gesundheitseinrichtungen, dass es             men eine Chance haben. Das neue Vergaberecht
       günstiger (und sozialer!) ist, Dienstleistungen           lässt dies ausdrücklich zu. Es gibt zu diesem
       nicht outzusourcen, sondern einer dafür ge-               Thema Arbeitshilfen des Städtetages, des Bun-
       schaffenen Integrationsabteilung oder Integrati-          desarbeitsministeriums und der Europäischen
       onsfirma zu übertragen. Sie bleiben damit Herr            Union
       des Geschehens und können gleichzeitig Stellen
       für ihre Klienten schaffen.

                                                                                                                      9
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                              Cook Company
Integrations betriebe - in Frankfurt am Main
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                                                                  Cook Company

                                                                 „Es macht Freude, dass wir
                                                                eine gute Leistung erzielen“

       G     äste, die das Kasino der Cook Company in
       Frankfurts Stadtteil Enkheim besuchen, betreten
                                                                tarifentlohnten Arbeitsplätzen ins Leben. Die
                                                                Cook Company, Frankfurts erste integra-
       zunächst ein Areal mit Bäumen samt Wiese und             tive Großküche, kocht nicht nur
       Gebäuden, in denen Arztpraxen sowie weitere              werktäglich ca. 1.000 Essen für
       Betriebe untergebracht sind. Dass es das Projekt         die Praunheimer Werkstätten
       Cook Company gibt, verdankt sich einer Grün-             und andere Kunden, sondern
       dung aus dem Jahre 2005, zu der sich die Praun-          betreibt auch ein Kasino.
       heimer Werkstätten gGmbH (pw), die Lebenshilfe           Nach großen ökonomischen
       Frankfurt e. V. und die Frankfurter Werkgemein-          Schwierigkeiten in den ers-
       schaft e. V. (fwg) entschlossen hatten. Der Leitge-      ten Jahren hat sich die Cook
       danke aller drei Organisationen lautet, behinderten      Company am Markt durch-
       Menschen solidarisch zu begegnen und ihnen               gesetzt und schreibt unter-
       Selbstbestimmung, Respekt sowie Teilhabe an              dessen schwarze Zahlen.
       der gesellschaftlichen Lebens- und Arbeitswelt           Dass man jetzt stolz auf das Er-
       zu verschaffen. Menschen mit einer Behinderung           gebnis täglicher Anstrengung ist, liegt
       beizustehen verlangt von denen, die das wollen,          im Wesentlichen an der engagierten Koch-
       sich individuell auf den Einzelnen einzulassen.          mannschaft und ihrem gut organisierenden Kü-
                                                                chenchef.
       Die Werkstätten für behinderte Menschen für
       diesen Personenkreis sind mit ihren Produkten            Innen- und Außensicht auf die Küche der
       und Leistungen zwar auch auf dem Markt ver-              Cook Company
       treten, doch deren Verkauf deckt nicht die kom-
       pletten Produktionskosten. Die Werkstätten sind          Patrick Lachmann, gelernter Koch, ist seit Mai
       ein Betreuungsangebot und auf finanziellen               2009 Küchenchef in der Cook Company, die täg-
       Ausgleich angewiesen. Unternehmen, die behin-            lich an die 1.000 Essen (Vollkost und auch vege-
       derten Mitarbeitern eine weitgehende Selbst-             tarisch) zubereitet. „Eloquenz ist fehl am Platze“,
       ständigkeit am ersten Arbeitsmarkt ermöglichen,          so der Chef, der anfangs die Erfahrung machte,
       gibt es nur selten.                                      dass „die Kartoffeln kommen weg“ wörtlich ver-
                                                                standen wurde. Arbeitsanweisungen teilt er in
       Ein vollständig selbstbestimmtes Leben im selbst         kleine Schritte auf, um sie erst dann im Ganzen
       gewählten Wohnumfeld samt einer motivieren-              zu geben. „Wichtig ist die Grundhaltung, jeden
       den Erwerbsarbeit muss dennoch das Ziel der              Menschen als Menschen zu verstehen. Wir un-
       Bemühungen sein. Daher riefen die drei Grün-             terscheiden die Mitarbeiter nicht nach ihren Be-
       dungsorganisationen einen solchen Betrieb mit            hinderungen, sondern danach, was einer kann.

                       Gründung
       Die Cook Company wurde 2005 von den Praunheimer Werkstätten, der Frankfurter Werkge-
       meinschaft und der Lebenshilfe Frankfurt als gemeinnützige GmbH gegründet mit dem
       Ziel, Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu bie-
       ten. Für jeden behinderten Mitarbeiter bekommt die Cook Company, die ihre Mitarbei-
       ter nach dem Tarif für Gastronomiebetriebe bezahlt, Zuschüsse vom Integrationsamt.
       Seit 2010 arbeitet das Unternehmen mit Gewinn.
                                                                                                                      11
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                                                                                           chenchef die Cook Company als Unternehmen
                                                                                           auf dem ersten Arbeitsmarkt, das seinen Ver-
                                                                                           pflichtungen nachkommen muss: „Wir arbeiten
                                                                                           für den Markt, der den Betrieb erhält. Jeden Tag
                                                                                           um 10.00 Uhr müssen die Essen raus. Wie ich zu
                                                                                           diesem Ziel komme, ist dem Kunden egal.“ Der
                                                                                           Kunde, der hauptsächlich mit den Fahrern zu tun
                                                                                           hat, die die Essen in den Thermoporten anliefern,
                                                                                           lobt dann neben der Freundlichkeit und Hilfsbe-
                                                                                           reitschaft der Fahrer auch die Pünktlichkeit.

                                                                                           Seit April 2011 wird die Friedrich-Fröbel-Schule
                                   Wir müssen herausfinden, wo sein Platz ist.“ For-       mit 150 Essen werktäglich beliefert, die „heiß,
                                   dern, aber auch fördern, ist des Kochs Devise, der      sehr heiß sogar“ ankommen, wie Monika Brandt
                                   seine Leute in Arbeitszusammenhänge einführt,           bestätigt, die die Verpflegung der Ganztags-
                                   „die sie vorher nie gemacht haben“.                     schule sicherstellt. Der Speiseplan mit drei
                                                                                           Menüs zur Auswahl wird 14 Tage vorab per Fax
                                   Vom geschenkten Vertrauen kommt viel wieder             verschickt. „Die Kinder bekommen den Speise-
                                   zurück, denn einer seiner Mitarbeiter organisiert       plan in die Klasse und dürfen ihr Gericht selbst
                                   die Großbestellung der Lebensmittel. „Er ist in         auswählen, auch die kleinen Kinder.“ Die Küche
                                   der Lage“, so der Küchenchef, „komplett jeden           der Cook Company hat die Küchenleiterin über
                                   Artikel zu bestellen, den wir in der Großküche          ihre Raumaufteilung beeindruckt: „Da ist alles
                                   benötigen.“ Lachmann hält viel von seiner               klar gegliedert, alles hat seine Ordnung. Man
                                   Mannschaft: „Manche sind so gut, dass sie in ein        sieht, was wo gemacht wird.“ Das Wichtigste ist
                                   anderes Unternehmen gehen könnten. Ich will             aber wohl der Geschmack der Essen, über die die
                                   sie aber nicht hergeben, und die Mitarbeiter            Kinder in einer Befragung ausgezeichnete Noten
                                   möchten auch nicht weg.“ Michael Schwarzer,             verteilten. Frau Brandt bewundert die Kochkunst,
                                   der mit zum Team gehör, und am liebsten Würst-          die das vermag.
                                   chen und Schnitzel anbrät, ist stolz auf sich und
                                   froh, dass er mit dabei ist. „Der Dank ist der
                                   Motor, der mich antreibt“, gibt der Chef zu, der
                                   sich freut, „wenn der Mitarbeiter Spaß hat und
                                   sich entwickelt.“
     Fordern und fördern ist die
                                   Weil er erst 25 Jahre ist, hat er den Vorteil, wie er
     Devise von Küchenchef
                                   selber sagt, dass er auch die relativ jungen Mit-
     Patrick Lachmann.
                                   arbeiter erreicht, die ihn auch mal ärgern dürfen
                                   und für die er Ansprechpartner für alle mögli-

                        Geschäftsfelder
        Das Hauptgeschäft des Gastronomiebetriebs ist das Catering für den Mittagstisch.
        Jeden Tag werden ca. 1.000 Essen (vegetarisch und Vollkost) zubereitet und in Thermo-
        porten ausgeliefert. In der hauseigenen Kantine bewirtet die Cook Company mit 70 bis
        100 Essen hauptsächlich Stammkunden aus dem Stadtteil Frankfurt-Enkheim. Sie richtet
        Catering für Großveranstaltungen bis zu 500 Personen aus. Sie ist HACCP-zertifiziert
        (ein Kontrollsystem für Lebensmittelsicherheit) und hat die EU-Zulassung.
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                                                                 Cook Company

                                                                 im Gespräch mit                  HOLGER MOELLER
                                                                                                  Holger Moeller, Betriebswirt mit kaufmänni-
                                                                                                  schem Hintergrund und seit 20 Jahren bei den
                                                                                                  Praunheimer Werkstätten, ist seit Gründung der
                                                                                                  Cook Company Mitglied der Geschäftsführung.

       Herr Moeller, Sie sind als Prokurist für die Cook       mand von uns hatte Erfahrung im Bereich Groß-
       Company verantwortlich. Wie kam es dazu?                küchenbetrieb, insofern mussten wir uns das ent-
       Vor sechs Jahren haben wir mit der Planung eines        sprechende Fachpersonal erst suchen und hatten
       Integrationsbetriebs begonnen. Unsere Idee war,         dabei zunächst keine glückliche Hand. Es hat also
       Menschen mit Behinderung Arbeitsplätze auf              nicht alles so reibungslos geklappt, wie wir es
       dem ersten Arbeitsmarkt zu bieten. Schon damals         wünschten. In der Folge haben wir schließlich mit
       dachten wir daran, dass es entweder ein Haus-           Patrick Lachmann einen neuen Koch und Kü-
       reinigungsbetrieb oder ein Küchenbetrieb wer-           chenleiter gefunden, der sich als absoluter
       den sollte, um uns mit den Diensten auch selbst         Glücksgriff für den kompletten Betrieb erwiesen
       versorgen zu können. Gleichzeitig wollten wir           hat. Mittlerweile schreiben wir schwarze Zahlen
       damit dem Unternehmen das finanzielle Wagnis            und konnten uns in den letzten Jahren von 13
       nehmen, das eine Gründung mit sich bringt. Wir          auf 17 Mitarbeiter vergrößern.
       haben uns dann aus Zufall für die Gastronomie
       entschieden: Eine unserer Mitarbeiterinnen hatte        Zwar sind wir wirtschaftlich noch nicht ganz ge-
       die Liegenschaft in Bergen-Enkheim entdeckt, in         sund, was die Gesamtbetrachtung der fünf Jahre
       der eine Ausbildungsküche untergebracht war.            angeht, aber wir sind mittlerweile in der Lage,
       Die Essen für unsere Werkstätten hatten wir             positive Jahresergebnisse zu erzielen und einen
       zuvor von verschiedenen Caterern bezogen und            Teil der aufgelaufenen Schulden abzutragen. Das
       manchmal auch in den Betriebsküchen selber ge-          ist sehr gut, aber die neuen sportlichen Aufga-
       kocht. Wenn wir als Integrationsbetrieb diese           ben warten schon. Die Anfangsförderungen lau-
       knapp 600 Essen an die Praunheimer Werkstät-            fen langsam aus und die Zuschüsse werden von
       ten verkaufen könnten, dann hätten wir eine             Jahr zu Jahr weniger. In diesem Jahr gibt es noch
       gute wirtschaftliche Basis, so die Überlegung. Die      einen „Restschluck“: Das heißt, in dieser Zeit
       Praunheimer Werkstätten, die Frankfurter Werk-          muss auch die Rentabilität um den Faktor wach-
       gemeinschaft und die Lebenshilfe Frankfurt              sen, um den diese Zuschüsse abnehmen. Wir
       gründeten dann 2005 die Cook Company.                   haben eine Förderquote von knapp 14 Prozent,
                                                               diese wird auf 10 Prozent sinken.
       Ist Ihr Konzept gleich aufgegangen?
       Anfangs nicht. Die ersten zwei, drei Jahre haben        Herr Lachmann muss eine hohe Konzentrations-
       wir Lehrgeld bezahlt, wirtschaftlich lagen wir          fähigkeit auf Menschen haben, nicht nur auf sei-
       hinter den Erwartungen deutlich zurück. Nie-            nen Job. Darunter verstehe ich das permanente

                       In Zahlen (2010)
       Umsatz                                                   971.000 Euro
       Personalaufwand                                          370.000 Euro
       Öffentliche Förderung                                     65.000 Euro
       Anzahl der Mitarbeiter                                        17 Personen

                                                                                                                                               13
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                                      Begleiten auch von der emotionalen Ebene her.        protokolliert und dokumentiert, die Temperatur
                                      Er muss als Betriebsleiter ein Gefühl dafür haben,   der Speisen wird gemessen. Reklamiert werden
                                      ob etwas funktioniert oder ob etwas nicht mehr       beispielsweise zu wenig Soße oder zu viel Salat.
                                      richtig läuft. Wir sind immer wieder in Testpha-     Dem gehen wir nach. Denn es kann bei aller
                                      sen, wo etwas ausprobiert wird, da kann dann         Sorgfalt schon mal passieren, dass eine Kompo-
                                      auch mal was schiefgehen. Herr Lachmann hat          nente woanders mit reingerutscht ist. Dann hat
                                      ein gutes Gespür, wann er steuernd eingreifen        der eine zu wenig, der andere zu viel Salat. Wir
                                      muss.                                                konzentrieren uns sehr auf die Rückmeldungen
                                                                                           und werten diese aus.
                                      Als Küchenbetrieb stehen Sie zudem unter der
                                      Aufsicht des Gesundheitsamts.                        Wer liefert die Essen aus?
                                      Im Prinzip stehen wir unter ständiger Beobach-       Das machen unsere Mitarbeiter nach einem
     In der hauseigenen Kantine       tung, weil wir HACCP-zertifiziert sind. Das Ge-      entsprechenden Training. Der Betriebsleiter oder
     bewirtet die Cook Company mit    sundheitsamt der Stadt Frankfurt kommt einmal        der stellvertretende Betriebsleiter begleitet den
     70 bis 100 Essen hauptsächlich   im Jahr, und da wir die EU-Zulassung erhalten        Mitarbeiter die ersten drei bis fünf Tage und
     Stammkunden aus dem Stadtteil    haben, fallen wir unter die strengste Form der       lässt ihn dann die Route selbst fahren. Wenn er
     Frankfurt-Enkheim.               Kontrolle. Wir haben eine Zulassung für die Pro-     merkt, dass alles klappt und der Mitarbeiter die
                                      duktion von maximal 1.300 Essen pro Tag.             erste Tour alleine bewältigt hat, findet nochmals
                                      Die beste Kontrolle haben wir aber über unsere       ein Gespräch statt. Wenn der Mitarbeiter bei-
                                      Kunden, die uns ein Feedback geben, wenn             spielsweise in die Werkstatt nach Praunheim
                                      etwas nicht gut läuft. Das ist eine Spannung, die    fährt, ist das eine feste Route, die jeden Tag ge-
                                      man aushalten muss. Jede Essenslieferung wird        fahren wird.

                   Blitzlicht
     Herr Moeller, was empfehlen Sie, wenn Kunden mit Personal zu tun haben, das eine
     Behinderung hat? Ganz wichtig sind klare Ansprechpartner für den Menschen mit Behinderung.
     Und dann müssen sich die Leute wohlfühlen. Das ist das, was wir auch wollen. Wer sich nicht
     wohlfühlt, erbringt keine gute Leistung. Dann sind die Trainingszeiten viel länger: Wieder-
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                                                                 Cook Company

       Sie arbeiten in einem Integrationsbetrieb, der Be-
       hinderten Anerkennung verschafft und Entwick-
       lungschancen gibt. Motiviert Sie das?
       Das motiviert mich sehr, es macht Spaß, mit
       einem Personenkreis zusammenzuarbeiten, der
       sonst nicht so viele Chancen auf dem Arbeits-
       markt hat. Gerade für jemanden, der aus dem Be-
       triebswirtschaftlichen kommt und der einen
       ökonomischen Blick auf die Dinge hat, ist es eine
       spannende Frage, wie man das hinkriegt. Das an-
       dere: Es ist einfach ein schönes Zusammenarbei-                                          Täglich werden ca. 1.000 Essen
       ten. Es macht Freude, zu sehen, dass wir eine                                            in Thermoporte verpackt und
       gute Leistung erzielen und das gesamte Team das                                          ausgeliefert.
       gute Ergebnis verantwortet und erzielt hat.

       Sehen Sie in der weltweiten Behindertenrechts-
       konvention eine Chance, dass die Wirtschaft mit
       ihren harten Umgangsformen humanere Züge
       bekommt?
       Das ist eine schwierige Frage. Wenn der ökono-
       mische Druck zu groß ist, dann handeln Men-
       schen oft ausschließlich ökonomisch. Aber was
       bemerkenswert ist: Wenn wir mit behinderten
       Menschen in solche Betriebe gehen, lockern wir
       das auf. Wir bringen diese menschliche Kompo-
       nente hinein, dieses empathische Gefühl. Wenn
       der Mitarbeiter sich im Betrieb wohlfühlt, dann                                          Die Kontrolle der Anlagen ist
       geht es ihm dort gut, und danach streben wir                                             in Großküchen besonders
       doch alle.                                                                               wichtig.

                                                                                                Cook Company gGmbH
                                                                                                Geschäftsführer Wolfgang Rhein
                                                                                                Vilbeler Landstraße 45 b
                                                                                                60388 Frankfurt am Main
                                                                                                fon 06109 I 50 47 90
                                                                                                info@cook-company.de
                                                                                                partric.lachmann@cook-company.de
                                                                                                www.cook-company.de

       holen schafft Sicherheit. Das geht nicht innerhalb von zwei, drei Monaten. Wir haben Trai-
       ningsphasen bei Einzelpersonen von über einem Jahr, und auch danach werden noch deutliche
       Fortschritte in der persönlichen Entwicklung gemacht.

                                                                                                                                15
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                                 DialogMuseum
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                                                            DialogMuseum

                                                          „Das Auge sucht, das Ohr findet“

       A    m Puls des Frankfurter Ostends, an der
       Hanauer Landstraße zwischen Ausstellungsräu-
       men von Autofirmen, Industriebetrieben und
       Party-Locations, liegt das DialogMuseum – ein
       Projekt, das den Sehenden die Welt der Blinden
       vor Augen führt. Und dabei sinnvolle Arbeits-
       plätze für Blinde schafft.

       Das Konzept – Dialog im Dunkeln
       Am Anfang stand eine soziale Vision. Der Jour-
       nalist Andreas Heinecke wird 1986 beauftragt,
       einen erblindeten Kollegen wieder einzuarbeiten.
       Durch die Arbeit mit dem blinden Kollegen än-
       dert sich seine allgemeine Sicht auf Menschen.
       Andreas Heinecke erkennt, dass Vorurteile eine
       Ursache in der Unkenntnis des anderen haben.
       Und dass die Kenntnis des anderen die Fähigkeit
       schafft, so mit ihm umzugehen, dass beide Sei-
       ten aus dem Kontakt gewinnen. Daraus entsteht
       die Idee, eine Plattform zu schaffen, auf der      nommen. 1989 finden die ersten Pilotveranstal-      Mit den Fingern lesen: Mit-
       Blinde und Sehende sich auf Augenhöhe begeg-       tungen in Frankfurt und Düsseldorf statt, es fol-   hilfe der Brailleschrift ertas-
       nen und austauschen.                               gen Anfragen aus Nachbarländern. Mittlerweile       ten Blinde Texte. Ein Raster
                                                          ist „Dialog im Dunkeln“ als Wanderausstellung       aus sechs Punkten, die wie
       Von der Ausstellung zum Museum                     an über 150 Orten in 25 Ländern präsentiert         die Sechs eines Würfels an-
       1988 beginnt Andreas Heinecke für die Stiftung     worden. Im Jahr 2000 wird in Hamburg eine           geordnet sind, gibt das Al-
       Blindenanstalt zu arbeiten. Dort entwickelt er     Dauerausstellung eingerichtet, die als Beschäfti-   phabet wieder. Erfahrene
       das Konzept für eine Ausstellung zum Thema Le-     gungsprojekt für behinderte Menschen vom            Leser können mithilfe einer
       benswelt von Blinden: In vollständig abgedun-      Senat als dauerhafte Einrichtung gefördert wird.    Braille-Kurzschrift eine Le-
       kelten Räumen führen blinde Menschen ihr           Die Gründung des DialogMuseums in Frankfurt         segeschwindigkeit nahezu
       Publikum in kleinen Gruppen durch Alltagssitua-    im Jahr 2005 ist der nächste logische Schritt.      vergleichbar der eines
       tionen, ohne dass die Besucher ihre Augen be-                                                          Sehenden erreichen.
       nutzen können. Ein Spaziergang durch einen         Das Frankfurter Modell
       Park oder das Überqueren einer Straße – ohne       Das DialogMuseum ist ein privates soziales Un-
       sehen zu können – wird so völlig neu wahrge-       ternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, neben

                      Gründung
       Das Frankfurter DialogMuseum entstand aus der weltweiten Ausstellung „Dialog im Dunkeln“.
       Die Idee dahinter ist, Sehenden die Welt der Blinden sinnlich erfahrbar zu machen, um so
       eine Basis für eine respektvolle Verständigung auf Augenhöhe zu schaffen. Darüber hinaus
       bietet das Museum Arbeitsplätze vorrangig für behinderte Menschen. Das Museum wurde am
       2. Dezember 2005 eröffnet, Träger ist die DialogMuseum GmbH.

                                                                                                                                                17
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                                                                                               Der Blindenstock, Tastsinn und Gehör ersetzen
                                                                                               die Augen. Der Besucher bewegt sich durch
                                                                                               einen Park, über eine wackelige Hängebrücke,
                                                                                               über unebenen Boden und auf dem Bürgersteig
                                                                                               einer befahrenen Straße und bekommt einen
                                                                                               völlig neuen „Blick“ auf die Alltagswelt – aus der
                                                                                               Perspektive eines Blinden.

                                                                                               Im Restaurant „Taste of Darkness“ werden Gäste
                                                                                               in völliger Dunkelheit von blinden Servicekräf-
                                                                                               ten mit kulinarischen Köstlichkeiten bewirtet –
                                                                                               die sie sich erst einmal erschmecken müssen.
                                                                                               Während die Augen keine Informationen liefern,
                                                                                               entfaltet sich der unbelastete Geschmack umso
     Dialog im Dunkeln: Die Daueraus-    seiner Idee des Dialogs zwischen Sehenden und         stärker.
     stellung macht Sehenden in sechs    Blinden insbesondere schwer behinderten Men-
     Erlebnisräumen die Welt aus der     schen einen Arbeitsplatz und die Chance auf           Im „Casino for Communication“ haben Besucher
     Perspektive der Nicht-Sehenden      einen Eintritt in den allgemeinen Arbeitsmarkt        jeden Alters an neun Spieltischen mit kooperati-
     erfahrbar.                          zu bieten. 75 Prozent des Startkapitals liefert das   ven Spielen nicht nur Spaß, sondern können ihre
                                         Integrationsamt des LWV Hessen aus Mitteln der        Fähigkeiten und Fertigkeiten zur zwischen-
                                         Ausgleichsabgabe, 5 Prozent kommen vom Blin-          menschlichen Kommunikation erproben – mit
                                         den- und Sehbehindertenbund Hessen e. V., die         Spielen, in denen nicht Glück eine Rolle spielt,
                                         restlichen 20 Prozent steuert ein Risikokapitalge-    sondern die Fähigkeit zur Zusammenarbeit.
                                         ber bei. Die ersten drei Jahre trägt sich das Un-
                                         ternehmen selbst – zu 80 Prozent aus eigener          Dieses dialogische Prinzip durchzieht alle Ein-
                                         Kraft, 20 Prozent kommen aus der Regelförde-          richtungen des Museums wie ein roter Faden
                                         rung für die Eingliederung behinderter Men-           und liefert auch die Grundlage für Workshops,
                                         schen durch die Agentur für Arbeit sowie den          Seminare und Managementtrainings im Dun-
                                         Landeswohlfahrtsverband.                              keln, die vor allem Unternehmen zum Ausbau
                                                                                               von Teamfähigkeiten nutzen. Darüber hinaus
                                         Drei Säulen                                           bieten Workshops für Schulklassen, geleitet von
                                         Das DialogMuseum gründet sich im Wesentli-            blinden Mitarbeitern und unterfüttert von päda-
                                         chen auf drei Säulen:                                 gogischem Begleitmaterial, eine Vertiefung der
                                         Das Herzstück ist die Dauerausstellung „Dialog        Auseinandersetzung mit der Welt von Blinden.
                                         im Dunkeln“. In einem lichtlosen Parcours aus
                                         sechs Erlebnisräumen, durch den man von blin-         Von der Finanzkrise zur Finanzierungskrise
                                         den Führern geleitet wird, wird die Welt der Blin-    Mit einer Auslastung von nahezu 90 Prozent und
                                         den erfahrbar gemacht. Alltägliche Situationen        400.000 Besuchern bis zum Dezember 2010 ist

                   Geschäftsfelder
     Das Museum gliedert sich in drei Bereiche: die Ausstellung Dialog im Dunkeln, das Casino for
     Communication als Erlebnisraum für kooperative Spiele und das Restaurant Taste of Darkness.
     Angeschlossen ist das Dialogcafé mit Mittagstisch, des weiteren werden Seminare, Workshops,
     Special Events und Teamtrainings für Unternehmen angeboten. Das DialogMuseum kooperiert mit
     anderen Museen, Einrichtungen und Unternehmen, u.a. mit dem Museum für Kommunikation („Dia-
     log im Stillen“) und mit dem Hotel Hessischer Hof.
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                                                                  DialogMuseum

       das Museum aus Sicht des sozialen Anliegens ein          wohl im Kultur- als auch im Sozialbereich rele-
       großer Erfolg. Aber die Ausstellung ist schlicht         vant ist, fühlt sich zunächst kein Dezernat zu-
       zu personalintensiv, als dass sie sich selbst tra-       ständig. Gelder in fünfstelliger Höhe fließen nur
       gen kann. Das Museum ist darauf angewiesen,              auf Aufforderung Roths. Erst in den Koalitions-
       in anderen Bereichen Gewinne zu erzielen. Vor            verhandlungen 2011 wird eine jährliche Unter-
       allem die an Unternehmen gerichteten Angebote            stützung von 100.000 Euro ab 2012 im Haus-
       subventionieren die Ausstellung. Als im Herbst           haltsplan festgeschrieben – bis zum Ende der Le-
       2008 die Finanzkrise Deutschland erreicht, wirkt         gislaturperiode 2016. Aus dem Oberbürgermeis-
       sich dies sofort aus. Zwar sind die Besucherzah-         terhaushalt. Danach will das Museum wieder auf
       len trotz der Krise konstant hoch, aber die Ein-         eigenen Beinen stehen.
       nahmen aus dem Unternehmensbereich gehen
       kritisch zurück. „Die Unternehmen haben stor-            Ein Ziel ganz anderer Art hat das DialogMuseum
       niert, als die Krise startete – sofort“, klagt die Ge-   bereits erreicht: Seit dem 1. Januar 2011 steht
                                                                                                                    Das Restaurant „Taste of Darkness“
       schäftsführerin Klara Kletzka.                           mit Matthias Schäfer als zweitem Geschäftsfüh-
                                                                                                                    nimmt die Gäste mit auf eine
                                                                rer ein blinder Mitarbeiter in der Verantwortung.
                                                                                                                    kulinarische Reise in völliger
       Die Möglichkeiten für das Management sind be-            Er war bisher schon für Ausstellung und Perso-
                                                                                                                    Dunkelheit.
       grenzt: Die Eintrittspreise für die personalinten-       nalführung zuständig.
       sive Ausstellung decken nicht die Kosten.
       Kostensenkungen beim Personal stoßen dort an
       ihre Grenzen, wo sie das soziale Anliegen gefähr-
       den. Schließlich geht es auch darum, reguläre
       Arbeitsplätze zu fairen Löhnen und fairen Ar-
       beitsbedingungen zu schaffen. Der einzige ver-
       tretbare Ausweg aus dem Dilemma bietet sich in
       einer Unterstützung durch die Stadt.

       „Beitrag zu einer humanen Gesellschaft“
       In dieser Situation springt die Stadt in die Bre-
       sche – in Gestalt der Oberbürgermeisterin. Für
       Petra Roth ist das Museum eine Herzensangele-
       genheit, seit sie ihre erste Runde durch die Dun-
       kelräume drehte. „Die Arbeit des DialogMuseums
       ist Sozialtherapie, ist Arbeitsmarkttherapie, ist
       Behindertenpolitik und Bildungspolitik“, so Roth.
       „Es ist ein Laboratorium, in dem all diese Dinge
       gelehrt werden können, in dem sie aber auch
       von Neublinden erlernt werden können. Damit              An neun Spieltischen haben Besucher jeden Alters im „Casino for Communication“
       ist es ein großer Beitrag zu einer humanen Ge-           nicht nur Spaß, sondern können ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Zusammen-
       sellschaft.“ Da die Arbeit des DialogMuseums so-         arbeit erproben.

                        In Zahlen
       Besucher                                               400.000 Euro (bis Dezember 2010)
       Umsatz                                               1.573.000 Euro (2009)
       Öffentliche Förderung                                  100.000 Euro (seit 2010)
       Anzahl der Mitarbeiter                                         51 (Dezember 2010), davon 60 % behindert oder
                                                                      benachteiligt, zzgl. 20 freiberufliche Mitarbeiter

                                                                                                                                                 19
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              im Gespräch mit         KLARA KLETZKA
                                      Geschäftsführerin des DialogMuseums

                                                                                                                                                Foto: Carsten P. Englert
                                      Frau Kletzka, das DialogMuseum bietet als Inte-        munikation. Das erlebt man beispielsweise im
                                      grationsbetrieb Arbeitsplätze für Blinde und an-       Dunkeln. Und natürlich werden Berührungs-
                                      dere behinderte Menschen und versteht sich als         ängste abgebaut. Wenn Sie das erste Mal mit
                                      ein sozialpolitisches Projekt?                         einem blinden Menschen im Dunkeln waren,
                                      Natürlich ist unser erstes Ziel, behinderte Men-       dann werden Sie auf jeden Fall anders auf ihn
     Markus Hanitz verlor bei         schen in Arbeit zu bringen, und zwar so, dass man      zugehen, sie werden offener sein. .
     einem Überfall sein Au-          ihre Stärken sieht und nicht ihre Schwächen. Das
     genlicht und konnte sei-         ist das Tolle bei „Dialog im Dunkeln“: Blinde sind     Glauben Sie, dass die Zusammenarbeit mit Blin-
     nen alten Beruf nicht            uns ja im Dunkeln überlegen und können so ihre         den die Empathie fördert? Mehr als die Arbeit
     mehr ausüben. Nach einer         Stärken leben und erleben. Ich habe immer wieder       mit Sehenden?
     Umschulung als Telefonist        bemerkt, wie unsere blinden Mitarbeiter hier un-       Ja. Sehr. Es ist wirklich so, dass ich dadurch
     begann er als einer von          glaublich wachsen. Das ist sehr schön zu sehen.        immer wieder in Frage gestellt werde mit dem,
     zwölf fest angestellten          Ein zweites Ziel von „Dialog im Dunkeln“ ist eine      was ich so tagtäglich tue … Wenn ich mit nicht-
     Guides beim DialogMu-            Sensibilisierung, die in die Gesellschaft wirkt. Wir   blinden Menschen rede, arbeite ich mit Händen
     seum. Seine Arbeit gefällt       haben in Hamburg eine Besucherumfrage ge-              und Füßen und mache mich so irgendwie ver-
     ihm, langfristig sieht er sie    macht. Fast 60 Prozent der Besucher haben ange-        ständlich, aber wenn ich mit einer blinden Mit-
     aber als Sprungbrett für         geben, ihr Verhalten und ihre Haltung gegenüber        arbeiterin rede, dann nutzen mir die Hände und
     eine Anstellung in seinem        Blinden habe sich durch den Besuch nachhaltig          Füße nichts, dann muss ich mich präziser aus-
     Ausbildungsbereich.              verändert                                              drücken. Und das sind Dinge, die sind in der Un-
                                                                                             ternehmenskultur auch schon angekommen.
                                      Sie vermitteln mit Ihrer Ausstellung nicht-blin-       Das merkt man bei uns auch, bei uns gibt es ein
                                      den Menschen einen Einblick in die Lebenswelt          bestimmtes Selbstverständnis im Umgang mitei-
                                      von Blinden. Was verändert sich dadurch?               nander – gemeinsam an einer Lösung arbeiten,
                                      Die Besucher sind alle sehr beeindruckt. Viele         zuhören, sich auf den anderen einstellen, die
                                      kommen aus der Ausstellung heraus und sagen,           persönlichen Stärken und Schwächen des ande-
                                      ach, wie gut, dass ich sehe – aber alle kommen         ren berücksichtigen und in das eigene Verhalten
                                      raus und sagen: Respekt! Mitleid weicht Respekt,       einbauen ...
                                      und das ist ganz entscheidend für uns, weil das        Für uns sind solche Dinge im persönlichen Um-
                                      auch die Botschaft ist: Blinde Menschen können         gang miteinander, die andere Leute erst mal er-
                                      ein sehr selbstbewusstes, sehr, sehr reiches Leben     lernen müssen, mittlerweile selbstverständlich,
                                      führen. Wir glauben, weil das Auge so dominant         die gehen irgendwann in den Alltag über. Das
                                      ist, sei das ein armseliges Leben, aber tatsächlich    glaube ich schon, dass das eine Unternehmens-
                                      haben blinde Menschen eine sehr reiche Kom-            kultur auch prägt. Empathie ist das Stichwort.

                     Blitzlicht
     „Manchmal besuchen Kinder die Ausstellung. Sie haben Angst vor der Dunkelheit. Nach dem
     Besuch der Ausstellung fürchten sie die Dunkelheit nicht mehr. Darauf bin ich stolz!“
     Ein blinder Mitarbeiter
     „Mein Mann besuchte die Ausstellung, und sie lehrte ihn, wie ich mich fühle.“
     Eine blinde Mitarbeiterin
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                                                               DialogMuseum

       Sehen Sie das DialogMuseum auch als Sprung-           blinde Mitarbeiter. Wenn Sie sehen, wie sie am
       brett für Ihre Mitarbeiter?                           PC arbeiten, wie fit sie sind … es gibt Sprachaus-
       Ja, wir sehen uns natürlich gerne für jeden blin-     gaben, es gibt Braille-Zeilen, es gibt heute so
       den, für jeden behinderten Menschen als               viele technische Möglichkeiten, die uns helfen,
       Sprungbrett, und wir schaffen ja auch hier die        das Thema Blindheit als Problem zu vergessen.
       Kontakte. Die Unternehmen sind ja auch im             Ich habe blinde Kollegen, die international arbei-
       Haus, und wir registrieren da auch eine Sensibi-      ten, die alleine unterwegs sind in der Welt, die
       lisierung. In Hamburg ist es mir geglückt, sogar      kommunikativ supergut drauf sind, ihre Infor-
       Leute direkt zu vermitteln. Hier ist es nur auf       mationen immer und überall finden … Blindsein
       Umwegen passiert, aber sehr viele Menschen, die       muss nicht automatisch heißen, dass man kei-          Öffnungszeiten:
                                                                                                                   Dialog im Dunkeln
       blind sind, haben nicht sehr große andere Chan-       nen Zugang hat zu Informationen, aber es gibt
                                                                                                                   Di bis Fr 9–17 Uhr
       cen. Unsere Kultur ist sehr visuell orientiert. Das   nach wie vor hartnäckig dieses Vorurteil. Und so-     Sa, So, Feiertag 11–19 Uhr
       macht es sehr schwer für blinde Menschen, eine        lange dieses Vorurteil sich hält, solange diese
                                                                                                                   Taste of Darkness
       andere Stelle zu finden. Wir schöpfen die Mög-        Hürde im Kopf da ist, so lange werden Personal-       Mi,Fr und Sa 19 Uhr
       lichkeiten aus, aber klar ist, dass wir nur die       entscheider jeden anderen vorziehen und nicht         Sa, So, Feiertag 11–19 Uhr
       Möglichkeiten ausschöpfen können, die sich uns        einen blinden Menschen. Warum kann ein blin-          Casino for Communication
       hier auch bieten.                                     der Mensch nicht in der Presseabteilung arbeiten      Di bis Fr 9–17 Uhr
                                                             und gute Texte schreiben? Es gibt Übersetzer, die     Sa, So, Feiertag 11–19 Uhr
       Was für Möglichkeiten sehen Sie für Blinde?           blind sind, Simultanübersetzerinnen. Es gibt          DialogCafé
       Blinde Menschen können sehr vieles machen.            Richter, die blind sind. Im Beratungsbereich gibt     Mo bis Fr 9–17 Uhr
                                                                                                                   Sa, So, Feiertag 11–19 Uhr
       Das Problem ist eher, dass die Personalentschei-      es eine Menge Leute, die blind sind. Die haben
       der es ihnen nicht zutrauen. Es gibt unglaubli-       sogar einen Vorteil gegenüber anderen: Sie las-
       che High Potentials unter den Blinden, es gibt        sen sich von Äußerlichkeiten nicht so leicht ab-
       Menschen, die sehr, sehr gut ausgebildet sind –       lenken, sie sind vielleicht dadurch etwas präziser.
       aber keinen Job bekommen. Die Hürde in das Ar-        Und sie hören besser zu. Im Beratungsgeschäft
       beitsleben ist gerade bei blinden Menschen sehr       kann das sehr wichtig sein. Ich kenne auch im
       hoch, höher noch als z.B. bei Gehörlosen.             Trainingsbereich einige sehr gute Leute, die blind    DialogMuseum
       Und wir haben tolle Leute hier. Wir haben IT-         sind.                                                 Hanauer Landstraße 137–145
       Leute hier, die eine komplette Ausbildung haben,                                                            60314 Frankfurt am Main
       wir haben Pädagogen in der Ausstellung, wir           Ich glaube, dass es heute weit mehr Berufe gibt,      fon   069 I 90 43 21 44
       haben Leute, die mehrere Sprachen beherrschen         als wir gemeinhin denken, in denen Blinde             fax   069 I 90 43 21 90
       … Also ein relativ hohes Niveau auch an Ausbil-       gleichwertige Arbeit leisten können – oder sogar      info@dialogmuseum.de
       dung. Wir haben bei uns in der Verwaltung             bessere.                                              www.dialogmuseum.de

       „Als ich anfing, als Guide zu arbeiten, sprachen wir von ‚Dialogfieber‘ – weil es wie ein
       Anstieg von Adrenalin ist – das Wachstum von Selbstbewusstsein, das Wachstum von Selbstver-
       trauen – es verändert komplett deine Sicht auf das Leben.“
       Ein blinder Mitarbeiter

                                                                                                                                                21
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                              fbb
                              Frankfurter Beschäftigungsbetrieb
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                                                              fbb

                                                            „Klare Abfolgen sind zu beachten und
                                                            Arbeitsschritte gut zu erklären.“

       D     as lichte Zweiraum-Büro der Frankfurter
       Beschäftigungsbetrieb gGmbH, die sich offiziell
       fbb nennen, befindet sich im Bürotrakt des Ge-
       bäudes von „hoffmanns höfe“ im Stadtteil Nie-
       derrad. Von hier aus werden alle Aktivitäten von
       fbb, dem ältesten Integrationsbetrieb in Frank-
       furt, gesteuert. Dass es diesen Betrieb gibt, geht
       auf eine Initiative des VdK Hessen-Thüringen zu-
       rück. Das Unternehmen fbb gewährt seit 1997
       behinderten Menschen ein reguläres und dauer-
       haftes Arbeitsverhältnis auf dem ersten Arbeits-
       markt.

       Das Unternehmen fbb gGmbH kooperiert u. a.
       mit den Reha-Werkstätten des Frankfurter Ver-
       eins und bereitet die Mitarbeiter der Werkstätten
       für den Schritt in eine weniger betreute Arbeits-    Concierge-Dienste sind einer der Tätig-
       welt vor, wenn sie sich das zutrauen. Im Gegen-      keitsbereiche des fbb.
       satz zum beschützten Werkstattumfeld erwarten
       die fbb-Mitarbeiter auch Arbeitseinsätze direkt      Die Poststelle des Staatlichen Schulamts in
       beim Kunden, wo beispielsweise der Postversand,      seiner Aufgabenvielfalt. Ein Beispiel für eine
       Telefondienste, Kopierarbeiten oder Datenver-        glückliche Konstellation.
       waltung zu erledigen sind. Den mobileren Mitar-
       beitern sind die Botendienste vorbehalten.           Seit 2007 wird die Poststelle des Staatlichen
                                                            Schulamts von Mitarbeitern des fbb geführt.
       Allen diesen Arbeiten ist eine klare Tätigkeitsab-   Herr Markus arbeitet seit Februar 2010 auf die-
       folge gemeinsam. Die Arbeitsschritte können          sem „Außenposten“ des fbb im größten Schul-
       routiniert nur eingehalten werden, wenn sie          amt Hessens mit allein 80 Personen in der
       zuvor auch gut erklärt und erprobt wurden.           Bildungsverwaltung. Diese Behörde steht in
                                                            regem Briefwechsel mit Frankfurts 160 staat-
                                                            lichen und 40 Privatschulen. „An alle 200 Schu-
                                                            len wird jeden Dienstag und Donnerstag
                                                            Schulpost verschickt“, so Herr Markus, dem die

                       Gründung
       Der Frankfurter Beschäftigungsbetrieb (fbb) wurde 1997 vom VdK in Form eines einge-
       tragenen Vereins gegründet. Der Gedanke war leitend, neben der Beschäftigung in den
       Werkstätten, eine Möglichkeit für behinderte Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu
       schaffen. 2009 wurde der Verein in eine gemeinnützige GmbH übergeführt.

                                                                                                              23
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                                                                                              auch die Kunst.“ Beispiele für nur zwei Fälle: Teil-
                                                                                              zeitanträge aus den Schulen werden per Na-
                                                                                              mensliste Sachbearbeitern zugeordnet, Post zur
                                                                                              Unterrichtsgarantie Plus „hat einen separaten
                                                                                              Verteiler, das geht alphabetisch“. Beate Krahl legt
                                                                                              Wert auf schnelle Postverteilung: „Es sind oft
                                                                                              ganz eilige Sachen dabei.“

                                                                                              Nicht alle fbb-Mitarbeiter konnten diese Anfor-
                                                                                              derung erfüllen. Die Büroleiterin, die sich
                                                                                              darüber wundert, „dass überhaupt so wenig
                                                                                              Probleme in der Zusammenarbeit vorkommen“,
                                                                                              lobt dann auch das Konfliktmanagement von
                                                                                              Herrn Wieß, der im Beschwerdefall sofort ein-
                                                                                              schreitet und Gespräche führt.

                                                                                              Dem Mann in der Poststelle, der jetzt zwischen
                                                                                              8.00 Uhr und 16.30 Uhr höchst selbstständig ar-
                                          Arbeit keineswegs langweilig wird, wie er sagt,     beitet, teilt sich die Wertschätzung der anderen
                                          weil er „täglich an die 300 bis 400 Briefe“ fran-   mit. Herrn Markus macht die Arbeit nicht nur
                                          kiert und verschickt und morgens die Eingangs-      Spaß, weil sie „Leistung abverlangt“, sondern
                                          post in 300 Fächer verteilt. „Die Zuordnung“, so    auch, weil er weiß: „Die Leute sind zufrieden mit
                                          Beate Krahl, Büroleiterin im Schulamt, „ist dann    dem, was ich mache.“ Beate Krahl bestätigt das:
                                                                                              „Bei ihm stimmt alles. Er macht die Arbeit gut –
                                                                                              das ist ja das Wichtigste. Er ist ein freundlicher,
                                                                                              aufgeschlossener und höflicher Mensch. Ich
                                                                                              kann mich nur positiv über ihn äußern. Immer
                                                                                              engagiert und voll bei der Sache.“

             Die schnelle und korrekte
           Verteilung der Post weiß die
              Büroleiterin vom Stadt-
                schulamt, Beate Krahl ,
                           zu schätzen.

                     Geschäftsfelder
       Die Tätigkeitsbereiche des fbb sind Concierge-Dienste, die Poststelle im Staatlichen
       Schulamt, Kulturprogramme und Trainingsmaßnahmen für Arbeitslose, Bürodienste und
       Botendienste sowie das Info-Telefon für einen Kunden.
fbb

                                                    im Gespräch mit                KARL H. WIEß
                                                                                   Karl H. Wieß führt die Geschäfte des
                                                                                   Unternehmens fbb. Der Betrieb beschäftigt
                                                                                   mittlerweile 30 Mitarbeiter, wobei er sich
                                                                                   auf Wachstumskurs befindet.

Herr Wieß, wie ist Ihre Unternehmensstrategie?      Das heißt, Sie öffnen sich dem Markt.
Mit Unternehmen zu kooperieren, die Aufgaben        Ja, das tun wir.
auslagern, die wir dann übernehmen. Im letzten
Jahr habe ich einen EDV-Fachmann eingestellt.       Bewerben Sie Ihre Dienste?
Obwohl wir eine kleine Organisation sind, ist mir   Wir werben nicht direkt, etwa durch Anzeigen.
bewusst, dass wir mit den heute üblichen tech-      Einmal haben wir in Rhein-Main-TV einen Ver-
nischen Mitteln arbeiten sollten.                   such gestartet, der aber keine größere Wirkung
                                                    hatte.
Ist der fbb das erste Integrationsunternehmen in
Frankfurt am Main?                                  Gehört dann die Akquisition nicht zum Konzept
Meiner Kenntnis nach ja. Hessen hat über 40         der Unternehmen insgesamt?
Integrationsunternehmen, und fünf davon sind        Das würde ich so nicht sagen. Mainfeld, unter
am Platz Frankfurt.                                 dem Dach von „kombinat“, hat beispielsweise
                                                    einen fantastischen Internetauftritt und baut
Mit welchen der vier anderen arbeiten Sie           gerade einen Kontakt zu „Bett & Bike“ auf.
zusammen?                                           Solche Aktionen gibt es im fbb nicht.
Einmal abgesehen davon, dass ich auch noch im
„kombinat“ tätig bin, arbeiten wir eng mit der      Wie finanziert sich der fbb?
DGT in Hattersheim – einem Dienstleister zur be-    Wir haben die Ausschreibung um die Poststelle
ruflichen Integration – zusammen und auch mit       des Staatlichen Schulamtes Frankfurt am Main
dem Frankfurter Verein für soziale Heimstätten,     gewonnen und beim Landeswohlfahrtsverband
der wiederum kein Integrationsunternehmen ist.      (LWV) finanzielle Unterstützung beantragen
Mit der Cook Company tauschen wir uns aus           können. Mit den Geldern wurde u. a. auch eine
und kaufen auch dort ein. Zum DialogMuseum          Frankiermaschine finanziert. Mit dieser werden
haben wir leider keine Verbindung. Sozial ver-      etwa 360 und mehr Briefe täglich frankiert. An
netzt sind wir mit den Integrationsfachdiensten     diese Unterstützung hatte der LWV seinerzeit die
Frankfurt und Rhein-Main ( Bad Homburg ), mit       Verpflichtung geknüpft, dass wir für die Dauer
der DGT in Hattersheim, mit dem Berufsbil-          von drei Jahren mindestens zwei schwerbehin-
dungswerk Frankfurt in Bad Vilbel und mit ande-     derte Menschen beschäftigen.
ren Organisationen, die ich aber nicht als
Integrationsunternehmen bezeichnen würde.

               In Zahlen (2011)
Umsatz                                               602.000 Euro
Personalaufwand                                      461.000 Euro
Öffentliche Förderung                                223.000 Euro
Anzahl der Mitarbeiter                                    30 Personen

                                                                                                                                25
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                                                                                             Mit dem Fahrrad oder dem Auto?
                                                                                             Zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

                                                                                             Übernehmen Sie auch Aufträge wie Telefon-
                                                                                             dienst in Abwesenheit?
                                                                                             Ja. Die technischen Möglichkeiten beherrscht
                                                                                             unser EDV-Mann, der sich mit den Kommunika-
                                                                                             tionsmedien auskennt. Daten werden übertragen,
                                                                                             verwaltet und die Arbeitsgänge protokolliert,
                                                                                             damit der Auftraggeber informiert wird und
                                                                                             weiß, dass alles mit rechten Dingen zugegangen
                                                                                             ist. Telefonleitungen und E-Mail-Adressen kön-
                                                                                             nen umgestellt werden.

                                                                                             Eine Heidenarbeit ist es, E-Mail-Adressen auf Ak-
                                                                                             tualität hin zu überprüfen. Machen Sie das auch?
                                                                                             Ja, aber dabei möchte ich mit aller Wertschät-
                                                                                             zung auf die Einschränkungen – 48 Prozent un-
                                                                                             serer Mitarbeiter sind behindert – zu sprechen
                                                                                             kommen. Die Aktualisierung von Adressen, die
                                                                                             Sie angesprochen haben, ist eine ideale Tätigkeit.
            Eine „Außenstelle”des fbb:   In der Poststelle?                                  Hier sind klare Abfolgen zu beachten und die
              das Staatliche Schulamt    Insgesamt, da auch eine Vertretung eingeplant       Schritte sind gut zu erklären. Der Mitarbeiter hat
                 nahe Hauptbahnhof.      werden musste. Der Raum der Poststelle ist klein,   dann auch am Abend oder am Ende der Woche
                                         da arbeitet nur ein Einziger – gewissermaßen auf    ein Erfolgsgefühl.
                                         einem Außenposten ohne Anbindung an die
                                         Mitarbeiter des Amts. Hier müssen wir stärker       Wenn die Adresse nicht mehr stimmt, das Un-
                                         persönlich betreuen, da die soziale Anbindung       ternehmen umgezogen ist oder der Ansprech-
                                         fehlt. Wir benennen einen Paten, der ihn anruft     partner die Abteilung gewechselt hat, dann kann
                                         und fragt, wie es ihm geht, und an den er sich      man im Internet recherchieren oder telefonisch
                                         wenden kann. Ich fahre auch zu ihm. Dabei ist       nachfragen.
                                         es auch wichtig, den Kontakt zum Auftraggeber       Das können sie gut arbeitsteilig machen. Wenn
                                         zu halten.                                          der Einzelne nicht anzurufen wagt, dann ma-
                                                                                             chen wir ein Team. Einer recherchiert, der andere
                                         Wie ist das mit dem Botendienst?                    ruft an.
                                         Für die Botendienste haben wir einen Mitarbei-
                                         ter, der für einen Kooperationspartner im Stadt-    Rechnet sich das wirtschaftlich?
                                         gebiet Frankfurt die Post zwischen der Zentrale     Wir hatten 2010 einen Umsatz von ca. 600.000
                                         und ihren verschieden Einrichtungen austrägt.       Euro, wobei ca. 175.000 Euro Zuschüsse einzu-

                    Blitzlicht
       Herr Wieß, was leisten Integrationsbetriebe für die Gesellschaft? Der Staat muss keines-
       wegs nur geben, wir müssen auch zurückgeben. Darüber muss eine Diskussion stattfinden.
       Wir haben ein Ziel im Auge, das müssen wir erreichen. Auch wir müssen wirtschaftlich
       sein. Wir nehmen aber hin, dass wir nicht 100 Prozent von vornherein erreichen werden.
       Zuerst kommen die behinderten Menschen, die müssen entsprechend vorbereitet werden.
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