Migration in China mit Fallbeispiel Peking - Ein Überblick

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Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten
                 Übung - Humangeographie

                       Wintersemester 2004/2005

                        Geographisches Institut
                          Universität Zürich

Migration in China mit Fallbeispiel
              Peking
                  - Ein Überblick -

VerfasserInnen:
Gianluca Miele         Andreas Christen           Jeannette Aerne
Büechliberg 3a         Tannägerterstrasse 14      Hofwiesenstrasse 279
8733 Eschenbach (SG)   8635 Dürnten               8050 Zürich
g.miele@gmx.ch         andichristen@hotmail.com   jeannette.aerne@gmx.net

Betreuung:      Astrid Jeyakumar-Grob

Abgabetermin:   Montag, 20. Dezember 2004
Inhalt

1.      Einleitung ......................................................................................................................2

2.      Entwicklung der chinesischen Städte als Ursache für die
        Binnenmigration.........................................................................................................3
2.1 Ausgangslage.................................................................................................................... 3
2.2 Situation nach der Gründung der Volksrepublik.............................................................. 3
2.3 Die Danweis...................................................................................................................... 4
2.4 Reformen...........................................................................................................................4

3.      Migrationsströme in der Volksrepublik China ...............................................5
3.1     Entwicklung des Migrationsvolumen ...............................................................................5
3.2     Interprovinzielle Migration ...............................................................................................5
3.3     Zuwanderung in Städte .....................................................................................................6

4.      Peking – Die Sozialstruktur der Immigranten ................................................8
4.1     Hintergrund .......................................................................................................................8
4.2     Tätigkeitsfelder .................................................................................................................8
4.3     Alter, Familienstand und Geschlecht ................................................................................8
4.4     Bildungsniveau..................................................................................................................9
4.5     Räumliche Verteilung .......................................................................................................9

5.      Schlussfolgerung.......................................................................................................11

6.      Literatur ......................................................................................................................12

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Migrationsströme 1985-1990 .......................................................................................6
Abb. 2: Migrationsströme 1990-1995 .......................................................................................6
Abb. 3: Migration zwischen Ortskategorien 1985-1990 ...........................................................6
Abb. 4: Migration zwischen Ortskategorien 1990-1995 ...........................................................7
Abb. 5: Innenstadt –und Vorortbezirke von Peking ...............................................................10
Tab. 1: Beschäftigungsbereiche der floating population Pekings 1999 ....................................8
Tab. 2: Bildungsstand der floating population Pekings 1999 ...................................................9

                                                                   -1-
1.   Einleitung
Die Landflucht und die Verstädterung Chinas sind viel diskutierte Themen. Immer wieder
sind Schlagzeilen zu lesen, in denen von Millionen Migranten die Rede ist.
Diese Arbeit soll einen Überblick über die Gründe und die wichtigsten Migrationsströme in
der Volksrepublik China liefern. Am Fallbeispiel Peking soll erläutert werden wie sich das
Phänomen Migration auf eine chinesische Grossstadt auswirkt.
Die zugrunde liegende Fragestellung haben wir wie folgt formuliert: Wie entstand die riesige
Binnenmigration in China und wie äussert sich dieses Phänomen in der heutigen Zeit?
Unsere Untersuchungen basieren auf einer Literaturrecherche. Da die Migration in China ein
gut erforschtes Gebiet ist, ist viel Literatur zum Thema vorhanden. Leider lässt aber die
Qualität vieler Artikel und Berichte etwas zu wünschen übrig, denn die Zahlen und Statistiken
die im Zusammenhang mit Migrationsvolumen und anderen bevölkerungsrelevanten Grössen
auftauchen, sind meistens mit Vorsicht zu geniessen. Meistens sind es Schätzungen und
Prognosen deren Berechnungsgrundlage häufig im Dunklen liegt. Bei Stichproben ist meist
eine zu geringe Anzahl der erhobenen Daten ein grosses Problem. Deshalb konnten wir keine
detaillierten Daten zum effektiven Migrations-volumen finden, die aktueller sind als die
Volkszählungen 1990 und 1995.
Ein weiteres Problem stellen begriffliche Definitionen dar. Unter Migration verstehen wir die
räumliche Mobilität verbunden mit einem registrierten Wohnsitzwechsel. Der Begriff
„floating population“ umfasst dagegen Einwohner, die sich ohne offizielle Aufenthalts-
bewilligung oder Arbeitsbewilligung in einer Stadt aufhalten.

                                            -2-
2.       Entwicklung der chinesischen Städte als Ursache für die Binnen-
         migration1

2.1 Ausgangslage
Die chinesischen Städte waren bis ins 20. Jahrhundert hinein ein Ort der herrschenden Klasse,
Stützen einer feudalen Gesellschaftsordnung. Sie waren reine Konsumentenstädte, welche
keinen Warentausch mit der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung ausübten. Das Geld,
welches in Form von Mehrwerten aus der Landwirtschaft den städtischen Vertretern zufloss,
wurde nicht in produktive Betriebe investiert, sondern für das „standesgemässe“ Leben, das
heisst für die Kunst, den Unterhalt des Kaiserhofs, usw. verwendet. Eine bürgerliche Klasse
mit eigenen unternehmerischen Tätigkeiten konnte sich in China im Gegensatz zu Europa
nicht bilden.
Der Makrokosmos spiegelte sich im Mikrokosmos. So wie China den Mittelpunkt der Welt
darstellte, war die Kaiserstadt der Mittelpunkt des Reiches. Das hierarchische Gefüge war in
der chinesischen Stadt schon an der räumlichen Struktur zu sehen. Im Zentrum befanden sich
der Kaiserpalast, die Gerichts- und Verwaltungsgebäude, usw. Darum herum gab es sehr viele
Mauern, welche ein Ausdruck der Kontrolle in den Städten sind.

2.2 Situation nach der Gründung der Volksrepublik
Im 19.Jahrhundert kamen ausländische Unternehmer und damit verbunden auch Kapital in
die, vor allem an den Küsten oder Flüssen gelegenen, chinesischen Städte. Dort bildeten sich
erste weltmarktsorientierte und davon abhängige Zentren. Dadurch wurde die bereits
geschwächte chinesische Gesellschaft weiter deformiert. Im Umfeld der ausländischen
Firmenstandorte wurde die alte Sozialstruktur langsam verdrängt. Es entstand eine neue,
westlich beeinflusste Klasse.
Die Situation der chinesischen Städte änderte sich drastisch nach der Gründung der Volks-
republik durch die kommunistische Partei im Jahre 1949. Die Städte wurden zwar immer
noch von Konsumenten dominiert, aber nach der Machtübernahme der kommunistischen
Partei, die vormals ihr Interesse vor allem auf die ländlichen Regionen gerichtet hatte, wurde
den Städtern nun eine Führungsposition zugedacht. Die urbanen Zentren wurden in erster
Linie als kostengünstige Standorte industrieller Entwicklung gesehen.
Die Investitionen zu Gunsten der zentral gesteuerten Urbanisierung sollten so gering wie
möglich gehalten werden. Einerseits wurde der Wohnungsbau vernachlässigt, andererseits
sprach man den städtischen Arbeitseinheiten (Danweis) die Kontrolle über die Arbeiter zu.
Obwohl die Lebensbedingungen in den Städten alles andere als attraktiv waren, führte die
dort fortschreitende Industrialisierung zu einem immer grösser werdenden Migrantenstrom.
Bald gab es Massnahmen um diese Land-Stadt-Migration zu verhindern, welche zu immensen
wirtschaftlichen- und versorgungstechnischen Problemen geführt hatte.

1
    Dieses Kapitel basiert weitgehend auf Taubmann (1999, S.182-190).

                                                     -3-
Man führte 1958 die bis heute gültige Haushaltsregistrierung ein und spaltete damit die
chinesische Bevölkerung in einen ländlichen und einen städtischen Teil. Je nach Dauer-
wohnsitz wurden die Menschen registriert. Der Haushaltsstatus wurde über die Mutter
vererbt, weil es für Frauen erheblich schwerer war, einen städtischen Arbeitsplatz zu
finden als für Männer (Hein, 1988, S.12ff). Diese Vorgäne wurden strengstens überwacht und
waren somit ein fast unüberwindbares Hindernis für die ländliche Bevölkerung. Die Wander-
bewegung in die Städte wurde dadurch fast gänzlich unterbunden. Die Städter wurden an
ihre Stellen gebunden und die Möglichkeiten zu einem Berufs- oder Arbeitsplatzwechsels
waren gering.

2.3 Die Danweis
Die Danweis sind städtische Arbeitseinheiten, wobei es profitorientierte (z.B. Produktions-
betriebe), non-profit- oder nicht-produktive (z.B. kulturelle Organisationen) und admini-
strative Einheiten wie Schulen, Krankenhäuser, usw. gibt. Sie sind für alles zuständig. Die
Menschen, welche in ihnen arbeiten, aber auch leben, führen ein Leben hinter Mauern und in
Abhängigkeit. Dadurch werden Gehorsam und Unterordung aller Mitglieder erreicht.
Eine Danwei hat beispielsweise das Recht Personen einzustellen, zu entlassen oder an eine
andere Einheit zu transferieren. Sie muss aber auch alle notwendigen Infrastrukturen inner-
halb ihrer Einheit (Einkaufsmöglichkeiten, Spitäler, usw.) zur Verfügung stellen. Durch die
Danweis entstanden innerhalb der Städte kleine, eigenständige gesellschaftliche Einheiten, in
der sich soziale Sicherheit und soziale wie politische Kontrolle aufs engste verschränkten.

2.4 Reformen
Seit 1979 gab es drei wirtschaftliche Reformen, welche man aufteilen kann in: ländliche
Reformen, städtische Reformen und die sogenannte Öffnung nach aussen.
Die ländliche Reform beinhaltete zum Beispiel, dass die Menschen eigenes Land erhielten,
mit dem Recht, einen Teil dieses selbst zu vermarkten. Man führte wieder private Märkte ein
und es entstanden private Gewerbebetriebe. Dies führte zu einem Aufschwung der Wirtschaft
im ländlichen Raum. Die Öffnungspolitik ist primär ersichtlich in der Gründung von offenen
Wirtschaftszonen. Die weniger erfolgreichen städtischen Reformen die erst ab 1984 einsetz-
ten, beinhalteten unter anderem die Stärkung der städtischen Regierung und der staatlichen
Unternehmen.
Besonderen Einfluss auf die Entwicklung der Städte hatten aber die ländlichen Reformen.
Aus ihnen folgte wie oben bereits erwähnt ein wirtschaftlicher Aufschwung aber auch eine
grosse Bewegung ländlicher Arbeiter und Bauern die auf der Suche nach einer Beschäftigung
in die Städte strömten. Sie gehörten zu dem Teil der ländlichen Bevölkerung, der nach den
Reformen keine Arbeitsstelle in den rasch wachsenden ländlichen Betrieben fanden. Die
Regierung war nicht mehr im Stande die Kontrolle über diese Strömung zu wahren. Rund 60-
80 Mio. der freigesetzten Bauern und ländlichen Arbeiter zogen nun in die Städte auf der
Suche nach einem Arbeitsplatz.
Um das Ruder nicht ganz aus der Hand zu geben, setzte die Regierung einige Massnahmen in
Kraft. Man erlaubte der ländlichen Bevölkerung beispielsweise, in die Städte ihres eigenen

                                            -4-
Kreises zu ziehen, falls sie dort einen Wohn- und Arbeitsplatz nachweisen konnten. 1985
begann man Haushaltsregistrierungen und temporäre Registrierungskarten zu verkaufen.
Dadurch kommt es in fast allen Städten neben der offiziell registrierten Bevölkerung zu einer
relativ grossen Anzahl temporärer Einwohner, welche mit dem Begriff „floating population“
bezeichnet werden.
Heute gehört die Wanderbewegung zum Alltag in den chinesischen Städten, worauf in den
nächsten Kapiteln dieser Arbeit noch genauer eingegangen wird.

3.      Migrationsströme in der Volksrepublik China2

3.1 Entwicklung des Migrationsvolumens
Im Zensus 1990 über den Zeitraum von 1985-1990 wird von insgesamt 34 Mio. Migranten3
gesprochen, was 3.02% der Gesamtbevölkerung entspricht. Im Mikrozensus von 1995 der den
Zeitraum von 1990-1995 unersuchte, ist diese Zahl mit 32.36 Mio. bzw. 2.69% der
Gesamtbevölkerung etwas tiefer. Die Zuwanderungsrate in die Städte beträgt 10.05% im
Zensus 1990 bzw. 8.0% im Mikrozensus 1995.
Ein anderer wichtiger Indikator für Bevölkerungsbewegungen ist die Zahl der Menschen, die
sich an einem anderen als ihrem registrierten Wohnsitz aufhalten. Diese beläuft sich beim
Zensus 1990 auf 21.4 Mio. und beim Mikrozensus 1995 auf 28.3 Mio. Menschen.
Beim Vergleich der zwei Grössen fällt auf, dass das Migrationsvolumen abnimmt, die Zahl
der Menschen die sich nicht an ihrem registrierten Wohnsitz aufhalten aber zunimmt. Was auf
den ersten Blick wie ein Widerspruch aussieht, ist aber durchaus normal. Die erste Grösse
gibt das Moblitätsverhalten in einem relativ kurzen Zeitraum an, während die andere eine
kumulierte Zahl über eine nicht näher bestimmte, lange Zeit darstellt. Daraus lässt sich ein
abnehmender Migrationszuwachs schliessen.

3.2 Interprovinzielle Migration
Wenn man die Migration auf der Ebene der Provinzen im Zeitraum zwischen 1985 und 1990
anschaut, fallen vor allem zwei Dinge auf: Die Zentren der Zuwanderung sind die
Küstenprovinzen Guandong, Beijing, Shanghai und Liaoning. Die Provinz mit der höchsten
Abwanderung ist Sichuan. Von ihr gehen fast ein Viertel aller Migrationsströme von über
50'000 Menschen aus, die sich auf zahlreiche Zielregionen verteilen. Zu berücksichtigen ist
aber, dass sie die grösste Bevölkerungszahl aller Provinzen aufweist und somit am meisten
potentielle Emigranten beherbergt. Normalerweise steht aber eine Abwanderungsregion in
Bezug mit nur einer Zielregion. Die Hauptzielorte liegen in den Küstenprovinzen, obwohl es
noch einen erheblichen Anteil Binnenmigration gibt.
Ein Vergleich mit den Zahlen des Zeitraumes 1990-1995 zeigt wesentliche Änderungen in der
Migrationsstruktur. Zum einen erhöhte sich der Anteil der Migrationsströme mit über 50'000
Menschen um 20%, sowie auch der Anteil der Binnenmigration stark zunahm.
2
    Die Ausführungen in diesem Kapitel beruhen weitgehend auf Schulze (2000, S.85-138).
3
    Mit der männlichen Form ist immer auch die weibliche gemeint.

                                                     -5-
Weiterhin gleich sind die Zentren mit starker Zuwanderung, wie auch Sichuan als Provinz mit
der grössten Abwanderung.

Abbildung 1: Migrationsströme 1985-1990       Abbildung 2: Migrationsströme 1990-1995

Quelle: Schulze (2000, S.101).                Quelle: Schulze (2000, S.102).

3.3 Zuwanderung in Städte
In der Periode des Zensus 1990 macht die Land-Stadt-Wanderung 37% aller Bewegungen
aus. 60% der Zuwanderer, die in Städte kommen, stammen aus dem ländlichen Raum. Die
Abwanderung aus Gemeinden bzw. Dörfern beträgt 21.3 Mio., während die Menge der
Einwanderer in die Städte 21.2 Mio. beträgt. Daraus lässt sich schliessen, dass die
Marktstädte (in der Grösse zwischen Dorf und Stadt) in etwa die gleiche Zu- und
Abwanderung haben.
Der Trend von Land-Stadt-Migration setzt sich aber nicht in gleichem Masse fort. Die Zahlen
des Mikrozensus 1995 zeigen ein eindeutig anderes Bild.

Abbildung 3: Migration zwischen Ortskategorien 1985-1990

Quelle: Schulze (2000, S.108).

                                           -6-
Abbildung 4: Migration zwischen Ortskategorien 1990-1995

Quelle: Schulze (2000, S.109).

Städte sind weiterhin attraktiv, der wichtigste Migrationsstrom ist mit 25% aber die Stadt-
Stadt-Migration. Dies zeigt sich auch hinsichtlich der Zuwanderer in die Städte, die mit 40%
aus anderen Städten und mit 35% vom Land kommen. Gründe für diese Entwicklung gibt es
viele. Umstrukturierungen in den städtischen Staatsbetrieben führten zu vielen Entlassungen
von vergleichsweise gut qualifizierten Arbeitskräften. Eine schwierige Lage auf dem
Arbeitsmarkt verstärkte die Abwanderung der Stadtbevölkerung, die in anderen Städten ihr
Glück suchte. Ausserdem haben es Stadt-Stadt-Migranten wesentlich einfacher sich im
urbanen Umfeld zu Recht zu finden. Zusammen mit einem meist höheren Bildungsgrad, der
vielfach für eine Aufenthaltsbewilligung nötig ist, ergeben sich weniger unkalkulierbare
Risiken bei der Emigration in eine andere Stadt als bei Emigranten vom Land. Der Staat
versucht ebenfalls in die Migrationsströme einzugreifen. So gibt es zum Beispiel erleichterte
Verfahren zur Niederlassungsbewilligung, Jobbörsen oder eine Arbeitslosenversicherung für
städtische Immigranten. Zudem werden immer wieder Säuberungen der Städte durchgeführt,
bei denen viele illegal Eingewanderte ausgewiesen werden. Auch gibt es häufig gar keine
Haushaltsregistrierung, wenn nicht ein gewisses Bildungsniveau vorhanden ist.
Der Anstieg der Land-Land-Migration ist mit der Entstehung der ländlichen Kleinindustrie zu
erklären, die viele, auch ungelernte, Arbeitskräfte benötigt. Ein weiterer Punkt ist die
Heiratsmigration der Frauen, hervorgerufen durch das Entstehen von landesweiten
Heiratsmärkten.
Es lässt sich also abschliessend feststellen, dass die Veränderungen der Migrationsströme zu
einem grossen Teil auch vom Staat beeinflusst werden.

                                            -7-
4.   Peking – Die Sozialstruktur der Immigranten

4.1 Hintergrund
Die Hauptstadt der Volksrepublik China steht, wegen des deutlichen Wohlstandsgefälles
zwischen Stadt und Land, sowie zwischen verschiedenen Städten, unter gewaltigem
Bevölkerungsdruck durch ein Heer von Immigranten, die in die Stadt ziehen.
(Schnell und Nora, http://www.kulturstiftung-des-bundes.de. Zugriff: 24.11.2004)
Das chinesische Registrierungssystem, das jeden einzelnen Bürger entweder der Stadt- oder
der Landbevölkerung zuordnet, verschärft die soziale Segmentierung der Stadt. Es entstehen
sozialräumliche Spaltungen und man findet auf der einen Seite die armen, meist aus den
ländlichen Regionen stammenden Zuwanderer, und auf der anderen der schnelle Reichtum
der neuen Unternehmer. (Chan, 2000, S.17)
Die folgenden Kapitel sollen einen Einblick in Erwerbsstruktur, Arbeitsteilung,
Bildungsniveau, Familiensituation, Alter und Geschlecht der „floating population“ in Peking,
sowie deren räumliche Verteilung geben.

4.2 Tätigkeitsfelder
Die von den Wanderarbeitern ausgeführten Tätigkeiten sind überwiegend gefährlich,
schmutzig und körperlich anstrengend. (Chan, 2000, S.15)
Die Beschäftigungsbereiche der Immigranten sind festgelegt und betreffen nur Tätigkeiten im
Niedriglohnbereich, für die sich in Peking keine Arbeitskräfte finden. Servicebereich, Handel
und Gastronomie sind die überwiegenden Sektoren, gefolgt von der Bauwirtschaft und der
Industrie. Zudem liegen Arbeitssicherheit, Arbeitszeitenregelung und Entlohnung unterhalb
des Niveaus der städtischen Erwerbstätigen. (Hebel, 2004, S.29)

Tabelle 1: Beschäftigungsbereiche der „floating population“ Pekings 1999 (in %)
Beschäftigungsbereiche                          %
Bauwesen                                        6.5
Industrie und Transportwesen                   11.1
Handel und Gastronomie                         31.2
Servicebereich                                 42.2
Manager und Unternehmer                         1.5
Andere                                          7.5
Quelle: Hebel (2004, S.29).

4.3 Alter, Familienstand und Geschlecht
Die „floating population“ in Peking ist jung. Gemäss Hebel (2004, S.30) ist knapp die Hälfte
zwischen 16 und 25 Jahren alt und etwa 90% sind im Alter zwischen 15 - 39 Jahren. 60% sind
verheiratet und haben im Schnitt etwa 1.3 Kinder von denen nur 45% eine Schule besuchen
können. Dieses Phänomen ist wohl darauf zurückzuführen, dass die ländliche Bevölkerung
nach dem chinesischen Registrierungssystem selten eine Aufenthaltsberechtigung für die

                                            -8-
Stadt bekommt und somit keinen Anspruch auf städtische Leistungen wie Erziehungs- und
Gesundheitseinrichtungen sowie Versorgung mit Wohnraum hat. (Chan, 2000, S.16)
Der männliche Anteil der Immigranten macht 64-65% aus, da im Niedriglohnsektor
schmutzige und physisch strenge Arbeiten in Fabriken und auf Baustellen überwiegen. Die
Zuwanderinnen sind vor allem in schlecht bezahlten Dienstleistungsberufen und bei Arbeiten
in der Textilindustrie, wo sie „... in langen Nachtschichten ihre Nähmaschinen surren lassen“
(Bork, 1994, S.4), anzutreffen. Die Frauen, da sie überwiegend alleinerziehend sind, brauchen
ihren Verdienst um die Familie zu ernähren, während die Männer vor allem Ersparnisse für
Hochzeiten und Häuser in den Heimatorten anstreben. (Chan, 2000, S.16-17)

4.4 Bildungsniveau
Allgemein kann gesagt werden, dass das Bildungsniveau der „floating population“ bescheiden
ist, und nur 1.5% einen Hochschulabschluss haben (Hebel 2004, S.30). Jedoch verlangt der
Strukturwandel der chinesischen Städte von Industrie zu Dienstleistungen, Finanzwirtschaft
und High-Tech-Sektor, zunehmend nach Arbeitskräften mit höherem Ausbildungsstand.
Folglich stehen der Mehrheit der „floating population“ nur unsichere und schlecht bezahlte
Arbeitsplätze offen, denn nur wer besser ausgebildet ist, arbeitet in Staatsbetrieben, in der
öffentlichen Verwaltung oder gar für ein ausländisches Unternehmen. (Chan, 2000, S.16) Ob
für besser bezahlte Jobs eine offizielle Niederlassungsbewilligung nötig ist oder ob diese
durch den Arbeitgeber beschaffen wird, ist ungewiss.
Beim Vergleichen der Beschäftigungsbereiche mit dem Bildungsstand der Immigranten lässt
sich die oben erwähnte Tatsache leicht erkennen.

Tabelle 2: Bildungsstand der „floating population“ Pekings 1999 (in %)
Bildungsstand                                    %
Hochschule                                      1.5
Weiterführende Schule                            2.0
Mittel- und Oberstufe                           21.0
Unterstufe                                      66.5
Grundschule                                     7.0
Analphabeten                                     2.0
Quelle: Hebel (2004, S.29).

4.5 Räumliche Verteilung
In den drei inneren Vorortbezirken Chaoyang, Haidian und Fengtai hatten sich, nach dem
Statistischen Jahrbuch Pekings von 1995, zwei Drittel der „floating population“ nieder-
gelassen. In der Innenstadt wiesen die Oststadt, sowie die Altstadt im Bezirk Xuanwu eine
hohe Dichte auf. Chaoyang, das ein starkes Wirtschaftswachstum erlebte, war für Erstzuzüge
beliebt und hatte die höchste absolute Anzahl Zuwanderer. Daraus lässt sich ableiten, dass
Zuwanderer generell Niederlassungen in den Vororten oder am Stadtrand bevorzugen, da sie
dort bei Familien billige Zimmer mieten können. Die Bauarbeiter als Beispiel wohnen zu vier
Fünftel auf den jeweiligen Baustellen selbst und stehen am Ende der sozialen Skala. Diese

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räumliche Konzentration, die vor allem bei den Bauarbeitern zu beachten ist, führt zur
Bildung regelrechter Slumgebiete am Stadtrand. Die Beschäftigten des Dienstleistungssektors
leben jedoch zu 80% in der Innenstadt, wo sie auch ihre berufliche Tätigkeit ausüben.
Schliesslich kann festgehalten werden, dass bei den Zuwanderern in Peking ein enger
Zusammenhang zwischen Arbeitsstätten und Wohnorten vorliegt. Die meisten der
erfolgreichen (Jung-) Unternehmer bauen ihre Villen jedoch in den Vororten des Nordens und
Nordostens.
Zusammenfassend kann also eine Segregation4 Pekings beobachtet werden, denn einerseits ist
die Konzentration der Immigranten in den Vororten viel höher als in der Innenstadt, und
andererseits gibt es ein deutliches Wohlstandsgefälle zwischen den südlichen und den
nördlichen Vororten. Slums und Ghettos zeigen sich nun auch dort und werden zu drängenden
Problemen (Chan, 2000, S.18-20).

Abbildung 5: Innenstadt- und Vorortbezirke von Peking

Quelle: Chan (2000, S.18).

4
 Segregation bedeutet Ausscheidung bzw. Absonderung von andersgearteten Minderheiten.
Zu beachten ist, dass es hier nicht um eine Minderheit geht, sondern um etwa die Hälfte der Stadtbevölkerung
Pekings.

                                                    - 10 -
5.   Schlussfolgerung
Im Verlaufe der Zeit verfolgte die chinesische Regierung mit ihrer Stadtpolitik verschiedene
Ziele. Am Anfang wurde der Wandel vom reinen Konsumenten zum Produzenten angestrebt.
Somit sollte die Ungleichheit von Stadt und Land verringert werden. Durch das erhöhte
Migrationsvolumen in die Städte wurde die Regierung aber Ende der Siebziger Jahre vor
grosse Probleme gestellt. Die Städte hatten ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Somit wurden
Massnahmen zur Regulierung der Immigration getroffen, welche die Ungleichheiten
zwischen dem Land und der Stadt wieder auferstehen liessen.
Dies zeigt sich am Beispiel Peking darin, dass viele ländliche Immigranten unter sehr
schlechten Bedingungen arbeiten und leben müssen, da sie keinen Anspruch auf städtische
Dienstleistungen wie Bildung oder Gesundheitsversorgung haben. Das wiederum führt zu
einem sehr geringen Bildungsstand dieser Schicht, da der Status an die Kinder vererbt wird.
Somit ist es für die ländlichen Immigranten fast unmöglich aus dem Teufelskreis der Armut
auszubrechen.
Der wohl einzige Weg für die chinesische Regierung ist die Verringerung der Disparitäten
zwischen Stadt und Land, um die Immigration zu reduzieren und die Verarmung der Städte zu
verhindern.
Wir beziehen uns im vorliegenden Text ausschliesslich auf publizierte Dokumente und
können deshalb weder persönliche Erfahrungen schildern noch auf Beschreibungen von
Einheimischen zurückgreifen. Eine solche genauere Betrachtung des Themas war jedoch auch
nicht Ziel dieser Arbeit und wäre für den geforderten Umfang nicht sinnvoll gewesen. Wir
wollten wie bereits im Titel angedeutet nur einen Überblick und somit einen Einblick in die
ausgewählte Thematik geben. Im Besonderen wurde nicht genauer aufgezeigt, welche
Auswirkungen die Migration auf die wirtschaftliche Situation in China hat. Auch genauere
Erläuterungen der Lebenssituation der Bevölkerung sowohl in den Städten wie auf dem Land,
hätten den Rahmen dieser Arbeit gesprengt.

                                           - 11 -
6.   Literatur

Bork, Henrik (1994): Chinas unkontrollierte Landflucht. In: Tages-Anzeiger, 19.4.1999, S.4.
Zürich.

Chan, Roger et al. (2000): Immigration, neue Armut und Segregation in Peking.
In: Geographica helvetica, Nr. 1, 55. Jg., S.13-22. Zürich.

Hebel, Jutta (2004): Transformation des chinesischen Arbeitsmarktes. Gesellschaftliche
Herausforderungen des Beschäftigungswandels. Diskussionspapiere am Institut für Rurale
Entwicklung der Universität Göttingen. Göttingen.
http://wwwuser.gwdg.de/~uare/ Zugriff: 24.11.2004.

Schnell Uta / Dr. Nora (o.J.): Beijing Case – Kultur des High Speed Urbanismus. Die
kulturelle Dimension städtischen Wachstums in Peking. Kulturstiftung des Bundes in
Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Peking. o.O.
http://www.kulturstiftung-des-bundes.de/media_archive/1089966830264.pdf.
Zugriff: 24.11.2004.

Schulze, Walter (2000): Arbeitsmigration in China 1985-1995. Strukturen, Handlungsmuster
und Probleme unter besonderer Berücksichtigung der Zuwanderung in Grossstädte des
Perlflussdeltas. Institut für Asienkunde. Hamburg.

Mallee, Hein (1988): Rural-Urban Migration Control in the People‘s Republic of China.
Effects of the Recent Reform, In: China Information, Vol 2, Nr. 4, S.12ff.

Taubmann, Wolfgang (1999): Stadtentwicklung in der VR China – geschlossene und offene
Phasen der Urbanisierung. In: Raumforschung und Raumordnung, Nr. 2/3, 57. Jg., S.182-190.
Köln.

Taubmann, Wolfgang (2003): Binnenwanderung in der Volksrepublik China.
In: Geographische Rundschau, Nr. 6, 55. Jg., S.46-53. Braunschweig.

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