Migration & Integration Info - Migration & Integration Info - Caritas
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Migration & Integration Info Info 1 / Februar 2021 „Das machen wir gemeinsam“ Aktuelle Kampagne Migration & Integration S. 2 Migrationssozialarbeit Info im Wandel S. 4 Ehrenamt trotz Corona S. 5 Nähwerkstatt unter freiem Himmel: Isabel Bülter (li.) und Suna Bakalao Yoo engagieren sich ehrenamtlich – auch in Zeiten der Pandemie (mehr auf S. 5). Liebe Leserinnen und Leser, wie würden wir heute Man wagt kaum, diese Fragen zu beantworten und Szenarien dazu über die Flüchtlingszuwanderung der Jahre 2015/2016 sprechen, aufzustellen, was gewesen wäre, wenn. Klar ist, die gegenseitige Hilfe wenn sich damals jeder selbst am nächsten gewesen wäre, wenn sich und das Eintreten füreinander in jener Zeit waren gelebte Solidarität nicht viele Tausende Menschen spontan zu Unterstützung und Hilfe- und gemeinsames Handeln mit dem Ziel, Schutzsuchenden eine men- stellung für die Ankommenden entschlossen hätten? Was würden wir schenwürdige Aufnahme zu ermöglichen. heute erzählen, wenn sich nicht in ganz Deutschland ehrenamtliche Hinter all dem stand die Annahme, dass die Aufnahme nur Initiativen gebildet hätten, wenn sich Pfarrgemeinden und verband- gemeinsam gelingen kann, indem möglichst viele Akteure ihre Kom- liche Akteure, große Teile der Politik in Kommunen, Ländern und petenzen, ihre Erfahrungen und ihr Wissen einbringen. Allen Schwie- Bund nicht teils über Nacht dazu entschlossen hätten, einen solidari- rigkeiten und Widrigkeiten, allen verbalen Polarisierungen und schen Beitrag in dieser außergewöhnlichen Situation zu leisten? Wel- gesellschaftlichen Spaltungsversuchen zum Trotz haben damals sehr che Auswirkungen hätte ausbleibendes Engagement für die Ankom- unterschiedliche Akteure in herausragender Weise zusammengear- menden, für die Gesellschaft und unser Zusammenleben gehabt? beitet. Dass die Aufnahme nach den Schwierigkeiten der Anfangszeit Migration und Integration-Info 1 / Februar 2021 1
EDITORIAL weitgehend gelungen ist, liegt maßgeblich daran, dass sie gemeinsam Dies bedeutet für die Caritas, für geschafft wurde. eine Heimat in Vielfalt einzustehen Solidarität und gemeinsames Handeln sind bei gesamtgesell- und sich einzumischen in soziale schaftlichen Herausforderungen wie der Flüchtlingsaufnahme vor und gesellschaftliche Fragen in fünf Jahren oder aktuell in der Corona-Pandemie von höchster Politik und Medien. Sich gleichzei- Bedeutung. Sie müssen als Grundprinzip funktionierenden gesell- tig starkzumachen im öffentlichen schaftlichen Zusammenlebens gewertet werden, spielen sich aber Diskurs für Diversität. Diese Auf Tobias Mohr beständig ab, häufig im Kleinen, kaum sichtbar. „Das machen wir gaben sind nicht trivial, Caritas Stellv. Leiter des Referats gemeinsam“, so lautet die Botschaft der aktuellen Caritas-Kampagne. steht aber gerade dafür, komplexe Migration und Integration beim DCV in Freiburg Damit verbunden ist ein Auftrag an uns alle, an die verbandliche Cari- Auf gaben engagiert anzugehen, E-Mail: tobias.mohr@caritas.de tas und an jede(n) Einzelne(n), gemeinsam an einer Gesellschaft zu dabei ausgleichend zwischen unter- arbeiten, die möglichst vielen Menschen gute Chancen für ein gelin- schiedlichen Interessen zu wirken gendes Leben bietet. und auch pragmatische Lösungen Im Bereich Migration und Integration kann dieser Auftrag für die in den Blick zu nehmen. Caritas konkret bedeuten, Räume für Begegnung und Engagement zu Mit den Beiträgen in diesem Heft wollen wir die Caritas-Kam schaffen, um Vorbehalte abzubauen, Gemeinsamkeiten zu finden und pagne #DasMachenWirGemeinsam mit den Themen Migration, Inte- soziale Kompetenzen aufzubauen. gration und Flucht in Bezug setzen. Wir möchten aufzeigen, welche Es kann auch bedeuten, Migrationsdienste zu unterstützen. Denn Spannungen und welche kreativen Ideen es gibt, wenn es darum geht, diese sind Türöffner in die Gesellschaft und für die Gesellschaft, gemeinsam einen Beitrag für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu indem sie nicht nur individuelle Unterstützung leisten, sondern auch leisten. solidarisch in die Gesellschaft hineinwirken. Jede(r) Einzelne zählt, aber am besten „machen wir das gemein- Gemeinsames solidarisches Handeln verlangt auch, eingewander- sam“. te Menschen als potenzielle Nutzer(innen) der Dienstleistungen aller Fachbereiche noch stärker in den Blick zu nehmen. Auch für unsere Eine anregende Lektüre wünscht Ihr eigenen Einrichtungen und Dienste ist ein weitreichender Prozess der interkulturellen Öffnung erforderlich. Tobias Mohr Themenschwerpunkt einer sozialeren und gerechteren Gesellschaft zu arbeiten, die mög- lichst vielen Menschen gute Chancen für ein gelingendes Leben bie- Aktuelle Caritas-Kampagne tet. Das wird nicht von allein geschehen. Schon gar nicht in einer Zeit, „Das machen wir gemeinsam“ in der das Coronavirus viele Sicherheiten nimmt und die Lebenswei- Pflegeteams, die sich in Krankenhäusern und Altenheimen um sen vieler Menschen massiv verändert. Covid-19-Patient(inn)en kümmern, Lehrer(innen) und Eltern, die „Miteinander durch die Krise“ heißt daher auch der Schwerpunkt Homeschooling gemeinsam möglich machen, Menschen, die Masken der ersten Kampagnenphase im Frühjahr 2021, in der es um die im öffentlichen Raum tragen. Diese Beispiele zeigen, wie wichtig Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie geht. Corona hat uns gemeinsames Handeln im Kampf gegen das Virus ist. Auch für die global, lokal und privat vor Augen geführt, wie sehr wir auf andere Caritas wurde dies in den vergangenen Monaten sehr deutlich. Nur angewiesen sind. Zahlreiche arme, alte und kranke Menschen wissen, gemeinsam konnte es gelingen, einen Schutzschirm für die sozialen was es bedeutet, auf Hilfe angewiesen zu sein. Ihre Existenz hängt Einrichtungen und Dienste zu erwirken, gemeinsam haben die Teams auch davon ab, welche Unterstützung ihnen andere zukommen las- in den Caritas-Beratungsstellen die Online-Beratung massiv ausge- sen – in Form von gesetzlich geregelten Förderungen, als Dienstleis- baut. Wenn die verschiedenen verbandlichen Gliederungen zusam- tungen von Institutionen, als Hilfen von zivilgesellschaftlichen Netz- menwirken, können wir viel erreichen. werken wie Nachbar(inne)n und Verwandten. Dass Solidarität mehr „Das machen wir gemeinsam“, lautet die Botschaft der aktuellen ist als ein Schlagwort, mit dem Politiker(innen) in den Wahlkampf Caritas-Kampagne, die im Hinblick auf das 125-jährige Jubiläum des ziehen, wurde in den vergangenen Monaten auch anderen Menschen Deutschen Caritasverbandes im Jahr 2022 über zwei Jahre laufen klar: Solidarität ist der Schlüssel für gesellschaftlichen Zusammenhalt. wird. Damit verbunden ist der Auftrag an uns alle, gemeinsam an In Zeiten von Corona tritt dies ungleich deutlicher zutage: Solidarität 2 Migration und Integration-Info 1 / Februar 2021
KAMPAGNE macht ein Leben oder Überleben in und mit der Pandemie erst mög- rung investieren – oder ob wir Lücken im Sozialsystem billigend in lich. Wer konsequent eine Maske trägt, schützt nicht nur sich, son- Kauf nehmen. Und darüber, wie wir verhindern können, dass Men- dern auch die Menschen seines Umfeldes – und damit jene, für die schen durchs soziale Netz fallen. eine Infektion aufgrund von Vorerkrankungen schwere Folgen haben In Anbetracht der enormen finanziellen Ausgaben, die Bund, Län- kann. Davon profitieren beide Seiten, doch je länger die Pandemie der und Kommunen stemmen müssen, um die Folgen von Corona in dauert, desto häufiger zeigt sich, wie mühsam es sein kann, solidarisch den Griff zu bekommen, werden auch die Leistungen des Sozialstaa- zu handeln. Trittbrettfahrer(innen) setzen darauf, dass sich „die ande- tes auf dem Prüfstand stehen. Die Gefahr besteht, dass Kürzungen in ren“ an die Regeln halten und genießen „ihre Freiheiten“, Skepti- diesem Bereich die bestehende soziale Ungleichheit zementieren oder ker(innen) fühlen sich durch die Vorgaben gegängelt und in ihrer ausbauen – mit der Folge, dass die Gesellschaft als Ganzes instabiler Freiheit beschnitten. wird. Entscheidend wird also sein: Welche langfristige Unterstützung Mehrere Studien1 legen nahe, dass Corona zwar alle trifft, aber sichert der Staat Menschen in schwierigen Lebenslagen zu? nicht alle gleich. Auch in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit setzt Für die Caritas ist klar: Rat und Hilfe dürfen nicht zu einem Luxus- sich die Erkenntnis durch, dass manche sozialen Gruppen, die bisher gut werden, sondern müssen denen offenstehen, die darauf angewie- zu wenig im Fokus standen, besonders hart von den Folgen von Coro- sen sind. Für Menschen mit Migrationshintergrund ist es entschei- na betroffen sind.2 Insbesondere Menschen in prekären Lebensver- dend, dass das physische und das soziokulturelle Existenzminimum hältnissen wie Beschäftigte in der Fleischindustrie, Erntehelfer(in- umfassend gesichert werden. Außerdem sollten alle Menschen – auch nen), Betreuungskräfte in Privathaushalten, die sehr häufig einen diejenigen, die sich ohne legalen Status in Deutschland aufhalten – Migrationshintergrund haben, haben oft keine Möglichkeit, Abstand ein Anrecht auf Gesundheitsversorgung haben, ohne von Ansprü- zu halten und sich vor Ansteckung zu schützen. Ebenso ergeht es chen ausgeschlossen werden zu können. Alle ausländischen Kinder Geflüchteten in Sammelunterkünften. Sie alle leben und arbeiten in mit Aufenthaltsrecht sollten einen eigenständigen Anspruch auf Bil- beengten Verhältnissen oder nah am Menschen. Viele von ihnen dungs- und Teilhabeleistungen erhalten. Für Frauen, die als Live-in- haben keinen Zugang zu ärztlicher Versorgung. Oftmals sind Fami Carer pflegebedürftige Menschen in Privathaushalten versorgen, lien in prekären Lebensverhältnissen auch nicht in der Lage, digitale müssen reguläre Arbeitsrechtsstandards durchgesetzt werden. Geräte anzuschaffen, die ihren Kindern eine Teilnahme an Home- Die Herausforderung ist größer geworden, möglichst vielen Men- schooling-Maßnahmen ermöglichen würde. schen faire und gerechte Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Antworten auf die Fragen und Lösungen für ein gelin- gendes Zusammenleben können wir nur gemeinsam erarbeiten. Hinschauen, anpacken, Verantwortung übernehmen. Für Rechte einstehen, die Schwachen stärken, Ideen entwickeln und umsetzen: Das gelingt am besten, wenn sich verschiedene Menschen oder Orga- nisationen zusammentun. Der Kampagnenclaim ruft alle Verbände, Dienste und Einrichtungen der Caritas dazu auf, in diesem Sinne aktiv zu werden. Sprechen Sie mit Ihren beruflich und ehrenamtlich Mit- arbeitenden, mit Klient(inn)en, Patient(inn)en und Ratsuchenden, aber auch mit sozialpolitischen Akteur(inn)en und Entscheider(in- ne)n aus Politik und Gesellschaft. Lassen Sie uns gemeinsam an einer sozial gerechteren Zukunft arbeiten! Maja Roth, Marc Boos Bereich Kommunikation und Medien beim DCV in Freiburg Anmerkungen 1 S. u. a. Universität Mannheim: Die Mannheimer Corona-Studie. April 2020, www.uni-mannheim.de/gip/corona-studie/; s. auch: WZB Mitteilun- Bild DCV/pixelfit/E+/Getty Images gen: Neue Verhältnisse. Was Corona mit der Gesellschaft macht. Juni 2020, Mit dem Kampagnenmotiv „Zeigen wir Solidarität mit allen – Download per Kurzlink: https://bit.ly/395Wkrg; Bertelsmann Stiftung: oder sparen wir sie uns?“ will die Caritas darauf aufmerksam machen, Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland 2020, Download per Kurzlink: dass nicht alle Menschen in Deutschland gleichermaßen Zugang zu https://bit.ly/2Y3U6SS medizinischer Behandlung, Beratung und Hilfe haben. Sie will ins 2. Mayr, A.: Soziale Ungleichheit: Die Angreifbaren. In: Zeit online vom Gespräch kommen darüber, ob wir genug in unsere soziale Absiche- 25. November 2020. Migration und Integration-Info 1 / Februar 2021 3
KAMPAGNE 2000er-Jahren haben viele Kommunen die Bedeutung integrations- Migrationssozialarbeit im Rückblick auf ein unterstützender Angebote erkannt und halten daran fest. Neben dynamisches Jahrzehnt: Was steht jetzt an? einem Ausbau verwaltungsinterner Strukturen hat die Migrations Die Solidarität mit geflüchteten und anderen zugewanderten Men- sozialarbeit der freien Wohlfahrtspflege hiervon wesentlich durch schen sowie das daraus resultierende Engagement für „den Fremden“ eine verstärkte Förderung profitiert. ist bekanntermaßen ein Kernbestandteil der christlichen Identität Gleichzeitig bleibt jedoch die Ressourcenunsicherheit für die und damit Verpflichtung und Leitbild für die Migrationssozialarbeit Beratungsstellen bestehen. Anders als im Bereich der Schuldner- oder der Caritas. Nur in wenigen anderen Handlungsfeldern wird das Erziehungsberatung haben Zuwanderinnen und Zuwanderer kein Selbstverständnis der Caritas, als Anwältin, Dienstleisterin und Recht auf Beratung und sozialarbeiterische Unterstützung. Die von Solidaritätsstifterin für Benachteiligte tätig zu sein, in so besonderer Bund, Ländern und Kommunen zur Verfügung gestellten Mittel Weise deutlich wie in der Flüchtlings- und Integrationshilfe. Gemein- sichern bei weitem keine nachhaltige Finanzierung einer ausreichen- schaftlich mit Betroffenen und Netzwerkpartnern trägt die den und flächendeckenden Infrastruktur. Die Chancen, qualifizierte Flüchtlings- und Migrationsberatung wesentlich zu einer gelingenden Beratungsangebote vor Ort wahrnehmen zu können, sind höchst Integration bei. Über die Hilfe im Einzelfall hinaus heißt dies für die unterschiedlich verteilt. Sie hängen im Wesentlichen vom individuel- Sozialarbeit stets auch, die Folgen defizitärer Integrationsstrukturen len Engagement der Länder und Kommunen ab sowie von den Bemü- aufzufangen und gegen rechtliche und gesellschaftsbedingte Hürden hungen der Träger, zusätzliche Fördermittel für ihre Arbeit zu akqui- und Blockaden in einem hoch dynamischen Kontext anzuarbeiten. rieren oder Eigenmittel zu investieren. In den vergangenen zehn Jahren unterlag die Migrationssozial arbeit einem besonderen gesellschaftlichen, politischen und förder- Bedingungen der neuen Zusammenarbeit rechtlichen Wandel. Als kleiner Fachbereich hatte sie zunächst nur bedürfen der Klärung überschaubare Stellenanteile. Die Flüchtlings- und Migrationsbera- Letztendlich bleibt mit der Vielfalt und Uneinheitlichkeit von Förder- tungsstellen mussten an der Seite weniger ehrenamtlich Aktiver konzepten die Frage ungeklärt, wer vor Ort für die Integrationsarbeit Anfang des Jahrzehnts zäh um Bleibeperspektiven für Geduldete, zuständig sein soll und sein kann. Die Bedingungen für eine partner- Verbesserungen im Asylbewerberleistungsgesetz oder beim Etablie- schaftliche Zusammenarbeit von Kommunen, freien Trägern, Selbst ren einer Willkommenskultur ringen. Die Interessenslagen von Ver- organisationen und ehrenamtlichen Initiativen sind daher längst waltung, Bürgerschaft und Wohlfahrtspflege waren selten vollständig nicht ausgemacht. Im Gegenteil: So begrüßenswert die aktive Mitge- deckungsgleich. Mitunter gab es tiefe Gräben zwischen verwaltungs- staltung der Integrationsarbeit vor Ort durch Kommunalverwaltun- handelnden Personen und den Flüchtlingsberater(inne)n. Anwalt- gen auch ist, so sehr ist die Migrationssozialarbeit der freien Wohl- schaftliches und solidarisches Handeln an der Seite der Geflüchteten fahrtspflege über deren neue Rolle irritiert. gehörten zu den täglichen Anforderungen in der Migrationssozial Zunehmend beanspruchen die Verwaltungsbehörden für sich, die arbeit. Integrationsarbeit auf der operativen Ebene aktiv mitgestalten zu wol- len. Staatliche Stellen empfehlen sich als Leistungsträger und Leis- „Das machen wir gemeinsam“ – diese Haltung tungsanbieter aus einer Hand. Einzelfallhilfe für Zuwanderinnen und bekam 2015 einen Schub in den Kommunen Zuwanderer wird mit kommunalen Mitarbeitenden geleistet. Dies Der positiven Stimmungslage und hohen Aufnahmebereitschaft in mag Synergien bündeln, notwendige Unabhängigkeit und anwalt- den Kommunen im Sommer 2015 ging ein mühsamer und langwie- schaftliches Engagement sind jedoch nicht gewährleistet. Die bewähr- riger Veränderungsprozess voraus. Zur Bewältigung der Herausfor- ten Regelungen des Subsidiaritätsprinzips werden durch eine solche derungen vor Ort wurde nun die Notwendigkeit eines guten Mitein- Förderpolitik verstärkt ausgehebelt. Die Partnerschaft von Staat und anders aller Beteiligten erkannt und von vielen Seiten unterstützt. Die Wohlfahrtspflege in der Migrationssozialarbeit muss offensichtlich Expertise der Flüchtlingsberatungsstellen war vielfach in besonderer neu ausgehandelt werden. Weise gefragt, sowohl von behördlicher als auch von ehrenamtlicher Gerrit Hermans Seite. In vielen neu entstandenen Netzwerken entwickelte sich eine Bereichsleitung Soziale Dienste enge Zusammenarbeit auf gemeinsamer Augenhöhe zwischen Behör- Caritasverband Geldern-Kevelaer e. V. den, Sozialdiensten und bürgerschaftlichen Initiativen, die bis heute fortbesteht. Wenn auch die gegenwärtige europäische und nationale Asylpoli- tik erneut von Abschottung und Zuständigkeitsvermeidung domi- #DasMachenWirGemeinsam niert wird, so sind auf kommunaler Ebene Integrationsthemen viel stärker in den Mittelpunkt gerückt. Anders als in den 1990er- und 4 Migration und Integration-Info 1 / Februar 2021
KAMPAGNE NACHGEFRAGT Fürs Ehrenamt war 2020 ein turbulentes Jahr In Zeiten des Shutdowns: Über die viele Pauken hat sich gelohnt – die Familie darf bleiben. Wir Möglichkeiten von Ehrenamtlichen in waren alle sehr erleichtert, und die Ehrenamtliche war wahnsinnig der Hilfe für Geflüchtete sprach Elena glücklich, dass ihr freiwilliges Ehrenamt mit Erfolg gekrönt war. Knežević vom Migration & Integra Solche Geschichten haben wir im letzten Jahr mehrfach erlebt. tion-Info mit Gabriele Rabe, Ehren amtskoordinatorin in der Flüchtlings Was war 2020 noch sehr aufregend und emotional? hilfe des Orts-Caritasverbandes Durch die Schließung des Cafés hatten einige Ehrenamtliche Weimar. plötzlich eine Pause. Wir haben versucht, gemeinsam zu schauen, inwieweit Ehrenamt trotzdem möglich ist. Es gibt zum Beispiel Was war für Sie der emotionalste zwei Frauen, die jahrelang einen Deutschkurs für Frauen ehren- Moment in der Weimarer Ehrenamtskoordination? amtlich gegeben haben. Sie kamen auf mich zu, und wir haben Als wir im Sommer nach dem ersten Lockdown das Café Interna- gemeinsam geschaut, was nun in dieser Phase möglich ist. Die tional wiedereröffnet haben. Das Haus war endlich wieder belebt eine lernt gerade zusammen mit einer Flüchtlingsfrau Deutsch und laut. Das war sehr bewegend. über digitale Medien und bereitet sie so auf die nächste Prüfung vor. Die andere, eine pensionierte Ärztin, begleitet eine Frau in Was genau bedeutet das Café International für seine Gäste? ihrer Umschulung zur Altenpflegerin. 2020 erforderte sehr viel Für viele ist das Café ein sehr wichtiger Ort der Begegnung, und Flexibilität von uns. Ich hoffe sehr, dass wir auch langjährige die Geflüchteten kommen gerne hierhin. Es ist ein Ort des Aus- Ehrenamtliche halten können, die nun längere Zeit nicht mehr tauschs und geselligen Beisammenseins, wo es auch mal bei einer bei der Caritas vor Ort sein konnten. Das betrifft vor allem Frei- Runde „Mensch, ärgere dich nicht!“ zur Sache geht. Übrigens willige in der Kinderbetreuung. Wichtig ist, dass trotz der räum wäre das Café ohne die Mitarbeit von Ehrenamtlichen undenk- lichen Distanz der Kontakt zwischen Ehrenamtlichen und der bar! Denn es sind Ehrenamtliche, die Kuchen backen und spen- Caritas nicht abbricht. den und an die Gäste austeilen. Das Café ist für das Gemein- schaftsgefühl der Weimarer Flüchtlingssozialarbeit essenziell. Gab es etwas, das Sie im vergangenen Jahr beeindruckt hat? Es haben sich wahnsinnig viele junge Menschen für ein Ehrenamt Gab es 2020 eine besondere Geschichte eines Geflüchteten, die interessiert! Im ersten Lockdown mussten zum Beispiel einige ihr Sie mit uns teilen möchten? Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Ausland abbrechen, und sie frag- Oh, da gibt es mehrere Geschichten. Ich nenne mal eine: Wir ten dann bei der Caritas an. Die meisten wurden in die Online-Schü- haben eine Familie aus den Balkanstaaten, die in der Heimat Dis- lernachhilfe vermittelt. Eine junge Ehrenamtliche setzte ihr FSJ nach kriminierung aufgrund ihrer Ethnie erfahren hatte. Sie wohnen den Lockerungen dann in Frankreich im Sommer fort. Sie gab aus hier in Weimar und haben eine Aufenthaltsgenehmigung bean- der Ferne weiterhin Online-Nachhilfe. Das fand ich klasse! tragt. Da die Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer gelten und Insgesamt haben sich viele junge Menschen gemeldet und üben kein Aufenthalt genehmigt wurde, haben wir den Fall an die Här- nun ein Ehrenamt aus. Ich denke, die Pandemie ist auch eine Chan- tefallkommission gegeben. Wichtig dabei waren Fragen wie: Kann ce für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Durch die vielen Ein- die Familie ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern? Können schränkungen richten die Menschen den Blick nach innen und stel- die Familienmitglieder gut Deutsch sprechen? Etwa zur gleichen len sich die Frage: Wie kann ich anderen helfen, die von der Zeit kam eine junge und neue Ehrenamtliche auf mich zu, die Pandemie stärker betroffen sind als ich? So wurde doch ein Stück arbeitssuchend war. Sie wollte in dieser Zeit gerne etwas machen weit das Gemeinschaftsgefühl durch die Pandemie neu bestimmt. und sich gesellschaftlich einbringen. Gemeinsam mit meiner Kol- Trotz oder vor allem aufgrund des verrückten Jahres hatten wir in legin, die als Sozialarbeiterin die Familie betreut, habe ich sie dann Weimar einen starken Zuwachs an Ehrenamtlichen. zur Familie vermittelt. Sie haben mehrmals in der Woche gemein- sam Deutsch geübt. Es war wirklich ein intensives Ehrenamt. Das Frau Rabe, vielen Dank für das Gespräch! Migration und Integration-Info 1 / Februar 2021 5
PANDEMIE Pandemiefolgen für Migranten Mancherorts wurden Maßnahmen zum Schutz der Bewohner(in- nen) von Sammelunterkünften ergriffen: Zimmer sind zum Teil nicht Unsere Einwanderungsgesellschaft während mehr voll belegt; zusätzliche Kantinen und Gemeinschaftsräume und nach Covid-191 wurden eingerichtet, Bewohner(innen)räte gegründet.11 Außerdem Covid-19 hat nicht nur eine akute Gesund- führten Gerichtsverfahren dazu, dass einzelne Personen auch aus heits- und Wirtschaftskrise ausgelöst, ihren Unterkünften ausziehen durften.12 deren Ausmaß noch nicht absehbar ist, sondern seine Folgen erschwe- Bildung ren auch den Zugang zu zentralen Insbesondere in Sammelunterkünften haben geflüchtete Kinder oft Bereichen des gesellschaftlichen keinen oder nur begrenzten Zugang zu WLAN und zu Endgeräten Lebens: zur Gesundheit, zum und können dem Fernunterricht nur sehr eingeschränkt folgen. Kon- Wohnen, zur Bildung und zum zentrationsfördernde Rückzugsorte sind nur begrenzt nutzbar, haupt- Arbeitsmarkt. Besonders betroffen und ehrenamtliche Angebote oft kaum verfügbar. Viele unlängst sind Migrant(inn)en und vor allem angekommene Migrant(inn)en können ihre Kinder aufgrund man- Geflüchtete.2 Sie haben tendenziell gelnder Deutschkenntnisse oder unterschiedlicher mitgebrachter ein höheres Infektionsrisiko, einen Lernstrukturen kaum unterstützen.13 Bild Tim Reckmann/ schlechteren Zugang zu (digitaler) Bildung, Kommunen, Schulen, Haupt- und Ehrenamtliche haben versucht, pixelio und sie verlieren schneller ihre Arbeit. Wir prüfen, diese Defizite durch das Verteilen und teilweise Spenden von Endge- welche guten Praxisbeispiele die Wohlfahrtsorganisationen im Sinne räten, die Installation von WLAN und digitale Hausaufgabenunter- eines „#DasMachenWirGemeinsam“ weiterentwickeln können. stützung aufzufangen. Bei den Sprach- und Integrationskursen inves- tierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Gesundheit 40 Millionen Euro, um Lehrkräfte und Kursträger für digitale Ange- Über das ohnehin bestehende Forschungsdefizit zur Gesundheitsver- bote der Integrationskurse anzuwerben. 7000 Online-Tutorien und sorgung von Migrant(inn)en und Geflüchteten3 hinaus sind die Aus- Klassenzimmer konnten genehmigt werden, in denen fast 83.000 Ein- wirkungen der Pandemie auf diese Gruppe noch wenig bekannt. wander(innen) lernen. 220.000 Personen brachen trotzdem ihren Bekannt ist jedoch, dass migrationsspezifische Faktoren wie geringe Integrationskurs ab.1⁴ Deutschkenntnisse oder mangelnde Informationen über Versor- gungsstrukturen Zugangsbarrieren darstellen.⁴ Arbeitsmarkt Bundesländer und Kommunen haben daher Informationsmate Migrant(inn)en und Geflüchtete sind in besonderem Maße von rial in mehreren Sprachen aufgelegt. Krankenkassen übernehmen die Arbeitsplatzverlusten betroffen: Zwischen März und Juli 2020 stieg Kosten für einen Covid-19-Test auch für nicht versicherte Personen, die Arbeitslosenquote unter Drittstaatler(inne)n um 5,2 Prozent, sofern vom Gesundheitsamt veranlasst.⁵ Menschenrechtsorganisa davon um 13,4 Prozent bei Personen aus Asylherkunftsländern – im tionen haben wiederholt die Übermittlungspflicht öffentlicher Ein- Vergleich zu 2,6 Prozent bei EU-Ausländer(inne)n.1⁵ Aufgrund man- richtungen (des Sozialamts, der Gesundheitseinrichtungen) an Aus- gelnder Sprachkenntnisse, unterschiedlicher Bildungsniveaus, nicht länderbehörden für Menschen ohne Papiere kritisiert und fordern passgenauer Ausbildung oder erschwerter Berufsanerkennung ist ihr anonyme Krankenscheine, bekannt beispielsweise aus Thüringen Arbeitsmarkzugang ohnehin barrierereich. Drittstaatsangehörige, oder Berlin.⁶ vor allem Geflüchtete, arbeiten eher in von der Pandemie besonders betroffenen Berufszweigen – insbesondere im Hotel- und Gaststät- Wohnen tengewerbe.1⁶ Sie wirken häufiger in Leiharbeit, Zeitarbeit und Mini- Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts⁷ für Gemeinschaftsunter- jobs sowie in kleineren Betrieben1⁷ bei geringer Heimarbeitsmöglich- künfte werden nicht überall eingehalten.⁸ Laut einer Bielefelder Stu- keit und haben vielfach die kürzeste Betriebszugehörigkeit. die liegt das Ansteckungsrisiko dort im Mittel bei 17 Prozent; mehre- Andererseits macht die Pandemie offenkundig, dass rund 13 Pro- re Unterkünfte haben Ansteckungsraten von bis zu 67 Prozent zent der Arbeitnehmer(innen) in systemrelevanten Berufen in der EU erreicht. Es mangelt an Hygieneartikeln und Information; Distanz Migrant(inn)en sind. In Deutschland haben über 30 Prozent der im regeln sind kaum einzuhalten. Die Beratung von – oft traumatisier- Lebensmittelsektor, in der Landwirtschaft und im Reinigungsgewer- ten – Menschen ist erheblich erschwert.⁹ Kollektivquarantänen erlau- be Arbeitenden und rund 20 Prozent der im Verkehrswesen und im ben weder Kontaktnachverfolgung noch eine Trennung von öffentlichen Personenverkehr Tätigen eine ausländische Staatsbür- infizierten und nicht infizierten Personen – Schutzlücken, die zum gerschaft. Fortschritte beim Arbeitsschutz (Stichwort: Fleischindus Teil als Diskriminierung eingestuft werden.10 trie) sowie bei der Anerkennung von Abschlüssen ausländischer 6 Migration und Integration-Info 1 / Februar 2021
PANDEMIE Mediziner(innen) in einigen Bundesländern waren positive Auswir- 4. Borde, T.; Blümel, S.: Gesundheitsförderung und Migrationshintergrund. kungen.1⁸ Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. 2020. Download per Kurzlink: https://bit.ly/2LnnRLC Diskriminierung und Rassismus 5. Mediendienst Integration: Corona-Pandemie und Migration. Berlin, Seit Beginn der Pandemie werden vor allem in sozialen Netzwerken 2020. Download per Kurzlink: https://bit.ly/3b3Npb9 verstärkt aggressive, mitunter diskriminierende und sogar rassistische 6. Ebd. Diskurse gegenüber Geflüchteten und Migrant(inn)en vorangetrie- 7. Robert-Koch-Institut (RKI): Empfehlungen für Gesundheitsämter zu ben. Die Suche nach „Sündenböcken“ machte Menschen mit Migra- Prävention und Management von COVID-19-Erkrankungen in Aufnahme tionshintergrund, Migrant(inn)en und Geflüchtete zur Zielscheibe einrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Schutzsuchende (im von Hassreden, Gewaltakten und weiteren Formen der Ausgren- Sinne von §§ 44, 53 AsylG), 2020. Download per Kurzlink: https://bit.ly/ zung.1⁹ 3hHYcta Die Erkenntnis der „Systemrelevanz von Migrant(inn)en“ sowie 8. FAU Human Rights Podcast „Die Unterbringung Geflüchteter in Deutsch- die öffentliche Diskussion zu Rassismus und Diskriminierung könn- land und insbesondere Bayern“, Prof. Dr. Petra Bendel diskutiert mit Dr. ten ein Stück weit Formen von Ausgrenzung und sozialer Ungleich- Stephan Dünnwald, Lea Gelardi und Dr. Olaf Kleist. 2020. Download per Kurz- heit in den Fokus rücken. Gerade hier besteht die Notwendigkeit von link: https://bit.ly/3rOSf21 Antidiskriminierungsmaßnahmen. 9. Borzorgmehr, K.; Hintermeier, M.; Razum O.: SARS‐CoV-2 in Aufnah- meeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete: Epidemiolo- Konsequenzen für die freie Wohlfahrtspflege gische und normativ‐rechtliche Aspekte. Bielefeld: Kompetenznetz Public Health Ziel der freien Wohlfahrtspflege ist es, allen Menschen Teilhabe zu COVID‐19, 2020. Download per Kurzlink: https://bit.ly/355rGvI ermöglichen. Ihre Rolle ist auch in der Pandemie unverzichtbar, um 10. Medibüros/Medinetze: Politische Entwicklung: Kollektivquarantäne – Missstände aufzuzeigen, vulnerable Gruppen20 bedarfsorientiert zu Gesundheitsgefährdung durch sinnwidrige Maßnahmen der Behörden. 2020. unterstützen und Bedarfe an politische Entscheidungsträger zu mel- Download per Kurzlink: https://bit.ly/392UmXD den: Sie sollte immer wieder darauf hinweisen, dass Integration – ein 11. Taz Talk #31 meets DeZIM: Geflüchtete in der (Corona-)Krise. 2020. Marathon, kein Sprint – nicht den Ad-hoc-Erfordernissen von Video per Kurzlink: https://bit.ly/3o7F8Xv Covid-19 erliegen darf.21 Wissenschaft kann gute Praxisbeispiele aus- 12. Pro Asyl: Nach Sachsen jetzt das VG Münster: Infektionsschutz gilt auch findig machen. Wohlfahrt, gemeinsam mit anderen Partnern, kann für Geflüchtete! Frankfurt a. M., 2020. Kurzlink: https://bit.ly/3ocCBeP diese umsetzen. Beides bedarf eines langen Atems. 13. FAU Human Rights Podcast „Die Unterbringung Geflüchteter in Deutschland und insbesondere Bayern“, a.a.O. Prof. Dr. Petra Bendel 14. Epd/mig: Corona: 220.000 Einwanderer unterbrechen Integrationskurse. Professorin für Politische Wissenschaft Overath: Migazin, 2020. Download per Kurzlink: https://bit.ly/355AK3C Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) 15. Brücker, H.; Hauptmann, A.; Keita, S.et al.: Zuwanderungsmonitor Juli Yasemin Bekyol 2020. Nürnberg, 2020. Download per Kurzlink: https://bit.ly/3hHaKAS Wissenschaftliche Mitarbeiterin 16. Vallizadeh, E. in: Janke, C.; Bauer, J.: Corona-Pandemie: Geflüchtete FAU fürchten um ihre Jobs. Berlin: Mediendienst Integration, 2020. Download per Marlene Leisenheimer Kurzlink: https://bit.ly/3pJw2AA Studentische Hilfskraft 17. Bathke, B.: In Germany, the coronavirus disproportionally affects migrants. FAU InfoMigrants. N.p. 2020. Download per Kurzlink: https://bit.ly/3b7QQhg; Jan- ke, C.; Bauer J.: Corona-Pandemie: Geflüchtete fürchten um ihre Jobs. A.a.O. Anmerkungen 18. ODI: Key workers: Migrants' contribution to the COVID-19 response. Lon- 1. Der Beitrag basiert auf einer von der Stiftung Mercator geförderten Studie don, 2020. Download per Kurzlink: https://bit.ly/3b7KpL0 „Auswirkungen und Szenarien für Migration und Integration während und 19. Kollender, E.: Bildung für alle – oder nur für einige? COVID-19 und die nach der Covid-19-Pandemie“. Diskriminierung von „geflüchteten Kindern“ im deutschen Bildungssystem. 2. Vgl. hier und im Folgenden: Bendel, P.: Innovative or ad hoc? Practices of FluchtforschungsBlog, 2020. Kurzlink: https://bit.ly/2XaSCWF migrant integration in light of COVID-19. Brüssel: European Commission, 20. Hankiysky, O.; Kapilashrami, A.: Intersectionality offers a radical 2020. Download per Kurzlink: https://bit.ly/33J2PgD rethinking of covid-19. Thebmj, 2020. Download per Kurzlink: https://bit. 3. Altgeld, T.: Bestandsaufnahme von Interventionen (Modelle guter Praxis) ly/2LmWhOf zur Gesundheitsförderung und Prävention bei Menschen mit Migrationshin- 21. Schammann, H.; Bendel, P.; Müller, S.; Ziegler, F.; Wittchen, T.: tergrund. Berlin: GKV-Bündnis für Gesundheit, 2018. Download per Kurzlink: Zwei Welten? Integrationspolitik in Stadt und Land. Stuttgart/Berlin, 2020. https://bit.ly/2MswC7r Download per Kurzlink: https://bit.ly/3rQEpfE Migration und Integration-Info 1 / Februar 2021 7
NACHGEDACHT NACHGEDACHT Eva M. Gemeinsame Nächsten- und Fernstenliebe seit 125 Jahren Welskop-Deffaa Vorstand Sozial- „Das machen wir gemein und Fachpolitik tions-)politische Engagement der Caritas. Wir spüren, dass die beim Deutschensam“ – unter diese Über zu berücksichtigenden Ursachen und Wirkungen von Migration Caritasverbandschrift hat der Deutsche und Integration immer komplexer miteinander verbunden sind. E-Mail: vorstand. Caritasverband seine Jubi Und hinter der Vokabel „Komplexität“ verbirgt sich eine Zumu sozialpolitik@ läumskampagne gestellt. tung: „Ein System ist dann komplex, wenn man es nicht vollstän caritas.de Eine Vergewisserung. Ein dig beschreiben kann, selbst wenn man vollständige Informatio Auftrag. Eine Ermutigung auch, die Arbeit an den vielen sozialen nen über alle seine Teile hat.“ (Armin Nassehi, Corona-Lecture Brandherden und Baustellen durch tätige Hilfe einerseits und der Ludwig-Maximilians-Universität München, 15. Dezember kluge Organisation von Netzen der Solidarität andererseits auch 2020) in den nächsten 125 Jahren fortzusetzen. Die Faktoren, die den Weg der Migrant(inn)en vorzeichnen, die „Caritas wird konkret, sobald Menschen die Notlage anderer Umstände, die die Aufnahmebereitschaft des Ziellandes beein wahrnehmen und gemeinsam helfen. Das geht insofern über flussen, und die Aspekte, die den Integrationserfolg ausmachen – Nächstenliebe als persönliche Tugend hinaus, als es gemeinsam sie sind vielfältig miteinander verwoben und erzeugen Wirkun geschieht“, formulierte Prälat Hellmut Puschmann anlässlich des gen und Nebenwirkungen, die beim besten Willen nicht vollstän 100. Geburtstags des Caritasverbandes Dresden. Die gemeinsa dig zu überschauen und zu beschreiben sind. Komplex sind dabei me Antwort ist gefordert, die verbandliche und überverbandliche auch Migration und Klimawandel miteinander verwoben. Wo Vernetzung. Papst Franziskus hat das vor wenigen Wochen nach Versteppung und steigender Meeresspiegel die Existenzgrund drücklich unterstrichen. Es brauchte, so schreibt er, „auch der lagen der Menschen im globalen Süden vernichten, sind neue barmherzige Samariter ein Gasthaus zur Unterstützung“, weil er Wanderungsdynamiken die Folge. Klimaschutz gehört zum soli die Versorgung des am Wegesrand niedergeschlagenen Fremden darischen Caritas-Engagement in der einen Welt deshalb unab „momentan nicht allein schaffen konnte“. Wer dem „entfernten dingbar dazu. Bruder“ wirksam helfen will, kann das nur „durch die verschie Aufgaben der Migrationspolitik in ihrer Komplexität anzupa denen Ressourcen erreichen, die die Institutionen einer organi cken und dafür neue Allianzen zu schmieden – das ist Ermuti sierten, freien und kreativen Gesellschaft schaffen können“. gung aus der Erinnerung an die Gründung der Caritas vor 125 (Enzyklika Fratelli tutti, Randnummer 165) Jahren. Machen wir es gemeinsam! Diese Vergewisserung ist Ermutigung gerade für das (migra Eva M. Welskop-Deffaa IMPRESSUM w w w.c ar it as.d e Redaktion: PD Dr. Andrea Schlenker (verantwortlich), Elena Knežević, Klemens Bögner (neue caritas) Karlstraße 40, 79104 Freiburg Redaktionssekretariat: Christine Rautenberg, E-Mail: migration.integration@caritas.de Vertrieb: Bettina Weber, Lambertus-Verlag GmbH; Tel. 07 61/3 68 25-0, Fax: 3 68 25-33, E-Mail: neue-caritas@lambertus.de Titelfoto: OCV Weimar Nachdruck und elektronische Verwendung nur mit schriftlicher Genehmigung. Herausgegeben vom Referat Migration und Integration, Deutscher Caritasverband e. V. in Freiburg
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