MIT MACHT ÜBER ALLE MEERE - Boris Herrmann
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Y A C H T 2 — 2 0 18 DA S BESONDERE BOOT • OPEN 60 „MALIZIA“ 117 MIT MACHT ÜBER ALLE MEERE Boris Herrmann ist angekommen im OLYMP DER HOCHSEE-PROFIS. Seine „Malizia“ zählt zu den schnellsten Imocas. Mit ihr will er 2020 solo nonstop um die Welt. Wir waren bei einer Überführung an Bord Als wär’s ’ne Spazierfahrt. Der F O TO : YA N N R I O U Skipper und sein foilender Untersatz bei 15 bis 20 Knoten
Y A C H T 2 — 2 0 18 DA S BESONDERE BOOT • OPEN 60 „MALIZIA“ 119 SCHALTZENTRALE hat sich die YACHT für die Überführung Ein Imoca mit Foils ist in der Bedienung KOMPLEX. nach Le Havre eingeschifft, wo der 36-jähri- Zwischen den Niedergangsluken enden nicht weniger als 34 (!) ge Hamburger und sein Co-Skipper Thomas Ruyant Anfang November zum legendären Fallen und Strecker, alle in CONSTRICTOR-KLEMMEN belegt Transat Jacques Vabre starten werden – zweihand über den Atlantik und über den Äquator nach Salvador de Bahia. Der Schlenker zum Starthafen, einmal rund um die Bretagne, ist gute 300 Seemei- len lang. Er führt durch eines der aufre- gendsten Reviere Europas, geprägt von star- ken Gezeiten, gefürchteten Kapeffekten und im Herbst von zahlreichen Tiefdruckgebie- ten aus Westen. Genug Abwechslung, um Einblicke in die vielfältigen Herausforderun- gen eines Imoca-Skippers zu erhaschen und Erfahrungen auf seinem Arbeitsgerät zu sammeln, einem der ersten der Tragflügel- Generation – diesem in jeder Hinsicht her- Seltene Pflicht. Im Einhand- ausstechendsten Merkmal des Bootes, wel- Modus steuert meist nicht der ches dabei ist, weite Teile der Wettsegelei zu Skipper, sondern der Autopilot revolutionieren. D avor aber steht eine Plackerei, die selbst den Krawall der Ma- schine vergessen macht: Segel- setzen. Allein das Groß erfordert schon eine komplette Fitnesseinheit. Dabei ist die Crew zu dritt; zwei Mann kurbeln am Grinder – im Overdrive erst, dem längsten E s rappelt und dröhnt im Cock- sichts der gespannten Linien dieser Hochsee- Gas und Getriebe werden stattdessen über von insgesamt vier Gängen im Getriebe. Der pit, als wäre etwas kaputt. Rennyacht, ihrer Eleganz, ihrer auf Höchst- zwei Dyneema-Schlaufen bedient, vier Mil- reicht für Normalsterbliche bis zum ersten Selbst hinten an der Pinne, geschwindigkeit getrimmten Konstruktion. limeter dünn nur und leicht wie ein Watte- Drittel des 29 Meter hohen Carbonmasts. gute zwei Meter weg vom of- Kaum irgendwo erscheint der Begriff „Hilfs- bausch. Dann klettert der Segelhals merklich lang- fenen Niedergang, sprengt antrieb“ angebrachter als hier. Die Maschine Sie stecken in einer Tasche aus Segeltuch, samer hinan, bis sich zum Schluss, im kleins- NAVI-ZENTRALE SCHLAF-STATT der treckerartige Lärm jede mutet an wie ein steinzeitliches Werkzeug an einem Zwischenschott des mächtigen ten Gang, die Zeit Richtung Unendlichkeit Der Lebensraum unter Deck misst kaum Je eine Rohrkoje aus Carbon auf beiden Schmerzgrenze. Vollkommen ungedämmt, inmitten einer Raumkapsel. Haupt-Stringers, der sich durchs ganze Schiff dehnt. Kurz vor dem Topp geht der Segelhals mehr als sechs Quadratmeter. In der Mitte Seiten ist alles, was den Skipper an Komfort nur von zwei Schaumplatten leidlich abge- Mit einer Ausnahme. Der Faustkeil von zieht. Man kann die Maschine also unter nur noch zentimeterweise voran. ein drehbares Schaltpult mit PC-Monitor erwartet; darunter Wasserballast-Tanks deckt, röhrt der Dreizylinder-Lombardini im einem Motor wird nämlich nicht über einen Deck regulieren, wenn es nur darum geht, Allein würde das Setzen gut 20 Minuten Zentrum dessen, was auf normalen Booten klassischen Fahrhebel samt Drahtseilsteue- Ladestrom zu produzieren und ein bisschen dauern und in erster Erschöpfung münden – als Kajüte gelten würde. rung betätigt – das wäre zu klobig, zu schwer. Abwärme ins karge Carbon-Gehäuse zu bevor die Genua ausgerollt und der Genna- Es ist ein elender Kampf: Kraft gegen Wi- bringen. Die Leinen sind aber lang genug, ker ins Rigg gezogen wäre, was nochmal so- derstand, 30 PS Leistung gegen 7,6 Tonnen um sie auch bis ans Ende der Plicht zu füh- viel Kraft und Zeit kostet. Aber wenigstens Verdrängung. Und so klingt es auch. ren. Mit einem Alu-Karabiner an der Decke schweigt von da an der Schiffsdiesel. Bei 3600 Touren entwickelt der Einbau- eingehakt, lässt sich „Malizia“ so entspannt F O TO S : YA N N R I O U ( L . O. ) , YA C H T / J. R I E K E R ( 5, R . ) „Malizia“ ist spät fertig geworden, falls es DAS COCKPIT diesel ein akustisches Inferno, das von der aus der Hafenzufahrt dirigieren: eine Hand so etwas wie „fertig“ überhaupt gibt. Am Mit- Intensität an eine vierstrahlige Antonow an der Pinne, eine an den endlos geschore- tag lagen noch überall Werkzeugtaschen of- kurz vorm Abheben heranreicht, allerdings nen Dyneema-Bändseln. fen, herrschte konzentrierte Betriebsamkeit. mit dem rustikalen Oberton eines Bull- IST KOMPLETT Es ist nur eine dieser in ihrer Schlichtheit Drei, vier „Preparateure“, wie die Bootsleute MASCHINEN-RAUM KONTROLL-LEINE dozers. Umgekehrt proportional zum Getöse ingeniösen Detaillösungen an Bord, die zu- hier heißen, wuselten unter und über Deck, Unter dem Navigationsplatz steht völlig Um Gas und Getriebe des Einbaumotors setzt sich „Malizia“ jedoch nur äußerst be- häbig in Bewegung. GESCHÜTZT – sammengenommen einen der potentesten Open 60 aller Zeiten ergeben – unvorstellbar was eine Ahnung von der Komplexität ver- schafft, die ein moderner Open 60 mit sich ungedämmt der 30-PS-Lombardini-Diesel. Marschfahrt unter Maschine: 4,5 Knoten zu bedienen, werden bei Bedarf dünne Dyneema-Bändsel durchs Cockpit gespannt Ausgangs des Hafens La Base von Lo- rient meldet die Ultraschall-Logge des Na- ANDERS GINGE leicht, beängstigend stark, rasend schnell. Boris Herrmanns neues Boot. bringt. Jedes Boot ein Kleinunternehmen. Erst am frühen Abend geht es los. vigationssystems magere 4,5 Knoten Fahrt Um alle Eigenheiten dieses bis zum Letz- Die Sonne versinkt in grellem Orange am durchs Wasser. Ein Witz, eigentlich, ange- ES KAUM ten optimierten Boliden kennenzulernen, Horizont, als vor der Insel Groix eine alte
120 DA S BESONDERE BOOT • OPEN 60 „MALIZIA“ Y A C H T 2 — 2 0 18 Y A C H T 2 — 2 0 18 DA S BESONDERE BOOT • OPEN 60 „MALIZIA“ 121 Schwerarbeit. Es gibt nur eine Antriebssäule für vier Winschen, aber reichlich zu kurbeln Für seine Länge geriet der Rumpf sehr flach – was auch für das gleit- freudige Unterwasserschiff gilt TROTZ DER Dünung den Bug wie im Karussell anhebt Biskaya. Im Herbst. Entlang der bretoni- mich, wenn deine Wache um ist“, sagt Boris des Geschosses, das mit seinen Deckssalin- RADIKALEN wasser. Sein Pendant in Luv ist hochge- und wieder senkt. Die Wetterdaten auf dem Bordrechner, der wie so vieles hier doppelt schen Küste, deren Fischer entgegen aller Vorschriften den Einsatz von AIS schon aus Herrmann. „Und geh alle paar Minuten Aus- guck; wir sind ja recht zügig unterwegs!“ gen zwölf Meter von Backbord bis Steuer- bord misst: gut dreimal so breit wie üblich. LINIEN WIRKT klappt, um nur ja keinen unnötigen Wider- stand zu produzieren. ausgelegt ist, lassen zwar nichts Schlimmes erwarten – 5 bis 6 Beaufort aus Südwest, Konkurrenzdenken und Stolz standhaft ver- weigern, mitunter auch die ordnungsgemä- Dann verholt er sich auch schon in die Rohr- koje. Zurück bleibt der Reporter, der sich ei- Der Kiel: dreimal so tief. Und der Preis erst: Vorsichtigen Schätzungen zufolge liegt er DAS BOOT Im Windschatten der völlig überdachten Plicht ist es nahezu windstill; keine Spray langsam abnehmend. Aber bei Ouessant, ße Lichterführung. gentlich als Beobachter an Bord wähnte, nun um den Faktor 30 über dem einer durch- dringt hierher. Es wirkt, als wäre das Boot in BILDHÜBSCH F O TO S : YA N N R I O U ( L . O. ) , YA C H T / J. R I E K E R ( L . U. ) , R O L E X / C A R L O B O R L E N G H I ( R . ) diesem mystischen Außenposten der Bre- Um halb neun, als der Horizont mit dem aber als Aushilfs-Lokführer auf einem silber- schnittlichen Fahrtenyacht. mäßiger See mit 8, vielleicht 10 Knoten un- tagne (s. auch Bericht S. 24), sollen noch drei Himmel konturenlos verschwimmt, meldet grauen TGV-Schnellzug durch die mondlose Vier Millionen Euro soll der Bau der ehe- terwegs. Doch die Anzeigen an den beiden bis vier Meter Welle stehen. Und haben nicht sich der Skipper an Deck ab, kurz darauf auch Nacht jagt. maligen „Gitana 16“ gekostet haben, als sie Carbonstangen, die das Dach tragen, zeigen alle Imoca-Skipper von den geradezu bruta- Laurent Bourgués, sein Bootsmann. „Weck Es dauert einen Moment, bis die Trag- vor zwei Jahren zu Wasser ging. Nur das Bes- fast durchweg doppelt so viel Fahrt an: 13 bis len Bewegungen der neuen Foiler gespro- weite der Entscheidung alle Stadien der te war gut genug. Der Restwert dürfte bei gut 15 Knoten sind es fast immer, und sobald ei- chen, wenn es ordentlich kajolt? Schockverarbeitung passiert hat – Zweifel, drei Millionen liegen. Eine nächtliche Kolli- „Malizia“ trägt zunächst nur Genua und ne Bö einfällt, gepaart mit der richtigen Wel- Unglaube, Panik, Auflehnung, Wut, Gewiss- sion, wie sie Alex Thomson mit seiner „Hugo Groß, zusammen rund 250 Quadratmeter Se- le, klettert der Speed flugs auf 20 Knoten. B oris Herrmann angelt sich einen heit. Als klar wird, dass es sich nicht etwa um Boss“ vor Jahren einmal auf Überführungs- gelfläche – mehr als ein Tennisplatz, vertikal Kaum je fällt die Geschwindigkeit des Bootes Marker und geht am Cockpitsüll einen Scherz handelt, beherrschen zwei illu- törn widerfahren ist, steht folglich auf dem aufgespannt. Kurze Zeit später kommt der unter die des Windes; meist loggt „Malizia“ steuerbords in die Hocke. Er zieht sorische Wünsche das Denken: den Pausen- Index des absolut Undenkbaren. große Gennaker zum Einsatz, der allein fast zwei bis drei Knoten mehr, als es weht. drei vertikale Linien, die schmale knopf drücken zu können, wie bei einer DVD, Samantha Davies und Tanguy de La- 300 Quadratmeter misst. Volle Kraft voraus. „Schade, dass wir nicht die richtigen Be- Spalten ergeben, und fängt an, sie mit einer deren Spannung unerträglich wird, oder we- motte segeln auf „Initiatives Cœur“ etwa dingungen haben“, wird Boris Herrmann am D Art Formel zu füllen – die Wacheinteilung für nigstens unbehelligt von jedem Schiffsver- zehn Seemeilen schräg voraus, auch auf ei- ie Yacht mit dem Segelzeichen nächsten Morgen beklagen. „Das ist nicht die kommenden Tage. Drei Stunden „On“, kehr durch die Wache zu kommen. nem Tragflügel-Imoca. Sie waren mit der „MON 10“ gibt eine erhabene optimal zum Foilen. Wir bräuchten etwas drei Stunden „Off“, drei Stunden „SB“. Es ist Denn alles, wirklich alles hier ist mindes- ehemaligen „Maître CoQ“ von Jérémie Vorstellung ihres Könnens. Mit mehr Wind, 20 bis 25 Knoten, aus 110 Grad ein simpler Rhythmus: Wache, Freiwache, FAST IMMER ZWEISTELLIG tens respekteinflößend, wenn nicht zum Beyou, Dritter der Vendée Globe, kurz vor- ihrem surfbrettartigen Rumpf wahrem Einfallswinkel. Dann fliegen wir an Bereitschaft. Ab 15 Knoten Fahrt fühlt sich das Boot wohl, Schaudern. Segeln mal X. her ausgelaufen. Und obwohl dies nur ein bügelt sie die aufgewühlte Biskaya platt, als allen anderen nur so vorbei.“ Die L-förmigen Allerdings bedeutet die Abfolge, dass ab 20 Knoten wird es nass. Top Speed in der Die Geschwindigkeit: zwei- bis dreimal Zubringer ist, kein Rennen, will übermorgen wäre sie ein feuchtes Laken. Lediglich das Foils entfalten unter diesen Voraussetzungen „Malizia“ zwei lange Nächte und anderthalb vergangenen Saison: 31 Knoten so hoch wie auf normalen Booten. Die Zahl natürlich keine der beiden Crews als Zweite Ruder in Lee hinterlässt eine dünne Schaum- ihre größte Wirkung. Sie produzieren meh- Tage de facto einhand gesegelt wird. In der der Leinen: viermal so groß. Die Dimension vor dem Schleusentor von Le Havre stehen. spur im ansonsten glatt abreißenden Kiel- rere Tonnen Auftrieb und hebeln „Mali-
122 DA S BESONDERE BOOT • OPEN 60 „MALIZIA“ Y A C H T 2 — 2 0 18 Y A C H T 2 — 2 0 18 DA S BESONDERE BOOT • OPEN 60 „MALIZIA“ 123 STARKES DEBÜT liche aufrichtende Moment, sind sie kon- struktiv deutlich überlegen. Wurden die Foils zunächst eher skeptisch beurteilt, weil sie den Widerstand bei Leicht- wind vergrößern, die Anfälligkeit gegenüber im Wasser treibenden Gegenständen er- höhen und die Kosten noch weiter nach oben schrauben, führt inzwischen kein Weg mehr an den bis zu 400 000 Euro teuren Vollcarbon-Bauteilen vorbei. Bei der Ven- dée Globe 2016/17 segelten die vier Bestplat- zierten ausnahmslos mit Tragflügeln. Selbst Paul Meilhat, der derzeit erfolgreichste Solo- skipper auf einem herkömmlichen Open 60 („SMA“), sagte vor wenigen Wochen: „Die Zukunft gehört den Foils.“ Wer bei der Vendée Globe 2020 ernsthaft ums Podium kämpfen will, braucht ein Boot Speed-Garant. Die Verstellung vom Schlag der „Malizia“ oder muss eine äl- der Flügel soll auf „Malizia“ tere Konstruktion umrüsten, wie Jörg Rie- künftig permanent möglich sein chers und andere Skipper dies planen. Mit zwei TOP-RESULTATEN in der ersten Saison hat Boris Eine komplette Neuentwicklung wird Herrmann sein Potenzial und das des Bootes KLAR BESTÄTIGT womöglich nur der Brite Alex Thomson an A R O L E X / KU RT A R R I G O ( R . O. L . ) , J E A N- L O U I S C A R L I ( R . O. R . ) , J E A N- M A R I E L I O T ( R . U. ) den Start bringen, zuletzt Zweiter bei der So- lo-Nonstop-Regatta um die Welt. Er hat mit FASTNET RACE Havre nach Salvador de Ba- „Hugo Boss“ einen langfristig engagierten Beim britischen Hochsee- hia an der brasilianischen Sponsor, ein erfahrenes Team und gilt als ei- Klassiker, der überwiegend Küste. Zusammen mit dem ner der Favoriten. von Leichtwind geprägt war, französischen Profiskipper Vor diesem Hintergrund schätzt Boris gelang dem Hamburger Thomas Ruyant (u. r.) er- Herrmann seine Aussichten nach der ersten und seinem Co-Skipper reichte er trotz eines tak- zia“ zur Hälfte aus dem Wasser. Luftaufnah- schlossen nagelt sie die Küste längs, dass Saison auf „Malizia“ äußerst positiv ein. „Es Pierre Casiraghi der erste tischen Fehlers zu Beginn men vor der Küste von Monaco zeigen das OHNE FOILS Tonnen, Leuchttürme und Schiffe bedroh- ist absolut motivierend, die Möglichkeiten Podiumsplatz im direkten und zweier technischer Han- beängstigende Halbwind-Potenzial dieser lich schnell näherkommen – eher wie auf des Bootes zu erahnen“, resümierte er Ende Wettbewerb der Open 60. Herrmann und Pierre Ca- dicaps den vierten Platz in Maschine. HABEN IMOCAS einem Rennkatamaran als auf einem Ein- November, nur zwei Tage nach dem Ziel- Nur „SMA“ und „St. Michel- siraghi dagegen war es der einem Spitzenfeld. „Wir ha- rumpfboot. Einerseits krängt sie kaum, an- einlauf beim Transat Jacques Vabre. Er sehe Virbac“ lagen im Ziel vor erste Regattaeinsatz. ben sehr viel gelernt“, be- D HEUTE KAUM och weit weg vom Ideal segelt dererseits bockt sie im Seegang, der bei eine „unglaubliche Chance am Horizont“. „Malizia“ – was nicht ver- richtete der 36-Jährige zu- „Malizia“ auf der ersten Hälfte Nacht hinter der Abschirmung der Kanzel wundert, weil deren Stamm- TRANSAT JACQUES VABRE frieden. „‚Malizia‘ hat ein NOCH EINE T des Kurses rund um die Bretagne nur schwer zu erahnen ist. atsächlich ist die Konstellation von skipper im Winter zuvor Einen echten Härtetest be- enormes Potenziel.“ Er kön- keineswegs. Bei 120 bis 140 Grad Selbst mit dem Boot vertraute Segler ste- Boot und Skipper ein Glücksfall. schon die Vendée Globe stand Herrmann im Novem- ne die neue Saison daher Windeinfallswinkel und um die 5 Beaufort hen jenseits von 15 Knoten Fahrt kaum je Der Hamburger, längst anerkannt gesegelt hatten. Für Boris ber beim Rennen von Le „kaum erwarten“. fühlt sie sich wahrhaft lebendig an. So ent- SIEGCHANCE freihändig im Cockpit, ohne sich an der Säu- und respektiert in den Kreisen der le des Grinders, an einer der dünnen Leinen französischen Offshore-Elite, hat sich in den an der Decke oder an den Seitenwänden we- zurückliegenden zehn Jahren alle Erfahrung nigstens leicht abzustützen – zu abrupt kann erarbeitet, die es für so ein Projekt braucht. Er man bei dem teils erratischen Hin und Her, F O TO S : YA N N R I O U ( L . O. ) , M A L I Z I A T E A M ( L . U. ) , ist auf der „Beluga Racer“ höchst erfolgreich dem Beschleunigen und Abbremsen die Ba- Class 40 gesegelt, wurde auf dem Open 60 „EIN, ZWEI SPONSOREN WÄREN NOCH GUT“ lance oder sogar den Halt verlieren. „Neutrogena“ Fünfter beim Barcelona World per, der Vendée – seinem großen Traum. Er des Rennstalls – und segelt, so oft es ihm Das Foil wirkt dabei wie ein Nachbrenner Race 2011, hat als Navigator auf dem modifi- hat ein Top-Boot, die nötige Grundfinanzie- möglich ist, selbst mit. Beim Rolex Fastnet Die Grundfinanzierung steht. Für sein großes Ziel für die Bootsklasse, deren Leistungsfähigkeit zierten Volvo 70 „Maserati“ fast ein Dutzend rung und mehr Vorbereitungszeit und Kon- Race vorigen Sommer belegten die beiden Vendée Globe 2020 sucht Boris Herrmann aber noch bereits vor Einführung der Tragflügel einzig- Rekordfahrten rund um die Welt absolviert tinuität als die meisten Konkurrenten. Freunde den hervorragenden dritten Platz finanzielle Unterstützung – nur dann kann er „Malizia“ artig war. Aktuelle Imocas verdrängen rund und verpasste mit Francis Joyons Maxi-Tri- Zwei Männer stehen ganz wesentlich gegen fast die gesamte Imoca-Klasse. optimal vorbereiten und weiterentwickeln. Bisher an fünf Tonnen weniger als ein kaum größerer maran „Idec“ vor zwei Jahren nur knapp die hinter Herrmanns Kampagne. Zum einen Der andere Förderer ist Gerhard Senft, Bord: Yacht Club de Monaco, BMW Yachtsport und Dy- Volvo 65 – bei annähernd gleicher Segel- Jules Verne Trophy. Pierre Casiraghi, monegassischer Thron- ein Immobilienentwickler aus Stuttgart. Er namiq. Als Partner sind ferner die Peter Frisch GmbH fläche und mehr Wasserballast-Kapazitäten. Dreimal ist er bereits gegen die Zeit um folger, Unternehmer und Vorsitzender des hat sich schon vor dem Start der vorigen (Musto, Zhik), Eberspächer und Lampe & Partner dabei. Addiert man den dynamischen Auftrieb der die Erde gesegelt, zwei Mal nonstop. Jetzt Yacht Club de Monaco, für den „Malizia“ Vendée Globe das ehemalige Boot von Sé- Tragflügel und das dadurch erzeugte zusätz- steht er vor dem Heiligen Gral der Soloskip- startet. Er finanziert den laufenden Betrieb bastien Josse gesichert und verchartert
124 Y A C H T 2 — 2 0 18 Y A C H T 2 — 2 0 18 DA S BESONDERE BOOT • OPEN 60 „MALIZIA“ 125 TECHNISCHE DATEN Konstrukteur . . . . . . . Ve r d i e r/ V P L P Elf Monate dauerte der Bau Lüa (Rumpflänge) . . . . . . . . . . . 18 , 2 8 m der „Malizia“. Sie ging im Breite/Büa . . . . . . . . . . . 5 ,7 0/12 , 0 0 m August 2015 zu Wasser, da- Tiefgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 , 5 0 m mals noch unter ihrem ers- Gewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 6 t ten Namen „Gitana 16“. Die Schlanke Flanke. Lage verringert Kielballast/-anteil . . . . 4 , 2 t /5 5 %* Kosten: ca. 4 Millionen Euro. die benetzte Fläche des achtern Masthöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 9 , 0 0 m Sie zählt zur ersten für die sehr breiten Rumpfes enorm Segelfläche a. Wind . 3 2 0 – 3 9 0 m 2 * * Nutzung von Foils konzi- Segeltragezahl . . . . . . . . . . . . . . 9 ,1–10 , 0 pierten Generation Imocas * Schätzwert ** mit Genua 1 bzw. mit Code 0 SO LEICHT, es seit April 2017 an Herrmanns Team. Sie ein Vorhaben, dem jetzt nur noch der ein oder andere Sponsor fehlt, um die Weiter- SO FILIGRAN Gäste, die nicht so gut mit der Pinne klar- kennen sich von einer Mittelmeerregatta auf Senfts privater Yacht, einer CNB. Dabei ka- entwicklung des Bootes zu gewährleisten. Mit BMW ist die erste Weltmarke inzwischen IST SIE – UND kommen, hätte ich gern ein Rad, das über Funk und Autopilot die Ruder ansteuert.“ men sie ins Reden. „Boris hat mir von sei- bereits an Bord, wenn auch bisher noch mit Ob BMW da eventuell helfen kann? Ha- nem Traum erzählt, von seinem Konzept, vergleichsweise kleinem Budget. DOCH SO HART ben die Münchener beim letzten America’s von der Wertbeständigkeit der Imocas. Er ist Einen Plan, wie sich das „enorme Poten- Cup nicht ein Steuerrad für Jimmy Spithill so ein guter Segler, so ein seriöser Geschäfts- partner, und er kommt so sympathisch rü- zial“ der Konstruktion von Guillaume Ver- dier und VPLP noch steigern ließe, hat Boris IM NEHMEN entwickelt? Und wenn sie dann schon mal dabei sind, könnten sie per Subwoofer und ber. Deshalb habe ich die Vorfinanzierung Herrmann längst. „Die Lehren aus dem Klang-Management vielleicht auch gleich übernommen.“ Transat Jacques Vabre sind dafür unbezahl- den lärmigen Lombardini befrieden? bar wertvoll.“ D F er 49-jährige bezeichnet sich Beim ersten echten Härtetest der zurück- gen zu können und den Bug weiter zu entlas- ür den Beobachter stünde im Übri- zwar als „Genuss- und Fahrten- liegenden Saison, mit böigem Starkwind und ten. Bisher existiert dies erst in Ansätzen. gen eine beschlagfreie Beschich- segler“, hat sich aber im Zuge sei- sehr grobem Seegang, zeigte sich die schon In Gedanken ist der Profisegler mit Be- tung der Cockpitverglasung weit ner Investition längst selbst mit zuvor erkennbare Neigung des Bootes, etwas triebswirtschaftsabschluss schon einige oben auf der Liste der Nützlichkei- dem Hochgeschwindigkeitsvirus infiziert. zu buglastig unterwegs zu sein. „Versucht Schritte weiter. Er würde gern mit einem ten; beim Ausschauhalten nach unbeleuch- Vorigen Winter skipperte er nicht seine 76- man, eine Welle wie mit der Jolle abzusur- Partner wie SAP ein Echtzeit-Analysesystem teten bretonischen Fischern sind unfreiwil- F O TO : YA N N R I O U ; Z E I C H N U N G : A R C H I V Fuß-Yacht über den Atlantik, sondern heuer- fen, steckt man permanent fest“, so Herr- entwickeln, das mithilfe von Lastsensoren in lige Salzwasserduschen sonst unvermeid- te als zweite Hand auf Henrik Masekowitz’ mann. Daher will der Skipper seine Segel- allen Leinen reproduzierbare Werte für die lich. Sie haben allerdings eine in tiefer Nacht Class 40 „Croix du Sud“ an. Im Juni will er garderobe überarbeiten, kleine Spis und Optimierung des Segel- und Riggtrimms er- segensreiche, weil absolut erfrischende Wir- mit Boris Herrmann auf „Malizia“ von Gennaker testen. Das Stausystem wird er op- mittelt. Auch eine Art kardanischer Zahn- kung: Danach ist das Risiko, in ein plötzliches Frankreich aus nach Bermuda aufbrechen, timieren, um nicht benötigte Segel und Aus- arztstuhl schwebt ihm vor, aus Carbon ge- Wachkoma zu verfallen, gleich null. Weshalb die Überführung zum Start der Atlantic rüstung so weit nach achtern bringen zu baut natürlich und möglichst leicht, der ihn „Malizia“ dann auch heil in Le Havre ange- Anniversary Regatta segeln. Auch Gerhard können wie möglich. Und auch die perma- nach vorher eingestellten Ruhezeiten auto- kommen ist. Senft ist ein Glücksfall: vertrauensvoll, ver- nente Verstellbarkeit der Foils steht auf der matisch aufrichtet, wenn er Ausguck gehen mögend und obendrein verrückt genug für Wunschliste, um noch mehr Auftrieb erzeu- und Kurs oder Wetter prüfen muss. „Und für JOCHEN RIEKER
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