Mitteilungen - Moses Mendelssohn Zentrum
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Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien Potsdam, Mai 2019, Ausgabe 5 Lichterfelder (Wikimedia Commons, GNU Free Documentation License) Die Bürgerwut im Kreistag? Bei den brandenburgischen Kommunalwahlen am 26. Mai Politische Partizipation auf kommunaler Ebene hat in den drei 2019 treten mehrere Parteien an, die politisch rechts von Jahrzehnten, in denen das Bundesland Brandenburg existiert, der Union positioniert sind. Für insgesamt über 1.000 einige Wandlungsprozesse durchlaufen. Die Forschung sieht Mandate bewerben sich Kandidat*innen auf den Listen die alte Bundesrepublik bis 1989 durch die Ausweitung klas- von AfD, NPD und den Republikanern. Das vorliegende sischer repräsentativer Beteiligungsformen geprägt, in denen Papier wertet diese Wahlantritte statistisch aus und setzt Parteien eine zentrale Rolle zukam. An dieser ersten Betei- sie in Bezug zu den vorangegangenen Kommunalwahlen. ligungswelle konnten die Kommunen der damaligen DDR Programmatische Papiere der – quantitativ und in ihrem keinen Anteil nehmen. In einer zweiten Beteiligungswelle seit Lager politisch dominierenden – AfD werden analysiert 1990 wurden, auch als Ergebnis der „friedlichen Revolution“ und stichprobenartig biografische Hintergründe und poli- 1989/90, direktdemokratische Elemente massiv gestärkt. Er- tische Positionen ihrer Kandidat*innen herausgearbeitet. weiterte Nutzung digitaler Informations- und Kommunikati- Die aktuellen Wahlantritte von rechts werden in Bezug onsmöglichkeiten prägte die dritte Beteiligungswelle in den gesetzt zur jüngeren politwissenschaftlichen Diskussion 2000ern. Für die letzten zehn Jahre ist bundesweit eine neue um Kommunalpolitik und Beteiligung. Insbesondere inte- „Beteiligungswelle“ konstatiert worden, die jüngst mit der ressiert die Frage, ob die Kandidat*innen der AfD – einer Bezeichnung „Wutbürgertum“ charakterisiert wurde (Bauer/ Partei, welche die Forderung nach direkter Demokratie Hajasch 2017, S. 16; Wagner 2019, S. 17 f.).1 immer wieder explizit erhebt – zu einer Belebung kommu- nalpolitischer Beteiligung beitragen und demokratische 1 Bibliografische Nachweise zu Literatur und Quellen sind auf Repräsentationslücken schließen können. www.mmz-potsdam.de hinterlegt.
Seite 2 Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle, Mai 2019 Steigende Fragmentierung der gen ostdeutschen Ländern auf kommunaler Ebene in einer Kommunalpolitik markanten Zunahme von Mandaten niedergeschlagen hat, deren Träger*innen rechts von der Union, nicht selten im offen rechtsextremen Bereich, zu verorten sind. Eine Aus- Für die ostdeutschen Länder könnte sich als Konsequenz weitung dieser Mandate im Rahmen der Kommunalwahlen dieser Prozesse ein Bruch mit dem „Ideal der ‚widerspruchs- 2019 kann als sicher gelten. Über die verbreitete Parteien- freien Gemeinschaft‘“, dem geringen „Grad der Parteipoli- skepsis und Sympathie für direktdemokratische Verfahren tisierung“ in der Kommunalpolitik und den „konsensual ex- hinaus bringen Rechtsaußen-Gruppierungen regelmäßig ekutiven Entscheidungsmustern“ abzeichnen, die das hier ihren Hang zu Politik- und Gesellschaftsmodellen zum Aus- bislang dominante Modell einer „exekutiven Führerschaft“ druck, welche mit „zentralen Elementen der repräsentati- begünstigen (Bogumil/Holtkamp 2006, S. 42). Die positiven ven, parlamentarischen Demokratie im Sinne des Grund- Erfahrungen mit konsensorientierter Kommunalpolitik, die gesetzes in Spannung“ stehen (Botsch 2017, S. 71) oder sie in Brandenburg unter anderem im Rahmen der „Runden sogar verwerfen. Zudem richtet sich die „Wut“ der „Wut- Tische“ 1989/90 gemacht wurden, sollen nicht negiert bürger“ – ein Typus, der ursprünglich zuerst am Beispiel der werden. Allerdings könnte eine stärkere Institutionalisierung seit 2009 lokalpolitisch mobilisierten Proteste gegen das von Interessenkonflikten in Form von Parteien und Wähler- Großprojekt „Stuttgart 21“ konstruiert wurde – in der Zwi- gruppen und eine erweiterte Partizipation bislang unterre- schenzeit in der Regel nicht mehr gegen lokale Entscheidun- präsentierter Bevölkerungsgruppen auch auf kommunaler gen und Machtverhältnisse. Vielmehr finden sie die Objekte Ebene belebend für die pluralistische Demokratie wirken. ihrer Wut auf der Bundes-, Europa- und globalen Ebene. Ge- Hier besteht indes – verstärkt seit dem Wegfall von Sperr- wählt werden indes am 26. Mai 2019 Vertreter*innen für klauseln – die Gefahr, Tendenzen der politischen Fragmentie- kommunale Gremien, die auf lokaler Ebene manches, bei rung kommunaler Vertretungskörperschaften zu verstärken, den „großen“ Fragen aber fast nichts bewegen können. die ohnehin in den ostdeutschen Ländern ausgeprägter sind Dabei ist die Rolle der kommunalen Wahlgremien durch- als in den Altbundesländern. Das hat zwiespältige Effekte: aus umstritten. Allzu hohen Erwartungen an die „Gemeinde als ‚Grundschule der Demokratie‘“ (Holtmann/Rademacher/ „Je zerklüfteter die gewählten Ratsvertretungen aus dem Reiser 2017, S. 12) begegnet die empirische Forschung eher Ergebnis von Wahlen hervorgehen, desto breiter ist die mit Skepsis. Die in den letzten drei Jahrzehnten wirksamen Vielfalt der Gruppierungen und Interessen, die sie im Veränderungen der Beteiligungsstrukturen haben überall in Gemeindeparlament abbilden. Von der Idee demokra- Deutschland die Bedeutung der kommunalen Repräsentativ- tischer Repräsentation her ist dies zu begrüßen. Jedoch körperschaften geschmälert, während direktdemokratische kann das zur Folge haben, dass die Entscheidungsfähig- (Urwahl und Abwahl der Bürgermeister*innen) und plebis- keit der Ratskollegien abnimmt […] Die Risiken einer zitäre (Bürgerbegehren und Bürgerentscheide) Elemente ge- eingeschränkten ‚Regierbarkeit‘ der Kommunen dürften stärkt wurden. Entsprechende Reformen konnten angesichts sich noch erhöhen, wenn unter den Ratsneulingen in der verbreiteten, auch historisch bedingten, in den ostdeut- größerem Ausmaß Protestgruppen oder Anti-Parteien- schen Ländern stärker ausgeprägten „Parlamentsverdros- Parteien auftauchen würden“ (Holtmann/Rademacher/ senheit“ in der deutschen Bevölkerung (Fraenkel 2007) auf Reiser 2017, S. 80 f.) große Akzeptanz stoßen, obgleich sie die Spielräume für Partizipation auf kommunaler Ebene nicht immer erhöht Letztere Bemerkung verweist auf den Umstand, dass sich haben. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt wurde bilanziert, das „Wutbürgertum“ bislang in Brandenburg und den übri- dass die Hoffnung, über direktdemokratische Instrumente „von der ‚Zuschauerdemokratie‘ zur ‚Teilnehmerdemokratie‘ voranzukommen“, nicht umgesetzt, eine „Erneuerung der Impressum Demokratie ‚von unten‘“ mithin nicht erreicht worden sei Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle (Naßmacher 1997, S. 445). Antisemitismus und Rechtsextremismus Neben Fragmentierung und Stärkung des direkt gewähl- Herausgeber: ten Bürgermeisters in seiner Eigenschaft als Verwaltungs- Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien spitze hat auch das an „Kunden“ statt an Bürger*innen Am Neuen Markt 8, 14467 Potsdam orientierte Neue Steuerungsmodell die Bedeutung der Ver- Telefon: (0331) 28 09 40 waltung gegenüber den Wahlgremien gesteigert. Demge- moses@mmz.uni-potsdam.de genüber konnten Bürgerhaushalte und -kommunen sowie www.mmz-potsdam.de weitere „Formen kooperativer Demokratie“ (Bogumil/Holt- Fotos: MMZ Potsdam kamp 2006, S. 114 ff.) bislang nicht die erhofften Demokra- Druck: PinguinDruck, Berlin tisierungsschübe auslösen. Immerhin hat die Landeshaupt- ISSN 2569-0906 stadt Potsdam als Bürgerkommune mit der „strukturierten Bürgerbeteiligung“ (Kleger 2017) gute Erfahrungen gemacht,
Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle, Mai 2019 Seite 3 und insgesamt bewerten die Bürger*innen die Qualität der handelte es sich aber überwiegend um Studien zum po- lokalen Demokratie „in eher dialogorientierten und eher litischen Handeln bereits gewählter Repräsentant*innen.3 direktdemokratischen Gemeinden“ besser. (Wagner 2019, In der vorliegenden Studie fragen wir nach denjenigen, S. 301) die sich erst zur Wahl stellen. Damit werden auch aussichts- Welche Perspektiven neuer Beteiligungsformen sich da- lose Kandidat*innen berücksichtigt, wobei deren Akzeptanz rüber hinaus aus der jüngsten Beteiligungswelle ergeben, durch ihre Parteigremien oder Mitgliederversammlungen ob und wie sich die „Wut“ der „Wutbürger“ in kommunale indes Aussagen über Stil, Inhalt und Strategie der Politik ihrer Entscheidungsprozesse übersetzen lässt, ohne dabei wich- jeweiligen Parteien zulassen. Uns interessieren zunächst die tige Ziele menschenrechtsorientierter Politik – an vorderer regionale Verteilung und die soziologischen Merkmale und Stelle eine geschlechtergerechte Repräsentation – und die Auffälligkeiten der Rechtsaußen-Kandidat*innen, wobei schützenswerten Interessen gesellschaftlicher Minderheiten ein Vergleich mit ihren Mitbewerber*innen auf Grundlage und schwach repräsentierter Gruppen aufzugeben, lässt sich der vorhandenen Materialien kaum möglich ist. Darüber derzeit noch nicht sagen. Zwar kann die „Aufwertung direkt- hinaus untersuchen wir Selbstdarstellung, Auftreten und demokratischer Teilnahmerechte“ als „Demokratiegewinn“ programmatische Orientierungen der Parteien anhand gesehen werden, ferner steigt die „technische Güte vieler von ausgewählten, aber typischen Beispielen. Die domi- Leistungsangebote“. Doch sind es im lokalen Rahmen nicht nierende Rolle spielen dabei sowohl quantitativ als auch zuletzt die gewählten Körperschaften, die für „Chancen- politisch die über 600 Personen, die für die AfD antreten; gleichheit Sorge zu tragen“ haben. Wenn die „Einflussmacht in geringerem Umfang die über 50 Personen, die auf Listen dieses repräsentativen Organs beschnitten“ wird, schwächt der NPD kandidieren; die Republikaner (REP) stellen nur in dies auch dessen „anwaltliche Rolle“ beziehungsweise „so- einem brandenburgischen Landkreis fünf Personen auf. Um ziale Ausgleichsfunktion“ (Holtmann/Rademacher/Reiser die auch in vorangegangenen Studien der EJGF erörterte 2017, S. 72 ff. u. S. 179). Ungeachtet der großen „Wissenslü- Frage nach dem rechtsextremen Charakter der branden- cke im Hinblick auf soziale Merkmale“ (Egner/Heinelt 2016, burgischen AfD weiter zu vertiefen, widmen wir uns eini- S. 63) kommunaler Mandatsträger*innen ist zu erwarten, gen ausgewählten Kandidat*innen, die eine rechtsextreme dass die Bereitschaft zu aktiver und passiver Wahl und damit Orientierung vermuten lassen – wofür je nach Einzelfall die jeweilige politische Repräsentanz mit der Größe der Ge- auch die politische Vergangenheit aussagekräftig sein kann. meinde ebenso abnimmt, wie mit der gesellschaftlichen Po- Dabei interessiert uns besonders, welches Verhältnis zu De- sition. „Abgehängte“ oder prekarisierte Sozialschichten in mokratie, Verfassung und Menschenrechten in der AfD als kleineren Gemeinden wären demnach in der Regel beson- akzeptabel betrachtet wird. Zur Einordnung der Program- ders schwach repräsentiert. All diese Prozesse und Tenden- matik haben wir alle greifbaren Kommunalwahlprogramme zen führen dazu, dass die künftige Bedeutung der kommuna- der AfD herangezogen. Von NPD und REP sind keine derarti- len Repräsentativkörperschaften und Mandatsträger*innen gen Programme bekannt. Neben einer allgemeinen Einord- im Flächenland Brandenburg unklar bleibt. nung interessiert uns, mit welchen Instrumenten die AfD verspricht, demokratische Teilhabe auf kommunaler Ebene zu stärken. Das zu Grunde gelegte Datenmaterial basiert auf einer Kandidat*innen und Programme umfassenden Auswertung der Kandidat*innenlisten für Brandenburg, welche die Kandidaturen der Parteien AfD, Es lohnt vor diesem Hintergrund, sich mit den NPD und REP annähernd vollständig erfasst haben dürf- Kandidat*innen der Parteien rechts von der Union etwas te.4 Ergänzend wurden die Eigendarstellungen der Par- genauer zu beschäftigten. Mit unserer Untersuchung betre- teien, besonders ihre Präsenz im Internet herangezogen. ten wir dabei Neuland. Die Forschung zu Kommunalwahl- Etliche Kandidat*innen der AfD stellten sich beispielsweise Kandidat*innen ist insgesamt schwach entwickelt; für im Rahmen einer parallel angestrebten Nominierung für unsere spezifische Fragestellung liegen kaum Materialien die Landtagswahlliste schriftlich und durch mündliche, im vor.2 Zwar hat die kommunalpolitische Repräsentanz von Rechtsparteien, insbesondere der neonazistischen Natio- naldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und neuer- 3 Vgl. für Brandenburg u.a. Kschenka/Müller 2010; Kschenka dings der AfD, eine gewisse Aufmerksamkeit erzielt, dabei 2016; Hein 2018; für weitere Titel vgl. das Quellen- und Litera- turverzeichnis. 4 Zu besonderem Dank verpflichtet sind wir Tilo Giesbers, der uns die Ergebnisse seiner eigenen Recherchen zur Verfügung stellte und uns bei den weiteren Recherchen unterstützt. Stichtag für 2 Für eine gute Zusammenfassung des Forschungsstands vgl. die Recherche der Kandidaturen war der 18. April 2019. In we- Holtmann 2009, zu den Ratskandidat*innen in der Nominie- nigen Fällen (Amt Nennhausen, Amt Gransee, Bad Freienwalde, rungs- und Wahlkampfphase sowie den Wahlen besonders Barnim-Oderbruch, Leegebruch und Großräschen) lagen bis zu S. 130 ff. diesem Datum keine auswertbaren Angaben vor.
Seite 4 Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle, Mai 2019 Anzahl der AfD-Kandidaturen bei den Kommunalwahlen 2019 unter 20 21 bis 50 51 bis 74 über 75 Livestream dokumentierte Stellungnahmen auf einem Lan- kreisfreien Städte, 485 für Stadtverordneten- und Gemein- deswahlparteitag vom 4. bis 6. Januar 2019 in Rangsdorf devertretungen und 104 für Ortsbeiräte – zusammen 923 selbst vor. Stichprobenartig wurde zu zahlreichen weiteren Kandidaturen. Die NPD kommt auf 87 Kandidaturen, dar- Kandidat*innen frei zugängliches Material aus dem Internet unter 50 auf Ebene der Kreise/kreisfreien Städte, 35 in den herangezogen, um eine Einschätzung des Profils der AfD- Städten und Gemeinden und nur zwei für Ortsbeiräte. Die Kandidat*innen und über die Kommunikation bezüglich REP stellen vier Kandidaturen für den Kreistag Havelland politisch und gesellschaftlich relevanter Themen in diesem und fünf in Städten und Gemeinden dieses Kreises – zusam- Milieu gewinnen zu können. Dieses Material ist aussage- men neun. Da etliche Personen sich für mehrere Mandate kräftig, aber nicht repräsentativ. bewerben, liegt die Anzahl der Kandidat*innen unter der der Kandidaturen: Bei der AfD sind es 615 – davon 85 Pro- zent Männer –, bei der NPD 55 – davon 87 Prozent Männer –, und bei den REP fünf – darunter nur eine Frau. Insgesamt Statistische Auswertung mobilisiert die parteipolitische Rechte also 675 Personen, davon 85 Prozent Männer. Hier bleibt hinzuzufügen, dass Bei den brandenburgischen Kommunalwahlen am 26. Mai im gesamten Land Brandenburg Kandidatinnen mit deutlich 2019 sind nach unseren Recherchen mindestens 11.164 unter einem Drittel der Bewerber*innen unterrepräsentiert Mandate zu vergeben, davon 938 in Kreistagen und Stadt- sind.5 Das Durchschnittsalter der vier Kandidaten und der verordnetenversammlungen der vier Kreisfreien Städte Kandidatin der REP liegt bei 51,6 Jahren. Die AfD ist sogar Brandenburg an der Havel, Cottbus, Frankfurt (Oder) noch „älter“: hier beträgt der Durchschnitt 52,7, wobei der und der Landeshauptstadt Potsdam, 5.900 in weiteren jüngste Kandidat 19 Jahre alt ist, der älteste 83. Die NPD Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertre- weist unter den Rechts-Parteien mit 40 Jahren den jüngsten tungen und 4.326 in Ortsbeiräten. Neben den Europa- Altersschnitt auf. Dem Alter nach liegen REP und AfD über wahlen werden an diesem Wahlsonntag in zwei Städ- dem Landesschnitt, die NPD darunter. ten hauptamtliche und in 270 Städten und Gemeinden Die Anzahl der Kandidaturen der NPD ist gegenüber ehrenamtliche Bürgermeister*innen, ferner zahlreiche 2014 zurückgegangen: Bei der letzten Kommunalwahl Ortsvorsteher*innen neu gewählt. Diese Wahlen und Kan- didaturen sind in der folgenden Darstellung nicht mitbe- rücksichtigt, da sie sich allein auf die kommunalen Reprä- 5 Der Frauenanteil der Kandidat*innen liegt auf Ebene der Kreis- sentativkörperschaften konzentriert. tage und kreisfreien Städten insgesamt bei 27,8 Prozent, auf Die Rechtsaußen-Parteien bewerben sich mit über Ebene der Städte und Gemeinden bei 29 Prozent. Vgl. Landes- 1.000 Kandidaturen: Die AfD stellt 334 für die Kreise und wahlleiter (2019).
Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle, Mai 2019 Seite 5 stellten sich 83 Personen für 122 Mandate zur Verfügung. Über die politische Vorgeschichte der AfD- Von den heutigen NPD-Kandidat*innen waren 25 schon Kandidat*innen lassen sich keine statistisch belastbaren 2014 für diese Partei angetreten. Die AfD hat ihre Zahl er- Angaben machen. Bei 76 Personen konnten wir ein vo- wartungsgemäß ganz erheblich ausweiten können: 2014 rangegangenes Engagement in einer politischen Partei, kandidierten nur 153 Personen für 200 Mandate. Heute ist Wählergruppe oder als kommunale Einzelkandidat*innen sie flächig im ganzen Land präsent. Nur 75 der damaligen feststellen. Darin ist nicht die dokumentierte SED-Mitglied- Kandidat*innen treten heute wieder für die AfD an. 2014 schaft von drei Kandidaten einbezogen. Besonders im Feld erzielte sie 3,9 Prozent der Stimmen und gewann damit der rechten und rechtsextremen Parteien haben diese 76 88 Mandate, davon 39 in den Vertretungen der Kreise und Personen mitunter mehrere Vereinigungen durchlaufen. kreisfreien Städte. Die NPD erhielt 2,2 Prozent, errang damit Berücksichtigt man Wechsel zwischen den Lagern, kommen 51 Mandate, davon 20 in den Kreistagen und kreisfreien wir auf eine Summe von 82 Fällen. Innerhalb dieser Gruppe Städten. Die REP und die damals noch antretende Deut- stehen an erster Stelle 18 Fälle, bei denen ein vorheriges sche Soziale Union (DSU) konnten insgesamt jeweils drei Engagement bei CDU oder CSU feststellbar ist; etwa gleich- Mandate gewinnen. auf liegen Freie Wähler und Wählergemeinschaften sowie Bei ungefähr 1.600 Mitgliedern6 ist es dem AfD-Landes- die rechten und rechtsextremen Parteien mit jeweils 16. verband mithin gelungen, ungefähr ein Drittel für Kandi- Je acht Mal ist ein Engagement in der Linken und ihren daturen zu mobilisieren. Auch wenn eine gewisse Anzahl Vorläuferparteien (PDS, WASG) sowie in der FDP zu kon- parteiloser Personen für die AfD-Listen rekrutiert werden statieren; hierbei ist die hohe Bedeutung der Linken/PDS konnte, zeigt sich dennoch, dass es in der AfD-Mitglied- im Kontrast zur durchgehend geringen Bedeutung der schaft ein hohes Interesse an eigenem Engagement gibt. FDP im Land Brandenburg zu berücksichtigen: Das Reser- Im Vergleich dazu kann die NPD – deren Mitgliederzahl laut voir der Linken kann als unterrepräsentiert, das der FDP Verfassungsschutzbericht 2018 bei 280 Personen liegt – nur als überrepräsentiert bezeichnet werden. In sieben Fällen jedes fünfte Mitglied zu einer Kandidatur mobilisieren. Für gibt es ein Vorengagement bei der SPD – somit ist auch die erst kürzlich auf geringem Niveau revitalisierten REP, die in Brandenburg stets sehr starke SPD deutlich unterre- die im brandenburgischen Verfassungsschutzbericht keine präsentiert. Sechs Kandidat*innen traten schon einmal als Erwähnung finden, liegen keine Mitgliederzahlen vor. Einzelbewerber*innen an. Die Befunde zu SPD und Linken Bezüglich der geographischen Verteilung der Kandidatu- kontrastieren deutlich mit den Erfolgschancen der AfD, ren ist zu berücksichtigen, dass in den vier kreisfreien Städ- aus dem Wähler*innen-Potential dieser Parteien Zulauf zu ten nur die Sitze der Stadtverordnetenversammlungen zu gewinnen: Schon bei der vorangegangenen Landtagswahl besetzen sind, so dass die Gesamtzahl der Kandidaturen 2014 konnte die AfD hier punkten (vgl. Botsch/Kopke/ hier trotz der höheren Bevölkerungsdichte geringer ausfällt Lorenz 2015). Wenig überraschend ist dagegen der geringe als in den Kreisen, wo neben den Kreistagen auf zwei weite- Anteil von Aktivitäten im grünen Bereich: dies ist nur in ren Ebenen Vertretungskörperschaften gewählt werden. Im drei Fällen nachgewiesen. Der vergleichsweise hohe Anteil Folgenden werden daher nur die Landkreise berücksichtigt. an Personen, die sich zuvor deutlich rechts von der Union Für die AfD fällt auf, dass die meisten Kandidaturen in oder im rechtsextremen Bereich engagiert hatten – immer- Oberhavel erfolgen, gefolgt von den ebenfalls an Berlin hin jede*r fünfte Fall –, muss bedenklich stimmen. Addiert angrenzenden, relativ bevölkerungsreichen Landkreisen man Freie Wählergemeinschaften und Einzelkandidaturen Teltow-Fläming und Märkisch-Oderland. Die Schlusslichter dazu, steigt der Anteil der Protest- und „Anti-Parteien“- in absoluten Zahlen sind die nordwestlichen Landkreise Kandidat*innen deutlich an: Fast die Hälfte des politisch fi- Ostprignitz-Ruppin und Prignitz. Die Landkreise im Südos- xierbaren Vorengagements erfolgte dezidiert außerhalb der ten, die als Hochburg rechter Einstellungen und Organisa- tionen im Land gelten, liegen im oberen Mittelfeld. Dieser Eindruck verändert sich, wenn man die Kandidaturen mit 600 den Einwohnerzahlen ins Verhältnis setzt. Dann führt der männlich 500 Süden und Südosten die Liste an, in der Reihenfolge Ober- weiblich spreewald-Lausitz, Teltow-Fläming, Elbe-Elster, Spree-Neiße 400 – erst dann folgen die Landkreise Oberhavel, Dahme-Spree- wald und Märkisch-Oderland. Prignitz, Potsdam-Mittelmark 300 und Ostprignitz-Ruppin schließen die Liste ab. Für die NPD 200 ergibt sich kein aussagefähiges Bild. 100 6 0 Das sind etwa so viele, wie bei Bündnis 90/Die Grünen und ei- AFD NPD Rep nige hundert mehr, als bei der FDP. SPD, CDU und Die Linke haben in Brandenburg jeweils um die 6.000 Mitglieder. Verteilung der Kandidat*innen nach Partei und Geschlecht.
Seite 6 Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle, Mai 2019 im nationalen Rahmen aktiven demokratischen Parteien. zwei AfD-Kandidatinnen, aber keine bei der NPD geben als Dies entspricht dem fundamentaloppositionellen Charak- Beruf „Hausfrau“ an. Die vier männlichen Kandidaten der REP ter der AfD, die sich als Alternative zu den etablierten de- geben alle Handwerksberufe an, die einzige Kandidatin ist mokratischen Parteien versteht, welche sie zum Beispiel in Stadtplanerin. Zusammenfassend ergibt sich somit der Ein- ihrem Landtagswahlprogramm als „Altparteien“ öffentlich druck, dass die Parteien rechts von der Union ihre Kommu- diffamiert. Obgleich diese Auszählung statistisch nicht be- nalwahl-Kandidat*innen vor allem im mittleren und unteren lastbar ist, erweist sie sich mithin in heuristischer Hinsicht gewerblichen Mittelstand sowie unter Arbeiter*innen und als interessant. anderen abhängig Beschäftigten rekrutieren. Dabei handelt Auch eine strenge soziologische Zuordnung der es sich um Berufs- beziehungsweise Bevölkerungsgruppen, Kandidat*innen nach Einkommen, Bildungsstand und an- die tendenziell kommunalpolitisch unterrepräsentiert sind. deren sozialstatistischen Markern ist auf Grundlage des vor- In der Mobilisierung dieser Gruppen könnte eigentlich eine liegenden Materials nicht zu realisieren. Die Eigenangaben Chance bestehen, wenn sie sich für demokratische Politik en- über den erlernten oder ausgeübten Beruf sind unsicher, un- gagieren. Welche Chancen versprechen die Kandidat*innen eindeutig und interpretationsbedürftig. Anhand der Selbst- der AfD für ein solches Engagement? auskunft über den Beruf haben wir die Kandidat*innen zu zehn Gruppen geclustert (zuzüglich einer Residualkategorie für Sonstige/unbekannt).7 Alle drei Rechts-Parteien führen auffallend wenige Bewerber*innen, die den kommunalpoli- Zum Profil der AfD-Kandidat*innen tisch zumeist überrepräsentierten Berufsgruppen zuzurech- nen sind. In einer Gruppe, in der wir neben Jurist*innen auch Die öffentliche und wissenschaftliche Debatte darüber, in- Personen in anderen gesellschaftlich stark wahrnehmbaren wiefern der AfD, Teilgliederungen dieser Partei und ihrem Tätigkeiten in Wissenschaft, Medien, Kunst und Politik8 ge- Personal ein rechtextremer Charakter zu bescheinigen ist, clustert haben, finden sich bei der AfD nur knapp 6 Prozent, hält an. Die Einschätzung, dass die Brandenburger AfD bei der NPD weniger als 4 Prozent. Bei beiden Parteien ge- maßgeblich von rechtsextremen Kräften geprägt ist, reicht hören der Gruppe der Verwaltungs- und Büroangestellten bis in die Partei selbst hinein. So äußerte der Schwedter weniger als 4 Prozent an. Die AfD, die sich als Law-and-Or- Kommunalwahlkandidat Nino Pawlak in einem Interview, der-Partei, Anwältin der Sicherheitsbedürfnisse der Bevölke- dass seinem Eindruck nach sein Kreisverband in ein Lager rungsmehrheit und Fürsprecherin der aktiven Polizeibediens- „normal denkender Menschen“ und auf der anderen Seite teten präsentiert, hat weniger als 5 Prozent Kandidat*innen in „das rechtsextreme“ Lager gespalten sei (Huth 2019). aus dem Sicherheitsbereich, einschließlich Militär; bei der In diesem Zusammenhang ist es von Interesse, ob das NPD, deren Anhänger*innen oft mit dem Gesetz in Konflikt Personal der AfD in Brandenburg in innerparteilichen Rich- geraten, sind es keine 2 Prozent. Auch Berufe im Gesund- tungsstreits positioniert ist und ob als rechtsextrem oder heits- und Sozialbereich zuzüglich der Bildung sind mit 6,5 rassistisch zu wertende Aussagen dokumentiert sind. Das Prozent bei der AfD und 3,6 Prozent bei der NPD unerwartet Tableau der Kandidat*innen für die Kommunalwahlen schwach repräsentiert. Die AfD-Kandidat*innen stammen bietet sich als Ausgangspunkt zur Bearbeitung dieser Fragen zu einem Fünftel aus der Gruppe der Arbeiter*innen und an. Die Kandidat*innen repräsentieren eine breite Auswahl im Agrar-, Gastro-, Bausektor und Handwerk Beschäftigten, des politisch aktiven Personals der brandenburgischen AfD. bei der NPD sind es mit über 47 Prozent fast die Hälfte. In beiden Parteien machen Handel und Dienstleistungen sowie Ingenieur*innen und andere technische Berufe einen be- deutenden Anteil von jeweils etwas über 15 Prozent aus. Positionierung in innerparteilichen Während sich bei der NPD nur ein Kandidat im Ruhestand Debatten befindet, ist der Anteil der Ruheständler*innen bei der AfD mit über 13 Prozent bemerkenswert. Kein NPD-Kandidat und nur acht von der AfD befinden sich noch in einer Ausbildung; In den untersuchten Quellen zu den brandenburgischen AfD-Kandidatinnen und Kandidaten sind zahlreiche Stel- lungnahmen zu innerparteilichen Debatten zu finden, 7 Die Cluster sind: Arbeiter*in/Agrar/Gastro/Handwerk/Bau; Si- die die politische und strategische Entwicklung der AfD cherheit/Polizei/Militär; in Ausbildung; Haushalt; Ruhestand; in Hinsicht auf ihre Ausrichtung als Fundamentalopposi- Soziales/Medizin/Bildung; Technisches; Verwaltung/Büro; tion oder als gemäßigt-reformerische Kraft zum Thema Wissenschaft/Politik/Presse/Kunst/Recht; Handel/Dienstleis- hatten. Mit überwältigender Mehrheit sind dabei Stel- tungen. Diese Cluster sind aus den tatsächlich angegebenen lungnahmen zu finden, die den fundamentaloppositionel- Berufsbezeichnungen gewonnen. 8 Über die Eigenangaben hinaus konnte bei immerhin zwölf len Kurs des „Flügels“ befürworten oder sich mit diesem Bewerber*innen eine frühere oder laufende berufliche Mitar- und seinen Hauptprotagonist*innen solidarisieren. Zur beit bei Bundestagsabgeordneten der AfD festgestellt werden. „Erfurter Resolution“, dem Gründungsdokument des völ-
Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle, Mai 2019 Seite 7 kisch-nationalistischen „Flügels“ aus dem Jahr 2015, sind Demonstrationen in Erscheinung getreten sind. Weitere Por- keine vollständigen Unterzeichner-Listen öffentlich. Zu den träts sind auf der Homepage des MMZ hinterlegt.10 Erstunterzeichner*innen gehörte neben dem branden- Christoph Berndt (Golßen) ist der Vorsitzende des süd- burgischen Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz auch die brandenburgischen Vereins „Zukunft Heimat“, der seit län- Landtagsabgeordneten Birgit Bessin und Franz Wiese, die gerem im Bündnis mit der AfD aber auch mit „Identitären“, für die Kreistage in Teltow-Fläming und Märkisch-Oderland „Ein Prozent“ und anderen rechtsextremen Organisationen kandidieren (derfluegel.de 2015). Weitere Zeichnungen steht. Berndt unterstellte bei einer Rede am 29. August sind von 13 Kandidat*innen dokumentiert. 2017 wurde 2017 in Cottbus Bundeskanzlerin Angela Merkel ein „Pro- eine innerparteiliche „Mahnung zur Einigkeit“ veröffent- gramm zur Abschaffung der Nation“, warnte vor einem licht, die Solidarität mit dem rechtsextremen Thüringer AfD- „Bevölkerungsaustausch“ und sprach von der „Verwesung“ Landesvorsitzenden und „Flügel“-Frontmann Björn Höcke des Landes. Die deutsche Regierung würde „irrwitzig aber angesichts eines Parteiausschlussverfahrens bekundete planmäßig die Zerstörung unseres Landes und unseres Kon- (Mahnung zu Einigkeit 2017). Aus dem Kreis der aktuell in tinentes“ betreiben. Brandenburg auf kommunaler Ebene kandidierenden AfD- Leyla Bilge (Havelland), auch Landtagskandidatin, ist eine Aktiven gehörten 36 zu den Erstunterzeichner*innen dieser „Islamkritikerin“, die seit mehreren Jahren als Vortrags- und Erklärung. Der „Stuttgarter Aufruf“ (stuttgarter-aufruf.de Demonstrationsrednerin im AfD-Milieu aktiv ist. Sie tritt auf 2018) von AfD-Radikalen (Steffen 2018) aus dem Oktober Platz 19 der AfD-Liste bei den Landtagswahlen an. Seit 2017 2018 richtete sich gegen Parteiausschluss- und Ordnungs- arbeitet sie für den AfD-Bundestagsabgeordneten Ulrich verfahren. Zehn Personen aus dem Kreis der jetzigen Bran- Oehme, der zuvor Mitglied der extrem rechten Partei „Die denburger Kommunalwahlkandidat*innen unterzeichneten Freiheit“ war. Bilge trat mehrmals als Rednerin bei „Zukunft diesen Aufruf. Heimat“-Demonstrationen in Cottbus in Erscheinung. Am Als einzig in nennenswertem Umfang wahrnehmbarer 18. Juli 2017 stellte sie sich ihrem Publikum so vor: „Leyla Vertreter der sich als gemäßigte innerparteiliche Kraft dar- Bilge, stolze Deutsche mit kurdischen Wurzeln, outet sich stellenden „Alternativen Mitte“ kann im Bundesland Axel in Cottbus: (…) Ich bin ein Nazi!“. Sie ließ diese Provokation Brösicke gelten, der für die Stadtverordnetenversammlung einige Sekunden wirken, während derer ein Teil der Menge in Brandenburg an der Havel kandidiert. Brösicke bewarb applaudierte, bevor sie erklärend hinzusetzte: „N-A-Z-I – sich im Januar erfolglos um einen Listenplatz für die Land- Nicht anpassungswillig zur Islamisierung“ (rechtsaussen. tagswahlen.9 Von sechs Kandidat*innen ist eine Unterstüt- berlin 2018). Am 17. Februar und am 9. Juni 2018 organi- zung des gescheiterten „Zukunftsantrages“ der damaligen sierte Bilge zwei „Frauenmärsche“ in Berlin, die sich gegen AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry aus dem Jahr 2017 Flüchtlinge richteten, und sagte unter anderem: dokumentiert, die damit eine Ausrichtung der AfD als „bür- gerliche Volkspartei“ erreichen und einer fundamentalop- „Die UN hat sogar zugegeben, dass 70 bis 80 Prozent der positionellen Politik eine Absage erteilen wollte. sogenannten Flüchtlinge gar keine wirklichen Flüchtlinge sind. (…) Und dann versucht man uns hier in Deutschland einzureden, diese Männer sind Schutzbefohlene. Ja, da haben wir Hassan 12, Mohammed 14 mit Schuhgröße Engagement für extrem rechte und 46, grauem Haar und Vollbart. Ja, die hier unsere jungen flüchtlingsfeindliche Kampagnen Mädchen vergewaltigen und missbrauchen!“ (rechtsau- ssen.berlin 2018) Die brandenburgische AfD inszeniert sich als „natürlicher Sie bemühte dabei drastische und rassistische Tiermeta- Bündnispartner“ der „patriotischen Bürgerbewegungen“. phern: „Der Gutmensch (…) nimmt die süße Zuckermaus Gemeint ist damit die Unterstützung der Protestmobilisie- und tut sie in das Aquarium zu der Schlange. (…) Schmusen rungen gegen die Asylpolitik der Bundesregierung, die von die dann miteinander? (…) Werden sie Brüder? Die Schlange rechtsextremen und flüchtlingsfeindlichen Kräften getragen frisst die Maus auf!“ (rechtsaussen.berlin 2018) Laut eines wird. Insbesondere die Kooperation mit dem Südbranden- Presseberichts ist Bilge Mitglied einer geschlossenen Face- burger Verein „Zukunft Heimat“ wird als vorbildhaftes „Ko- book-Diskussionsgruppe, die politisch eindeutig als rechts- operationsmodell“ hervorgehoben. Es folgen Kurznotizen zu extrem und antisemitisch zu werten ist (Schulz 2019). ausgewählten 12 AfD-Kandidat*innen, die im Zuge solcher Peter Drenske (Elbe-Elster) hat als AfD-Funktionär zahl- reiche Demonstrationen in Südbrandenburg begleitet und ist 9 Allerdings sind auch von Brösicke ältere Onlineaktivitäten doku- mentiert, die eine Affinität zu rechtsextremen Positionen nahe 10 Hier zitierte Äußerungen auf persönlichen Accounts in sozialen legen. 2014 hatte er im Internet Videos von neonazistischen Medien sowie die Bewerbungsreden und -unterlagen zu Land- Musikern wie „Recht auf Wahrheit“ und der Neonazi-Hooligan- tagskandidaturen sind in der Folge nicht einzeln nachgewiesen. band „Kategorie C“ positiv bewertet (vgl.: Wirsing 2014). Screenshots beziehungsweise Mitschnitte liegen vor.
Seite 8 Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle, Mai 2019 als Redner in Erscheinung getreten. In Cottbus verkündete er bei einer Demonstration von „Zukunft Heimat“ am 29. August 2017, Flüchtlinge kämen nach Deutschland, um „So- zialbetrug durch Mehrfachidentitäten und Vielweiberei und andere kriminelle Tricksereien“ zu begehen. In Finsterwalde, „vor unserer Haustür“, so erklärte er am 17. Februar 2017, würden „an jedem verdammten Tag“ Delikte wie „Mord, Raub, Diebstahl, schwere Körperverletzung“ stattfinden: „Da werden Leute überfallen auf offener Straße, da werden Frauen aus dem Fenster geschmissen und massakriert.“ Schuld an diesen Zuständen sei die „Politlobby“, die das Land „gespalten“ habe. Menschen, die ihre Meinung frei äußern wollten, würden „wie zu Zeiten der Christenverfolgung“ mit „der Extremismuskeule totgeschlagen“. Unter „dem Deck- mantel der Glaubensfreiheit“ werde zudem der „Islam zur Staatsreligion“ gemacht. Am 12. September 2017 bezeich- nete er bei einer Demonstrationsrede die Stärkung der AfD als „letzte Gelegenheit, dieses Land zu retten“, das durch eine „Invasionspolitik“ bedroht sei (AfD Elbe-Elster 2017). Benjamin Filter (Dahme-Spreewald, auch Landtagskan- didat) ist AfD-Stadtverordneter in Königs Wusterhausen und Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré. Bei einer Demonstration gegen den UN-Migrations- pakt am 1. Dezember 2018 in Berlin, zu der auch die AfD mo- Die AfD-Demonstrationsreihe „Merkel muss weg Mittwoch“ bilisiert hatte, beklagte er, dass die herrschende Politik den in Berlin wurde in Brandenburg initiiert – Kommunalwahl- Plan verfolge, den Nationalstaat abzuschaffen, und rief zum kandidat*innen sind beteiligt. Bildzitate: merkel-muss-weg-mittwoch.de. Widerstand auf. „Berufsweltbürger“ würden mit ihrer Politik „durch die Hintertür etwas sehr wertvolles, den National- staat, beseitigen“ wollen: „Sie wollen unsere Gemeinschaft Lars Hünich (Potsdam-Mittelmark, auch Landtagskandi- von Bürgern in Einigkeit und Recht und Freiheit in festen dat) ist Mitarbeiter der AfD-Fraktion im brandenburgischen Grenzen beseitigen. Das müssen wir verhindern“ (Vor Ort Landtag und steht auf Platz 6 der Landesliste der AfD für die Aktuell 2018a). Filter ist Mitglied einer Studentenverbin- Landtagswahlen. Er tritt bei zahlreichen Demonstrationen in dung, die im rechtsextremen Dachverband der „Deutschen Erscheinung. 2017 etwa hatte er eine Kundgebung mit AfD- Burschenschaft“ organisiert ist. Rechtsaußen Björn Höcke vor dem Potsdamer Filmmuseum Lars Günther (Märkisch-Oderland, auch Landtagskandi- angemeldet. Er moderierte die von „Zukunft Heimat“ mit ver- dat) ist ein rechtsextremer Demonstrationsaktivist aus Bad anstaltete Demonstrationen am 1. Dezember 2018 in Berlin Freienwalde. Laut eigenen Angaben hat er 50 bis 60 Demons- und am 16. September 2018 in Köthen (Elsässer 2018). trationen angemeldet und ist Mitinitiator des „Merkel muss Matthias Lentzsch (Elbe-Elster) trat bei den Demonstra- weg Mittwoch“ in Berlin. Eine Kundgebung unter dem Motto tionen des „Bürgerforums Südbrandenburg“ in Bad Lieben- „Ostbrandenburg erwacht!“ Ende 2015 in Bad Freienwalde werda als eine prägende Kraft in Erscheinung. In zahlreichen wurden im Wesentlichen von den Neonaziparteien NPD und Internetbeiträgen äußert sich Lentzsch in rechtsextremer „Die Rechte“ getragen. Als Redner trat auch Günther auf, Diktion. So kritisiert er den Investor und Stiftungsfinanzier „Zeit Online“ bezeichnete ihn als Anmelder (Frank 2015). George Soros – gegen den nicht zuletzt wegen seiner jüdi- Günther organisierte ferner die rechtsextremen Kundgebun- schen Herkunft seit längerem eine aggressive antisemiti- gen unter dem Motto „Heimatliebe“ in Eberswalde mit und sche, radikalnationalistische und rechtsextreme Kampagne war Versammlungsleiter bei einer Demonstration gegen den läuft – in Szenediktion als „Strippenzieher“, dessen „Kritik UN-Migrationspakt am 1. Dezember 2018 in Berlin. Beruflich am bestehenden Parteiensystem“ an „Hitler“ erinnere ist er als Verlagsangestellter beim „Compact Magazin“ tätig (Lentzsch 2019). Lentzsch konstatiert ein „Verhätscheln“ und dort persönlicher Assistent des Chefredakteurs Jürgen des Islam, das sich aus einer „Gleichmacherei“ nähre. Solch Elsässer. Günther macht Flüchtlinge als „Bereicherungsan- eine Ausrichtung „moralpazifistischer Völker“ werde zu Un- schläge“ verächtlich. Er ist offenbar der Ansicht, dass es für terdrückung und Ausrottung führen (Steinhöfel 2019). Am politische Veränderungen unfriedlicher Mittel bedürfe: „Die 29. August 2017 forderte er als Redner bei einer „Zukunft- Zeiten, in denen wir unser Land friedlich zu einer immer bes- Heimat“-Demonstration angesichts eines bevorstehenden seren Land“ gestalten könnten, seien wegen „Millionen von Besuchs von Bundeskanzlerin Merkel in Finsterwalde zum Migranten“ „definitiv vorbei“ (Petrosilius 2018a). Protest auf: Dies sei eine „Bedrohung, die größer nicht sein
Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle, Mai 2019 Seite 9 kann“, denn Merkel plane „unseren schönen Marktplatz, die Publikum applaudierte und skandierte die Neonaziparole schöne Altstadtkulisse, für ihren Wahlkampf zu missbrau- „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“. chen“. Er rief auf, „eventuell die eine oder andere Meinung Nothing setzte hinzu: „Wir wünschen ihnen alle eine gute dazu abzugeben, in der einen oder anderen Art“. Bei ihrem Fahrt in die Länder ihrer Träume“ (Petrosilius 2018b). 2018 Auftritt in Finsterwalde wurde Merkel wüst beschimpft, die und 2019 hielt Nothing Reden bei „Zukunft Heimat“-De- Polizei musste unter anderem wegen des Zeigens von Hit- monstrationen in Cottbus (vgl. etwa Petrosilius 2019a). Die lergrüßen einschreiten (Ringle 2017). gegenwärtige Politik besteht seiner Ansicht nach aus einer Daniel Freiherr von Lützow (Teltow-Fläming, auch Land- „Front von Realitätsverweigerern und Deutschlandabschaf- tagskandidat) ist Mitglied des Landesvorstandes der AfD. fern“, so Nothing am 16. März 2019 in Cottbus. Er trat mehrfach als Redner bei Demonstrationen von „Zu- Andy Schöngarth (Cottbus) trat mehrmals im Verbund kunft Heimat“ in Erscheinung. In seiner Bewerbung um mit dem regionalen Reichsbürger-Aktivisten Rico Handta als einen Listenplatz bei den Landtagswahlen gab Lützow als Organisator von flüchtlingsfeindlichen Demonstrationen im politisches Ziel die „Ausschaltung des politischen Gegners Jahr 2015 in Cottbus in Erscheinung. Auf Facebook sympathi- durch Sachpolitik u.v.m.“ an. Bei einer Demonstration von siert er mit Neonazibands wie „Nordwind“ und „Ak Solingen „Zukunft Heimat“ am 31. Dezember 2017 warb er für den 47“. Er teilte Postings, die einen „Holocaust am Deutschen „Schulterschluss“ seiner Partei mit „Pegida“ und „Zukunft Volk“ anklagen und Propagandavideos, die zeigen sollen, Heimat“. Das deutsche Volk sei in existenzieller Not und die „was die Juden den Deutschen angetan“ hätten. AfD sei das politische Instrument, um den „Kampf“ um das Franz Wiese (Märkisch-Oderland, auch Landtagskandi- Überleben des Volkes zu führen: dat) ist seit 2014 Landtagsabgeordneter der AfD Branden- burg. Er ist Initiator und treibende Kraft des „Merkel muss „Wir kämpfen darum, dass wir unser Land behalten weg Mittwochs“, einer Serie von AfD-Kundgebungen vor können. (…) Die AfD Brandenburg wird Brandenburg dem Bundeskanzleramt in Berlin, auf denen seit 2017 wö- nicht kampflos aufgeben. (…) Jeder, der sein Land ver- chentlich der Rücktritt der „Kanzler-Diktatorin“ gefordert teidigen muss, muss in der AfD seine Heimat finden. (…) wird. Unter der Parole „Merkel jagen“ wird zum Widerstand Wir kämpfen um unser Überleben, um das Überleben „gegen die deutschen-feindliche Politik des Merkel-Regimes“ unserer Kultur und unserer Werte.“ aufgerufen. Immer wieder wird von Teilnehmer*innen in Vi- deomitschnitten über Visiten von Rechtsextremen berich- Ralf Maasch (Rathenow) war eine prägende Figur im rechts- tet, etwa des Aktivisten Eric Graziani (Vor Ort Aktuell 2018b) extremen „Bürgerbündnis Havelland“, welches in Rathenow oder des antisemitischen „Volkslehrers“ Nikolai Nerling (Vor eine Vielzahl von Veranstaltungen durchführte. Im Januar Ort Aktuell 2018c). Wiese fällt selbst regelmäßig mit schärfs- 2019 verkündete Maasch seinen Rückzug aus dem „Bürger- ter Polemik auf. Bei einer Demonstration gegen den UN-Mi- bündnis“. Er ist seit September 2014 AfD-Mitglied. Maasch grationspakt am 1. Dezember 2018 in Berlin sagte Wiese sympathisiert auf seinem Facebook-Profil mit der inhaftier- über Merkel: „Diese Frau, wenn sie denn eine ist, hat so ten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck und teilt Beiträge viel Schaden über Deutschland gebracht, dass sie eigentlich von NPD-Funktionären (Presseservice Rathenow 2019). ein Fall für die Gerichte wäre“. Die Kanzlerin bleibe jedoch Heiko Müller (Teltow-Fläming) ist der ehemalige Landes- verschont, weil „die Richter einfach willfährige Helfer“ seien. und Vize-Bundesvorsitzende der rechtsextremen REP. Um das Die teils gewalttätigen Gelbwestenprotesten in Frankreich Jahr 2015 war er führend am Versuch beteiligt, unter dem kommentierte er so: „Mir wurde vorhin gesagt, ja, die ran- Motto „Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestim- dalieren ja. Ja, die Franzosen haben Eier in den Hosen und mung“ („Bramm“) einen Pegida-Ableger im Land Branden- wissen was sie zu tun haben.“ Der „Merkel muss weg Mitt- burg zu etablieren. Neonazis wirkten auf „Bramm“ ein und woch“ hingegen zeige, „dass jetzt die Zeit abgelaufen ist für stellten einen Teil des Teilnehmerkreises (vgl. Rougk 2016). diese Landverweser, die hier nichts anderes im Sinn haben Volker Nothing (Elbe-Elster, auch Landtagskandidat), wie Deutschland zu vernichten.“ AfD-Kreisvorsitzender in Elbe-Elster, bezeichnete bei einer Demonstration im November 2018 den UN-Migrationspakt als „Kriegserklärung an alle friedlichen Länder Europas und der Welt“. Er sieht gegenwärtig in Deutschland „Meinungs- Rassistische und rechtsextreme und Gesinnungsterroristen“ am Werk. Die Regierung würde ÄuSSerungen oder Verbindungen sich das „Land zur Beute“ machen und es mit „teils nicht VON AfD-Kandidat*innen integrierbaren Menschen fluten“. Nothing will Flüchtlinge, die die deutsche Gesellschaftsordnung nicht respektierten, abschieben und fügt an, dass auch „Landsleute und Politiker, Neben der Einbindung vieler Kommunalwahlkandidat*innen denen unsere Heimat offensichtlich nicht bunt und tolerant in die Demonstrationspolitik der brandenburgischen AfD genug ist oder denen es vielleicht auch zu friedlich und ein- und ihrer Anbindung an die rechtsextremen und flüchtlings- tönig ist“, nicht „gezwungen“ seien, „hier zu bleiben“. Das feindlichen Mobilisierungen sind weitere Kanidat*innen mit
Seite 10 Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle, Mai 2019 Äußerungen aufgefallen, die Sympathie mit rassistischen gestoppt“ werden müsse. Sie forderte einen „Justizapparat oder rechtsextremen Positionen oder mit entsprechenden mit einem Hang zum Gesetz statt einer Tendenz zur Gesin- Organisationen erkennen lassen, mit drastischer Sprache nungsjustiz“. „Straftäter“ sollten „nach der Schwere ihrer politische Gegner*innen angreifen oder diskriminierende Vergehen oder Verbrechen verurteilt werden, und nicht Inhalte transportieren. Eine Auswahl dieser Äußerungen danach, ob die Tat in ihrem Heimatland eventuell straffrei wird im Folgenden dokumentiert. Gegebenenfalls wird auf bleiben würde.“ Der Justiz unterstellt die Rechtsanwältin eine Vorgeschichte oder Anbindung der jeweiligen Perso- ferner, Gerichte würden „wegen der Herkunft der Ange- nen in rechtsextreme Kreise hingewiesen. Es folgen Kurz- klagten milder und wegen der politischen Weltanschauung notizen zu ausgewählten zwölf AfD-Kandidat*innen, die so manches mal härter bestrafen“. Duggen ist gegenwärtig entsprechend in Erscheinung getreten sind.11 AfD-Mitarbeiterin im Landtag und Generalsekretärin der Stefan Broschell (Zossen) wurde als Protagonist der neo- AfD-nahen „Erasmus Stiftung Brandenburg“ sowie Beisit- nazistischen und rassistischen „Artgemeinschaft Germani- zerin des Vorstandes der „Akademischen Erasmusstiftung“. sche Glaubensgemeinschaft“ bekannt. So war der heute Sie hat eine politischen Vergangenheit in der islamfeindli- als Antiquar tätige Broschell für den Buchversand dieser chen Partei „Die Freiheit“. völkisch-neuheidnischen Neonaziorganisation zuständig Helfried Ehrling (Elbe-Elster) äußerte in einem Face- (Bauerschmidt et al 1996, S. 369). Auch schrieb Broschell book-Kommentar, dass 2019 das „Jahr der Entscheidung“ für die „Artgemeinschafts“-Zeitschrift „Nordische Zeitung“. werde: „das geht nicht ohne (Bürger)-Krieg“, „Reförmchen, Als 26-Jähriger war Broschell Direktkandidat für REP im Ber- labern und aussitzen“ würden dafür nicht ausreichen. In liner Stadtteil Neukölln. Im NSU-Untersuchungsausschuss einem anderen Facebook-Kommentar begrüßt er, dass aus- des Landes Brandenburg berichtete Generalbundesanwalt ländische Vertragsarbeiter in der DDR „von den deutschen Wolfgang Siegmund, dass Broschell zeitweise in Berlin als Jung‘s auch richtig auf‘s Maul“ bekommen hätten, wenn es Polizist gearbeitet und dort „keinen Hehl aus seiner neona- „Ärger mit denen“ gegeben hätte. Auf Youtube unterhält zistischen Gesinnung“ gemacht habe (NSU Watch Branden- ein Nutzer mit dem Namen Helfried Ehrling einen Kanal und burg 2017). Der ehemalige Potsdamer Staatsschutzchefs hat dort eine Playlist mit „Guter Musik“ zusammengestellt, Jürgen Wetzel berichtete im Ausschuss, dass bei einer Poli- darunter Songs von Rechtsrock-Interpreten wie „Sturm- zeirazzia gegen einen korruptionsverdächtigen Polizisten im wehr“, „Sturmrebellen“, „Dee Ex“ oder „Von Thronstahl“. Jahr 2003 Fotos sichergestellt wurden, die den damaligen In einer weiteren Playlist mit dem Titel „Geschichte“ sind Polizisten Broschell „in rechtsextremem Kontext“ zeigten unter anderem Reichsbürger-Videos von „staatenlos.info“ (NSU Watch Brandenburg 2017b). („GEZ-Rundfunkgebühren sind Nazi-Unrecht“) und vom Thorsten Burzlaff (Teltow-Fläming) postete auf Face- Verschwörungskanal „klagemauer.tv“ („Die Rothschild- book ein Video, dass die „Q-Anon“- Verschwörungsideolo- Kontrolle“) gelistet. gie erklärt und bewirbt. Ebenfalls postete er einen Beitrag, Michael Hanko (Spree-Neiße) war vor seinem Enga- in dem in der Manier der Reichsbürgerbewegung behaup- gement für die AfD bereits mehrere Jahre als parteiloser tet wird, dass die Bundesrepublik 1990 als Staat aufgehört Einzelmandatsträger kommunalpolitisch tätig. Hanko war habe zu existieren und an ihre Stelle eine „BRD-Finanz Grundstücksbesitzer des mittlerweile geschlossenen Neo- GmbH“ getreten sei. In einem weiteren von Burzlaff ver- nazi-Treffpunkts „Bunker 38“ in Schwarze Pumpe bei Sp- breiteten Posting wird ein Gedenkstein des neonazistischen remberg. Nachdem die Polizei gegen eine Neonaziparty im Vereins „Gedächtnisstätte“ in Guthmannshausen gezeigt. „Bunker 38“ vorgehen musste, setzte sich Hanko 2008 bei Er schreibt ferner, dass am 13. Februar 1945 in Dresden ein einer Sitzung des Ortbeirats unterstützend für die Neonazis „Völkermord“ stattgefunden habe. ein und erhob Vorwürfe gegenüber der Polizei, von der „wir Lena Duggen (Havelland, auch Landtagskandidatin) wie Verbrecher behandelt“ worden seien (Lausitzer Rund- warnte auf Facebook, dass „eine Generation von Kopfab- schau 2008). schneider-Kindern“ heranwachse. Die Juristin aus Dallgow- Ingo Hubatsch (Oberspreewald-Lausitz, auch Landtags- Döberitz erklärte bei ihrer Bewerbungsrede für einen Lis- kandidat) behauptete in seiner Bewerbungsrede um einen tenplatz bei den Landtagswahlen, dass sie „nicht mehr zu Landtagslistenplatz, in Deutschland finde eine „Politik der einer Tageszeit allein auf die Straße gehen“ und sich auch Zersetzung und Zerstörung der Gesellschaft“ statt. „Noch nicht „in öffentliche Verkehrsmittel wagen“ könne, weil nie in der Geschichte der Menschheit“ habe ein Staat „in „in diesem Land Menschen Einzug gehalten haben, deren vollem Bewusstsein versucht, sein eigenes Staatsvolk zu Weltanschauung nicht mit der unseren zusammenpasst“. zersetzen“ – dies sei heute hierzulande der Fall. Die „Zer- Sie habe „Angst um Leib und Leben“ in ihrer Heimat. Sie setzung“ würde von den „herrschenden Globalisten“ be- macht eine „fortschreitende Deutschenfeindlichkeit, die trieben. Das „linke Establishment“ würde „unsere Werte so viele Opfer bislang gefordert hat“ aus, welche „endlich Stück für Stück vernichten“, wofür es sich unter anderem einer „Nazikeulerei“ bediene und die Deutschen auch ma- teriell „enteignen“ wolle. Es handele sich um einen „Krieg 11 Weitere Porträts sind auf der Homepage des MMZ hinterlegt. gegen alles, was wir sind als entwickelte Kulturvölker Eu-
Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle, Mai 2019 Seite 11 2017 nannte er die CDU/CSU „antideutsch“ und sugge- rierte, dass Deutschland keine Schuld am Zweiten Welt- krieg habe: „Groß Britannien und Frankreich erklärten dem Deutschen Reich am 3. September 1939 den Krieg, nicht umgekehrt!“ „Die Greuelpropaganda der Sieger gegen die Deutschen wird in der BRD mit dem Strafgesetz geschützt“. Klaus-Peter Kulack (Barnim) ist Kreisvorsitzender im Barnim und Mitglied des Landesvorstandes. Bei einer De- monstration am 15. August 2017 in Eberswalde behaup- Rassistisches Posting eines AfD-Kandidaten tete er, dass „linke und grüne Chaoten“ im Gegensatz zu normalen Bürgern keine Steuern zahlen müssten: „Wir alle zahlen Steuern, die gar nicht.“ Aiman Mazyek vom Zentral- rat der Muslime in Deutschland wurde von Kulack aufge- fordert, seinen Namen „gefälligst einzudeutschen“. „Schreit nicht nach Religionsfreiheit“, verlangte er von deutschen Muslimen: „Beschäftigen sie sich gefälligst mit unserer eu- ropäischen Kulturgeschichte, wenn sie hier leben wollen! Da können Sie in ihren Kaffeehäusern so viel labern wie Sie wollen. Nur sagen sie uns nicht, wie wir unser Land zu führen haben. Davon haben Sie nicht den blassesten Schim- mer und den kleinsten geistigen Zugang.“ Auf Facebook äu- ßerte sich Kulack zur Bundeswehr: „Na Hauptsache, die Ka- sernen sind alle umbenannt und alle Devotionalien von vor 1945 sind beseitigt. Aber keine Sorge, mit der Wehrmacht hat dieser Chaotenhaufen wahrlich nichts gemeinsam, die scheitern ja schon im eigenen Land am ersten Maulwurfs- Posting einer AfD-Politikerin hügel. Oh Flinten-Uschi, wärst du doch am Herd geblieben.“ Ralf Küttelwesch (Mittenwalde) war Mitgründer und Funktionär des „Sturmvogel“, eines „Deutschen Jugend- ropas. Das ist Globalistenpolitik!“ Die AfD sei „die einzige bundes“, der sich 1987 von der neonazistischen „Wiking und letzte Insel der Vernunft in Zeiten der Transformation Jugend“ (1994 verboten) abgespalten hatte. 1990 veröffent- zur Selbstaufgabe“. Auf Facebook sympathisiert Hubatsch lichte er gemeinsam mit der Neonaziaktivistin Edda Schmidt mit dem „Flügel“ und teilt Beiträge von „Ein Prozent“ und ein Buch über eine „Sturmvogel“-Fahrt nach Rumänien. Er „Compact“. arbeitete zudem als Mitarbeiter der Presseabteilung und Robert Ketelhohn (Oberhavel), ein katholischer Traditi- Rechtsabteilung des Unternehmens, das die in der Neona- onalist, hat auf seiner Facebookseite ein als antisemitisch ziszene populäre Kleidungsmarke „Thor Steinar“ produziert. zu wertendes Statement veröffentlicht. Er bekundet: „Die In der Vergangenheit schrieb er für die neurechte Wochen- zionistische Staatsideologie ‚Israels‘ ist aus Sicht jedes aufs zeitung „Junge Freiheit“. Naturrecht bauenden Staatsdenkens zu verwerfen.“ Israel Arpad von Nahodyl (Belzig) ist der Gründer und Anfüh- fördere einen „blanken Nationalsozialismus“, als dessen rer der heidnisch-germanischen Sekte „Germanische Glau- Symbol die Kippa fungiere. Er wirft Israel zudem vor, dass bensgemeinschaft“, die sich als Nachfolgerin der von um es „islamistische Terrortruppen“ „fördert und rüstet“. Die 1912 gegründeten und bis 1964 existenten gleichnamigen Gründung Israels sei eine „künstliche Implantation“ eines völkischen Gruppierung sieht. Nahodyl ist Autor zahlreicher „vollständig landesfremden zionistischen Staatsgebildes Bücher, in denen er unter anderem beschreibt, wie man in Palästina, einschließlich der Invasion von Millionen kul- „per Telepathie der Zahlen“ „im Roulette gewinnen“ könne. turfremder ‚Migranten‘ ins Heilige Land der Christenheit“ Daniel Pommerenke (Ostprignitz-Ruppin) war in der Ver- gewesen. gangenheit in der Neonazi-Szene in Sachsen-Anhalt aktiv. Mario Kuczera (Märkisch-Oderland) verbreitete bei Fa- 2007 kandidierte er auf einer Tarnliste der NPD-Jugendorga- cebook unter anderem einen Kommentar „Wann wacht Ihr nisation JN für das Studierendenparlament der Universität auf, Deutsche?“ des NPD-Vorsitzenden Frank Franz aus der Magdeburg . Fotos aus dem Jahr 2009 sollen Pommerenke NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“. Ein Foto einer Ver- am Transparent einer Neonazi-Kameradschaft namens „So- sammlung seiner AfD-Regionalgliederung kommentiert er zialrevolutionäre Alternative Mitte“ zeigen. 2018 veröffent- mit dem Satz: „Es geht weiter bei uns in Seelow, wir lassen lichte er einen Artikel in „Arcadi“, einem Magazin, das den uns von Parasiten und Verrätern nicht unterkriegen ...“. rechtsextremen „Identitären“ nahesteht.
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