Nachbarschaftswerkstatt - Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros

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Nachbarschaftswerkstatt - Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros
Nachbarschaftswerkstatt
    Fortbildungsprogramm für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in
Seniorenbüros zur Förderung des Aufbaus zeitgemäßer nachbarschaftlicher
               Strukturen in Quartieren des langen Lebens

            Ein Projekt der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e. V.
im Rahmen des Programms „Nachbarschaftshilfe und soziale Dienstleistungen“ des BMFSFJ
Nachbarschaftswerkstatt - Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros
INHALTSVERZEICHNIS

              Inhalt

              EINFÜHRUNG                                     03

              DIE BAS-NACHBARSCHAFTSWERKSTATT                04

              KONZEPTIONSWORKSHOP                            05

              ONLINE-PLATTFORM                               06

              COACHING                                       07

              BAUSTEIN I                                     08

              BAUSTEIN II                                    14

              BAUSTEIN III                                   21

              THEATER                                        25

              BAUSTEIN IV                                    25

              FAZIT                                          28

              AUSWERTUNG – RÜCKMELDUNGEN DER TEILNEHMENDEN   29

              PROJEKTE                                       30

                      Speyer                                 30
                      Regensburg                             31
                      Gelsenkirchen                          32
                      Meckenheim                             33
                      Celle                                  34
                      Ahlen                                  35
                      Bad Ems                                36
                      Limburg-Weilburg                       37
                      Wendelstein                            38
                      Dreieich                               39
                      Idstein                                40
                      Ingolstadt                             41
                      Taunusstein                            42

              ZUM WEITERLESEN                                43

              IMPRESSUM                                      43

2   |   BaS
Nachbarschaftswerkstatt - Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | EINFÜHRUNG

Einführung

D
        as Thema Nachbarschaft ist hochaktuell             hilfe und soziale Dienstleistungen“ des BMFSFJ
        und wird künftig noch an Bedeutung ge-             konnte die Nachbarschaftswerkstatt 2013 bis
        winnen. Bereits jetzt ist der demografische        2014 verwirklicht werden. Die BaS kooperierte
Wandel in den Quartieren spürbar. Neue soziale             dabei mit dem Evangelischen Erwachsenenbil-
Netzwerke werden immer wichtiger für eine Per-             dungswerk Nordrhein, der ProjektWerkstatt Seni-
spektive, die auch im Alter ein selbständiges Le-          orenbildung, dem Kuratorium Deutsche Altershilfe
ben ermöglicht – im Haus, im Stadtquartier oder            und der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe.
in der Dorfgemeinschaft.
                                                           Während dieser zwei Jahre lernten 20 haupt- und
Viele der rund 350 Seniorenbüros bundesweit                ehrenamtlich Aktive aus Seniorenbüros beteili-
gestalten Nachbarschaftsprojekte mit vielfältigen          gungsorientierte Ansätze, kreative Methoden und
Angeboten. Diese reichen von der Beratung im               zukunftsweisende Ideen kennen. Begleitet durch
Einzelfall über Angebote zur Kontaktpflege bis hin         den Fachaustausch auf der kurseigenen On-
zur Übernahme von Aufgaben der Sozialplanung               line-Plattform und regionale Coachings, setzten
für die Kommune. Seniorenbüros tragen damit                diese Multiplikatorinnen und Multiplikatoren an
entscheidend dazu bei, dass ältere Menschen so             vielen Orten Impulse aus der Nachbarschafts-
lange wie möglich am Leben in der Gemeinschaft             werkstatt, um bestehende Projekte weiter zu ent-
teilhaben können.                                          wickeln und neue Nachbarschaftsaktivitäten zu
                                                           initiieren.
Gerade weil das Thema Nachbarschaften so
viele gesellschaftliche Aspekte berührt, sind die          Die Erfahrungen aus der Nachbarschaftswerk-
Akteure vor Ort im Alltag mit vielfältigen Anforde-        statt sind eine Fundgrube für Haupt- und Ehren-
rungen konfrontiert. Seniorenbüros sind gefor-             amtliche in Nachbarschaftsprojekten. Sie zeigen:
dert, flexibel auf hochkomplexe Entwicklungen zu           Bürgerschaftliches Engagement macht Spaß,
reagieren und Methoden, Beteiligungsprozesse,              knüpft Kontakte und schafft das Quäntchen an
Netzwerke etc. laufend neu zu gestalten. Mit dem           Bedeutung für andere, das laut Prof. Dr. Klaus
Fortbildungsprogramm Nachbarschaftswerkstatt               Dörner1 jeder Mensch in jedem Alter braucht.
kam die Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbü-              Sie machen Lust darauf, zu experimentieren und
ros (BaS) einem vielfach geäußerten Bedarf ent-            mit ungewöhnlichen Methoden zum Engagement
gegen.                                                     für sich und andere anzustecken. Mit dieser Do-
                                                           kumentation wollen wir die Inhalte auch anderen
Durch eine Förderung im Bundesprogramm                     Interessierten in Nachbarschaftsprojekten zur Ver-
„Zuhause im Alter“ im Bereich „Nachbarschafts-             fügung stellen.

1
    Klaus Dörner, Leben und Sterben, wo ich hingehöre. Dritter Sozialraum und neues
    Hilfesystem, Neumünster 2012

                                                                                                                BaS   |   3
Nachbarschaftswerkstatt - Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT

              Die BaS-Nachbarschaftswerkstatt

              Ziele                                                Projektleitung
              • Blick in die Zukunft                               Agnes Boeßner, Bundesarbeitsgemeinschaft
              • beteiligungsorientierte Haltung                    Seniorenbüros e. V.
              • innovative Methoden und Impulse

              • Projektentwicklung                                 Projektidee
              • Netzwerk der Seniorenbüros                         Stefanie Adler, Bundesarbeitsgemeinschaft
                                                                   Seniorenbüros e. V.
              Bausteine: Präsenztage –
              Online-Phasen – Regionales Coaching
              • 4 Präsenz-Seminare (je 2-3 Tage) in Düsseldorf        Die Bundesarbeitsgemeinschaft
                und Frankfurt/Main                                    Seniorenbüros (BaS)
              • Zwischen den Präsenz-Seminaren mehrwöchige

                moderierte Online-Phasen                              Die BaS ist seit 1995 als Expertin für das
              • Regionale Coachings in 4 Gruppen á 2 Termine          bürgerschaftliche Engagement älterer Men-
                                                                      schen und als Impulsgeberin für eine inno-
              Teilnehmende                                            vative Seniorenarbeit tätig.
              20 ehren- und hauptamtliche Multiplikatorinnen
              und Multiplikatoren aus 13 Seniorenbüros bun-           Für die rund 350 Seniorenbüros bundesweit
              desweit (Ahlen, Celle, Bad Ems, Dreieich, Gel-          bietet sie Fachberatung und Vernetzung auf
              senkirchen, Idstein, Ingolstadt, Limburg-Weilburg,      Landes- und Bundesebene, Qualifizierung
              Meckenheim, Regensburg, Speyer, Taunusstein,            und Qualitätssicherung, Projektentwicklung
              Wendelstein)                                            und -steuerung sowie Öffentlichkeits- und
                                                                      Lobbyarbeit.
              Referierende
              Karin Nell, Ev. Erwachsenenbildungswerk                 In der Nachbarschaftswerkstatt hat die BaS
              Nordrhein (eeb)                                         folgende Leistungen übernommen:
              Susanne Konzet, ProjektWerkstatt
              Seniorenbildung                                         • Projektentwicklung und -steuerung
                                                                      • Konzeption in Abstimmung mit den
              Daniel Hoffmann, Kuratorium Deutsche
                                                                        Kooperationspartnern
              Altershilfe (KDA)                                       • Koordination, Durchführung und

              Christiane Grabe, Diakonie                                Organisation des Fortbildungsprogramms
              Rheinland-Westfalen-Lippe                               • Förderung der Vernetzung,

                                                                        Netzwerktreffen
                                                                      • Öffentlichkeitsarbeit

                                                                      Mit innovativen Projekten wie der Nachbar-
                                                                      schaftswerkstatt fördert die BaS die Wei-
                                                                      terentwicklung von zukunftsweisenden En-
                                                                      gagementfeldern für Ältere und trägt dazu
                                                                      bei, den demografischen Wandel konstruk-
                                                                      tiv zu gestalten.

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Nachbarschaftswerkstatt - Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | KONZEPTIONSWORKSHOP

Konzeptionsworkshop

U
       m das Konzept der Nachbarschafts-
       werkstatt mit den Beteiligten zusammen
       zu entwickeln und die Vorstellungen der
Kooperationspartner abzustimmen, lud die BaS
die Partner, Haupt- und Ehrenamtliche aus Se-
niorenbüros sowie Interessierte aus Nachbar-
schafts-Projekten zu einem Konzeptions-Work-
shop am 13. und 14. September 2012 ein.

Elemente des Konzeptions-Workshops, die in
das Konzept der Nachbarschaftswerkstatt aufge-
nommen wurden:

• Kreatives Arbeiten: Gestalten mit sinnlich er-
  fahrbaren Materialien, Einbeziehen von Anre-
  gungen aus Kunst und Kultur, Erproben innova-
  tiver Methoden
• Blick in die Zukunft: Bewusstsein für gesell-

  schaftliche Entwicklungen, aus der Zukunft
  heraus die Gegenwart betrachten, Visionen für
  Nachbarschaften entwickeln                                       Nachbarschaft der Zukunft: Modellbau
• Neue Kommunikations- und Lernformen: On-

  line-Lernraum (moodle-Plattform), Rolle neuer          • Praxisorientiertes Vorgehen: Erfahrungen
  Medien, Erkunden von Möglichkeiten „Virtueller           aus Seniorenbüros austauschen, Good-prac-
  Nachbarschaften“                                         tice-Beispiele kennen lernen, Netzwerk der Se-
• Neuer Profi-Laien-Mix: Wandel der Haltung zwi-           niorenbüros knüpfen
  schen Haupt- und Ehrenamt: Menschen unter-             • Neues Lernverständnis: Alle sind Lernende

  stützen, für ihre eigenen Anliegen aktiv zu werden       und Lehrende zugleich

                                                       Kommunikation der Zukunft: „Nachbarschafts-Apps“

                                                                                                            BaS   |   5
Nachbarschaftswerkstatt - Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | ONLINE-PLATTFORM

              Online-Plattform

              D
                    ie Online-Plattform für die Nachbarschafts-
                    werkstatt basiert auf einer moodle-Platt-
                    form. Diese wurde vom Kooperationspart-
              ner KDA zur Verfügung gestellt und gepflegt.

              Einführung in die Technik
              Für die Einführung in die Arbeit mit der On-
              line-Plattform wurde innerhalb des ersten Bau-
              steins ein Tag reserviert, an dem sich die Gruppe
              in einem externen PC-Raum traf. Daniel Hoffmann
              vom KDA leitete die Einführung und unterstützte
              die Teilnehmenden bei den ersten Schritten in
              der Online-Zusammenarbeit. Bis auf eine Teilneh-
              merin hatte niemand aus der Gruppe Erfahrung        Während das „Forum Nachbarschaftsarbeit“
              mit moodle gemacht und kaum jemand zuvor On-        für fachliche Themen wie Projektvorstellungen,
              line-Foren genutzt.                                 Informationen, Inklusion, Öffentlichkeitsarbeit oder
                                                                  Fundraising genutzt wurde, tauschten die Teilneh-
              Wie deutlich wurde, war die schwierigste Übung      menden in der „Cafeteria“ Ideen aus und trafen
              das Anmelden und der Zugang zur Plattform. Auch     Verabredungen, z.B. für die Theateraufführungen,
              im Laufe des Fortbildungsprogramms scheiterten      das Netzwerktreffen oder Projektbesuche. Zwei-
              immer wieder einzelne Teilnehmende, weil sie        mal während der Laufzeit der NBW wurde ein
              Passwort oder Anmeldenamen vergessen hatten         Chat angeboten, in dem sich die Teilnehmenden
              oder den Weg zur Online-Plattform nicht mehr        in einem vereinbarten Zeitfenster zu den ge-
              nachvollziehen konnten. Sowohl die Projektleite-    wünschten Themen für den nächsten Baustein
              rin als auch der Kollege des KDA standen jedoch     austauschen konnten.
              jederzeit für technischen Support zur Verfügung.
                                                                  In einem Dokumentenordner wurden Materialien
              Moderation                                          aus dem gesamten Fortbildungsprogramm abge-
              Während der Online-Phasen stellten die Mode-        legt, so dass alle Vorträge, Texte, Checklisten etc.
              ratorinnen bzw. der Moderator thematische Auf-      während der gesamten Laufzeit zugänglich wa-
              gaben und moderierten den Diskussionsprozess.       ren. In die Mediathek konnten die Teilnehmenden
              Das Spektrum reichte von der Auswertung der         hilfreiche Links, Literatur- und Filmtipps einstellen
              Bausteine über einzelne Themen aus den Bau-         und kommentieren.
              steinen bis hin zu fachlichen Fragen aus den Pro-
              jekten. Außerhalb der Online-Phasen wurde die       „Die Online-Arbeit fällt mir nicht so leicht, aber es
              Diskussion von der Projektleiterin moderiert.       ist eine Chance, sich in neue Kommunikations-
                                                                  formen einzuarbeiten.“ (Teilnehmerin)
              Elemente der Plattform:
              Im Bereich „Mitteilungen der KursleiterInnen“
              stellten die Referentinnen bzw. Referenten Pro-
              gramme, Aufgaben oder Anleitungen ein. Im Ge-
              gensatz zu diesem Bereich hatten zu den Foren
              auch alle Teilnehmenden sowie Referentinnen
              und Referenten Zugang.

6   |   BaS
Nachbarschaftswerkstatt - Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | COACHING

Coaching

Gestaltung des Coaching
Jeweils drei bis vier Seniorenbüros bildeten eine
Coachinggruppe, die sich während der Laufzeit
des Fortbildungsprogramms wechselweise an
einem der Standorte traf. Eine Referentin leitete
das Coaching, das in einer Kombination aus kol-
legialer und fachlicher Beratung gestaltet wurde.
Das Mitdenken und Mitexperimentieren aller Teil-
nehmenden war gefragt, alle Anwesenden waren
gleichzeitig Lernende und Lehrende.

Im Sinne des prozessorientierten Arbeitens konn-
                                                                           Coaching in Gelsenkirchen
ten vorab Themenwünsche geäußert werden, ak-
tuelle Fragen oder Probleme hatten jedoch jeder-
zeit ihren Platz. Die Themen aus den Coachings
flossen wiederum in die Programmplanung ein.        Themen der Coachings
Darüber hinaus konnten die Coaching-Treffen mit     Durch die Arbeit an konkreten Fragen, Situationen
Projektbesichtigungen der verschiedenen Senio-      und Fallbeispielen wurden viele in den Präsenzta-
renbüros verbunden werden und förderten somit       gen vorgestellte Themen intensiviert. Wiederkeh-
den Projekttransfer.                                rende Themen waren beispielsweise: Konkrete
                                                    Schritte bei der Projektumsetzung, Umgang mit
Methoden                                            Konflikten, Aufbau von Mitwirkungsstrukturen im
Auch innerhalb der Coachings wurde mit krea-        Stadtteil, Zusammenarbeit mit Kooperationspart-
tiven Methoden gearbeitet. Genannt seien bei-       nern sowie Politik und Verwaltung, Anregungen
spielhaft: „Streichholzmethode“ (Szenenbild aus     für die Verankerung innovativer Ideen vor Ort. Wie
Zündhölzern wird jeweils nur um ein Hölzchen        die Qualität der Arbeit trotz struktureller Heraus-
verändert und neu interpretiert), Arbeit mit dem    forderungen gewährleistet werden kann, wurde
Medizinrad, Themenfindung anhand von Bildkar-       ebenso diskutiert wie Probleme aufgrund feh-
ten, ganzheitliche Übungen zur Haltung und zu       lender Finanzmittel zur Weiterführung erfolgreicher
Veränderungen, Biografie-Arbeit, sowie Fallarbeit   Projekte sowie Chancen und Grenzen von ehren-
mit Kartenabfrage und Zurufmethode.                 amtlichem Engagement.

                                                                                                          BaS   |   7
Nachbarschaftswerkstatt - Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN I

              Baustein I
              Thema: Lebendige Nachbarschaft

              Seminartage 18. – 20. 02. 2013, Düsseldorf / Online-Phase 21. 02. – 22. 03. 2013

              B
                      austein I von IV war der Einstieg in ein Kon-   sen Räumen Unterstützung an. Insofern sind die
                      zept, das unterschiedliche, bundesweit in-      Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Nachbar-
                      novative und interdisziplinäre Ansätze inte-    schaftswerkstatt aus 13 Seniorenbüros hier ge-
              grativ zusammenführt – im Sinne von „Das Ganze          nau richtig.
              ist mehr als die Summe seiner Teile“.
                                                                      Lebendige Nachbarschaften –
              Ungewöhnlicher Ort                                      was heißt das für mich?
              Ungewöhnlich war schon der Ort: „WERKSET-               Das Anknüpfen an persönliche Erfahrungen er-
              ZEN“, ein Künstleratelier in einer Wohn- und            möglichte einen intensiven Einstieg ins Thema
              Geschäftsstraße in Düsseldorf. Das Atelier ist of-      Nachbarschaft. Aus vielfältigem Material gestal-
              fen für Schülerinnen und Schüler, die dort erste        teten die Teilnehmenden ihre Antworten zu drei
              Kunstwerke kreieren, für Seniorinnen und Seni-          Einstiegsfragen:
              oren mit kreativen Ideen und für Demenzkranke
              als Raum, um die eigenen Kräfte mit allen Sinnen        Was ist meine Herzenssache
              (wieder) zu erspüren.                                   (persönlich / bei Arbeit oder Engagement)?
                                                                      Aus farbigem Papier gestalteten die Teilneh-
              Drei Künstlerinnen arbeiten bei „WERKSETZEN“,           menden Herzen mit Anliegen, die ihnen persön-
              das gleichzeitig „keywork-Atelier“ ist. Für Men-        lich und beruflich oder ehrenamtlich am Herzen
              schen, die aktiv werden und Projekte gestalten          liegen. Das Fazit: „In unseren Herzensangelegen-
              wollen, bietet Bildungsreferentin Karin Nell in die-    heiten sind wir einfach richtig gut!“

8   |   BaS
Nachbarschaftswerkstatt - Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN I

In die Arbeit der Nachbarschaftsprojekte lässt sich
dies übertragen: Menschen blühen auf, wenn sie
sich für ihre Herzensangelegenheiten einsetzen
können.

Wie möchte ich persönlich im Alter leben?
• im gewohnten Umfeld, in der eigenen Wohnung

• möglichst lange eigenständig, unabhängig,

  selbstbestimmt

                                                      • nicht alleine, mit anderen Generationen, inter-
                                                        kulturell
                                                      • Versorgung in der Nähe, mobil

                                                      • am gesellschaftlichen, kulturellen Leben teilneh-

                                                        men
                                                      • Verantwortung übernehmen, gebraucht werden

                                                      • Garten mit Gartenbank, Jahreslauf beobachten

                                                      • in Würde

                                                      Welche Schätze möchte ich hier in der
                                                      Nachbarschaftswerkstatt entdecken?
                                                      • Wie fördern wir das Bewusstsein für Nachbar-

                                                        schaft?
                                                      • Wie gewinnen wir Ehrenamtliche für das Projekt?

                                                        Wie motiviere ich Menschen, sich zu engagie-
                                                        ren, ohne sich zu überlasten?
                                                      • Wie können wir einsame, kranke, alte Menschen

                                                        erreichen?

                                                                                                            BaS   |   9
Nachbarschaftswerkstatt - Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN I

                                                                  daraus ein Nachbarschaftsmodell der Zukunft!“
                                                                  lautet die Aufgabe für die Teilnehmenden der
                                                                  „Nachbarschaftswerkstatt“. Die 20 Haupt- und
                                                                  Ehrenamtlichen stutzen zunächst, dann wird ge-
                                                                  schnippelt, geklebt und gebaut.

                                                                  Nach einer Stunde sind drei Modelle fertig, die
                                                                  ungeahnte Ideen und Anregungen für die realen
                                                                  Projekte in der Senioren-Quartiersarbeit bergen.
                                                                  Ein Modell stellt die Mobilität in den Vordergrund,
                                                                  ein anderes zeigt, wie wichtig die Versorgung in
                                                                  der Nähe ist, und im dritten ist die Vision eines
                                                                  Ortes zu erkennen, an dem Inklusion gelebt
                                                                  wird.

                                                                  Das Interessante an dieser Übung ist nicht nur
                                                                  das fertige Modell, sondern auch der Weg dort-
                                                                  hin: Wie verständigten sich die Beteiligten? Wie
                                                                  wurden sie sich über die Ziele des Modells einig?
                                                                  Wer baute was und warum?

               • Wie mache ich „mein Angebot“ bekannt?            Der Modellbau symbolisiert damit die vielfältigen
               • Finanzierung und Förderungsmöglichkeiten für     Verständigungsprozesse, die auch in der Nach-
                 Nachbarschaftsprojekte                           barschaftsarbeit stattfinden.
               • Welche Chancen haben virtuelle Online-Nach-

                 barschaften?                                     Impuls: Lebendige Nachbarschaftsarbeit
               • Neue kreative Impulse und Methoden kennen        Susanne Konzet von der ProjektWerkstatt Seni-
                 lernen, auch zum Weitergeben                     orenbildung stellte das Konzept der „Lebendigen
               • Neue Sichtweisen, neue Anstöße zur Projekt-      Nachbarschaftsarbeit“ vor, das in Zusammenar-
                 entwicklung                                      beit mit Annette Scholl vom Kuratorium Deutsche
               • Netzwerk der Seniorenbüros nutzen, voneinan-     Altershilfe (KDA) entwickelt wurde. Das Konzept
                 der lernen!                                      definiert vier Tätigkeitsfelder (Kontakt und Begeg-
                                                                  nung; Vernetzung; Bürgerschaftliches Engage-
               Kreativwerkstatt „Nachbarschafts-Modell            ment und die Beteiligung Älterer; gegenseitige
               der Zukunft“                                       Unterstützung und Hilfe). In allen Bereichen gilt:
               Papier, Schere, Kleber, sonst nichts. „Bauen Sie   Gut funktionierende Nachbarschaften entstehen
                                                                  nicht von allein. Konzets Konzept empfiehlt unter
                                                                  anderem folgende Elemente:

                                                                  • Selbstorganisation unterstützen, damit Ältere
                                                                    eigene Aktivitäten und Angebote gestalten können
                                                                  • Akteure fördern, gemeinsame Ziele und Anlie-

                                                                    gen zu definieren
                                                                  • Kümmerer gewinnen und unterstützen

                                                                  • Zeit geben für die Entwicklung nachbarschaft-

                                                                    licher Beziehungen
                                                                  • Räume schaffen für Begegnung und gemein-

                                                                    same Aktivitäten

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NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN I

Impuls: Theorie U                                      Erfolge vorweisen müssen, gehen beteiligungs-
„Zeit geben“ war ein Stichwort, das bei den Teil-      orientierte Prozesse den umgekehrten Weg: Die
nehmenden auf Widerspruch stieß: Der Alltag vie-       Akteure nehmen sich Zeit, ihre eigenen Ideen zu
ler Seniorenbüros ist geprägt vom Druck, in mög-       reflektieren und auf die Bewohner zu hören. Sie
lichst vielen Projekten möglichst schnell Erfolge      bestärken diese, ihre eigenen Herzenssachen zu
vorstellen zu können. Als Gegenpol dazu stellte        realisieren. Das heißt: Beteiligungsprozesse brau-
Karin Nell die „Theorie U“ von Otto Scharmer vor,      chen Zeit – und Menschen, die die Leidenschaft
die insbesondere in Nachbarschaftsprojekten von        für Neues vor Ort weitertragen.
Bedeutung ist, soll nicht Aktionismus vor Beteili-
gung gehen:                                            Sozialraumanalyse – Stadtteilspaziergang
                                                       Trotz Nieselregens machten sich die Teilneh-
• Kläre deinen Ausgangspunkt und deine Motiva-         menden auf, das Düsseldorfer Viertel, in dem
  tion!                                                auch das Atelier liegt, zu Fuß zu erkunden. Nicht,
• Unterbrich die Routine deines Handelns! Begib        um etwas zu erreichen: Langsames Gehen – Fla-
  dich an Orte, an denen du Aspekte der Zukunft        nieren – wurde hier vorgestellt als eine Methode,
  anschauen kannst. Gehe zu Menschen, die für          um den eigenen Stadtteil, das bekannte Dorf wie-
  das Thema brennen!                                   der ganz neu zu entdecken.
• Meditiere! Geh‘ zu einem Ort der Stille und lass‘

  das innere Wissen entstehen.                         Weitergeführt wurde die Anregung als Aufgabe in
• Integriere das Neue! Überprüfe die praktischen       der Online-Phase:
  Erfahrungen! Sichere die (Weiter)-Entwicklung
  und die Nachhaltigkeit durch helfende institutio-    „In der Onlinephase möchten wir Euch einladen,
  nelle Infrastrukturen.                               das Quartier, in dem Ihr arbeitet oder Euch en-
• Starte ein kleines Modellprojekt!                    gagiert, durch die „Schuhsohlen“ wahrzunehmen.
                                                       Ziel ist es, das Quartier noch einmal mit neuen
Bezogen auf Nachbarschaftsprojekte bedeutet            Augen zu sehen und sich für die Lebenssituati-
dies: Statt in kurzfristige Projekte zu investieren,   onen der potentiellen Zielgruppen zu sensibilisie-
die nach einer festgelegten Zeit zuvor definierte      ren. Dazu kann es hilfreich sein, die Perspektive

                                                                                                            BaS   |   11
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN I

               zu wechseln und mit den Augen einer anderen            spiel des innovativen Pilotprojektes „Wohnquar-
               Person, einer anderen Zielgruppe den Lokalraum         tier4“ Erfolgskriterien für inklusive Quartiersent-
               auf sich wirken zu lassen.“                            wicklung auf:

               Diese Aufgabe griffen die Teilnehmenden in un-         • Perspektivwechsel und Horizonterweiterungen
               terschiedlicher Weise auf: Einige erstellten ein Fo-     anregen
               toprotokoll ihres „Flanierens“, andere beschrieben     • „Einschließen statt Ausgrenzen“: Modelle für

               ihre Erfahrungen beim Rundgang als „Seniorin             solidarische Wohn- und Lebensformen
               oder Senior“ durch ihren Ort. Eine Ehrenamtliche       • „Barrierefrei“ planen und (um)bauen

               schrieb sogar eine kurze Geschichte, in der sie        • Selbstwirksamkeit ermöglichen
               „Anna K.“ durch Namedy flanieren lässt und zum         • Vielfalt und Anderssein positiv erlebbar machen
               Ergebnis kommt, dass dies kein Ort ist, wo sie alt     • Lust machen auf die Gestaltung der Zukunft
               werden möchte.
                                                                      Hilfreich sind dabei Methoden, die die Sinne an-
               Impuls: „Wohnquartier4“ – die Zukunft                  sprechen durch Kunst und Kultur die Bewohne-
               inklusiver Wohnquartiere                               rinnen und Bewohner einbeziehen und Kontakte
               Die Stadtplanerin Christiane Grabe zeigte am Bei-      untereinander fördern.

                                                                      Pralinenschachtel: Die Sinne ansprechen!
                                                                      Eine Pralinenschachtel, aus der sich reihum jeder
                                                                      bedienen durfte, wurde zum Symbol für Metho-
                                                                      den, die die Sinne ansprechen. Als Beispiel für
                                                                      eine mit Erfolg bereits häufig verwirklichte Mit-
                                                                      mach-Aktion stellte Karin Nell die Planung einer
                                                                      Woche zum Thema „Schokolade“ vor, zu der
                                                                      eine Gruppe in einem Brainstorming Ideen sam-
                                                                      melt.

                                                                      Wie viele Ideen dabei in kurzer Zeit zusammen-
                                                                      getragen wurden, war beeindruckend: Biogra-
                                                                      fiearbeit, generationsübergreifende Kontakte
                                                                      und gemeinsame Aktivitäten – wenn jeder einen
                                                                      kleinen Teil der Organisation übernimmt, entsteht
                                                                      nicht viel Arbeit für den Einzelnen. Eine solche
                                                                      Themenwoche spricht auch Menschen an, die
                                                                      sich vom klassischen „Suchen nach (Nachbar-
                                                                      schafts-)Helfern“ nicht hinter dem Ofen hervorlo-
                                                                      cken lassen. Sind sie jedoch mit Spaß bei einer
                                                                      solchen Aktion dabei, engagieren sie sich gern
                                                                      auch wieder bei ähnlichen Aktivitäten im Stadtteil,
                                                                      so der Ansatz.

                                                                      Austausch von guten Projektbeispielen:
                                                                      „Rezeptbuch Nachbarschaft“

                                                                      Aus der Arbeit der Seniorenbüros gibt es bereits
                                                                      bisher unzählige gute Beispiele, wie Aktionen in
                                                                      der Nachbarschaftsarbeit gelingen. Im Austausch

12   |   BaS
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN I

zu zweit sammelten die Teilnehmenden ihre gu-
ten Beispiele und stellten diese der Gruppe vor.
(Auswahl):                                           Zusammenfassung:

                                                     Die Teilnehmenden bekamen viele Im-
• Konzert am Nachmittag bei Menschen am
                                                     pulse, sich auf Neues einzulassen, Be-
  Lebensende (Speyer)
• Rudelsingen (Taunusstein)
                                                     teiligung zu fördern, das Quartier neu zu
• Mittagstisch „Jung und Alt gemeinsam“ (Ahlen)
                                                     erkunden, und lernten konkrete Ideen
• Mobiles Kaffeekränzchen (Gelsenkirchen)
                                                     kennen. Es fand ein lebendiger Informa-
• Wunschgroßeltern (Bad Ems)
                                                     tions- und Ideenaustausch statt. Sowohl
                                                     in den Präsenz-Tagen als auch auf der
                                                     Online-Plattform war die Beteiligung der
Online-Phase
                                                     Teilnehmer sehr rege.
Zur Einführung in die moodle-Plattform lernten die
Teilnehmenden an einem Nachmittag den Auf-           Die Verzahnung von realen und virtuellen
bau und die Funktionsweise des Online-Raums          Begegnungsräumen als zukunftswei-
kennen (s. „Online-Phase“). Die vierwöchige On-      sende Methode bot einen Mehrwert, der
line-Phase im Anschluss an die Präsenzeinheit        den Aufbau eines Netzwerkes der Senio-
war geprägt von einer lebendigen Diskussion um       renbüros in Nachbarschaftsprojekten för-
viele Themen, die während der Seminartage zur        dert. Die meisten Teilnehmenden kannten
Sprache kamen.                                       sich vorher nicht und können jetzt Erfah-
                                                     rungen und Informationen aus Nachbar-
Zukunftswerkstatt, Pflegekonferenz und Bürger-       schaftsprojekten austauschen.
beteiligung waren einige Stichworte, zu denen
die Teilnehmenden Ideen und Erfahrungen aus-
tauschten. Die Sammlung der Projektbeispiele
wurde in einem „Rezeptbuch Nachbarschaft“ ver-
öffentlicht. Im Forum der moodle-plattform konn-
ten die Teilnehmenden nähere Informationen zum
konkreten „Rezept“ erfragen und Materialien ein-
stellen. Ein Chat zum Abschluss der Online-Pha-
se fragte die Themenwünsche für den nächsten
Baustein ab.

                                                                                                 BaS   |   13
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN II

               Baustein II
               Thema: Projektwerkstatt

               Seminartage 05. – 06. 06. 2013, Frankfurt/M. / Online-Phase 07. 06. – 05. 07. 2013 /
               regionale Coachings im Zeitraum 07. 06. – 17. 09. 2013

               D
                      er zweite Baustein der Nachbarschafts-        Durch die vielen Symbole wurde die Vielfalt des
                      werkstatt widmete sich dem Thema „Pro-        Alters deutlich: Die Zeit des Älterwerdens ist nicht
                      jektentwicklung“. Nachdem die Haupt- und      nur geprägt durch Rückzug und zunehmende Lei-
               Ehrenamtlichen im ersten Baustein eine neue Hal-     den, sondern auch von den gesammelten Erfah-
               tung zur Arbeit in Nachbarschaftsprojekten kennen    rungen eines langen Lebens, von Schätzen zum
               lernen konnten, ging es diesmal um die konkrete      Weitergeben und von Aktivitäten zusammen mit
               Umsetzung in den Projekten vor Ort. Die Projektar-   anderen. Alter hat vielfältige Facetten, jeder altert
               beit wurde dann sowohl in der Online-Phase als       anders. Auch dies spiegelt sich bei der Arbeit in
               auch in den Coachings weiter entwickelt.             Nachbarschaftsprojekten wider.

               Symbole zum Thema Alter                              Projektentwicklung: Blick in die Zukunft
               Die Teilnehmenden waren eingeladen, Gegen-           Seniorenbüros bei der Entwicklung zukunftsfä-
               stände mitzubringen: Was verbinde ich mit dem        higer Projekte unterstützen, das heißt: Akteure in
               Alter(n)? Welcher Gegenstand symbolisiert für        der sozialen Arbeit müssen von der Zukunft her
               mich das Alter(n)? Die Sammlung ergab einen          denken! Doch wie sieht die Zukunft aus? Wie ent-
               Fundus an persönlichen Schätzen (Auswahl):

               • Sofa – weniger mobil, angewiesen auf Besuche
               • Schultertuch – Erinnerung an die Oma
               • Buch „Oma, erzähl mal!“ – Anlass für Gespräche

                 über vergangene Zeiten
               • Ge-nior – Senioren-Zeitschrift aus Gelsenkir-

                 chen von und für Senioren
               • „Omas großes Buch der Hausmittel“ – Weisheit

                 und Wissen der Älteren
               • CD „Buena Vista Social Club“ – Musiker in

                 hohem Alter verbreiten Lebensfreude pur

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NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN II

wickeln sich Städte, Dörfer und Quartiere in den         Wohnung ist nicht mehr bezahlbar, die Gentrifizie-
nächsten Jahren? Welche Herausforderungen                rung hat das Quartier total verändert. Die Folgen
kommen auf die Seniorenbüros zu?                         sind erhöhter Alkoholkonsum und egozentrisches
                                                         Verhalten, Jüngere und Ältere bezichtigen sich
Die Aufgabe für die Teilnehmenden lautete: „Ver-         gegenseitig der mangelnden Solidarität. Ältere,
setzen Sie sich ins Jahr 2030. Wie sieht das Le-         die Geld haben, flüchten sich in Luxus-Reisen,
ben im Quartier aus? In welcher Situation befinden       z.B. auf dem Kreuzfahrtschiff ‚AIDA‘.“
sich alte Menschen?“ In drei Kleingruppen mach-
ten sich die Teilnehmenden daran, Zukunftssze-
narien zu entwickeln und diese in Form von The-
ater, Nachrichten und Pantomime darzustellen.
Angesichts der gelungenen Zuspitzung blieb den
Zuschauern manchmal das Lachen im Hals ste-
cken...

„Tagesschau 2030 – Horrornachrichten“
„Senioren ab 60 erhalten statt eines Personalaus-
weises einen QR-Code auf den Hals tätowiert. –
Drohne statt Telefonkette: In einem Modellprojekt
wurde die tägliche Seniorentelefonkette durch
Drohnen ersetzt, die bei Tageslicht alle 3 Stun-
                                                         „Altenpflege im Jahr 2030“
den fliegen. – Der Innenminister hat die Krimina-
                                                         „Die Altenpflege im Jahr 2030 ist geprägt von
litätsstatistik 2029 veröffentlicht. Auffällig ist die
                                                         Personalknappheit und Massenabfertigung. Ein
dramatische Zunahme von Eigentumsdelikten in
                                                         großer Teil der Versorgung erfolgt über Ambi-
der Altersgruppe ab 80; als Täter, nicht als Opfer.
                                                         ent-Assisted-Living (AAL)-Systeme, bis hin zum
– ‚Rolla‘, der Wettbewerb der getunten Rollatoren,
                                                         Roboter-Kuscheltier. Die Kommunikation über
ist Volkssport Nummer 1.“
                                                         computergesteuerte Leitsysteme – gepaart mit
                                                         Zynismus („Schönen Tag noch!“) – führt zu le-
                                                         bensbedrohlichen Missverständnissen. Die Hil-
                                                         fe ist nicht an den Bedürfnissen der Menschen
                                                         orientiert, aus Kostengründen wird auf Gemein-
                                                         schaftsräume verzichtet. Einsamkeit und Resigna-
                                                         tion sind die Folge.“

                                                         Auswertung: Blick in die Zukunft –
                                                         Gegenkonzepte
                                                         Der Blick in die Zukunft öffnete die Augen für ge-
                                                         sellschaftliche Entwicklungen und weckte den Im-
                                                         puls zu fragen: „Was muss passieren, damit es
                                                         anders wird?“ Nach Auswertung der „Horrorvisi-
„Quartier 2030 – Auf der AIDA: Passagiere                onen“ sammelte die Gruppe, was erforderlich ist,
erzählen vom Leben zu Hause“                             um die Quartiere auch in Zukunft für ältere Men-
„Im Quartier der Zukunft leben Pflegebedürftige          schen lebenswert zu machen:
isoliert und ausgegrenzt; weil es sich nicht mehr
lohnt, bekommen sie keine Medikamente. Zu es-            Teilhabe und Mitbestimmung, wertschätzende
sen gibt es „Hipp“-Gläschen, für die unter 80jäh-        Kommunikation, Ehrenamt nicht als Ersatz für Ar-
rigen „mit Stückchen“. Als „freiwilliges Muss“ ist       beitsplätze waren nur einige der als dringend not-
das Ehrenamt bis 85 verpflichtend. Die ehemalige         wendig erachteten Forderungen der Gruppe. Die-

                                                                                                              BaS   |   15
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN II

               se Forderungen stellen sich die Teilnehmenden        steht ich? Welches sind die nächsten Schritte,
               selbst - als Leitlinien bei der Entwicklung von      was ist in der nächsten Phase
               Nachbarschaftsprojekten in Stadtteilen, Quartie-
               ren und Dörfern.                                     erforderlich?“ Für die Teilnehmenden erleichterte
                                                                    das Medizinrad als Orientierung die Arbeit an den
               Projektentwicklung – das Medizinrad                  eigenen Projekten.
               „Projektplanung mit allen Sinnen“ lautet das Cre-
               do von Susanne Konzet. In ihrer Beratung für Pro-    Es ist inspiriert vom Symbol des Kreises, da Pro-
               jektentwicklung in der Seniorenarbeit stellte sie    jekte sich nicht linear oder in Stufen, sondern in
               immer wieder fest, dass Projekte verschiedene        Kreisläufen entwickeln, sowie von den Himmels-
               Phasen durchlaufen und es hilft, diese zu kennen     richtungen und den Jahreszeiten:
               und bereits bei der Planung zu berücksichtigen.
               „Bei der Entwicklung der ‚Projektplanung mit allen   • Osten / Frühling: Sehen – Seele – Visionsphase
               Sinnen‘ habe ich mich von den Medizinrädern der      • Süden / Sommer: Urteilen/ Auswählen – Herz –
               nordamerikanischen Indianer inspirieren lassen“,       Konzeptionsphase
               erklärt Konzet.                                      • Westen / Herbst: Handeln – Körper – Umset-

                                                                      zungsphase
               Das Medizinrad – auf dem Boden des Tagungs-          • Norden / Winter: Reflektieren / Abschließen –

               raumes ausgelegt – diente als begehbarer Kom-          Kopf – Evaluationsphase
               pass für die Projektentwicklung der Teilneh-         • Nordosten / „Zwischen den Jahren“: Ort der un-

               menden: „An welcher Stelle in meinem Projekt           geborenen Ideen

               „Das Medizinrad hilft, Struktur in die oft unsortierten Gedanken zur Projektentwicklung zu bekommen“
                                                                                                        (Teilnehmerin)

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NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN II

Arbeit an den eigenen Projekten                        Werkzeugkasten – was ist mein
Das Medizinrad war der Ausgangspunkt für die           Lieblingswerkzeug in der Projektarbeit?
Arbeit der Teilnehmenden an einem eigenen Pro-         Neben dem Grundgerüst für die Projektentwick-
jekt im Rahmen der Nachbarschaftswerkstatt. Die        lung ist auch das Wie entscheidend: Wie gehe
Haupt- bzw. Ehrenamtlichen jedes Seniorenbü-           ich vor, was sind meine Stärken, wozu brauche
ros wählten ein Projekt: ein bestehendes, das sie      ich noch Unterstützung im Projekt? Die Teilneh-
weiterentwickeln oder ein neues, das sie initiie-      menden wählten ihr „Lieblingswerkzeug“ aus:
ren und an dem sie in der kollegialen Beratung,
im Coaching und in der Fachberatung der On-            Handbohrer:
line-Phase arbeiten wollten.                           dicke Löcher bohren, eigene Kraft nutzen

                                                       Wasserwaage:
Leitfragen zur Projektentwicklung
                                                       für Balance sorgen, unterschiedliche Positionen in
Einige Leitfragen zur Projektentwicklung dienten
                                                       den Blick nehmen und für Ausgleich sorgen
als Unterstützung beim Strukturieren des Kon-
zeptes (Auswahl):                                      Zollstock: das rechte Maß finden

                                                       Hammer: Nägel mit Köpfen machen, woran das
• Welche Ziele hat das Projekt?                        Projekt aufgehängt werden kann
• Wen müssen wir unbedingt einbeziehen, mit

  wem sollten wir kooperieren?                         Kleber: verlässliche Verbindungen
• Wie gewinnen wir Mitstreiterinnen und Mitstreiter?   Werkzeugkoffer: viele verschiedene Methoden
• Wer übernimmt welche Aufgaben?                       für viele unterschiedliche Situationen
• Wen könnten wir zur Unterstützung gewinnen?

                                                       Online-Phase:
                                                       In der Online-Phase im Anschluss an den zwei-
                                                       ten Seminarblock konnte jede Teilnehmerin und
                                                       jeder Teilnehmer fachliche und kollegiale Beratung
                                                       zu einem konkreten Projekt erhalten. Einige Teil-
                                                       nehmende wünschten sich Rückmeldungen zu
                                                       ihren Projekt-Konzepten, andere hatten Fragen
                                                       zu konkreten Vorhaben, mehrere suchten Rat in
                                                       kritischen Situationen oder festgefahrenen Struk-
                                                       turen.

                                                       Die Fachberatung von Susanne Konzet und Karin
                                                       Nell wurde ergänzt durch die kollegiale Beratung
                                                       im Online-Forum. Fundiert wurden hier Konzepte
                                                       überprüft, Anregungen weitergegeben und Erfah-
                                                       rungen ausgetauscht.

                                                       Coaching:
                                                       Zum ersten von zwei regionalen Coaching-Termi-
                                                       nen trafen sich zwischen den Bausteinen II und III
                                                       jeweils drei oder vier Teilnehmende in einem der
                                                       Seniorenbüros. Schwerpunkt war der Transfer
                                                       der Impulse aus der Nachbarschaftswerkstatt in
                                                       die Praxis vor Ort. Moderiert wurde der fachliche
                                                       und kollegiale Austausch von einer Referentin als
                                                       Coach.

                                                                                                            BaS   |   17
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN II

               Die regionalen Coaching-Treffen knüpften an die       und Ehrenamtlichen, Überzeugungsarbeit vor Ort,
               Arbeit zur Projektentwicklung an. Schwerpunkte        Mittel gegen die Überlastung in der täglichen Ar-
               waren Fragen zur konkreten Arbeit in den Pro-         beit, Umsetzen des neuen Projekt-Konzeptes im
               jekten und zur Balance zwischen neuen Ideen           Stadtteil, und die Zusammenarbeit mit Kooperati-
               und alten Rahmenbedingungen, z.B. neue Struk-         onspartnern.
               turen in der Zusammenarbeit zwischen Haupt-

                  Zusammenfassung:

                  Der zweite Baustein der „Nachbarschaftswerkstatt“ machte mit dem eindrucksvollen Blick in die
                  Zukunft Mut, Visionen zu entwickeln und diese in die Nachbarschaftsarbeit einzubringen. Die im
                  Seminar verwendeten Methoden (z.B. „Horrornachrichten“, Stegreif-Theater) wurden zum Teil in
                  der Arbeit vor Ort verwendet, beispielsweise in der Qualifizierung von Ehrenamtlichen oder bei
                  der Zukunftsplanung für ein Quartier.

                  Die vorgestellten Aspekte zur Projektentwicklung (Medizinrad, Leitfragen, Werkzeuge) empfan-
                  den die Teilnehmenden als sehr hilfreich für die konkrete Arbeit in ihren Nachbarschaftsprojekten.
                  In der Online-Phase wurde die bundesweite Zusammenarbeit der Seniorenbüros weiter vertieft –
                  durch die kollegiale Beratung der anderen Werkstatt-Teilnehmenden, die Fachberatung und den
                  Austausch von Tipps und Erfahrungen. Die regionalen Coachings boten fachliche Unterstützung
                  und förderten den Erfahrungs- und Modelltransfer.

               Zur Attraktivität und Aktualität von
               Nachbarschaft und Quartier                                                          von Christiane Grabe

               W
                          ir leben in einer in hohem Maße indi-      und er ertönt gleich aus mehreren Richtungen.
                          vidualisierten, globalisierten und spe-    Stellvertretend für einen ganzen Chor unter-
                          zialisierten Gesellschaft – wie ist der    schiedlicher Institutionen und Akteure seien hier
               sprunghafte Bedeutungszuwachs von Quartier            zwei Stimmen genannt, die sich auf die aktuellen
               und Nachbarschaft zu erklären? Hat diesen nicht       gesellschaftspolitischen Herausforderungen be-
               lange eine Aura von Spießigkeit und Miefigkeit an-    ziehen:
               gehaftet, der man glücklicherweise entwachsen
               ist? Wozu braucht man das oft unbequeme Gebil-        „Quartiersbezogene, integrierte Versorgungsmo-
               de „Nachbarschaft“, wo es Spezialisten gibt, de-      delle sind Elemente einer neuen sozialen Archi-
               nen man alle personen- und haushaltsbezogenen         tektur ( ). Sie erfüllen die Anforderungen nach
               Aufgaben übertragen kann? Ebenso ist die Ge-          Bürgerbeteiligung und Mitverantwortung durch
               staltung des Wohnumfeldes in die Hand von Spe-        Kirchengemeinden, Vereine und Organisationen
               zialisten gelegt worden, für die die Organisation     auf lokaler Ebene, sie entsprechen dem Leitbild
               der Mitwirkung von Bürgern oft lästige Pflichtauf-    der sorgenden Gemeinde.“ (Jürgen Gohde, 2013)
               gabe ist – zum Preis eines verloren gegangenen
               Verantwortungsgefühls für den ja eigentlich kollek-   „Bei den gesellschaftlichen Herausforderungen
               tiv-eigenen „öffentlichen“ Raum.                      unserer Zeit – Wirtschaftswandel, Klimawandel,
                                                                     demografischer Wandel und soziale Integration
               Doch seit einigen Jahren wird der Ruf nach eben       – stoßen viele Städte aufgrund der Anhängig-
               diesen abgelegten Verantwortungsrollen lauter,        keit von Kassenkrediten, Haushaltskommissaren

18   |   BaS
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN II

oder Ressortlogiken an die Grenzen ihrer Prob-       wenn es hierfür anderen Akteuren am Willen und
lemlösungsfähigkeit. ( ) Wir brauchen (daher) in     der Politik an Visionen, Durchsetzungskraft und
Zukunft einen besonderen integrierten Ansatz der     Gestaltungsinstrumenten fehlt.
Quartiersentwicklung, der die Ressourcen unter-
schiedlichster AkteurInnen vom Staat über private    So darf die Lösung der aktuellen gesellschaft-
Unternehmen und Stiftungen bis hin zur Zivilge-      lichen Probleme und Schieflagen weder auf die
sellschaft systematisch einbezieht.“ (Uwe Altrock,   neu entdeckte „Bürgergesellschaft“ abgewälzt,
2013).                                               noch primär auf die Quartiersebene verlagert wer-
                                                     den. Faktisch jedoch wächst aus vielen Quartie-
Zu den immensen globalen Herausforderungen           ren, aus sich selbst stärkenden Nachbarschaften
kommen also die zunehmende Bedürftigkeit einer       heraus, eine Kraft, die wichtige Impulse für einen
alternden und inklusiv zu gestaltenden Gesell-       gesellschaftlichen Umbau geben kann – vielleicht
schaft und die durch systematische Ökonomi-          nehmen wir gerade Teil am Entstehen einer neuen
sierungs- und Umverteilungsprozesse chronisch        Bewegung, der „Nachbarschaftsbewegung“.
angelegte Unterfinanzierung gemeinwesenorien-
tierter, sozialer und gesundheitlicher Aufgaben.     Denn die Strategie „Think global, act local“ ist
                                                     heute aktueller denn je. Vielen Akteuren in den
Dass die Zivilgesellschaft in den Fokus rückt und    Stadtteilen und Quartieren geht es vor allem um
das neue Leitbild der „Caring Community – Sor-       ein sozialeres Miteinander. So werden die ge-
genden Gemeinschaft“ von der Bertelsmann-Stif-       sellschaftlichen Auswirkungen der konsequenten
tung über die Fachwelt bis zur Politik gepredigt     Individualisierung und Ökonomisierung auch
wird, muss eher beunruhigen als verwundern. Be-      bezogen auf die individuelle Bedürfnisebene
unruhigen immer dann, wenn die lang überfällige      schmerzhaft spürbar:
Partizipation von zivilgesellschaftlichen Akteuren
und Bürgerschaft als Sparmodell missbraucht          • Individualität, Wettbewerb und Konkurrenz als
wird. „Caring Community“ ja – aber nicht im Dien-      Leitmotive gesellschaftlichen Handelns bedin-
ste der Ideologie des „schlanken Staates“ zum          gen einen Verlust von Verbundenheit, Vertrauen
Wohle weniger, sondern als Chance zur Rückge-          und Verbindlichkeit,
winnung des Sozialen durch die Zivilgesellschaft,    • in einer Gesellschaft, die mehr und mehr in Ge-

                                                                                                          BaS   |   19
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN II

                 winner und Verlierer auseinanderdriftet, werden        1990er Jahren in einer Rede zu den Perspektiven
                 die Bedürfnisse nach Gemeinschaft, Solidarität         der europäischen Stadt konstatiert.
                 und Gerechtigkeit systematisch übergangen,
               • wachsende Komplexität, Spezialisierung, unglei-        Programme zur Gewinnung und Stärkung neuer
                 che Machtverteilung sowie das Herausfallen aus         Nachbarschaften im Sinne lokaler Verantwor-
                 gesellschaftlich anerkannten Betätigungsfeldern        tungsgemeinschaften sind hierfür ein wichtiger
                 durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit schränken        Baustein. Sie können zur Öffnung interessierter
                 die Erfahrbarkeit von Sinnhaftigkeit und Selbst-       Bürgerinnen und Bürger für neue Denkweisen
                 wirksamkeit erheblich ein,                             und zur gemeinsamen Entwicklung alternativer
               • die Flexibilisierung und Mobilisierung des Le-         Strategien, Konzepte und Projekte zur Stärkung
                 bens lässt den Einzelnen in der Welt zuhause,          von Sinnhaftigkeit, Verbundenheit und Solida-
                 aber häufig nicht mehr im ursprünglichen Sinne         rität beitragen. Denn zuerst hat Veränderung
                 beheimatet sein und bedingt eine Grundstim-            immer auch mit dem eigenen Bedürfnis nach
                 mung der „Rastlosigkeit“,                              individuellem und gesellschaftlichem Wandel zu
               • ständig „auf der Suche nach der verlorenen Zeit“       tun.
                 zu sein, ist angesichts der Beschleunigung aller
                 Lebensabläufe, deren Taktung der ökonomische           Nachbarschaft, Gemeinschaft, „Commoning“
                 Wettbewerb vorgibt, zum dominierenden Le-              sind nicht nur Konzepte für das Alter, sondern
                 bensgefühl vieler Menschen geworden.                   auch attraktiv für junge Menschen. So kann Nach-
                                                                        barschaftsarbeit im dargestellten Sinne zu einem
               „Wir können uns noch so anstrengen und uns               guten Miteinander der Generationen in schwie-
               bemühen, die besten städtebaulichen Voraus-              rigen Zeiten beitragen. Sie wird besonders dann
               setzungen für das Zusammenleben zu schaf-                an Gestaltungskraft gewinnen, wenn sie sich mit
               fen. Wenn uns die Fähigkeit des friedlichen und          den vielen anderen Initiativen für eine soziale und
               nachbarschaftlichen konstruktiven Zusammenle-            nachhaltige Transformation unserer Gesellschaft
               bens…verloren geht, dann nützt auch die phy-             verbündet und in „Laboren der Zivilgesellschaft“
               sische Qualität der Stadt letztlich nichts.“ hat         (Hartmut Welzer) ein anderes Miteinander entwi-
               der Stadtplaner Gerhard Curdes schon in den              ckelt und erprobt.

               Christiane Grabe, Dipl.-Ing. Raumplanung, Coach DGfC, Referentin für Psychiatrie und inklusive Quartiersentwick-
               lung, Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. / Ev. Zentrum für Quartiersentwicklung

20   |   BaS
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN III

Baustein III
Thema: Vertiefung innovative Nachbarschaftsarbeit,
Beteiligung und Kooperation

Seminartage 18. – 19. 09. 2013 in Frankfurt/M., Online-Phase 20. – 29. 09. und 04. – 24. 11. 2013,
Coachings im Zeitraum 20. 09. 2013 – 28. 01. 2014

I
 n Baustein III arbeiteten die Teilnehmenden am     nach Schlüsselpersonen, die sich für ihre Her-
 Themenfeld „Innovative Nachbarschaftsarbeit –      zenssachen, ihre eigenen Anliegen, einsetzen
 Partizipation, Kooperation“ vor dem Hintergrund    und auch andere zum Mitmachen begeistern
der Projektentwicklung vor Ort. Darüber hinaus      können. Sie verstehen sich nicht als Helfer eines
warf die Gruppe wieder einen Blick in die Zukunft   von Profis entwickelten Projektes, sondern defi-
– diesmal mit der Frage, was neue Medien für die    nieren ihre Rolle selbst und entwickeln eigene
Nachbarschaftsarbeit bringen können.                Projektideen.

Partizipation und Keywork                           Übung:
Wie gewinne ich Leute, die mitmachen? Wie           „Meine Haltung zu Partizipation/Beteiligung“
fördere ich die Beteiligung der Bewohner? Wie       Entsprechend dem ganzheitlichen Ansatz der
setze ich Projektideen in Kooperation mit ande-     „Nachbarschaftswerkstatt“ spürten die Teilneh-
ren Akteuren um? Dies ist die Frage in vielen       menden in einer Körperübung nach, welche Hal-
Projekten, der die „Nachbarschaftswerkstatt“        tung für sie Partizipation und Beteiligung fördern
mit einem neuen Ansatz begegnete.                   kann. Über konkrete Aktivitäten hinaus zeigt eine
                                                    offene Haltung den neuen Ansatz im Bürgerschaft-
Karin Nell stellte das „Keywork“-Konzept vor,       lichen Engagement: Akteure unterstützen Men-
das aus einem europäischen Modellprojekt im         schen selbst aktiv zu werden und laden sie ein, sich
Kulturbereich stammt. „Keyworker“ sind dem-         für ihre eigenen Herzenssachen zu engagieren.

                                                                                                           BaS   |   21
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN III

                                                                       Wie unterstützt man Menschen, ihre
                                                                       Herzenssachen (wieder) zu finden?
                                                                       Um zu erleben, wie das Entdecken von Her-
                                                                       zenssachen gelingen kann, wurden die Teilneh-
                                                                       menden gebeten, ihre Wünsche und Träume für
                                                                       den Ruhestand auf je drei Karten zu schreiben.
                                                                       Aus den Karten, die die Teilnehmenden dann zu-
                                                                       einander passend auf dem Boden legen, entsteht
                                                                       ein „Mosaik“, das Menschen mit ähnlichen Anlie-
                                                                       gen zusammenbringt.

                                                                       Die Erfahrung in bestehenden Nachbar-
                                                                       schaftsprojekten zeigt: Menschen, die sich aus
                                                                       eigenem Interesse einem Thema widmen, sind
                                                                       gern bereit, zugunsten eines „guten Zweckes“ ak-
                                                                       tiv zu werden. Auf Bitten wie „Wir brauchen Leute,
                                                                       die eine Fotoausstellung im Altenheim organisie-
                                                                       ren“ kommt oft wenig Resonanz. Doch wenn das
                                                                       Seniorenbüro Menschen unterstützt, sich zu ihren
                                                                       eigenen Interessen (z.B. Fotografieren) zu treffen,
               Doris Blum – oder eine alltägliche Geschichte           sind Dinge wie eine Ausstellung im Altenheim oft-
               über das Verschwinden sozialer Netze                    mals Selbstläufer.
               Die fiktive Geschichte nach einer Idee von Karin
               Nell zeigt am Beispiel einer Frau, „Doris Blum“, wie    Kopfstand: wie verhindere ich Mitarbeit
               sich soziale Netze im Laufe des Lebens verändern        von Ehrenamtlichen?
               und mit dem Älterwerden immer mehr verkleinern.         Im Gegenteil wird oft die Wahrheit sichtbar – nach
               Mit 89 Jahren ist Doris Blum eine einsame Frau.         diesem Motto sammelte die Gruppe auf Flip-

               „Soziale Netze fallen nicht vom Himmel“, mahnt
               Karin Nell. Für eine gute soziale Einbindung muss
               jede und jeder einzelne rechtzeitig selbst aktiv wer-
               den, Leistungen erbringen und sich für sich selbst
               und andere engagieren, sich mit Gleichgesinnten
               in der Nachbarschaft zusammenschließen. Dies
               bildet soziale Netze „für sich und andere“, die im
               Alter tragen können - so die These von Karin Nell.

22   |   BaS
NACHBARSCHAFTSWERKSTATT | BAUSTEIN III

Charts Methoden, wie man Ehrenamtliche am          nach seinem Tod 40.000 € und vermacht diese
wirkungsvollsten abschrecken könnte. Die Teil-     seinem Wohnort mit der Auflage, damit älteren
nehmenden konnten dabei aus einem reichen          Langzeitarbeitslosen zu helfen. Die Kommune
Erfahrungsschatz schöpfen – sei es aus eigener     fordert daraufhin vier Träger in einem Wettbewerb
ehrenamtlicher Tätigkeit oder aus Berichten von    auf, die besten Ideen zu kreieren.
Engagierten in der sozialen Arbeit.
                                                   Interessant war, dass die Frage nach Kooperati-
An „erster Stelle“ stand die Abwertung von eige-   onsmöglichkeiten in diesem Szenariospiel völlig
nen Ideen Ehrenamtlicher, dicht gefolgt von man-   unterging. Obwohl das Thema mit „Kooperation
gelndem Interesse an deren Engagement sowie        und Vernetzung“ überschrieben war, präsentierten
Zweifel an deren Fähigkeiten. Die mangelnde        die vier Gruppen vier eigene Konzepte. Dies
Anerkennung lag also weit vor dem „Abschre-        führte zu einer interessanten Diskussion darüber,
ckungsgrund“ fehlender Kostenerstattung, der       was Kooperationen hindert – und was passieren
jedoch auch Interessierte verprellen kann.         muss, damit Zusammenarbeit für alle Beteiligten
                                                   gewinnbringend wird.
Im Umkehrschluss wurden die Ideen wieder „vom
Kopf auf die Füße“ gestellt und die wichtigsten    Kooperation am Beispiel eines Gugelhupfs
Merkmale unterstützender Arbeit mit ehrenamtlich   Als Rezeptur für gelingende Kooperationen zog
Engagierten zusammengetragen.                      Karin Nell Parallelen zum Kuchenbacken (Gugel-
                                                   hupf): Jedes Projekt ist ein WIR-Projekt, d.h. das
Kooperation und Vernetzung                         gemeinsame Ziel ist, einen Gugelhupf zu kreieren.
Mit der Übung „Mein Lieblings-Kooperationspart-    Der Kuchen braucht unterschiedliche Zutaten, je-
ner“ machten sich die Teilnehmenden ihre eige-     der der Beteiligten trägt etwas anderes zum Ge-
nen Erfahrungen mit gelingenden Kooperationen      lingen bei. Wenn sich die Beteiligten nicht einig
bewusst und nannten je drei Gründe, die die Zu-    sind, welche Zutaten in welcher Reihenfolge dran
sammenarbeit angenehm und fruchtbar machen.        sind, kann professionelle Moderation helfen, sich
Auf die Frage „Welche Merkmale haben die „Lieb-    darüber zu verständigen.
lings-Kooperationspartner“ gemeinsam?“ tauch-
ten am häufigsten Eigenschaften wie Zuverläs-
sigkeit, gleiches Ziel, Arbeiten auf Augenhöhe,
Kritikfähigkeit, und ergänzende Fähigkeiten auf.

Szenario-Spiel „Wettbewerb“
Zum Thema „Kooperation und Vernetzung“ nahm
die Gruppe teil an einem Szenariospiel. Das Sze-
nario: Ein vermögender Einwohner hinterlässt

                                                   Zukunftsmusik digitale
                                                   Nachbarschafts-Netzwerke
                                                   Blick in die Zukunft - meine Apps im Jahr 2030:
                                                   Die Teilnehmenden wählten je drei Karten eines
                                                   Memory-Spiels, um ihre „drei wichtigsten Apps“
                                                   für das Leben als älterer und mobilitätseinge-
                                                   schränkter Mensch in der Nachbarschaft zu sym-
                                                   bolisieren.

                                                                                                        BaS   |   23
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                                                                     (s. folgendes Kapitel). Dies trug entscheidend
                                                                     dazu bei, das Netzwerk der Gruppe zu stärken
                                                                     und die Kontakte unter den Beteiligten zu fördern.
                                                                     Die Mediathek wurde erst im Laufe der folgenden
                                                                     Monate etwas erweitert.

                                                                     Coaching
                                                                     Die vier Coaching-Gruppen trafen sich zwischen
                                                                     September 2013 und Januar 2014 zu ihren zwei-
                                                                     ten Coaching-Terminen mit den jeweiligen Refe-
                                                                     rentinnen. Da die Gruppe sich nun noch besser
                                                                     kannte, konnten auch schwierige Situationen auf
                                                                     einer fundierten Vertrauensbasis beraten werden.
               In der anschließenden Diskussion ging es um die
                                                                     Die Coaching-Treffen fanden in den einzelnen Se-
               Frage: „Wie wird die Kommunikation unter Nach-
                                                                     niorenbüros statt und wurden mit einer Projektbe-
               barn in Zukunft funktionieren?“ Können digitale
                                                                     sichtigung vor Ort verbunden.
               Medien dazu beitragen, Kontakte zu fördern – und
               was muss passieren, damit ältere Menschen die-
               se auch nutzen können?                                  Zusammenfassung:

               Vortrag „Lokale-Online-Gemeinschaften“                  Aus der Weiterentwicklung der Projekte wur-
               Daniel Hoffmann vom KDA stellte Beispiele vor,          de deutlich, dass viele Anregungen, Ideen
               wie digitale Medien die Beteiligung von Älteren vor     und Impulse aus der Nachbarschaftswerk-
               Ort fördern können. In regelmäßig angebotenen           statt bereits Eingang fanden in die praktische
               Fortbildungen des KDA können Interessierte bei-         Arbeit der Seniorenbüros vor Ort. Immer
               spielsweise einfache Handgriffe für das Erstellen       wieder berichteten Teilnehmer, dass sie Ele-
               eines Online-Blogs erlernen und erproben. Auf der       mente aus der Nachbarschaftswerkstatt „zu
               Plattform www.unser-quartier.de finden sich Links       Hause“ umgesetzt hatten, wo diese zum Teil
               zu Seiten, die Seniorinnen und Senioren rund um         ganz anders abliefen als im Fortbildungsse-
               ihre Nachbarschaft erstellt haben.                      minar, doch immer als Bereicherung erlebt
                                                                       wurden.
               Online-Phase
                                                                       Der Paradigmenwechsel bei der Gewin-
               Das geplante Thema der anschließenden On-
                                                                       nung von Ehrenamtlichen hin zu einer sehr
               line-Phase war die Arbeit an der Mediathek. In
                                                                       beteiligungsorientierten Haltung war spürbar
               einem Chat verständigten sich die Teilnehmenden
                                                                       und wurde zunehmend selbstverständlicher.
               über die Stichworte, zu denen sie Materialien
                                                                       Innovative, die Sinnen ansprechende, teils
               veröffentlichen und kommentieren wollten. Damit
                                                                       „verrückte“ Ideen wurden aufgegriffen und
               sollte die Mediathek zu einer kommentierten Fach-
                                                                       für die eigene Situation weiter entwickelt. Die
               bibliothek rund um das Thema Nachbarschaft
                                                                       Nachbarschaftswerkstatt weitete den Blick
               werden. Gefragt waren die Themen Finanzierung,
                                                                       weg von der traditionellen Projektplanung
               Wohnen, Bürgerbeteiligung sowie Netzwerkarbeit
                                                                       „wir planen, ihr macht mit“ hin zu einer neuen
               und Salutogenese.
                                                                       Kultur der Beteiligung von Laien und Profis,
                                                                       ohne deren Rollen zu verwischen.
               Die Online-Phase war dann allerdings für eine
               Überraschung gut: die Teilnehmenden beteiligten         Auch außerhalb der Seminar- und On-
               sich weniger an der Bereicherung der Mediathek          line-Phasen pflegten viele Teilnehmenden
               als an den Online-Absprachen zum Theater-               den Kontakt untereinander, die Netzwerkbil-
               stück der Nachbarschaftswerkstatt, das bei der          dung wurde zunehmend vertieft.
               BaS-Jahresfachtagung uraufgeführt werden sollte

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