Mitteilungsblatt 2 / 2021 - Frauenzentrale St.Gallen
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Mitteilungsblatt 2 / 2021 Seite 2 Manchmal braucht es Entscheidungen... Seite 2 In eigener Sache Seite 3 Neupositionierung der Stellen Seite 4/5 Der Makroskandal Seite 6 feministische fakultät fem! Seite 6/7 In grösseren Perspektiven denken Frauenzentrale Seite 8 Veranstaltungen 2021 St.Gallen Arbeiten Sie auch gratis? Gehen Sie einer unbezahlten Tätigkeit tätig sei. Die Reaktion meines Gegen- wie wertvoll unbezahlte Arbeit ist und nach wie z.B. Kinderbetreuung, Pflege übers: «Du arbeitest also nicht?» Damals warum wir unser Wirtschaftssystem re- der Eltern bzw. Schwiegereltern oder war ich so perplex, dass mir keine spon- formieren müssen. Führung des Haushaltes? In der Schweiz tane Entgegnung einfiel, im Rückblick leisten Frauen jährlich Gratis-Arbeit in ärgerte ich mich fürchterlich – über Die Zeit ist längstens reif, diese Diskus- der Höhe von CHF 248 Milliarden! Eine mich selber und noch viel mehr über die sion zu führen, wir laden Sie herzlich unvorstellbare Summe. Und doch wird Despektierlichkeit, welche mir zuteil dazu ein! genau diese unbezahlte Arbeit viel zu wurde. wenig wertgeschätzt, weil sie nicht Teil Ich wünsche Ihnen eine gute und ge- unseres Wirtschaftssystems ist. In diesem Heft konfrontieren wir Sie mit sunde Zeit und viel Anregung beim Le- Zahlen und Fakten zum Thema «Unbe- sen unseres Mitteilungsblattes. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich zahlte Arbeit». Zum einen stellen wir mit meiner Tochter in der Familienzeit Ihnen die feministische fakultät fem! vor war und ich gefragt wurde, was ich denn und greifen den Makroskandal auf, zum Jacqueline Schneider, Geschäftsführerin arbeite. Ich antwortete, dass ich neben anderen ist es uns gelungen, ein Inter- der Familie als Gemeinderätin und in view mit der grossartigen Zita Küng zu zwei Vereinen im Vorstand ehrenamtlich führen, in welchem sie uns verdeutlicht,
In eigener Sache Persönlich 107. Generalversammlung Manchmal braucht es Entscheidungen... Ausgang der schriftlichen Abstimmung und Wahl Der plötzliche Rücktritt von Jolanda Wel- Wie schon im 2020 war es auch in diesem Jahr nicht möglich, unsere Generalversamm- ter Alker von ihrem Amt als Präsidentin lung in Anwesenheit der Vereinsmitglieder und Gäste durchzuführen. Unsere Mitglieder der Frauenzentrale St.Gallen hat mich erhielten wieder alle Unterlagen per Post zugeschickt und stimmten schriftlich ab. persönlich sehr berührt. Die intensive Zusammenarbeit im Vorstand hat uns 46.5 % der Stimmberechtigten beteiligten sich und gaben ihr Abstimmungsformular für die gemeinsamen Anliegen der Frau- ab. Erfreulicherweise wurden wieder sämtliche Traktanden mit grosser Mehrheit ange- enzentrale thematisch geeint und nommen, wofür wir uns herzlich bei Ihnen, liebe Mitglieder, bedanken. menschlich verbunden. Jolanda wird so- mit nicht nur als langjährige Präsidentin Mit grosser Freude können wir Ihnen mitteilen, dass Bernadette Gaus neu in den Vor- eine Lücke hinterlassen, sondern auch stand der Frauenzentrale gewählt wurde. Wir heissen unsere neue Kollegin hiermit als Sparringpartnerin, als Mensch und herzlich willkommen! gute Freundin. Wer Jolanda kennt, weiss, dass sie sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht Wechsel im Präsidium hat. Auf der einen Seite standen bei ihr bis zum Schluss die Verbundenheit mit Sofortiger Rücktritt von Jolanda Welter Alker und die Verantwortung für das Amt, auf der anderen Seite die wachsende Er- Leider sieht sich unsere Präsidentin, Jolanda Welter Alker, gezwungen, aus gesundheit- kenntnis, dass sich mit der Gesundheit lichen Gründen und mit sofortiger Wirkung das Präsidium abzugeben. Jolanda Welter nicht spassen lässt. Insofern war ihr Ent- Alker war sieben Jahre Präsidentin der Frauenzentrale. Ihre Würdigung und Verabschie- schluss folgerichtig und konsequent und dung finden an der GV 2022 statt. verdient meine volle Anerkennung und grossen Respekt. Für die kommende Zeit Erfreulicherweise hat sich Annette Nimzik, aktuell Vizepräsidentin, bereit erklärt, das wünsche ich Jolanda weiterhin Zuver- Präsidium interimistisch per sofort zu übernehmen und sich an der GV im kommenden sicht und besonders gesundheitlich alles Jahr für das Präsidium zu bewerben. Gute. Bereits an dieser Stelle danken wir Jolanda Welter Alker für ihre geleistete Arbeit zu- Wenn ich nun als Vizepräsidentin das gunsten der Frauenzentrale und wünschen ihr von Herzen das Beste für ihre Gesund- Präsidium ad interim übernehme, werde heit. Annette Nimizik wünschen wir viel Freude, Lust und Energie für ihre neuen Auf- ich weiterhin für Stabilität und Kontinu- gaben und freuen uns auf die Fortführung unserer gemeinsamen Arbeit. ität in unserer Organisation sorgen. Ne- ben den dafür benötigten Ressourcen Der Vorstand der Frauenzentrale St.Gallen setze ich auch sehr gerne meine Kom- petenzen, meine Erfahrungen und mein Herzblut ein für die Anliegen der Frau- enzentrale und für ihren guten Weg in Online-Seminare die Zukunft. Insbesondere sind auch die laufenden Projekte (s. Seite 3) für die Power Skills, «Stärkung der Frauen durch Vernetzung und Austausch» Frauenzentrale und ihre Beratungsstel- len von grosser Bedeutung. Die Frauenzentrale St.Gallen unterstützt Frauen dabei, sichtbarer zu werden, ihre An- liegen gezielt zu vertreten und gehört zu werden. So haben wir Seminare per Zoom lanciert und leisten damit auch einen aktiven Beitrag zur Resilienz. Mit den Seminaren sollen die Kompetenzen von Frauen in ihrem beruflichen und privaten Umfeld, bei Vorträgen oder in Meetings systematisch gestärkt und unnötige Ängste vor Auftritten abgebaut werden. Das erste Seminar am 31. März 2021 befasste sich mit Selbstmarketing und fand gros- sen Anklang mit durchwegs positiven Rückmeldungen. Am 23. Juni 2021, 18.30 bis 20.00 Uhr, findet das zweite Seminar statt zum Thema «Körpersprache und Wirkung in Meetings, Präsentationen und Auftritten». Weitere Informationen und den Link zur Anmeldung finden Sie auf www.fzsg.ch Annette Nimzik, Präsidentin a.i. Alle interessierten Frauen sind herzlich eingeladen, am kostenlosen Seminar teilzuneh- men und neue Erfahrungen zu sammeln. 2
Dank Neupositionierung fit für die Zukunft In der Frauenzentrale werden Angebote, Zielgruppen und Ausrich- tung regelmässig auf den Prüfstand gestellt und den Veränderun- gen in Gesellschaft und Wirtschaft angepasst. Zurzeit befinden sich zwei unserer Beratungsstellen in diesem wichtigen Prozess. Beratungsstelle für Familienplanung, Schwangerschaft und Sexualität sche Veränderungen sind viele neue • Erarbeitung und Definition der themati- Themen in den Zuständigkeitsbereich schen Schwerpunkte der Arbeit, um die und Fokus der Fapla gekommen bzw. Kernkompetenzen der Fapla optimal für die haben in der Gesellschaft an Aufmerk- verschiedenen Anspruchsgruppen zu nut- samkeit gewonnen. Dieser Vielfalt von zen. Fachthemen und Anspruchsgruppen • Erarbeitung einer Optimierung der Regio rund um die übergeordneten Themen nalisierung und der Rahmenbedingungen, Familienplanung, Verhütung, Schwan- um den sich verändernden Bedürfnissen gerschaft und Sexualität will die Fapla der verschiedenen Anspruchsgruppen ge- Rechnung tragen. recht zu werden. Erarbeitung von Prototy- pen für neue Elemente der Leistungserbrin- So wurde Anfang 2021 in Zusammenar- gung. beit mit der Geschäftsführung und dem • Überprüfung und Ausgestaltung der An- Die Beratungsstelle für Familienplanung, Vorstand der Frauenzentrale unter exter- gebote unter Einbezug verschiedener sozi- Schwangerschaft und Sexualität (Fapla) ner Begleitung ein Positionierungspro- aler Medien. feiert im Jahr 2022 ihr 50-jähriges Beste- zess gestartet. Dieser hat auf dem Hin- hen. tergrund des Bundesgesetzes und der Dieser Prozess mit seinen gewinnbringen- Leistungsvereinbarung mit dem kanto- den Ergebnissen wird evaluiert und an- In den letzten Jahren und Jahrzehnten nalen Gesundheitsdepartement folgen- schliessend in einem Konzept dargelegt. hat sich die Arbeit der Fapla stark verän- de Zielsetzung: dert. Durch gesellschaftliche und politi- Jutta Ahlke, Stellenleiterin Fachstelle Kind und Familie tionierten familienergänzenden Kinder- Weiter steht mit dem Postulatsbericht des betreuungsangebote decken aktuell je- Stadtrates für ein Familienzentrum in der doch nicht die Bedürfnisse aller Familien Stadt St.Gallen die Frage im Raum, welche ab, die ihr Familienleben mit dem Er- Rolle die Fachstelle künftig in einem sol- werbsleben vereinbaren müssen bzw. chen Zentrum übernehmen könnte. Die wollen. Dies tangiert auch das Dienst- Antwort auf diese Frage wird zu grundle- leistungsangebot der Fachstelle Kind genden Entscheidungen in der Neupositio- und Familie (FKF). nierung der FKF führen. In Zusammenarbeit mit der Geschäfts- Durch den Prozess begleitet uns die Orga- führerin der Frauenzentrale werden nun nisationsentwicklerin Katja Breitenmoser. die derzeitigen Angebote der FKF mit Ihr fundiertes Wissen, ihre Erfahrung und den heutigen Bedürfnissen der Familien ihre Unterstützung sind uns eine grosse Be- In den letzten 20 Jahren hat sich das abgeglichen. Dabei wird auch mit Blick reicherung und Hilfe. Wir sind sehr ge- Dienstleistungsangebot im Bereich der auf allfällige Anpassungen die Leistungs- spannt, was in den kommenden Monaten Vereinbarkeit von Familie und Beruf so- vereinbarung mit der Stadt St.Gallen auf uns zukommt und freuen uns auf die wie im Bereich der Frühen Förderung in unter die Lupe genommen. Hier muss weiteren Schritte in der Entwicklung der der Stadt St.Gallen verändert. Die fami- geklärt werden, welche Dienstleistungen Fachstelle. lienergänzende Kinderbetreuung wurde aus der aktuellen Leistungsvereinbarung in diesen Jahren stark ausgebaut. die FKF bereits wahrnimmt und welche Jenny Heeb, Stellenleiterin Dies sind durchwegs positive Entwick- noch hinzukommen müssten. lungen. Die Öffnungszeiten der subven- 3
Ungleichheit in Milliardenhöhe – der Makroskandal Die feministische fakultät fem! (s. Seite 6) hat in Zusammenarbeit mit der Ökonomin Mascha Madörin die Leistung der Frauen in der Schweiz und die ökonomischen Ungerechtigkeiten zwischen Frau- en und Männern auf der Grundlage statistischer Daten und Wirt- schaftstheorien untersucht. Das Resultat – der sogenannte Makroskandal – lässt sich verein- facht in drei Zahlen zusammenfassen: 100 – 248 – 1 100 Frauen in der Schweiz haben CHF 100 Milliarden weniger Einkommen als Männer – jedes Jahr. Das, obwohl Frauen und Männer gleich viele Stun- den arbeiten. Erwerbsfähige Frauen und Männer arbeiten pro Woche ungefähr gleich viel. Frauen arbei- ten jedoch wesentlich mehr unbezahlt, und sie sind generell schlechter bezahlt. Das führt zu einer enormen Einkommenslücke von ab- gerundet CHF 100'000'000'000 pro Jahr. «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit» ist eine altbekannte Forderung. Immer noch verdie- nen Frauen pro Stunde Lohnarbeit fast ein Fünftel weniger als Männer. Dieser sogenann- te «Gender Pay Gap» macht jedoch nur ein Viertel der 100 Milliarden aus. Mit 75 % viel gewichtiger ist, dass Frauen deutlich mehr Stunden unbezahlt arbeiten als Männer. Weil wir alle nur 24 Stunden pro Tag zur Verfügung haben, bleibt den Frauen weniger Zeit für bezahlte Erwerbsarbeit. Diese riesige Einkommenslücke hat direkte Folgen auf die Höhe der Renten. Zur Veran- schaulichung: Mit den CHF 100 Milliarden liesse sich die Frühpensionierung der Frauen ab ihrer Geburt finanzieren (Jahr 2014). Quellen: www.feministische-fakultaet.org/makroskandal/ Mascha Madörin, 27. Mai 2019 www.woz.ch/-9bf6 Nr. 22/2019 vom 30.05.2019, Feministische Ökonomie – Wie die Frauen um 100 Milliarden betrogen werden 4
«Makroskandal» enthält den Begriff «Makro», weil die Makroökonomie gesamtwirt- schaftliche Vorgänge untersucht, und den Begriff «Skandal», weil es im Ergebnis um Ungleichheit in Milliardenhöhe geht. Die Zahlen 100 – 248 – 1 beschreiben die ökonomische Ungleichheit der Geschlechter in Milliardenhöhe. Dass Frauen weniger verdienen als Männer, weiss mittlerweile je- des Kind. Wie gross die schreiende Ungerechtigkeit jedoch ist, bringen diese drei Zah- len auf den Punkt. 248 1 Der monetäre Wert der unbezahlten Rund 1 Milliarde Stunden arbeiten Arbeit der Frauen in der Schweiz be- Frauen jährlich unbezahlt allein für trägt pro Jahr CHF 248 Milliarden – die Betreuung der Kinder – fast dop- mehr als alle Ausgaben, die der Bund, pelt so viele Stunden wie alle Männer alle Kantone und alle Gemeinden tä- im Baugewerbe. tigen. Kinder betreuen und kochen machen zusam- Mit ihrer unbezahlten Arbeit leisten Frauen men über 40 % der unbezahlten Arbeit aus. einen enormen Beitrag an unseren Lebens- Dabei wird die durch Kinder anfallende zu- standard. Gesamthaft wird in der Schweiz sätzliche Hausarbeit nicht einmal mitgerech- sogar mehr unbezahlt gearbeitet als bezahlt! net. Wenn Kinder im Haushalt leben, nimmt Über 90 % der unbezahlten Arbeit wird im das Arbeitsvolumen enorm zu – um ca. das eigenen Haushalt geleistet, deutlich weniger Doppelte. Mütter leisten die meiste Haus- für Personen aus anderen Haushalten haltsarbeit. Auch Männer, die Väter werden, (knapp 5 %) und als «institutionalisierte arbeiten vermehrt unbezahlt, sie betätigen Freiwilligenarbeit» (2.5 %) in Kirchen, Alters- sich jedoch hauptsächlich in der Kinderbe- heimen, Parteien, Sport etc. Auf den ersten treuung. Gemessen an der Gesamtzahl von Blick erstaunt, dass der Haushaltssektor fast 1'000'000'000 Stunden Betreuungsarbeit so gross ist wie die gesamte private Wirt- leisten Grossmütter und -väter nur einen schaft. Das kommt daher, dass wir alle Haus- Bruchteil an Kinderbetreuung, jährlich 113 arbeit machen müssen, egal in welcher beziehungsweise 47 Millionen Stunden. Branche wir arbeiten. Der monetäre Wert der Kinderbetreuung und In der Wirtschaft wird in Geld gerechnet, Hausarbeit beläuft sich auf geschätzte CHF aber wir müssen auch mit Arbeitsstunden 107 Milliarden. Daneben fällt die unbezahlte rechnen. Gängige Wirtschaftstheorien gehen Care-Arbeit für Pflege von Kranken in ande- davon aus, dass beliebig viel Zeit für unbe- ren Haushalten mit schätzungsweise CHF 3.7 zahlte Arbeit zur Verfügung steht. Besonders Milliarden deutlich weniger ins Gewicht. Frauen und Working Poor (Erwerbsarme) leiden deshalb doppelt unter Zeit- und Geld- knappheit. Unbezahlte Care-Arbeit der Frauen – zu Unrecht unbeachtet in der Wirtschaft «Care» bedeutet «füreinander Sorge- und Versorgearbeit unter • Der Verein «Wirtschaft ist Care» sorgen». schlechten Bedingungen oder www.wirtschaft-ist-care.org Die Care-Arbeit oder Sorgearbeit unbezahlt von Frauen geleistet; die umfasst alle lebenswichtigen Wirtschaftstheorien und die Politik • Die Plattform für feministische unbezahlten und bezahlten vernachlässigen dies systematisch. Ökonomie «Economiefeministe» Tätigkeiten im Zusammenhang mit www.economiefeministe.ch der Versorgung von Menschen. Zwei Initiativen erarbeiten Die Care-Arbeit trägt zum Wohle Lösungsansätze für diese aller bei und ist für die Gesellschaft Ungerechtigkeit und bringen die relevant. Nur wird ein Grossteil der Thematik an die Öffentlichkeit: Rahel Bucher, Vorstandsmitglied 5
Lasst uns in www.feministische-fakultaet.org/ Was war das Ziel Ihrer Untersuchung mit Mascha Madörin und wie sind Sie Die feministische fakultät ist eine zentraler Referenzort für auf die Zahlen 100-248-1 gekommen? die fundierte feministische Allgemeinbildung von Frauen. Mascha Madörin ist VOLKSwirtschaftlerin Die Idee dafür entstand 2016, einige Monate bevor der und lehrt den Blick auf die Geldströme in einer gesamten Gesellschaft. Dieses #metoo-Skandal die feministische Diskussion aufs Neue Thema behandelten wir im Rahmen des befeuerte. feministischen Lehrgangs. Sie stellte fest, dass es jeweils einen Tag brauche, bis es den Teilnehmerinnen gelingt, von ihrer persönlichen Situation zu abstra- Der Name fem! kommt nicht von unge- von Frauen jeweils einem Thema wid- hieren und diese grössere Perspektive zu fähr: Fakultät, lateinisch facultas, heisst met und Aktivitäten entfaltet. Die be- denken. «Ich bräuchte einfach 3 Zahlen, «Fähigkeit, Vermögen, Vollmacht». Übli- kannteste ist wohl der in 2018 entstan- die Nicht-Fachpersonen die Tragweite cherweise ist eine Fakultät eine Lehrein- dene 3-Zahlen-Club, in dem rund 30 sofort verständlich machen.» Aus all’ heit einer Hochschule, hier werden Fä- Frauen gemeinsam mit der Ökonomin ihren Statistiken und Zahlen haben wir higkeiten erworben und die eigene Mascha Madörin 3 prägnante Kennzif- dann gemeinsam mit 30 interessierten Macht bewusst gesteigert. In der höhe- fern erarbeiteten, die inzwischen in die Frauen diese 3 Zahlen erarbeitet. «Ein- ren Mathematik ist Fakultät eine Funkti- politischen Debatten in der Schweiz kommen» – «Wert der unbezahlten Ar- on, dargestellt durch ein Ausrufezei- Einzug gehalten haben (s. Seiten 4-5). beit» – «Umfang der notwendigen un- chen. Die feministische fakultät kombi- bezahlten Arbeit», das waren die ausge- niert dies präzise zu fem! Unter dem Titel «Empower-net statt Dif- wählten Bereiche. famierung» trifft sich ein einmaliges Seit 2017 organisiert die fem! alljährlich länderübergreifendes Netzwerk von Das skandalöse am Makroskandal ist einen Lehrgang, in dem sich die Teilneh- Fachfrauen, die gemeinsam Konzepte das finanzielle Ausmass der Ungerech- merinnen den zentralen gesellschafts- und Strategien zum Umgang mit der tigkeit, die Frauen in der Schweiz jedes politischen Fragen aus feministischer Diffamierung von Frauen in der virtuel- Jahr erfahren. Warum wurde dies erst Sicht widmen. Sie wechseln dabei im- len und analogen Welt entwickeln. jetzt von der fem! untersucht, wäre das mer wieder die Ebene: Von den grossen nicht Aufgabe des Bundes oder der strukturellen Ordnungsmechanismen Der Anspruch der fem! ist es, in allen Universitäten? wie «dem Recht» oder «der Wirtschaft» Formaten, online wie offline, einen Wis- kommen sie wieder zu persönlichen Fra- sens-, Sprach- und Denkraum zu kreie- Dass an den Wirtschaftsfakultäten unse- gen wie «Wo komme ich darin vor?», ren, in dem sich Frauen aller Generatio- rer Hochschulen die ganze unbezahlte «Welche Auswirkungen haben die Ver- nen und Hintergründe mit ihren unter- Arbeit kein Thema ist – wo doch kein hältnisse auf mein Leben?» und «Wel- schiedlichen Perspektiven auf das Leben Unternehmen läuft ohne ernährte Mit- chen Einfluss kann ich auf die Verhält- gegenseitig inspirieren und stärken. arbeitende in sauberen Kleidern – zeigt nisse ausüben?». auf, dass deren volkswirtschaftlicher Blick sehr beengt ist. Und ja: Wir bräuch- Die fem! ist auch ein Ort der Vernetzung ten unbedingt Orte, wo professionell und weiter Horizonte: Die Angebote Ulrike Reiche, Vorstandsmitglied fem! und kontinuierlich sowohl das Erheben wenden sich an Frauen im gesamten und Interpretieren von Zahlen passiert, deutschsprachigen Raum. Seit 2020 fin- als auch die Diskussion über die gesell- den regelmässig Online-Formate und schaftliche Bedeutung geführt wird. Als Workshops mit fachkundigen Dozentin- Teil der Zivilgesellschaft und mit leeren nen statt, die zum gegenseitigen Aus- Händen können wir nur den Finger in die tausch einladen. Unter dem Dach der Wunde legen. Wir bräuchten aber den fem! finden zudem spezielle Projekte Diskurs und die Entwicklung von Lösun- ihren Platz, in denen sich eine Gruppe gen! 6
grösseren Perspektiven denken! Müssten die Resultate nicht höhere Wel- zielle Existenzsicherung heraus. Da ha- len schlagen? ben wir wieder den Systemfehler. Der wurde mit der Einführung der Erzie- Frauen in der Schweiz haben CHF 100 Mil- hungs- und Betreuungsgutschriften liarden weniger Einkommen als Männer – Zita Küng schon einmal korrigiert: Ohne einbezahl- jedes Jahr. Das, obwohl Frauen und Män- Die Juristin , Pädagogin und Organisa- tes Geld wird eine Arbeitsleistung ren- ner gleich viele Stunden arbeiten. In der tionsentwicklerin gehört zu den bekann- tenbildend – eine echte Revolution. Zeitschrift «Annabelle» zum 50-Jahre-Ju- testen Feministinnen der Schweiz. biläum des Frauenstimmrechts haben sie Sie hält regelmässig Vorlesungen und Es braucht längerfristig weitere System- von 100 Millionen geschrieben – einfach, Vorträge und ist Geschäftsführerin und veränderungen, kleine Korrekturen wer- weil 100'000'000’000 eine unvorstellbar Referentin an der feministischen fakultät. den die Altersarmut der Frauen nicht hohe Zahl ist. Ich staune auch jedes Mal: beseitigen. Wenn wir aber davon ausge- 11 Nullen! Auf dieses fehlende Einkom- hen, dass Frauen jährlich für den Wert men können Frauen keine Sozialversi- von CHF 248 Milliarden gesellschaftlich cherungsbeiträge und auch keine Steu- nützliche Arbeit leisten, haben sie auch ern zahlen. Die Wirkung dieser Definitionen sind eine anständige Existenz verdient – nicht zu unterschätzen. nicht als Geschenk, sondern als Gegen- Der monetäre Wert der unbezahlten Arbeit leistung. der Frauen in der Schweiz beträgt pro Jahr Was müsste geändert werden, damit CHF 248 Milliarden – mehr als alle Ausga- diese Arbeit mehr Wertschätzung er- Sie sind Dozentin an der Zürcher Fach- ben, die der Bund, alle Kantone und alle hält? hochschule und der Hochschule für Gemeinden tätigen. Wir haben allen Poli- Soziale Arbeit Nordwestschweiz. Was tikerinnen und Politikern in Bundesbern Wir müssen dieser Deutungshoheit wi- gebe Sie Ihren Lernenden mit? Oder diese Fakten geschrieben und langsam, dersprechen und verlangen, dass «Wirt- anders gefragt: Inwiefern ist auch poli- langsam sickern die Erkenntnisse durch. schaft» umfassend betrachtet wird. Al- tisches Engagement Teil Ihres Unter- les, was notwendigerweise beigesteuert richtes? In Diskussionen zur Lohngleichheit liegt wird, damit wir ein gutes Leben führen der Fokus meist auf gleichem Lohn für können, muss benannt, verstanden und Mein wichtigstes Anliegen als Dozentin gleiche Funktion und Position. Der Ma- einbezogen werden. Unser System tut ist, den Lernenden die Freude am Sel- kroskandal zeigt jedoch, dass ein Gross so, als würden Kinder auf den Bäumen ber-denken zu vermitteln. Dazu überle- teil der Einkommenslücke durch wachsen. Wenn wir alles Zutun als Leis- ge ich mir jeweils, mit welchen Inputs schlechter- oder nichtbezahlte Arbeit tung interpretieren, dann kann auch die und Anstössen dies gelingen kann. Wenn entsteht. Unbezahlte Arbeit heisst Wertschätzung neu verteilt werden. dann Gedanken-Resultate entstehen, die hauptsächlich Kinderbetreuung und Geld ist eine Währung der Wertschät- nicht meinen Überzeugungen entspre- Haushalt. Warum wird diese Arbeit wirt- zung, vielleicht finden wir noch weitere chen, lebe ich gerne mit diesem Risiko. schaftlich nicht mehr wertgeschätzt? Währungen. Die grassierende Denkfaulheit halte ich für eine echte Gefahr für die Menschheit. Rund 1 Milliarde Stunden arbeiten Frauen Zurzeit ist die Reformvorlage AHV 21 Ich sehe aber auch mit Vergnügen, wie jährlich unbezahlt allein für die Betreuung im Parlament. Frauen sind besonders die Lust am Denken viele der Studieren- der Kinder – fast doppelt so viele Stunden von Altersarmut betroffen, da sie ne- den weiterbringt. Das stimmt mich als wie alle Männer im Baugewerbe. Meine ben weniger und schlechteren Löhnen politische Aktivistin optimistisch. Mutter, die vier Kinder grossgezogen hat, auch weniger Pensionsgelder erhalten. antwortete jeweils auf die Frage, was sie Was braucht es aus Ihrer Sicht für ei- arbeite, mit: Nichts. Damit war sie nicht nen fairen Lösungsansatz? allein. Wir üben die Vorstellung ein, dass Rahel Bucher, Vorstandsmitglied «Arbeit» dann beginnt, wenn eine Bezah- Uff. Unser Sozialversicherungssystem lung folgt. Alles andere sei «Tätigkeit», baut auf der einseitigen Definition von «Hobby», «Beschäftigung», «Liebe»… «Arbeit» und «Wirtschaft» auf, deshalb und habe nichts mit «Wirtschaft» zu tun. kommt für Frauen im Alter keine finan- 7
Wir danken für die freundliche Unterstützung Impressum Herausgeberin Frauenzentrale St.Gallen Bleichestrasse 11, 9000 St.Gallen Tel. 071 222 22 33 info@fzsg.ch www.fzsg.ch Redaktion Adressen der Beratungsstellen Rahel Bucher Maya Grollimund Bühler Budget- und Schuldenberatung Jacqueline Schneider Bleichestrasse 11 Irene Schuchter 9000 St.Gallen Gestaltungskonzept Tel. 071 222 22 33 schalter&walter, St.Gallen Veranstaltungen 2021 budgetberatung@fzsg.ch Foto Titelblatt Haushilfe- und Entlastungsdienst kastoimages/photocase.de Poststrasse 15 9000 St.Gallen Druck Tel. 071 228 55 66 Typotron AG, St.Gallen hed@fzsg.ch Erscheint viermal jährlich Fachstelle Kind und Familie Lämmlisbrunnenstrasse 55 Auflage 9000 St.Gallen 1200 Exemplare Tel. 071 222 04 80 Nächster Redaktionsschluss kindundfamilie@fzsg.ch 9. August 2021 Selbsthilfe St.Gallen und Appenzell Lämmlisbrunnenstrasse 55 9000 St.Gallen Tel. 071 222 22 63 selbsthilfe@fzsg.ch www.selbsthilfe-stgallen-appenzell.ch Beratungsstellen für Familienplanung, Informationen zur Durchführbarkeit und detaillierte Angaben Schwangerschaft und Sexualität zu den Veranstaltungen dazu finden Sie laufend unter www.faplasg.ch www.fzsg.ch – Vadianstrasse 24, Postfach 325 9001 St.Gallen Tel. 071 222 88 11 Themencafés am Montag, 8.00 Uhr faplasg@fzsg.ch Bis die Themencafés wieder im Café-Restaurant Gentile stattfinden können, werden sie vorerst über Zoom angeboten. – Bahnhofstrasse 9 Den Zoom-Link und Informationen zum aktuellen Thema finden Sie 7320 Sargans jeweils auf www.fzsg.ch Tel. 081 710 65 85 Die nächsten Daten: 28. Juni, 30. August, 27. September faplasargans@fzsg.ch 30 Jahre Frauenstreik – Bahnhofstrasse 6, Postfach 122 12. bis 14. Juni 2021 9630 Wattwil Feministische Aktionstage in St.Gallen Tel. 071 988 56 11 24 Veranstaltungen unter www.frauenstreik-sg.ch faplawattwil@fzsg.ch Sommerfest zur Sonnenwende – St.Gallerstrasse 1 Montag. 21. Juni 2021, 18.30 Uhr 8645 Jona im Rathaus Schwänberg Herisau Tel. 055 225 74 30 Informationen & Anmeldung: www.frauenzentrale-ar.ch > Agenda faplajona@fzsg.ch
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