Pbi Rundbrief - Peace Brigades International
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
peace brigades international pbi Rundbrief Sommer 2019 In dieser Ausgabe ISSN 1619-2621 Bericht: Die herausfordernde Arbeit der Frauenrechtsverteidiger_innen in Kenia Interview: Lesbia Artola spricht über die Rolle von Menschenrechtsverteidigerinnen in Guatemala making space for peace
Liebe_r Leser_in, Michel Forst, UN-Sonderberichterstatter zur Baja Verapaz in Guatemala. Die Menschen- Situation von Menschenrechtsverteidiger_ rechtsverteidigerin setzt sich dort für die innen, warnt in seinem Bericht zur Situation Landrechte und Rechte der indigenen und von Frauenrechtsverteidiger_innen vor ländlichen Bevölkerung ein. Im Interview einer Zunahme der Gewalt gegen Frauen. mit Alexander Weber ab Seite 10 lesen Sie Insbesondere die festgefahrenen Ge- unter anderem mehr über die Situation von schlechterstereotypen und die tief verwur- Menschenrechtsverteidigerinnen in Guate- zelte negative soziale Wahrnehmung von mala. Frauen prägen die zusätzlichen Bedrohun- In der Reihe über die Regionalgruppen- gen gegen sie. arbeit von pbi Deutschland erfahren Sie in Diese und ähnliche Herausforderungen dieser Ausgabe mehr über die Regional- beobachtet pbi auch in den verschiedenen gruppe Berlin. Bereits im vergangenen Jahr Projektländern. In Kenia etwa hat pbi ein konnte die Gruppe durch die Organisation Toolkit speziell für Frauenrechtsverteidiger_ von mehreren Veranstaltungen zahlreiche innen entwickelt. Theresa Eberle, ehemalige Menschen in Berlin erreichen. Freiwillige im pbi-Keniaprojekt berichtet ab Seite 4 über die herausfordernde Arbeit der Wir wünschen Ihnen eine spannende sogenannten „Toolkit Organiser“, die in den Lektüre. marginalisierten Siedlungen Nairobis Frau- enrechtsverteidiger_innen unterstützen. Für die Rundbriefredaktion Lesbia Artola koordiniert die Organi- Stefan Eikenbusch sation Comité Campesino en Defensa del Altiplano (CCDA) in der Region Alta und 2 pbi Rundbrief ► Sommer 2019
Centro Fray Juan de Larios für den internati- Deutschland onalen Bremer Friedenspreis nominiert ► Die mexikanische Organisation Centro rechtszentrum über die Begleitung der Or- Fray Juan de Larios unterstützt Familien, ganisation, um ihre Menschenrechtsarbeit in deren Angehörige verschwunden sind. Coahuila zu unterstützen. Das Centro Fray Juan de Larios mit Sitz in Alle zwei Jahre vergibt die Stiftung “die Saltillo, der Hauptstadt von Coahuila, wurde schwelle” den internationalen Bremer Frie- 2004 von Bischof Raúl Vera gegründet. Zu- denspreis. Neben dem Centro Fray Juan de nächst konzentrierte sie sich auf Fragen im Larios sind vier weitere Vorschläge auf der Zusammenhang mit den Arbeits- und Kom- Auswahlliste für den Spender_innenpreis, munalrechten. Seitdem hat das Menschen- darunter Nominierungen aus Afghanistan, rechtszentrum seine Aktivitäten diversifiziert Südafrika, Honduras sowie Israel und Palästi- und seine Arbeit erweitert, um den Schwer- na. Mit dem Preis sollen Menschen und Or- punkt unter anderem auf Verschwinden- ganisationen geehrt werden, die in ihrer lassen, Migration und den Schutz der Men- Arbeit Vorbild sind im Einsatz für Frieden, Ge- schenrechte zu legen. rechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Seit Februar 2014 gibt es eine Verein- Die Verleihung des Friedenspreises findet am barung zwischen pbi und dem Menschen- 15. November im Bremer Rathaus statt. Guatemala Menschenrechtsverteidiger aus Untersuchungshaft freigelassen ► Der Menschenrechtsverteidiger Chub ternehmen von ihrem Land vertrieben Caal wurde Ende April von allen Anschuld- wurden. igungen freigesprochen. Er befand sich Das Schicksal Chub Caals ist ein typ- zwei Jahre lang in Untersuchungshaft, ischer Fall der herrschenden Kriminalis- obwohl es keine Beweise gab. ierung von Menschenrechtsverteidiger_in- Am 26. April 2019 hat pbi die letzte nen in Guatemala. Die Interamerikanische Anhörung des Menschenrechtsverteidi- Kommission für Menschenrechte erinnerte gers Abelino Chub Caal von der Fundación Staaten daran, „das Recht nicht ungerecht- Guillermo Turiello vor Gericht beobachtet. fertigt dazu zu verwenden, Menschen- Der Aktivist wurde nach über zwei Jahren rechtsverteidiger_innen zu kriminalisie- Untersuchungshaft von allen Anschuldi- ren“. gungen gegen ihn freigesprochen und so- Abelino Chub Caal erklärte nach der fort freigelassen. Bekanntgabe des Urteils, dass es ihm Abelino Chub Caal setzt sich für die wichtig gewesen sei, der Öffentlichkeit zu Rechte der indigenen Q’eqchi’ Gemein- zeigen, dass er kein Verbrecher ist. Er rief schaften in den Regionen Alta Verapaz zur Freilassung aller kriminalisierten und und Izabal ein, welche von Großgrundbe- unschuldig eingesperrten Verteidiger_in- sitzer_innen, Bergbau- und Wasserkraftun- nen von Landrechten auf. pbi Rundbrief ► Sommer 2019 3
Kenia Frauenrechtsverteidiger_innen in Kenia - Die Arbeit der Toolkit Organiser und die Unterstützung durch pbi Im Jahre 2015 organisierte das pbi-Keniaprojekt mit Frauenrechts- verteidiger_innen aus den informellen Siedlungen Nairobis einen Workshop zu Frauenrechten. Während dieser Konferenz identi- fizierten sie Herausforderungen bei ihrer Arbeit und Bedarfe an Unterstützung, wie zum Beispiel Zugang zu Informationsquellen. Sie waren begeistert von dem Toolkit, das pbi für lateinamerikanische Projekte entwickelt hatte, und fragten das pbi-Keniaprojekt nach einem ähnlichen Hilfsmittel für ihre Arbeit. So entstand die Idee, ebenfalls ein Toolkit für den kenianischen Kontext zu entwickeln, um Frauenrechtsverteidiger_innen in ihrer Arbeit stärken und unterstüt- zen zu können. 4 pbi Rundbrief ► Sommer 2019
2016 engagierte pbi eine kenianische For- selten. Sie werden leider von Männern eher scherin und Frauenrechtsexpertin, um die gehört, als dies bei Frauenrechtsverteidige- Arbeitsfelder und Herausforderungen der rinnen der Fall ist. Sie sind essenziell, wenn Frauenrechtsverteidiger_innen in den in- es darum geht, traditionelle Rollenbilder der formellen Siedlungen Nairobis genauer zu Geschlechter aufzubrechen und Männer untersuchen. Um möglichst vielen Frauen- davon zu überzeugen, Frauenrechte einzu- rechtsverteidiger_innen und interessierten halten. Leuten Zugang zu den Forschungsergebnis- Die TOs arbeiten unermüdlich in ihren sen zu ermöglichen, wurde auf der Basis die- informellen Siedlungen. Meist kümmern sie ses Berichtes eine Toolkit-Webseite kreiert. sich um eine Vielzahl von Fällen gleichzeitig. Sie enthält Tipps und Ressourcen, auf die Manche fokussieren sich eher auf sexualisier- Frauenrechtsverteidiger_innen zurückgrei- te Gewalt, andere auf Gesundheitsthemen fen können. oder auf Fälle von Landrechtsstreitigkeiten. Um Frauenrechtsverteidiger_innen zu- Diejenigen, deren Schwerpunkt sexuali- sätzlich zu unterstützen, gründete pbi im sierte Gewalt ist, geben Opfern moralische April 2017 eine Gruppe, bestehend aus 15 Unterstützung und versuchen etwas gegen Menschenrechtsverteidiger_innen. Diese die Straflosigkeit der Täter zu unternehmen, sind bekannt als Toolkit Organiser (TOs). Sie beispielsweise durch die Anzeige der Vor- waren in ihren jeweiligen Gemeinschaften fälle bei der Polizei. Eine aktuelle Herausfor- schon zuvor bekannt als passionierte und derung ist der drastische Anstieg der Auf- engagierte Vorbilder und standen bereits deckung von Fällen, bei denen Jungen von vielen Frauen und Kindern als Ansprechper- Männern sexuell missbraucht werden. Die sonen zur Verfügung. TOs unterstützen auch unterschiedliche Jus- Die TOs kommen aus fünf verschiede- tizzentren, Organisationen und Verbände nen informellen Siedlungen Nairobis (Ki- oder gründen sogar neue, wie etwa Editar bera, Langata, Mathare, Mukuru und Ka- Ochieng, Gründerin des Feminist for Peace wangware). Die Arbeit als TO und generell Rights and Justice Centre. als Frauenrechtsverteidiger_in wird ehren- Manchmal arbeiten die TOs alleine an amtlich geleistet. Ihr Geld verdienen die TOs Fällen, ein andermal schließen sich TOs aus mit unterschiedlichen Jobs. Einige von ihnen einer oder mehreren informellen Siedlun- mussten leider selbst in ihrer Jugend Gewalt gen zusammen, um gemeinsam einer Per- erfahren. Anstatt zu resignieren, haben sie son zu helfen. Der Fall der Studentin Sharon aber trotzdem die Kraft gefunden, sich für Otieno ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine die Rechte anderer Personen einzusetzen. Zusammenarbeit funktionieren kann. Der Gouverneur des Bezirkes Migori, Zacharia Frauen und Männer setzen sich für Okoth Obado, wird beschuldigt, die Ermor- Frauenrechte ein dung der Studentin und deren ungebore- nes Kind veranlasst oder durchgeführt zu Dass die Gruppe nicht nur aus Frauen, son- haben. Einige TOs, zusammen mit anderen dern auch aus Männern besteht, ist sehr Menschenrechtsverteidiger_innen, organi- wichtig. Denn Männer, die sich spezifisch für sieren Demonstrationen und unterstützen Frauenrechte einsetzen, sind in Kenia eher Kampagnen in den sozialen Medien, damit pbi Rundbrief ► Sommer 2019 5
der Fall viel Aufmerksamkeit bekommt und Netzwerk immer weiter auszubauen, damit nicht in Vergessenheit gerät. sie leichter an Informationen und Unterstüt- Die TOs haben viele verschiedene Ver- zung kommen. Die TOs haben selbst bereits antwortungsbereiche und kaum eine freie viele Kontakte, die sie untereinander teilen. Minute. Eine wirtschaftliche Herausforde- Zusätzlich versucht pbi sie auch mehr mit rung ist, dass sie neben ihren Jobs und ihrer der internationalen Ebene zu vernetzen, freiwilligen Arbeit oft noch alleinerziehend damit die TOs mehr Advocacyarbeit leisten sind. Des Weiteren müssen die Frauen- können. So fanden zum Beispiel schon zwei rechtsverteidiger_innen überlegen, welches Treffen mit der spanischen Botschaft statt. Sicherheitsrisiko sie ihren Kindern zumuten. Bei der Übernahme von bestimmten Fällen Unterstützung und Solidarität werden sie von Beteiligten bedroht. Sich Zudem hat pbi die „Monthly Mandazi permanent Fälle sexualisierter Gewalt anzu- Meetings“ organisiert. Mandazis sind hören, kann emotional sehr belastend sein ein typisch kenianisches Gebäck. Mit und selbst bei erfahrenen TOs Traumata diesem Gebäck und einer Tasse Tee in auslösen. der Hand tauschen sich die TOs in einer lockeren Runde einmal pro Monat aus. Die Belastende und Treffen finden abwechselnd in einer der anstrengende Arbeit informellen Siedlungen statt; dies gibt den Zusätzlich zu diesen Herausforderungen, TOs auch die Möglichkeit, die Arbeitsfelder die viele Menschenrechtsverteidiger_innen der anderen TOs kennenzulernen. Sie betreffen, gibt es für weibliche Menschen- tauschen sich über ihre Arbeit und Fälle aus, rechtsverteidigerinnen zusätzliche Hürden, an denen Sie gerade arbeiten, und geben die sie überwinden müssen. Oft werden sie sich wechselseitig Tipps. Sie bieten anderen nicht so ernst genommen wie ihre männli- TOs Zuspruch, Trost und Unterstützung, chen Mitstreiter und bekommen für ihre wenn diese gerade durch eine schwere Arbeit nicht den Respekt, den sie verdienen. Zeit gehen, die Arbeit emotional sehr Eine Folge kann sein, dass sie nicht nur von anstrengend ist oder ihnen die Energie staatlichen Akteur_innen bedroht werden, auszugehen droht. Sie erinnern sich immer sondern auch von Partnern, Familien- oder wieder daran, auf sich selbst zu achten. Gemeindemitgliedern, denen die Einmi- Zudem laden sie sich untereinander zu schung der TOs in ihre Angelegenheiten Events und Aktionen ihrer Organisationen nicht gefällt. Die weiblichen TOs sind der Ge- ein und zeigen so Solidarität. Ebenso fahr ausgesetzt, bei ihrer Arbeit selbst Op- lehren sie sich gegenseitig; so zeigte TO fer von Gewalt zu werden. So kann es sehr Sakwa Francis einige Handgriffe eines gefährlich sein, bei Nacht Frauen zu Hilfe zu Selbstverteidigungskurses. eilen, weil sie auf dem Weg dorthin selbst Wichtig für die TOs ist auch der Bereich vergewaltigt werden könnten. Capacity Development, also die Weiterent- Frauenrechtsverteidiger_innen erwähn- wicklung ihrer Fähigkeiten und ihres Wis- ten, dass ihnen die Verbindung zu anderen sens über Frauenrechte, um ihre Resilienz Menschenrechtsverteidiger_innen in Kenia zu stärken. Deshalb organisiert pbi für sie in fehlt. Es ist für sie auch deshalb wichtig, ihr regelmäßigen Abständen Weiterbildungen 6 pbi Rundbrief ► Sommer 2019
Vorstellung des Women Human Rights Defenders Toolkit zu Themen, welche die TOs als wichtig emp- zu unterstützen, sollten ihre Rechte verletzt finden. Da die Themen Wohlbefinden und werden. Selbstfürsorge wesentlich für sie sind, wur- Das Ziel des Toolkit Projektes war es den Workshops organisiert, um – trotz ihrer auch, dass die Arbeit der Frauenrechtsver- anstrengenden, manchmal gefährlichen teidiger_innen und ihr Beitrag, den sie zur und oft emotional belastenden Arbeit – Er- Entwicklung der Gesellschaft leisten, mehr müdung, Burnout, Traumata und Stress vor- Anerkennung erlangt. pbi hofft, dass nicht zubeugen und entgegenzuwirken. Weitere nur durch die „Town Hall Meetings“ die Workshopthemen waren die Dokumenta- TOs diesem Ziel etwas näher gerückt sind. tion von Menschenrechtsverletzungen, Sie verdienen jedenfalls den größten Res- Berichterstattung, Advocacy, Netzwerken pekt für ihre Arbeit und den Mut, den sie und persönliche Führungsqualitäten. aufbringen, trotz der Gefahr für sich selbst, Seit Mitte 2018 hält die Gruppe regel- anderen zu helfen und Frauenrechte durch- mäßig sogenannte „Town Hall Meetings“ zusetzen! ab. Das sind Gemeindeforen, die jeden Mo- Text: Theresa Eberle nat rotierend in einer der fünf informellen Siedlungen von den TOs vor Ort mit Unter- Weitere Informationen stützung von pbi organisiert werden. Dazu werden ca. 50 Frauen und Männer aus der Wenn Sie mehr über einzelne Gemeinschaft eingeladen und die TOs tei- Mitglieder der Gruppe erfahren len mit ihnen ihr Wissen und ihre Fähigkei- möchten, können Sie sich gerne ten. Es wird in Swahili (neben Englisch die die Toolkit-Webseite und die Amtssprache in Kenia) über sexuelle und Profile der TOs anschauen (auf geschlechtsspezifische Gewalt (SGBV) ge- Englisch), in denen sie von ihrem sprochen. Zum Beispiel wird diskutiert, wel- Leben und ihrer Arbeit erzählen, che Rechte Frauen haben, was SGBV und und was sie dazu motiviert hat, sexuelles Einverständnis sind und welche Frauenrechtsverteidiger_innen zu Maßnahmen im Falle einer Vergewaltigung werden. getroffen werden sollten. Die TOs bieten www.toolkit-whrd-kenya.org den Anwesenden ihre Hilfe an, sie moralisch pbi Rundbrief ► Sommer 2019 7
Deutschland Die Regionalgruppe Berlin stellt sich und ihre Aktivitäten vor Die Berliner Regionalgruppe zählt zurzeit ungefähr zehn Aktive und konnte in den letzten Monaten erfreulicherweise einige neue Mitglieder willkommen heißen. Sie trifft sich einmal im Monat zu einem regulären Arbeitstreffen in der Galerie Olga Benario in Neukölln; zusätzlich findet alle zwei Wochen ein informelles, sogenanntes „Leisure-Treffen“ statt. Unseren jährlichen Infotag haben wir an der UN-„Erklärung zu den Menschenrechts- einem Samstag im September 2018 in der verteidiger_innen“ (s. Rundbrief Winter Galeria Olga Benario veranstaltet. Das milde 2018/19) auf dem Programm. Im Rahmen Wetter erlaubte es uns, den schönen Garten dieser Besuchsreise haben wir eine Podi- der Galerie für Energizer und Arbeitseinhei- umsdiskussion im Haus der Demokratie und ten zu nutzen. In Vorträgen, Diskussionen Menschenrechte organisiert, bei der Maria und gruppendynamischen Spielen haben Mutauta aus Kenia, Cristina Auerbach Be- wir die zehn Teilnehmer_innen in die Ge- navides aus Mexiko und Indira Ghale aus schichte, Struktur und Prinzipien der viel- Nepal über ihre Arbeit und Erfahrungen schichtigen Arbeit von pbi Deutschland und als Menschenrechtsverteidigerinnen und International eingeführt. In praktischen Ein- als Frauen berichtet und untereinander heiten und einem Rollenspiel konnten die sowie mit dem Publikum diskutiert haben. Teilnehmer_innen die Arbeit von pbi einmal Neben der Abendveranstaltung haben wir selbst erfahren und diskutieren. Ein beson- die Menschenrechtsverteidigerinnen zu Ter- deres Highlight waren wie immer die ein- minen mit Vertreter_innen aus Politik und drücklichen Erfahrungs- und Projektberich- Zivilgesellschaft begleitet, sie zu ihrer Arbeit te der zurückgekehrten Freiwilligen, dieses interviewt (s. ebd.) und ein kleines Freizeit- Mal aus Guatemala und Mexiko. Die Pausen programm in Berlin organisiert. Die Besuchs- ließen aber auch immer genug Zeit für Es- reise war eine intensive und ereignisreiche sen, Kaffee oder Tee und rege, individuelle Woche. Für uns als Regionalgruppe und Gespräche zwischen Teilnehmer_innen und besonders für die Mitglieder ohne bisherige Mitgliedern der Regionalgruppe. Über das pbi-Projekterfahrung war der enge Aus- positive Feedback der Teilnehmenden ha- tausch mit den Menschenrechtsverteidige- ben wir uns sehr gefreut und sind schon ge- rinnen besonders lehrreich und inspirierend. spannt auf den nächsten Infotag. Einen Monat später stand dann die gro- Neue Strategie, neue Motivation ße Besuchsreise von drei Menschenrechts- Das ereignisreiche Jahr ging mit einer klei- verteidigerinnen zum 20-jährigen Jubiläum nen Weihnachtsfeier mit Glühwein und 8 pbi Rundbrief ► Sommer 2019
Strategietreffen der Regionalgruppe Berlin kolumbianischen Maisfladen (Arepas) zu zur Arbeit von Menschenrechtsverteidiger_ Ende. Anfang des Jahres haben wir uns innen, die ein oder andere Besuchsreise und dann Zeit für einen „Findungs- und Stär- natürlich unser Infotag im September. kungsprozess“ genommen. Im Februar haben wir dazu ein Strategietreffen orga- Text: Regionalgruppe Berlin nisiert, um uns über eine gemeinsame Per- spektive für die Regionalgruppe und län- Engagement in Deutschland gerfristige Projekte auszutauschen. An der daraus entstandenen Mini-Jahresstrategie Die Regionalgruppe Berlin trifft sich orientieren wir uns seitdem. Neben neuen einmal im Monat in der Galerie Olga Ideen für Aktivitäten haben wir uns vorge- Benario. Für neue Mitglieder, ihre Ide- nommen, unsere Bündnisarbeit in der Ber- en und Anregungen sind wir immer liner Menschenrechtslandschaft auszubau- offen! Informationen, unter anderem en und zurückgekehrte Freiwillige aus den zu den genauen Terminen der Regio- pbi-Projekten wieder mehr in unsere Arbeit nalgruppentreffen gibt es direkt bei einzubeziehen. gesine.stauch@pbi-deutschland.de Im April haben wir eine pbi-Rückkehre- rin in der Olga Benario begrüßen dürfen, Lernen Sie pbi Deutschland beim die uns über ihre Erfahrungen im pbi-Kenia- Infotag in Berlin kennen: projekt ausführlich berichtet hat. Zuletzt un- ► Samstag, 28. September 2019, terstützten wir das Ökumenische Büro bei 10 bis 18 Uhr der Organisation und Umsetzung von zwei ► Galerie Olga Benario, Richard- Theateraufführungen der mexikanischen straße 104, 12043 Berlin Schauspielgruppe „Telón de Arena“ im ► Kosten: 20,- (ermäßigt für Stu- ACUD-Theater im Mai. Auf dem Programm dierende und Azubis: 10,-) stehen der Austausch mit einer feministi- ► Anmeldung auf schen Aktivistin aus Nicaragua, die Wieder- www.pbi-deutschland.de belebung unserer Film- und Gesprächsreihe pbi Rundbrief ► Sommer 2019 9
Guatemala „Seitdem ich pbi an unserer Seite weiß, fühle ich mich sicherer.“ Lesbia Artola koordiniert die Organisation Comité Campesino en Defensa del Altiplano (CCDA) in der Region Alta und Baja Ver- apaz in Guatemala. Die Menschenrechtsverteidigerin setzt sich dort für die Landrechte und Rechte der indigenen und ländlichen Bevölkerung ein. Das Thema Gender ist fester Bestandteil der Ar- beit des CCDA. Die Organisation unterstützt insbesondere Frauen, deren Rechte bei gewaltsamen Vertreibungen von ihrem Land verletzt wurden und führt in den Gemeinschaften Workshops zur Gleichstellung der Geschlechter durch. Ende März besuchte Lesbia Artola Deutschland. Alexander Weber interviewte sie für pbi Deutschland. 10 pbi Rundbrief ► Sommer 2019
► pbi: Hallo Lesbia, danke für deine die am meisten der Unterdrückung und Zeit. Warum bist du in Europa bzw. Enteignungen ausgesetzt waren. Deutschland? ► pbi: Ein besonderer Fokus der Arbeit ► Lesbia: Aus mehreren Gründen: Zum von CCDA liegt auf dem Thema Gender. einen, um die Erfahrungen zu teilen, Kannst du uns ein bisschen darüber erzäh- die die indigenen Völker Guatemalas len? leben. Aber auch um Lösungen ► Lesbia: Ja, die Organisation der CCDA zu finden und das Bewusstsein in setzt sich insbesondere auch für die Gleich- verschiedenen internationalen Gremien berechtigung von Männern und Frauen zu schärfen und die Menschen, die uns ein. Lange wurde der Kampf der indige- bei der Verteidigung des Landes und der nen Frauen nicht wahrgenommen. Sie natürlichen Ressourcen unterstützen, waren unsichtbar. Wir erkennen aber, dass weiter zu sensibilisieren. Frauen einer der wichtigsten Akteur_in- ► pbi: Und wo bist du im Rahmen deiner nen bei der Verteidigung unseres Landes Besuchsreise gewesen? und unserer natürlichen Ressourcen sind. ► Lesbia: Angekommen bin ich in der Aus diesem Grund führen wir Workshops Schweiz. Zuerst war ich in Bern, wo ich für indigene und kleinbäuerliche Gemein- an einem Runden Tisch teilgenommen schaften zu Geschlechtergerechtigkeit habe und dann in Genf, wo ich bei der und einer neuen Identität von Männlich- Präsentation des Jahresberichtes 2018 der keit, die Gewalt gegen Frauen ausschließt, Hohen Kommissarin für Menschenrechte durch. Wir fördern die Bildung von Ver- der Vereinten Nationen war. Danach ging waltungsräten, die sowohl mit Männern es nach Deutschland, zu einer Fachtagung und als auch mit Frauen besetzt sind. über Zentralamerika an der evangelischen Hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlech- Akademie Bad Boll. Ich empfand die Zeit ter haben wir viele Fortschritte erzielt. So in der Schweiz und in Deutschland als sehr machen wir dieses Jahr wirklich schöne Er- gut und produktiv. fahrungen in Sachen Gleichberechtigung. ► pbi: Du koordinierst die Organisation Zum Beispiel gab es die offizielle Übergabe Comité Campesino en Defensa del eines kollektiven Landtitels, bei dem Frauen Altiplano (CCDA) in der Region Alta und und Männer gleichberechtigt berücksich- Baja Verapaz in Guatemala. Zu welchem tigt wurden. Das ist noch nie passiert und Thema arbeitet die Organisation? für uns ist es von großer Bedeutung. Aber ► Lesbia: Unsere Organisation ist eine bis zur wirklichen Gleichberechtigung ist es Bauern- und Bäuerinnenorganisation, die noch ein weiter Weg. Wir müssen sie in allen unterschiedliche Gemeinden in der Region Bereichen durchsetzen. begleitet, die in Landkonflikten leben und Opfer von Enteignungen, Kriminalisierung „Große Wasserkraftwerke und Unterdrückung sind. Ich bin Maya zerstören unsere natürlichen Ressourcen.“ Q´eqchi´. Mein Volk war eines der Völker, das lange Zeit unterdrückt worden ist. ►pbi: Kannst du uns ein bisschen darüber Zumindest seit der Kolonialisierung von erzählen, warum du als Menschenrechts- Guatemala waren unsere Leute diejenigen, verteidigerin arbeitest? pbi Rundbrief ► Sommer 2019 11
► Lesbia: Ich sehe es nicht als Arbeit. Es ist indigen zu sein, etwas Wundervolles. Es ein Ideal, das aus dem Herzen geboren ist. erfüllt uns mit Stolz. Es ist nicht so, dass es eine Arbeit oder ein Beruf ist. Ich bin Koordinatorin einer Orga- „Ihr einziges Verbrechen war es, nisation in einer Region, die viel Schmerz den Mund aufzumachen.“ erfahren hat. Mein Kampf ist einer des Gewissens. Es ist nicht gerecht, was mein ► pbi: Wie ist aktuell die Menschenrechts- Volk ertragen muss, dass man uns unserer situation in Guatemala? natürlichen Ressourcen, unseres Landes ► Lesbia: In Guatemala gibt es keinen beraubt. Es ist nicht gerecht, dass sie unse- Respekt für die Menschenrechte. Die Rech- re Menschenrechte verletzen und wir uns te der indigenen Völker werden verletzt. in dieser Situation befinden. So viele Jahre Menschenrechtsverteidiger_innen werden habe ich gesehen, wie sie unsere Rechte kriminalisiert, verfolgt und oft sogar ermor- verletzen. Der Regierung mangelt es an det. Wir als Organisation haben in dieser Bewusstsein. Große Wasserkraftwerke Hinsicht viel ertragen müssen. In unserem zerstören unsere natürlichen Ressourcen. Land ist es ein Verbrechen, ein_e Menschen- Durch den Bau von Wasserkraftwerken rechtsverteidiger_in zu sein. Und gerade und den großflächigen Anbau von Ölpal- auch eine Menschenrechtsverteidigerin zu men und Bananen werden uns unsere sein, ist sehr schwierig. Für eine Frau ist es in natürlichen Ressourcen genommen. Zu unserem schönen Guatemala nicht einfach. sehen, wie sie meine Leute Tag für Tag tö- Wir haben eine Regierung, die sich nicht ten, ist etwas, das sehr schmerzt. für das Schicksal der Menschen interessiert, ► pbi: Und wie bist du dazu gekommen, sondern nur für ihren eigenen Nutzen. Als dich für Menschenrechte einzusetzen? Organisation haben wir viel durchgemacht. ► Lesbia: Es war nicht einfach, in einer So wurden 2018 fünf aktive Mitglieder un- Region zu leben, die leidet und nichts da- serer Organisation ermordet. Das war na- gegen tut. Ich habe vor langer Zeit ange- türlich ein sehr schwerer Schlag. fangen. Zu Beginn meines Engagements Ihr einziges Verbrechen war es, den arbeitete ich viel mit Frauen, deren Rechte Mund aufzumachen. In Guatemala gibt verletzt wurden, die misshandelt wurden, es also keine Rechte. Es gibt keine Souve- und ich arbeite immer noch viel zu diesem ränität. Wir leiden immer noch unter einer Thema. Wenn man sieht, wie all diese Regierung, die sich nicht darum kümmert, Rechte verletzt werden, sagt man „Nein, was die Menschen fordern. Sie interessiert so kann es nicht weitergehen!“ Seit vielen sich nicht für den Kampf der Menschen für Jahren lehre ich Frauen auch lesen und ihre Rechte. schreiben, weil leider in unserer Region ► pbi: 2018 gab es fünf Morde an euren die Alphabetisierungsrate nicht sehr hoch Aktivist_innen. Wie bist du mit dieser Situ- ist und es nur wenige Schulen gibt. Es gibt ation umgegangen? aber auch eine Geschichte hinter diesem ► Lesbia: Ich bin keine Frau aus Eisen oder Kampf. Eine Geschichte, in der auch Diskri- Stahl. Ich bin keine Frau, die nicht fühlt. Es minierung und Rassismus gegenüber Indi- ist sehr schwierig, eine Frau zu sein, und für genen zu spüren ist. Für uns aber bedeutet CCDA eine sehr große Region zu koordinie- 12 pbi Rundbrief ► Sommer 2019
Lesbia Artola bei einem von pbi organisierten Sicherheitsworkshop. ren. Aber das Leben lehrt uns auch stark zu Bedrohungen und Morden von pbi beglei- sein, und wir als Frauen bringen eine innere tet. Und diese Begleitung durch pbi ist sehr Stärke mit. wichtig. Aber es war natürlich sehr schwierig für ► pbi: Wie hat die Begleitung von pbi dei- mich, diese fünf Morde an meinen Mitstrei- ne Arbeit als Menschenrechtsverteidigerin ter_innen im Jahr 2018 zu erleben. Aber beeinflusst? auch schon 2016 gab es einen Mord an ei- ► Lesbia: Die Begleitung durch pbi beein- nem Kameraden und Bruder, der für unser flusst unsere Arbeit sehr. So werden wir zum Volk gekämpft, der für Menschenrechte Beispiel von der Generalstaatsanwaltschaft und dafür gekämpft hat, dass es eines Tages empfangen, seitdem wir durch pbi begleitet Gerechtigkeit gibt. werden. Auch haben wir das Gefühl, dass ► pbi: Hast du auch Drohungen aufgrund seit der Begleitung durch pbi unsere Orga- deiner Arbeit erhalten? nisation nicht derart überwacht wird, wie ► Lesbia: Ja, auch ich wurde schon oft zuvor. So hat zum Beispiel die Anwesenheit bedroht. Ich werde nicht sagen, dass ich von verdächtigen Fahrzeugen in der Nähe mich nicht fürchte. Ich habe manchmal gro- der Büros von CCDA abgenommen. Es ist ße Angst. Es macht mir Angst, aber wenn zwar nicht so, dass wir gar nicht mehr be- ich diese Angst vor meinen Widersachern droht werden, aber seitdem ich pbi an unse- zeige, wird es nur noch schlimmer. Daher rer Seite weiß, fühle ich mich sicherer. zeige ich ihnen nicht, dass ich mich fürchte. ► pbi: Lesbia, vielen Dank für das Aber zumindest werden wir seit den akuten Gespräch. pbi Rundbrief ► Sommer 2019 13
Ein Geburtstag für die Menschenrechte Sie wollen die Arbeit von pbi unterstützen? Sie möchten mehr Menschen für die Menschenrechte sensibilisieren? Dies ist durch eine Anlassspende möglich. Beispiele für Anlässe sind: Geburtstage, Hochzeiten, Trauerfälle und Jubiläen ► Ihre Gäste überweisen eine Spende Sie vereinbaren mit uns ein Stichwort, zum Beispiel „Geburtstag Max Muster“. Ihre Gäste überweisen unter diesem Stichwort eine Spende an pbi. Falls gewünscht, erhalten Sie von uns eine Liste der Spender_innen und die Mitteilung über die Gesamtsumme der Spenden. Ihre Gäste erhalten eine Spendenbescheinigung über die jeweils gespendeten Beträge. ► Sie machen eine Sammelüberweisung Sie vereinbaren mit uns ein Stichwort. Auf Ihrer Feier können Sie die Spenden zu Ihrem Anlass sammeln. Anschließend überweisen Sie das gesammelte Geld unter Angabe des Stichwortes an pbi. Unsere Kontoverbindung: peace brigades international – Deutscher Zweig e. V. IBAN: DE14 4306 0967 2020 4060 00 GLS Bank BIC: GENODEM1GLS Gern schicken wir Ihnen für Ihre Gäste Informationsmaterial über pbi zu. Bei Fragen oder Wünschen zum Ablauf können Sie sich telefonisch unter 040/38 904 370 an uns wenden. Oder Sie schreiben eine E-Mail an: melanie.ruecker@pbi-deutschland.de Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung! 14 pbi Rundbrief ► Sommer 2019
Impressum ► peace brigades international – Deutscher Zweig e.V. Bahrenfelder Str. 101a, 22765 Hamburg Tel. 040 / 3890437 – 0 ► info@pbi-deutschland.de ► Redaktion: Alexander Weber, Jakob Rieder, Stefan Eikenbusch (V.i.S.d.P.) ► Mit freundlicher Unterstützung des Zivilen Friedensdienstes Kontaktformular Über pbi Ich möchte mehr Informationen und … ► peace brigades international (pbi) ist abonniere den halbjährlichen Rundbrief eine von den Vereinten Nationen aner- abonniere den Newsletter (E-Mail) kannte Menschenrechtsorganisation möchte Informationsmaterial zu: ______________ und seit 1981 in Krisengebieten tätig. pbi arbeitet unabhängig von wirtschaftli- Name, Vorname: ____________________________ chen Interessen und hat keine bestimmte Adresse: ___________________________________ politische oder religiöse Ausrichtung. Auf ausdrückliche Anfrage lokaler Gruppen, E-Mail: _____________________________________ die von politisch motivierter Gewalt be- Telefon: ____________________________________ droht sind, organisiert pbi eine schützen- de Präsenz mithilfe internationaler Frei- willigenteams. Auf diese Weise bleiben Ich unterstütze pbi und …. Handlungsräume für eine gewaltfreie spende einmalig _____________________________ Konfliktbearbeitung erhalten. Hierbei sind beide – Beschützte und Begleitende spende monatlich 10€ | 25€ | 50€ | ___________ – durch ein weltweites Alarmnetzwerk mit Bitte buchen Sie den oben genannten Betrag von Kontakten zur Politik, Diplomatie und Zi- meinem Konto: vilgesellschaft abgesichert. IBAN/Kto-Nr: ________________________________ BIC/BLZ: ____________________________________ Wenn Sie mehr Informationen über pbi erhalten möchten, schicken Sie das Bank: ______________________________________ ausgefüllte Formular an unsere Adresse Datum: ___________ Unterschrift: _____________ oder schreiben Sie eine E-Mail an: info@pbi-deutschland.de Spendenkonto: GLS Bank IBAN: DE14 4306 0967 2020 4060 00 BIC: GENODEM1GLS Spenden an pbi sind steuerlich absetzbar.
»Das Engagement der Freiwilligen von pbi gibt uns Hoffnung und Kraft, unsere Arbeit fortzusetzen.« Omar Jacob Jeronimo Guatemaltekischer Menschenrechtsverteidiger Der guatemaltekische Menschenrechtsverteidiger Omar Jacob Jeronimo arbeitet bei der Organisation Nuevo Día, die Maya-Ch’orti’-Indigene im Osten Guatemalas im Kampf um ihr Land, Selbstbestimmung und Meinungsfreiheit unterstützt. making space making space for forpeace peace
Sie können auch lesen