Moderne Migränetherapien - Ärzteblatt Sachsen 9/2020
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ORIGINALIE Moderne Migränetherapien L. Hämmerl1, T. Kraya1 Einleitung Die Migräne (von altgriechisch ‚aμικρανiα hēmikranía‘, deutsch ‚halber Schädel‘) bildet neben dem Kopfschmerz vom Spannungstyp die größte Gruppe der idiopathischen Kopfschmerzerkran- kungen. Sie ist geprägt durch attacken- © shutterstock/Martina Badini artig auftretende, meist einseitige mäßige bis starke Kopfschmerzen von pulsierender Schmerzqualität, die für die Patienten in der Regel eine deutli- che Einschränkung der Alltagsaktivität bedeuten. Begleitend kommt es in ab Vor Beginn der Kopfschmerzen treten häufig Auraphänomene, zum Beispiel visuelle Phänomene, auf. steigender Häufigkeit zu Inappetenz, Nausea, Erbrechen und Photo- bezie- es über den Zeitraum von mehr als drei gänzung von DGN und DMKG zur Mi hungsweise Phonophobie. Zudem be Monaten zu mehr als 15 Kopfschmerz- gräneprophylaxe mit monoklonalen steht häufig eine Zunahme der tagen pro Monat mit mindestens acht Antikörpern [6]. Der vorliegende Artikel Schmerzen bei körperlicher Aktivität. Attacken mit migränetypischen Cha- soll einen Überblick über die praxisrele- Unbehandelt dauert eine einzelne Mi rakteristika, sind die Kriterien für eine vantesten Empfehlungen aus diesen gräneattacke in der Regel zwischen vier chronische Migräne erfüllt [1–3]. beiden Veröffentlichungen und einen und 72 Stunden an. Man unterscheidet Der Blick auf die Auftretenshäufigkeit Ausblick zu neuen Therapien der Mi Migräne mit Aura (10 bis 15 Prozent) macht rasch die Relevanz der Erkran- gräne geben. und ohne Aura (85 bis 90 Prozent). kung klar: Die Punktprävalenz bei Auraphänomene treten in der Regel vor Frauen liegt zwischen zwölf bis 24 Pro- Akuttherapie der Migräne Beginn der Kopfschmerzen auf und zent und bei Männern zwischen sechs Analgetika äußern sich in reversiblen fokal-neuro- bis acht Prozent [1, 4, 5]. Am häufigsten Als Akutmedikamente zur Behandlung logischen Defiziten, welche pathophy- manifestiert sich die Migräne zwischen von Migräneattacken kommen einer- siologisch auf veränderte kortikale dem 20. und 30. Lebensjahr [2, 4]. Eine seits orale Analgetika wie Acetylsalicyl- neuronale Aktivitäten im Rahmen der besondere Herausforderung stellt die säure (ASS 1.000 mg) oder nicht-steroi- Kopfschmerzattacke zurückgeführt wer Diagnosestellung bei Kindern dar, da dale Antirheumatika (NSAR) wie Dic den (Cortical Spreading Depression) Begleitsymptome wie Übelkeit oder lofenac (50 mg/100 mg), Ibuprofen (400/ [1 – 3]. Typische Aurasymptome sind Schwindel häufig dominieren und die 600 mg) oder Naproxen (500/ 1.000 mg) visuelle Phänomene (zum Beispiel Kopfschmerzen – anders als bei Erwach- zum Einsatz. Im Falle von vorliegenden Augenflimmern oder langsam über das senen – in der Regel bilateral auftreten. Kontraindikationen gegen NSAR (bei- Gesichtsfeld wandernde gezackte Sko- spielsweise mittelgradige Niereninsuf- tome), darüber hinaus finden sich aber Leitlinie fizienz oder aktive gastrointestinale auch Sensibilitätsstörungen, Sprach- Im April 2018 wurde die S1-Leitlinie zur Ulzera) sollte auf Paracetamol (1.000 störungen oder – sehr selten – passa- Therapie und Prophylaxe der Migräne mg) oder Metamizol (1.000 mg) zurück- gere Paresen [2, 4]. Man spricht von von der Deutschen Gesellschaft für gegriffen werden [5]. einer episodischen Migräne, wenn min- Neurologie (DGN) und der Deutschen destens fünf Attacken mit typischer Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft Triptane Symptomatik aufgetreten sind. Kommt (DMKG) unter der Federführung von Bei Patienten, die unter (mittel-)schwe- Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener ren Migräneattacken leiden und nur 1 Klinik für Neurologie, herausgegeben [5]. Ein Jahr später unzureichend auf die genannten Anal Klinikum St. Georg Leipzig gGmbH erschien eine gemeinsame Leitliniener- getika ansprechen, stellen 5-HT1B/1D- 18 Ärzteblatt Sachsen 9|2020
ORIGINALIE Kopfschmerzerkrankungen ist ein 100 mg Prednison oder 4 bis 8 mg nicht zu unterschätzendes Problem, Dexamethason [5]. © Shutterstock/Blue Planet Studio weshalb Migränepatienten aus- führlich darüber aufgeklärt werden Akuttherapie in Schwangerschaft sollten. Per definitionem liegt ein und Stillzeit Medikamentenübergebrauchskopf- Obwohl ein beträchtlicher Anteil der schmerz ab 15 Analgetika-Einnah- Migränepatientinnen im gebärfähigen metagen pro Monat und migräne- Alter eine substanzielle Besserung ähnlicher Symptomatik über den ihrer Beschwerden im Rahmen einer Eine ausführliche Patientenedukation gilt als Zeitraum von mindestens drei Schwangerschaft erfahren, ist die wichtiger Baustein für die Prophylaxe von Migräneattacken. Monaten vor. Die Schwelle für Anwendung von Medikamenten in Triptane, Opioide oder Kombinati- (mittel-)schweren Attacken unumgäng untersucht. Ubrogepant (MK-1602) onsanalgetika wird bereits bei zehn lich, um negative Folgen für Fetus und wurde in mehreren kontrollierten Stu- Einnahmetagen angesetzt. An werdende Mutter zu vermeiden. Laut dien mit verschiedenen Dosierungen dieser Stelle sei erwähnt, dass internationalen Leitlinien gilt Paraceta- (25, 50, 100 mg) untersucht und konnte Opioide generell nicht für die Migrä- mol als etabliertes und sicheres Mittel eine signifikant bessere Wirksamkeit netherapie empfohlen werden [5]. über den gesamten Verlauf der Schwan als Placebo zeigen (Schmerzfreiheit gerschaft sowie auch in der Stillzeit. In nach zwei Stunden in der ACHIEVE Darüber hinaus stellt die Dokumenta- der aktuellen deutschen Leitlinie emp- I-Studie für Ubrogepant 50 und 100 mg: tion der Kopfschmerzen durch die Pati- fehlen die Autoren Acetylsalicylsäure 19,2 Prozent und 21,2 Prozent versus enten selbst – in der Regel im Rahmen und Ibuprofen als Medikamente der Placebo 11,8 Prozent, p < 0,001) [10, 11]. eines „Kopfschmerzkalenders“ – ein ersten Wahl, welche allerdings nur im Rimegepant wurde im Vergleich zu wichtiges Tool für Diagnostik und Aus- 1. und 2. Trimenon zum Einsatz kom- Sumatriptan 100 mg und Placebo wahl der Therapie- beziehungsweise men können. Für Triptane gibt es keine untersucht und konnte auch hier eine Prophylaxeoptionen dar. Dieser fordert Zulassung, allerdings konnte bei An signifikante Überlegenheit zu Placebo ein hohes Maß an Compliance von Mi wendung von Sumatriptan im 1. Trime- (Rimegepant 150 mg [32,9 Prozent, gränepatienten. Eine gute Grundlage non bisher keine erhöhte Fehlbildungs- p < 0,001]; Sumatriptan [35 Prozent, bildet der Kopfschmerzkalender der rate beobachtet werden. Bei sehr p < 0,001] und Placebo [15,3 Prozent]) Deutschen Migräne- und Kopfschmerz- schweren Attacken kann auch in der zeigen [12–14]. Hinsichtlich bekannter gesellschaft (www.dmkg.de) [5]. Schwangerschaft Prednisolon (oral Darreichungsformen wurde in Untersu- oder intravenös) erwogen werden [7]. chungen mit Sumatriptan 3 mg im Ver- Notfalltherapie gleich zu Sumatriptan 6 mg subkutan Im Falle von unzureichender oraler oder Ausblick auf neue Akuttherapien bei Patienten mit Migräne eine gleiche nasaler Selbstmedikation von Migrä Als mögliche Alternative für Migräne- Wirksamkeit bei einer allerdings gerin- nepatienten kann eine notfallmäßige patienten mit vaskulärem Risikopro - geren Rate von Nebenwirkungen fest- parenterale Applikation notwendig fil werden derzeit neu entwickelte gestellt [15]. Die Einführung ist für 2020 werden. Es kommen vorrangig Suma 5-HT1F-Agonisten diskutiert, die in zu erwarten. triptan subkutan (6 mg) sowie intrave- Studien bei einer den Triptanen ähnli- Zusammenfassend gibt es aktuell nös applizierte Acetylsalicylsäure cher Wirksamkeit keine vasokonstrikti- einige neue vielversprechende Ansätze (1.000 mg) in Kombination mit Meto- ven Nebeneffekte zeigten. Lasmiditan, zur Akutbehandlung der Migräne, dies clopramid (10 bis 30 mg) zum Einsatz; ein Vertreter der sogenannten Ditane, gilt insbesondere für Patienten mit für letzteres konnte in einigen Studien wurde im Oktober 2019 in den USA für Kontraindikationen oder bei fehlender neben der antiemetischen Wirkung die Akutbehandlung der Migräne zuge- Wirksamkeit der Triptane [16]. auch ein eigenständiger analgetischer lassen. Die Zulassung in der Europäi- Effekt gezeigt werden. Dauert eine schen Union wird aktuell geprüft [8, 9]. Prophylaxe der Migräne Migräneattacke mehr als 72 Stunden Aktuell werden zudem orale Calcitonin Als elementarer Baustein hinsichtlich an, spricht man vom Status migräno- Gene-Related Peptide (CGRP)-Antago- der Prophylaxe von Migräneattacken sus [4]. Hier empfiehlt die aktuelle Leit- nisten (Ubrogepant und Rimegepant), gilt die ausführliche Patienteneduka- linie zusätzlich zur oben genannten sogenannte Gepante (small molecules) tion. Diese reicht vom ärztlichen Auf- Therapie die Applikation von 50 bis zur Akutbehandlung der Migräne klärungsgespräch über internetba- 20 Ärzteblatt Sachsen 9|2020
ORIGINALIE sierte Aufklärungstools („stopp-den- ent erweist, sollte etwa zwei Monate kommen vorwiegend Magnesium, Met- kopfschmerz“) und analoge Patienten- nach Erreichen der individuell tolerier- oprolol, Propranolol und Amitriptylin ratgeber bis hin zu speziellen „Kopf- ten Höchstdosis beurteilt werden. Im zum Einsatz. Allerdings liegen hierzu schmerzschulen“, die in multimodalen Falle des Nichterreichens des er keine kontrollierten Studien vor, wes- Therapiezentren in Gruppen angeboten wünschten Effekts ist entweder die wegen auf die Relevanz von nicht- werden. Auch der Anschluss an eine Beendigung der Therapie oder der medikamentösen Therapieoptionen hin Migräne-Selbsthilfegruppe kann sich Wechsel zu einem anderen zur Prophy- zuweisen ist. bei schwer betroffenen Patienten als laxe geeigneten Medikament angezeigt. hilfreich erweisen. Allgemein für die Eindosierung der Invasiv Gemeinsames Ziel dieser Maßnahmen medikamentösen Migräneprophylaxe Eine allgemeine Empfehlung für die ist die Aufklärung über Möglichkeiten gilt der Grundsatz „start low, go slow“, Anwendung von invasiven Neurostimu- zur persönlichen Einflussnahme auf die da die verwendeten Substanzen in der lationsverfahren (bilaterale N.occipita- Häufigkeit und Schwere der Migräne Regel bereits in niedrigen Dosierungen lis major-Stimulation oder Elektroden- attacken, beispielsweise im Sinne von eine gute Wirksamkeit zeigen und implantation in das Ganglion spheno- Lebensstilmodifikationen (regelmäßige unerwünschte Nebenwirkungen meist palatinum) zur Migräneprophylaxe wird Nahrungsmittelaufnahme, Pausen im am Beginn der Behandlung auftreten [5]. in der aktuellen deutschen Leitlinie Tagesablauf, regelmäßiger und aus Die beste Evidenzlage hinsichtlich aufgrund von fehlender Langzeiterfah- reichender Schlaf) und Verfahren zu Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil rung und ungünstigem Wirkungs- Stressmanagement, beziehungsweise besteht für die Betablocker Propranolol Nebenwirkungsprofil nicht ausgespro- -reduktion. (40 bis 240 mg), Bisoprolol (5 bis 10 mg) chen. Diese Therapieoptionen sollten Es werden nachgehend medikamen- und Metoprolol (50 bis 200 mg), für den ausschließlich an spezialisierten Migrä- töse von nicht-medikamentösen und Kalziumantagonisten Flunarazin (5 bis nezentren im Rahmen von Studien und invasiven Maßnahmen zur Migräne- 10 mg) sowie für das trizyklische Antide- bei therapierefraktärer chronischer prophylaxe unterschieden. Im Anschluss pressivum Amitriptylin (50 bis 75 mg) [17]. Migräne Verwendung finden. behandelt der Artikel gesondert Ent- Auch das Antikonvulsivum Topiramat wicklungen und Empfehlungen hin- (25 bis 100 mg) besitzt eine gute Wirk- Wegen des geringen Risikos für Neben- sichtlich der neuartigen CGRP-(Rezep samkeit. Für Patienten mit chronischer wirkungen kann im Gegensatz dazu die tor-)Antikörper. Migräne besteht die Option einer Injek- Möglichkeit von nicht-invasiver Neuro- tionstherapie mit Botolinumtoxin A stimulation (zum Beispiel transdermale Medikamentös (155 I.E./195 I.E.). Die Injektionen wer- Stimulation des Nervus vagus oder des Wenn Migränepatienten unter häufi - den im Abstand von drei Monaten wie- Nervus supraorbitalis) in Betracht ge gen Migräneattacken (mindestens drei derholt und erfolgen in definierte Are- zogen werden, wenn medikamentöse Attacken pro Monat) oder besonders ale der Kopf-, Nacken- und Schulter- Optionen zur Migräneprophylaxe von lang andauernden Attacken (> 72 Stun- muskulatur. Falls die gewünschte Re Seiten der Patienten abgelehnt werden den), beziehungsweise lang anhalten- duktion der Kopfschmerzattacken nach oder kontraindiziert sind [5]. den und/oder belastenden Auraphäno- drei Behandlungszyklen nicht eingetre- menen leiden, sind die Indikationskrite- ten ist, soll die Injektionstherapie been- Nicht-medikamentös rien zur medikamentösen Migränepro- det werden [5]. Unabhängig von medikamentösen The- phylaxe erfüllt. Darüber hinaus sollte Bei der Entscheidung für ein geeigne- rapieverfahren sollten jedem Migräne- eine Prophylaxe auch bei besonderem tes Präparat helfen neben dem Grad patienten nicht-medikamentöse Maß- Leidensdruck oder subjektiv empfun- der wissenschaftlichen Evidenz die nahmen empfohlen werden. Darunter dener deutlicher Einschränkung der Berücksichtigung von Begleiterkran- zählen regelmäßige sportliche Aktivi- Lebensqualität sowie nicht ausreichen- kungen (beispielsweise sollte Amitrip- tät (zum Beispiel Ausdauersport wie dem Ansprechen auf Akuttherapie tylin bei Depression, Schlafstörungen Schwimmen oder Fahrradfahren an erwogen werden. oder chronischen neuropathischen drei Tagen pro Woche), Entspannungs- Der erfolgreiche Einsatz einer Migräne- Schmerzen Verwendung finden) und verfahren (insbesondere Muskelrelaxa- prophylaxe ist definiert als Reduktion Kontraindikationen (unter anderem AV- tion nach Jacobson) sowie begleitende der Anfallshäufigkeit um mindestens Block oder Asthma bronchiale als abso- psychologische Behandlung zum Stress 50 Prozent. Ob sich die medikamen- lute Kontraindikation für Betablocker). management und zur Schmerzbewälti- töse Prophylaxe im Einzelfall als effizi- Bei schwangeren Migränepatientinnen gung. Ärzteblatt Sachsen 9|2020 21
ORIGINALIE Zudem konnte in einigen Studien ein mente zur Migräneprophylaxe erfolglos Zur Frage eines Wechsels von einem Nutzen von Akupunktur in der Migrä- versucht hatten. Monoklonalen Antikörper gegen den neprophylaxe nachgewiesen werden [18]. Die Präparate sind zugelassen bei Pati- CGRP-Rezeptor auf einen Antikörper enten mit einer Migräne und mindes- gegen CGRP (und umgekehrt) gibt es CGRP-Rezeptor-AK oder CGRP-AK tens vier Migränetagen im Monat. erste Fallberichte, die über positive Als neue Substanzen zur Prophylaxe Möglich ist laut Gemeinsamem Bun- Effekte berichten, sodass dies im Ein- der Migräne stehen Monoklonale Anti- desausschuss (GBA) der Einsatz bei der zelfall versucht werden kann. körper gegen den Calcitonin Gene- episodischen Migräne, wenn fünf Sub- Die Kosten der neuen Therapien belau- Related Peptide (CGRP)-Rezeptor (Ere- stanzen aus den vier bekannten und fen sich für Erenumab (Aimovig 70/140 numab) oder gegen CGRP (Eptine- zugelassenen Gruppen/Substanzen mg) auf 495,73 Euro pro Stück und zumab, Fremanezumab, Galcanezu (Betablocker, Flunarizin, Topiramat, Val- Monat, für Fremanezumab (Ajovy 225 mab) zur Verfügung. Neben den Zulas- proinsäure und Amitriptylin) nicht wirk- mg) auf 495,73 Euro pro Stück und sungsstudien für den Einsatz bei der sam waren, nicht vertragen wurden Monat sowie für Galcanezumab (Emga- episodischen und chronischen Migräne oder Kontraindikationen für den Ein- lity 120 mg) mit zwei Stück Loading- liegen aktuell bereits umfangreiche satz vorlagen. In der Behandlung der Dose auf 980,42 Euro, danach auf die Real-World-Daten vor, die eine sehr gute chronischen Migräne muss zusätzlich Hälfte bei monatlicher Gabe von 120 mg. und schnelle Wirksamkeit und Verträg- noch Onabotulinumtoxin A versucht Eine erste Studie konnte zudem eine lichkeit dieser Substanzen zeigen. worden sein [6]. Wirksamkeit von Rimegepant in der Der Therapieeffekt kann nach vier bis Akutbehandlung bei Migräne-Patien- Hinsichtlich der prophylaktischen Be acht Wochen abgeschätzt werden. ten mit einer parallel durchgeführten handlung der episodischen und chroni- Als wirksam gilt eine Reduktion der prophylaktischen Behandlung mit einem schen Migräne sind die Substanzen in Attackenfrequenz um 50 Prozent im monoklonalen Antikörper gegen den den Studien Placebo überlegen. Die Vergleich zum Durchschnitt der drei CGRP-Rezeptor (Erenumab) zeigen [22]. Reduktion der Migränetage bei der epi- Vormonate oder Verbesserungen im sodischen Migräne liegt zwischen 2,9 MIDAS-Score (Ausgangswert > 20, Re Ausblick auf neue Substanzen bis 4,7 Tagen. Nach drei bis sechs duktion um 30 Prozent) oder im HIT-6 zur Migräneprophylaxe Monaten beträgt die 50-Prozent-Res- um mindestens fünf Punkte. Die The- Atogepant, ein CGRP-Rezeptor-Anata- ponderrate zwischen 30 und 62 Pro- rapie sollte mindestens drei Monate gonist, wurde zur prophylaktischen zent (Placebo 17 bis 38 Prozent) [6, 19]. erfolgen, nach sechs bis neun Monaten Behandlung der Migräne entwickelt. Bei der chronischen Migräne liegt die sollte dann eine Therapiepause erfol- Eine erste Phase IIb/III Studie konnte Reduktion der Migränetage zwischen gen, um die weitere Therapienotwen- eine signifikante Reduktion der monat- 4,3 und 6,6 Tagen pro Monat. Nach drei digkeit zu eruieren. Aktuell werden lichen Migränetage für verschiedene bis sechs Monaten beträgt die 50-Pro- Patienten seit mehr als fünf Jahren Dosen sowie die ein-oder zweimal täg- zent-Responderrate zwischen 27 und behandelt, ohne dass es zu einer liche Einnahme im Vergleich zu Placebo 57 Prozent (Placebo 15 bis 40 Prozent). Abnahme des Therapieffektes gekom- belegen. Im Gegensatz zu den in der Die Effekte der Wirksamkeit waren men ist [6, 16, 21]. Vorgeschichte untersuchten Gepanten bereits nach zwei bis vier Wochen zur Migräneprophylaxe zeigten sich hier nachweisbar. Zudem zeigte sich auch Kontraindikationen für den Einsatz der keine erhöhten Leberwerte [23]. eine signifikante Reduktion der Ein- Monoklonalen Antikörper gegen den nahme der Akutmedikation im Ver- CGRP-Rezeptor (Erenumab) oder gegen Zusammenfassung gleich zu Placebo [6, 20]. CGRP (Eptinezumab, Fremanezumab, Die Migräne ist eine der häufigsten Die Substanzen sind auch bei den Pati- Galcanezumab) sind Schwangerschaft neurologischen Erkrankungen, die für enten wirksam, bei denen parallel ein und Stillzeit sowie fehlende oder keine die betroffenen Patienten meist eine Kopfschmerz durch Übergebrauch von ausreichende Kontrazeption bei Frauen. starke Beeinträchtigung der Lebens- Schmerz- oder Migränemitteln vorliegt. Zudem sollten die Präparate bei Pati- qualität bedeutet. Durch etablierte Weiterhin konnten einige Studien zei- enten mit koronarer Herzerkrankung, Therapieverfahren kann in vielen Fällen gen, dass die Substanzen auch bei den ischämischem Insult, Subarachnoidal eine Linderung der Beschwerden erzielt Patienten einen Nutzen haben, die blutung oder peripherer arterieller Ver- werden. Eine entscheidende Rolle spie- bereits in der Vorgeschichte zwischen schlusskrankheit nicht zum Einsatz len dabei neben der Attacken- und zwei und vier der bekannten Medika- kommen [6]. Akuttherapie auch medikamentöse und 22 Ärzteblatt Sachsen 9|2020
ORIGINALIE nicht-medikamentöse präventive An episodischen und chronischen Migrä- sätze sowie Patientenedukation und neverläufen durch ein günstiges Wir- Triggermanagement, um Häufigkeit und kungs-Nebenwirkungsprofil auszeich- Schwere der Kopfschmerzattacken zu nen. Literatur bei den Autoren reduzieren und einem Medikamenten- Darüber hinaus darf auch im Laufe der übergebrauchskopfschmerz vorzubeugen. nächsten Jahre mit Neuzulassungen von Interessenkonflikte: keine Neben den etablierten Therapien steht Medikamenten gerechnet werden, die Korrespondierender Autor: mit den Antikörpern gegen CGRP(- sowohl für die Akuttherapie als auch Dr. med. Torsten Kraya, MSc Rezeptor) seit kurzem eine Reihe von für die dauerhafte Prophylaxe eine Klinik für Neurologie Klinikum St. Georg Leipzig gGmbH neuen Präparaten zur Verfügung, die deutliche Erweiterung des verfügbaren Delitzscher Straße 141, 04129 Leipzig sich vor allem bei therapierefraktären Behandlungsspektrums bedeuten. E-Mail: Torsten.Kraya@sanktgeorg.de Ärzteblatt Sachsen 9|2020 23
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