Murgenthal - natürlich vielfältig - Fragen und Antworten zu den Strompreisen 2023 - Gemeinde Murgenthal

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Murgenthal - natürlich vielfältig - Fragen und Antworten zu den Strompreisen 2023 - Gemeinde Murgenthal
Murgenthal - natürlich vielfältig

Fragen und Antworten zu den Strompreisen 2023
Auf das am 29. August 2022 verteilte Flugblatt und die am gleichen Tag publizierten Stromtarife 2023
sind über 50 Reaktionen von Stromkunden eingetroffen. Da ein hoher Diskussionsbedarf besteht, lädt
der Gemeinderat alle Interessierten zu einer Orientierungsversammlung ein auf

Donnerstag, 10. November 2022, 20.00 Uhr in den Gemeindesaal Riken

Es wurden sehr berechtigte Fragen gestellt, die in der Folge beantwortet werden sollen - soweit dies
dem Gemeinderat möglich ist.

Woher bezieht Murgenthal den Strom?
Die Gemeinde Murgenthal mit dem Eigenwirtschaftsbetrieb "Elektrizitätsversorgung Murgenthal
(EVM)" ist seit der Marktöffnung 2008 im freien Markt. Dies bedeutet, dass für die grundversorgten
Endkunden Strom am freien Markt beschafft werden muss. Kunden im freien Markt sind in der Eigen-
verantwortung.
Die EVM hat eine Mehrlieferantenstrategie, der günstigste Anbieter erhält den Zuschlag zur Liefe-
rung. Die Beschaffungsmengen werden auf einem Portal ausgeschrieben, dies mit den engen Zeit-
fenstern von fünf Minuten Angebotsdauer.
Das EW Wynau ist kein Lieferant der EVM, die Kraftwerke Wynau und Schwarzhäusern gehören der
BKW. BKW benötigt diese Energie in deren Grundversorgung oder stellt diese in den freien Markt.

Wer ist in der Grundversorgung, wer im freiem Markt?
Grundsätzlich sind alle Kunden an ihren Energieversorger (in Murgenthal: EVM) gebunden. Zum
Schutz der grundversorgten Kunden sind die Tarife streng reguliert.
Wer mehr als 100'000 kWh/Jahr verbraucht, kann in den freien Markt wechseln. Der Wechsel ist end-
gültig, d. h. die Rückkehr in die Grundversorgung ist nicht möglich.
Elektrizitätsversorger müssen die Energie, die sie nicht selber produzieren, im freien Markt beschaf-
fen.

Wie funktioniert der freie Markt?
Stark vereinfacht erklärt: Strom wird europaweit an einer Art Warenterminbörse gehandelt. Da Strom
immer im gleichen Zeitpunkt produziert wie verbraucht werden muss, kann nicht einfach eine be-
stimmte Menge Strom für einen bestimmten Zeitraum gekauft werden. Es muss ein Verbrauchsprofil
(viertelstundenweise) angemeldet werden.

Preisentwicklung
Dem Preis für das Profil der Gemeinde Murgenthal liegt die folgende Entwicklung des Preises für
Bandenergie zugrunde:

  A) 14.06.2022: Einkauf Tranche 1 - 3/4 Bedarf 2023
  B) 04.08.2022: Einkauf Tranche 2 - 1/4 Bedarf 2023
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In der Vergangenheit wurde im Stromgeschäft immer mit Rappen oder Bruchteilen davon gerechnet,
die Preiskurve verlief - jedenfalls im Rückblick - flach. Ab Januar 2022 zeigten sich deutliche Aus-
schläge nach oben. Anfänglich bestand die Hoffnung, dass die Preise wieder auf das gewohnte Ni-
veau, d. h. deutlich unter 10 Rp./kWh, sinken würden. Da dies nicht der Fall war, musste die EVM
eine erste Tranche (ca. 3/4 des Bedarfs) zu einem relativ hohen Preis einkaufen (Marke A). Die EVM
ist gesetzlich verpflichtet, die Preise für 2023 bis Ende August 2022 bekanntzugeben. Daher musste
die letzte Tranche (ca. 1/4 des Bedarfs) zu einem noch höheren Preis beschafft werden (Marke B).
Nach dieser Beschaffung stieg die Preiskurve nochmals markant an.

Welches sind die Gründe für den starken Preisanstieg?
Die Gründe für die Preisentwicklung werden in Politik und Medien kontrovers diskutiert. Wie bei je-
dem Handelsgut richtet sich der Strompreis nach Angebot und Nachfrage. Im Termingeschäft kommt
die Spekulation hinzu. Der Ukraine-Krieg und die daraus resultierende Energiekrise mit weniger Gas-
und Kohleimporten aus Russland, die Trockenheit und die vorübergehende Abschaltung etlicher
Atomkraftwerke in Frankreich verschärften die Preissituation an den Märkten.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Strombeschaffung?
In der Vergangenheit war eine kurzfristige Vertragszusage oft lukrativ. Der Strommarkt ist dem Akti-
enmarkt ähnlich: Man weiss erst im Nachgang, wann der richtige Zeitpunkt für den Kauf oder den
Verkauf gewesen wäre. Die Preisentwicklung im Sommer 2022 hat alle Marktteilnehmer überrascht.

Hat Murgenthal eine Beschaffungsstrategie?
In den vergangenen Jahren wurde entsprechend der Marktsituation für 1, 2 oder 3 Jahre Energie be-
schafft. Diese Strategie hat in der damaligen starren Preissituation (nicht über 10 Rp./kWh) zu günsti-
gen Strompreisen in Murgenthal geführt. Bereits für das Beschaffungsjahr 2021 zeichnete sich eine
Marktpreisentwicklung nach oben ab. Daher definierte der Gemeinderat im September 2020 den
"Strombeschaffungsprozess 2020+", welcher die Beschaffung in Tranchen im Rahmen einer Mehrjah-
resplanung (3 Jahre) vorsah. Diese Strategie wurde allerdings durch die Strompreisentwicklung über-
rollt, so dass der Beschaffungszeitraum im Mai 2022 auf 6 Jahre erhöht wurde. Somit kann die erste
Tranche des Strombedarfs 2028 schon im Jahr 2022 beschafft werden. So werden langfristige Preis-
schwankungen künftig ausgeglichen.

Welche Schwächen hat die Elektrizitätsversorgung Murgenthal?
Wegen des grossen Gemeindegebietes mit verhältnismässig dünner Besiedelung ist der Aufwand für
den Betrieb der Elektrizitätsversorgung im Verhältnis zum verkauften Strom hoch. Dies führt zu relativ
hohen Netznutzungspreisen. Die Netznutzungspreise ändern auf 2023 nicht und es besteht auch
keine Gefahr einer Preis-Explosion wie bei den Energiekosten.
Ein Mitarbeiter ist für die gesamte Elektrizitätsversorgung zuständig, umfassend die technischen, die
immer umfangreicher werdenden regulatorischen und die administrativen Aufgaben - mit Ausnahme
der Fakturierung und Rechnungsführung. Die Stellvertretung erfolgt heute durch Externe. Damit kon-
zentriert sich das gesamte Know-how bei einer Person, was ein "Klumpenrisiko" darstellt. Dies ist mit
ein Grund, weshalb die Gemeindeversammlung am 3. Juni 2022 eine zusätzliche 60 % Stelle für die
Elektrizitätsversorgung geschaffen hat.
Die zum Teil nebenberufliche Geschäftsführung muss bei der Energiebeschaffung kein Nachteil sein.
Zu den Gemeinden mit den tiefsten Energiebeschaffungskosten gehören einige sehr kleine Gemein-
den, welche kein eigenes Personal beschäftigen.

Wäre es nicht vorteilhafter, den Strom im Rahmen einer Einkaufsgemeinschaft zu beschaffen?
Bei der Strombeschaffung wirkt sich mehr Menge nicht auf den Preis aus. Das eigene Verbrauchspro-
fil von Murgenthal setzt den Preis am Markt fest.

Wie ist die Stellung der EV Murgenthal zu den Versorgern der Nachbargemeinden?
Jeder Energieversorger in den Nachbargemeinden ist für die Energiebeschaffung selbst verantwort-
lich. Entsprechend der Beschaffungsstrategie des Energieversorgers kann Strom kurz- oder langfris-
tig zum jeweils geltenden Marktpreis beschafft werden.

Ist die Eigenständigkeit der EV Murgenthal noch sinnvoll oder sollte sie sich einem grösseren
Energieversorger anschliessen?
Das ist in erster Linie ein politischer Entscheid, der nicht vom Strompreis eines einzelnen Jahres ab-
hängig gemacht werden sollte.
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Der Anschluss an einen grösseren Energieversorger könnte - je nach Konstellation - einen etwas tie-
feren Ansatz für die Netznutzung zur Folge haben, weil die hohen Unterhaltskosten des Murgenthaler
Netzes mit den eventuell geringeren Kosten des übernehmenden Werks vermischt würden. Bei den
Energiekosten sind alle Versorger dem gleichen Markt ausgesetzt. Grösse bedeutet nicht automa-
tisch geringere Einkaufspreise. Unter den im Jahr 2023 günstigsten Energieversorgern befinden sich
etliche kleine.
Vorteile der Eigenständigkeit der EV Murgenthal sind unter anderem Synergien mit der Wasserver-
sorgung, der Kanalisation und dem Strassenbau.

Warum ist Murgenthal nicht Mitglied des Verbandes Aargauischer Stromversorger (VAS)
Das hat historische Gründe. Dem VAS sind jene Stromversorger angeschlossen, die von der AEW
Energie AG beliefert werden resp. wurden. Vor der Marktöffnung wurden die Einkaufskonditionen je-
weils zwischen VAS und AEW für alle angeschlossenen Versorger ausgehandelt. Heute bietet der
VAS Dienstleistungen für die angeschlossenen Elektrizitätsversorgungsunternehmen an.
Die Gemeinde Murgenthal hat ihren Strom immer aus dem Kanton Bern bezogen (Onyx bzw. BKW).
Eine Mitgliedschaft im VAS hätte bis zur Marktöffnung keinen Sinn ergeben. Noch heute bezieht die
EVM die benötigten Dienstleistungen aus den im Kanton Bern aufgebauten Strukturen (Youtility AG,
früher Onyx/BKW, künftig IB Langenthal AG). Eine Mitgliedschaft beim VAS wird geprüft.

Betrifft die Preiserhöhung alle Tarife?
Ja. Der Energiepreis wird für alle Tarifgruppen entsprechend erhöht und ist auch so publiziert. Der
Netznutzungspreis wird für alle Tarifgruppen beibehalten, ist also identisch wie im Jahr 2022.

Können Grossverbraucher den für sie gültigen Tarif aushandeln?
Individuelle Strompreise sind in den Tarifen der Grundversorgung nicht zulässig.

Wurden Fehler gemacht? Warum gibt man diese nicht zu wie im Fall einer anderen Gemeinde
(Blick-Schlagzeile: "Wir haben einen Seich gemacht")?
Auch wenn das Ergebnis ungünstig ist, kann man nicht sagen, dass Fehler gemacht wurden.
Gegenüber der angesprochenen Gemeinde resp. Elektra-Genossenschaft ist die Situation in Mur-
genthal grundlegend anders. Jene hatte offenbar ein Angebot, das sie versehentlich nicht annahm.
Die Elektrizitätsversorgung Murgenthal hingegen ist ihrer Strategie gefolgt, die ihr in den vergangenen
Jahren zu teilweise sehr günstigen Einkäufen verholfen hat. Wegen der "Explosion" der Strompreise
ist diese Strategie für 2023 nicht aufgegangen. Rückblickend kann man sagen, dass zu lange an der
Strategie festgehalten wurde. Sie wurde daher angepasst.
Ein abrupter Wechsel der Strategie birgt jedoch die Gefahr, dass die Strompreise bei wieder sinken-
den Marktpreisen noch (zu) lange hoch bleiben.

Warum kann der Gemeinderat nicht einfach Fehler eingestehen und sich entschuldigen?
Der Gemeinderat bedauert, zu lange an der vormals erfolgreichen Strategie festgehalten und zu
lange mit dem Energieeinkauf für 2023 zugewartet zu haben.

Wer ist für die Strombeschaffung verantwortlich? Wie sieht das Organigramm der Elektrizitäts-
versorgung aus? Werden die Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen?
Das Organigramm der Gemeinde ist auf der Internetseite publiziert.
Die Strombeschaffungsstrategie wird vom Gesamt-Gemeinderat beschlossen und verantwortet. Die
einzelnen Einkäufe sind zwangsläufig delegiert (Gültigkeit einer Offerte von nur 5 Minuten). Die Ein-
käufe erfolgen jedoch im Rahmen der Beschaffungsstrategie resp. in ausserordentlichen Situationen
wie jener dieses Jahres nach Rücksprache mit dem Gemeinderat.
Die Vorschläge für die Beschaffung kommen in der Praxis vom Leiter Elektrizitätsversorgung. Sie
werden mit dem gemeinderätlichen Ressortchef abgesprochen und vom Gesamt-Gemeinderat ge-
nehmigt. Die erwähnte Beschaffungsstrategie 2020+ wurde vom Leiter Elektrizitätsversorgung ange-
regt, jedoch nach Genehmigung durch den Gemeinderat nicht sofort umgesetzt. Grund dafür war der
Personalwechsel und die damit verbundene Vakanz. Die Herausforderung bestand in erster Linie da-
rin, das Know-how zu übertragen. Die Strombeschaffung hatte zweite Priorität, was im Rückblick
falsch war, jedoch in der damaligen Situation mit stabilen Strompreisen verantwortbar erschien. Auf-
grund dieser Erfahrung wird der Gemeinderat das Rapportwesen verbessern.
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Welches sind die Entschädigungen für die Aufgaben der Funktionäre der EV Murgenthal (Ab-
schlüsse, Saläre)?
Alle Funktionäre der Elektrizitätsversorgung haben einen festen Lohn oder eine feste Jahresentschä-
digung. Die Entschädigungen sind unabhängig von Vertragsabschlüssen und unabhängig vom Erfolg
der Elektrizitätsversorgung. Auch der Abschluss sehr vorteilhafter Verträge führt nicht zur Auszahlung
von Boni, Prämien oder dergleichen.

Wurden für die Festlegung der Tarife 2023 mehrere Lieferanten angefragt? Welche?
Weil der Stromhandel ein Börsengeschäft ist, hängt der Preis vom Zeitpunkt der Beschaffung ab und
nicht vom Lieferanten. Die Ausschreibung des Strombedarfs erfolgt auf einer Internet-Plattform. Es
können beliebige Stromproduzenten offerieren, keiner ist jedoch dazu verpflichtet. Das günstigste An-
gebot erhält den Zuschlag. Erfahrungsgemäss sind die Preisdifferenzen minimal. In der Phase hekti-
scher Preisausschläge muss man damit rechnen, dass nur ein Angebot eingeht - oder gar keines.

Können die Strombeschaffungsverträge eingesehen werden?
Die Verträge enthalten standardmässig eine Vertraulichkeitsklausel, welche von der Gemeinde nicht
wegbedungen werden kann. Die Verträge enthalten im Wesentlichen die technischen Daten der Ener-
gielieferung und den Preis pro MWh.

War der Stromeinkauf jahrelang ein gutes Geschäft, von dem profitiert wurde, und nun hat
man sich verspekuliert?
Die Elektrizitätsversorgung Murgenthal hat in den vergangenen Jahren Strom sehr günstig eingekauft
und auch so weitergegeben. Mit dem Stromhandel macht sie keinen Gewinn. Im Bereich der Grund-
versorgung sind die Tarife stark reguliert. Insofern wäre es auch nicht möglich gewesen, durch hö-
here Strompreise Reserven für schlechtere Zeiten anzulegen. Zudem sind die Strompreise derart
stark gestiegen, dass solche Reserven irrelevant wären, d. h. "ein Tropfen auf den heissen Stein".

Könnte nicht der Gewinn früherer Jahre für die Senkung des Strompreises eingesetzt werden?
Die Elcom (Eidgenössische Elektrizitätskommission) lässt nicht zu, dass über Jahre Kapital angehäuft
wird. Die Grundversorgung ist reguliert und erlaubt nur, die vorgegebene Marge von Fr. 75.00 pro
Rechnungsempfänger einzufordern (ab 1.1.2024: Fr. 60.00).
Gemäss publizierter Rechnung verfügte die Elektrizitätsversorgung Ende 2021 über ein Nettovermö-
gen von 1,65 Mio. Fr. Dieses betrifft zu ca. 73 % den Bereich Netznutzung. Der Bund schreibt vor,
dass die Bereiche Netznutzung und Energiehandel strikte zu trennen sind. Das erwähnte Nettovermö-
gen wird für den Ausbau der Netz-Infrastruktur eingesetzt, der für die Umsetzung der Energiestrategie
2050 des Bundes und wegen der Bedürfnisse der Kunden dringend erforderlich ist. So ist davon aus-
zugehen, dass u. a. wegen der höheren Strompreise künftig vermehrt das Bedürfnis besteht, Photo-
voltaikanlagen ans Netz anzuschliessen, was einen entsprechenden Ausbau bedingt. Der Finanzplan,
welcher mit dem Budget 2023 publiziert wird, zeigt, dass die Elektrizitätsversorgung für den Netz-Aus-
bau in den nächsten Jahren nicht nur ihr ganzes Vermögen aufbrauchen wird, sondern sich mit bis zu
3 Mio. Fr. verschulden muss, d. h. bis annähernd an die Verschuldungsgrenze.

Könnte die Gemeindeversammlung tiefere Strompreise beschliessen?
Die Strompreise der Grundversorgung sind von der Eidg. Elektrizitätskommission streng reguliert. Die
Gemeindeversammlung ist für den Strompreis nicht zuständig. Somit kann sie keine Beschlüsse dazu
fassen.

Gibt es ein Rechtsmittel gegen den Stromtarif?
Gegen die Netznutzungsabgaben sowie gegen die Energietarife in der Grundversorgung kann bei der
Eidg. Elektrizitätskommission Elcom eine Klage eingereicht werden. Das Kontaktformular ist im Inter-
net zu finden unter https://www.elcom.admin.ch/elcom/de/home/themen/strompreise.html.
Gegen die europäischen Marktpreise ist allerdings selbst die Elcom machtlos.

Warum sind die Strompreise bereits für 2022 um fast 30 % angestiegen?
Die Energiepreise wurden im Jahr 2022 um 1,6 Rp./kWh erhöht, gleichzeitig wurde der Netznutzungs-
preis jedoch um 1,6 Rp./kWh gesenkt. Der Gesamtpreis blieb somit für Kunden der Grundversorgung
unverändert.
Die Erhöhung der Energiepreise erfolgte, weil die zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossenen lang-
jährigen Beschaffungsverträge, welche den Einkauf teilweise unter den Gestehungskosten der Elekt-
rizitätswerke erlaubten, ausgelaufen sind.
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Der Grund, weshalb die Elektrizitätswerke Strom unter ihren Gestehungskosten verkauften, war das
damals bestehende Überangebot an Strom auf dem europäischen Markt.

Stimmt die Prozentrechnung im Flyer der Elektrizitätsversorgung?
Die Prozentrechnung stimmt. Die ausgewiesene Preiserhöhung bezieht sich auf die Gesamtrechnung
eines Jahres, d. h. den (stark gestiegenen) Preis für die Energie, den (unveränderten) Preis für die
Netznutzung, die (ebenfalls gestiegenen) Abgaben an den Bund und den (unveränderten) Grundpreis
pro Anschluss.

Gilt der erhöhte Tarif auch im Jahr 2024 und später?
Die Energie wird pro Kalenderjahr beschafft. Der publizierte Tarif gilt lediglich für das Jahr 2023. Der
Tarif für das Jahr 2024 und die folgenden Jahre hängt davon ab, zu welchen Konditionen die Energie
eingekauft werden kann.

Hätten sich die Preisaufschläge bei vollständiger Marktöffnung vermeiden lassen?
Die oben dargestellte Preisentwicklung wäre auch eingetreten, wenn die Schweiz ihren Strommarkt
vollständig geöffnet hätte. Die Strompreisbildung findet auf europäischer Ebene statt; Regulierungen
in der Schweiz haben darauf kaum Einfluss.
Für den einzelnen Strombezüger kann die Strommarktöffnung (d. h. die freie Wahl des Stromlieferan-
ten) mit Vor- oder Nachteilen verbunden sein. Marktteilnehmer - wozu bei einer künftigen vollständi-
gen Strommarktöffnung auch die Haushalte gehören werden - haben die Möglichkeit, ihren Strom-
preis durch Termingeschäfte abzusichern, wie das beispielsweise beim Heizöl der Fall ist. Vorausset-
zung für einen ausgeglichenen Strompreis ist allerdings, dass von dieser Möglichkeit dann tatsächlich
Gebrauch gemacht wird.
Ein Termingeschäft ist immer ein Nullsummenspiel: Ein Vertragspartner gewinnt, der andere verliert.
Der Endverbraucher läuft somit Gefahr, dass er einen zu hohen Strompreis absichert und später
günstiger Strom erwerben könnte.

Wird dafür gesorgt, dass die Kunden Strom, den die Gemeinde günstig für das Jahr 2022 ein-
gekauft hat, nicht teuer zum Tarif des Jahres 2023 kaufen müssen?
Ja. Die Zähler werden erst ab 3. Januar 2023 abgelesen.

Es fehlt das Verständnis für Spekulationen und Spielereien mit dem Preis.
Die Gemeinde Murgenthal hatte keinen Einfluss auf politische Entscheide, die auf Bundesebene oder
auf europäischer Ebene gefällt wurden.

Wie hoch sind die Zusatzkosten für Privathaushalte und Firmen insgesamt? In Steuerprozen-
ten?
Die Zusatzkosten müssen aufgrund des geltenden und auf der Internetseite der Gemeinde publizier-
ten Tarifblatts individuell berechnet werden. Das Gesamttotal kann dem Budget 2023 entnommen
werden, welches ebenfalls auf der Internetseite publiziert wird. Fragen werden von der Finanzverwal-
tung gerne beantwortet.
Eine Umrechnung der Zusatzkosten in Steuerprozente ist nicht sinnvoll, weil die Elektrizitätsversor-
gung ein Eigenwirtschaftsbetrieb ist. Sie darf weder Einschüsse aus Steuergeldern erhalten noch Ge-
winnanteile an die Gemeinde auszahlen. Auch ist nicht damit zu rechnen, dass die Attraktivität der
Gemeinde als Wohn- oder Gewerbestandort wegen des einmalig hohen Strompreises sinkt. Wohl ge-
hört Murgenthal 2023 zu den Gemeinden mit dem höchsten Strompreis, das kann aber schon 2024
wieder ändern.

Welche Erklärungen gibt es dafür, dass die Gemeinde Murgenthal jahrelang im guten Mittelfeld
liegt und 2023 so einen Ausreisser aufweist?
Die Strombeschaffungsverträge der früheren Jahre sind ausgelaufen. Der Strom für 2023 musste zu
Marktbedingungen beschafft werden (siehe oben). Andere Gemeinden hatten andere Strategien, wel-
che in der Vergangenheit tendenziell zu höheren Strompreisen führten.
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Hat die Investitionstätigkeit der Gemeinde (z. B. Strassenbauten, Videoüberwachungen) Ein-
fluss auf die Strompreise?
Nein. Die Elektrizitätsversorgung ist ein Eigenwirtschaftsbetrieb. Investitionen der Gemeinde (z. B. in
Strassen und Gebäude) haben keinen Einfluss auf die Stromtarife. Investitionen der Elektrizitätsver-
sorgung können sich auf den Tarif für die Netznutzung (der im nächsten Jahr unverändert bleibt) aus-
wirken.

Wird Murgenthal auch 2024 die höchsten Strompreise der ganzen Region haben?
Das hängt davon ab, zu welchen Konditionen Strom für 2024 beschafft werden kann und zu welchen
Konditionen die benachbarten Versorger ihren Bedarf decken können.

Was unternimmt die Gemeinde im Hinblick auf die erwartete Strommangellage?
Verantwortlich für den Verbrauch im eigenen Haushalt oder Gewerbebetrieb ist jeder Endverbraucher
selbst. Die Gemeinde fordert die Kunden auf, wo immer möglich Strom einzusparen. Jede nicht ver-
brauchte Kilowattstunde ist eine eingesparte Kilowattstunde. Die EVM hat acht betroffene Geschäfts-
kunden im Auftrag der Ostral (Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen) am 8.
Dezember 2021 mit einem Schreiben über eine mögliche Strommangellage informiert.

Kann ich eine eigene Produktionsanlage errichten?
Will ein Gebäudeeigentümer selbst eine Produktionsanlage errichten, muss dies in jedem einzelnen
Fall geprüft werden. Die Vergütung der Rücklieferung in das Netz der EVM richtet sich an den Be-
schaffungskosten der EVM aus. Auf der Rücklieferung dürfen keine Netznutzung, Abgaben und
Grundpreise erhoben werden. Solaranlagen sind eine Option für Gebäudeeigentümer mit nutzbaren
Flächen.

Mit welcher Vergütung für Strom aus einer neuen Photovoltaikanlage kann gerechnet werden?
Die EVM vergütet Rücklieferungen mit 95 % ihrer Beschaffungskosten. Das entspricht 2023 33,5
Rp./kWh. Wenn die Beschaffungskosten künftig tiefer sind, sinkt auch die Rückvergütung entspre-
chend. Der Ansatz von 95 % der Beschaffungskosten kann nicht langfristig zugesichert werden.

Sollte das Beleuchten von "Adventsfenstern" nicht verboten werden?
Der Gemeinderat ist nicht befugt, Verbote für bestimmte Anwendungen zu erlassen. Allerdings ist der
Stromverbrauch für die Beleuchtung im Allgemeinen und für die Adventsfenster im Speziellen ver-
gleichsweise gering. Viel Strom wird immer dann verbraucht, wenn geheizt oder gekühlt wird.

Kann man die Mehrkosten bei den Steuern abziehen?
Im Allgemeinen nicht. Für gewerbliche Zwecke verwendeter Strom ist Teil des Geschäftsaufwandes.
Können die Mehrkosten nicht an die Kunden weitergegeben werden, sinkt der Gewinn und damit die
Steuerlast.

Können die Netznutzungskosten für umweltfreundliche Anlagen wie Wärmepumpen einmalig
erlassen werden?
Nein, das wäre nicht zulässig. Die Stromtarife müssen unabhängig von der Verwendung der Energie
für alle Benutzer einer Verbrauchergruppe (z. B. Privathaushalte) gleich sein.

Gibt es einen Plan, wie die Bevölkerung (z. B. EL-Bezüger) unterstützt werden kann?
Wer die Stromrechnung nicht bezahlen kann, soll sich mit der Finanzverwaltung in Verbindung set-
zen. Im Vordergrund stehen Ratenzahlungs-Vereinbarungen. Es wird niemand wegen der Stromrech-
nung Hunger leiden müssen. Bitte melden Sie sich aber frühzeitig!

Könnte die Strompreis-Erhöhung durch eine temporäre Steuerfuss-Reduktion kompensiert
werden?
Das wäre zulässig. Der budgetierte Aufwandüberschuss lässt eine Steuerfuss-Senkung allerdings
nicht als opportun erscheinen. Zudem entlasten Steuersenkungen vor allem jene Personen, die Steu-
ern bezahlen (also den Mittelstand). Wegen des Strompreises wirklich in Schwierigkeiten geraten
dürften aber jene Personen, die fast keine Steuern bezahlen - da hilft eine Steuersenkung nicht.

Unternimmt der Gemeinderat rechtliche oder politische Schritte, um der Strompreissteigerung
Einhalt zu gebieten?
Nein, es würde keinerlei Aussicht auf Erfolg bestehen.
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Welche Massnahmen plant der Gemeinderat auf politischer Ebene, um dem Prinzip der Gleich-
behandlung aller Aargauerinnen und Aargauer im Bereich Grundversorgung 2023 auch für
Murgenthaler Bürger zum Durchbruch zu verhelfen?
Eine Gleichbehandlung aller Aargauerinnen und Aargauer im Bereich der Grundversorgung gibt es
nicht. Die Gleichbehandlung gilt immer nur im Einzugsgebiet eines Energieversorgers.

Kann die EVM Unterstützung anfordern, um den für Gewerbe, Handel, Landwirtschaft und Ein-
wohner schädlichen hohen Strompreis 2023 noch abzuwenden?
Davon ist im heutigen Zeitpunkt nicht auszugehen.

Warum wurde mit dem Flugblatt vom 29. August 2022 nicht detaillierter informiert?
Die meisten Kunden der Elektrizitätsversorgung dürften die Details wenig interessieren. Entscheidend
für sie ist, dass der Strompreis auf das 2,5-fache steigt. Dies stellt für etliche Betriebe und Haushal-
tungen eine Herausforderung dar. Wenn schon nicht die Möglichkeit bestand, dies abzuwenden,
sollte doch in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden.
Jenen Personen, die sich genauer für die Ursachen dieser unglücklichen Entwicklung interessieren
und sich daher an die Gemeinde gewendet haben, darf ein umfangreicheres Informationsblatt wie das
vorliegende zugemutet werden. Selbstverständlich ist dieses auf der Internetseite www.murgenthal.ch
für alle Interessierten einsehbar.

Wird etwas schöngeredet oder schöngerechnet?
Dazu besteht keinerlei Anlass. Das Resultat ist schlecht, da gibt es nichts schönzureden oder schön-
zurechnen. Das einzige, was man in dieser Situation tun kann, ist offen zu informieren und zu versu-
chen, es beim nächsten Mal besser zu machen.

Wird den Bürgern von Murgenthal etwas verschwiegen?
Nein, im Gegenteil. Es wurde von Anfang an offen kommuniziert. Im Flugblatt, das an alle Haushal-
tungen verteilt wurde, konnte nicht auf alle Details eingegangen werden. Zum Zeitpunkt des Drucks
des Flugblattes waren noch nicht alle Fakten bekannt (z. B. die Tarife anderer Werke).

Der Gemeinderat dankt den Kunden der Elektrizitätsversorgung und der Bevölkerung für das Inte-
resse, das sie dem Strompreis im Speziellen und der Elektrizitätsversorgung im Allgemeinen entge-
genbringen. Weitere Fragen werden an der Orientierungsversammlung vom 10. November 2022
gerne beantwortet. Individuelle Anfragen können jederzeit an den Gemeinderat, an die Elektrizitäts-
versorgung oder an die Finanzverwaltung gerichtet werden.

Zum Schluss bleibt anzumerken, dass zwei E-Mails eingegangen sind, welche die offensive Kommu-
nikation des Gemeinderates ausdrücklich gelobt haben - auch diese seien hier verdankt.

19. September 2022
Gemeinderat Murgenthal
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