"Musik und Staat Grenzen künstlerischer Autonomie und staatlicher Einflussnahme" - SSC Rechtswissenschaften

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Exposé des Dissertationsvorhabens mit dem Arbeitstitel

                           „Musik und Staat
                Grenzen künstlerischer Autonomie und
                     staatlicher Einflussnahme“

                                          Verfasser:

                                    Mag. Felix Rüker

                          Angestrebter akademischer Grad:

                     Doktor der Rechtswissenschaften (Dr. iur.)

                                          Betreuer:

                              Univ.-Prof. Dr. Franz Merli

Studienkennzahl: A 783 101
Dissertationsfach: Rechtswissenschaften
Matrikelnummer: 00906778

Wien, April 2019
I.   Einleitung
   II.   Problemaufriss
 III.    Forschungsstand
  IV.    Forschungsziel
   V.    Gang der Untersuchung
  VI.    Forschungsfragen
 VII.    Methoden
VIII.    Vorläufige Gliederung
 IX.     Zeitplan
   X.    Literaturauswahl
                                                                                    „Es ist keine Summe zu hoch
                                                                um einen bedeutenden Künstler zu honorieren […]
                                                                                               Der Staat jammert
                                                                            Aber was ist der Staat ohne die Kunst
                                                                                             ohne die hohe Kunst
                                                                          Dreck ganz einfach Dreck sonst nichts“

                                                                            -    Thomas Bernhard, Die Berühmten1

   I.    Einleitung
     Über das Verhältnis zwischen Staat und Kunst ist bereits viel geschrieben worden, nicht nur in den Rechts-,2
     aber auch den Politik-,3 Kunst-,4 Sozial-5 und Wirtschaftswissenschaften.6 Abseits dieser wissenschaftli-
     chen Disziplinen eignet sich das prosaische Schaffen Thomas Bernhards wie wohl kein weiteres der ös-
     terreichischen Literaturlandschaft zur exemplarischen Darstellung der vielfach als problembehaftet cha-
     rakterisierten Beziehung jener Phänomene zueinander.7 Die Ursachen für diese Spannungen erscheinen
     einleuchtend, betrachtet man nur die Verschiedenheit der Bedeutung, des Zwecks sowie des Selbstver-
     ständnisses von Kunst und Staat. Während der westliche Verfassungsstaat auf das Gemeinwohl als obers-
     ten Staatszweck zurückgeführt werden kann,8 dessen Maxime mit Begriffen wie Offenheit und Durchläs-

     1
       Bernhard, Stücke 2 (Suhrkamp 1988) 170.
     2
       An dieser Stelle vorerst statt aller Korinek, Staat und Kunst (2006); für Deutschland Klein, Kulturstaat und Ver-
     fassungsrecht, in: FS Steiner (2009) 458 (472).
     3
       ZB Haselbach ua (Hg), Der Kulturinfarkt: Von Allem zu viel und überall das Gleiche (2012); Wimmer, Kultur
     und Demokratie, Eine systematische Darstellung von Kulturpolitik in Österreich (2011); Zembylas, „Good Gover-
     nance“ und die österreichische Kulturförderungsverwaltung, ÖZP 2006, 255; ders (Hg), Kunst und Politik (2000).
     4
       ZB Fritz-Hilscher (Hg), Im Dienste einer Staatsidee (2013); Prieberg, Musik und Macht (1991); Wagner, Kultur
     und Politik, Politik und Kunst (1991).
     5
       ZB Adorno, Kultur und Verwaltung, in: Tiedemann (Hg), Gesammelte Schriften Bd. 8, Soziologische Schriften
     I (1972) 122; Hauser, Soziologie der Kunst (1974); Schulze, Die Erlebnisgesellschaft (2005) 495 ff.
     6
       ZB Andreae, Wirtschaft und Kunst im Wohlfahrtsstaat, in: Aubele (Hg), Wirtschaft und Gesellschaft (1994) 413;
     grundlegend Baumol/Bowen, Performing Arts – The Economic Dilemma (1966) 369 ff; sowie Pommerehne/Frey,
     Musen und Märkte, Ansätze einer Ökonomie der Kunst (1993). Spezifisch zur Kulturförderung s die Beiträge in:
     FS Prior, Kulturförderung in den Alpenländern (1992).
     7
       Vgl Pfabigan, Staatskünstler und Staatskunst. Thomas Bernhards Spiel mit der Subversion, in: Tabah/Mitterma-
     yer (Hg), Thomas Bernhard. Persiflage und Subversion (2013) 135.
     8
       Vgl Isensee, Gemeinwohl und öffentliches Amt (2014); Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen
     (1997) 198 ff; für Ö statt vieler Gamper, Staat und Verfassung (2018) 155 ff, wohlgemerkt eher aus staatsphilo-
     sophischer als rechtsdogmatischer Perspektive beurteilend; vgl ebenda 23. Vergleichsweise nüchtern dagegen
     Schambeck, Die Staatszwecke der Republik Österreich, in: Klecatsky (Hg), Die Republik Österreich (1968) 245,
     der unter den Zwecken des Staates jene versteht, „welche durch staatliche Normen als die zu verfolgenden Ziele
     des Staates angegeben werden“. Von „Staatszielen“ bzw „Verfassungsaufträgen“ spricht die (österreichische)
     Rechtsdogmatik dagegen, wenn die Verfassung Staatsorgane dazu verpflichtet, bestimmte Gemeinwohlaufgaben
     jedenfalls zu besorgen bzw bei deren Erfüllung einzuhaltende Grundsätze und Zielrichtungen festlegt; vgl statt
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sigkeit (Demokratie), Vorhersehbarkeit und Überprüfbarkeit seiner Entscheidungen (Rechtsstaat), Ausge-
glichenheit und gegenseitige Kontrollierbarkeit seiner Akteurinnen (Gewaltenteilung) sowie Menschen-
würde9 (Grundrechte) umschrieben werden kann, folgt die Kunst dazu teils diametral entgegengesetzten
Kriterien. Als Instrument der Kommunikation10 agitiert, e- sowie provoziert sie, stellt Fragen an ihre Re-
zipientinnen und übt Gesellschaftskritik,11 mitunter genügt sie aber auch sich selbst.12 Teilweise entsteht
Kunst in spontaner und unvorhersehbarer Weise (Improvisation, Aktionskunst),13 oft entfaltet sie selektive
gesellschaftliche Wirkungen.14 Wenn Thomas Bernhard überspitzt formuliert,15 dass der Staat „ohne die
hohe Kunst Dreck“ sei, so vertritt er das Phänomen Kunst jedenfalls im Sinne einiger der genannten Kri-
terien.16

Worin liegen sie nun, jene Berührungspunkte der beiden Bereiche, die zugleich deren zwiespältiges Ver-
hältnis begründen? Anders gefragt: Wie verhalten sich Staat und Kunst zueinander? Die Rolle des Staates
gegenüber der Kunst ist eine aktive. Er garantiert ihre Freiheit (Art 17a StGG) und gewährleistet deren
Voraussetzungen insofern, als er die sozialen Rahmenbedingungen sichert, welche als Grundlage des Frei-
heitsraums der Bürgerinnen dienen.17 Letzteres geschieht auf vielfache Weise, etwa indem der Staat Kunst
fördert18 oder er die organisatorischen Voraussetzungen für ihre Präsentation schafft (zB durch die Erhal-
tung öffentlicher Kulturbetriebe wie (Musik-)Theater, Orchester oder Museen).19 Aber auch über diese

vieler Berka, Verfassungsrecht (2018) 61 (Rz 203); zum Begriff des Gemeinwohls auch ebenda 47 (Rz 152) und
68 (Rz 221).
9
  S für Österreich Berka, Die Grundrechte (1999) Rz 378 f; ders Verfassungsrecht 36 (Rz 115) und 59 (Rz 198);
zur inhaltlichen Offenheit und der damit einhergehenden beschränkten Aussagekraft des Begriffs der Menschen-
würde Wiederin, Deutschland über alles: Das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, ÖJZ 2010, 398
(402).
10
   In diesem Sinn umfasst nach ständiger Rsp des EGMR die in Art 10 EMRK garantierte Meinungsfreiheit auch
die Freiheit künstlerischer Meinungs- und Tatsachenäußerungen. Auch der VfGH stützte sich vor der Einführung
des Art 17a StGG 1982 in seiner Rsp auf Art 13 StGG; dazu zB Holoubek, Kunst und Art 10 EMRK, MR 1989,
42; Kröll, § 13 Kulturelle Rechte, in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer (Hg), Handbuch der Grundrechte Bd
VII/1 (2014) 483 (508, Rz 47).
11
   Hauser, Soziologie 232 f, 330 ff: Freilich existiert auch solche Kunst, die bestehende Verhältnisse festigt oder
im Aufbau Begriffenes fördert, Gegensätze einebnet und beruhigend wirkt.
12
   Vgl Hauser, Soziologie 335 ff, der die l’art pour l’art-Theorie skizziert als die Betrachtung des Kunstwerks „als
eigenständiges, in sich geschlossenes und vollendetes Formgefüge […], dessen sämtliche Momente auf Grund
ihrer inneren Zusammengehörigkeit erklärbar sind“, aaO 337.
13
   Hauser, Soziologie 19 ff.
14
   Vgl zur „Hochkulturszene“ Schulze, Erlebnisgesellschaft (FN 5) 477.
15
   Dazu der Autor selbst Bernhard, Stücke 2 (FN 1) 134: „Die Schriftsteller […] sind Übertreibungsspezialisten“.
16
   Ob auch der umgedrehte Fall zutrifft, die Kunst also ohne (Förderung durch) den Staat „Dreck ist“, darüber
scheiden sich freilich die Geister. Diese oft in Kunstkreisen vertretene Ansicht teilt Bernhard jedenfalls nicht, vgl
Fleischmann (Hg), Thomas Bernhard - Eine Begegnung (1991) 195 ff: „Keine Förderung künstlerischer Belange!
Es muß sich alles selber erhalten. Auch große Institutionen gehören nicht subventioniert.“; zu Bernhards Ansicht
vom österreichischen Kunstförderungssystem als „Kunstverhinderungssystem“ auch Pfabigan in: Tabah/Mitter-
mayer (FN 7) 141. Zu den Gegensätzen von Kunst und Verfassung s auch Robbers, Musik und Verfassung, in:
Becker (Hg), Interdependenzen zwischen Verfassung und Kultur, Der Staat 15 (2003), 197 (217).
17
   Wenngleich diese leistungsrechtliche Dimension der Kunstfreiheit verfassungsrechtlich freilich unberücksich-
tigt blieb; vgl Holoubek/Neisser, Die Freiheit der Kunst, in: Machacek/Pahr/Stadler (Hg), Grund- und Menschen-
rechte in Österreich Bd. 2 (1992) 195 (238 ff), die ua die parlamentarische Diskussion um eine verfassungsrecht-
liche Förderungsbestimmung im Zuge der Einführung des Art 17a StGG nachzeichnen; s auch Korinek/Potz/Bam-
mer/Wieshaider, Kulturrecht im Überblick (2004) 45.
18
   Begriff der „Förderung“ hier im weiteren Sinn (neben Geld- und Sachzuwendungen daher auch zB die Vergabe
von Preisen), vgl insb das Kunstförderungsgesetz BGBl 1988/146 idF BGBl I 2015/91 des Bundes (KunstFG); zur
Förderung durch die Länder vgl Cede, Kulturförderung, in: Pürgy (Hg), Das Recht der Länder II/1 (2012) 887 ff;
aus der Literatur statt aller Holoubek/Neisser in: Machacek/Pahr/Stadler (FN 17) 238 ff.
19
   ZB durch die jährliche Entrichtung der sog Basisabgeltung nach § 7 Abs 2 Bundestheaterorganisationsgesetz
(BThOG) BGBl I 1998/108 idF BGBl I 2015/100, an die nach § 3 Abs 1 leg cit eingerichteten Gesellschaften.
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beiden wichtigsten Bereiche staatlicher Kunstpflege20 hinaus gestaltet der Staat die Bedingungen künstle-
rischer Prozesse in wesentlicher Weise. So trägt er für die Ausbildung von Künstlerinnen21 und die Bildung
in ihren Disziplinen22 Sorge, bestimmt den Umfang der Zuerkennung von Schutz für Werke der Literatur
und der Kunst23 und erlässt gesetzliche Sonderbestimmungen in Arbeits-24 und Sozial-25, Gewerbe-26, Ver-
anstaltungs-27 sowie Steuerrecht.28 Umgekehrt erscheint Kunst dem Staat gegenüber (ua) in einer dienen-
den Rolle:29 so wirkt sie identitätsstiftend30 und trägt zur Repräsentation sowie Legitimation staatlicher

20
   So Korinek, Staat (FN 2) 49; zu dem der deutschen Diskussion entstammenden Begriff der „Kunstpflege“ s
Pabel, Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst (2003) 23. Im weiteren Sinn der „Kulturpflege“
Grimm, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen, in: VVDStRL 42 (1984), 46; Steiner, Kulturauftrag im staat-
lichen Gemeinwesen, in: VVDStRL 42 (1984), 7 (9). Auf den tautologischen Charakter des Begriffs hinweisend
Oppermann, Kulturverwaltungsrecht (1969) 13 (bei FN 25).
21
   ZB im Rahmen der Kunstuniversitäten (§ 6 Abs 1 Z 16-21 Universitätsgesetz 2002 BGBl I 2002/120 idF BGBl
I 2019/3), der Privatuniversitäten (Privatuniversitätengesetz – PUG BGBl I 2011/74 idF BGBl I 2018/31 iVm
Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz BGBl I 2011/74 idF BGBl I 2018/31; derzeit Anton Bruckner Privatuniver-
sität sowie die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien), oder zahlreichen von Ländern, Gemeinden,
Kirchen und Privatpersonen eingerichteten Konservatorien, der Musikschulen der Länder und Gemeinden; vgl
Korinek ua, Kulturrecht (FN 17) 142.
22
   Etwa durch die Berücksichtigung künstlerischer Fächer in Lehrplänen (zB § 39 Abs 1 Schulorganisationsgesetz
BGBl 1962/242 idF BGBl I 2018/101) oder die Einrichtung spezifischer Musikhauptschulen und -gymnasien (§§
19 bzw 37 Abs 1 Z 3 SchOG).
23
   § 1 Abs 2 Urheberrechtsgesetz BGBl 1936/111 idF BGBl I 2018/105; zum Zusammenhang von Urheberrecht
und Kunstförderung s Holoubek/Neisser in: Machacek/Pahr/Stadler (FN 17) 241 ff; für Dt s Ridder, Freiheit der
Kunst nach dem Grundgesetz (1963), für den das Urheberrecht „ein Kernstück einer grundrechtlichen Freiheit der
Kunst unter einer freiheitlichen Verfassung sein“ müsse. Aufgrund der Harmonisierung nationaler Urheberrechts-
ordnungen durch die Europäische Union gilt hier freilich ein weites Verständnis von staatlicher Tätigkeit.
24
   ZB Theaterarbeitsgesetz (TAG) BGBl I 2010/100; § 4a AuslBG (in Entsprechung von VfSlg 11.737/1988).
25
   Vgl Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz (K-SVFG) BGBl I 2000/131 idF BGBl I 2015/15.
26
   ZB §§ 2 Abs 1 Z 7, 17, 18 und Abs 11 GewO.
27
   Etwa indem er Sonderregeln über die Zulässigkeit von Straßenkunst erlässt (so zB die auf Grundlage von § 5
Abs 3 Wiener VeranstaltungsG erlassene Straßenkunstverordnung 2012 ABl 2012/26); s auch Fister, Das Recht
der Musik (2013) 185.
28
   ZB § 3 Abs 1 Z 3 lit b EStG (Einkommenssteuerbefreiung von Bezügen oder Beihilfen aus Mitteln der öffent-
lichen Hand), § 6 Abs 1 Z 24 UStG (Steuerbefreiung von kunstbezogenen Umsätzen des Bundes, der Länder und
Gemeinden), §§ 10 Abs 3 Z 4, 6 und 7 UStG (ermäßigter Umsatzsteuersatz von 13% für Umsätze aus der Tätigkeit
als Künstler etc).
29
   Die folgenden Beispiele zusätzlicher Nutzen von Kunst bezeichnet die Ökonomie als (positive) externe Effekte;
vgl Andreae, Kunstwerke zwischen Ästhetik und Ökonomik, in: Aubele (FN 6) 401 (406 ff).
30
   Vgl dazu nur das in Regierungsprogrammen geläufige Bekenntnis zur Bedeutung Österreichs als „Kulturnation“,
zuletzt „Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017-2022“, 92 [zuletzt 20.2.2019]; s auch Ko-
rinek ua, Kulturrecht (FN 17) 29; Öhlinger, Kulturverfassungsrecht, RdS 1986, 47 (51); ausführlich und mwN
Straßl, Staatsziel Kultur, Bekenntnis zur Kulturnation oder hohle Phrase? (2010) 19 ff. Zur österreichischen Be-
sonderheit, das kulturelle Erbe eher durch Musiker als Schriftsteller zu definieren, vgl Vocelka, Glanz und Unter-
gang der höfischen Welt. Repräsentation, Reform und Reaktion im habsburgischen Vielvölkerstaat, in: Wolfram
(Hg), Österreichische Geschichte 1699-1815 (2001) 391 ff.
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Macht bei.31 Darüber hinaus schafft sie volkswirtschaftlichen Nutzen32 und entfaltet, wenngleich mit den
  bisher genannten Punkten zusammenhängend, werbende Wirkung für den Staat.33 Schließlich bleibt noch
  auf eine grundlegende Bedeutung von Kunst für den Staat hinzuweisen, nämlich jene der gesellschaftli-
  chen Vermittlung und Integration.34 So trägt Kunst, indem sie regelmäßig Bezug auf gesellschaftliche Um-
  stände im Allgemeinen, und politische im Speziellen nimmt, zur freien gesellschaftlichen Meinungsbil-
  dung und damit einer wesentlichen Bedingung der Demokratie bei.35

II.    Problemaufriss
  Die skizzierten Beziehungsverhältnisse von Staat und Kunst bedingen eine wechselseitige Gestaltung und
  Prägung. Wie die Kunst dem Staat als Identitätsstifterin zu dienen vermag, so nimmt der Staat durch die
  skizzierten Steuerungsmaßnahmen – in Nachfolge von Hof, Kirche und bürgerlichem Mäzenatentum –
  gestaltenden Einfluss auf die Kunst.36 Die Frage nach Aussagekraft und Bedeutung der Verfassung für
  staatliche Tätigkeit im Bereich der Kultur war vor allem in Deutschland Gegenstand staatstheoretischer
  Auseinandersetzungen.37 Ob aus der Verfassung ein Auftrag oder gar die Pflicht zur Pflege von Kunst folgt

  31
     In diesem Sinn etwa Dollfuß, Geleitwort des Theateralmanachs des Jahres 1933: „Die Bundestheater haben
  wesentlich an der stolzen Aufgabe mitzuwirken, dem kleingewordenen Österreich unter allen Kulturvölkern eine
  Großmachtstellung im Reiche der Kunst und des Geistes zu sichern“. Aus der umfangreichen (freilich nicht bloß
  rechtswissenschaftlichen) Literatur auszugsweise Fritz-Hilscher in: Fritz-Hilscher (FN 4) 209; Kempers, Kunst,
  Macht und Mäzenatentum (1989) 374; Korinek ua, Kulturrecht (FN 17) 45; Korinek, Staat (FN 2) 48 f; Merli,
  Grenzen der Staatsinformation und staatlicher Propaganda, in: Berka/Holoubek/Leitl-Staudinger (Hg), Elektroni-
  sche Medien im „postfaktischen“ Zeitalter, Bd 16 der Schriftenreihe Recht der elektronischen Massenmedien REM
  (2019) 107; Öhlinger, RdS 1986, 51; Pabel, Grundfragen (FN 20) 19, die eine Verbindung zwischen gesteigerter
  kulturpolitischer Aktivität des Staates und einem durch Globalisierung sowie europäische Integration bedingten,
  verstärkten Bedürfnis nach nationaler Identität herstellt; insb zu Staatssymbolen ebenda 26, 124 ff; Prieberg, Mu-
  sik und Macht (FN 4); Vocelka in: Wolfram (FN 30) 185 ff; Wagner, Kultur (FN 4) 16. Der Gesetzgeber selbst
  spricht von Repräsentation etwa im Zusammenhang mit der Übertragung der im Eigentum des Bundes stehenden
  Mobilien auf die Universitäten gem § 139 UG 2002, wenn er in Abs 4 leg cit jene Gegenstände von der Übertra-
  gung ausnimmt, die er einzelnen Universitäten „insbesondere zu Zwecken der Repräsentation […] leihweise vo-
  rübergehend zur Nutzung überlassen“ hat (zB aus musealen Beständen; vgl ErläutRV 1134 BlgNR 21. GP 110).
  32
     Dazu und dem Begriff der „Umwegrentabilität“ kritisch Helmstädter in: FS Prior (FN 6) 117; für Dt s zB das
  Ifo-Gutachten Hummel/Berger, Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur (1988), als ein Beispiel
  für den Versuch der Quantifizierung der „durch Kultur- und Kunstaktivitäten induzierten wirtschaftlichen Leis-
  tungsströme“; vgl Smekal, Förderung von Kultur und Kunst aus Sicht der neueren Subventionstheorie, in: FS Prior
  (FN 6) 71 (72).
  33
     Vgl etwa für den Tourismus nur die vielfach betonte Bedeutung von Kunst und Kultur für die Republik Öster-
  reich als „Standortfaktor“, aber auch ausdrückliche Bezugnahmen auf ihre Bedeutung für den Tourismus in Re-
  gierungsprogrammen; zuletzt „Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017-2022“, 92 ff [zuletzt
  20.2.2019].
  34
     So wird die der Kunst zugeschriebene integrative Wirkung etwa in der Stadtpolitik dazu eingesetzt, Partizipation
  am öffentlichen Leben sowie gesellschaftliche Interaktion zu fördern; s dazu ein Interview mit der Wiener Kultur-
  stadträtin Veronica Kaup-Hasler vom 6.2.2019 [zuletzt 6.2.2019]. Zum Begriff des „Kunsttransfers“ in diesem
  Zusammenhang Bosetti, Interview mit Peter Lynen Kunst und Wissenschaft heute, in: FS Lynen (2018) 351 (355).
  35
     Dazu grundlegend Jellinek, Staatslehre3 (1922) 102: „Nicht minder wirken Wissenschaft, Literatur und Kunst,
  selbst wenn sie auch keinerlei politische Zwecke zu verfolgen scheinen, auf manche Seiten des Staatslebens ganz
  energisch ein. Da sie einen Teil der Atmosphäre bilden, in welcher Organe des Staates leben, äußert sich ihr
  Fortschritt auch in dem Wechsel der Anschauungen dieser.“; s auch Zembylas, ÖZP 2006, 257. Vgl zur Bedeutung
  insb der Meinungsfreiheit zur Gewährleistung eines offenen gesellschaftlichen Diskurses abseits des parlamenta-
  risch vermittelten Berka, Grundrechte (FN 9) 315 f; Oberndorfer, Art 1 B-VG, in: Korinek/Holoubek/Beze-
  mek/Fuchs/Martin/Zellenberg (Hg), Bundesverfassungsrecht (2000) Rz 28; Rill/Schäffer, Art 1 B-VG, in:
  Kneihs/Lienbacher (Hg), Rill-Schäffer-Kommentar (2001) Rz 14.
  36
     S Jellinek, Staatslehre (FN 35) 258 ff.
  37
     So va die Berichte von Steiner und Grimm zum Thema „Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwesen“, in:
  VVDStRL 42 (1984) 7 und 46; sowie Sommermann und Huster zum Thema „Kultur im Verfassungsstaat“, in:
  VVDStRL 65 (2006) 7 und 51. Grundlegend war va der Beitrag von Huber, Zur Problematik des Kulturstaats
                                                                                                                   5
und welche Bedeutung einer solchen Kulturstaatsklausel zukäme, kann an dieser Stelle nicht erörtert wer-
den. Fest steht jedenfalls, dass der Staat Maßnahmen erlässt, die sich auf Kunst beziehen, er also Kunst
„pflegt“. Indem er dabei bestimmte Ziele verfolgt und ordnend im Bereich der Kunst tätig wird, betreibt
der Staat Kunstpolitik,38 für deren Umsetzung er auf die Tätigkeit von Verwaltungsorganen angewiesen
ist.39

So zahlreich dabei die Forderungen aus dem Kunstbereich nach Achtung ihrer Autonomie,40 so häufig die
entsprechenden Beteuerungen aus der Politik.41 Ebenso gehört es zu den Gemeinplätzen der einschlägigen
Literatur, auf die aus der grundrechtlichen Kunstfreiheit folgende Verpflichtung des Staates hinzuweisen,
die Eigengesetzlichkeit der Kunst zu achten.42 Wenn immer der Staat auf Kunst einwirkt, sei er – so die
einhellige Meinung – den Prinzipien der Neutralität und Objektivität verpflichtet.43 Dies zum einen, wenn
es gilt, Kunst vor unzulässigen staatlichen Eingriffen im freiheitsrechtlichen Sinn zu schützen (abwehr-
rechtliche Dimension). Ausdruck dessen ist das geläufige Verbot staatlichen „Kunstrichtertums“. Die ös-
terreichische rechtswissenschaftliche Literatur verwendet den Begriff des Kunstrichtertums, soweit er-
sichtlich, vorwiegend in Zusammenhang mit der Frage nach dem verfassungsrechtlichen Kunstbegriff.44

(1958); mit dessen Kulturstaatskonzept auseinandersetzend Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit (1990). S auch
die Beiträge von Klein in: FS Steiner (FN 2) 458; Kloepfer, Staatsziel Kultur?, in: FS Mußgnug (2005) 3; Maihofer,
§ 25 Kulturelle Aufgaben des modernen Staates, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hg) Handbuch des Verfassungsrechts
der BRD (1994) 1201; Reuhl, Kulturstaatlichkeit im Grundgesetz, JZ 1981, 321; Steiner, Neuere Entwicklungen
im Kulturverfassungsrecht, in: FS Starck (2007) 449; sowie Stern, Kulturstaatlichkeit – ein verfassungsrechtliches
Ziel, in: FS Schneider (2008) 111.
38
   Vgl Jellinek, Staatslehre (FN 35) 13, der Politik als die angewandte Staatswissenschaft, „d.h. die Lehre von der
Erreichung bestimmter staatlicher Zwecke“ beschreibt; s auch Korinek ua, Kulturrecht (FN 17) 45.
39
   Vgl die Umschreibung von Jellinek, Staatslehre (FN 35) 610: „Die Verwaltung löst konkrete Aufgaben gemäß
den Rechtsnormen oder innerhalb deren Schranken durch Mittel, die nähere Untersuchung als ein reichgeglie-
dertes System erkennen lehrt“; vgl Korinek ua, Kulturrecht (FN 17) 47. Eine begriffliche Grenzziehung zwischen
Kunstpolitik und -verwaltungsrecht erscheint im Detail schwierig, wenngleich deren Wichtigkeit ausdrücklich be-
tont wird (zB Oppermann, Kulturverwaltungsrecht (FN 20) 11). Teils werden die Begriffe trotz vorangehender
Abgrenzungsbemühung synonym verwendet; so zB Korinek ua, Kulturrecht (FN 17) 45 ff; und Öhlinger, Kultur
in der Verfassung – Kultur in die Verfassung?, in: Konrad (Hg) Rechtsprobleme im Kulturbetrieb (2015) 25 (38)).
Letzterer weist – wenn auch in anderem Zusammenhang – auf die bloß schwach ausgeprägte Verrechtlichung der
Kulturpolitik und damit mE einen Aspekt der Ursachen für die Schwierigkeit der Abgrenzung hin. Franz Merli
zählt (neben der Stiftung von Ordnung) die Bewertung verwaltungsrechtlicher Erscheinungen zu den Grundauf-
gaben der Verwaltungsrechtswissenschaft und bezeichnet diese (hier passend) als „Verwaltungsrechtspolitik“,
Merli, Die Zukunft der Verwaltung (2010) 43 ff.
40
   Vgl dazu nur die Website der IG Kultur Österreich, zB „Autonomie der freien Kulturarbeit muss unangetastet
bleiben!“ [beide zuletzt 21.2.2019].
41
   Vgl die Eröffnungsrede des „Kulturministers“ Gernot Blümel der Bregenzer Festspiele 2018, wonach „Kunst
[…] immer auch als Selbstzweck verstanden werden“ muss [zuletzt 21.2.2019].
42
   Vgl Berka, Kunst im Konflikt mit dem Recht – Mit rechtsdogmatischen Anmerkungen versehene Notizen zu
einem spannungsreichen Verhältnis, in: FS Ermacora (1988) 361; Evers, Kulturauftrag im staatlichen Gemeinwe-
sen, NJW 1983, 2161; ders, Kulturverfassungsrecht und Kulturverwaltungsrecht in Österreich, in: Häberle (Hg),
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 33 (1984) 189 (191 und 239); Öhlinger in: Konrad (FN 39) 34
ff, der von der „Freiheit von Kultur vor staatlicher Gängelung“ spricht; ders, Kultur und Verfassung. Anmerkun-
gen zum österreichischen Kulturverfassungsrecht, in: FS Potz (2014) 559 (567); Oppermann, Kulturverwaltungs-
recht (FN 20) 9 ff (mwN bei FN 11): „Jede Behandlung des Kulturverwaltungsrechts, die sich dieser im Vergleich
zu anderen Zweigen staatlicher Betätigung und Einwirkung ungleich gesteigerten Autonomie nicht in jedem Au-
genblick bewußt wäre, geriete in Gefahr, an die Betrachtung ihres Gegenstandes verkürzte Maßstäbe anzulegen.“;
Potz, Grundlegende Gedanken zur Bedeutung des Kulturrechts, in: Konrad (FN 39) 19 (22).
43
   Öhlinger in: Konrad (FN 39) 37; mit zahlreichen Nachweisen zur deutschen Literatur Huster, Kultur im Ver-
fassungsstaat, in: VVDStRL 65 (2005) 51 (58, bei FN 26).
44
   Berka in: FS Ermacora (FN 42) 368 ff; ders, Die Freiheit der Kunst (Art 17a StGG) und ihre Grenzen im System
der Grundrechte, JBl 1983, 281 (284); Hengstschläger/Leeb, Grundrechte2 (2013) 231; Holoubek, Die Freiheit der
Kunst aus grundrechtsdogmatischer Sicht und die Rechtsprechung des VfGH zu Art 17a StGG, ZfV 1989, 1 (5);
                                                                                                                 6
So ist allgemein anerkannt, dass Art 17a StGG auf einen „offenen Kunstbegriff“ abstellt und dem Staat
eine Verordnung dessen, was Kunst – und damit vom Schutzbereich der Grundrechtsnorm erfasst – ist,
anhand materieller Kriterien (wie Qualität, Ästhetik, Stil) untersagt ist.45 Kurz: Der Staat darf nicht darüber
richten, was Kunst ist und was nicht.46 Zum anderen scheint sich in der Lehre die Ansicht durchgesetzt zu
haben, dass staatliches Handeln auch dann einer besonderen, aus der Kunstfreiheit folgenden Neutralität
verpflichtet ist, wenn er sie – im weitesten Sinn – fördert (leistungsrechtliche Dimension).47 Mitunter wird
diese Neutralitätspflicht ebenso mit dem Verbot staatlichen Kunstrichtertums in Verbindung gebracht, und
zwar va dort, wo der Bericht des Verfassungsausschusses zur Novelle des Staatsgrundgesetzes begründend
herangezogen wird.48 Diesem zufolge sei es dem Staat nämlich nicht nur untersagt „zu bestimmen, was
Kunst ist“, sondern auch „einzelnen solchen [gemeint: künstlerischen] Bewegungen eine bevorzugte Stel-
lung zuzuweisen“.49 An ersterem besteht kein Grund zu zweifeln.50 Letzteres dagegen kann nicht nur the-
oretisch, sondern insbesondere auch praktisch in Hinblick auf die vielfältige tatsächliche Bevorzugung
bestimmter Kunstrichtungen durch den Staat kritisch hinterfragt werden.51

Vor unzulässigen staatlichen Eingriffen im Sinne eines status negativus geschützt ist gewiss jede Form von
Kunst, sei es „hohe“52 oder „niedrige“53, etablierte54 oder provozierende.55 Anders ist die Lage jedoch,
wenn der Staat im Rahmen der Leistungsverwaltung Auswahlentscheidungen zu treffen hat, er also Kunst

Holoubek/Neisser in: Machacek/Pahr/Stadler (FN 17) 205; Korinek, Staat (FN 2) 28; Kröll, Art 17a StGG, in:
Kneihs/Lienbacher (FN 35) Rz 10; ders in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer (FN 10) 509; Öhlinger, »Das Ge-
spenst« und die Freiheit der Kunst in Österreich, ZUM 1985, 190 (194); Sommerauer, Kunst im Konflikt mit dem
Recht, in: FS Funk (2003) 519 (529); etwas anders Grabenwarter/Holoubek, Verfassungsrecht - Allgemeines Ver-
waltungsrecht3 (2016) Rz 568 (Rz 571), nach denen jede staatliche Entscheidung über den Wert oder die Schutz-
würdigkeit eines bestimmten künstlerischen Werks einen Grundrechtseingriff darstellt; Holoubek/Neisser in:
Machacek/Pahr/Stadler (FN 17) 220 ff, verwenden den Begriff zur Bestimmung derjenigen Grundrechtseingriffe,
die im Rahmen der Intentionalitätsjudikatur des VfGH jedenfalls unzulässig sind.
45
   Statt vieler Berka, JBl 1983, 283 ff; nach Korinek, Staat (FN 2) 28 (bei FN 37), ist das „in der Literatur heute
völlig unbestritten“.
46
   Auf den Punkt gebracht durch Holoubek, ZfV 1989, 5: „Jeder Versuch einer inhaltsbezogenen Definition von
Kunst, kurz staatliches Kunstrichtertum, verbietet sich [daher] von selbst.“
47
   So Korinek, Staat (FN 2) 60 f; Kröll in: Kneihs/Lienbacher (FN 44) Rz 81; Öhlinger in: Konrad (FN 39) 37. Als
Belege dienen in diesem Zusammenhang meist Nachweise aus der deutschen Literatur; so va Mahrenholz, § 26
Freiheit der Kunst, in: Benda/Maihofer/Vogel (FN 37) 1289 (1334, Rn 135 ff); und Scholz, Art. 5 Abs. III, in:
Maunz/Dürig (Hg), GG, Rn 40. Inwiefern Ausführungen der deutschen Rechtswissenschaften für das österreichi-
sche System fruchtbar gemacht werden können, erscheint jedoch fraglich.
48
   So zB Berka, JBl 1983, 284 (bei FN 21); und Kröll in: Kneihs/Lienbacher (FN 44) Rz 10.
49
   AB 978 BlgNR 25. GP 2.
50
   Und wurde so auch vom VfGH in seiner ersten zu Art 17a StGG ergangenen Entscheidung „Kugelmugel“ be-
stätigt; vgl VfSlg 10.401/1985.
51
   So Huster, Die ethische Neutralität des Staates (2002) 441; ders in: VVDStRL 65, 57 ff; ausdrücklich zwischen
abwehr- und leistungsrechtlicher Dimension differenzierend, jedoch auf letztere nicht eingehend Holoubek, ZfV
1989, 5 (bei FN 50).
52
   So offenbar § 2 Abs 2 KunstFG, nach dem nur solche Leistungen gefördert werden dürfen, die „geeignet sind,
beispielgebend zu wirken“.
53
   Zum in diesem Zusammenhang vielfach erwähnten „gut gemeinten Versuch des Dilettanten“ vgl Berka in: FS
Ermacora (FN 42) 369; ders, JBl 1984, 285; Holoubek, ZfV 1989, 5.
54
   Vgl aus der spärlichen Judikatur des VfGH zu Art 17a StGG, VfSlg 11.567/1987 (Klavierüben einer Konzert-
pianistin).
55
   vgl Berka, JBl 1984, 284; VfSlg 10.401/1985 (Kugelmugel).
                                                                                                                 7
pflegt: Etwa, wenn er begrenzte Mittel im Rahmen der Kunstförderung verteilt, er festlegt56 oder zumin-
dest mitbestimmt,57 welche künstlerischen Studienrichtungen an öffentlichen Universitäten angeboten
werden, oder er wesentliche Richtungsentscheidungen bezüglich des an öffentlichen Kulturbetrieben nach-
fragbaren Angebots vorgibt. Sein Handeln wirkt hier unvermeidbar selektiv.58 Der dabei evidente Konflikt
mit der nach Ansicht der Literatur gebotenen Neutralität wird zT durch die Feststellung zu entschärfen
versucht, dass der Staat – in (verfassungs-)rechtlich zulässiger Weise – Schwerpunkte bei der Verfolgung
seiner kunstpolitischen Ziele setzen dürfe. Voraussetzung für die Vereinbarkeit dieser Schwerpunktsetzung
mit der Kunstfreiheit und dem Gleichheitssatz sei dabei, dass diesbezügliche Entscheidungen „nachvoll-
ziehbar und sachlich begründbar“ sind.59

In Umsetzung staatlicher Kunstpolitik hat die verwaltungsrechtliche Ausgestaltung von Verfahren und Or-
ganisation neben den allgemeinen Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat, nach hA auch dem beson-
deren Gebot der Achtung der Autonomie der Kunst zu genügen. Hans-Ulrich Evers hat in diesem Zusam-
menhang einige grundlegende Antinomien „zwischen den Eigengesetzlichkeiten der Kultur und den Ver-
fassungsgrundsätzen des Rechtsstaats, der Demokratie und des Sozialstaates“ herausgearbeitet.60 Für die
Beurteilung der Konformität verwaltungsrechtlicher Maßnahmen mit letzteren stehen – wenn auch nicht
immer eindeutige – rechtliche Maßstäbe zur Verfügung.61 Welche rechtlichen Konsequenzen dagegen aus
dem Gebot staatlicher Neutralität und der Achtung der Autonomie von Kunst folgen sollen, ist ungleich
schwerer zu beurteilen. Häufig bemüht sich die Literatur um Konkretisierung durch Begriffe wie Pluralität,
Äquidistanz oder dem Verbot staatlichen Kunstrichtertums. Inwiefern diese zu einer näheren inhaltlichen
Klärung beitragen, erscheint nicht immer klar: Wenn der Staat bloß zur Setzung von Schwerpunkten befugt
sein soll, so folgt bereits daraus ein Gebot der Pluralität und Äquidistanz – jedenfalls in gewissem Ausmaß.
Was nämlich über bloße Schwerpunktsetzung hinausgeht, kann im Ergebnis nicht plural sein. Auch kann
dabei, um im Sprachbild zu bleiben, kein gleicher (oder zumindest gleichwertiger) Abstand zu verschie-
denen Kunstrichtungen gehalten werden. Eine präzise Beschreibung dessen, was aus dem Gebot der Ach-
tung der Autonomie von Kunst zu folgen hat, ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls nicht möglich. Die Mög-
lichkeiten juristischer Begriffsbildung zur Problemlösung beizutragen, erscheinen begrenzt. Allem An-
schein nach gilt es sich zunächst mit der Umschreibung zu begnügen, dass der Staat, wenn er Einfluss auf

56
   zB durch die Einrichtung eines Studiums mittels Verordnung nach § 8 UG 2002, wenn keine diesbezügliche
Einigung mit einer Universität erreicht werden kann. Freilich steht dem Bundesgesetzgeber auch offen, neue Uni-
versitäten zu errichten (§ 6 Abs 2 UG 2002).
57
   Im Rahmen der Leistungsvereinbarung nach § 13 UG 2002. Zur Beschränkung der Befugnis der Universitäten
durch § 7 Abs 3 UG, neue Studien gemäß § 54 Abs 1 leg cit einzurichten, siehe unten bei FN 146.
58
   Öhlinger in: Konrad (FN 39) 36.
59
   Korinek, Staat (FN 2) 60, der festhält, dass man dem Staat nicht verbieten können werde, zu werten; Öhlinger
in: Konrad (FN 39) 37; für Dt: Mahrenholz in: Benda/Maihofer/Vogel (FN 47) 1335 (bei Rn 139).
60
   Evers in: Häberle (FN 42) 191.
61
   So vermögen die Beachtung des Legalitätsprinzips (Art 18 B-VG), eine strikte Weisungsbindung (Art 20 B-
VG) sowie staatliche Kontrollmechanismen und Rechtsschutzeinrichtungen einer besonderen kulturellen Autono-
mie nicht immer gerecht zu werden. Andererseits bedingen die Besorgung kunstbezogener Angelegenheiten im
Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung eine gegenüber hoheitlichen Handlungsformen verringerte Transparenz,
Rechtssicherheit und Kontrolldichte. Ebenso können aus der Einbeziehung externen Sachverstands neue Rechts-
fragen erwachsen (etwa die Frage der demokratischen Legitimation der Beiratsmitglieder oder der Transparenz
externer Sachentscheidungen sowie Fragen der Unvereinbarkeit der Ausübung einer Beiratstätigkeit; vgl allge-
mein Lachmayer, Beiräte in der Bundesverwaltung (2003) 71; im Besonderen und mit empirischen Nachweisen
Zembylas, ÖZP 2006, 255).
                                                                                                             8
Kunst nehmen möchte, sich in Zurückhaltung üben muss. Aus rechtswissenschaftlicher Perspektive be-
   friedigend ist dieser Befund freilich nicht.

III.    Forschungsstand
   Die Frage nach den Auswirkungen von Art 17a StGG auf die Kunstpolitik im Allgemeinen und die staat-
   liche Kunstförderung im Besonderen, wurde in den einschlägigen Beiträgen und Kommentaren zur Kunst-
   freiheit wenig62 bis gar nicht63 erörtert. Im Vordergrund standen vielmehr die zahlreichen Schwierigkeiten,
   die sich bereits in Zusammenhang mit der abwehrrechtlichen Dimension der Kunstfreiheit ergaben.64 Ge-
   genstand der Auseinandersetzung waren va die vielfach als „quaestio famosa“ bezeichnete Frage nach dem
   verfassungsrechtlichen Kunstbegriff, sowie der rechtsdogmatische Umgang mit der vorbehaltslosen Ein-
   richtung der Kunstfreiheit durch den Verfassungsgesetzgeber.

   Zum Kulturverfassungsrecht, der Frage der Kulturstaatlichkeit der Republik Österreich sowie der allfälli-
   gen Bedeutung einer Kulturstaatsklausel hat sich in der österreichischen Literatur va Theo Öhlinger geäu-
   ßert.65 Die verfassungsrechtliche Stellung der Bundestheater untersuchte Armin Bammer (wohlgemerkt
   vor deren Ausgliederung).66 Alwine Hofstetter widmete sich im Zuge ihrer Dissertation vorwiegend rechts-
   politischen Fragen in Bezug auf die Kunstförderung.67 Zuletzt gewährte Andreas Horner einen Überblick
   über die österreichische und europäische Kulturförderung.68 Für die in diesem Zusammenhang einschlä-
   gigen Probleme privatwirtschaftlicher Förderungsverwaltung kann auf grundlegende Literatur zurückge-
   griffen werden.69
   Im deutschen Schrifttum wurde sich nicht nur mit dem Beziehungsverhältnis des Staates zur Kultur im
   Allgemeinen,70 sondern auch dem Wechselspiel zwischen der Kunstfreiheit und Förderung von Kunst im
   Besonderen eingehend beschäftigt.71 Ob und inwieweit Erkenntnisse aus dem deutschen Diskurs auf die

   62
      Holoubek/Neisser in: Machacek/Pahr/Stadler (FN 17) 238; Kröll in: Kneihs/Lienbacher (FN 44) Rz 80 ff; ders
   in: Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer (FN 10) 515 Rn 64 f; Neisser, Die verfassungsrechtliche Garantie der
   Kunstfreiheit, ÖJZ 1983, 1 (13 f); Öhlinger, RdS 1986, 52 f.
   63
      Berka in: FS Ermacora (FN 42) 361; ders, Grundrechte (FN 9) Rn 605 ff; ders, JBl 1983, 281; Hengstschlä-
   ger/Leeb, Grundrechte (FN 44) 230; Holoubek, ZfV 1989, 1 und 116; Mandler, Probleme der Kunstfreiheitsga-
   rantie des Art 17a StGG, JBl 1986, 21 und 84; Mitteregger, Ansätze zu einer Positivierung des Kunstbegriffs der
   österreichischen Verfassung, JBl 1995, 284; Öhlinger, ZUM 1985, 190; Sommerauer in: FS Funk (FN 44) 519.
   64
      So ausdrücklich Berka, JBl 1983, 282; und mit Verweis auf diesen Holoubek, ZfV 1989, 2.
   65
      Öhlinger in: FS Potz (FN 42) 559; ders, in: Konrad (FN 39) 25; ders, RdS 1986, 47. Beachte auch die Untersu-
   chung von Straßl, Staatsziel (FN 30).
   66
      Bammer, Bundestheater und Verfassung (1992); dazu auch Korinek, Zur rechtlichen Organisation von Musik-
   theater, in: FS Merten (1998) 15.
   67
      Hofstetter, Rechtliche und politische Aspekte von Kunst und Kultur in Österreich (2004, Dissertation).
   68
      Horner, Österreichisches und europäisches Kulturförderungsrecht. Überblick und aktuelle Entwicklungen
   (2016, Dissertation).
   69
      Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrechtliche Probleme privatrechtsförmiger Subventionsverwaltung, ÖZW
   1995, 1 und 108; Rebhahn, Beihilfen- und Subventionsrecht, in: Raschauer (Hg), Wirtschaftsrecht (2010) 449;
   Wenger (Hg), Förderungsverwaltung (1973).
   70
      Siehe dazu schon oben bei FN 37; vgl auch den Überblick bei Thiel, Die verwaltete Kunst. Rechtliche und
   organisatorische Aspekte öffentlicher Kulturverwaltung (2003).
   71
      ZB Geißler, Staatliche Kunstförderung nach Grundgesetz und Recht der EG (1995); Palm, Öffentliche Kunst-
   förderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat (1998).
                                                                                                                9
österreichische Rechtslage übertragbar sind, bedarf näherer Untersuchung, erscheint aus derzeitiger Sicht
  aber zweifelhaft.72

  Mit dem Verhältnis des Staates zur Kunst im Allgemeinen auseinandergesetzt hat sich Karl Korinek in
  seinem Aufsatz „Staat und Kunst“,73 dessen Anliegen im Rahmen dieser „Skizze [es war], Ordnung in
  die[se] Vielfalt der kunstbezogenen Rollen des Staates und ihrer unterschiedlichen Funktionen zu brin-
  gen“.74 Dabei ging der Autor im Ansatz auch auf jene grundlegenden Fragen der Kunstpolitik ein, zu deren
  Klärung die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten möchte.75

IV.    Forschungsziel
  Die Arbeit nimmt das Ziel Karl Korineks als Ausgangspunkt, die vielfältigen Probleme des Systems
  „Kunst im (Rechts-)Staat“ transparent zu machen und zu deren sachgerechten Lösung beizutragen.76 Es
  stellt sich dabei die Frage, wie mit dem Umstand umzugehen ist, dass der Staat – nimmt man die einhellige
  Literatur ernst – die Kunst zwar offenbar nicht kennen darf77 und ihre Autonomie zu achten hat, er aber
  tatsächlich in mannigfacher Weise gestaltenden Einfluss auf sie nimmt. Klarheit besteht nur an den Rän-
  dern, etwa dass der Bundesverfassung jedenfalls keine positivrechtliche Verpflichtung des Staates zur ak-
  tiven Förderung von Kunst zu entnehmen ist.78 Im Feld dazwischen entsteht der Eindruck, es gelte sich
  mit dem Verweis auf den politischen Gestaltungsspielraum zu begnügen.

  Zusammengefasst stellt sich das Problem aus Sicht der Lehre wie folgt dar: Der Staat ist zu Neutralität
  verpflichtet, wenn er Kunst fördert. Dies ergibt sich aus der Kunstfreiheit und dem allgemeinen Sachlich-
  keitsgebot. Gleichzeitig sind Schwerpunktsetzungen bei der Verfolgung kunstpolitischer Ziele zulässig.
  Dabei bleibt der Politik ein großer Gestaltungsspielraum, diesbezügliche Entscheidungen müssen aber je-
  denfalls „nachvollziehbar und sachlich begründbar sein“.79 Die sich aus der gebotenen Neutralität erge-
  benden rechtlichen Grenzen jener Schwerpunktsetzung „sollten“ jedenfalls gerichtlich durchsetzbar sein.80
  Kunstfreiheit, Neutralität und Schwerpunktsetzung hängen somit wie folgt zusammen: Aus der Kunstfrei-
  heit folgt eine besondere staatliche Neutralitätspflicht, die wiederum der Setzung von inhaltlichen Schwer-
  punkten Grenzen setzt. Dies legt den Schluss nahe, dass die Grenzen zulässiger Schwerpunktsetzung selbst
  aus der Kunstfreiheit ermittelbar sein müssten, die staatliche Neutralitätspflicht also gewissermaßen bloß
  begrifflich zwischen ihnen vermittelt.

  72
     Dies nicht zuletzt aufgrund des verschiedenen Staats- und Verfassungsverständnisses; vgl dazu Wiederin, Den-
  ken vom Recht her. Über den modus austriacus in der Staatsrechtslehre, in: Schulze-Fielitz (Hg), Staatsrechtslehre
  als Wissenschaft (2007) 293.
  73
     Korinek, Staat (FN 2).
  74
     Korinek, Staat (FN 2) 10.
  75
     S insb die Ausführungen zu Kunstförderung Korinek, Staat (FN 2) 58 ff.
  76
     Korinek, Staat (FN 2) 10 und 71.
  77
     Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes, in: FS Dürig (1990) 33 (62); beachte
  auch die Formulierung, dass der Staat einer „ästhetischen Farbenblindheit“ unterliege ders, AfP 1993, 619 (621)
  (zitiert nach Huster in: VVDStRL 65, 58).
  78
     Zum Scheitern des entsprechenden politischen Vorhabens s schon oben bei FN 17; s auch Bammer, Bundesthe-
  ater (FN 66) 282; Neisser, ÖJZ 1983, 13 f; und Öhlinger, RdS 1986, 52 f, demzufolge aus dem Nichtzustande-
  kommen einer verfassungsrechtlichen Förderbestimmung keinesfalls ein Verbot oder eine Beschränkung staatli-
  cher Kunstförderung abgeleitet werden kann; ders in: Konrad (FN 39) 29 f.
  79
     Vgl Korinek, Staat (FN 2) 60.
  80
     Vgl Öhlinger in: Konrad (FN 39) 37, der für die geringe Anzahl gerichtlicher Entscheidungen (und somit die
  Verwendung des Konjunktivs) einerseits die mangelhafte Verrechtlichung der Kulturförderungsverwaltung und
  andererseits die tatsächliche Abhängigkeit Kulturschaffender von Förderungen ins Treffen führt.
                                                                                                                 10
Zugleich findet sich die Aussage, das Verfassungsrecht selbst vermöge zu einer genaueren Verortung der
 Grenzen zulässiger Schwerpunktsetzung im Zuge staatlicher Kunstpolitik nicht viel beizutragen.81 Dessen
 beschränkte Justitiabilität stütze die gebotene Neutralität des Staates vielmehr insoweit, als es geänderten
 gesellschaftlichen (und damit politischen) Bedingungen offen gegenübertritt.82 Selbst wenn das zutreffen
 sollte, bedeutet eine bloß beschränkte Aussagekraft des Verfassungsrechts aber nicht, dass überhaupt kein
 rechtlicher Maßstab existiert. Doch bedarf es zunächst einer Analyse der vielfältigen staatlichen Hand-
 lungsweisen und Instrumente sowie deren Kategorisierung und Ordnung, um in einem weiteren Schritt
 rechtlich relevante Parameter gewinnen zu können.83 Es soll also um die Stiftung von Ordnung durch die
 Erarbeitung eines „Handwerkkastens“ gehen, der in Folge eine wertende Aussage anhand rechtsimmanen-
 ter Maßstäbe darüber zulässt, ob das Verwaltungsrecht bewirkt, was es bewirken will.84

 Übersetzt für den konkreten Fall kann das bedeuten: Inwiefern entspricht staatliches Handeln im Bereich
 der Kunst den Forderungen nach Achtung ihrer Autonomie? Das Rekurrieren auf ein Neutralitätskonzept,
 dessen Inhalt und konkrete Folgen mehr als unklar sind,85 erscheint dabei unbefriedigend. Jedenfalls ver-
 mag der festgehaltene Eindruck, dass der Staat, will er seine kunstpolitischen Vorstellungen in rechtskon-
 former Weise umsetzen, besondere Vorsicht walten lassen muss, nicht zu überzeugen. Eben jene Grenzen
 zulässiger kunstpolitischer Schwerpunktsetzung gilt es auszuloten.86

V.    Gang der Untersuchung
         A. Untersuchungsgegenstand
 Gegenstand der Arbeit ist ein Teil der Summe staatlicher Tätigkeit. Neben deren möglichen Differenzie-
 rung nach den handelnden Organen oder ihrer Formen liegt der Arbeit eine Unterscheidung nach ihrem
 Inhalt zugrunde.87 Untersucht werden sollen nämlich nicht das Verhältnis des Staates zu der Kunst in ihrer
 Gesamtheit, sondern bloß der Musik als eine ihrer Formen. Vereinfacht – und gleichsam (wort-)spielerisch
 – gesagt werden all jene Aspekte kunstspezifischen Staatshandelns betrachtet, bei denen Musik „mit-
 spielt“. Die Begrenzung des sachlichen Untersuchungsgegenstandes auf musikbezogene Aspekte erfolgt
 um einerseits seine Bewältigung zu ermöglichen und andererseits dem Anspruch, einen Kunstbereich um-
 fassend darzustellen, gerecht werden zu können.88

 81
    ZB Öhlinger, RdS 1986, 51.
 82
    Evers in: Häberle (FN 42) 196.
 83
    So zB Pöschl, Private Verwalter als Problem des Allgemeinen Verwaltungsrechts, in: FS Mayer (2011) 515
 (536).
 84
    Vgl Merli, Zukunft (FN 39) 43 ff.
 85
    Etwa dem Verhältnis zu allgemeinen Gleichheitspflichten.
 86
    Eine klare Grenzziehung nimmt für Dt Mahrenholz in: Benda/Maihofer/Vogel (FN 47) 1335 (Rn 139), vor. Ihm
 zufolge können Stadt und Staat „auch auf eine ins Gewicht fallende Förderung der Kunstszene verzichten, wenn
 ihnen die Vermehrung der Bestände des Museums vordringlich erscheint oder weil die Gründung einer Musik-
 schule ansteht“.
 87
    Vgl Pabel, Grundfragen (FN 20) 20.
 88
    Und weniger aufgrund einer persönlichen Überzeugung der Überlegenheit von Musik gegenüber anderen Kunst-
 formen; so aber Häberle, Der kooperative Verfassungsstaat – aus Kultur und als Kultur (2013) 442: „Musik dringt
 […] am unmittelbarsten zur Seele eines Menschen, seinen Gefühlen, vor“, offenbar im Sinne des Napoleon zuge-
 schriebenen Zitats: „Die Musik hat von allen Künsten den tiefsten Einfluß auf das Gemüt. Ein Gesetzgeber sollte
 sie deshalb am meisten unterstützen“, nachzulesen bei Robbers in: Becker (FN 16) 216.
                                                                                                             11
Aus derzeitiger Sicht erscheint kein Grund dafür vorzuliegen, dass die aus dem Bereich der Musik gewon-
nenen Erkenntnisse nicht in weiterer Folge auf Kunst im Allgemeinen übertragen werden könnten.89 Inso-
fern versteht sich die Arbeit als Darstellung allgemeiner Prinzipien staatlicher Kunstpolitik und rechtfertigt
dies den (Arbeits-)Titel der Untersuchung.

         B. Grundlagen
Eine Arbeit, die sich mit Begriffen wie Kultur und Kunst, sowie deren (wohlgemerkt grammatikalischen)
Kompositionen mit Staat, Verwaltung(-srecht), Politik, Pflege und Förderung beschäftigt, kommt um eine
terminologische Annäherung an diese nicht gänzlich umhin. Auf ausführliche Wiedergabe des jeweils um-
fassenden Meinungsstands kann aber verzichtet werden, da eine solche für gegebene Zwecke nicht erfor-
derlich erscheint. Es soll vielmehr ein gewisser Grundstock gelegt werden, der Missverständnisse zu ver-
meiden und ein Bewusstsein für die Vielschichtigkeit der Begriffe zu schaffen imstande ist.90

Einführenden Charakter hat sodann eine Beleuchtung der Debatte um die Kulturstaatlichkeit Österreichs
unter Berücksichtigung deutscher Literatur. Des Weiteren kann für die zielbringende Erörterung des vor-
liegenden Themas auf eine Darstellung der Kernprobleme iZm der Kunstfreiheit und der Privatwirtschafts-
verwaltung nicht verzichtet werden. Aus diesem grundlegenden Kapitel ergeben sich sohin die basalen
rechtlichen Determinanten für staatliches Handeln, das sich auf Kunst bezieht.

         C. Instrumente und ausgewählte Rechtsprobleme
Wenn der Staat Kultur, also auch Kunst, pflegt, so bedient er sich vielzähliger Instrumente. Der Begriff der
„Kulturpflege“ ist va in der deutschen Literatur geläufig, findet aber auch in Österreich Verwendung. So
erachtet etwa Karl Korinek die Organisation der Veranstaltung von Kunst einerseits und deren Förderung
andererseits als die beiden wichtigsten Bereiche staatlicher Kunstpflege.91 Daran anknüpfend und die bei-
den Bereiche um den Aspekt universitärer Bildung ergänzend, soll untersucht werden, inwiefern der Staat
dem Gebot bzw der Forderung nach Achtung der Autonomie von Kunst durch verfahrens- und organisati-
onsrechtliche Sonderbestimmungen begegnet. Anders gesagt geht es also in einem ersten Schritt um die
rechtsempirische Betrachtung der Übung des Staates in der ihm besonders gebotenen Vorsicht: Was unter-
nimmt der Staat und welche Folgeprobleme erwachsen daraus? In einem zweiten Schritt sollen sodann
ausgewählte Probleme, die für den jeweiligen Bereich am dringlichsten erscheinen, einer rechtlichen Be-
wertung unterzogen werden. Dabei ist die Arbeit von der Überzeugung getragen, dass im Detail nicht nur
der Teufel,92 sondern auch die Lösung zu den angesprochenen Problemen stecken kann.

89
   Zum Verhältnis der (absoluten) Musik zu anderen Kunstformen im gegebenen Zusammenhang s Prieberg, Mu-
sik 9 ff.
90
   Damit soll jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass die Rechtswissenschaft etwa einen Begriff der
Kultur nicht benötige, ist er schließlich in Gebrauch und bedarf somit jedenfalls einer, wenn auch nicht eindeutigen
Bestimmung, so doch zumindest begrifflichen Eingrenzung; so Steinhauer, Non plus ultra. Zu Formen der Kul-
turwissenschaft im Recht, Der Staat (2008) 63 (81); Thiel, Kunst (FN 70) 17; Wieshaider, Stumm vibrierender
Mitlaut. Denkmal und öffentliches Interesse (2016) 340. Ähnlich zum Verwaltungsbegriff Merli, Zukunft (FN 39)
46. So umstritten der Kulturbegriff in den verschiedenen Disziplinen ist, so wenig kann von einer Aufarbeitung
dieser Frage im Rahmen der Arbeit eine klärende Erkenntnis erhofft werden (vgl nur die oft zitierte Studie von
Kroeber/Kluckhohn, Culture: A Critical Review of Concepts and Definitions (1952), in der die Autoren über 150
verschiedene Definitionen von Kultur aufzählen). Einen aufschlussreichen Überblick über die Versuche einer be-
grifflichen Annäherung bietet Wieshaider, Mitlaut 331 ff.
91
   Dazu schon oben bei FN 20.
92
   So Peter Lynen, vgl Bosetti in: FS Lynen (FN 34) 361.
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1. Förderung
Staatliche Kunstförderung ist regelmäßig Gegenstand der Kritik von – zumeist ökonomisch fundierter93 –
politischer94 und philosophischer95 Seite. Aber auch in den Rechtswissenschaften wurde auf mit der selek-
tiven Wirkung von Allokationsprozessen im Rahmen der Kunstförderung verbundene Fragen hingewie-
sen.96 Zumeist wird dabei der Umstand problematisiert, dass sich der Staat zwangsläufig in eine über Kunst
urteilende Rolle begeben muss, die ihm zwar nicht gänzlich verwehrt sei, aber aufgrund des staatlichen
Neutralitätsgebots in einem (unauflösbaren) Spannungsverhältnis zur Kunstfreiheit stehe.97 Daraus ergibt
sich nach der hA in der Lehre ein Dilemma, zu dessen Entspannung die Übertragung von Bewertungsent-
scheidungen auf sachverständige Beiräte beitragen soll.98 Durch die Einbeziehung externen Sachverstands
sucht der Staat seine kunstpolitischen Entscheidungen, die ihm, nimmt man das staatliche Neutralitätsge-
bot ernst, inhaltlich weitgehend entzogen sind, zu legitimieren.99 Kunstbeiräte sollen also nicht nur der
Beschaffung von Expertise dienen,100 sondern gleichzeitig der Gefahr (partei-)politisch motivierter Ein-
flussnahme entgegenwirken und damit zur demokratiepolitischen Legitimation von Förderungsentschei-
dungen beitragen (Legitimation durch Verfahren).101 Aus demokratie- und rechtsstaatlicher Sicht wirft die
Externalisierung von Bewertungsentscheidungen (verfassungs-)rechtliche Fragen auf, denen im Rahmen
der Untersuchung nachgegangen werden soll:102 Etwa nach der demokratischen Legitimation103 und Wei-
sungsbindung der Beiratsmitglieder, Unvereinbarkeiten der Beiratstätigkeit,104 sowie der Transparenz105
und allgemeinen Regelung des Verfahrens.106

93
    ZB Smekal in: FS Prior (FN 32) 74: „Der Staat versucht nun mehr schlecht als recht, sich an ihre [gemeint:
Mäzene] Stelle zu setzen, indem er ein demokratisch breit gestreutes, bürokratisches Ersatzmäzenatentum prakti-
ziert. Die Ergebnisse staatsmonopolistischer Kunstförderung sind sehr einseitig“.
94
    ZB Staininger, Bilder einer Einstellung, in: Staininger (Hg), Kulturlandschaft Österreich (1977) 7 (10): „Die
Ausgaben für diese Institutionen [gemeint: Theater, Galerien, Konzerthäuser und Verlage] verhalten sich, könnte
man sagen, umgekehrt reziprok zur Anzahl ihrer Besucher“.
95
   ZB Fragen der (Verteilungs-)Gerechtigkeit aufwerfend Hoerster, Was ist eine gerechte Gesellschaft? Eine phi-
losophische Grundlegung (2013) 114 ff und 122: „Was ich nicht nachvollziehen kann, ist, dass der Staat das Recht
haben soll, sich auf Kosten der Steuerzahler vollkommen beliebigen [Hervorhebung im Original] Projekten zu
widmen – Projekten, die letztlich vor allem der Selbstinszenierung und Wählergewinnung der Politiker dienen.“
96
   ZB Huster, Neutralität (FN 51) 436 ff; Öhlinger, in: Konrad (FN 39) 36 ff.
97
   Vgl Berka in: FS Ermacora (FN 42) 383 (bei FN 40); Hofstetter, Aspekte (FN 67) 5 ff; Öhlinger in: Konrad (FN
39) 36 ff; ders, RdS 1986, 51. Für Dt zB Evers, NJW 1983, 2161; Klein in: FS Steiner (FN 2) 467; Scholz in:
Maunz/Dürig (FN 47) Rn 8; Thiel, Kunst (FN 70) 17 f.
98
   S dazu Korinek, Staat (FN 2) 62 f; Mahrenholz in: Benda/Maihofer/Vogel (FN 47) 1335 (Rn 140 ff).
99
   § 9 Abs 1 KunstFG; zum Ganzen aus politikwissenschaftlicher Sicht Zembylas, ÖZP 2006, 255.
100
    Wie es ja im Begriff „Beirat“ zum Ausdruck kommt; zum Beiratsbegriff s Lachmayer, Beiräte (FN 61) 33 ff.
101
    S Hofstetter, Aspekte (FN 67) 148 ff.
102
    S dazu allgemein Lachmayer, Beiräte (FN 61) 71 ff.
103
    Im Fall des KunstFG des Bundes gestaltet sich diese aufgrund der bloß beratenden Tätigkeit der Beiräte (wie
im Übrigen, anders als ihr Name es vermuten ließe, auch der Jurien) als unproblematisch; vgl § 9 Abs 1 KunstFG.
104
     Bestimmungen zur Befangenheit und Compliance finden sich in Punkt 9 und 10 der Geschäftsordnung für
Beiräte und Jurys der Sektion für Kunst und Kultur im Bundeskanzleramt (in Folge: GOBJ) [zuletzt 25.3.2019];
vgl zur Multifunktionalität von Kunstexpertinnen Bosetti in: FS Lynen (FN 34) 360, ua auf die Wechselwirkungen
zwischen öffentlicher Förderung und marktwirtschaftlichem Erfolg hinweisend („Nichts ist erfolgreicher als Er-
folg.“).
105
    Vgl die allgemeine Geheimhaltungspflicht von Beiratsmitgliedern über die ihnen bei der Ausübung ihrer Tä-
tigkeit bekannt gewordenen Tatsachen (Punkt 12 der GOBJ).
106
    ZB allfällige Begründungspflichten für den Fall, dass von der Beiratsempfehlung abgewichen werden soll (dazu
Höfling, Zur hoheitlichen Kunstförderung, DÖV 1985, 387 (395), der ein bloß unverbindliches Vorschlagsrecht
für verfassungsrechtlich bedenklich hält, da das dadurch zum Ausdruck kommende spezifische Unwerturteil einem
unzulässigen „kunstdirigistischen Eingriff“ gleichkomme) oder transparente Verfahrensregeln bzgl der Einholung
von Beiratsempfehlungen. So ist etwa aus den öffentlich zugänglichen Regelungen nicht ersichtlich, ob eingesetzte
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