MYTHOS TOD Das Leben und seine Grenze - Vom Denken und Fühlen Mythos Tod: Was passiert beim Sterben? Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod ...

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MYTHOS TOD Das Leben und seine Grenze - Vom Denken und Fühlen Mythos Tod: Was passiert beim Sterben? Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod ...
HOSPIZBEWEGUNG HERFORD e.V.
                                                         2021 | 7. AUSGABE

   MYTHOS TOD
• Das Leben und seine Grenze – Vom Denken und Fühlen
• Mythos Tod: Was passiert beim Sterben?
• Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod bei Viktor Frankl

                                                                 TEIL 1
MYTHOS TOD Das Leben und seine Grenze - Vom Denken und Fühlen Mythos Tod: Was passiert beim Sterben? Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod ...
GRUSSWORT                                                                                                                                                                         GRUSSWORT

            Liebe Leserin,
            lieber Leser,
            „Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen lachenden Munds. Wenn wir uns mitten         Der Mythos Tod ist ein Thema, was uns alle beschäftigt. Woher kommt der Tod?
            im Leben meinen, wagt er zu weinen mitten in uns.“ Anrührend sind diese Wor-        Und warum sterben wir? Was geschieht nach dem Tod? Diese existentiellen
            te von Rainer Maria Rilke und: geheimnisvoll. Wir können den Tod mit unse-          Fragen beschäftigen die Menschheit seit Anbeginn der Zeit. Und besonders
            rem Verstand nicht fassen, er kann uns überraschen, er wirft viele Fragen auf.      jene Menschen, die sich in ihrem letzten Lebensabschnitt be inden. Für diese
                                                                                                Menschen, die so sehr Hilfe und Unterstützung benötigen, ist die Hospizbewe-
            „Mythos Tod“ unter diesem Thema steht unsere Zeitung „Mittelpunkt Mensch“           gung Herford seit nunmehr 25 Jahren da.
            zum 25jährigen Jubiläum unserer Hospizbewegung. Ein Mythos ist in seiner
            ursprünglichen Bedeutung eine Erzählung. Was also erzählt uns der Tod? Was          25 Jahre, in denen Sie Menschen, die sich in ihrer letzten Lebensphase be in-
            hat er schon unseren Begleiterinnen und Begleitern in diesen 25 Jahren er-          den, und ihren Angehörigen Zeit schenken. 25 Jahre, in denen Sie für diese
            zählt? Wird uns der Tod verständlicher, wenn wir viel mit ihm zu tun haben?         Menschen ein offenes Ohr haben, Ihnen Entlastung und Halt bieten. Die eh-
                                                                                                renamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hospizbewegung stam-
            Es bleibt so, wie Rainer Maria Rilke sagt, der Tod ist größer als unser Verstand,   men aus unterschiedlichen Berufen und Altersgruppen. Sie investieren Teile
            immer sind wir von ihm umgeben, täglich können wir ihm begegnen. Das muss           ihrer Freizeit in die Hospizarbeit. Dafür gebührt Ihnen mein herzlichster Dank
            uns nicht ängstigen, denn wir wissen, dass der Tod zum Leben gehört und dass        - denn das was Sie für die Menschen in unserem Kreis tun, ist nicht selbstver-
            wir eines Tages sterben müssen. Gleichgültig, wann das sein wird, dürfen wir        ständlich.
            darauf vertrauen, dass dann unser Leben erfüllt zu Ende geht, dass wir dann
            ein Leben gehabt haben, in dem es Liebe, Sinn und Not gegeben hat, wie Rai-         Sie achten die Würde eines jeden Menschen, bringen ihm in seinen letzten Ta-
            ner Maria Rilke es von einem erfüllten Leben sagt. Nach einem gelebten Leben        gen Wertschätzung und Zuwendung entgegen und ermöglichen ihm sogar me-
            sterben zu dürfen, ist eine gute Perspektive. Das irdische Leben ist zu Ende,       dizinische und p legerische Hilfe. Das erfordert wahre Stärke und Mut - und
            aber der Tod ist nicht das Letzte, sondern wir dürfen darauf vertrauen, dass        wir alle wissen Ihre Arbeit zu schätzen.
            wir neues Leben geschenkt bekommen bei Gott in seinem Reich. Davon erzählt
            der christliche Glaube. Und auch das gehört zum Mythos Tod.                         Als ambulante Hospizbewegung kommen Sie zu den Menschen. Ob in den
                                                                                                Haushalt, in das Alten- oder P legeheim oder auch in die Klinik. Es freut mich
            25 Jahre sich als Verein mit dem Sterben und dem Tod zu beschäftigen, ist et-       ungemein, dass wir nun auch die stationäre Betreuung sterbender Menschen
            was, was uns reicher gemacht hat, es hat unseren Blick geweitet und es hat          mit einem Hospiz in unserem Kreis weiterentwickeln können. Ein Mensch mit
            Ängste genommen. Unsere ehrenamtlichen Begleiterinnen und Begleiter kom-            einer lebensbegrenzenden Erkrankung bedarf einer umfassenden P lege, Un-
            men aus ganz unterschiedlichen Berufen, sie sind jung oder alt, sie haben Fa-       terstützung und Begleitung, die wir zusammen mit Ihnen bald auch stationär
            milie oder sind alleinstehend, aber alle verbindet das große Thema „Tod und         gewährleisten können. Darüber hinaus gründen wir eine Stiftung, die sowohl
            Sterben“. Ihnen war und ist es wichtig, dem Tod die Schrecken zu nehmen, da         die stationäre als auch die ambulante Hospizarbeit im Kreisgebiet unterstüt-
            zu sein, wenn ein Leben zu Ende geht. Für diesen berührenden und Kräfte zeh-        zen soll.
            renden Dienst, für den Mut, sich immer wieder von Tod und Sterben herausfor-
            dern zu lassen, können wir nicht genug danken.                                      Gemeinsam entwickeln wir die Hospizarbeit in unserem Kreis immer weiter.
                                                                                                Und ich bin froh, dass wir Menschen wie Sie haben, die diese so wichtige Arbeit
            Sehr herzlich bedanke ich mich bei allen Mitarbeitenden, bei den Koordina-          immer gewährleisten.
            torinnen und den Ehrenamtlichen und bei allen, die unsere Arbeit begleiten
            und unterstützen und wünsche unserer Hospizbewegung viel Kraft für ihren            Ich wünsche Ihnen alles Gute und überbringe zu Ihrem Jubiläum zugleich die
            Dienst an schwerkranken und sterbenden Menschen und Gottes Geleit für alle          besten Glückwünsche des Kreistages und der Verwaltung des Kreises Herford.
            Herausforderungen.

            Ihre

            Annette Beer                                                                           Jürgen Müller
            Vorsitzende der Hospizbewegung Herford                                                 Landrat des Kreises Herford

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MYTHOS TOD Das Leben und seine Grenze - Vom Denken und Fühlen Mythos Tod: Was passiert beim Sterben? Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod ...
INHALT

                 INHALT
              EINDRÜCKE AUS DER ARBEIT
         05   Signore: Mar na Althoff
         08   Anders als gedacht: Melanie Kuhlmann

              TITELTHEMA: MYTHOS TOD
         10   8 Mythen
         12   Persönlich: „Der Tod des Vaters“
         14   Psychologisch:
              Das Leben und seine Grenze –

         16
              Vom Denken und Fühlen“
              Medizinisch:
              Mythos Tod: Was passiert beim Sterben?
                                                                                                      Signore
         20   Philosophisch / Existenzanaly sch:
              Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen:    Heute also lerne ich „meinen“ neuen Pa enten ken-       Die Szene, die sich mir bietet, hat wenig – eher rein
              Todesangst als Lebenskra                         nen. Wie immer, wenn ich auf der Pallia vsta on eine    gar nichts – mit der sonst üblichen S lle und gewis-
         26   Fragebogen Max Frisch                            neue Begleitung beginne, so melde ich mich auch heu-    sen mentalen Schwere eines Pallia v-Zimmers gemein
         27   Ein Bild sagt mehr als tausend Worte             te kurz an der Anmeldung und frage nach, ob mein        und ich kann ein plötzlich in mir aufsteigendes Grinsen
         28   Philosophisch / Existenzanaly sch:               Besuch jetzt gerade passe oder ich besser zu einem      nicht unterdrücken.
              Vergänglichkeit macht Sinn:                      anderen Zeitpunkt wiederkommen solle. Nein, gar
              Gedanken zum Tod bei Viktor Frankl               kein Problem, so die Auskun der ne en Pflegerin,         Der Pa ent (in Gedanken nenne ich ihn schon jetzt
         32   Lebensgrenze - Wortbilder über Sterben und Tod   ich könne mich gern gleich vorstellen. Der Pa ent und   „Signore“) sitzt - nein: thront - he ig ges kulierend in
                                                               seine Frau hä en zwar gerade Besuch von einer der       seinem Be . Zu seiner Rechten sitzt eine ältere, kleine
                                                               Töchter, der Physiotherapeut sei auch zugegen, zudem    Dame, zu seiner Linken steht, etwas irri ert blickend,
                                                               noch eine Kollegin und ein Azubi. Aber ich könne mich   ein hochgewachsener Mann mi leren Alters, am Tisch
              MITTELPUNKT MENSCH                               trotzdem gerne dazugesellen, der Pa ent freue sich      erblicke ich eine junge Frau, ihr gegenüber noch eine
                                                               bes mmt über jeden weiteren Besucher.                   Pflegerin samt eingeschüchtert wirkendem Pflege-
         34   Buch pps                                                                                                 Azubi.
         35   Impressum                                        Noch bevor ich an die Zimmertür klopfe, höre ich ein
         36   Veranstaltungskalender                           S mmengewirr, aus dem besonders eine männliche          Auch ich bin, sagen wir – ein wenig zögerlich – und fra-
         37   Was wir tun                                      S mme hervors cht. Nachdem auf mein Klopfen ein         ge vorsichtshalber noch einmal nach, ob mein Besuch
         38   Mitgliedscha serklärung                          ermunterndes „Jaaaa bi ä ...!“ ertönt, öffne ich ge-     zu diesem Zeitpunkt denn nun wirklich passend sei.
         39   Danke                                            spannt die Tür.                                         Signore schme ert mir sogleich freundlich entgegen:

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MYTHOS TOD Das Leben und seine Grenze - Vom Denken und Fühlen Mythos Tod: Was passiert beim Sterben? Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod ...
EINDRÜCKE AUS DER ARBEIT                                                                                                                                                                                     EINDRÜCKE AUS DER ARBEIT

„Siescher, siescher – treten Sie doch bi ä geeernee ein,   Tochter, entsetzt: „Oh nein, Pappa, nein!! Du weißt             lem Umfang bewußt wird, dass wir immerhin noch Sig-          „Frau Mar na“, fragte er leise, „würdene Sie miche au-
Gnädigste!“ Die he ige Ausholbewegung seiner Arme          doch: RICHTIGE Spaghe macht nur Mamma! Die Spa-                 nores Menuewahl für Mi woch, Donnerstag und Frei-            che inne Lübbäckä besuche?“ Ich bejahte und freute
unterstreicht diese Aufforderung auf eindeu ge Weise.       ghe , die du hier bekommen wirst, werden auf garrr              tag vor der Brust haben.                                     mich, dass er sich freute.
                                                           keinen Fall al dente sein ...!“
Ich trete an sein Be und reiche ihm die Hand. Er sieht                                                                     Er zuckt etwas nervös, räuspert sich kurz, ra sich dann      Dort besuchte ich ihn noch zweimal. Bei meinem letzten
mir ef in die Augen und erklärt: „Ich musse sterbe.“ Ich   Ehefrau: schaut erschrocken, da sie kein Deutsch ver-           jedoch auf und fragt entschlossen nach, ob er besser         Besuch ging es ihm sehr schlecht. Die gesamte Famiglia
erwidere: „Ich auch.“ Der Bann ist gebrochen und wir       steht, dem Tonfall jedoch durchaus die Brisanz ent-             später noch einmal wiederkommen solle ...? Auch Pfle-         war im Zimmer versammelt. Ich wurde aufgenommen,
müssen beide laut lachen.                                  nimmt, die sich soeben entzündet hat.                           gekra und Azubi scheinen ihren Feierabend in weite           als sei auch ich ein Teil davon. Einige Zeit saß ich an sei-
                                                                                                                           Ferne gerückt zu sehen und schicken sich daher emsig         nem Be . Er drückte meine Hand ein letztes Mal.
Die ältere Dame an Signores rechter Seite scheint seine    Signore: „Ja, mia cara, du haste natürrrlische Rächte –         an, den Rest der Menue-Woche möglichst reibungslos
Ehefrau zu sein. Bei dem Mann mi leren Alters handelt      wie konnte ich das nur vergessene, eh? Was hällste due          und ohne größere Zwischenfälle zügig abzuarbeiten...         Auf dem Heimweg gingen mir noch einmal unsere Ge-
es sich – wie ich dem Namensschild an seinem Shirt         davohne, wenn ich beställe das Geflügälle mit Reis??“                                                                         spräche durch den Kopf - die Eindrücke und Erzählun-
entnehme – um einen Physiotherapeuten. Die junge                                                                           Ich erzähle dieses erste Aufeinandertreffen mit Signore       gen, die ich dabei aus seinem Leben mitnehmen dur e.
Frau zu Füßen von Signores Thron ist wohl eine seiner      Tochter, konsterniert: „Pappa, bedenke bi e: dieser,            so ausführlich, weil es bezeichnend für ihn ist. Er wußte    Das genau ist es, dachte ich, was wir aus den jeweiligen
Töchter; das passt jedenfalls zu den Vorabinfos über Si-   nun ja, eh ... Reis ... - ... wird nicht der Riso o sein, den   genau, wie es um ihn bestellt war und wir haben offen         Biografien der Menschen, die wir begleiten, geschenkt
gnores Familienkonstella on, die ich vorab von Susan-      du gewohnt bist .... also .... eh ...???“                       und ohne Umschweife darüber reden können. Schwer-            bekommen. Und daraus schöpfen für unseren eigenen
ne bekommen habe.                                                                                                          mut machte sich nicht breit, sta dessen Pragma s-            Lebensweg.
                                                           Ehefrau: irri ert, es folgt eine Beratung der Lage auf ita-     mus. Er zog es eben vor, sein Schicksal anders zu ver-
Wie sich nun herausstellt, sind Krankenschwester und       lienisch.                                                       arbeiten.                                                                                       Text: Mar na Althoff
Azubi gerade dabei, Signores Menuewahl für die kom-                                                                                                                                            Begleiterin bei der Hospizbewegung Herford e.V.
mende Woche aufzunehmen.                                   Signore: „S mmtä – das kanne iche unmögliche bestel-            Fortan nannte er mich „Frau Mar na“, erzählte mir gut-
                                                           lä ... und diese modärrrnä vegätarrrischä Krimsekramse          gelaunt und humorvoll von Sizilien, wo er geboren und
Ich ziehe mich also vorerst in die hintere, noch einzig    sowieso nikt ....“                                              aufgewachsen war. Mit einem Augenzwinkern riet er
freie Zimmerecke zurück und wohne dem weiteren Ge-                                                                         mir jedoch dringend davon ab, jemals dorthin zu rei-
schehen erstmal aus sicherer Deckung heraus als Zu-        Tochter, besän igend: „Pappa, nimm die Rouladen –               sen. Auf der Insel herrsche absolutes Chaos, weil die
schauer bei.                                               das wird recht gutes Fleisch sein ....“                         Sizilianer grundsätzlich keinerlei Disziplin hä en, stets
                                                                                                                           ausschließlich bei Rot über die Ampel führen und sich
Die Pflegerin verliest nun mit wich ger Miene die für       Signore, ergänzend: „... unde die Kartoffelle werdene            generell der Mafia unterwürfen: Sicilia è molto läää-
die Folgewoche zur Auswahl stehenden Menue-Ange-           sie schone irgendewie hinkriegene ...“ Er lächelt zuver-        bensgefäääährrrlisch!
bote. Wir sind bei Dienstag:                               sichtlich.
                                                                                                                           Er hingegen sei nach mi lerweile 47 Jahren in Deutsch-
1. Geflügel-Geschnetzeltes auf Reis im Gemüsekranz,         Uff.                                                             land im Grunde seines Herzens ein typischer Deutscher,
2. Rinderroulade mit Kartoffelklößen & Rotkohl, 3. Spa-                                                                     der auf Pünktlichkeit, Ordnung und Disziplin setze. Sei-
ghe -Bolognese und kleine Sala-tbeilage, 4. vegetari-      Erleichterung macht sich in den Reihen der Anwesen-             ne freundliche Frau wohnte mit in seinem Zimmer auf
scher Gemüseauflauf mit Pfiff.                                den breit – immerhin: der Dienstag ist unter Dach und           der Pallia vsta on, hielt sich jedoch meistens schüch-
                                                           Fach. Jetzt aber fix hin zu Mi woch, denke ich besorgt,          tern im Hintergrund. Wie schön, dachte ich, dass die
Es stehen somit bedeutende Überlegungen an, denn           damit Signore nicht etwa noch auf die Idee kommt, sei-          beiden diese Möglichkeit des intensiven Zusammen-
die rich ge Essenswahl will selbstverständlich sorgsam     ne Dienstag-Entscheidung zu revidieren.                         seins in der ihnen noch verbleibenden Zeit ha en.
abgewogen, mit der Famiglia umfassend eruiert und
naturallemente überhaupt nicht übers Knie gebrochen        Nicht auszudenken, welche betriebswirtscha lichen               Eines Tages erzählte mir Signore, dass ein Zimmer im
werden. Aber glücklicherweise sind ja Signores Ehefrau     Kosten das nicht nur im Physio-Studio, nein, sogar im           Hospiz in Lübbecke für ihn und seine Frau zur Verfü-
samt Tochter zugegen und stehen Signore somit bera-        gesamten Klinikum zur Folge hä e. Nicht zu vergessen            gung stünde und sie demnächst dorthin gebracht wür-
tend zu Seite.                                             den möglichen Arbeitgeber der Berater-Tochter.                  den. Zum ersten Mal schaute er mich traurig und ernst
                                                                                                                           an. Der Begriff „Hospiz“ machte ihm Angst, denn für ihn
Signore: „Was meinste due, Tochter, auf Spaghe    hä e     Den bis eben noch geduldigen Physio scheinen jetzt              war klar, dass dort sein letzter Aufenthalt auf Erden sein
ich mal wieder Appe to ....“                               ähnliche Gedanken zu plagen, da ihm nun wohl in vol-            würde.

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MYTHOS TOD Das Leben und seine Grenze - Vom Denken und Fühlen Mythos Tod: Was passiert beim Sterben? Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod ...
EINDRÜCKE AUS DER ARBEIT

                                        Ich war sehr gespannt, was mich bei meiner ersten            Es waren sehr schöne, aber auch herausfordernde Be-
                                        Sterbebegleitung erwarten würde. Mit der umfangrei-          gegnungen. Es hat mich sehr beeindruckt, wie Frau T.
                                        chen Ausbildung und dem Austausch mit den anderen            mit der Krankheit umging, wie sie trotz der Schmerzen
                                        Begleiterinnen und Begleitern war ich ja gut darauf vor-     und Einschränkungen die Hoffnung und ihren Humor
                                        bereitet. Aber wenn es dann ernst wird, ist es ja doch       behielt, wie sie sich ihren Ängsten und auch allen an-
                                        noch mal was anderes. Ich ha e im Vorfeld versucht,          deren Gefühlen stellte, wie sie e raurig und zuweilen
                                        mir ein Bild davon zu machen – zumindest vom ersten          bi er sein konnte und auch wieder etwas fand, wofür
                                        Treffen: Worüber man wohl spricht und wie man in              sie dankbar war oder worüber sie schmunzeln konnte.
                                        Kontakt kommt. Ob man überhaupt in Kontakt kommt.
                                                                                                     All das hä e ich mir im Vorfeld nie ausdenken kön-
                                        Und dann kam Frau T.: Eine ganz feine, alte Dame mit         nen. Genauso wenig, wie das Ende der Begleitung. Ihr
                                        fortgeschri ener Krebserkrankung. Wir lernten uns auf        Wunsch, wieder zurück in ihre Wohnung zu können, er-
                                        der Pallia vsta on kennen. Sie ha e noch Hoffnung,            füllte sich nicht mehr. Wir haben auch keinen Ausflug
                                        wieder nach Hause zu kommen. Sie empfing mich mit             mehr gemacht. Dafür erfüllte sich ein anderer Wunsch,
                                        der Frage, was ich mir denn das Gewäsch einer alten          den sie ha e: Wenn es nicht mehr besser würde, soll-
                                        Tante wie ihr anhören wollte?! Ob ich mir das gut über-      te es zumindest schnell gehen. Das tat es: Als klar war,
                                        legt hä e. Dabei lächelte sie verschmitzt und das, was       dass sie nicht mehr nach Hause konnte, ist sie in ein
                                        in ihren Augen „Gewäsch“ war, entpuppte sich als sehr        Hospiz im Ruhrgebiet umgezogen, wo sie zwei Wochen
                                        bewegende Lebensgeschichte einer lebenstüch gen,             später starb. Dort ha e sie einen Teil ihrer Familie in
                                        charmanten und starken Frau.                                 der Nähe.

                                        Sie erzählte aus ihrem Leben – von einer eigenwilligen,      Ich erfuhr von dem Umzug erst, als sie schon im Hos-
                                        jungen Frau, einer großen Liebe, dem frühen Verlust ih-      piz war. Wir haben dann noch einmal telefoniert – ihre
                                        rer Tochter, die keine 20 Jahre alt wurde, und wie die       Nichte ha e für uns die Verbindung geschaffen. Frau T.
                                        große Liebe an dem Verlust der Tochter zerbrach. Sie         wollte es sich nicht nehmen lassen, sich zu verabschie-
                                        erzählte von einer Familienbande, die zwar groß und          den und sich zu bedanken: Die Begleitung sei ein Ge-
                                        immer noch da ist, aber zu weit weg und verstreut über       schenk gewesen – vor allem, dass sie ihre Geschichte
                                        ganz Deutschland. Von einer ungewöhnlichen Wohnge-           noch einmal jemandem erzählen konnte, der sie nicht
                                        meinscha einer alten Dame und einigen Studierenden,          kannte. Uns blieb die Frage, wie man ein Telefonat be-
                                        die es ihr ermöglichten, noch lange trotz der abneh-         endet, von dem man weiß, dass es das letzte sein wür-
                                        menden Krä e in ihrem geliebten Haus zu leben und            de. Es schmerzte, aber ich war froh, ihr noch alles Gute
                                        den großen Garten zu genießen. Inzwischen wohnte sie         für das letzte Stück des Wegs wünschen zu können,
                                        in einer kleinen 2-Zimmer-Wohnung in der Innenstadt.         wenn ich schon nicht da sein konnte.
                                        Wie weit die Wohngemeinscha zurücklag, konnte ich            Text: Melanie Kuhlmann
                                        nicht rauskriegen – und ist ja eigentlich auch egal – ihre
                                        Erinnerungen daran waren jedenfalls so lebha , als hät-
                                        te sie dort noch vor zwei Wochen gewohnt.

                                        Ich war jedes Mal gespannt, wenn ich sie besuchte, und
                                        habe in den paar Wochen, die ich sie begleiten dur e,
                                        ganz unterschiedliche Face en von ihr kennengelernt.
                                        Mal haben wir herzlich über alte Geschichten gelacht,
                                        mal die frühen Verluste betrauert. Mal ging es um ge-

    Anders als gedacht –                meinsame Pläne – wie einen Ausflug mit dem Auto
                                        und dass sie mir ihre Wohnung zeigen wollte – und mal
                                        sprach sie über ihre Angst vor dem Sterben. Manchmal            Melanie Kuhlmann

die Erfahrung einer ersten Begleitung   all das innerhalb derselben halben Stunde.                      Begleiterin bei der Hospizbewegung Herford e.V.

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MYTHOS TOD Das Leben und seine Grenze - Vom Denken und Fühlen Mythos Tod: Was passiert beim Sterben? Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod ...
TITELTHEMA: MYTHOS TOD                                                                                                                                                                          TITELTHEMA: MYTHOS TOD

     ACHT MYTHEN
                                                                                                                                   4)) Heißt Sterbebegleitung in
                                                                                                                                                              in dder Hospizarbeit und Palliativ-
                                                                                                                                   versorgung
                                                                                                                                   v
                                                                                                                                   ve
                                                                                                                                    errssorgung auch Sterbehilfe?
                                                                                                                                   Nein
                                                                                                                                   Nein.
                                                                                                                                       n. Die
                                                                                                                                          Diie Hospizbewegung
                                                                                                                                          D    Hosp
                                                                                                                                               Ho spiizzb
                                                                                                                                                        beewegung bejaht das Leben
                                                                                                                                                                               Leb und engagiert sich für die Verbesserung
                                                                                                                                   und Erhaltung
                                                                                                                                          haltung derr Lebensqualität
                                                                                                                                        Erh                Leebensqualität von schwerstkranken
                                                                                                                                                                               sch              und sterbenden Menschen.
                                                                                                                                   Dies schließt Tötung  ng auf Verlangen und Beihilfe
                                                                                                                                                         ng                     B       zur Selbs ötung aus. Vielmehr bietet
                                                                                                                                   die pallia ve Versorgung und hospizliche Begleitung ak ve Hilfe für ein würdevolles
                                                                                                                                   Leben bis zuletzt. In den    n meisten
                                                                                                                                                                  m isten Fällen möchten
                                                                                                                                                                  me             m        Sterbende ihre Zeit auskosten. Sie
                                                                                                                                   möchten
                                                                                                                                   mööchten dabei möglichst frei   frei von Schmerzen,
                                                                                                                                                                   fre
                                                                                                                                                                   fr       Schme      Angst und anderen Beschwerden sein.
                                        1) Woran merkt man, dass es jetzt so weit ist?                                             Dies zu gewährleisten, ist das Ziell der de Hos
                                                                                                                                                                            de Hospizarbeit und Pallia vversorgung.
                                        Der Verlauf des Sterbens ist sehr individuell – so wie der sterbende
                                        Mensch selbst. Es gibt jedoch einige Anzeichen, dass der Tod naht:
                                        Die Atmung verändert sich und die Phasen, in denen man wach ist,             5) Wie
                                                                                                                         i llange d
                                                                                                                                  darff man iim Hospiz
                                                                                                                                                    i bleiben?
                                                                                                                                                       bl ib   Muss man wieder
                                        werden kürzer. In den letzten Stunden sind die meisten Sterbenden            gehen, wenn man nicht „rechtzeitig“ stirbt?“
                                        nicht mehr bei Bewusstsein.                                                  Die meisten Gäste sind für einige Wochen oder auch nur für Tage im Hospiz. Eine Ärz n
                                                                                                                     oder ein Arzt und der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) müssen eine
                                                                                                                     sta onäre Hospizversorgung befürworten. Voraussetzung für die Aufnahme ist eine le-
                         2) Tut Sterben weh?                                                                         bensverkürzende Erkrankung, bei der eine Heilung ausgeschlossen ist. Die Einschätzung
                         Ein Sterben ohne Schmerzen wünschen sich eigentlich alle Menschen. Dies ist                 der Lebenserwartung durch die Ärz n beziehungsweise den Arzt ist natürlich schwierig.
                         leider nicht immer der Fall. Insbesondere bei Tumorerkrankungen treten häufig                Es kommt daher auch vor, dass Hospizgäste sehr lange im Hospiz leben. Manchmal ver-
                         verschiedene Schmerzformen auf. Eine gute Pallia vversorgung ermöglicht heute               bessert sich ihr Allgemeinzustand aber auch so, dass sie (vorübergehend) nach Hause
                         eine wirksame Schmerztherapie, die eine zufriedenstellende Linderung erreichen              entlassen werden können.
                         kann. Auch andere körperliche Symptome wie Übelkeit, Unruhe, Atemprobleme
                         oder Ängste kann die Pallia vmedizin heute gut behandeln, damit die Lebensqua-
                         lität möglichst lange erhalten bleibt.
                                                                                                                                6) Stimmt es, dass die meisten Menschen dann sterben,
                                                                                                                                wenn gerade niemand bei ihnen ist?
                                                                                                                                Es gibt keine genauen Zahlen dazu, aber einige Hospiz- und Pallia vmitarbeiterinnen
                                3) Stimmt es, dass Tote sofort vom Bestattungs-                                                 und -mitarbeiter berichten, dass viele Menschen genau dann sterben, wenn gerade
                                unternehmen abgeholt werden müssen?                                                             alle aus dem Raum gegangen sind. Für Angehörige ist das o schwer, da sie das Gefühl
                                Nein. Wenn der Tod eingetreten ist und von einer Ärz n oder einem                               haben, diesen wich gen Moment nicht mit der oder dem Sterbenden geteilt zu haben
                                Arzt festgestellt wurde, hat man mindestens 36 Stunden Zeit, ein                                – vielleicht weil sie es versprochen ha en. Es kann aber gut sein, dass es für manche
                                Besta ungsins tut einzuschalten. Da das Besta ungsrecht Angele-                                 Menschen leichter ist, das eigene Leben loszulassen, wenn sie einen Moment allein
                                genheit der Bundesländer ist, gibt es hier kleine Unterschiede. Eine                            sind. Manchmal scheint es so, als würden sie genau diesen Moment abwarten.
                                bundesweite gesetzliche Vorschri , dass ein Besta ungsunternehmen
                                eingeschaltet werden muss, exis ert nicht. Allerdings dürfen nur
                                                                                                               7) Verhungert oder verdurstet man, wenn man in der Sterbe-
                                Besta erinnen oder Besta er Verstorbene transpor eren. Bereits
                                                                                                               phase nicht mehr essen und trinken kann, aber keine künstli-
                                zu Lebzeiten kann es sinnvoll sein, sich ein Besta ungsunternehmen
                                seines Vertrauens zu suchen. Hierbei kann man auch besprechen,                 che Ernährung bekommt?
                                welche Aufgaben später das Besta ungsins tut übernehmen soll und               Nein. In der Sterbephase braucht der Körper weniger Flüssigkeit und wenig Nahrung.
                                was Angehörige lieber selbst erledigen. Unabhängig vom Sterbeort               Ein Leitspruch in der Hospizarbeit und Pallia vversorgung besagt, dass man nicht
                                kann der verstorbene Mensch auch nach Hause oder an den Ort sei-               deshalb s rbt, weil man nicht isst, sondern nicht isst, weil man s rbt. Die künstliche
                                nes Lebensmi elpunktes gebracht werden, um das Abschiednehmen                  Ernährung über Sonden oder Infusionen ist o sogar unpassend, da sie den Körper mit
                                zu gestalten. Tradi onell werden Verstorbene zu Hause o in einem               zusätzlicher Stoffwechselarbeit belastet, die er nicht mehr leisten kann.
                                Sarg oder im eigenen Be aufgebahrt.

                                                                                                                                         8) Darf man Tote anfassen?
                                                                                                                                         Ja. Es ist ein Mythos, dass Leichen »gi ig« sind. Zum Abschied können Tote genauso
                               Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.):                                 berührt werden, wie man sie auch als Lebende berührt hat. Einen nahen Menschen
                               „Letzte Wege. Wenn das Leben Abschied nimmt. Magazin zur Hospizarbeit
                               und Pallia vversorgung.“ Juni 2019, S. 26 - 27                                                            nach dem Tod zum Abschied zu küssen, ist ebenfalls nicht gesundheitsschädlich.

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MYTHOS TOD Das Leben und seine Grenze - Vom Denken und Fühlen Mythos Tod: Was passiert beim Sterben? Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod ...
TITELTHEMA: MYTHOS TOD                                                                                                                                                                                    TITELTHEMA: MYTHOS TOD

             Der Tod des Vaters                                                                                         heit da. Der, der ihn hoch auf den Schultern getragen,
                                                                                                                        der ihn durch die Lu gewirbelt, der ihm wunderbare
                                                                                                                        Geschenke mitgebracht ha e, der, der sich unendlich
                                                                                                                                                                                    rierte, wenn er seine innere Kra über die Hand in den
                                                                                                                                                                                    Körper des Vaters fließen ließ, wurde er ruhiger. Franz
                                                                                                                                                                                    sah, wie er sich entspannte, wie er weniger kämp e.
                                                                                                                        freuen konnte, wenn es seinen Kindern gut ging. Immer       Aber nach einiger Zeit begann er wieder hek sch nach
 Fern von Zuhause erreichte Franz die Nachricht vom          aus der Tiefe seiner Seele. Er wollte ihn re en, wollte    neue Bilder tauchten auf, Bilder vom Vater, der die Na-     Lu zu schnappen, in all seiner Not versuchte er, etwas
 bedrohlichen Zustand seines Vaters: „Es kann sein, dass     ihn erhalten, er wollte noch mit ihm reden, sein Lachen    men der Hauptstädte aller Länder der Welt kannte, der       zu sagen, er stöhnte, er riss den Mund weit auf, sein At-
 er nicht mehr lange lebt, du musst kommen.“ Sofort          sehen, seine Hand halten, wollte einfach noch eine Zeit    alte Balladen vortrug und packend von seiner Kindheit       men setzte aus. Nur durch den starken Druck, den Franz
 machte sich Franz auf und fuhr die 500 Kilometer lange      lang mit ihm zusammen sein. Er rief durch den Äther, er    erzählen konnte, der mit seiner Tenors mme fast wie         in die Hand des Vaters gab, kam die Atmung wieder zu-
 Strecke in einem durch.                                     schrie, er glaubte fest daran, ihn zu erreichen: „Bi e“,   ein Profi sang. „Papa, Papa, Papa“ rief Franz wieder laut    rück. Ihm war, als läge das Leben des Vaters in seinem
                                                             rief er, „bi e geh noch nicht, bleib noch, du musst noch   vor sich hin. Sein Rufen war wie eine Beschwörung, wie      Handeln. Er spürte die Wechselwirkung zwischen den
 Beim Fahren musste er sich immer wieder dazu brin-          bleiben, bi e, bi e, bi e!“                                ein Appell, der durch den Äther gehen und den Ster-         Körpern, spürte, wie er den Vater mit Mühe am Leben
 gen, die Konzentra on auf die Fahrt zu lenken. Das Bild                                                                benden erreichen sollte. „Papa, Papa, warte auf mich,       hielt und wusste nicht, wie lange er das noch schaffen
 des Vaters ha e ihn voll im Besitz. Es war nicht das Bild   Alle Auseinandersetzungen, alle Dispute, Streitereien      bi e, warte auf mich, ich bin bald da, ich komme, ja, ich   konnte. „Papa. Papa, Papa.“ Franz konnte die Spannung,
 des leidenden, des alten Vaters. Nein – er sah einen la-    und Kränkungen, die er mit ihm ausgetragen ha e, die       komme! Bi e geh noch nicht.“                                die sich in ihm gestaut ha e, kaum noch ertragen, er
 chenden, einen Draufgänger, einen der sang und lus g        fast immer ihr Verhältnis bes mmt ha en, waren wie                                                                     heulte, er erlebte die Schwelle vom Leben zum Tod. Er
 war. Und in Franz war ein Drang, ein Au rag, ein Befehl     verflogen. Plötzlich war nur noch der Vater seiner Kind-    Immer in Richtung Heimat. Franz staunte, wie schnell er     spürte sie ganz deutlich. Die Hand des Vaters wurde im-
                                                                                                                        voran kam, er nahm den Fahrtverlauf kaum wahr, sah          mer kra loser und trotzdem drückte Franz weiter seine
                                                                                                                        nur die Hinweisschilder zu den großen Städten. Sein         Hand, versuchte ihn zu erhalten, wollte ihn nicht ster-
                                                                                                                        Mund war trocken und der Körper steif und in sich ge-       ben lassen. Die Mu er stellte sich hinter Franz, sie legte
                                                                                                                        fangen. Franz fühlte sich wie eingeschnürt. Alle Gedan-     ihre Hände auf seine Schultern und sagte zu ihm: „Es ist
                                                                                                                        ken drehten sich um ihn, um den Vater.                      genug, du hast das gut gemacht, jetzt kann er sterben.“
                                                                                                                                                                                    Ihre Worte waren für Franz wie eine Erlösung. Er küsste
                                                                                                                        Im Tal das Dorf. Endlich angekommen. Er rannte zur          den Handrücken des Vaters und ließ danach die Hand
                                                                                                                        Haustür, eine Schwester öffnete, alle andern waren           los. Noch einmal rang der Vater um Lu , er mobilisierte
                                                                                                                        auch da. „Er lebt noch!“ Franz umarmte die Mu er. Sie       seine letzten Krä e. Dann sackte er zusammen. S ll lag
                                                                                                                        war ruhig und gab ihm ein ernstes Lächeln. „Gut, dass       er da, bewegungslos, friedlich.
                                                                                                                        du da bist.“ Er grüßte alle Schwestern und setzte sich
                                                                                                                        ans Be des Vaters. Der Vater atmete schwer, er atmete       Wie stumm alle waren. Und fast so bewegungslos wie
                                                                                                                        viel zu schnell, er kämp e, kämp e gegen sein Ende.         der tote Vater. Die Zeit stand s ll. Sprachlos verharrten
                                                                                                                        Franz sah, dass er nicht sterben wollte, er wollte sich     die Anwesenden an ihren Plätzen. Zagha gingen die
                                                                                                                        erhalten, wollte sich aus der Not re en. Dicke Schweiß-     Blicke von einem zum andern. Die Mu er schloss die
                                                                                                                        perlen standen auf seiner S rn. Die Mu er trocknete         Augen des Toten. Alle umarmen sich, weinten und spü-
                                                                                                                        sie ab und kühlte mit einem kalten Tuch seinen Kopf.        rten ihre Kra losigkeit.
                                                                                                                        Der Körper des Vaters war in starker Bewegung, sein
                                                                                                                        Brustkorb ging auf und ab. Seine trüben Augen suchten       Franz ging zum Auto und holte seine Reisetasche ins
                                                                                                                        den Kontakt zu Franz. Schwach, irgendwie verschwom-         Haus. Es war für ihn so, als ob die Reise erst zu diesem
                                                                                                                        men, schon etwas aus der Welt sah der Vater Franz an.       Zeitpunkt beendet gewesen wäre. Alle saßen am Kü-
                                                                                                                        Er erkannte seinen Sohn, er lachte. Ganz leise und weit     chen sch und waren wie aus der Gegenwart gefallen.
                                                                                                                        weg sah Franz sein Lachen. Ein müdes Lachen, fern und       Das Schweigen verband sie. Nach einiger Zeit durch-
                                                                                                                        doch so schön. Franz weinte. Die Tränen quollen hervor,     brach die Mu er die S lle und fragte ihre Kinder, ob sie
                                                                                                                        liefen über seine Wangen. Zwischen dem schweren At-         Hunger hä en.
                                                                                                                        men und dem Pfeifen der Lu hörte Franz, wie der Vater
                                                                                                                        versuchte, seinen Namen auszusprechen. Franz beugte
                                                                                                                        sich über ihn und streichelte seine Wangen. Der Vater
                                                                                                                        reagierte mit noch intensiverem Atmen, er atmete nur        Der Autor dieses Beitrags möchte anonym bleiben.
                                                                                                                        noch ein, dachte Franz, nicht mehr aus. Sein Stöhnen        Er freut sich über Reak onen an die Herausgeber der
                                                                                                                        und seine mühsam ausgestoßenen Töne waren wie Hil-          Zeitschri .
                                                                                                                        ferufe. Franz hielt die Hand des Vaters, er spürte sein
                                                                                                                        Halten, sein Klammern. Wenn er sich auf ihn konzent-

12                                                                                                                               Mi elpunkt Mensch          7. AUSGABE                                                                     13
MYTHOS TOD Das Leben und seine Grenze - Vom Denken und Fühlen Mythos Tod: Was passiert beim Sterben? Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod ...
TITELTHEMA: MYTHOS TOD                                                                                                                                                                                                      TITELTHEMA: MYTHOS TOD

                                                                                                                                   Immer alles in Bewegung. (…) Dieses Meer zu sehen ist für        Inbeziehungtreten mit der Welt und mit der Grenze des Le-
                                                                                                                                   mich seitdem das Herrlichste, was es in der natürlichen Welt     bens (Geheimnis) brauchen wir die Wahrnehmungsfähigkeit
                                                                                                                                   gibt. Es ist das Meer, weil immer im Wandel, weil immer in       des fühlenden Selbst, das weitgehend unbewusst arbeitet.
                                                                                                                                   der großen Ordnung des Unendlichen, wie ein Spiegel des          Es ist aber deshalb auch in der Lage, Wirklichkeit umfassen-
                                                                                                                                   Lebens und des Philosophierens. Alles Feste, herrlich geord-     der und vernetzter zu erfühlen als der Verstand zu erkennen
                                                                                                                                   nete, das Wohnen, das Geborgensein, unentbehrlich. Dass          in der Lage ist. Die Fühlfunk on des Selbst ist auch eine Art
                                                                                                                                   es aber dies andere gibt, die Unendlichkeit des Meeres, das      Ra onalität. Sie ist nicht unvernün ig, sondern erfasst und
                                                                                                                                   befreit gleichsam, das bringt uns dorthin, wo alle Fes gkeit     verarbeitet Informa onen im Gegensatz zum bewussten Ich
                                                                                                                                   au ört aber wir nicht ins Bodenlose sinken, sondern in das       nicht bewusst linear, d. h. Schri für Schri , sondern intui v
                                                                                                                                   unendliche Geheimnis.“                                           gleichzei g (Parallelverarbeitung). Deshalb kann das fühlen-
                                                                                                                                                                                                    de Selbst in einem bes mmten Moment viel mehr erfassen
                                                                                                                                   Und darauf kommt es jetzt an. Dass man die Grundstruktur         als das denkende Ich.
                                                                                                                                   des Lebens erfasst: „Alle Dinge kann man doppelt betrachten:

Das Leben und seine Grenze -                                                                                                       als Faktum und als Geheimnis“ (Hans Urs von Balthasar). An
                                                                                                                                   dieser Stelle lohnt es sich innezuhalten. Faktum und Geheim-
                                                                                                                                   nis, das sind genau die beiden Bezugswörter, die seit jeher
                                                                                                                                                                                                    Der zehnjährige Junge hat sich seine Erfahrung mit dem
                                                                                                                                                                                                    Abendhimmel nicht erdacht, sondern intui v fühlend erfasst.
                                                                                                                                                                                                    Karl Jaspers hat seine Erfahrung mit dem Meer nicht erdacht,

 Vom Denken und Fühlen                                                                                                             im Mi elpunkt der menschlichen Reflexion stehen. Denken
                                                                                                                                   und Fühlen, Kopf und Herz, logisches Denken und ganzheit-
                                                                                                                                   liches Fühlen. Und immer kippt es mal zur einen Seite, mal
                                                                                                                                                                                                    sondern ef empfunden. Und diese Erlebnisse, Erfahrungen
                                                                                                                                                                                                    und Informa onen bilden einen tragenden Grund für das
                                                                                                                                                                                                    weitere Leben. Ohne solche Erfahrungen können Menschen
                                                                                                                                   zur anderen Seite. Einmal soll das Leben erfassbar sein durch    eigentlich gar nicht leben. Rein ra onales Denken vermag
                                                                                                                                   reines Denken, dann wiederum durch reines Fühlen. Aber es        sich nicht im Geheimnis zu verankern, es ist notwendigerwei-
                                                                                                                                   ist beides, das ra onale abstrakte und von Gefühlen distan-      se auf die Zuflüsterungen des fühlenden Selbst angewiesen.
                                                                                                                                   zierte und manchmal abgekoppelte Denken und dann das             Denken und Fühlen sollen zusammenarbeiten und sich ge-
                                                                                                                                   ganzheitliche Fühlen, das die Wirklichkeit nicht in scharf ab-   gensei g ernst nehmen und wertschätzen, sonst bleibt die
Man möchte gerne in Ruhe gelassen werden mit diesem The-         Als der zehnjährige Junge auf der Straße vor dem Haus an          gegrenzten Begrifflichkeiten erfasst, sondern in Bildern, die      Erfahrung unreflek ert und das Denken gefühl- und subs-
ma, diesem unausweichlichen Ereignis der Sterblichkeit, das      einem milden, warmen, sommerlichen Abend mit anderen              mit S mmungen und Emo onen verbunden sind. Beides sind           tanzlos.
allen Menschen widerfahren wird und bei einem selbst nicht       Kindern spielte, erblickte er mit Staunen den Himmel über         wich ge und gül ge Erkenntnisformen des Lebens und bei-
einmal eine einzige Ausnahme machen will. Man möchte in          ihm, der sich in ein feuriges Rot verwandelt ha e. Eines der      de Erkenntnisformen sollten miteinander im ständigen Aus-        Ein Verhältnis zur Grenze und zum Geheimnischarakter des
Ruhe gelassen werden mit diesem Bewusstsein der Endlich-         Kinder sagte: Die Engel backen Brot! Die kindliche Seele, die     tausch sein. Es ist nicht das eine oder das andere, es ist das   Lebens zu finden gelingt nur, wenn das Denken und Fühlen
keit, das einem den Lebenssinn aus den Adern herausfließen        ganz offen war, fühlte Wohlsein, Verbundenheit und efs-            Zusammenspiel von Verstand und Gefühl, welches ein ganzes        zusammenarbeiten, wenn das bewusste Ich und das intui ve
lässt. Man möchte in Ruhe gelassen werden, um einfach            tes Vertrauen, das jede noch so en ernte Zelle des Körpers        Bild von Realität und Wirklichkeit formt.                        Selbst freundscha lich verbunden sind.
nur leben zu können. — Doch das ist nicht möglich! Deshalb       berührte. Das Kind war sich gewiss: Hier geht nichts mehr                                                                          Konkret bedeutet das, dass man neben dem bewussten
nicht, weil uns das Leben mit diesem Thema ständig konfron-      schief, hier ist alles gut, hier kann ich sein. Zwischen Himmel   In der Persönlichkeitstheorie (PSI-Theorie) von Julius Kuhl,     Leben, ein Verstehen für intui ve Fühlprozesse bekommt.
  ert. Deshalb nicht, weil es auch nicht klug ist, etwas, was    und Erde gab es eine ganz natürliche Verbindung. Das Himm-        die er in den letzten 30 Jahren hochdifferenziert ausgearbei-     Dann, und eigentlich nur dann, gelingt es, einen Bezug zum
sich immer wieder aufdrängt, einfach zur Seite zu schieben.      lische war schon im Irdischen fühlbar.                            tet hat, wird das Denken und Fühlen den Begrifflichkeiten von      Urvertrauen zu bekommen und der Angst ins Gesicht zu la-
Es stellt sich uns doch wieder in den Weg.                                                                                         Ich und Selbst zugeordnet. Man spricht auch vom denkenden        chen. Nur so wird es gelingen die Grenze des Lebens als Ge-
                                                                 Der Philosoph Karl Jaspers (1883 - 1969) erinnert seine Kind-     Ich und vom fühlenden Selbst. Ich und Selbst beziehen sich       heimnis zu erleben und auf eine Kon nuität des Lebens auch
Das, was unheimlich ist, macht Angst. Das, was uns nicht ver-    heit in ähnlicher Weise. Aufgewachsen mit dem Meer in             auf Funk onsunterschiede zwischen der linken und rechten         jenseits der Grenze des Todes zu vertrauen.
traut ist, macht uns unsicher. Alles, was ein Gegengewicht ge-   Norddeutschland und in den Ferien o auf den friesischen           Hirnhäl e und beschreibt die je unterschiedliche Wahrneh-
gen Angst und Unsicherheit ist, war schon immer das Lei he-      Inseln, berichtet er, vermutlich war er ebenfalls etwa 10 Jah-    mungsweise und Informa onsverarbeitung. Das denkende             „Alle Dinge kann man doppelt betrachten: als Faktum und als
ma in der Geschichte der Menschheit. Dichter und Denker,         re alt, von einer berührenden Erfahrung: „Und abends ging         Ich wird durch logische lineare, Schri -für-Schri Prozesse       Geheimnis“. Diese Erkenntnis ist ein großer Trost und Grund
Propheten und Philosophen suchen nach dem, was die ängst-        mein Vater, mich an der Hand, den weiten Strand hinunter          beschrieben. Es ist bewusst und sprachfähig und kann sich,       zur Freude.
liche Seele beruhigt, was den Kummervollen tröstet, was den      zum Meer. Es war efe Ebbe. Der Weg über den frischen,             damit es entlang von abstrakter Logik arbeiten kann, von
innerlich Zerrissenen wieder vereint. Auch wenn nicht jeder      reinen Strand war erst immer weiter, immer weiter, so ef          subjek ven Gefühlen abschirmen. Das logische Denken ist
bewusst nach lebbaren Antworten sucht, jeder sucht sie intu-     war die Ebbe, und wir kamen ans Wasser. Da lagen die Qual-        die Grundlage für naturwissenscha liches Arbeiten und hat
i v und insgeheim. Wir wollen im Leben auf sicherem Boden        len, die Seesterne und ich war wie verzaubert. Das erste Mal,     beeindruckende Ergebnisse hervorgebracht, von denen jeder
gehen und auf eine Zukun hinleben, die uns nicht aus der         dass Meer vor Augen. Nachgedacht habe ich nicht. Ich habe         persönlich enorm profi ert.
Geborgenheit herausreisst, auch wenn wir jenseits der Gren-      nicht gedacht „die Unendlichkeit!“. Aber seitdem ist mir das
ze, die Gestalt des gewohnten Lebens verlassen müssen, um        Meer sozusagen wie der selbstverständliche Hintergrund des        Das bewusste denkende Ich ist aber nicht in der Lage mit
in eine andere Wirklichkeit verwandelt zu werden.                Lebens überhaupt, nämlich die Gegenwart des Unendlichen.          bes mmten komplexen Dingen umzugehen. Für die Selbster-                    Text: Manfred Hillmann
                                                                 Unendlich die Wellen. Keine Welle ist gleich der anderen.         kenntnis, für den Umgang mit anderen Menschen und für das           Dipl. Soz. Päd., Logotherapeut

14                                                                                                                                           Mi elpunkt Mensch            7. AUSGABE                                                                          15
MYTHOS TOD Das Leben und seine Grenze - Vom Denken und Fühlen Mythos Tod: Was passiert beim Sterben? Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod ...
TITELTHEMA: MYTHOS TOD                                                                                                                                                                           TITELTHEMA: MYTHOS TOD

                 Mythos Sterben
Das Sterben gehört zum Leben, nicht zum Tod (Ludwig Marcuse)                                                                                     In der letzten Zeit des Lebens…
                                                                                                                   Zeit der S lle                                            Desorien erung
                                                                                                                   • In der letzten Lebensphase nimmt die körperliche        • Der Sterbende scheint manchmal über Zeit, Ort und
                                                                                                                     Energie ab                                                die Iden tät der Menschen verwirrt zu sein
„Sie stören mich. Sie sehen doch, ich bin beim Sterben“ (Konrad Lorenz).                                           • Rückzug von der Umwelt, der Sterbende schlä viel        • Sterbende können über Menschen sprechen, die
Mit diesen Worten hat der bekannte Verhaltensforscher seine Pflegerin wenige Stunden vor seinem Tod auf             • Hinwendung nach innen - innere Bilanz                     schon gestorben sind
seine Art sterben zu wollen, hingewiesen. Sterben und Tod sind einzigar g - wie jeder Mensch einzigar g ist.       • Verringertes soziales Interesse, Sprechen ist o lang-   • Es bedeutet, dass der Mensch einen normalen Ab-
Für jeden ist der Weg des Sterbens darum auch sehr unterschiedlich.                                                  sam oder schwierig                                        schied vom Leben erlebt und sich auf den Übergang
                                                                                                                                                                               vorbereitet
                                                                                                                   Wunsch nach Nähe und Berührung
                                                                                                                   • O wünschen Sterbende san e Berührungen und              Atemveränderungen
                                                                                                                     körperliche Nähe                                        • Das normale Atemmuster kann sich verändern
                                             Lebensphasen                                                          • Schnell kann es dann auch wieder als störend emp-       • Der Atem wird flacher, unregelmäßig, schnell oder
                                                                                                                     funden werden                                             ungewöhnlich langsam bis hin zu Atempausen
Nicht alle Zeichen und Symptome werden bei jedem         • Zunehmender Bedarf an Betreuung und Pflege               • Wich g ist zu spüren oder zu erfragen, was der an-      • Der Sterbende kann auch Zeiten eines schnellen keu-
au reten und sie werden auch nicht in immer gleicher     • Eventuell neue Symptome wie Angst, Atemnot,               dere wirklich möchte                                      chenden Atems haben
Reihenfolge geschehen. Die beschriebenen Phasen            Übelkeit und Verstopfung                                                                                          • Manchmal gibt es beim Ausatmen einen stöhnen-
sind vor allem bei Menschen zu beobachten, die nicht     • Der jetzt immer deutlicher Sterbende kann sich nicht    Eine andere Art der Energie                                 den Laut - der Klang der Atemlu über den S mm-
unmi elbar durch ein akutes Ereignis, sondern über         mehr gut konzentrieren, interessiert sich kaum noch     • Wenn der Körper zu sterben beginnt, ist es natürlich,     bändern
einen längeren Zeitraum hinweg sterben.                    für seine Umgebung, Essen und Trinken werden ne-          dass der Sterbende nichts mehr essen möchte. Ess-       • Veränderte Atemmuster sind ganz normal und füh-
                                                           bensächlich, Appe tlosigkeit gilt in dieser Phase als     gewohnheiten und Appe t ändern sich                       ren zu einem verringerten Kreislauf in den inneren
Diese Phasen sind grobe Einteilung, insbesondere die       normal                                                  • Körperliche Energie wird nicht mehr benö gt               Organen und die Ansammlung von Körperabfallpro-
zeitlichen Angaben unterliegen erheblichen Schwan-       • Neurologische Veränderungen können Unruhe und           • Notwendige Schluckreflexe sind vielleicht träge und        dukten
kungen, die der Erkrankung und den individuellen Ge-       Verwirrtheit auslösen                                     entwickeln sich zurück
gebenheiten geschuldet sind.                             • Die Zeit des ak ven Sterbens beginnt, wenn die Or-                                                                Verschleimung
                                                           gane ihre Funk on nicht länger aufrechterhalten         Halb in einer anderen Welt                                • Orale Absonderungen können zunehmen und sich
Präterminalphase                                           können und das Bewusstsein sich vom physischen          • Der Sterbende verbringt vielleicht mehr und mehr          hinten im Rachen sammeln
Wochen bis Monate vor dem Tod                              Körper in seiner Auflösung trennt                          Zeit schlafend und wird unkommunika v, verbal un-       • Der Sterbende macht vielleicht gurgelnde Laute, die
• Deutliche Symptome, die das ak ve Leben einschrän-                                                                 erreichbar, ist manchmal schwer aufzuwecken               aus der Brust aufsteigen
  ken, zum Beispiel eine erhebliche Abmagerung           Finalphase                                                • Diese normale Veränderung geschieht aufgrund der        • Diese normalen Veränderungen entstehen durch
• Zunehmende Schwäche und Müdigkeit wird unter           Tage und Stunden vor dem Tod                                Veränderungen im Stoffwechsel des Körpers                  ein Flüssigkeitsungleichgewicht und der Unfähigkeit,
  anderem am gesteigerten Ruhebedürfnis deutlich         • Gekennzeichnet vom Versagen einzelner Organe            • Sinneswahrnehmungen verändern sich, der Gehör-            normale Verschleimung abzuhusten
• Alltägliche Verrichtungen fallen schwerer und dau-       wie Leber, Niere und Lunge, Herz und Gehirn               sinn geht zuletzt verloren
  ern länger, für manche Tä gkeiten wird Unterstüt-      • Zunehmende Müdigkeit, Teilnahmslosigkeit, Schläf-
  zung benö gt                                             rigkeit, Appe tlosigkeit und fehlendem Hungerge-        Ruhelosigkeit
                                                           fühl                                                    • Ruhelose oder sich wiederholende Bewegungen,
Terminalphase                                            • Sterbende verringern nach und nach die Nahrungs-          wie am Laken oder an der Kleidung ziehen
Wenige Tage bis mehrere Wochen                             aufnahme und stellen sie häufig ganz ein                 • Vorstellungen von Menschen oder Dingen, die in un-
• Fortschreitender körperlicher Verfall, eingeschränk-   • Durstgefühl bleibt länger bestehen, ist aber o            serer Wahrnehmung nicht da sind
  te Mobilität bis hin zur Be lägerigkeit                  schon mit geringen Flüssigkeitsmengen zu s llen,        • Diese Symptome könnten ein Ergebnis der verringer-
• Häufig geht die Kontrolle über Urin- und Stuhlaus-        bis auch das Verlangen nach Trinken vollständig           ten Sauerstoffzufuhr im Gehirn und einer Verände-
  scheidung verloren                                       erlischt                                                  rung im Metabolismus des Körpers sein

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MYTHOS TOD Das Leben und seine Grenze - Vom Denken und Fühlen Mythos Tod: Was passiert beim Sterben? Vergänglichkeit macht Sinn: Gedanken zum Tod ...
TITELTHEMA: MYTHOS TOD

Vegeta ve Veränderungen                                           Mögliche Zeichen des nahenden Todes
• Durch Veränderungen im Kreislauf werden die Arme                • Offene oder halboffene Augen, ohne zu sehen
  und Beine kalt, heiß oder blass                                 • Offener Mund
• Dies kann besonders in den Extremitäten auffällig                • „Mund-Nasen-Dreieck“
  sein, wo die Farbe sich in einen dunkleren bläulichen           • Körperunterseite, Füße, Hände und Knie verfärben
  Ton verwandelt                                                    sich dunkler
• Wechselnde Körpertemperaturen können das Ergeb-                 • Der Puls wird noch schwächer und flacher
  nis davon sein, dass das Gehirn unklare Botscha en              • Fehlende Pupillenreak on auf Licht
  sendet                                                          • Der Tod tri ein, wenn Herzschlag und Atem
• Herzschlag und Puls werden langsamer, schwächer                   au ören
  und unregelmäßig                                                • Kurz davor gibt es o einen Zeitpunkt, in dem der
• Schwitzen oder Geruchsveränderungen                               Sterbende Frieden findet
                                                                  • Diese s lle Zufriedenheit ist in den letzten Minuten
                                                                    spürbar oder findet sich sehr häufig auf dem Gesicht
                                                                    des Verstorbenen
                                                                                                                                        Lass mich in den letzten Stunden
                                                                                                                                          meines Lebens nicht alleine!

                                                                                                                                             Ratschläge eines Sterbenden für seine Begleiter
                          Dr. med. Petra Küpper-Weyland
                                                                                                                                                             Halte meine Hand.
                          Oberärz n Pallia vsta on,                                                                                                   Ich will es mit der Hand sagen.
                          Lukas-Krankenhaus Bünde                                                                                                  Wische mir den Schweiß von der Stirn.
                                                                                                                                                        Streiche mir die Decke glatt.
                                                                                                                                                               Wenn nur noch
                                                                                                                                               Zeichen sprechen können, so lass sie sprechen.
                                                                                                                                                   Dann wird auch das Wort zum Zeichen.
                                                                                                                                                Und ich wünsche mir, dass du beten kannst.
LITERATURANGABEN
                                                                                                                                            Bleibe bei mir, wenn mich Zorn, Angst, Traurigkeit und
Gian Domenico Borasio: Über das Sterben. Was wir wissen. Was wir tun können. Wie wir uns darauf einstellen.                                                 Verzwei lung heimsuchen.
München 2011.                                                                                                                                     Hilf mir, zum Frieden hindurch zu gelangen.
Ingeborg Jonen-Thielemann: Die Terminalphase. In: Aulbert E., Zech D. (Hrsg.): Lehrbuch der Pallia vmedizin.                          Denke nicht, wenn du ratlos an meinem Bett sitzt, dass ich tot sei.
Stu gart, New York 2006.                                                                                                          Ich höre alles, was du sagst, auch wenn meine Augen gebrochen scheinen.
                                                                                                                                          Darum sage jetzt nicht irgendetwas, sondern das Richtige.
Elisabeth Kübler-Ross: On Death and Dying (1970). In: Dieselbe: Interviews mit Sterbenden. München 2001.                              Das Richtige wäre, mir etwas zu sagen, was es mir nicht schwerer,
Daniela Tausch-Flammer: Die letzten Tage und Wochen. Stu gart 1999.                                                                                sondern leichter macht, mich zu trennen.
                                                                                                                                                So vieles, fast alles, ist jetzt nicht mehr wichtig.
William M. Plonk Jr., Robert M. Arnold: Terminal Care: The Last Weeks of Life. h ps://doi.org/10.1089/                                                Ich höre, obwohl ich schweigen muss
jpm.2005.8.1042 Published Online, Oct. 2005.                                                                                                              und nun auch schweigen will.
Tatsuya Morita, Takahiro Ichiki, Junichi Tsunoda: A prospec ve study on the dying process in terminally ill cancer
pa ents. In: Journal of Pallia ve Medicine. Vol. 3, No. 1.                                                                                           Klage nicht an, es gibt keinen Grund.
                                                                                                                                                                   Sage Dank.
Kathy Johnson Neely, David M. Roxe: Pallia ve Care/ Hospice and the Withdrawal of Dialysis.                                       Du sollst von mir wissen, dass ich der Auferstehung näher bin als du selbst
h ps://doi.org/10.1089/jpm.2000.3.57 Published Online, Apr. 2005.                                                                                    Lass mein Sterben dein Gewinn sein.
Robert M. McCann, William J. Hall, Annmarie Groth-Juncker: Comfort Care for Terminally III Pa ents. The Appropriate                                Lebe dein Leben fortan etwas bewusster.
Use of Nutri on and Hydra on. In: JAMA The Journal o he American Medical Associa on. Oct. 1994.                                         Es wird schöner, reifer, inniger und freudiger sein, als es zuvor
                                                                                                                                                        war, vor meiner letzten Stunde.
                                                                                                                                                              Die meine erste ist.

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TITELTHEMA: MYTHOS TOD                                                                                                                                                                             TITELTHEMA: MYTHOS TOD

                                                                                                                                          Auslöser und Facetten der Todesangst
                                                                                                                Als Menschen sind wir nicht die einzigen Wesen, die         groß wird ihr Kummer sein…“ Der Tod reißt Bindungen
                                                                                                                sterblich sind, aber die einzigen, die um ihre Sterblich-   entzwei und kann so auch die Angst vor Isola on und
                                                                                                                keit wissen. Dieses Wissen begleitet unser Leben - mal      Einsamkeit wecken. Er offenbart den unüberbrückba-
                                                                                                                drängen wir es in den Hintergrund und mal drängt es         ren Abgrund zwischen uns Menschen, denn jeder ist
                                                                                                                sich uns auf.                                               allein in seine Existenz geworfen und jeder muss sie
                                                                                                                                                                            allein wieder verlassen. Gefürchtet wird mitunter auch
                                                                                                                Es sind verschiedenste Anlässe, die das ängstliche Be-      das Ereignis des Sterbens: Wie wird das sein? Fried-
                                                                                                                wusstsein des Todes wecken können: Krankheiten, leid-       lich oder schlimm? Und was kommt danach? … kommt
                                                                                                                volle oder bedrohliche Situa onen mögen einem die           da noch was? … und was das wohl ist? Angst vor dem
                                                                                                                Zerbrechlichkeit des Lebens vor Augen führen, genauso       Tod ist Angst vor dem absolut Unbekannten, Angst
                                                                                                                wie der Tod eines Mitmenschen. Wann immer etwas zu          vor der Unausweichlichkeit und vor dem Nicht-mehr-
                                                                                                                Ende geht – ein Lebensabschni , eine Beziehung, eine        sein – Angst vor der Auslöschung allen Bewusstseins,
                                                                                                                Aufgabe, eine gute Zeit – kann Vergänglichkeit (auch die    Angst sich selbst zu verlieren und zu nichts zu werden:
                                                                                                                eigene) spürbar werden. Jegliche Zeichen vom Wandel         „Ende. Alles endet. Das Ende meines Hauses, all mei-
                                                                                                                der Zeit und nicht zuletzt Zeichen des Alterns können       ner Dinge, meiner Erinnerungen, meiner Bindungen an
                                                                                                                die Furcht vor dem Tod en achen.                            die Vergangenheit. Das Ende von allem. Das Ende von
                                                                                                                                                                            mir – das ist der Kern davon. Sie wollen wissen, wovor
                                                                                                                Doch was fürchten Menschen, wenn sie an ihren Tod           ich mich fürchte. Es ist ganz einfach: Es gibt mein Ich
                                                                                                                denken? Augenscheinlich wird eine Bandbreite unter-         nicht mehr!“ (Aussage einer Pa en n von Irvin Yalom).
                                                                                                                schiedlichster Ängste und Sorgen auf den Plan gerufen.      Todesangst kann als konkrete Befürchtung und traurige
                                                                                                                Viele bedrückt weniger das eigene Schicksal als die         Sorge erlebt werden, oder als Anfechtung des gesam-
                                                                                                                Trauer der anderen: „Was wird aus meinen Lieben? Wie        ten Seins und nackte Angst.

                                                                                                                                            Umgang mit der Todesangst:
                                                                                                                                        Abwehrmanöver und Kontrollstrategien
                                                                                                                Wie aber gehen wir Menschen mit dieser Angst um,            Und so fahren Menschen vieles auf, um sich gegen ihre
                                                                                                                wenn sie sich regt? Wie besän igen wir sie? Wie behü-       Todesangst zu wappnen: Von ra onaler Selbstüberzeu-
                                                                                                                ten wir uns?                                                gung, über die Hoffnung Spuren zu hinterlassen oder
                                                                                                                                                                            den Glauben an die unsterbliche Seele bis hin zu unbe-
        VON EINEM DER AUSZOG,                                                                                   Der griechische Philosoph Epikur betrachtete das Ende
                                                                                                                des Lebens gänzlich ungerührt: „Im Tod ist kein Schre-
                                                                                                                                                                            wussten Mechanismen der Abwehr, Verdrängung und
                                                                                                                                                                            Verleugnung.

       DAS FÜRCHTEN ZU LERNEN:                                                                                  cken, denn wo ich bin, ist der Tod nicht; und wo der Tod
                                                                                                                ist, bin ich nicht. Daher bedeutet der Tod mir nichts.“
                                                                                                                Wenn der Tod und Ich nicht gleichzei g sein können –
                                                                                                                                                                            Eine sehr prominente Strategie der Verleugnung be-
                                                                                                                                                                            steht in dem irra onalen Glauben an die eigene Be-

     TODESANGST ALS LEBENSKRAFT                                                                                 ich ihn also niemals wahrnehmen kann -, warum ihn
                                                                                                                dann fürchten? Epikurs leidenscha sloses Argument
                                                                                                                                                                            sonderheit. Krankheiten, Gefahren, Leiden, Sterben:
                                                                                                                                                                            All das mag für andere gelten, nicht aber für mich. Auf
                                                                                                                ist bestechend, doch kann es die Furcht vor dem Tod         einer bewussten Ebene würde natürlich niemand ab-
                                                                                                                dämpfen? Kann nüchterne Logik eine menschliche Ur-          streiten, dass er sterben muss. Tief, ef im Inneren hin-
     Die Angst vor dem Tod ist eine menschliche Urangst – womöglich die menschliche Urangst schlechthin.        angst bannen? „Die Angst vor dem Tod ist archaisch“         gegen ist jeder davon überzeugt, dass das Gesetz der
     Wir Menschen sind endliche Kreaturen und als solche können wir der Angst vor dem Tod nicht entkom-         schreibt Irvin Yalom, „(es ist) eine Angst, die Teil des    Sterblichkeit zwar für die anderen gilt, nicht aber für ihn
     men. Sie steckt im Inneren unserer Existenz. Doch vielleicht ist sie nicht nur der schmerzvolle Stachel,   Gewebes des Seins ist – eine Angst, die kalt, unheim-       selbst. Dieser Glaube an die eigene Besonderheit wur-
     der die Freude am Dasein trübt. Vielleicht liegt in ihr nicht nur Schrecken, sondern auch eine konstruk-   lich und roh ist - eine Angst, die vor und jenseits aller   zelt in den frühkindlichen Lebensjahren, wenn sich alle
      ve Kra , die das Leben bereichern kann. Irvin D. Yalom, Professor für Psychiatrie und existen eller       Sprache und allen Vorstellungsvermögens exis ert.“          elterliche Aufmerksamkeit und Sorge um die Bedürfnis-
     Psychotherapeut, ist fest davon überzeugt…                                                                 Um eine archaische Angst in Schach zu halten bedarf es      se des Kleinkindes drehen. Ein Gefühl der Besonderheit
                                                                                                                zumeist mehr als nüchterner Logik.                          erwacht, es überdauert in den archaischen Tiefen des

20                                                                                                                       Mi elpunkt Mensch          7. AUSGABE                                                                      21
TITELTHEMA: MYTHOS TOD                                                                                                                                                                        EINDRÜCKE AUS DER ARBEIT

Egos und wird als Schutzschild gegen den Tod gewandt:     Sie ist immer da und lauert in irgendeiner versteckten    Teilweise zügeln Menschen ihre Angst mit derart rigi-        WER IST IRVIN YALOM?
ich bin einzigar g, mich tri es nicht. Man s rbt – aber   Ecke des Verstandes; (…) sie rumort ständig unter der     den Kontrollstrategien, dass diese (so wirksam sie auch
ich nicht.                                                Oberfläche; sie ist eine dunkle, unstete Präsenz am        sein mögen) den Stress erhöhen, das Zurechtkommen            Irvin Yalom – 1931 in Washington D.C. als Sohn rus-
                                                          Rande des Bewusstseins.“ (Irvin Yalom). Das aber heißt,   erschweren, persönliches Wachstum verhindern und             sisch-jüdischer Einwanderer geboren – ist Psychothe-
Wenn unheilbare Krankheit, unabwendbares Leid oder        dass unsere psychischen Schutzschilde permanent ak-       zu einem eingeschränkten, unbefriedigenden Leben             rapeut, emeri erter Professor für Psychiatrie, Autor
Not dennoch eintreten, zerplatzt die angstlindernde        viert sein müssen und das kostet Lebensenergie und       führen – einem Leben, dass mehr dem Überleben, der           wissenscha licher und literarischer Bücher. Er gilt als
Illusion. Dann muss ich einsehen, dass ich denselben      Lebensqualität - mitunter beträchtlich.                   Vorsicht und Vermeidung gewidmet ist, als der Selbst-        der bedeutendste lebende Vertreter der existen ellen
Gesetzen der Natur unterliege wie alle anderen                                                                      verwirklichung und der Erfüllung. Manche Menschen            Psychotherapie.
Menschen auch - dass ich weder eine Ausnah-                                                                         gehen keine Beziehung ein, aus Angst vor der Trennung.
me noch unverletzlich bin… und das ist nicht nur                                                                    Sie lassen sich auf nichts ein, aus Angst vor dem Verlust.
furchterregend, sondern obendrein eine nar-                                                                         Sie finden keinen Geschmack am Leben, aus Angst, zu
zis sche Kränkung: „Seinen persönlichen Tod                                                                         viel zu verlieren. Kurzum: ‚Sie verweigern sich dem Le-
zu akzep eren bedeutet, sich mit einer Anzahl                                                                       ben, um dem Tod zu entgehen‘.
anderer unangenehmer Wahrheiten auseinan-                                                                                                                                        WAS IST EXISTENTIELLE PSYCHOTHERAPIE?
derzusetzen, unter anderem der, dass man einer                                                                      Sich von der Todesangst freikaufen auf Kosten des Le-
unter vielen ist – nicht mehr und nicht weniger;                                                                    bens, das ist ein hoher Preis… Und ein vergeblicher          Die existen elle Psychotherapie ist stark inspiriert
dass das Universum unsere eigene Besonderheit                                                                       obendrein, denn gerade das nicht gelebte Leben macht         durch die europäische Existenzphilosophie. Ihr zufolge
nicht anerkennt.“ (Irvin Yalom).                                                                                    die Aussicht auf den Tod so unerträglich. Am Lebens-         ist der Mensch allein in sein endliches Dasein geworfen
                                                                                                                    ende bereuen Menschen nicht nur Dinge, die sie getan         und auf sich selbst zurückgeworfen, um es zu gestalten:
Psychisch sind wir so angelegt, Todesangst au-                                                                      haben, sondern insbesondere die Dinge, die sie nicht         Jeder von uns muss für sich entscheiden, wie er so gut,
toma sch abzuwehren und kleinzuhalten. Ob                                                                           getan haben - das Versäumte, Unerfüllte, nicht Aus-          glücklich, ethisch und sinnvoll wie möglich leben kann
Ra onalisierungen, Glaubensvorstellungen, Ver-                                                                      geschöp e. Die ungenutzten Gelegenheiten machen              – diese Freiheit haben wir und diese Verantwortung
drängung oder Verleugnung: All diese Mecha-                                                                         es heillos schwer, aus dem Leben scheiden zu müs-            tragen wir.
nismen – bewusste wie unbewusste - vermi eln                                                                        sen. Je geringer die Lebensbefriedigung desto größer
das Empfinden von Sicherheit und Zuversicht. Sie                                                                     die Todesangst. Diesen Zusammenhang belegen auch             Aus diesem philosophischen Verständnis heraus, erge-
halten die Angst in Schach und s en Vertrau-                                                                        verschiedene Untersuchungen. Z.B. wurden Pa enten            ben sich die existen ellen Themen des Menschseins,
en in das Leben. „Doch trotz der standha esten,                                                                     mit einer unheilbaren Krebserkrankung zu ihrem Leben         denen Yalom sich widmet: Tod, Freiheit, Isola on und
ehrenwertesten Abwehrmaßnahmen können wir                                                                           und ihrer aktuellen Situa on befragt. Dabei zeigte sich,     die Frage nach dem Sinn.
die Furcht vor dem Tod niemals völlig bändigen:                                                                     dass diejenigen unter ihnen, die ihr Leben befriedigend
                                                                                                                    wahrnahmen, ihre Krankheit und auch ihr Sterbenmüs-          Dies sind die vier fundamentalen Gegebenheiten der
                                                                                                                    sen eher aushalten konnten. Diejenigen, die mit ihrem        menschlichen Existenz – und zugleich die Quellen unse-
                                                                                                                    Leben sehr unzufrieden waren, fühlten sich deutlich          rer größten Befürchtungen.
                                                                                                                    depressiver, aggressiver, wütender und angstvoller. To-
                                                                                                                    desfurcht wird o mals von der En äuschung gespeist,
                                                                                                                    Wich ges im Leben versäumt und sein persönliches
                                                                                                                    Potenzial nicht ausgeschöp zu haben – seine Träume
                                                                                                                    nicht gelebt und noch mehr, es gar nicht erst versucht
                                                                                                                    zu haben.                                                    BUCHTIPP
          „Der Sonne und dem Tod kann man nicht ins Gesicht blicken (Francois de la Rochefoucauld) -
          Ich würde niemandem empfehlen in die Sonne zu starren, doch dem Tod ins Gesicht zu sehen                  Todesangst unnachgiebig abzublocken zieht also nicht         Yalom, Irvin: Existen elle Psychotherapie. Köln, 1989.
          ist eine völlig andere Sache. (…) Ich glaube, dass wir uns mit dem Tod konfron eren sollten,              nur Kra , sondern birgt obendrein ein Risiko: Zu strikte
          wie wir es mit anderen Ängsten auch tun. Wir sollten unserem ul ma ven Ende entgegense-                   Angstkontrolle kann das Leben beschneiden. Das be-           Yalom, Irvin: In die Sonne schauen: Wie man die Angst
          hen, uns damit vertraut machen (…). Meine Hoffnung (ist), dass wir durch Begreifen, echtes                 schni ene, nicht gelebte Leben jedoch erhöht die Angst       vor dem Tod überwindet. München, 2008.
          Begreifen, unseres menschlichen Daseinszustands – unserer Endlichkeit, unserer kurzen Zeit                vorm Tod, die dann umso massiver abgewehrt werden
          im Licht – nicht nur dahin kommen werden, die Kostbarkeit jedes Augenblicks und die Freude                muss. Ein deprimierender Teufelskreis. Vielleicht wäre
          des reinen Seins auszukosten, sondern auch unser Mitgefühl für uns selbst und unsere Mit-                 er zu durchbrechen, ließe man sich auf die Angst vor
          menschen zu ver efen.“ (Irvin Yalom, In die Sonne schauen)                                                dem Tod ein, sta vor ihr zu fliehen…

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