Neue (digitale) Wege in der Berufsorientierung - KOFA-STUDIE 2/2021
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KOFA-STUDIE 2/2021 Neue (digitale) Wege in der Berufsorientierung So können sich Unternehmen einbringen
Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) ist ein Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft und wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Das KOFA unterstützt kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dabei, Fachkräfte zu finden, zu binden und zu qualifizieren. Folgende Angebote bietet das KOFA: Studien: Analysen zur Fachkräftesituation Vorträge und Netzwerke: Austausch mit den in Deutschland Expertinnen und Experten vor Ort Handlungsempfehlungen und Checklisten: Webinare: Weiterbildung und Austausch vom Tipps für Ihre Personalarbeit Schreibtisch aus Praxisbeispiele: Best Practice zum Nachahmen Newsletter: regelmäßige Infos über aktuelle und Weiterdenken Trends im Themenfeld Trends: Zukunftsthemen wie digitale Bildung und Führung 4.0 Mehr Informationen auf www.kofa.de E-Mail: fachkraefte@iwkoeln.de Telefon: 0221-4981-543 twitter.com/KOFA_de facebook.com/Personalarbeit linkedin.com/company/kofa-kompetenzzentrum-fachkräftesicherung
NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG Inhalt Zentrale Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Berufsorientierung: Der aktuelle Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3 Datenbasis und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4 Aktuelle Erkenntnisse zur Berufsorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4.1 Berufsorientierung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4.2 Berufsorientierung mittels sozialer Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4.3 Digitale Maßnahmen zur Berufsorientierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4.4 Wünsche hinsichtlich der Berufsorientierung an Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 5 Im Fokus: Vorbildfunktion der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 6 Berufswünsche der Jugendlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 7 Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG Zentrale Ergebnisse In der Berufsorientierung sind die Eltern und inten- Schülerinnen und Schüler wünschen sich praxis- sive Einblicke in die Praxis besonders wichtig nahe Informationsangebote von Unternehmen Eltern sind die ersten Ansprechpartner für die Jugendlichen Über 80 Prozent der Befragten wünschen sich eines oder im Prozess der Berufsorientierung – auch in der Corona- mehrere Angebote zur Berufsorientierung von Unter- Pandemie. Andere Angebote wie Berufsmessen, Beratung nehmen. Tendenziell haben Schülerinnen einen höheren der Agentur für Arbeit, Betriebsbesichtigungen und vor Informationsbedarf als Schüler. Am häufigsten wünschen allem Praktika sind im vergangenen Jahr zum großen sich Schülerinnen und Schüler Unterrichtsbesuche, bei Teil ausgefallen und konnten nur bedingt durch digitale denen Unternehmensvertreter in die Schule kommen. Etwa Formate ersetzt werden. Dabei sind für die Schülerinnen vier von zehn Befragten wünschen sich Unternehmens- und Schüler Praktika besonders wichtig und nützlich, da praktika. Auch digitale Angebote und Besuche vor Ort sind dort der direkte Vergleich zwischen Wunschvorstellung und für etwa ein Drittel der Befragten interessant. Aus Sicht Realität stattfindet. Mädchen und Jungen nutzen Angebote von Schülerinnen und Schülern ist es nicht hilfreich, wenn der Berufsorientierung unterschiedlich stark: Während die Unternehmen Informationen direkt für Lehrkräfte und Mädchen mehr über das Internet und Social-Media-Kanäle Eltern bereitstellen. Eltern sind zwar faktisch die wich- recherchieren und auch mehr das Informationsmaterial der tigsten Ansprechpartner, allerdings möchten Jugendliche Schulen und der Berufsberatung der Arbeitsagentur nut- Berufsinformationen direkt erhalten und finden es weniger zen, greifen Jungen eher auf das Informationsmaterial von hilfreich, wenn dies über die Eltern geht. Denn die direkte Unternehmen zurück und nutzen Betriebsbesuche vor Ort. Information aus erster Hand ist ungefiltert und ermöglicht das Anbringen konkreter Rückfragen Dies zeigt auch den Wunsch der Jugendlichen nach Unabhängigkeit. Ein gutes Viertel der Jugendlichen hat bereits digitale Berufsorientierungsangebote genutzt Jugendliche wünschen sich häufig ein Studium, Um Berufsorientierung auch während der Corona-Pande- kaufmännische und MINT-Berufe sind beliebt mie zu ermöglichen, haben viele Akteure kurzfristig digitale Angebote geschaffen. Dazu zählen digitale Unternehmer- Nur etwa 13 Prozent der Befragten interessierten sich für talks, Online-Berufsberatungen, virtuelle Ausbildungs- eine berufliche Ausbildung. Über ein Drittel der Befragten messen und weitere Angebote. Auch wenn diese digitalen würde gern einen Studienberuf ergreifen, ein weiteres Berufsorientierungsmaßnahmen kein vollständiger Ersatz Drittel machte keine Angabe. Einer von zehn Jugendlichen sind, werden sie auch von den Jugendlichen gut ange- weiß noch nicht, ob sie oder er eine Ausbildung oder ein nommen: Etwa 28 Prozent der Befragten haben bereits Studium wählen möchte. Besonders aufgeschlossen für eines oder mehrere digitale Berufsorientierungsangebote eine berufliche Ausbildung sind Jugendliche, die sich für in Anspruch genommen. Dabei sind digitale Berufsbera- kaufmännische Berufe interessieren. Häufig genannte tungen die am häufigsten angebotenen Formate. Digitale Berufswünsche sind zum einen die kaufmännischen Berufe Berufsmessen werden an den Schulen nur bei etwa jeder wie Bürokaufleute oder ein BWL-Studium, zum anderen bzw. jedem zehnten Befragten angeboten. Noch weniger MINT-Berufe wie eine Ausbildung zur Laborantin/zum verbreitet sind digitale Unternehmertalks. Laboranten oder Ingenieursstudiengänge. Nach wie vor sind die Berufswünsche stark geschlechtstypisch ge- prägt: Während junge Männer sich stärker für MINT-Berufe Soziale Medien spielen eine wichtige Rolle interessieren, sind junge Frauen eher an Gesundheits- und Mehr als jede bzw. jeder vierte Befragte nutzt Social-Me- sozialen Berufen interessiert. dia-Kanäle zur Berufsorientierung. Vor allem die (audio-) visuellen Plattformen Instagram und YouTube sind bei den Die Eltern fungieren vor allem dann als Vorbild, Schülerinnen und Schülern beliebt. Sie werden von ihnen wenn die Mütter berufstätig sind als wichtige Informationsquellen für die Berufsorientierung eingeschätzt. Auf diesen Plattformen können Unternehmen Auf die Frage, ob die Aufteilung von Beruf und Haushalt, in kurzen Videos ihr Unternehmen, das Team und den Aus- wie ihre Eltern sie vorleben, ein Vorbild für die Befragten bildungsalltag zeigen. 83,4 Prozent der YouTube-Nutzerin- ist, sagen etwas mehr Jungen (27,5 Prozent) als Mädchen nen und -Nutzer sehen die Videoplattform als besonders (24,7 Prozent), dass sie sich ihr späteres Leben genauso hilfreich an. Instagram wird von 60,2 Prozent als hilfreich vorstellen. Je mehr Stunden die Mutter arbeitet, desto eher bei der Berufsorientierung eingeschätzt. wird die elterliche Aufteilung von Beruf und Arbeit auch als 4
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG Vorbild gesehen. Wenn dagegen die Mutter gar nicht arbei- Handlungsoptionen für Unternehmen tet, sagt ein Großteil der Jugendlichen, dass sie später eine Unternehmen können vielfältig bei der Berufsorientierung andere Aufgabenteilung wählen möchten. Darüber hinaus aktiv werden. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass dies hat die Berufstätigkeit der Mutter auch Auswirkungen auf auch digital gelingen kann. Digitale Ausbildungsmessen, die eigene Karriereplanung. So zeigt sich, dass Jugendliche digitales Azubi-Speed-Dating, Online-Praktika oder Social eher wissen, welchen Beruf sie ergreifen wollen, wenn die Media sind wichtige digitale Wege, damit sich Jugendliche Mutter arbeitet. über Berufe informieren können. Zudem sollten Unterneh- men die geschlechtsunabhängige Berufswahl fördern. 5
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG 1. Einleitung Eine gute Berufsorientierung ist substanziell für eine zwischen Unternehmen und Jugendlichen herzustellen. Es fundierte Berufsentscheidung. Oftmals sind die Vorstell ist wichtig, dass die Jugendlichen im Vorfeld ein genaues ungen der Jugendlichen über ihre beruflichen Möglichkei- Bild der Ausbildungsinhalte und des Arbeitsalltags im ten, egal ob Ausbildung oder Studium, allerdings nur vage. Betrieb haben. Je detaillierter und realitätsnäher diese Vor- Die Folge sind Ausbildungs- oder Studienabbrüche. So lag stellung ist, desto fundierter können die Jugendlichen ihre die Studienabbruchquote im Bachelorstudium bei Anfän- Berufsentscheidung treffen. gerinnen und Anfängern im Jahr 2019 bei insgesamt 27 Pro- An der Berufsorientierung sind zahlreiche Akteure beteiligt: zent (Heublein et al., 2020). Auch die Vertragslösungsquo- Eltern, Lehrkräfte, Berufsberatungen der Arbeitsagenturen te bei den Ausbildungen lag zuletzt bei 26,9 Prozent (Uhly, und auch die Unternehmen mit ihren unterschiedlichen 2021). Das bedeutet für die Unternehmen: Die betroffenen Angeboten. Gerade, wenn ein Unternehmen ausbildet Jugendlichen stehen als Fachkräfte nicht oder erst später oder ausbilden möchte, sollte es auch Wert auf eine gute zur Verfügung. Berufsorientierung legen und sich aktiv daran beteiligen. Viele Jugendliche beschäftigen sich zu Schulzeiten zwar Dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten wie Praktika, Schul- theoretisch mit ihrer beruflichen Zukunft, es fehlen aber kooperationen, Informationen für Eltern, soziale Medien ausreichende praktische Erfahrungen. Auch von Seiten oder Ausbildungsmessen. Gerade bei weniger bekannten der Wirtschaft wird kritisiert, dass die Berufsorientierung Berufsbildern ist das wichtig, damit Jugendliche ein Inter- zu spät beginne und zu wenig praxisorientiert sei (siehe esse für diese Ausbildungsberufe entwickeln können. Zitat von DIHK-Präsident Eric Schweitzer). Eine engere Diese Studie geht der Frage nach, welchen Herausforde- Verzahnung von Schulen und Unternehmen kann dabei rungen die Berufsorientierung aktuell gegenübersteht, wie unterstützen, den Berufsorientierungsprozess praxisnaher sich Jugendliche über die Berufe informieren und welche zu gestalten und Jugendliche bei der Wahl eines indivi- Kanäle sich dabei als hilfreich erweisen. Genutzt werden duell passenden Berufes zu helfen. Dabei kann es auch dabei die Daten einer Befragung von mehr als 1.000 Schü- gelingen, die Ausbildung als eine zentrale Möglichkeit des lerinnen und Schülern innerhalb des Programms IW JU- beruflichen Einstiegs in den Fokus zu rücken. NIOR, das Schülerfirmen in Deutschland begleitet. Kapitel Auch die Berufsorientierung unterliegt einem stetigen 2 stellt relevante Literatur zum Thema Berufsorientierung Wandel. Die Corona-Pandemie hat der Berufsorientierung dar. Kapitel 3 beschreibt im Detail die Datenbasis. Die drei einen Digitalisierungsschub gebracht. Die digitale Berufs- folgenden Kapitel 4, 5 und 6 stellen die empirischen Ergeb- orientierung war in Zeiten der Kontaktbeschränkungen eine nisse der Befragung vor. Die Studie schließt mit relevanten gute Möglichkeit, einerseits Berufe zeitlich flexibel und Handlungsempfehlungen für die Praxis ab. ortsunabhängig vorzustellen und andererseits Kontakte 2. Berufsorientierung: Der aktuelle Stand Eine Entscheidung für einen Beruf treffen Jugendliche bewegen, für ihre Berufswahl prägend (ebd.). So beein- auf Grundlage zahlreicher Informationen. Dabei berück- flussen sich die Jugendlichen einerseits innerhalb ihrer sichtigen sie neben ihren eigenen Interessen sowohl Freundes- und Bekanntenkreise, sogenannter Peergroups, finanzielle Anreize als auch den sozialen Status, den sie gegenseitig. Auch Informationsplattformen wie berufenet. mit einem bestimmten Job erlangen. Auch Kosten, welche de, beroobi.de oder azubyo.de sowie interaktiven Online- die Ausbildung für den jeweiligen Beruf mit sich bringen, portalen kommen oftmals eine große Bedeutung zu (Beier- sind entscheidende Faktoren (Breen/Goldthorpe, 1997; le, 2013). Von den weiteren möglichen Informationsquellen Schneider/Franke, 2014). Bei der beruflichen Orientierung werden insbesondere praxisnahe Erfahrungen und Berichte nutzen die Jugendlichen zahlreiche Informationsquellen. wie etwa Betriebspraktika oder Gespräche mit Personen, Besonders häufig greifen sie dabei auf Gespräche mit den die den jeweiligen Beruf erlernt haben oder ausüben, als Eltern zurück (Hurrelmann et al., 2019). Darüber hinaus besonders hilfreich eingeschätzt (Hurrelmann et al., 2019). ist das persönliche Umfeld, in dem sich die Jugendlichen 6
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG Das Geschlecht spielt in Berufswahlprozessen eine nicht Schülerinnen und Schüler der siebten und achten Klassen. von der Hand zu weisende Rolle. Bereits seit vielen Jahren Einige Bausteine dieses Programms sind verpflichtend für sind Bestrebungen spürbar, eine geschlechtstypische alle. Die Schülerinnen und Schüler erkunden erst in einer Berufswahl aufzubrechen und junge Frauen für männerdo- „Potenzialanalyse“ ihre Stärken, bevor sie in „Werkstatt- minierte Berufe zu begeistern und umgekehrt. Je nach Ge- tagen“ einzelne Berufsfelder erkunden können. Aus den schlecht schreiben Eltern und andere orientierungsgeben- gewonnenen Erkenntnissen soll anschließend ein passen- de Personen Mädchen oder Jungen bestimmte Begabungen der Beruf für ein erstes Praktikum gewählt werden. zu, die als „typisch“ für das jeweilige Geschlecht gelten Das BOP ist Teil der „Initiative Bildungsketten“, die einen – auch unabhängig der tatsächlichen Talente, die das Kind reibungslosen Übergang von der Schule in den Beruf er- hat (Buchmann/Kriesi, 2012). Diese Zuschreibungen gehen möglichen soll. Neben den Agenturen für Arbeit mit ihren ins sogenannte akademische Selbstkonzept über, das Berufsinformationszentren sind die Schulen die zentralen Heranwachsende von sich und ihren eigenen Fähigkeiten Kooperationspartner des BOP. Aufgrund des Föderalismus entwickeln: Was kann ich gut? Was liegt mir? Darüber prägt können die Programme grundsätzlich in jedem Bundesland das Selbstkonzept auch die Berufswahl (Buchmann/Krie- unterschiedlich umgesetzt werden. In Modellprojekten si, 2012). So schätzten junge Frauen beispielsweise ihre wird zurzeit neben der Sekundarstufe I auch die Sekun- eigenen Kenntnisse über wirtschaftliche Zusammenhänge darstufe II an Gymnasien in den Fokus genommen. Der schlechter ein als junge Männer (Risius et al., 2021), was Eindruck vieler Eltern ist allerdings, dass an Gymnasien in unter anderem mit den Überschneidungen von mathemati- erster Linie Studienorientierung stattfindet und dass die schem Selbstkonzept und ökonomischer Bildung erklär- Möglichkeiten einer dualen Ausbildung zu wenig oder gar bar ist (Marsh/Shavelson, 1985). Um Klischees bei der nicht dargestellt werden. Das zeigte eine Eltern-Befragung Berufsorientierung entgegenzuwirken, ist unter anderem des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) die Förderung etwa mathematisch-naturwissenschaftlicher im Jahr 2018. Um Studien- und Berufswahlverhalten von Interessen bei Frauen von Bedeutung: Eine Studierenden- Gymnasiastinnen und Gymnasiasten weiter zu untersuchen befragung zeigte 2017, dass über 72 Prozent der Studienan- und vor allem deren Grad der Informiertheit und die Er- fängerinnen und -anfänger ihre Studienwahl aufgrund einer wartungsbildung, als auch die Wahrnehmung und Inan- intrinsischen Motivation trafen (BMBF, 2017). spruchnahme von Angeboten zur beruflichen Orientierung Darüber hinaus spielen auch weitere Faktoren, auf die und Berufsberatung durch die BA und weiterer beteiligter Unternehmen direkten Einfluss nehmen können, eine Rolle Akteure zu quantifizieren, läuft zurzeit eine wissenschaftli- bei der Berufsorientierung. So können auch die sozialen che Studie „Berufliche Orientierung: Berufs- und Studien- Medien, in denen sich Kinder und Jugendliche tagtäglich wahl (BerO)“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsfor- bewegen, geschlechterstereotype Sichtweisen formen: Jun- schung (IAB). ge Menschen denken stärker in stereotypen Rollenbildern, Vor dem Hintergrund dieser Informationen behandelt die je intensiver sie soziale Medien nutzen (Plan International, vorliegende Studie folgende Fragen: 2019). Darüber hinaus haben Ulrich et al. (2004) belegt, dass Berufsbezeichnungen einen Einfluss auf das beruf- • Inwieweit beschäftigen sich Jugendliche mit dem Thema liche Interesse von Bewerbenden haben. Somit können Berufsorientierung? weibliche oder geschlechtsneutrale Berufsbezeichnungen • Über welche Ansprechpartner und weitere Quellen be- einen Beitrag dazu leisten, klischeebesetzte Berufswahl- ziehen sie Informationen? muster aufzubrechen. Nicht zuletzt ist die (vermeintliche) Vereinbarkeit des Berufs mit einer eigenen Familie für viele • Welche Rolle spielen soziale Medien und digitale Berufs- junge Frauen relevant: Zwei Drittel der für die Shell-Jugend- orientierungsangebote für die Berufsorientierung? studie befragten Frauen sind klare Arbeitszeiten mit festem • Wie stellen sich die Jugendlichen die Aufteilung von Arbeitsanfang und -ende wichtig (Albert et al., 2019). Auch Familien- und Erwerbsarbeit in der Zukunft vor? eine Betonung dieser Aspekte kann somit die Berufswahl beeinflussen. • Für welche Berufsbereiche interessieren sich die Jugend- lichen? Bei welchen beruflichen Interessen sind sie für Der Übergang von der Schule in den Beruf stellt viele Schü- eine Berufsausbildung besonders aufgeschlossen? lerinnen und Schüler vor große Herausforderungen. Das Berufsorientierungsprogramm (BOP) des Bundesminis- teriums für Bildung und Forschung (BMBF) richtet sich an 7
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG 3. Datenbasis und Einordnung Die vorliegende KOFA-Studie zur Berufsorientierung beruht Aspekte der beruflichen Orientierung und hatte einen be- auf Befragungsdaten, welche durch die IW JUNIOR gGmbH sonderen Fokus auf der Berufsorientierung junger Frauen erhoben wurden. IW JUNIOR hat zum Ziel, die ökonomische und der Rolle, die Eltern im Berufsorientierungsprozess Bildung von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstu- einnehmen. fen voranzubringen und diese mittels der betreuten, zeit- Da alle Befragungspersonen Teilnehmende der IW JUNIOR- lich begrenzten Gründung eines eigenen Unternehmens für Programme sind, ist die Befragung nicht repräsentativ für Wirtschaftsthemen zu begeistern. Die Gründung der Schü- die Gesamtheit der Schülerinnen und Schüler in Deutsch- lerfirmen erfolgt in einem der drei Programme „Basic“, land. 74 Prozent der Befragten besuchten das Gymnasium, „Advanced“ oder „Expert“, die sich vor allem darin unter- 14 Prozent eine berufsbildende Schule und 8 Prozent eine scheiden, wie eng die Schülerfirmen bei der Gründung Gesamtschule. Nur einzelne Teilnehmende besuchten betreut werden und wie anspruchsvoll die Anforderungen andere Schulformen. Zudem sind regionale Schwerpunkte an die buchhalterischen Unterlagen sind. Der Projektzeit- in Baden-Württemberg (24,3 Prozent) und Nordrhein- raum entspricht in den meisten Fällen einem Schuljahr und Westfalen (21 Prozent) feststellbar, während alle anderen beginnt stets nach den Sommerferien. Bundesländer gemessen an der Gesamtzahl der Teilneh- Im Rahmen der IW JUNIOR-Programme finden jedes Jahr menden lediglich einstellige Prozentzahlen erreichten. zwei Befragungen statt. Die Feldphase der ersten Befra- Aufgrund der fehlenden Repräsentativität kann von der gung begann im November und endete im Dezember 2020; Stichprobe nicht auf die Gesamtheit aller Schülerinnen und die zweite Befragung wird im Sommer 2021 stattfinden. Schüler geschlossen werden. Darüber hinaus ist durch die Alle Schülerinnen und Schüler, die im Winter 2020 an Selektion von Teilnehmenden der IW JUNIOR-Programme einem der drei IW JUNIOR-Programme teilnahmen, wurden davon auszugehen, dass die Befragung auch bezüglich un- um eine Teilnahme an der Befragung gebeten. Insgesamt beobachteter Merkmale, wie zum Beispiel ihrer Motivation, nahmen 1.092 Schülerinnen und Schüler daran teil. Das nicht repräsentativ ist. Dennoch bieten die Zahlen wertvol- Spektrum der abgefragten Themen umfasste neben Fragen le Einblicke in den Ablauf von Berufsorientierungsprozes- zur Selbsteinschätzung des ökonomischen Wissens (aus- sen, insbesondere mit Blick auf die Berufsorientierung an gewertet in Risius et al., 2021) insbesondere verschiedene Gymnasien. 8
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG 4. Aktuelle Erkenntnisse zur Berufsorientierung In der aktuellen Befragung der IW JUNIOR ist das Thema auf denen sich Jugendliche über Berufe informierten. „Berufsorientierung“ und die damit verbundenen Wünsche Hierzu zählen neben „klassischen“ Informationswegen und Einschätzungen der Jugendlichen zentral. Der Fokus wie Gesprächen, Praktika und Unterrichtsbesuchen auch lag dabei auf der Beschäftigung mit der Berufsorientierung soziale Medien und digitale Berufsorientierungsformate im Allgemeinen, aber auch auf den verschiedenen Wegen, wie beispielsweise Online-Berufsmessen. 4.1 Berufsorientierung allgemein In einer Frage sollten die Jugendlichen beurteilen, ob und einandergesetzt und 56 Prozent ein wenig. Lediglich 13,5 wie intensiv sie sich schon mit dem Thema Berufsorientie- Prozent der Befragten hatten sich kaum oder gar nicht mit rung beschäftigt haben (Abbildung 1). Zum Zeitpunkt der dem Thema beschäftigt. Befragung hatten sich über 30 Prozent intensiv damit aus- Abbildung 1: Beschäftigung mit dem Thema Berufsorientierung Mädchen 31,8 57,5 9,7 1,0 Jungen 28,9 54,3 15,0 1,8 gesamt 30,5 56,1 12,1 1,4 0 20 40 60 80 100 ja, intensiv ja, ein wenig nein, kaum nein, noch gar nicht Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.111 Auf die allgemeine Frage, ob sie schon eine Vorstellung 70,2 Prozent „Ja-Antworten“ schon genauere Berufsvorstel- davon haben, was sie später werden möchten, antworteten lungen haben als die Mädchen mit 64,9 Prozent „Ja-Ant- 67,3 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit „ja“ und worten“ (Abbildung 2). Je älter die Befragten sind, umso 32,7 Prozent mit „nein“. Unterscheidet man hier zwischen intensiver haben sie sich bereits mit dem Thema Berufs- Mädchen und Jungen, ist auffällig, dass die Jungen mit orientierung beschäftigt. Abbildung 2: Anteil der Befragten, die eine Vorstellung vom zukünftigen Beruf haben Mädchen 64,9 Jungen 70,2 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.017 9
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG Auch die Jugendstudie des Landes Baden-Württemberg Der Prozess der Berufsorientierung braucht neben den (Antes et al., 2020) untersuchte 2020 die Berufswünsche passiven Informationsquellen auch aktive Beratung und von Jugendlichen. Dort gaben 42 Prozent der Befragten an, den Austausch der Jugendlichen mit anderen. (Abbildung bereits einen Berufswunsch zu haben. 35 Prozent hatten 3) Dabei nutzten die Befragten der IW JUNIOR an erster wechselnde Berufswünsche und 21 Prozent gaben an, bis- Stelle Gespräche mit den Eltern mit 82 Prozent, gefolgt von lang noch keine Vorstellungen von der eigenen beruflichen der Schule bzw. den Lehrkräften mit 79,6 Prozent. Auch mit Zukunft zu haben. An Gymnasien ist die Quote der Jugend- den Betreuenden von betrieblichen Praktika (41,4 Prozent) lichen mit festen Berufswunsch am geringsten. Interessant und anderen Erwachsenen (35,3 Prozent) haben die Schü- ist, dass sich die Ergebnisse der Jugendlichen zwischen 15 lerinnen und Schüler über ihre Berufswahl gesprochen. Die und 18 Jahren nicht wesentlich von denen zwischen zwölf Beratungsangebote der Arbeitsagenturen bzw. Berufsinfor- und 14 Jahren unterscheiden. Obwohl die eigene Berufs- mationszentren scheint nur eine Minderheit der Befragten wahl näher rückt, scheint die Orientierung der Jugend- in Anspruch zu nehmen. lichen in den Abschlussklassen nicht leichter zu fallen als den Schülerinnen und Schülern, die für ihre Entscheidung noch einige Jahre Zeit haben. Abbildung 3: Gesprächspartner zum Thema Berufswahl mit meinen Eltern 82,0 wir haben das 79,6 im Unterricht behandelt ich habe selbst 69,2 darüber nachgedacht bei Praktika in Betrieben 41,4 mit Erwachsenen außer- 35,3 halb von Schule und Eltern bei der Arbeitsagentur/ 20,4 im BIZ 0 20 40 60 80 90 100 Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.111 trifft zu Dass die Eltern die wichtigsten Ansprechpartner im Berufs- die in Abbildung 4 dargestellt sind, sie sich selbst über Be- wahlprozess ihrer Kinder spielen, bestätigen auch andere rufe informiert haben. 75,8 Prozent der Antwortenden waren Studien, wie zum Beispiel die McDonald’s-Ausbildungs- selbst schon aktiv, wobei die Mädchen mit 77,6 Prozent studie 2019 (Hurrelmann et al., 2019). Auch hier gaben etwas aktiver waren als die Jungen mit 73,8 Prozent. Durch- mit 89 Prozent die meisten der Befragten Gespräche mit schnittlich nutzten die Mädchen und Jungen etwas mehr als ihren Eltern als wichtigste Informationsquelle an, gefolgt drei dieser Informationsquellen zur Berufsorientierung. Das von Freundeskreisen und Bekannten sowie der Recherche Internet war mit 66,1 Prozent die am häufigsten genannte im Internet. Die McDonald’s-Studie analysierte zudem, Recherchequelle, gefolgt vom betrieblichen Praktikum mit wie nützlich die jeweiligen Informationsquellen bewertet 44,6 Prozent und Informationen aus der Schule mit 36,4 wurden. Auch bei dieser Frage stehen die Elterngespräche Prozent der Befragten. Die Berufsberatung der Arbeits- an erster Stelle, dann aber direkt gefolgt vom betrieblichen agenturen und deren Informationsmaterial spielte bei den Praktikum. Die klassischen Medien wie Fernsehen, Bro- Teilnehmenden mit nur 21,7 Prozent eine untergeordnete schüren oder Zeitschriften und die Beratung der Jobcenter Rolle. Bei den genutzten Informationsquellen gab es deut- verlieren in der Berufsorientierung an Bedeutung, während liche Unterschiede beim Geschlecht: Während die Mädchen die Information durch Eltern, bei Jobmessen und in den mehr über das Internet und Social-Media-Kanäle recher- sozialen Netzwerken gegenüber 2013 wichtiger für die chierten und auch häufiger das Informationsmaterial der Jugendlichen geworden sind (Hurrelmann et al., 2019). Schulen und der Berufsberatung der Arbeitsagentur nutz- ten, griffen mehr Jungen auf das Informationsmaterial von In einer weiteren Frage berichteten die Schülerinnen und Unternehmen zurück und nutzten Betriebsbesuche vor Ort. Schüler, inwieweit und über welche Informationsquellen, 10
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG Abbildung 4: Bislang genutzte Berufsorientierungsangebote nach Geschlecht Eigenständige 77,5 Information über Berufe 73,71 68,4 Recherchen im Internet 63,2 46,6 Schülerpraktikum 42,1 Informationsmaterial 38,8 der Schule 33,4 Recherchen über 30,6 Social Media / Apps 24,7 Messen oder 26,4 Veranstaltungen 22,3 Informationsmaterial 24,1 von BA/BIZ 18,8 Informationsmaterial 18,5 eines Unternehmens 26,7 12,1 Betriebsbesuch 16,2 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Mädchen Jungen Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.110-1.111 (je nach Item) Die Einschränkungen ihrer Berufsorientierungsmöglich- dass die Jugendlichen ihre Informationsbedarfe zumindest keiten durch die Corona-Pandemie schätzten die Schüle- teilweise auf anderen Wegen als vor der Pandemie gedeckt rinnen und Schülern sehr unterschiedlich ein: 21,7 Prozent haben könnten. Hierbei können die sozialen Medien, aber der Befragten konnten ihre Ideen nicht wie geplant umset- auch strukturierte virtuelle Angebote wie Online-Unter- zen. Für 44,3 Prozent waren nur einige geplante Aktivitäten nehmertalks oder digitale Messen eine besondere Rolle nicht möglich und bei 34 Prozent hat alles im Großen und gespielt und die entstandenen Lücken in Teilen gefüllt Ganzen gut geklappt. Somit ist festzustellen, dass die haben. Dies wird in den nachfolgenden Kapiteln ausführ- Berufsorientierung für etwa zwei Drittel der Schülerinnen licher behandelt. und Schüler eingeschränkt war. Dies deutet darauf hin, 4.2 Berufsorientierung mittels sozialer Medien Soziale Medien spielen inzwischen eine wichtige Rolle bei Die vorliegende Befragung zeigt, dass vor allem die Kanäle der Berufsorientierung. Mehr als jede/jeder vierte Befragte Instagram und YouTube sehr beliebt bei den Schülerinnen nutzt Social-Media-Kanäle zur Berufsorientierung. Hier- und Schülern sind. (Abbildung 5) 21,9 Prozent der Jugend- bei spielt vor allem das Kennenlernen des Unternehmens lichen nutzten den audiovisuellen Kanal Instagram und eine wichtige Rolle. Soziale Medien bieten einen authen- 21,7 Prozent die Videoplattform YouTube. Ein signifikanter tischen Einblick in den Arbeitsalltag der Betriebe. Wie die Unterschied zwischen den Geschlechtern ist vor allem bei McDonald’s-Ausbildungsstudie zeigt, ist die Bedeutung Instagram zu sehen. Während 24 Prozent der jungen Frauen von Social Media als berufliche Informationsquelle in den Instagram aktiv nutzten, sind es nur 19,4 Prozent der jun- vergangenen Jahren stetig angestiegen (Hurrelmann et al., gen Männer. Zudem wurde auch die Plattform TikTok von 2019). Hier ist der Anteil der Befragten, die 2019 angaben, den Jugendlichen genutzt. Dieser neue Social-Media-Kanal sich über soziale Medien über die beruflichen Möglichkei- hat sich im Jahr 2020 vor allem bei einer jungen Zielgruppe ten zu informieren, mit 33 Prozent sogar etwas höher als in etabliert. Rund 5,6 Prozent informierten sich dort. der Befragung der IW JUNIOR. 11
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG Abbildung 5: Nutzung sozialer Netzwerke zur Berufsorientierung 25 24,0 21,9 21,7 21,3 22,0 20 19,4 15 10 7,8 5,6 5 3,0 3,4 2,3 2,8 1,6 2,1 1,9 1,6 2,1 1,9 2,2 1,7 0,9 1,3 1,2 1,3 0 Instagram Youtube Tiktok Snapchat Twitter Facebook Linkedin Xing gesamt männlich weiblich Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.111 Von denjenigen, die die jeweilige Plattform nutzten, zum Durchschnittsalter aller Befragten (17 Jahre) darstellt. schätzten 83,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler Große Unternehmen wie die Supermarktkette Lidl ober YouTube als besonders hilfreich für ihre Berufsorientierung auch das Klinikum Dortmund betreiben über TikTok bereits ein. Damit ist YouTube die Plattform, die den größten Nut- sehr erfolgreich ihr Ausbildungs- bzw. Personalmarketing. zen für die Berufsorientierung bietet. TikTok (63,1 Prozent) Auffallend ist auch, dass die 16-Jährigen sich nicht nur auf und Instagram (60,2 Prozent) wurden ebenfalls als hilfreich einer Plattform informieren, sondern durchschnittlich 2,4 angesehen. Die drei am häufigsten genutzten Sozialen Plattformen nutzen. Da TikTok in seiner heutigen Form erst Medien erwiesen sich somit für die Mehrheit ihrer Nutzerin- seit 2018 besteht und damit im Vergleich mit anderen so- nen und Nutzer als eine gute Quelle für die Berufsorientie- zialen Medien eine recht neue Plattform ist, wird der Anteil rung. Dass Jugendliche soziale Medien gerne zur Berufs- der Jugendlichen, die sich dort über Berufe informieren, orientierung nutzen, zeigt auch die Schülerbefragung der vermutlich steigen, wenn TikTok seine Popularität erhalten Deutschen Apotheker- und Ärztebank aus dem Jahr 2020 und seine Marktposition stärken kann. Das Beispiel TikTok (Hohaus, 2020). Schülerinnen und Schüler möchten vor zeigt, wie schnell neuartige soziale Plattformen mit Rele- allem über die Plattformen Instagram (50 Prozent) und You- vanz für die jugendliche Zielgruppe aufkommen können. Tube (43 Prozent) Informationen über Arbeitgeber erhalten Es steht somit stellvertretend als Beispiel dafür, dass sich (Hohaus, 2020). Informationskanäle im Internet stetig wandeln und Unter- nehmen somit ständig analysieren müssen, ob sie noch Auffallend ist, dass bei den beliebtesten Plattformen der alle für die Zielgruppe relevanten Kanäle bedienen sowie Fokus auf die audiovisuelle Vermittlung von Inhalten liegt. neue Formate finden müssen, um sich auf den jeweiligen Dies bestätigt auch die Schülerbefragung der Deutschen Kanälen zu positionieren. Apotheker- und Ärztebank. Hier zeigt sich, dass für 74 Prozent der Befragten Videos von Mitarbeitenden und Andere Social-Media-Plattformen wie Snapchat (2,3 Unternehmen zur Berufsorientierung relevant bis sehr Prozent), Twitter (2,1 Prozent), Facebook (1,9 Prozent), relevant sind, um sich über unterschiedliche Berufsfelder LinkedIn (1,9 Prozent) oder Xing (1,3 Prozent) werden von zu informieren (Hohaus, 2020). Unternehmen sollten den den Jugendlichen kaum zur Berufsorientierung genutzt. Fokus also auf Bewegtbilder legen. Auch hier lohnt sich ein Blick auf das Durchschnittsalter der Nutzenden. Das Durchschnittsalter der Schülerinnen Ein soziales Netzwerk, das Unternehmen in Zukunft im und Schüler, die Facebook oder Xing zur Berufsorientierung Auge behalten sollten, ist TikTok. Die Plattform, die für nutzen, beträgt 18,1 Jahre. Damit sind diese Befragten sig- lustige Kurzvideos bekannt ist, ist vor allem bei den jün- nifikant älter als der Durchschnitt der Stichprobe (17 Jahre), geren Befragten sehr beliebt. Das Durchschnittsalter der was auf eine insgesamt ältere Nutzergruppe schließen befragten Schülerinnen und Schüler, die TikTok nutzen, lässt. liegt bei 16,4 Jahren, was einen signifikanten Unterschied 12
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG 4.3 Digitale Maßnahmen zur Berufsorientierung Im Zuge der Corona-Pandemie konnten und können einige Den Antworten der Schülerinnen und Schüler zufolge wur- analoge Formate zur Berufsorientierung nicht wie gewohnt den digitale Formate zur Berufsorientierung an den Schu- durchgeführt werden. So mussten beispielsweise Großver- len nur sehr vereinzelt angeboten, wie Abbildung 7 zeigt. anstaltungen wie Ausbildungsmessen pandemiebedingt Das am häufigsten genannte Angebot ist mit 18,5 Prozent abgesagt werden. Auch Unternehmenspraktika sind zwar die digitale Berufsberatung. Etwa einer von zehn Befragten grundsätzlich erlaubt, jedoch aufgrund von Lockdown-ge- berichtet, dass an seiner Schule digitale Berufsmessen an- triebenen Schließungen etwa von Geschäften oder Gast- geboten wurden, und 6,8 Prozent der Befragten geben an, betrieben nicht in allen Branchen möglich. Somit findet dass die Schulen Unternehmertalks anbieten. Die meisten die Berufsorientierung während der Pandemie nur einge- Schulen boten dabei nur eine der drei Maßnahmen an. Le- schränkt auf den bewährten Wegen statt. Digitale Berufs- diglich 6,8 Prozent der Befragten berichteten von mehreren orientierungsmaßnahmen wie Online-Berufsmessen, eine angebotenen Formaten, 71,8 Prozent hingegen von keinem digitale Berufsberatung, online stattfindende Gespräche einzigen. mit Unternehmen oder sogar ein Online-Praktikum stellen Möglichkeiten dar, mittels derer dennoch eine Berufsorien- tierung ermöglicht werden kann. Die Potenziale, die digitale Berufsorientierungsmaßnah- men bieten, werden dabei aktuell noch nicht vollumfäng- lich genutzt. (Abbildung 6) Von den befragten Schülerinnen und Schülern gaben lediglich 27,6 Prozent an, bereits selbst an einem digitalen Angebot zur Berufsorientierung teilgenommen zu haben. Weitere 41,1 Prozent der Befragten hatten zwar bereits von derartigen Maßnahmen gehört, sie jedoch nicht genutzt, und 31,3 Prozent der Befragten gaben an, noch keinerlei Erfahrung damit gemacht zu haben. Somit ist der Anteil der Befragten, die bereits Erfahrungen mit strukturierten virtuellen Berufsorientierungsangeboten haben, noch vergleichsweise gering. Abbildung 6: Bisherige Erfahrungen von Schülerinnen und Schülern mit digitalen Angeboten zur Berufsorientierung 27,6 31,3 41,1 ja, schon selbst genutzt ja, gehört aber nicht genutzt nein Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.073 13
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG Abbildung 7: An den Schulen der Befragten angebotene digitale Formate zur Berufsorientierung (in Prozent) Digitale 6,8 Unternehmertalks Digitale 10,8 Berufsmessen Digitale 18,5 Berufsberatung 0 5 10 15 Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.111 Die drei Formate unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Mög- wickelt haben. Digitale Unternehmertalks beschreiben lichkeiten und Ausgestaltung deutlich voneinander. Bei ein thematisch enges Format der Berufsorientierung, das der digitalen Berufsberatung beispielsweise kann es sich besonders lebendig wird, wenn mehrere Unternehmerin- sowohl um eine individuelle Beratung als auch um Maß- nen und Unternehmer dabei sind. Gleichzeitig kann es nahmen wie digitale Berufswahltests, Unterrichtsgesprä- ein sehr persönliches Element sein. Bei Unternehmertalks che oder virtuelle Besuche der Berufsinformationszentren wird zunächst in einem Input ein Unternehmen, Beruf oder im digitalen Klassenzimmer handeln. Es ist davon auszu- Thema durch eine Unternehmerin oder einen Unternehmer gehen, dass der Inhalt dieser Maßnahme sich besonders vorgestellt. Im Anschluss besteht Gelegenheit für Nachfra- nach den Interessen der Schülerinnen und Schüler richtet gen und Dialog. und flexibel gestaltbar ist. Im Rahmen virtueller Messen Darüber hinaus gibt es selbstverständlich weitere Formen, können Unternehmen und Institutionen sich selbst und welche die digitale Berufsorientierung annehmen kann. verschiedene Berufe mittels Videos oder Foto-Slideshows Hierzu gehören beispielsweise Online-Praktika. Die Idee, präsentieren und Informationsmaterial wie digitale Bro- auch ein Praktikum in digitaler Form anzubieten, ist relativ schüren für die Besucherinnen und Besucher hinterlegen. neu. Vor allem für kaufmännische oder IT-Berufe, aber auch Auch ein Rahmenprogramm mit virtuellen Vorträgen und für andere Berufssparten entstehen zurzeit Online-Alterna- Workshops ist möglich. Zudem besteht die Möglichkeit, tiven, um Schülerinnen und Schülern einen ersten Eindruck mit Beraterinnen und Beratern per Text- oder Video-Chat über berufliche Möglichkeiten zu vermitteln. Zahlen zur ins Gespräch zu kommen. Virtuelle Messen sind dabei Verbreitung dieser Form der Berufsorientierung liegen der- keine Innovation aus der Pandemiezeit, sondern exis- zeit nicht vor. tieren bereits seit über 20 Jahren, wenngleich sich die technischen Möglichkeiten im Laufe der Zeit weiterent- 14
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG 4.4 Wünsche hinsichtlich der Berufsorientierung an Unternehmen Obwohl sie ihr Wissen über Berufsorientierung durch- Damit ist diese Berufsorientierungsmaßnahme bei beiden schnittlich als gut einstufen (Risius et al., 2021) und viele Geschlechtern die zweitgefragteste. Diese Ergebnisse von ihnen bereits an zahlreichen Berufsorientierungsmaß- bieten Unternehmen wichtige Hinweise für die Gestaltung nahmen teilnehmen (siehe Kapitel 4.1 bis 4.3), wünschen passgenauer Informationsangebote. So bieten sich etwa sich Schülerinnen und Schüler weitere Angebote von Schulkooperationen als organisatorischer Rahmen für Unternehmen. Die befragten Schülerinnen wünschen sich Unterrichtsbesuche und Unternehmenspraktika an. Auch dabei signifikant mehr Angebote als die Schüler, was in der Auszubildende als „Ausbildungsbotschafterinnen und Gesamtbetrachtung auf einen höheren Bedarf an Berufs- -botschafter“ können in diesem Rahmen zum Einsatz kom- orientierungsmaßnahmen bei jungen Frauen hinweist. men und die Begeisterung für ihre Berufe transportieren. Insgesamt zeigt sich, dass die Jugendlichen besonderen Weniger wichtig hingegen sind den Schülerinnen und Wert darauflegen, selbst mehr über die Arbeitswelt zu Schülern Informationsangebote für Lehrkräfte sowie für erfahren. Etwa neun von zehn jungen Frauen und mehr als Eltern. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, da Eltern acht von zehn jungen Männern wünschen sich mindes- und Lehrkräfte die engsten Bezugspersonen darstellen. tens ein Orientierungsangebot von Unternehmen. Dies Es zeigt allerdings den Wunsch der Jugendlichen nach Un- signalisiert eine hohe Aufgeschlossenheit der Befragten abhängigkeit, denn die direkte Information aus erster Hand gegenüber Informationen, die Unternehmen bereitstellen ist einerseits ungefiltert und ermöglicht andererseits das können. Besonders häufig wünschen sich Jugendliche Anbringen konkreter Rückfragen. Doch auch, wenn Schü- die Möglichkeit, sich direkt in den Betrieben ein Bild von lerinnen und Schüler Informationsangebote für ihre Eltern der Arbeit und den verschiedenen Berufen zu machen. und Lehrkräfte nicht unmittelbar als relevant erachten, Mehr als sechs von zehn Mädchen und etwa fünf von zehn können Unternehmen darüber nachdenken, entsprechende Jungen würden gerne von Unternehmen im Unterricht Informationen bereitzustellen und so auch die Eltern als besucht werden (vgl. Abbildung 8). An Unternehmens- wichtigste Ansprechpartner bei der Berufswahl ihrer Kinder praktika äußern etwa vier von zehn Befragten Interesse. mit einzubeziehen. Abbildung 8: Wünsche der Schülerinnen und Schüler an Unternehmen mit Blick auf Berufsorientierungsmaßnahmen 62,5 Unterrichtsbesuche 50,4 Unternehmens- 43 praktika 37,9 36,5 Digitale Angebote 30 30,7 Besuche vor Ort 27,1 Informationen 13,6 für Lehrer 9,7 Informationen 7,8 für Eltern 6,1 0 10 20 30 40 50 60 Mädchen Jungen Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.111 15
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG 5. Im Fokus: Vorbildfunktion der Eltern Im Jahr 2020 steht bei IW JUNIOR das Thema #girlpower im nicht auf die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. In 14 Pro- Vordergrund. Für die berufliche Orientierung spielen grund- zent der Fälle ist die Mutter selbstständig. sätzlich Vorbilder eine große Rolle. Dazu gehören vor allem In der Auswertung nach den Wünschen wird zwischen der die Eltern (siehe Kapitel 3). Daher wurde im Fragebogen Antwort der Jungen und der Antwort der Mädchen differen- auch abgefragt, ob die Eltern oder die Mutter ein Vorbild ziert. (Abbildung 9) Auf die Frage, ob die Aufteilung von für die Jugendlichen sind, zum Beispiel in Bezug auf die Beruf und Haushalt der eigenen Eltern ein Vorbild für sie Aufteilung von Beruf und Haushalt. selbst ist ist, sagen etwas mehr Jungen (27,5 Prozent) als Zunächst wurden die Teilnehmenden nach der Arbeitsauf- Mädchen (24,7 Prozent), dass sie sich ihr späteres Leben teilung ihrer Eltern gefragt (Arbeiten deine Eltern in ihren genauso vorstellen. Die Unterschiede sind dabei allerdings Jobs beide gleich viele Stunden?). Bei der Mehrheit der relativ klein. Hingegen gibt es deutlich mehr Mädchen, die Teilnehmenden (63 Prozent) arbeitet der Vater mehr als die sich später eine andere Aufteilung für ihre eigene Bezie- Mutter. In 24 Prozent der Fälle arbeiten beide gleich viel hung wünschen als Jungen (38,9 Prozent gegen 29 Prozent und in 13 Prozent der Fälle arbeitet die Mutter mehr als der bei Jungen). Der Wunsch zur Veränderung und nicht dem Vater. Darüber hinaus wurde explizit gefragt, ob die Mutter Vorbild der Eltern zu folgen, kommt also etwas stärker von berufstätig ist und wenn ja, wie viel sie arbeitet. In knapp den jungen Frauen. Man sieht allerdings auch, dass sich 85 Prozent der Fälle ist die Mutter berufstätig. Am häufigs- die Mädchen grundsätzlich bereits etwas häufiger mit dem ten (46,5 Prozent) ist die Mutter in Teilzeit beschäftigt, aber Thema auseinandergesetzt haben. Der Anteil derjenigen, auch in Vollzeit arbeiten 40 Prozent der Mütter. Das zeigt, die hierzu noch keine klare Meinung gefasst haben, ist bei dass die Angaben dazu, ob der Vater oder die Mutter mehr den Mädchen (36,4 Prozent) geringer als bei den Jungen arbeitet, sich auf die tatsächliche Arbeitszeit beziehen und (43,6 Prozent). Abbildung 9: Ist die Aufteilung von Beruf und Haushalt unter deinen Eltern ein Vorbild für dich? Mädchen 24,7 38,9 36,4 Jungen 27,5 29,0 43,6 0 20 40 60 80 100 Ja, genauso stelle ich mir mein späteres Leben auch vor Nein, ich möchte das später anders aufteilen Das weiß ich nicht, ich bin unentschlossen Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.001 Es besteht ein Zusammenhang (Abbildung 10) zwischen teres Leben gleich vor. Den Unterschied macht dabei vor der Berufstätigkeit der Mutter und ihrer Vorbildfunktion: allem aus, ob die Mutter überhaupt arbeitet. Ob die Mutter Wenn die Mutter in Teilzeit oder Vollzeit arbeitet, ist die in Teilzeit oder Vollzeit arbeitet, hat dagegen nur einen ge- Wahrscheinlichkeit höher, dass die elterliche Aufteilung ringen Einfluss auf die Vorstellungen der Jugendlichen. Es von Beruf und Arbeit auch als Vorbild gesehen wird. Wenn gibt allerdings, egal in welcher Konstellation, einen großen dagegen die Mutter gar nicht arbeitet, sagt ein Großteil der Anteil von Jugendlichen, die sagen, dass sie noch keine Jugendlichen, dass sie später eine andere Aufgabenteilung klare Vorstellung über die spätere Arbeitsteilung haben. haben möchten. Lediglich 18 Prozent stellen sich ihr spä- 16
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG Abbildung 10: Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit der Mutter und ihrer Vorbildfunktion Nein 18,5 50,0 31,5 Teilzeit 25,6 33,5 40,9 Vollzeit 29,2 29,5 41,3 0 20 40 60 80 100 Ja, genauso stelle ich mir mein späteres Leben auch vor Nein, ich möchte das später anders aufteilen Das weiß ich nicht, ich bin unentschlossen Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.001 Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Befragung wurden jeweils so viel arbeiten möchten, wie es gut für die Familie auch gefragt, welches Rollenmodell sie sich später für ihre ist. eigene Familie vorstellen können. (Abbildung 11) Mädchen Bei der Frage muss allerdings berücksichtigt werden, dass haben tendenziell egalitärere Vorstellungen als Jungen. die Frage ein (traditionelles) Familienmodell (mit Mutter, Der Anteil der Jungen, die sich vorstellen, dass der Vater Vater, Kind) voraussetzt, das vielleicht nicht alle Befragten Vollzeit arbeitet und die Mutter Teilzeit, ist mit 18 Prozent anstreben. doppelt so hoch wie bei den Mädchen (9 Prozent). Jungen können sich auch häufiger vorstellen (4,5 Prozent), dass Die Berufstätigkeit der Mutter hat auch Auswirkungen auf nur der Vater arbeitet. Bei den Mädchen liegt dieser Wert das Wissen über die eigene Karriereplanung. bei 1,3 Prozent. Darüber hinaus gibt sowohl ein Großteil So zeigt sich, dass Jugendliche eher wissen was sie wollen, der Jungen als auch ein Großteil der Mädchen an, dass sie wenn die Mutter berufstätig ist. Abbildung 11: Vorstellung der Aufgabenteilung innerhalb der zukünftigen eigenen Familie 1,3 Mädchen 9,0 14,4 74,6 0,4 0,4 Jungen 4,5 18,0 11,2 64,4 1,7 0,2 0 20 40 60 80 100 nur Vater arbeitet Mutter Vollzeit, Vater Teilzeit nur Mutter arbeitet Beide gleich viel Vater Vollzeit, Mutter Teilzeit Beide arbeiten jeweils so viel, wie es gut für die Familie ist Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.021 17
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG 6. Berufswünsche der Jugendlichen In der Befragung der IW JUNIOR wurden die Jugendlichen Abbildung 12: Angaben zur Berufs- oder darum gebeten, ihren Berufswunsch kurz zu umreißen. Ins- Studienorientierung gesamt kamen 708 Befragte dieser Bitte nach und gaben eine offene Antwort. Die offenen Antworten wurden codiert. Dabei wurde einerseits die Orientierung zu einem Stu- dium oder einer Ausbildung klassifiziert und andererseits die Fachrichtung, in welcher die Jugendlichen sich eine berufliche Zukunft vorstellen könnten. Bei mehreren ge- 36,6 37,2 nannten Berufswünschen wurde stets nur der erstgenannte Berufswunsch ausgewertet. Signalisierte eine befragte Person, dass sie/er sowohl offen für eine Ausbildung als auch für ein Studium ist, oder war aufgrund der Angabe 13,2 11,6 keine eindeutige Zuordnung der Antwort zu einem Ausbil- 1,4 dungsberuf oder Studienfach möglich, wurde die Antwort in die Kategorie „Ausbildung oder Studium“ einsortiert. Für die Zuordnung nach Fachrichtungen wurden insgesamt Ausbildung Ausbildung oder Studium Studium dreizehn Cluster gebildet und eine weitere Kategorie, in duales Studium keine Angabe welcher Berufe mit drei oder weniger Nennungen zusam- mengefasst wurden. Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.087 Von allen Befragten interessierten sich 37,2 Prozent vor allem für ein Studium und 13,2 Prozent eher für eine Aus- bildung (siehe Abbildung 12). Dabei äußerten junge Frauen werks- (17), geisteswissenschaftlichen und Sprachberufe häufiger eine Präferenz für einen akademischen Beruf als (18 Nennungen). Dabei ist zu bemerken, dass einige Berufe junge Männer (39,3 Prozent vs. 34,6 Prozent). Weitere 11,6 aufgrund einer zu geringen Anzahl an Nennungen keinem Prozent der Befragten nannten einen Berufswunsch, der der Cluster zugewiesen werden konnten. Hierzu zählen nicht eindeutig als Studien- oder Ausbildungsberuf erkenn- beispielsweise Sicherheitsberufe wie Feuerwehrleute, aber bar war, aber bereits eine fachliche Ausrichtung erkennen auch gastronomische Berufe oder Pilotinnen/Piloten. ließ (zum Beispiel „irgendwas Kreatives“, „Informatik“). Schaut man sich die beruflichen Vorstellungen der Jugend- Junge Männer waren dabei häufiger für Ausbildung oder lichen nach Fachbereichen an, bietet sowohl die Perspekti- Studium offen als junge Frauen (14,4 Prozent vs. 9,4 Pro- ve auf die Ausbildungs- oder Studienorientierung, als auch zent der Befragten). Darüber hinaus äußerten 1,4 Prozent die Analyse mit Blick auf die Geschlechterstruktur, einige der Befragten den Wunsch nach einem dualen Studium. spannende Erkenntnisse. Bei der Betrachtung der Beru- Möglicherweise ist diese Option nicht allen Jugendlichen fe fällt zunächst auf, dass insbesondere im öffentlichen präsent, sie macht auch im Ausbildungsgeschehen ledig- Dienst und im kaufmännischen Bereich Ausbildungsberufe lich einen kleinen Anteil aus, weshalb der geringe Prozent- weiterhin eine hohe Bedeutung haben. Demgegenüber satz der Jugendlichen, die diesen Wunsch nannten, nicht sind Rechtswissenschaften, Geisteswissenschaften und überrascht. 36,6 Prozent der Jugendlichen machten keine Sprachen ebenso wie Gesellschaftswissenschaften reine Angabe. Wichtig ist hierbei, dass fast alle Befragten das Studienbereiche. Für Unternehmen, die nach Auszubilden- Gymnasium besuchen und insofern eine hohe Studien- den suchen, ist insbesondere von Interesse, in welchen orientierung nicht verwunderlich ist. Berufsbereichen eine hohe Aufgeschlossenheit für Aus- Hinsichtlich der Gesamtverteilung der Berufswünsche ist bildungsberufe vorherrschen könnte. (Abbildung 13) Dies zunächst festzustellen, dass ein klarer Fokus auf kaufmän- betrifft allen voran den MINT-Bereich. Hier war bei 37 der nischen (143 Nennungen) und MINT-Berufen (110 Nennun- insgesamt 110 Nennungen keine klare Präferenz für Aus- gen), aber auch auf Berufen im Bereich der „Begabungs- bildung oder Studium sowie bei 11 Nennungen eine klare fächer“ Kunst, Musik und Sport (75 Nennungen) sowie den Präferenz für Ausbildungsberufe erkennbar. Getrieben ist Gesundheitsberufen (ebenfalls 75 Nennungen) liegt. Auch dies insbesondere von dem Wunsch, beruflich mit Infor- auf den Berufsbereich des Bildungs- und Sozialwesens (65 matik oder Wirtschaftsinformatik zu tun zu haben. Auch Nennungen) sowie die Rechtswissenschaft (47 Nennungen) im künstlerisch-musischen Bereich und bei den kaufmän- entfallen einige Antworten. Auf den letzten Rängen liegen nischen Berufen scheinen einige Jugendliche noch nicht die Cluster der gesellschaftswissenschaftlichen (11), Hand- zwischen Ausbildung und Studium entschieden zu haben. 18
STUDIE 2/2021 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG Abbildung 13: Berufswünsche nach Berufsrichtung und Bildungsgang Anzahl offener Nennungen kaufmännische Berufe 43 81 19 MINT-Berufe 11 62 37 Künstlerisch/Musisch/ 13 40 22 Sportlich Gesundheitsberufe 9 63 3 Bildung / Soziales 9 48 8 Rechtswissenschaft 1 46 Öffentlicher Dienst 29 10 6 Psychologie 29 Sonstiges 16 13 Ingenieurwesen 19 1 Geisteswissenschaft/ 16 2 Sprachen Handwerk 16 1 Gesellschafts- 11 wissenschaft 0 30 60 90 120 ausbildungsorientiert studienorientiert nicht festgelegt Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 675 Auch der Blick auf die Geschlechterverteilung bietet hin- ten jungen Männer einen MINT-Beruf anstreben, sind es sichtlich der Frage, welche Handlungsfelder für Politik und lediglich 7,0 Prozent der jungen Frauen. Für Gesundheits- Unternehmen bestehen, wichtige Ansatzpunkte. Abbildung berufe dagegen interessieren sich 17,2 Prozent der jungen 14 zeigt, wie viel Prozent aller weiblichen und männlichen Frauen, aber nur 3,6 Prozent der jungen Männer. Ähnliche Befragten sich jeweils für einen bestimmten Berufsbereich Ungleichgewichte zugunsten der Frauen bestehen etwa im interessieren. Einige Berufsbereiche frequentieren junge Bereich Bildung / Soziales (13,4 vs. 5,0 Prozent) sowie bei Frauen und Männer etwa gleich häufig, darunter kaufmän- der Psychologie (6,5 vs. 1,7 Prozent). Das leichte Gefälle nische Berufe, Rechtswissenschaften sowie die kleineren im Bereich des öffentlichen Dienstes ist damit zu erklären, Berufscluster. Bei anderen Berufsbereichen hingegen ist dass auch Militärkarrieren, für die sich überwiegend Män- ein deutliches Gefälle im Interesse der Geschlechter er- ner interessieren, zu diesem Berufsbereich zählen. kennbar. Während beispielsweise 27,7 Prozent aller befrag- 19
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