Neue (digitale) Wege in der Berufsorientierung - KOFA-STUDIE 2/2021

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KOFA-STUDIE 2/2021

Neue (digitale) Wege
in der Berufsorientierung
So können sich Unternehmen einbringen
Kompetenzzentrum
Fachkräftesicherung (KOFA)
Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) ist ein Projekt
des Instituts der deutschen Wirtschaft und wird gefördert durch das
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Das KOFA unterstützt kleine
und mittlere Unternehmen (KMU) dabei, Fachkräfte zu finden, zu binden
und zu qualifizieren.

Folgende Angebote bietet das KOFA:

           Studien: Analysen zur Fachkräftesituation             Vorträge und Netzwerke: Austausch mit den
           in Deutschland                                        Expertinnen und Experten vor Ort

           Handlungsempfehlungen und Checklisten:                Webinare: Weiterbildung und Austausch vom
           Tipps für Ihre Personalarbeit                         Schreibtisch aus

           Praxisbeispiele: Best Practice zum Nachahmen          Newsletter: regelmäßige Infos über aktuelle
           und Weiterdenken                                      Trends im Themenfeld

           Trends: Zukunftsthemen wie digitale Bildung
           und Führung 4.0

Mehr Informationen auf
www.kofa.de

E-Mail: fachkraefte@iwkoeln.de
Telefon: 0221-4981-543

twitter.com/KOFA_de
facebook.com/Personalarbeit
linkedin.com/company/kofa-kompetenzzentrum-fachkräftesicherung
NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG

Inhalt
      Zentrale Ergebnisse .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4

1     Einleitung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 6

2 Berufsorientierung: Der aktuelle Stand .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 6

3 Datenbasis und Einordnung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8

4     Aktuelle Erkenntnisse zur Berufsorientierung  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 9
      4.1 Berufsorientierung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
      4.2 Berufsorientierung mittels sozialer Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
      4.3 Digitale Maßnahmen zur Berufsorientierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
      4.4 Wünsche hinsichtlich der Berufsorientierung an Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

5     Im Fokus: Vorbildfunktion der Eltern  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 16

6 Berufswünsche der Jugendlichen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 18

7     Handlungsempfehlungen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 21

      Abbildungen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 24

      Literatur .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 25

                                                                                                               3
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Zentrale Ergebnisse
In der Berufsorientierung sind die Eltern und inten-               Schülerinnen und Schüler wünschen sich praxis-
sive Einblicke in die Praxis besonders wichtig                     nahe Informationsangebote von Unternehmen
Eltern sind die ersten Ansprechpartner für die Jugendlichen        Über 80 Prozent der Befragten wünschen sich eines oder
im Prozess der Berufsorientierung – auch in der Corona-            mehrere Angebote zur Berufsorientierung von Unter-
Pandemie. Andere Angebote wie Berufsmessen, Beratung               nehmen. Tendenziell haben Schülerinnen einen höheren
der Agentur für Arbeit, Betriebsbesichtigungen und vor             Informationsbedarf als Schüler. Am häufigsten wünschen
allem Praktika sind im vergangenen Jahr zum großen                 sich Schülerinnen und Schüler Unterrichtsbesuche, bei
Teil ausgefallen und konnten nur bedingt durch digitale            denen Unternehmensvertreter in die Schule kommen. Etwa
Formate ersetzt werden. Dabei sind für die Schülerinnen            vier von zehn Befragten wünschen sich Unternehmens-
und Schüler Praktika besonders wichtig und nützlich, da            praktika. Auch digitale Angebote und Besuche vor Ort sind
dort der direkte Vergleich zwischen Wunschvorstellung und          für etwa ein Drittel der Befragten interessant. Aus Sicht
Realität stattfindet. Mädchen und Jungen nutzen Angebote           von Schülerinnen und Schülern ist es nicht hilfreich, wenn
der Berufsorientierung unterschiedlich stark: Während die          Unternehmen Informationen direkt für Lehrkräfte und
Mädchen mehr über das Internet und Social-Media-Kanäle             Eltern bereitstellen. Eltern sind zwar faktisch die wich-
recherchieren und auch mehr das Informationsmaterial der           tigsten Ansprechpartner, allerdings möchten Jugendliche
Schulen und der Berufsberatung der Arbeitsagentur nut-             Berufsinformationen direkt erhalten und finden es weniger
zen, greifen Jungen eher auf das Informationsmaterial von          hilfreich, wenn dies über die Eltern geht. Denn die direkte
Unternehmen zurück und nutzen Betriebsbesuche vor Ort.             Information aus erster Hand ist ungefiltert und ermöglicht
                                                                   das Anbringen konkreter Rückfragen Dies zeigt auch den
                                                                   Wunsch der Jugendlichen nach Unabhängigkeit.
Ein gutes Viertel der Jugendlichen hat bereits
digitale Berufsorientierungsangebote genutzt
                                                                   Jugendliche wünschen sich häufig ein Studium,
Um Berufsorientierung auch während der Corona-Pande-
                                                                   kaufmännische und MINT-Berufe sind beliebt
mie zu ermöglichen, haben viele Akteure kurzfristig digitale
Angebote geschaffen. Dazu zählen digitale Unternehmer-             Nur etwa 13 Prozent der Befragten interessierten sich für
talks, Online-Berufsberatungen, virtuelle Ausbildungs-             eine berufliche Ausbildung. Über ein Drittel der Befragten
messen und weitere Angebote. Auch wenn diese digitalen             würde gern einen Studienberuf ergreifen, ein weiteres
Berufsorientierungsmaßnahmen kein vollständiger Ersatz             Drittel machte keine Angabe. Einer von zehn Jugendlichen
sind, werden sie auch von den Jugendlichen gut ange-               weiß noch nicht, ob sie oder er eine Ausbildung oder ein
nommen: Etwa 28 Prozent der Befragten haben bereits                Studium wählen möchte. Besonders aufgeschlossen für
eines oder mehrere digitale Berufsorientierungsangebote            eine berufliche Ausbildung sind Jugendliche, die sich für
in Anspruch genommen. Dabei sind digitale Berufsbera-              kaufmännische Berufe interessieren. Häufig genannte
tungen die am häufigsten angebotenen Formate. Digitale             Berufswünsche sind zum einen die kaufmännischen Berufe
Berufsmessen werden an den Schulen nur bei etwa jeder              wie Bürokaufleute oder ein BWL-Studium, zum anderen
bzw. jedem zehnten Befragten angeboten. Noch weniger               MINT-Berufe wie eine Ausbildung zur Laborantin/zum
verbreitet sind digitale Unternehmertalks.                         Laboranten oder Ingenieursstudiengänge. Nach wie vor
                                                                   sind die Berufswünsche stark geschlechtstypisch ge-
                                                                   prägt: Während junge Männer sich stärker für MINT-Berufe
Soziale Medien spielen eine wichtige Rolle
                                                                   interessieren, sind junge Frauen eher an Gesundheits- und
Mehr als jede bzw. jeder vierte Befragte nutzt Social-Me-          sozialen Berufen interessiert.
dia-Kanäle zur Berufsorientierung. Vor allem die (audio-)
visuellen Plattformen Instagram und YouTube sind bei den
                                                                   Die Eltern fungieren vor allem dann als Vorbild,
Schülerinnen und Schülern beliebt. Sie werden von ihnen
                                                                   wenn die Mütter berufstätig sind
als wichtige Informationsquellen für die Berufsorientierung
eingeschätzt. Auf diesen Plattformen können Unternehmen            Auf die Frage, ob die Aufteilung von Beruf und Haushalt,
in kurzen Videos ihr Unternehmen, das Team und den Aus-            wie ihre Eltern sie vorleben, ein Vorbild für die Befragten
bildungsalltag zeigen. 83,4 Prozent der YouTube-Nutzerin-          ist, sagen etwas mehr Jungen (27,5 Prozent) als Mädchen
nen und -Nutzer sehen die Videoplattform als besonders             (24,7 Prozent), dass sie sich ihr späteres Leben genauso
hilfreich an. Instagram wird von 60,2 Prozent als hilfreich        vorstellen. Je mehr Stunden die Mutter arbeitet, desto eher
bei der Berufsorientierung eingeschätzt.                           wird die elterliche Aufteilung von Beruf und Arbeit auch als

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Vorbild gesehen. Wenn dagegen die Mutter gar nicht arbei-           Handlungsoptionen für Unternehmen
tet, sagt ein Großteil der Jugendlichen, dass sie später eine
                                                                    Unternehmen können vielfältig bei der Berufsorientierung
andere Aufgabenteilung wählen möchten. Darüber hinaus
                                                                    aktiv werden. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass dies
hat die Berufstätigkeit der Mutter auch Auswirkungen auf
                                                                    auch digital gelingen kann. Digitale Ausbildungsmessen,
die eigene Karriereplanung. So zeigt sich, dass Jugendliche
                                                                    digitales Azubi-Speed-Dating, Online-Praktika oder Social
eher wissen, welchen Beruf sie ergreifen wollen, wenn die
                                                                    Media sind wichtige digitale Wege, damit sich Jugendliche
Mutter arbeitet.
                                                                    über Berufe informieren können. Zudem sollten Unterneh-
                                                                    men die geschlechtsunabhängige Berufswahl fördern.

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1. Einleitung
Eine gute Berufsorientierung ist substanziell für eine            zwischen Unternehmen und Jugendlichen herzustellen. Es
fundierte Berufsentscheidung. Oftmals sind die Vorstell­          ist wichtig, dass die Jugendlichen im Vorfeld ein genaues
ungen der Jugendlichen über ihre beruflichen Möglichkei-          Bild der Ausbildungsinhalte und des Arbeitsalltags im
ten, egal ob Ausbildung oder Studium, allerdings nur vage.        Betrieb haben. Je detaillierter und realitätsnäher diese Vor-
Die Folge sind Ausbildungs- oder Studienabbrüche. So lag          stellung ist, desto fundierter können die Jugendlichen ihre
die Studienabbruchquote im Bachelorstudium bei Anfän-             Berufsentscheidung treffen.
gerinnen und Anfängern im Jahr 2019 bei insgesamt 27 Pro-
                                                                  An der Berufsorientierung sind zahlreiche Akteure beteiligt:
zent (Heublein et al., 2020). Auch die Vertragslösungsquo-
                                                                  Eltern, Lehrkräfte, Berufsberatungen der Arbeitsagenturen
te bei den Ausbildungen lag zuletzt bei 26,9 Prozent (Uhly,
                                                                  und auch die Unternehmen mit ihren unterschiedlichen
2021). Das bedeutet für die Unternehmen: Die betroffenen
                                                                  Angeboten. Gerade, wenn ein Unternehmen ausbildet
Jugendlichen stehen als Fachkräfte nicht oder erst später
                                                                  oder ausbilden möchte, sollte es auch Wert auf eine gute
zur Verfügung.
                                                                  Berufsorientierung legen und sich aktiv daran beteiligen.
Viele Jugendliche beschäftigen sich zu Schulzeiten zwar           Dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten wie Praktika, Schul-
theoretisch mit ihrer beruflichen Zukunft, es fehlen aber         kooperationen, Informationen für Eltern, soziale Medien
ausreichende praktische Erfahrungen. Auch von Seiten              oder Ausbildungsmessen. Gerade bei weniger bekannten
der Wirtschaft wird kritisiert, dass die Berufsorientierung       Berufsbildern ist das wichtig, damit Jugendliche ein Inter-
zu spät beginne und zu wenig praxisorientiert sei (siehe          esse für diese Ausbildungsberufe entwickeln können.
Zitat von DIHK-Präsident Eric Schweitzer). Eine engere
                                                                  Diese Studie geht der Frage nach, welchen Herausforde-
Verzahnung von Schulen und Unternehmen kann dabei
                                                                  rungen die Berufsorientierung aktuell gegenübersteht, wie
unterstützen, den Berufsorientierungsprozess praxisnaher
                                                                  sich Jugendliche über die Berufe informieren und welche
zu gestalten und Jugendliche bei der Wahl eines indivi-
                                                                  Kanäle sich dabei als hilfreich erweisen. Genutzt werden
duell passenden Berufes zu helfen. Dabei kann es auch
                                                                  dabei die Daten einer Befragung von mehr als 1.000 Schü-
gelingen, die Ausbildung als eine zentrale Möglichkeit des
                                                                  lerinnen und Schülern innerhalb des Programms IW JU-
beruflichen Einstiegs in den Fokus zu rücken.
                                                                  NIOR, das Schülerfirmen in Deutschland begleitet. Kapitel
Auch die Berufsorientierung unterliegt einem stetigen             2 stellt relevante Literatur zum Thema Berufsorientierung
Wandel. Die Corona-Pandemie hat der Berufsorientierung            dar. Kapitel 3 beschreibt im Detail die Datenbasis. Die drei
einen Digitalisierungsschub gebracht. Die digitale Berufs-        folgenden Kapitel 4, 5 und 6 stellen die empirischen Ergeb-
orientierung war in Zeiten der Kontaktbeschränkungen eine         nisse der Befragung vor. Die Studie schließt mit relevanten
gute Möglichkeit, einerseits Berufe zeitlich flexibel und         Handlungsempfehlungen für die Praxis ab.
ortsunabhängig vorzustellen und andererseits Kontakte

2. Berufsorientierung:
Der aktuelle Stand
Eine Entscheidung für einen Beruf treffen Jugendliche             bewegen, für ihre Berufswahl prägend (ebd.). So beein-
auf Grundlage zahlreicher Informationen. Dabei berück-            flussen sich die Jugendlichen einerseits innerhalb ihrer
sichtigen sie neben ihren eigenen Interessen sowohl               Freundes- und Bekanntenkreise, sogenannter Peergroups,
finanzielle Anreize als auch den sozialen Status, den sie         gegenseitig. Auch Informationsplattformen wie berufenet.
mit einem bestimmten Job erlangen. Auch Kosten, welche            de, beroobi.de oder azubyo.de sowie interaktiven Online-
die Ausbildung für den jeweiligen Beruf mit sich bringen,         portalen kommen oftmals eine große Bedeutung zu (Beier-
sind entscheidende Faktoren (Breen/Goldthorpe, 1997;              le, 2013). Von den weiteren möglichen Informationsquellen
Schneider/Franke, 2014). Bei der beruflichen Orientierung         werden insbesondere praxisnahe Erfahrungen und Berichte
nutzen die Jugendlichen zahlreiche Informationsquellen.           wie etwa Betriebspraktika oder Gespräche mit Personen,
Besonders häufig greifen sie dabei auf Gespräche mit den          die den jeweiligen Beruf erlernt haben oder ausüben, als
Eltern zurück (Hurrelmann et al., 2019). Darüber hinaus           besonders hilfreich eingeschätzt (Hurrelmann et al., 2019).
ist das persönliche Umfeld, in dem sich die Jugendlichen

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Das Geschlecht spielt in Berufswahlprozessen eine nicht             Schülerinnen und Schüler der siebten und achten Klassen.
von der Hand zu weisende Rolle. Bereits seit vielen Jahren          Einige Bausteine dieses Programms sind verpflichtend für
sind Bestrebungen spürbar, eine geschlechtstypische                 alle. Die Schülerinnen und Schüler erkunden erst in einer
Berufswahl aufzubrechen und junge Frauen für männerdo-              „Potenzialanalyse“ ihre Stärken, bevor sie in „Werkstatt-
minierte Berufe zu begeistern und umgekehrt. Je nach Ge-            tagen“ einzelne Berufsfelder erkunden können. Aus den
schlecht schreiben Eltern und andere orientierungsgeben-            gewonnenen Erkenntnissen soll anschließend ein passen-
de Personen Mädchen oder Jungen bestimmte Begabungen                der Beruf für ein erstes Praktikum gewählt werden.
zu, die als „typisch“ für das jeweilige Geschlecht gelten
                                                                    Das BOP ist Teil der „Initiative Bildungsketten“, die einen
– auch unabhängig der tatsächlichen Talente, die das Kind
                                                                    reibungslosen Übergang von der Schule in den Beruf er-
hat (Buchmann/Kriesi, 2012). Diese Zuschreibungen gehen
                                                                    möglichen soll. Neben den Agenturen für Arbeit mit ihren
ins sogenannte akademische Selbstkonzept über, das
                                                                    Berufsinformationszentren sind die Schulen die zentralen
Heranwachsende von sich und ihren eigenen Fähigkeiten
                                                                    Kooperationspartner des BOP. Aufgrund des Föderalismus
entwickeln: Was kann ich gut? Was liegt mir? Darüber prägt
                                                                    können die Programme grundsätzlich in jedem Bundesland
das Selbstkonzept auch die Berufswahl (Buchmann/Krie-
                                                                    unterschiedlich umgesetzt werden. In Modellprojekten
si, 2012). So schätzten junge Frauen beispielsweise ihre
                                                                    wird zurzeit neben der Sekundarstufe I auch die Sekun-
eigenen Kenntnisse über wirtschaftliche Zusammenhänge
                                                                    darstufe II an Gymnasien in den Fokus genommen. Der
schlechter ein als junge Männer (Risius et al., 2021), was
                                                                    Eindruck vieler Eltern ist allerdings, dass an Gymnasien in
unter anderem mit den Überschneidungen von mathemati-
                                                                    erster Linie Studienorientierung stattfindet und dass die
schem Selbstkonzept und ökonomischer Bildung erklär-
                                                                    Möglichkeiten einer dualen Ausbildung zu wenig oder gar
bar ist (Marsh/Shavelson, 1985). Um Klischees bei der
                                                                    nicht dargestellt werden. Das zeigte eine Eltern-Befragung
Berufsorientierung entgegenzuwirken, ist unter anderem
                                                                    des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK)
die Förderung etwa mathematisch-naturwissenschaftlicher
                                                                    im Jahr 2018. Um Studien- und Berufswahlverhalten von
Interessen bei Frauen von Bedeutung: Eine Studierenden-
                                                                    Gymnasiastinnen und Gymnasiasten weiter zu untersuchen
befragung zeigte 2017, dass über 72 Prozent der Studienan-
                                                                    und vor allem deren Grad der Informiertheit und die Er-
fängerinnen und -anfänger ihre Studienwahl aufgrund einer
                                                                    wartungsbildung, als auch die Wahrnehmung und Inan-
intrinsischen Motivation trafen (BMBF, 2017).
                                                                    spruchnahme von Angeboten zur beruflichen Orientierung
Darüber hinaus spielen auch weitere Faktoren, auf die               und Berufsberatung durch die BA und weiterer beteiligter
Unternehmen direkten Einfluss nehmen können, eine Rolle             Akteure zu quantifizieren, läuft zurzeit eine wissenschaftli-
bei der Berufsorientierung. So können auch die sozialen             che Studie „Berufliche Orientierung: Berufs- und Studien-
Medien, in denen sich Kinder und Jugendliche tagtäglich             wahl (BerO)“ des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-
bewegen, geschlechterstereotype Sichtweisen formen: Jun-            schung (IAB).
ge Menschen denken stärker in stereotypen Rollenbildern,
                                                                    Vor dem Hintergrund dieser Informationen behandelt die
je intensiver sie soziale Medien nutzen (Plan International,
                                                                    vorliegende Studie folgende Fragen:
2019). Darüber hinaus haben Ulrich et al. (2004) belegt,
dass Berufsbezeichnungen einen Einfluss auf das beruf-              • Inwieweit beschäftigen sich Jugendliche mit dem Thema
liche Interesse von Bewerbenden haben. Somit können                   Berufsorientierung?
weibliche oder geschlechtsneutrale Berufsbezeichnungen
                                                                    • Über welche Ansprechpartner und weitere Quellen be-
einen Beitrag dazu leisten, klischeebesetzte Berufswahl-
                                                                      ziehen sie Informationen?
muster aufzubrechen. Nicht zuletzt ist die (vermeintliche)
Vereinbarkeit des Berufs mit einer eigenen Familie für viele        • Welche Rolle spielen soziale Medien und digitale Berufs-
junge Frauen relevant: Zwei Drittel der für die Shell-Jugend-         orientierungsangebote für die Berufsorientierung?
studie befragten Frauen sind klare Arbeitszeiten mit festem
                                                                    • Wie stellen sich die Jugendlichen die Aufteilung von
Arbeitsanfang und -ende wichtig (Albert et al., 2019). Auch
                                                                      Familien- und Erwerbsarbeit in der Zukunft vor?
eine Betonung dieser Aspekte kann somit die Berufswahl
beeinflussen.                                                       • Für welche Berufsbereiche interessieren sich die Jugend-
                                                                      lichen? Bei welchen beruflichen Interessen sind sie für
Der Übergang von der Schule in den Beruf stellt viele Schü-
                                                                      eine Berufsausbildung besonders aufgeschlossen?
lerinnen und Schüler vor große Herausforderungen. Das
Berufsorientierungsprogramm (BOP) des Bundesminis-
teriums für Bildung und Forschung (BMBF) richtet sich an

                                                                7
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3. Datenbasis und Einordnung
Die vorliegende KOFA-Studie zur Berufsorientierung beruht        Aspekte der beruflichen Orientierung und hatte einen be-
auf Befragungsdaten, welche durch die IW JUNIOR gGmbH            sonderen Fokus auf der Berufsorientierung junger Frauen
erhoben wurden. IW JUNIOR hat zum Ziel, die ökonomische          und der Rolle, die Eltern im Berufsorientierungsprozess
Bildung von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstu-           einnehmen.
fen voranzubringen und diese mittels der betreuten, zeit-
                                                                 Da alle Befragungspersonen Teilnehmende der IW JUNIOR-
lich begrenzten Gründung eines eigenen Unternehmens für
                                                                 Programme sind, ist die Befragung nicht repräsentativ für
Wirtschaftsthemen zu begeistern. Die Gründung der Schü-
                                                                 die Gesamtheit der Schülerinnen und Schüler in Deutsch-
lerfirmen erfolgt in einem der drei Programme „Basic“,
                                                                 land. 74 Prozent der Befragten besuchten das Gymnasium,
„Advanced“ oder „Expert“, die sich vor allem darin unter-
                                                                 14 Prozent eine berufsbildende Schule und 8 Prozent eine
scheiden, wie eng die Schülerfirmen bei der Gründung
                                                                 Gesamtschule. Nur einzelne Teilnehmende besuchten
betreut werden und wie anspruchsvoll die Anforderungen
                                                                 andere Schulformen. Zudem sind regionale Schwerpunkte
an die buchhalterischen Unterlagen sind. Der Projektzeit-
                                                                 in Baden-Württemberg (24,3 Prozent) und Nordrhein-
raum entspricht in den meisten Fällen einem Schuljahr und
                                                                 Westfalen (21 Prozent) feststellbar, während alle anderen
beginnt stets nach den Sommerferien.
                                                                 Bundesländer gemessen an der Gesamtzahl der Teilneh-
Im Rahmen der IW JUNIOR-Programme finden jedes Jahr              menden lediglich einstellige Prozentzahlen erreichten.
zwei Befragungen statt. Die Feldphase der ersten Befra-          Aufgrund der fehlenden Repräsentativität kann von der
gung begann im November und endete im Dezember 2020;             Stichprobe nicht auf die Gesamtheit aller Schülerinnen und
die zweite Befragung wird im Sommer 2021 stattfinden.            Schüler geschlossen werden. Darüber hinaus ist durch die
Alle Schülerinnen und Schüler, die im Winter 2020 an             Selektion von Teilnehmenden der IW JUNIOR-Programme
einem der drei IW JUNIOR-Programme teilnahmen, wurden            davon auszugehen, dass die Befragung auch bezüglich un-
um eine Teilnahme an der Befragung gebeten. Insgesamt            beobachteter Merkmale, wie zum Beispiel ihrer Motivation,
nahmen 1.092 Schülerinnen und Schüler daran teil. Das            nicht repräsentativ ist. Dennoch bieten die Zahlen wertvol-
Spektrum der abgefragten Themen umfasste neben Fragen            le Einblicke in den Ablauf von Berufsorientierungsprozes-
zur Selbsteinschätzung des ökonomischen Wissens (aus-            sen, insbesondere mit Blick auf die Berufsorientierung an
gewertet in Risius et al., 2021) insbesondere verschiedene       Gymnasien.

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4. Aktuelle Erkenntnisse
zur Berufsorientierung
In der aktuellen Befragung der IW JUNIOR ist das Thema                       auf denen sich Jugendliche über Berufe informierten.
„Berufsorientierung“ und die damit verbundenen Wünsche                       Hierzu zählen neben „klassischen“ Informationswegen
und Einschätzungen der Jugendlichen zentral. Der Fokus                       wie Gesprächen, Praktika und Unterrichtsbesuchen auch
lag dabei auf der Beschäftigung mit der Berufsorientierung                   soziale Medien und digitale Berufsorientierungsformate
im Allgemeinen, aber auch auf den verschiedenen Wegen,                       wie beispielsweise Online-Berufsmessen.

4.1 Berufsorientierung allgemein

In einer Frage sollten die Jugendlichen beurteilen, ob und                   einandergesetzt und 56 Prozent ein wenig. Lediglich 13,5
wie intensiv sie sich schon mit dem Thema Berufsorientie-                    Prozent der Befragten hatten sich kaum oder gar nicht mit
rung beschäftigt haben (Abbildung 1). Zum Zeitpunkt der                      dem Thema beschäftigt.
Befragung hatten sich über 30 Prozent intensiv damit aus-

Abbildung 1: Beschäftigung mit dem Thema Berufsorientierung

Mädchen                         31,8                                                     57,5                                        9,7         1,0

  Jungen                       28,9                                               54,3                                        15,0               1,8

 gesamt                         30,5                                                  56,1                                      12,1             1,4

           0                             20                        40                    60                         80                     100

               ja, intensiv            ja, ein wenig        nein, kaum        nein, noch gar nicht

Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.111

Auf die allgemeine Frage, ob sie schon eine Vorstellung                      70,2 Prozent „Ja-Antworten“ schon genauere Berufsvorstel-
davon haben, was sie später werden möchten, antworteten                      lungen haben als die Mädchen mit 64,9 Prozent „Ja-Ant-
67,3 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit „ja“ und                       worten“ (Abbildung 2). Je älter die Befragten sind, umso
32,7 Prozent mit „nein“. Unterscheidet man hier zwischen                     intensiver haben sie sich bereits mit dem Thema Berufs-
Mädchen und Jungen, ist auffällig, dass die Jungen mit                       orientierung beschäftigt.

Abbildung 2: Anteil der Befragten, die eine Vorstellung vom zukünftigen Beruf haben

Mädchen                                                                                              64,9

  Jungen                                                                                                     70,2

           0              10              20           30           40       50              60             70           80      90              100

Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.017

                                                                         9
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 Auch die Jugendstudie des Landes Baden-Württemberg                    Der Prozess der Berufsorientierung braucht neben den
 (Antes et al., 2020) untersuchte 2020 die Berufswünsche               passiven Informationsquellen auch aktive Beratung und
 von Jugendlichen. Dort gaben 42 Prozent der Befragten an,             den Austausch der Jugendlichen mit anderen. (Abbildung
 bereits einen Berufswunsch zu haben. 35 Prozent hatten                3) Dabei nutzten die Befragten der IW JUNIOR an erster
 wechselnde Berufswünsche und 21 Prozent gaben an, bis-                Stelle Gespräche mit den Eltern mit 82 Prozent, gefolgt von
 lang noch keine Vorstellungen von der eigenen beruflichen             der Schule bzw. den Lehrkräften mit 79,6 Prozent. Auch mit
 Zukunft zu haben. An Gymnasien ist die Quote der Jugend-              den Betreuenden von betrieblichen Praktika (41,4 Prozent)
 lichen mit festen Berufswunsch am geringsten. Interessant             und anderen Erwachsenen (35,3 Prozent) haben die Schü-
 ist, dass sich die Ergebnisse der Jugendlichen zwischen 15            lerinnen und Schüler über ihre Berufswahl gesprochen. Die
 und 18 Jahren nicht wesentlich von denen zwischen zwölf               Beratungsangebote der Arbeitsagenturen bzw. Berufsinfor-
 und 14 Jahren unterscheiden. Obwohl die eigene Berufs-                mationszentren scheint nur eine Minderheit der Befragten
 wahl näher rückt, scheint die Orientierung der Jugend-                in Anspruch zu nehmen.
 lichen in den Abschlussklassen nicht leichter zu fallen als
 den Schülerinnen und Schülern, die für ihre Entscheidung
 noch einige Jahre Zeit haben.

 Abbildung 3: Gesprächspartner zum Thema Berufswahl

         mit meinen Eltern                                                                           82,0

           wir haben das                                                                         79,6
  im Unterricht behandelt

          ich habe selbst
                                                                                        69,2
     darüber nachgedacht

  bei Praktika in Betrieben                                    41,4

  mit Erwachsenen außer-                               35,3
halb von Schule und Eltern

   bei der Arbeitsagentur/                     20,4
                    im BIZ

                              0               20          40                  60                80                     90                    100

                                                                                                            Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.111
                                  trifft zu

 Dass die Eltern die wichtigsten Ansprechpartner im Berufs-            die in Abbildung 4 dargestellt sind, sie sich selbst über Be-
 wahlprozess ihrer Kinder spielen, bestätigen auch andere              rufe informiert haben. 75,8 Prozent der Antwortenden waren
 Studien, wie zum Beispiel die McDonald’s-Ausbildungs-                 selbst schon aktiv, wobei die Mädchen mit 77,6 Prozent
 studie 2019 (Hurrelmann et al., 2019). Auch hier gaben                etwas aktiver waren als die Jungen mit 73,8 Prozent. Durch-
 mit 89 Prozent die meisten der Befragten Gespräche mit                schnittlich nutzten die Mädchen und Jungen etwas mehr als
 ihren Eltern als wichtigste Informationsquelle an, gefolgt            drei dieser Informationsquellen zur Berufsorientierung. Das
 von Freundeskreisen und Bekannten sowie der Recherche                 Internet war mit 66,1 Prozent die am häufigsten genannte
 im Internet. Die McDonald’s-Studie analysierte zudem,                 Recherchequelle, gefolgt vom betrieblichen Praktikum mit
 wie nützlich die jeweiligen Informationsquellen bewertet              44,6 Prozent und Informationen aus der Schule mit 36,4
 wurden. Auch bei dieser Frage stehen die Elterngespräche              Prozent der Befragten. Die Berufsberatung der Arbeits-
 an erster Stelle, dann aber direkt gefolgt vom betrieblichen          agenturen und deren Informationsmaterial spielte bei den
 Praktikum. Die klassischen Medien wie Fernsehen, Bro-                 Teilnehmenden mit nur 21,7 Prozent eine untergeordnete
 schüren oder Zeitschriften und die Beratung der Jobcenter             Rolle. Bei den genutzten Informationsquellen gab es deut-
 verlieren in der Berufsorientierung an Bedeutung, während             liche Unterschiede beim Geschlecht: Während die Mädchen
 die Information durch Eltern, bei Jobmessen und in den                mehr über das Internet und Social-Media-Kanäle recher-
 sozialen Netzwerken gegenüber 2013 wichtiger für die                  chierten und auch häufiger das Informationsmaterial der
 Jugendlichen geworden sind (Hurrelmann et al., 2019).                 Schulen und der Berufsberatung der Arbeitsagentur nutz-
                                                                       ten, griffen mehr Jungen auf das Informationsmaterial von
 In einer weiteren Frage berichteten die Schülerinnen und
                                                                       Unternehmen zurück und nutzten Betriebsbesuche vor Ort.
 Schüler, inwieweit und über welche Informationsquellen,

                                                                  10
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Abbildung 4: Bislang genutzte Berufsorientierungsangebote nach Geschlecht

          Eigenständige                                                                                                                    77,5
 Information über Berufe                                                                                                           73,71

                                                                                                                            68,4
 Recherchen im Internet
                                                                                                                     63,2

                                                                                                        46,6
       Schülerpraktikum
                                                                                                 42,1

   Informationsmaterial                                                                   38,8
             der Schule                                                           33,4

       Recherchen über                                                         30,6
     Social Media / Apps                                           24,7

            Messen oder                                                 26,4
         Veranstaltungen                                         22,3

    Informationsmaterial                                          24,1
              von BA/BIZ                                  18,8

    Informationsmaterial                                  18,5
     eines Unternehmens                                                 26,7

                                              12,1
         Betriebsbesuch
                                                     16,2

                            0            10            20                 30              40              50    60          70             80     90     100

                                Mädchen                Jungen

Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.110-1.111 (je nach Item)

Die Einschränkungen ihrer Berufsorientierungsmöglich-                                          dass die Jugendlichen ihre Informationsbedarfe zumindest
keiten durch die Corona-Pandemie schätzten die Schüle-                                         teilweise auf anderen Wegen als vor der Pandemie gedeckt
rinnen und Schülern sehr unterschiedlich ein: 21,7 Prozent                                     haben könnten. Hierbei können die sozialen Medien, aber
der Befragten konnten ihre Ideen nicht wie geplant umset-                                      auch strukturierte virtuelle Angebote wie Online-Unter-
zen. Für 44,3 Prozent waren nur einige geplante Aktivitäten                                    nehmertalks oder digitale Messen eine besondere Rolle
nicht möglich und bei 34 Prozent hat alles im Großen und                                       gespielt und die entstandenen Lücken in Teilen gefüllt
Ganzen gut geklappt. Somit ist festzustellen, dass die                                         haben. Dies wird in den nachfolgenden Kapiteln ausführ-
Berufsorientierung für etwa zwei Drittel der Schülerinnen                                      licher behandelt.
und Schüler eingeschränkt war. Dies deutet darauf hin,

4.2 Berufsorientierung mittels sozialer Medien

Soziale Medien spielen inzwischen eine wichtige Rolle bei                                      Die vorliegende Befragung zeigt, dass vor allem die Kanäle
der Berufsorientierung. Mehr als jede/jeder vierte Befragte                                    Instagram und YouTube sehr beliebt bei den Schülerinnen
nutzt Social-Media-Kanäle zur Berufsorientierung. Hier-                                        und Schülern sind. (Abbildung 5) 21,9 Prozent der Jugend-
bei spielt vor allem das Kennenlernen des Unternehmens                                         lichen nutzten den audiovisuellen Kanal Instagram und
eine wichtige Rolle. Soziale Medien bieten einen authen-                                       21,7 Prozent die Videoplattform YouTube. Ein signifikanter
tischen Einblick in den Arbeitsalltag der Betriebe. Wie die                                    Unterschied zwischen den Geschlechtern ist vor allem bei
McDonald’s-Ausbildungsstudie zeigt, ist die Bedeutung                                          Instagram zu sehen. Während 24 Prozent der jungen Frauen
von Social Media als berufliche Informationsquelle in den                                      Instagram aktiv nutzten, sind es nur 19,4 Prozent der jun-
vergangenen Jahren stetig angestiegen (Hurrelmann et al.,                                      gen Männer. Zudem wurde auch die Plattform TikTok von
2019). Hier ist der Anteil der Befragten, die 2019 angaben,                                    den Jugendlichen genutzt. Dieser neue Social-Media-Kanal
sich über soziale Medien über die beruflichen Möglichkei-                                      hat sich im Jahr 2020 vor allem bei einer jungen Zielgruppe
ten zu informieren, mit 33 Prozent sogar etwas höher als in                                    etabliert. Rund 5,6 Prozent informierten sich dort.
der Befragung der IW JUNIOR.

                                                                                         11
STUDIE 2/2021                                                                  NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG

Abbildung 5: Nutzung sozialer Netzwerke zur Berufsorientierung

25
                    24,0

      21,9                 21,7 21,3 22,0

20           19,4

15

10
                                                           7,8

                                            5,6
5
                                                   3,0                                      3,4
                                                                 2,3         2,8
                                                                       1,6
                                                                                     2,1                   1,9 1,6 2,1   1,9 2,2 1,7
                                                                                                     0,9                               1,3 1,2 1,3
0
        Instagram             Youtube             Tiktok          Snapchat                 Twitter          Facebook      Linkedin        Xing

       gesamt                männlich              weiblich

Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.111

Von denjenigen, die die jeweilige Plattform nutzten,                                zum Durchschnittsalter aller Befragten (17 Jahre) darstellt.
schätzten 83,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler                                 Große Unternehmen wie die Supermarktkette Lidl ober
YouTube als besonders hilfreich für ihre Berufsorientierung                         auch das Klinikum Dortmund betreiben über TikTok bereits
ein. Damit ist YouTube die Plattform, die den größten Nut-                          sehr erfolgreich ihr Ausbildungs- bzw. Personalmarketing.
zen für die Berufsorientierung bietet. TikTok (63,1 Prozent)                        Auffallend ist auch, dass die 16-Jährigen sich nicht nur auf
und Instagram (60,2 Prozent) wurden ebenfalls als hilfreich                         einer Plattform informieren, sondern durchschnittlich 2,4
angesehen. Die drei am häufigsten genutzten Sozialen                                Plattformen nutzen. Da TikTok in seiner heutigen Form erst
Medien erwiesen sich somit für die Mehrheit ihrer Nutzerin-                         seit 2018 besteht und damit im Vergleich mit anderen so-
nen und Nutzer als eine gute Quelle für die Berufsorientie-                         zialen Medien eine recht neue Plattform ist, wird der Anteil
rung. Dass Jugendliche soziale Medien gerne zur Berufs-                             der Jugendlichen, die sich dort über Berufe informieren,
orientierung nutzen, zeigt auch die Schülerbefragung der                            vermutlich steigen, wenn TikTok seine Popularität erhalten
Deutschen Apotheker- und Ärztebank aus dem Jahr 2020                                und seine Marktposition stärken kann. Das Beispiel TikTok
(Hohaus, 2020). Schülerinnen und Schüler möchten vor                                zeigt, wie schnell neuartige soziale Plattformen mit Rele-
allem über die Plattformen Instagram (50 Prozent) und You-                          vanz für die jugendliche Zielgruppe aufkommen können.
Tube (43 Prozent) Informationen über Arbeitgeber erhalten                           Es steht somit stellvertretend als Beispiel dafür, dass sich
(Hohaus, 2020).                                                                     Informationskanäle im Internet stetig wandeln und Unter-
                                                                                    nehmen somit ständig analysieren müssen, ob sie noch
Auffallend ist, dass bei den beliebtesten Plattformen der
                                                                                    alle für die Zielgruppe relevanten Kanäle bedienen sowie
Fokus auf die audiovisuelle Vermittlung von Inhalten liegt.
                                                                                    neue Formate finden müssen, um sich auf den jeweiligen
Dies bestätigt auch die Schülerbefragung der Deutschen
                                                                                    Kanälen zu positionieren.
Apotheker- und Ärztebank. Hier zeigt sich, dass für 74
Prozent der Befragten Videos von Mitarbeitenden und                                 Andere Social-Media-Plattformen wie Snapchat (2,3
Unternehmen zur Berufsorientierung relevant bis sehr                                Prozent), Twitter (2,1 Prozent), Facebook (1,9 Prozent),
relevant sind, um sich über unterschiedliche Berufsfelder                           LinkedIn (1,9 Prozent) oder Xing (1,3 Prozent) werden von
zu informieren (Hohaus, 2020). Unternehmen sollten den                              den Jugend­lichen kaum zur Berufsorientierung genutzt.
Fokus also auf Bewegtbilder legen.                                                  Auch hier lohnt sich ein Blick auf das Durchschnittsalter
                                                                                    der Nutzenden. Das Durchschnittsalter der Schülerinnen
Ein soziales Netzwerk, das Unternehmen in Zukunft im
                                                                                    und Schüler, die Facebook oder Xing zur Berufsorientierung
Auge behalten sollten, ist TikTok. Die Plattform, die für
                                                                                    nutzen, beträgt 18,1 Jahre. Damit sind diese Befragten sig-
lustige Kurzvideos bekannt ist, ist vor allem bei den jün-
                                                                                    nifikant älter als der Durchschnitt der Stichprobe (17 Jahre),
geren Befragten sehr beliebt. Das Durchschnittsalter der
                                                                                    was auf eine insgesamt ältere Nutzergruppe schließen
befragten Schülerinnen und Schüler, die TikTok nutzen,
                                                                                    lässt.
liegt bei 16,4 Jahren, was einen signifikanten Unterschied

                                                                               12
STUDIE 2/2021                                                           NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG

4.3 Digitale Maßnahmen zur Berufsorientierung

Im Zuge der Corona-Pandemie konnten und können einige                        Den Antworten der Schülerinnen und Schüler zufolge wur-
analoge Formate zur Berufsorientierung nicht wie gewohnt                     den digitale Formate zur Berufsorientierung an den Schu-
durchgeführt werden. So mussten beispielsweise Großver-                      len nur sehr vereinzelt angeboten, wie Abbildung 7 zeigt.
anstaltungen wie Ausbildungsmessen pandemiebedingt                           Das am häufigsten genannte Angebot ist mit 18,5 Prozent
abgesagt werden. Auch Unternehmenspraktika sind zwar                         die digitale Berufsberatung. Etwa einer von zehn Befragten
grundsätzlich erlaubt, jedoch aufgrund von Lockdown-ge-                      berichtet, dass an seiner Schule digitale Berufsmessen an-
triebenen Schließungen etwa von Geschäften oder Gast-                        geboten wurden, und 6,8 Prozent der Befragten geben an,
betrieben nicht in allen Branchen möglich. Somit findet                      dass die Schulen Unternehmertalks anbieten. Die meisten
die Berufsorientierung während der Pandemie nur einge-                       Schulen boten dabei nur eine der drei Maßnahmen an. Le-
schränkt auf den bewährten Wegen statt. Digitale Berufs-                     diglich 6,8 Prozent der Befragten berichteten von mehreren
orientierungsmaßnahmen wie Online-Berufsmessen, eine                         angebotenen Formaten, 71,8 Prozent hingegen von keinem
digitale Berufsberatung, online stattfindende Gespräche                      einzigen.
mit Unternehmen oder sogar ein Online-Praktikum stellen
Möglichkeiten dar, mittels derer dennoch eine Berufsorien-
tierung ermöglicht werden kann.

Die Potenziale, die digitale Berufsorientierungsmaßnah-
men bieten, werden dabei aktuell noch nicht vollumfäng-
lich genutzt. (Abbildung 6) Von den befragten Schülerinnen
und Schülern gaben lediglich 27,6 Prozent an, bereits
selbst an einem digitalen Angebot zur Berufsorientierung
teilgenommen zu haben. Weitere 41,1 Prozent der Befragten
hatten zwar bereits von derartigen Maßnahmen gehört, sie
jedoch nicht genutzt, und 31,3 Prozent der Befragten gaben
an, noch keinerlei Erfahrung damit gemacht zu haben.
Somit ist der Anteil der Befragten, die bereits Erfahrungen
mit strukturierten virtuellen Berufsorientierungsangeboten
haben, noch vergleichsweise gering.

Abbildung 6: Bisherige Erfahrungen von Schülerinnen und
Schülern mit digitalen Angeboten zur Berufsorientierung

                                            27,6
                     31,3

                                     41,1

    ja, schon selbst genutzt     ja, gehört aber nicht genutzt   nein

Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.073

                                                                        13
STUDIE 2/2021                                                 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG

Abbildung 7: An den Schulen der Befragten angebotene digitale Formate
zur Berufsorientierung (in Prozent)

        Digitale
                                                     6,8
Unternehmertalks

         Digitale
                                                                            10,8
   Berufsmessen

         Digitale
                                                                                                                      18,5
  Berufsberatung

                    0                     5                           10                         15

Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.111

Die drei Formate unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Mög-        wickelt haben. Digitale Unternehmertalks beschreiben
lichkeiten und Ausgestaltung deutlich voneinander. Bei             ein thematisch enges Format der Berufsorientierung, das
der digitalen Berufsberatung beispielsweise kann es sich           besonders lebendig wird, wenn mehrere Unternehmerin-
sowohl um eine individuelle Beratung als auch um Maß-              nen und Unternehmer dabei sind. Gleichzeitig kann es
nahmen wie digitale Berufswahltests, Unterrichtsgesprä-            ein sehr persönliches Element sein. Bei Unternehmertalks
che oder virtuelle Besuche der Berufsinformationszentren           wird zunächst in einem Input ein Unternehmen, Beruf oder
im digitalen Klassenzimmer handeln. Es ist davon auszu-            Thema durch eine Unternehmerin oder einen Unternehmer
gehen, dass der Inhalt dieser Maßnahme sich besonders              vorgestellt. Im Anschluss besteht Gelegenheit für Nachfra-
nach den Interessen der Schülerinnen und Schüler richtet           gen und Dialog.
und flexibel gestaltbar ist. Im Rahmen virtueller Messen
                                                                   Darüber hinaus gibt es selbstverständlich weitere Formen,
können Unternehmen und Institutionen sich selbst und
                                                                   welche die digitale Berufsorientierung annehmen kann.
verschiedene Berufe mittels Videos oder Foto-Slideshows
                                                                   Hierzu gehören beispielsweise Online-Praktika. Die Idee,
präsentieren und Informationsmaterial wie digitale Bro-
                                                                   auch ein Praktikum in digitaler Form anzubieten, ist relativ
schüren für die Besucherinnen und Besucher hinterlegen.
                                                                   neu. Vor allem für kaufmännische oder IT-Berufe, aber auch
Auch ein Rahmenprogramm mit virtuellen Vorträgen und
                                                                   für andere Berufssparten entstehen zurzeit Online-Alterna-
Workshops ist möglich. Zudem besteht die Möglichkeit,
                                                                   tiven, um Schülerinnen und Schülern einen ersten Eindruck
mit Beraterinnen und Beratern per Text- oder Video-Chat
                                                                   über berufliche Möglichkeiten zu vermitteln. Zahlen zur
ins Gespräch zu kommen. Virtuelle Messen sind dabei
                                                                   Verbreitung dieser Form der Berufsorientierung liegen der-
keine Innovation aus der Pandemiezeit, sondern exis-
                                                                   zeit nicht vor.
tieren bereits seit über 20 Jahren, wenngleich sich die
technischen Möglichkeiten im Laufe der Zeit weiterent-

                                                              14
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4.4 Wünsche hinsichtlich der Berufsorientierung an Unternehmen

Obwohl sie ihr Wissen über Berufsorientierung durch-                          Damit ist diese Berufsorientierungsmaßnahme bei beiden
schnittlich als gut einstufen (Risius et al., 2021) und viele                 Geschlechtern die zweitgefragteste. Diese Ergebnisse
von ihnen bereits an zahlreichen Berufsorientierungsmaß-                      bieten Unternehmen wichtige Hinweise für die Gestaltung
nahmen teilnehmen (siehe Kapitel 4.1 bis 4.3), wünschen                       passgenauer Informationsangebote. So bieten sich etwa
sich Schülerinnen und Schüler weitere Angebote von                            Schulkooperationen als organisatorischer Rahmen für
Unternehmen. Die befragten Schülerinnen wünschen sich                         Unterrichtsbesuche und Unternehmenspraktika an. Auch
dabei signifikant mehr Angebote als die Schüler, was in der                   Auszubildende als „Ausbildungsbotschafterinnen und
Gesamtbetrachtung auf einen höheren Bedarf an Berufs-                         -botschafter“ können in diesem Rahmen zum Einsatz kom-
orientierungsmaßnahmen bei jungen Frauen hinweist.                            men und die Begeisterung für ihre Berufe transportieren.

Insgesamt zeigt sich, dass die Jugendlichen besonderen                        Weniger wichtig hingegen sind den Schülerinnen und
Wert darauflegen, selbst mehr über die Arbeitswelt zu                         Schülern Informationsangebote für Lehrkräfte sowie für
erfahren. Etwa neun von zehn jungen Frauen und mehr als                       Eltern. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, da Eltern
acht von zehn jungen Männern wünschen sich mindes-                            und Lehrkräfte die engsten Bezugspersonen darstellen.
tens ein Orientierungsangebot von Unternehmen. Dies                           Es zeigt allerdings den Wunsch der Jugendlichen nach Un-
signalisiert eine hohe Aufgeschlossenheit der Befragten                       abhängigkeit, denn die direkte Information aus erster Hand
gegenüber Informationen, die Unternehmen bereitstellen                        ist einerseits ungefiltert und ermöglicht andererseits das
können. Besonders häufig wünschen sich Jugendliche                            Anbringen konkreter Rückfragen. Doch auch, wenn Schü-
die Möglichkeit, sich direkt in den Betrieben ein Bild von                    lerinnen und Schüler Informationsangebote für ihre Eltern
der Arbeit und den verschiedenen Berufen zu machen.                           und Lehrkräfte nicht unmittelbar als relevant erachten,
Mehr als sechs von zehn Mädchen und etwa fünf von zehn                        können Unternehmen darüber nachdenken, entsprechende
Jungen würden gerne von Unternehmen im Unterricht                             Informationen bereitzustellen und so auch die Eltern als
besucht werden (vgl. Abbildung 8). An Unternehmens-                           wichtigste Ansprechpartner bei der Berufswahl ihrer Kinder
praktika äußern etwa vier von zehn Befragten Interesse.                       mit einzubeziehen.

Abbildung 8: Wünsche der Schülerinnen und Schüler an Unternehmen mit Blick
auf Berufsorientierungsmaßnahmen

                                                                                                                              62,5
Unterrichtsbesuche                                                                                            50,4

    Unternehmens-                                                                                  43
          praktika                                                                       37,9

                                                                                       36,5
 Digitale Angebote
                                                                             30

                                                                              30,7
    Besuche vor Ort                                                   27,1

      Informationen                                       13,6
           für Lehrer                             9,7

     Informationen                          7,8
           für Eltern                 6,1

                        0                    10                  20      30                   40         50             60

                            Mädchen                     Jungen

Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.111

                                                                       15
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5. Im Fokus:
Vorbildfunktion der Eltern
Im Jahr 2020 steht bei IW JUNIOR das Thema #girlpower im                          nicht auf die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit. In 14 Pro-
Vordergrund. Für die berufliche Orientierung spielen grund-                       zent der Fälle ist die Mutter selbstständig.
sätzlich Vorbilder eine große Rolle. Dazu gehören vor allem
                                                                                  In der Auswertung nach den Wünschen wird zwischen der
die Eltern (siehe Kapitel 3). Daher wurde im Fragebogen
                                                                                  Antwort der Jungen und der Antwort der Mädchen differen-
auch abgefragt, ob die Eltern oder die Mutter ein Vorbild
                                                                                  ziert. (Abbildung 9) Auf die Frage, ob die Aufteilung von
für die Jugendlichen sind, zum Beispiel in Bezug auf die
                                                                                  Beruf und Haushalt der eigenen Eltern ein Vorbild für sie
Aufteilung von Beruf und Haushalt.
                                                                                  selbst ist ist, sagen etwas mehr Jungen (27,5 Prozent) als
Zunächst wurden die Teilnehmenden nach der Arbeitsauf-                            Mädchen (24,7 Prozent), dass sie sich ihr späteres Leben
teilung ihrer Eltern gefragt (Arbeiten deine Eltern in ihren                      genauso vorstellen. Die Unterschiede sind dabei allerdings
Jobs beide gleich viele Stunden?). Bei der Mehrheit der                           relativ klein. Hingegen gibt es deutlich mehr Mädchen, die
Teilnehmenden (63 Prozent) arbeitet der Vater mehr als die                        sich später eine andere Aufteilung für ihre eigene Bezie-
Mutter. In 24 Prozent der Fälle arbeiten beide gleich viel                        hung wünschen als Jungen (38,9 Prozent gegen 29 Prozent
und in 13 Prozent der Fälle arbeitet die Mutter mehr als der                      bei Jungen). Der Wunsch zur Veränderung und nicht dem
Vater. Darüber hinaus wurde explizit gefragt, ob die Mutter                       Vorbild der Eltern zu folgen, kommt also etwas stärker von
berufstätig ist und wenn ja, wie viel sie arbeitet. In knapp                      den jungen Frauen. Man sieht allerdings auch, dass sich
85 Prozent der Fälle ist die Mutter berufstätig. Am häufigs-                      die Mädchen grundsätzlich bereits etwas häufiger mit dem
ten (46,5 Prozent) ist die Mutter in Teilzeit beschäftigt, aber                   Thema auseinandergesetzt haben. Der Anteil derjenigen,
auch in Vollzeit arbeiten 40 Prozent der Mütter. Das zeigt,                       die hierzu noch keine klare Meinung gefasst haben, ist bei
dass die Angaben dazu, ob der Vater oder die Mutter mehr                          den Mädchen (36,4 Prozent) geringer als bei den Jungen
arbeitet, sich auf die tatsächliche Arbeitszeit beziehen und                      (43,6 Prozent).

Abbildung 9: Ist die Aufteilung von Beruf und Haushalt unter deinen Eltern ein Vorbild für dich?

Mädchen                     24,7                                          38,9                                            36,4

   Jungen                     27,5                                    29,0                                         43,6

            0                           20                          40                        60                      80                      100

                Ja, genauso stelle ich mir mein späteres Leben auch vor

                Nein, ich möchte das später anders aufteilen

                Das weiß ich nicht, ich bin unentschlossen

Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.001

Es besteht ein Zusammenhang (Abbildung 10) zwischen                               teres Leben gleich vor. Den Unterschied macht dabei vor
der Berufstätigkeit der Mutter und ihrer Vorbildfunktion:                         allem aus, ob die Mutter überhaupt arbeitet. Ob die Mutter
Wenn die Mutter in Teilzeit oder Vollzeit arbeitet, ist die                       in Teilzeit oder Vollzeit arbeitet, hat dagegen nur einen ge-
Wahrscheinlichkeit höher, dass die elterliche Aufteilung                          ringen Einfluss auf die Vorstellungen der Jugendlichen. Es
von Beruf und Arbeit auch als Vorbild gesehen wird. Wenn                          gibt allerdings, egal in welcher Konstellation, einen großen
dagegen die Mutter gar nicht arbeitet, sagt ein Großteil der                      Anteil von Jugendlichen, die sagen, dass sie noch keine
Jugendlichen, dass sie später eine andere Aufgabenteilung                         klare Vorstellung über die spätere Arbeitsteilung haben.
haben möchten. Lediglich 18 Prozent stellen sich ihr spä-

                                                                             16
STUDIE 2/2021                                                                                  NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG

Abbildung 10: Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit der Mutter und ihrer Vorbildfunktion

   Nein                    18,5                                                        50,0                                                   31,5

Teilzeit                          25,6                                              33,5                                               40,9

Vollzeit                            29,2                                                29,5                                           41,3

           0                                     20                            40                               60                      80                      100

               Ja, genauso stelle ich mir mein späteres Leben auch vor

               Nein, ich möchte das später anders aufteilen

               Das weiß ich nicht, ich bin unentschlossen

Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.001

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Befragung wurden                                             jeweils so viel arbeiten möchten, wie es gut für die Familie
auch gefragt, welches Rollenmodell sie sich später für ihre                                         ist.
eigene Familie vorstellen können. (Abbildung 11) Mädchen
                                                                                                    Bei der Frage muss allerdings berücksichtigt werden, dass
haben tendenziell egalitärere Vorstellungen als Jungen.
                                                                                                    die Frage ein (traditionelles) Familienmodell (mit Mutter,
Der Anteil der Jungen, die sich vorstellen, dass der Vater
                                                                                                    Vater, Kind) voraussetzt, das vielleicht nicht alle Befragten
Vollzeit arbeitet und die Mutter Teilzeit, ist mit 18 Prozent
                                                                                                    anstreben.
doppelt so hoch wie bei den Mädchen (9 Prozent). Jungen
können sich auch häufiger vorstellen (4,5 Prozent), dass                                            Die Berufstätigkeit der Mutter hat auch Auswirkungen auf
nur der Vater arbeitet. Bei den Mädchen liegt dieser Wert                                           das Wissen über die eigene Karriereplanung.
bei 1,3 Prozent. Darüber hinaus gibt sowohl ein Großteil                                            So zeigt sich, dass Jugendliche eher wissen was sie wollen,
der Jungen als auch ein Großteil der Mädchen an, dass sie                                           wenn die Mutter berufstätig ist.

Abbildung 11: Vorstellung der Aufgabenteilung innerhalb der zukünftigen eigenen Familie

                   1,3

Mädchen                   9,0                   14,4                                                                74,6
                   0,4            0,4

    Jungen          4,5                  18,0                   11,2                                                       64,4

                          1,7                           0,2

               0                                   20                             40                           60                     80                     100

                     nur Vater arbeitet                       Mutter Vollzeit, Vater Teilzeit

                     nur Mutter arbeitet                      Beide gleich viel

                     Vater Vollzeit, Mutter Teilzeit          Beide arbeiten jeweils so viel, wie es gut für die Familie ist

Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.021

                                                                                               17
STUDIE 2/2021                                                 NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG

6. Berufswünsche der Jugendlichen
In der Befragung der IW JUNIOR wurden die Jugendlichen             Abbildung 12: Angaben zur Berufs- oder
darum gebeten, ihren Berufswunsch kurz zu umreißen. Ins-           Studienorientierung
gesamt kamen 708 Befragte dieser Bitte nach und gaben
eine offene Antwort. Die offenen Antworten wurden codiert.
Dabei wurde einerseits die Orientierung zu einem Stu-
dium oder einer Ausbildung klassifiziert und andererseits
die Fachrichtung, in welcher die Jugendlichen sich eine
berufliche Zukunft vorstellen könnten. Bei mehreren ge-                                  36,6
                                                                                                                37,2

nannten Berufswünschen wurde stets nur der erstgenannte
Berufswunsch ausgewertet. Signalisierte eine befragte
Person, dass sie/er sowohl offen für eine Ausbildung als
auch für ein Studium ist, oder war aufgrund der Angabe                                                   13,2
                                                                                                11,6
keine eindeutige Zuordnung der Antwort zu einem Ausbil-                            1,4
dungsberuf oder Studienfach möglich, wurde die Antwort
in die Kategorie „Ausbildung oder Studium“ einsortiert.
Für die Zuordnung nach Fachrichtungen wurden insgesamt                                     Ausbildung      Ausbildung oder Studium
                                                                            Studium
dreizehn Cluster gebildet und eine weitere Kategorie, in
                                                                                  duales Studium        keine Angabe
welcher Berufe mit drei oder weniger Nennungen zusam-
mengefasst wurden.
                                                                   Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 1.087
Von allen Befragten interessierten sich 37,2 Prozent vor
allem für ein Studium und 13,2 Prozent eher für eine Aus-
bildung (siehe Abbildung 12). Dabei äußerten junge Frauen          werks- (17), geisteswissenschaftlichen und Sprachberufe
häufiger eine Präferenz für einen akademischen Beruf als           (18 Nennungen). Dabei ist zu bemerken, dass einige Berufe
junge Männer (39,3 Prozent vs. 34,6 Prozent). Weitere 11,6         aufgrund einer zu geringen Anzahl an Nennungen keinem
Prozent der Befragten nannten einen Berufswunsch, der              der Cluster zugewiesen werden konnten. Hierzu zählen
nicht eindeutig als Studien- oder Ausbildungsberuf erkenn-         beispielsweise Sicherheitsberufe wie Feuerwehrleute, aber
bar war, aber bereits eine fachliche Ausrichtung erkennen          auch gastronomische Berufe oder Pilotinnen/Piloten.
ließ (zum Beispiel „irgendwas Kreatives“, „Informatik“).
                                                                   Schaut man sich die beruflichen Vorstellungen der Jugend-
Junge Männer waren dabei häufiger für Ausbildung oder
                                                                   lichen nach Fachbereichen an, bietet sowohl die Perspekti-
Studium offen als junge Frauen (14,4 Prozent vs. 9,4 Pro-
                                                                   ve auf die Ausbildungs- oder Studienorientierung, als auch
zent der Befragten). Darüber hinaus äußerten 1,4 Prozent
                                                                   die Analyse mit Blick auf die Geschlechterstruktur, einige
der Befragten den Wunsch nach einem dualen Studium.
                                                                   spannende Erkenntnisse. Bei der Betrachtung der Beru-
Möglicherweise ist diese Option nicht allen Jugendlichen
                                                                   fe fällt zunächst auf, dass insbesondere im öffentlichen
präsent, sie macht auch im Ausbildungsgeschehen ledig-
                                                                   Dienst und im kaufmännischen Bereich Ausbildungsberufe
lich einen kleinen Anteil aus, weshalb der geringe Prozent-
                                                                   weiterhin eine hohe Bedeutung haben. Demgegenüber
satz der Jugendlichen, die diesen Wunsch nannten, nicht
                                                                   sind Rechtswissenschaften, Geisteswissenschaften und
überrascht. 36,6 Prozent der Jugendlichen machten keine
                                                                   Sprachen ebenso wie Gesellschaftswissenschaften reine
Angabe. Wichtig ist hierbei, dass fast alle Befragten das
                                                                   Studienbereiche. Für Unternehmen, die nach Auszubilden-
Gymnasium besuchen und insofern eine hohe Studien-
                                                                   den suchen, ist insbesondere von Interesse, in welchen
orientierung nicht verwunderlich ist.
                                                                   Berufsbereichen eine hohe Aufgeschlossenheit für Aus-
Hinsichtlich der Gesamtverteilung der Berufswünsche ist            bildungsberufe vorherrschen könnte. (Abbildung 13) Dies
zunächst festzustellen, dass ein klarer Fokus auf kaufmän-         betrifft allen voran den MINT-Bereich. Hier war bei 37 der
nischen (143 Nennungen) und MINT-Berufen (110 Nennun-              insgesamt 110 Nennungen keine klare Präferenz für Aus-
gen), aber auch auf Berufen im Bereich der „Begabungs-             bildung oder Studium sowie bei 11 Nennungen eine klare
fächer“ Kunst, Musik und Sport (75 Nennungen) sowie den            Präferenz für Ausbildungsberufe erkennbar. Getrieben ist
Gesundheitsberufen (ebenfalls 75 Nennungen) liegt. Auch            dies insbesondere von dem Wunsch, beruflich mit Infor-
auf den Berufsbereich des Bildungs- und Sozialwesens (65           matik oder Wirtschaftsinformatik zu tun zu haben. Auch
Nennungen) sowie die Rechtswissenschaft (47 Nennungen)             im künstlerisch-musischen Bereich und bei den kaufmän-
entfallen einige Antworten. Auf den letzten Rängen liegen          nischen Berufen scheinen einige Jugendliche noch nicht
die Cluster der gesellschaftswissenschaftlichen (11), Hand-        zwischen Ausbildung und Studium entschieden zu haben.

                                                              18
STUDIE 2/2021                                                                             NEUE (DIGITALE) WEGE IN DER BERUFSORIENTIERUNG

   Abbildung 13: Berufswünsche nach Berufsrichtung und Bildungsgang
   Anzahl offener Nennungen

kaufmännische Berufe                                     43                                                       81                                19

          MINT-Berufe         11                                           62                                             37

Künstlerisch/Musisch/             13                            40                                22
             Sportlich

   Gesundheitsberufe          9                                           63                             3

    Bildung / Soziales        9                                 48                           8

   Rechtswissenschaft     1                               46

    Öffentlicher Dienst                     29                      10      6

           Psychologie                      29

             Sonstiges             16            13

       Ingenieurwesen                  19            1

 Geisteswissenschaft/
                                   16            2
            Sprachen

             Handwerk              16            1

        Gesellschafts-        11
         wissenschaft

                          0                                    30                            60                           90               120

                              ausbildungsorientiert                      studienorientiert             nicht festgelegt

   Quelle: IW JUNIOR, 2021, N = 675

   Auch der Blick auf die Geschlechterverteilung bietet hin-                                       ten jungen Männer einen MINT-Beruf anstreben, sind es
   sichtlich der Frage, welche Handlungsfelder für Politik und                                     lediglich 7,0 Prozent der jungen Frauen. Für Gesundheits-
   Unternehmen bestehen, wichtige Ansatzpunkte. Abbildung                                          berufe dagegen interessieren sich 17,2 Prozent der jungen
   14 zeigt, wie viel Prozent aller weiblichen und männlichen                                      Frauen, aber nur 3,6 Prozent der jungen Männer. Ähnliche
   Befragten sich jeweils für einen bestimmten Berufsbereich                                       Ungleichgewichte zugunsten der Frauen bestehen etwa im
   interessieren. Einige Berufsbereiche frequentieren junge                                        Bereich Bildung / Soziales (13,4 vs. 5,0 Prozent) sowie bei
   Frauen und Männer etwa gleich häufig, darunter kaufmän-                                         der Psychologie (6,5 vs. 1,7 Prozent). Das leichte Gefälle
   nische Berufe, Rechtswissenschaften sowie die kleineren                                         im Bereich des öffentlichen Dienstes ist damit zu erklären,
   Berufscluster. Bei anderen Berufsbereichen hingegen ist                                         dass auch Militärkarrieren, für die sich überwiegend Män-
   ein deutliches Gefälle im Interesse der Geschlechter er-                                        ner interessieren, zu diesem Berufsbereich zählen.
   kennbar. Während beispielsweise 27,7 Prozent aller befrag-

                                                                                             19
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