Neuer Schwung? EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019 - Standort Deutschland 2019
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Inhalt Vorwort 03 1 Image und Wahrnehmung 04 2 Ausländische Investoren in 26 Deutschland und Europa Methodik 36 Zum EY „Attractiveness Program“ 38 Kontakt 39 2 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
ey.com/attractiveness Vorwort Nach einigen guten Jahren mit relativ genen Jahr zurück. Ähnlich groß fiel Hubert Barth hohen Wachstumsraten und steigenden der Rückgang in Großbritannien im Vor- Vorsitzender der Geschäftsführung EY Deutschland Investitionen nimmt derzeit der Gegen- feld des Brexits aus. Frankreich hinge- wind für den Standort Deutschland und gen konnte deutlich mehr ausländische die deutsche Wirtschaft zu: Das Wirt- Unternehmen anziehen und zieht im schaftswachstum in Deutschland und Standortranking an Deutschland vorbei. Europa stockt, auch wichtige Auslands- märkte zeigen Schwächesymptome. Hat Deutschland versäumt, in den Bei vielen großen deutschen Unterneh- zurückliegenden Jahren genug in die men sind die Gewinne derzeit unter eigene Zukunftsfähigkeit zu inves- Druck, und technologische Umbrüche tieren? Sind Politik und Wirtschaft stellen traditionelle Geschäftsmodelle angesichts hoher Steuereinnahmen und infrage. Viele Unternehmen beschäfti- einer sinkenden Arbeitslosigkeit satt gen sich aktiv mit der Reorganisation und reformmüde geworden, während Bernhard Lorentz ihrer Geschäftsbereiche, Kostensen- um Deutschland herum eine neue Dyna- Leiter Government and Public Sector Deutschland, Österreich, Schweiz kungsmaßnahmen stehen weit oben auf mik entsteht? Braucht es einen Weckruf der Agenda. für den Standort Deutschland? Deutschland war im Anschluss an die Fest steht: Einige für Deutschland Krisen von 2009 und 2012 der wich- wichtige Industriebranchen befinden tigste Wachstumsmotor der europäi- sich in einem tiefgreifenden techno- schen Wirtschaft — doch das ist vorbei: logischen Umbruch, der sogar ganze Mit einem Wirtschaftswachstum von Geschäftsmodelle erfasst. Neue Wett- 1,4 Prozent belegte Deutschland im bewerber drängen mit unkonventionel- vergangenen Jahr nur Rang 24 unter len Ideen auf den Markt und fordern den 28 EU-Mitgliedstaaten. Und für das deutsche Konzerne heraus. Bei der digi- Gleichzeitig steht Deutschland vor der laufende Jahr erwartet das Bundeswirt- talen Infrastruktur scheint Deutschland Herausforderung, sich gemeinsam mit schaftsministerium sogar nur noch ein vielen anderen europäischen Ländern den europäischen Partnern als ernst zu Wachstum von 0,5 Prozent. hinterherzuhinken. Im Digital Economy nehmende Kraft zu behaupten — sowohl and Society Index (DESI) der Europä- als Wirtschaftsmacht als auch als hand- Weltweit befinden sich Politik und ischen Kommission liegt Deutschland lungsfähiger politischer Akteur. Wirtschaft im Umbruch: Geopolitische nur im Mittelfeld, der größte Nach- Spannungen nehmen zu, Sanktionen, holbedarf besteht demnach bei der Die Weiterentwicklung Deutschlands neue Zollschranken und Handelskriege Online-Interaktion zwischen Behörden von einem führenden Industrie- und bestimmen die Schlagzeilen und führen und Bürgern — hier belegt Deutschland Hochtechnologiestandort zu einem zu einer Verunsicherung an den Börsen nur Platz 23 von 28. Digitalstandort, der sich ebenfalls an und in den Chefetagen der Unterneh- der Weltspitze etablieren kann, ist heu- men. In diesen unruhigen Zeiten könnte Politische Stabilität und Berechenbar- te die große Herausforderung. Einige der Standort Deutschland sich eigent- keit sind für einen Standort ein hohes Entwicklungen — etwa die große Dyna- lich als Fels in der Brandung, als Hort Gut. Aber auch ein wettbewerbsfähiges mik bei vielen deutschen Konzernen — der Stabilität erweisen. Allerdings Steuersystem, wirtschaftliche und poli- stimmen optimistisch, dass dieses sinken sowohl die Standortzufrieden- tische Aufbruchstimmung und Dynamik Ziel gelingen kann. An anderer Stelle heit als auch die Zahl der ausländischen sowie Offenheit für neue Technologien herrscht hingegen eindeutig Hand- Unternehmen, die sich für eine Inves- sind wichtige Faktoren. Heute müssen lungsbedarf — etwa bei der vielerorts tition in Deutschland entscheiden: Um die Weichen gestellt werden für die unzulänglichen digitalen Infrastruktur, 13 Prozent gingen die ausländischen Transformation der Wirtschaft, die im- der Digitalisierung in der öffentlichen Investitionen in Deutschland im vergan- mer stärker eine digitale Wirtschaft ist. Verwaltung oder dem Bildungssystem. EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019 3
1 Image und Wahrnehmung 56 % der Unternehmen bezeichnen Westeuropa als Top-Standort weltweit. 4 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
ey.com/attractiveness Trotz der aktuellen konjunkturellen 56 Prozent der Manager internationaler Unternehmen, die für diese Studie befragt wurden, bezeichnen Westeuropa Abkühlung, die weite Teile Europas als einen der drei Top-Investitionsstandorte weltweit. Im erfasst hat, und trotz des bevorstehenden Vergleich zum Vorjahr ist der Attraktivitätswert sogar um Austritts Großbritanniens aus der 3 Prozentpunkte gestiegen. Europäischen Union erfreut sich der Ebenfalls gestiegen ist die Attraktivität Nordamerikas — Investitionsstandort Westeuropa der- die Region wird derzeit von 38 Prozent der Manager als Top- Standort angesehen. Osteuropa liegt mit 40 Prozent etwa zeit großer Beliebtheit. auf dem Vorjahresniveau und leicht vor Nordamerika. China rutscht im Regionen-Ranking vom dritten auf den vierten Platz ab und ist nur noch für 37 Prozent der Befragten einer der drei attraktivsten Standorte weltweit — ein Rückgang um fünf Prozentpunkte. Asien (ohne China) liegt mit 17 Prozent etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Dahinter platzieren sich mit jeweils 12 Prozent Indien und Lateinamerika, knapp vor Russland und dem Mittleren Osten. Europa vor China attraktivstes Investitionsziel weltweit „Welche drei Regionen sind derzeit aus Ihrer Sicht die attraktivsten Investitionsstandorte weltweit?“ 56 % (53) 40 % 38 % (41) (34) Westeuropa Osteuropa Nordamerika China 37 % (42) Asien (ohne China) 17 % (18) Indien 12 % (13) Lateinamerika 12 % (11) Russland 11 % (13) Mittlere Osten 11 % (9) Nordafrika 9 % (10) Japan 9 % (7) Brasilien 6 % (6) Bis zu drei Nennungen möglich; Grundgesamtheit: n = 506; Vorjahreswerte in Klammern EY’s Attractiveness Survey Country Month 2019 5
1. Image und Wahrnehmung Insgesamt bestätigt sich damit das Gute Noten für den Standort Westeuropa Bild der Vorgängerstudien, wonach „Welche drei Regionen sind derzeit aus Ihrer Sicht die attraktivsten Westeuropa von internationalen In- Investitionsstandorte weltweit?“ (Die Frage wurde 2016 nicht gestellt) vestoren trotz aller politischen und 60 wirtschaftlichen Herausforderungen 56 53 53 als bemerkenswert attraktiver Investi- 50 50 tionsstandort wahrgenommen wird. 44 45 44 43 Zum Vergleich: Im „Eurokrisenjahr“ 42 40 38 39 39 37 38 2012 bezeichnete gerade einmal 37 37 33 34 jeder dritte befragte Investor West- 31 30 29 europa als Top-Standort, während 44 Prozent für China votierten. 21 20 Seitdem hat Westeuropa erheblich Boden gutgemacht. Nordamerika mit 10 dem wirtschaftlichen Kern USA konn- te zwar zulegen, liegt aber immer 0 noch knapp unter dem Niveau des 2012 2013 2014 2015 2017 2018 2019 Jahres 2017. Die massiv auf Stärkung Westeuropa China Nordamerika der US-Wirtschaft setzende „America First“-Politik der Regierung Trump Angaben in Prozent; bis zu drei Nennungen möglich scheint also zumindest bislang nicht zu einer grundsätzlichen Neube- wertung des Standorts aufseiten internationaler Investoren geführt zu haben. Methodik Es wurde die „gefühlte“ Attraktivität Europas und Deutschlands für ausländische Investoren ermittelt, d. h. die Ansichten und Meinungen, die in der Umfrage unter 506 internationalen Entscheidungsträgern zur Westeuropa konnte Attraktivität Europas geäußert wurden. Diese Führungs- kräfte — aus allen Ländern, Branchen und Geschäfts- seit der Schuldenkrise modellen — wurden von einem unabhängigen Marktfor- kontinuierlich Boden schungsinstitut befragt. gutmachen. Zusätzlich wurden zur Messung der Attraktivität Deutschlands aus Sicht ausländischer Investoren in einer gesonderten Befragung weitere 203 Entscheidungs- träger ausländischer Unternehmen zu ihrem Urteil über den Standort Deutschland befragt. 6 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
ey.com/attractiveness 1.1 Renaissance der Industrieländer als Investitionsstandorte Insgesamt bestätigt sich der Trend der Vorjahre: Die west- schärft wurde die ohnehin angespannte Situation durch lichen Industrieländer können weiter Zugewinne verbuchen. die Entscheidung Großbritanniens, die EU zu verlassen, aber Die Attraktivität Westeuropas stieg seit 2012 um 23 Pro- auch durch den Schwenk zu autoritären Regierungssystemen zentpunkte, Nordamerika verbesserte sich immerhin um gerade im Osten Europas. 17 Prozentpunkte. Auch Osteuropa legte erheblich zu: Die Zustimmung stieg um 19 Prozentpunkte — trotz des leichten Europa gibt also nach außen nicht immer ein geschlossenes Rückgangs in diesem Jahr. Parallel dazu verloren die soge- Bild ab — was durch politische Uneinigkeit in wichtigen Fragen nannten BRIC-Länder insgesamt stark an Bedeutung: Wäh- und die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit rend China gegenüber 2012 sieben Prozentpunkte einbüßt, der europäischen Länder noch verstärkt wird. verliert Russland acht, Indien neun und Brasilien sogar zwölf Prozentpunkte. Gleichzeitig verfolgen die wichtigsten Konkurrenten Europas im globalen Standortwettbewerb — die Vereinigten Staaten Es ergibt sich insgesamt also eine Renaissance der etab- und China — zunehmend eine aggressive, an nationalen Inte- lierten westlichen Industrienationen, während die Schwel- ressen ausgerichtete Industriepolitik, die immer weniger auf lenländer an Attraktivität einbüßen. Bemerkenswert an Kooperation und Freihandel setzt. Kann sich Europa in diesem dieser Entwicklung ist vor allem das positive Abschneiden Umfeld als bedeutender Wirtschaftsstandort behaupten? Westeuropas — gerade angesichts der zunehmenden geo- politischen Spannungen und Handelskonflikte, einer sich Der Optimismus der Investoren in Bezug auf die zukünftige At- abschwächenden wirtschaftlichen Dynamik in Europa und traktivität Europas als Investitionsziel scheint auf den ersten wachsender Zweifel an der politischen Einheit der euro- Blick eine positive Antwort darauf zu geben: Immerhin 37 Pro- päischen Länder. zent der Befragten rechnen mit einer steigenden Attraktivität. Vor einem Jahr lag der Anteil allerdings mit 50 Prozent deut- Obendrein bestehen nach wie vor Zweifel an der Belast- lich höher. Gleichzeitig ist der Anteil der Befragten, die von barkeit sowohl der öffentlichen Finanzen als auch des Finanz- einer nachlassenden Anziehungskraft Europas für Investoren sektors in einigen europäischen Ländern. Zusätzlich ver- ausgehen, von 12 auf 20 Prozent gestiegen. Unternehmen rechnen mit steigender Attraktivität Europas für Investoren „Wie wird sich Ihrer Ansicht nach die Attraktivität Europas als Investitionsziel im Laufe der kommenden drei Jahre entwickeln?“ (Die Frage wurde 2016 nicht gestellt) 38 39 35 37 54 50 59 39 37 41 41 36 33 33 22 23 22 20 12 12 1 1 1 8 2 2 2 2012 2013 2014 2015 2017 2018 2019 Verbessern Gleich bleiben Verschlechtern Keine Angabe Angaben in Prozent; Grundgesamtheit: n = 506 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019 7
1. Image und Wahrnehmung Mit dem nachlassenden Optimismus der Unternehmen, Diese Ergebnisse zeigen: Die Attraktivität Europas als dass Europa in der Lage ist, die eigene Attraktivität als Investitionsstandort ist zwar weiterhin hoch, ob daraus Investitionsstandort zu verbessern, geht eine sinkende allerdings tatsächliche Investitionen folgen, steht auf einem Bereitschaft zu tatsächlichen Investitionen einher: anderen Blatt. Die Befragungsergebnisse scheinen zumindest Der Anteil der befragten Investoren, die vorhaben, sich auf eine Abkühlung des Investitionsklimas hinzudeuten. 2019 in Europa anzusiedeln oder zusätzliche Geschäfts- bereiche zu entwickeln, ist im Vergleich zum Vorjahr von 35 auf 27 Prozent gesunken — das ist der niedrigste Wert seit 2013, als diese Frage erstmals gestellt wurde. Geplante Investitionen in Europa: Negativtrend setzt sich fort „Hat Ihr Unternehmen vor, sich im kommenden Jahr in Europa anzusiedeln oder zusätzliche Geschäftsbereiche in Europa zu entwickeln?“ (Die Frage wurde 2016 nicht gestellt) 38 % 34 % 35 % 32 % 28 % 27 % 2013 2014 2015 2017 2018 2019 Angaben in Prozent; Grundgesamtheit: n = 506 Die Bereitschaft zu Neuinvestitionen in Europa nimmt ab — trotz hoher Attraktivitätswerte. 8 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
ey.com/attractiveness 1.2 Der Standort Deutschland im Detail: Zufriedenheit rückläufig Der Investitionsstandort Deutschland genießt bei ausländi- Anteil der positiven Bewertungen allerdings nur einmal — schen Unternehmen nach wie vor hohes Ansehen — das zeigt im Jahr 2008 — niedriger als in diesem Jahr. Aus diesen die detaillierte Befragung von 203 Managern ausländischer Zahlen lässt sich eine leicht gesunkene Attraktivität Deutsch- Unternehmen zu Stärken und Schwächen des Standorts: lands ableiten, die umso schwerer wiegt, als sich gerade 64 Prozent der Manager äußern sich derzeit zustimmend zur Unternehmen, die in Deutschland aktiv sind, zunehmend deutschen Standortpolitik, 15 Prozent bewerten sie sogar als kritisch äußern. Erst die kommenden Jahre werden zeigen, uneingeschränkt investorenfreundlich. ob die jüngsten Einbußen womöglich der Beginn eines Ab- wärtstrends sind. Auffallend ist, dass Unternehmen, die bereits in Deutschland engagiert sind — und deren Urteil somit auf eigenen Erfahrun- gen basiert —, ein weniger positives Urteil fällen als im Vor- jahr: Der Anteil der positiven Bewertungen sinkt im Vergleich zu 2018 von 77 auf 63 Prozent. Gleichzeitig verbessert sich aber Deutschlands Image bei Unternehmen, die hierzulande nicht engagiert sind: Aktuell bewerten 67 Prozent dieser Unternehmen die Standortpolitik positiv — im vergangenen In Deutschland tätige aus- Jahr lag der Anteil bei 63 Prozent. ländische Unternehmen üben Unterm Strich fällt das Urteil des Auslands über den Stand- zunehmend Kritik. ort Deutschland damit etwas weniger positiv aus als im Vor- jahr, wenngleich der Standort im Ausland nach wie vor einen durchaus guten Ruf genießt. Im Zeitraum seit 2007 lag der Mehrheit der Investoren lobt deutsche Standortpolitik „Sind Sie der Ansicht, dass Deutschland heute eine für internationale Investoren interessante Politik umsetzt?“ 11 % Sicher nicht 15 %Ja, sicher 11 (25) 21 (9) 52 (52) 46 (54) 25 % 49 % Eher nicht 14 (28) 31 (17) Eher ja 19 (9) 6 (5) Unternehmen mit Geschäfts- Unternehmen ohne Geschäfts- aktivität in Deutschland aktivität in Deutschland Angaben in Prozent; Grundgesamtheit: n = 203; ohne „Keine Angaben“; Vorjahreswerte in Klammern EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019 9
1. Image und Wahrnehmung Zustimmung zur deutschen Standortpolitik sinkt auf 10-Jahres-Tief „Sind Sie der Ansicht, dass Deutschland heute eine für internationale Investoren interessante Politik umsetzt?“ (Die Frage wurde 2009 nicht gestellt) 9 14 15 13 15 17 17 17 23 21 27 25 50 52 56 49 52 42 51 60 55 46 53 53 37 25 27 23 28 21 26 20 19 30 20 13 7 4 6 8 7 7 5 2 7 9 6 11 2007 2008 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Ja sicher Eher ja Eher nein Sicher nicht Angaben in Prozent; Grundgesamtheit: n = 203 ; ohne „Keine Angaben” Aus Investorensicht punktet der Standort Deutschland Rückläufig sind ebenfalls die Bewertungen für die Standort- vor allem mit seiner Verkehrsinfrastruktur und mit dem faktoren „Attraktivität des Binnenmarktes“ und „Potenzielle Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte: Mehr als vier von Produktivitätszuwächse“. Mehr Kritik als Lob gibt es zudem fünf Managern bewerten diese Standortfaktoren hierzu- in den Bereichen „Flexibilität des Arbeitsrechts“, „Unterneh- lande als insgesamt attraktiv. Im Vergleich zum Vorjahr mensbesteuerung“, „finanzielle Anreize für Investoren“ und ist der Grad der Zustimmung zur Infrastruktur sogar „Arbeitskosten“. Bei diesen Faktoren ist zudem — mit Ausnah- noch leicht gestiegen. Tatsächlich belegt Deutschland im me des Bereichs „Arbeitskosten“ — ein zum Teil deutlicher „Logistics Performance Index“ der Weltbank seit Jahren Rückgang der Zustimmung zu beobachten. den ersten Platz — aktuell vor Schweden, Belgien und Österreich. Auch wenn es einen hohen Investitions- und Insgesamt zeigt sich, dass der Standort Deutschland in Modernisierungsbedarf gibt, sind Straßen, Schienennetz, Bezug auf kostenseitige Faktoren und die Flexibilität arbeits- Brücken und Wasserwege in Deutschland insgesamt rechtlicher Bestimmungen eher kritisch bewertet wird. Hier nach wie vor in einem guten Zustand. lautet das Urteil vieler Investoren wie schon in den Vorjahren in Kurzform: „Die Arbeitskraft ist zu teuer, die Unterneh- Fast genauso gut wie die Infrastruktur werden das poli- mensbesteuerung zu hoch, das Arbeitsrecht zu unflexibel.“ tische und rechtliche Umfeld sowie die Qualifikation der Arbeitnehmer beurteilt. Während die Zustimmung beim Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass die Arbeitskosten Thema „Politische und rechtliche Rahmenbedingungen“ in Deutschland im internationalen Vergleich tatsächlich im Vergleich zum Vorjahr sogar nochmals deutlich gestie- relativ hoch sind. Laut Eurostat lagen sie in Deutschland gen ist, sind beim Standortfaktor „Qualifikationsniveau“ im vergangenen Jahr bei 34,60 Euro pro Stunde — der leichte Einbußen zu verzeichnen. EU-Durchschnitt lag bei 27,40 Euro. Aufschlussreich 10 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
ey.com/attractiveness Die Stärken und Schwächen des Investitionsstandorts Deutschland „Wie bewerten Sie Deutschland hinsichtlich folgender Standortfaktoren?“ Infrastruktur: Transport und Logistik 43 43 86 % (85) Stabilität und Transparenz des politischen, rechtlichen und ordnungspolitischen Umfelds 41 44 85 % (76) Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte 43 40 83 % (86) Attraktivität des Binnenmarktes 28 53 81 % (85) Soziales Klima 39 38 77 % (77) Infrastruktur: Telekommunikation 31 41 72 % (70) Potenzielle Produktivitätszuwächse 21 47 68 % (77) Flexibilität der arbeitsrechtlichen Bestimmungen 10 35 45 % (54) Von der Regierung gewährtes Anreizpaket und Vergünstigungen 8 32 40 % (51) Unternehmensbesteuerung 9 28 37 % (38) Personal-/Arbeitskosten 7 30 37 % (35) 0 20 40 60 80 100 Sehr attraktiv Eher attraktiv Grundgesamtheit: n = 124 ; nur in Deutschland tätige Unternehmen; Vorjahreswerte in Klammern ist der Vergleich zwischen Deutschland und den beiden kräfte, das stabile politische und rechtliche Umfeld, aber anderen wichtigen europäischen Investitionsstandorten auch die bestehenden Spezialisierungen deutscher Konzerne, Großbritannien und Frankreich: In Großbritannien fielen die nach wie vor erhebliche Teile ihrer Produktion und ihrer 2018 nur 27,40 Euro an, in Frankreich hingegen 35,80 Euro, Produktentwicklung am Standort Deutschland belassen. also mehr als in Deutschland. Deutschlands weltweit hervorragender Ruf als Premium- Die Befragungsergebnisse bestätigen in Summe das Bild standort sowie der enge Verbund deutscher universitärer von Deutschland als Premiumstandort. Eine klare Tendenz und außeruniversitärer Forschungseinrichtungen mit hier im Vergleich zum Vorjahr gibt es nicht — höchstens lässt sich ansässigen, weltweit agierenden Großkonzernen — das sind feststellen, dass die bekannten Schwächen des Standorts wichtige Vorzüge, die es zu erhalten und auszubauen gilt. Deutschland zunehmend als Problem angesehen werden, Auf der anderen Seite ist aber auch klar: Besonders lohn- während bei den Standortfaktoren, die traditionell als intensive Bereiche, bei denen vor allem die Arbeitskosten ins Deutschlands Stärken gelten, anhaltend hohe Attraktivitäts- Gewicht fallen und weniger die Qualifikation der Beschäftig- werte erzielt werden. ten, werden am Standort Deutschland tendenziell eine immer geringere Rolle spielen. Deutschlands Vorteile liegen ganz klar im Bereich innovati- ver, zukunftsweisender Produkte und Dienstleistungen — dafür sprechen das hohe Qualifikationsniveau der Arbeits- EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019 11
1. Image und Wahrnehmung Kommentar EY Viewpoint Eine Steuerreform ist nötig, um im internationalen Steuerwett- bewerb zu bestehen! Es kann keinen Zweifel geben: Es ist genug Geld für den Staat da, um den Standort Deutschland durch Investitionen voranzubringen und den Unternehmen durch Steuersenkun- Henrik Ahlers gen die nötigen Mittel für Investitionen zu belassen. Doch Managing Partner Steuerberatung, EY ein Blick auf die kürzlich beschlossenen Haushaltseckpunkte zeigt: Bis 2023 soll einzig das Sozialbudget kräftig expandie- ren. Der schon jetzt mit weitem Abstand größte Haushalts- titel soll um weitere 20 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Statt einen guten Teil der Mehreinnahmen dafür zu ver- wenden, den Standort Deutschland voranzubringen, sind wir dabei, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen — es droht Der Brexit, besorgniserregende geopolitische Entwick- ein neuer Reformstau. Und in der Steuerpolitik sieht es be- lungen oder auch die populistischen Tendenzen in weiten sonders schlecht aus, vor allem im internationalen Vergleich. Teilen Europas rufen uns ins Bewusstsein: Freiheit und Wohlstand fallen nicht vom Himmel. Gesellschaft und Wirt- Sicher, Steuern sind bei weitem nicht alles. Der Brexit, schaft müssen alles hart erarbeiten. das Wiederaufleben des Protektionismus, schwindeler- regende Energiekosten oder ein leer gefegter Arbeitsmarkt Dazu gehört aber auch, dass politisch die richtigen sind nur einige der vielen Herausforderungen. Aber die Weichen gestellt werden. Das bedeutet, sich vor allem Lösung dieser Probleme fällt uns umso schwerer, wenn wir auf die Kernkompetenzen der Politik zu besinnen: in Deutschland bei der Steuerbelastung die rote Laterne Probleme erkennen, Konzepte entwickeln und dann tragen. Entgegen dem internationalen Trend haben wir in engagiert um die beste Lösung streiten. den vergangenen zehn Jahren die Unternehmensteuern erhöht. Auch ohne große Reform zeigen die Erhöhungen Im Jahr 2014, dem ersten Jahr mit schwarzer Null im der kommunalen Hebesätze bei Gewerbesteuer und Grund- Bundeshaushalt, nahmen Bund, Länder und Gemeinden steuer sowie der Steuersätze bei der Grunderwerbsteuer insgesamt 643 Milliarden Euro an Steuern ein. Im Jahr hier Wirkung. Im Gegenzug verfehlen die US-Tax-Reform 2018 waren es bereits 775 Milliarden Euro, das sind und die Senkung der Unternehmensteuertarife der großen 132 Milliarden Euro mehr — pro Jahr. Im Jahr 2023 sollen EU-Volkswirtschaften nicht ihre Wirkung. es sogar 941 Milliarden Euro sein, vielleicht etwas weniger wegen der nun schwächelnden Konjunktur. Das Hinzu kommt eine explosionsartige Zunahme der Berichts- entspräche seit 2014 im Durchschnitt einer Steigerung und Transparenzpflichten und damit der Bürokratiekosten. von 4,3 Prozent pro Jahr. Die volkswirtschaftliche Steuer- Viele dieser Regelungen und Maßnahmen mögen für quote soll von 22 Prozent im Jahr 2014 auf den Rekord- sich genommen gerechtfertigt sein. In Summe führen sie wert von 23,4 Prozent im Jahr 2023 steigen. aber zu enormen Belastungen für die Unternehmen am 12 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
ey.com/attractiveness Standort Deutschland. Wenn sich die Bundesregierung z. B. vom derzeitigen Faktor 3,8 auf 4,5. Mit einer deut- bemüht, internationale Regelungen wie etwa den Finanz- lich verbesserten Thesaurierungsbegünstigung könnte konten-Informationsaustausch, das Country-by-Country das Steuersystem der Personengesellschaften an die Reporting, die Geldwäscherichtlinie, das Transparenz- Körperschaftsteuer angenähert werden. Konsequent register oder die Entsenderichtlinie zu erlassen, ist das wäre in diesem Zusammenhang ein Wahlrecht zur Kör- ausdrücklich zu begrüßen. perschaftsteuer, wie es z. B. aus den USA unter dem Stichwort „check-the-box“ bekannt ist. Als letzter Bau- Und dass Unternehmen sich compliant, also im Rahmen der stein ist es dringend geboten, die Diskussion um eine gegebenen Spielregeln, bewegen, ist sehr wichtig. Dazu passt steuerliche Forschungsförderung endlich zu einem positi- aber nicht, dass man — zusätzlich zu den sinnvollen inter- ven Abschluss zu bringen. nationalen Regelungen — den heimischen Unternehmen auch noch nationale Berichtspflichten und damit weitere büro- Im Grunde steht die deutsche Steuerpolitik vor einer kratische Belastungen aufbürdet. einfachen Aufgabe. Um den Steuerstandort Deutschland wieder flottzumachen, sind keine komplizierten System- Um nicht noch mehr Boden zu verlieren, brauchen wir umstellungen nötig wie etwa um die Jahrtausendwende am Standort Deutschland dringend eine Unternehmen- beim Abschied vom Anrechnungsverfahren oder wie die steuerreform. Der Steuersatz für Unternehmen darf nicht vor zwei Jahren in den USA diskutierte „Border-adjusted mehr als insgesamt effektiv 25 Prozent betragen. Das Cash Flow Tax“. würde uns im Steuerwettbewerb vom Tabellenende ins sichere Mittelfeld katapultieren. Internationale Investoren Es ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn sich die Bundes- würden ihre Aufmerksamkeit wieder auf die unbestritte- regierung bei vielen Themen auf internationaler Ebene im nen außersteuerlichen Standortqualitäten Deutschlands Rahmen der OECD oder der EU dafür einsetzt, länderüber- konzentrieren. greifende Regelungen zu finden und nicht den Steuer- kuchen zulasten von Deutschland oder der nationalen Eines ist sicher: Ohne Reform geht langfristig viel mehr Unternehmen zu verschieben oder erhöhen. Dies allein Steueraufkommen verloren, wenn die Investitionen schlei- reicht aber nicht, um im internationalen Vergleich den chend abwandern. Konkret sollte der Körperschaftsteuer- Anschluss zu halten. Die vorgeschlagenen nationalen satz von 15 auf 10 Prozent gesenkt werden. Die Signal- Maßnahmen sind konventionell und schnell umsetzbar, wirkung dieser Maßnahme kann nicht hoch genug einge- ihre positive Wirkung ist klar belegt und ausformulierte schätzt werden. Mit einem Schlag hätte Deutschland auch Vorschläge liegen auf dem Tisch. Packen wir es an! aus steuerlicher Sicht ein attraktives Investitionsumfeld. Um die in Deutschland so wichtigen Personengesellschaften zu unterstützen, sollte die Anrechenbarkeit der Gewerbe- steuer auf die Einkommensteuer deutlich erhöht werden, EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019 13
1. Image und Wahrnehmung 1.3 Fortentwicklung Deutschlands zum Digitalstandort Internationale Investoren sehen Deutschland nach wie vor Attraktivität des Standorts Deutschland, elf Prozent gehen grundsätzlich auf einem guten Weg: Ihrer Einschätzung nach von einer Verschlechterung aus. Damit hat sich das Stim- wird sich die Standortattraktivität in den kommenden Jahren mungsbild im Vergleich zum Vorjahr, als 46 Prozent mit einer weiter verbessern. 43 Prozent der befragten Manager rech- Verbesserung und nur sechs Prozent mit einer Verschlechte- nen für die kommenden drei Jahre mit einer Erhöhung der rung rechneten, allerdings leicht eingetrübt. Weitere Verbesserung der Standortattraktivität erwartet „Wie wird sich Ihrer Ansicht nach die Attraktivität des Standorts Deutschland im Laufe der kommenden drei Jahre entwickeln?" 3% Deutlich verschlechtern 7% Deutlich verbessern Ergebnisse 2018 46 % 8% Leicht verschlechtern Verbessern 46 % Gleich bleiben 36 % Leicht verbessern 6% Verschlechtern Grundgesamtheit: n = 203 Immer weniger ausländische Unternehmen wollen in Deutschland investieren. 14 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
ey.com/attractiveness Knapp jedes vierte befragte Unternehmen (23 Pro- Dabei erweisen sich naturgemäß die Unternehmen, die zent) plant, sich in diesem Jahr in Deutschland anzu- bereits in Deutschland engagiert sind, als deutlich investi- siedeln oder hier zusätzliche Geschäftsbereiche zu tionsfreudiger als solche, die bislang nicht in Deutschland entwickeln — im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rück- aktiv sind: Von den Unternehmen mit Geschäftstätigkeit in gang um fünf Prozentpunkte. Deutschland planen 35 Prozent, weitere Investitionen zu Knapp jedes vierte ausländische Unternehmen will 2019 in Deutschland investieren „Hat Ihr Unternehmen vor, sich im kommenden Jahr in Deutschland anzusiedeln oder zusätzliche Geschäftsbereiche in Deutschland zu entwickeln?“ 9% 23 % Wenn ja: „Welche Art von Projekt ist geplant?“ Vertrieb und Marketing 39 Keine Angaben (10) Ja (28) Produktion 29 Logistik/Beschaffungskette 12 F&E 12 Sonstiges 8 Anteil „Ja“ 35 % 68 % Nein (61) (39) 4% (7) Unternehmen mit Geschäfts- Unternehmen ohne Geschäfts- aktivität in Deutschland aktivität in Deutschland Angaben in Prozent; Grundgesamtheit: n = 203; Vorjahreswerte in Klammern tätigen — im Vorjahr lag der Anteil mit 39 Prozent etwas höher. Neuinvestitionen von Unternehmen, die bislang nicht in Deutschland aktiv sind, sind hingegen nur in geringem Umfang zu erwarten: Nur vier Prozent der Unter- nehmen ohne Geschäftstätigkeit in Deutschland planen eine Investition — vor einem Jahr lag der Anteil bei sieben Prozent. Der Schwerpunkt der Investitionen soll dabei auf Projekten in den Bereichen Vertrieb und Marketing sowie Produktion liegen. Für 2019 ist also mit weiteren Investitionen in Deutschland zu rechnen — allerdings lässt die Dynamik voraussichtlich nach. EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019 15
1. Image und Wahrnehmung Der Anteil der Unternehmen, die neue Investitionen hierzu- 15 Prozent, Teile der Geschäftstätigkeit aus Deutschland ins lande anstoßen wollen, liegt auch in diesem Jahr deutlich Ausland zu verlagern, während wie oben beschrieben 35 Pro- höher als der Anteil derjenigen, die Teile ihrer Geschäftstä- zent der hier bereits tätigen Unternehmen vorhaben, zusätz- tigkeit von Deutschland ins Ausland verlagern wollen: Von liche Geschäftsbereiche in Deutschland anzusiedeln. den in Deutschland bereits engagierten Unternehmen planen Jedes siebte Unternehmen plant Verlagerungen ins Ausland „Hat Ihr Unternehmen generell vor, einen Teil seiner Tätigkeit aus Deutschland in ein anderes Land zu verlagern?" 10 % Keine Angaben 15 % Ja Ergebnisse 2018 11% Ja 82 % 75 % Nein Nein Angaben in Prozent; Grundgesamtheit: n = 124 (Unternehmen mit Geschäftsaktivitäten in Deutschland) Standorttreue wieder rückläufig „Hat Ihre Gruppe generell vor, einen Teil ihrer Tätigkeit aus Deutschland in ein anderes Land zu verlagern?“ (Anteil „Ja“ in Prozent) 30 28 25 20 20 19 18 15 15 14 14 12 13 11 11 11 10 11 11 8 5 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Angaben in Prozent; Grundgesamtheit 2019: n = 124 (Unternehmen mit Geschäftsaktivitäten in Deutschland) 16 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
ey.com/attractiveness Im Vergleich zum Vorjahr steigt die Verlagerungsbereit- schaft leicht — 2018 planten nur 11 Prozent, Teile der Geschäftstätigkeit aus Deutschland abzuziehen. Ob sich daraus allerdings tatsächlich ein Trend zu einer geringeren Standorttreue ableiten lässt, bleibt abzuwarten: Auch in den Vorjahren schwankte der Anteil der verlagerungswilli- gen Unternehmen jeweils um die 11-Prozent-Marke. Die insgesamt gesunkene Standorttreue der in Deutsch- land aktiven ausländischen Unternehmen und die ebenfalls sinkende Bereitschaft, Folgeinvestitionen zu tätigen, können durchaus als erstes Warnsignal für den Investitionsstand- ort Deutschland gewertet werden. Zwar werden erst die kommenden Jahre zeigen, ob sich daraus tatsächlich ein anhaltend negativer Trend ableiten lässt — betrachtet man die Befragungsergebnisse allerdings im Zusammenhang mit den bereits 2018 gesunkenen ausländischen Direktinvestitionen, Auf eine Weiterentwicklung der spezifischen Stärken geben die Ergebnisse zu denken. Deutschlands setzen auch ausländische Investoren: Immerhin 88 Prozent verfolgen bei ihren Investitionen in Deutschland Fest steht: Die fortschreitende Globalisierung, politische das Ziel, verstärkt Zugang zu Technologien zu erhalten. Und Spannungen und technologische Umbrüche verschärfen den 89 Prozent erhoffen sich einen Zugang zur guten Infrastruk- Standortwettbewerb weiter und veranlassen Unternehmen tur in Deutschland. dazu, ihre Internationalisierungsstrategien und ihre globalen Wertschöpfungsketten immer wieder neu zu überprüfen. Nach wie vor eine große Rolle spielt aber auch Deutschland Deutschland steht daher mehr denn je vor der Herausfor- als Absatzmarkt und Deutschlands Lage in der Mitte Europas. derung, sich als attraktiver Standort zu behaupten und sich Beide Aspekte stehen ebenfalls im Fokus der Investitions- gleichzeitig weiterzuentwickeln. strategien der meisten ausländischen Unternehmen. Zielsetzungen der Investoren bei Investitionen am Standort Deutschland „Welche Ziele verfolgt Ihr Unternehmen bei Investitionen in Deutschland? Welche Aspekte sind dabei von Bedeutung?” Zugang zum großen deutschen Binnenmarkt 50 44 94 % Zugang zum EU-Binnenmarkt 51 40 91 % Zugang zu Infrastruktur 50 39 89 % Zugang zu Technologien bzw. zu technologieorientierten Firmen 45 43 88 % Exportorientierung der Wirtschaft 54 33 87 % Offene Gesellschaft mit zahlreichen integrierten Kulturen 26 54 80 % 0 20 40 60 80 100 Hohe Relevanz Mittlere Relevanz Grundgesamtheit: n = 124 (Unternehmen mit Geschäftsaktivitäten in Deutschland) EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019 17
1. Image und Wahrnehmung 1.4 Die Autoindustrie bleibt Deutschlands wichtigste Wachstumsbranche Deutschlands Vorzeigebranche Nummer 1 bleibt aus Sicht folgt die digitale Wirtschaft, die von 24 Prozent der Manager der befragten Investoren die Automobilindustrie: 32 Prozent genannt wird, fünf Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. der befragten Manager bezeichnen sie als wesentlichen Trei- Rang 3 belegt in diesem Jahr die Umwelttechnik mit 23 Pro- ber für Wachstum in Deutschland — im Vorjahr lag der Anteil zent der Nennungen, vor der Energie- und der Pharma- bzw. mit 42 Prozent allerdings noch deutlich höher. Auf Rang 2 Biotech-Branche. Transport- und Automobilindustrie weiter mit größtem Wachstumspotenzial in Deutschland „Welche der nachfolgenden Branchen halten Sie in den kommenden Jahren für die wesentlichen Treiber für ein Wachstum?“ In Deutschland Transport- und Automobilindustrie 32 % (42) Digitale Wirtschaft (IT) 24 % (29) Umwelttechnik 23 % (24) Energie/Utilities 18 % (16) Pharmaindustrie und Biotechnologie 18 % (22) B2B-Dienstleistungen (außer Finanzen) 14 % (12) Banken/Versicherungen 14 % (11) Konsumgüter 13 % (14) Immobilien und Bauwesen 12 % (9) Logistik und Vertriebskanäle 8 % (9) 0 10 20 30 40 50 In Europa Digitale Wirtschaft (IT) 39 % (34) Umwelttechnik 25 % (24) Energie/Utilities 21 % (18) Pharmaindustrie und Biotechnologie 19 % (20) Transport- und Automobilindustrie 17 % (17) B2B-Dienstleistungen (außer Finanzen) 17 % (17) Banken/Versicherungen 15 % (18) Logistik und Vertriebskanäle 15 % (17) Konsumgüter 12 % (12) Immobilien und Bauwesen 7 % (9) 0 10 20 30 40 50 Angaben in Prozent; bis zu zwei Nennungen möglich; Vorjahreswerte in Klammern 18 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
ey.com/attractiveness Die im Vergleich zum Vorjahr zurückgehende Nennung IT-basierter Geschäftsmodelle als Wachstumstreiber in Deutschland ist angesichts der zunehmenden Bedeutung des Megatrends Digitalisierung bemerkenswert — und das be- sonders vor dem Hintergrund, dass in einer weiteren Befra- Nur jedes vierte ausländische gung unter 506 internationalen Unternehmen zum Standort Europa die digitale Wirtschaft eine deutlich größere und Unternehmen bescheinigt zudem noch steigende Rolle spielt: 39 Prozent der befrag- der deutschen Digitalwirtschaft ten Manager halten Digitalunternehmen für die wichtigsten Wachstumstreiber in Europa. hohes Wachstumspotenzial. Umgekehrt spielt die Transport- und Automobilbranche euro- paweit eine deutlich geringere Rolle als am Standort Deutsch- land: Sie landet mit 17 Prozent der Nennzungen europaweit USA und einigen asiatischen Ländern sowohl die deutsche nur auf dem fünften Platz des Branchenvergleichs. als auch die europäische IT-Branche — zumindest was den B2C-Bereich angeht — nicht auf Augenhöhe agieren. Die Befragungsergebnisse sollten nicht als Misstrauens- votum gegen die deutsche IT-Branche gewertet werden Ein Blick auf das Ranking der umsatzstärksten Unterneh- — tatsächlich spielt die deutsche IT- und Softwarebranche men Deutschlands zeigt, dass Unternehmen aus klassischen zumindest im europäischen Kontext eine führende Rolle. Industriezweigen klar dominieren: Insgesamt 55 der deut- Andererseits zeigen die Ergebnisse aber, dass in anderen schen Top-100-Unternehmen kamen zum Jahresende 2018 europäischen Ländern — zumindest aus Sicht ausländi- aus Branchen wie dem Maschinen- und Automobilbau oder scher Unternehmen — der Digitalwirtschaft eine größere Bergbau, Chemie und Energieversorgung. Die IT-Branche Bedeutung für die jeweiligen Volkswirtschaften zukommt. war hingegen gerade einmal mit sechs Unternehmen im In Deutschland spielen hingegen traditionelle Industriebran- Ranking vertreten. chen nach wie vor eine dominierende Rolle — etwa in der öffentlichen Wahrnehmung und als potenzielle Arbeitgeber Zum Vergleich: In den USA waren unter den 100 umsatz- für hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Die IT-Branche steht — stärksten Unternehmen 18 IT-Unternehmen — also dreimal mit Ausnahme weniger klangvoller Namen — immer ein so viele wie in Deutschland. Gleichzeitig war die Zahl der wenig im Schatten der Autokonzerne. Zudem ist auch klar, Unternehmen aus klassischen Industriezweigen mit 33 deut- dass auf globaler Ebene und gerade im Vergleich zu den lich niedriger als in Deutschland. EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019 19
1. Image und Wahrnehmung 1.5 Herausforderungen für den Standort Deutschland Die Befragungsergebnisse zeigen ein differenziertes Bild: und die Weiterentwicklung neuer Technologien voran. Sie Einerseits bewegen sich Deutschlands Attraktivitätswerte investieren Milliardensummen und verlassen mit ihren neuen weiterhin auf einem relativ hohen Niveau. Andererseits Aktivitäten längst ausgetretene Pfade, indem sie beispiels- kommt eine gewisse Skepsis in Bezug auf die Zukunftsfähig- weise Unternehmen aus den Bereichen Ladelösungen, Mit- keit des Standorts zum Ausdruck. Und auch der aktuelle fahrdienst, Taxivermittlung, Fahrzeugleasing und elektro- Rückgang der Zahl der tatsächlichen Investitionsprojekte — nische Zahlungsdienstleistungen übernehmen und zudem siehe Kapitel „Ausländische Investoren in Deutschland und untereinander in bisher ungekanntem Ausmaß kooperieren so- Europa“ — zeigt eine beunruhigende Trendwende: Erstmals wie Partnerschaften mit branchenfremden Akteuren eingehen. seit zehn Jahren war die Zahl der ausländischen Direkt- investitionen rückläufig. Es spricht einiges dafür, dass der derzeitige Wandel sowohl des Selbstverständnisses der Unternehmen als auch der Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage nach den jeweiligen Geschäftsmodelle letztlich von Erfolg gekrönt richtigen Strategien für Deutschland umso dringlicher: Das sein kann und dass Deutschlands Vorzeigeindustrie auch in Ziel muss der Ausbau der spezifischen Stärken als Premium- 20 Jahren noch als weltweit führend anerkannt sein wird. standort mit hoher Innovationskraft auch und gerade im Fest steht, dass die Herausforderungen längst erkannt sind. digitalen Bereich sein. Während die industriellen Kompeten- Und was für die Automobilindustrie gilt, gilt auch für andere, zen am Standort Deutschland unbestritten sind und erwiese- weniger im Fokus der Öffentlichkeit stehende Branchen. Der nermaßen zur Weltspitze zählen, müssen die Angebote und tiefgreifende Wandel im Automobil-, aber auch im Maschinen- Fähigkeiten Deutschlands im Bereich der digitalen Technolo- bau könnte zudem ausstrahlen — etwa auf die Softwarean- gien und Geschäftsmodelle dringend weiter ausgebaut werden. bieter, Chemieunternehmen, die Chipindustrie und die Tele- kommunikationsbranche. Jedenfalls sind die Verbindungen Die Branchenstruktur in Deutschland ist derzeit durch die zwischen diesen Branchen längst sehr eng — und sie werden Dominanz des Automobil- und Maschinenbaus geprägt — und immer enger. gerade die Produkte und Geschäftsmodelle in diesen Bran- chen befinden sich mitten in einem tiefgreifenden Umbruch, Trügt also der Eindruck, dass Deutschland bei digitalen angetrieben unter anderem von der Digitalisierung und dem Technologien und Kompetenzen abgehängt zu werden bevorstehenden Durchbruch der Elektromobilität. Es steht droht? Um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, wird es die Frage im Raum, ob und wie die deutschen Konzerne und entscheidend sein, dass Deutschland als Hochtechnolo- damit letztlich die deutsche Wirtschaft insgesamt diesen gie- und Innovationsstandort eine starke Digitalkompetenz Wandel bewältigen werden. aufbaut und Vorreiter bei Themen wie Industrie 4.0 und 3D-Druck wird. Da sind zuallererst die deutschen Unter- Droht Deutschland sich allzu sehr auf die aktuellen Erfolge tra- nehmen gefordert. Eine ebenfalls wichtige Rolle spielt aber ditioneller Industriezweige zu verlassen und bei Zukunftsbran- auch die Politik, die die Rahmenbedingungen vorgibt und chen an Boden zu verlieren? Die Befragungsergebnisse, die Impulse setzen kann. aktuellen — rückläufigen — Zahlen zu den Direktinvestitionen und die nachlassende wirtschaftliche Dynamik Deutschlands Und wie beurteilen ausländische Unternehmen die Möglich- scheinen tatsächlich für eine derartige Sichtweise zu sprechen. keiten, am Standort Deutschland digitale Geschäftsmodelle voranzutreiben? Derzeit äußern sich 72 Prozent der befrag- Andererseits sollte nicht der Fehler begangen werden, kurz- ten Manager grundsätzlich positiv — im Vorjahr lag der Anteil fristige, womöglich nur konjunkturell bedingte Schwankun- mit 68 Prozent etwas niedriger. Allerdings zeigen sich gerade gen als langfristige Trends zu deuten. Gerade die deutschen einmal 17 Prozent uneingeschränkt überzeugt. Es besteht Player aus dem Automobil- und Maschinenbau und ihre Trans- also einerseits durchaus eine Erwartungshaltung, dass formationsanstrengungen sollten nicht unterschätzt werden. Deutschland nicht nur als Industrie-, sondern auch als Digital- standort weltweit zur Spitzengruppe gehören sollte; auf der Es gibt Anzeichen für einen tiefgreifenden Umbau: So treiben anderen Seite sehen wir aber auch eine gewisse Skepsis, ob die großen Autokonzerne und die hiesigen großen Zulieferun- Deutschland derzeit tatsächlich den hochgesteckten Erwar- ternehmen mit Hochdruck den Umbau ihrer Geschäftsmodelle tungen entsprechen kann. 20 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
ey.com/attractiveness Skepsis bei Investoren zum Digitalstandort Deutschland „Gehen Sie davon aus, dass neue, digitale Geschäftsmodelle in Deutschland leicht vorangetrieben werden können?“ 9% Nein, sicher nicht (7) 17 % Ja, sicher (15) 19 % Nein, wahrscheinlich nicht (25) 55 % Ja, wahrscheinlich (53) Angaben in Prozent; Grundgesamtheit: n = 203; Vorjahreswerte in Klammern Tatsächlich liegt Deutschland beispielsweise bei der Breit- Die Spitzenplätze in der EU belegen nordeuropäische bandversorgung im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld. Länder: Dänemark und Schweden kommen auf 75 Pro- Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts verfügten im zent, die Niederlande auf 70 Prozent. Am wenigsten Jahr 2018 lediglich 51 Prozent aller hiesigen Unternehmen verbreitet war schnelles Internet bei Unternehmen in mit Zugang zum Internet und mindestens zehn Beschäftigten südeuropäischen Ländern: In Griechenland verfügen über einen festen Breitbandanschluss mit einer vertraglich gerade einmal 33 Prozent der Unternehmen über eine festgelegten Datenübertragungsrate von mindestens 30 Me- Datenübertragungsrate von mindestens 30 Megabit gabit pro Sekunde. Das waren zwar neun Prozentpunkte pro Sekunde, in Italien sind es sogar nur 32 Prozent, in mehr als 2017, trotz des Zuwachses liegt Deutschland aber Frankreich 31 Prozent. wie in den Vorjahren nur knapp über dem EU-Durchschnitt, der bei 48 Prozent liegt. Diese Zahlen zeigen, dass Deutschland zumindest bei der Versorgung mit schnellem Internet erheblichen Nachhol- bedarf hat und von einem internationalen Spitzenplatz weit entfernt ist. Für einen Hightech-Standort ist das zu wenig — zumal es bei der Glasfasertechnik für den Standort Deutsch- land noch erheblich schlechter aussieht. Und das könnte sich zu einem echten Standortnachteil entwickeln — dann nämlich, wenn im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung der Bedarf an zusätzlicher Bandbreite weiter so stark steigt wie in den Trügt der Eindruck, dass vergangenen Jahren. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, Deutschland bei digitalen Tech- braucht es in Deutschland flächendeckend Internetanschlüs- se mit ausreichender Bandbreite — dies ist eine der vordring- nologien abgehängt wird? lichsten Aufgaben für die Bundespolitik. EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019 21
1. Image und Wahrnehmung Grundsätzlich stehen die Chancen für Deutschland durchaus vor allem durch eine stärkere Digitalisierung der Produktion gut, die digitale Transformation an führender Stelle mitzuge- gelingen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und gleich- stalten und die eigene Wettbewerbsfähigkeit auch im digita- zeitig die führenden Unternehmen die richtigen Weichen stel- len Zeitalter zu behaupten. So bietet vor allem die vernetzte len, kann Deutschland zeigen, wie sich das Zusammenspiel Produktion — Stichwort Industrie 4.0 — am Standort Deutsch- zwischen „Old“ und „New Economy“, zwischen klassischen land enorme Chancen. Zum einen haben einige der weltweit Industriezweigen und dem IT-Sektor — basierend auf hervor- führenden Industriekonzerne ihren Hauptsitz und große Teile ragend ausgebildeten Fachkräften — zu einem Erfolgsmodell ihrer Forschung und Entwicklung in Deutschland. Zum ande- entwickeln kann. ren dürfte es nur wenige andere Standorte weltweit geben, an denen der Druck auf die Unternehmen, jede erdenkliche Das sehen offenbar auch die befragten Manager ausländi- Maßnahme zur Steigerung der Effizienz zu ergreifen, derart scher Unternehmen so: Auf die Frage, worauf sich Deutsch- hoch ist wie am Hochlohnstandort Deutschland. Und gerade land konzentrieren solle, um seine Wettbewerbsfähigkeit dieser Druck, der aus einem bestehenden (Kosten-)Nachteil zu erhalten, nennen 35 Prozent die Förderung von High- resultiert, könnte die Entwicklung hin zu vernetzten Fabriken tech-Branchen und Innovationen und knapp jeder Dritte die hierzulande deutlich beschleunigen. Förderung der Aus- und Weiterbildung. Derzeit befinden sich etwa im deutschen Maschinenbau Kostenaspekte spielen in diesem Zusammenhang allerdings zahlreiche Industrie-4.0-Projekte in der Einführungs- bzw. auch eine große Rolle: 32 Prozent der Befragten (und 37 Pro- Umsetzungsphase, wobei der Fokus zum großen Teil noch zent der in Deutschland aktiven Unternehmen) wünschen in der eigenen Produktion und der Optimierung der Abläufe sich eine Reduzierung der Steuerlast — ein deutlicher Anstieg innerhalb des eigenen Unternehmens liegt. Die Vernetzung im Vergleich zum Vorjahr. Die Reduzierung der Arbeitskos- über Unternehmensgrenzen hinweg wird von den großen ten halten hingegen nur 22 Prozent (und 21 Prozent der in Playern inzwischen ebenfalls angegangen — und gerade Deutschland tätigen Unternehmen) für nötig. digitale Plattformen versprechen große Vorteile und einen erheblichen Digitalisierungsschub. Insbesondere die deutschen Premiumanbieter, die mit dem Qualitätssiegel „Made in Germany“ weltweit punkten können, der ausländischen werden alles daransetzen, einen möglichst großen Teil der Unternehmen in Deutschland Produktion und Entwicklung in Deutschland zu halten, was fordern eine niedrigere nur möglich ist, wenn sich Flexibilität, Produktivität und Aus- Steuerlast für Unternehmen. lastung auf höchstem Niveau befinden. Dies wiederum kann 22 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
ey.com/attractiveness Top-Priorität aus Sicht der Investoren: Förderung von Hightech und Innovation „Worauf sollte sich Deutschland Ihrer Ansicht nach konzentrieren, um seine Wettbewerbsfähigkeit in der globalen Wirtschaft zu behalten bzw. auszubauen?“ Förderung von Hightech-Branchen und Innovationen 35 % (39) Reduzierung der Besteuerung 32 % (26) Förderung von Aus- und Weiterbildung 30 % (31) Förderung des Mittelstandes 29 % (25) Reduzierung der Arbeitskosten 22 % (30) Anpassung der Regulierung an technologische Entwicklungen 21 % (13) Investitionen in größere Infrastruktur- und Stadtentwicklungsprojekte 17 % (22) Förderung umweltpolitischer Maßnahmen/umweltbewussten Verhaltens 15 % (19) Entschärfung der Wettbewerbsregeln 9 % (9) Vereinfachungen des Zugangs zu Finanzierungen 8 % (7) 0 10 20 30 40 50 Angaben in Prozent; Grundgesamtheit: n = 203; Vorjahreswerte in Klammern Fazit Infrastruktur in Deutschland allerdings nicht einmal innerhalb Der Standort Deutschland wird insgesamt weiterhin als Europas als führend gelten kann und zudem ausländische stark eingeschätzt — nicht nur heute, sondern auch in Unternehmen weiterhin Zweifel haben, ob Deutschland als Zukunft. Zwar ist er gegenwärtig noch in hohem Maße von Digitalstandort zur Weltspitze gehört, sollte zu denken geben — Unternehmen aus klassischen Industriezweigen geprägt. hier ist dringend eine Investitionsoffensive nötig, um endlich Und auch das international nach wie vor gute Image des wirklich erstklassige Rahmenbedingungen zu schaffen. Standorts Deutschland dürfte stark auf den weltweiten Erfolg und die Strahlkraft deutscher Marken aus diesen Die Musik in der digitalen Wirtschaft spielt aus Sicht interna- Branchen zurückzuführen sein. Gleichzeitig aber steckt in tionaler Unternehmen woanders, und zwar im Silicon Valley einer verstärkten Vernetzung mit der IT-Branche großes und in China: Jeder vierte befragte Manager ist der Meinung, Potenzial — sowohl in Bezug auf Produktivitätssteige- dass die Region um San Francisco die besten Chancen hat, rungen als auch im Hinblick auf neue Geschäftsmodelle. das nächste „Google“ hervorzubringen. Und immerhin noch Dieses Potenzial wird noch nicht in ausreichendem Maß knapp jeder vierte Befragte setzt auf Shanghai, 18 Prozent genutzt, aber es gibt bereits vielversprechende Ansätze. auf Peking. Auffällig ist dabei allerdings, dass die beiden chinesischen Standorte deutlich seltener genannt werden als An der Schnittstelle von Old und New Economy liegen für im Vorjahr, während San Francisco etwa auf dem Vorjahres- Deutschland heute die größten Herausforderungen und niveau liegt. gleichzeitig die größten Chancen: Wenn es gelingt, die Stärke der deutschen Industrie zu sichern und gleichzeitig Die höchstplatzierte europäische Stadt ist London mit die Weichen weiter in Richtung Digitalisierung zu stellen, 14 Prozent der Nennungen — ein Prozentpunkt mehr als im hat der Standort eine große Zukunft. Dass die digitale Vorjahr. Ein Brexit-Effekt ist hier also nicht festzustellen. EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019 23
1. Image und Wahrnehmung Berlin belegt mit neun Prozent der Nennungen im welt- Risikokapital fließt. Im Vergleich zu den enormen Summen, weiten Ranking den siebten Platz, 2018 hatten sich nur die US-amerikanische und chinesische Start-ups derzeit sechs Prozent der Manager für Berlin ausgesprochen. erhalten, fallen die Investitionen in Europa aber relativ bescheiden aus. Und auch ein Blick auf Börsengänge von In der Gesamtschau zeigt sich, dass europäische Städte Technologieunternehmen zeigt, dass derzeit gerade junge zumindest aus Sicht internationaler Unternehmen nicht US-Unternehmen hohe Milliardensummen erhalten, während in der Champions League der weltweit führenden Digital- in Europa Börsengänge von Tech-Unternehmen weitgehend städte spielen — nur London kann noch der Spitzengruppe Fehlanzeige sind. zugeordnet werden. Tatsächlich spiegeln die Befragungs- ergebnisse ziemlich genau die Realität der Risikokapital- investitionen wider: London und Berlin sind zwar die europäischen Städte, in die europaweit das meiste Die weltweit führenden Digitalstädte: USA und Asien führend „Welche Städte haben aus Ihrer Sicht die besten Chancen, das nächsten ‚Google‘ hervorzubringen?“ San Franciso (Silicon Valley) 25 % (26) Shanghai 23 % (34) Peking 18 % (22) London 14 % (13) Tokio 13 % (12) New York 12 % (21) Berlin 9 % (6) Neu-Delhi 8 % (8) Singapur 8 % (9) Mumbai 6 % (7) Hongkong 5 % (3) Paris 5 % (5) Seoul 4 % (4) Bangalore 4 % (4) Los Angeles 4 % (2) 0 10 20 30 Grundgesamtheit: n = 506; bis zu drei Nennungen möglich; Vorjahreswerte in Klammern 24 EY Attractiveness Survey Deutschland Juni 2019
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