Neue gentechnische Verfahren - Dr. Eva Gelinsky Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut)
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Neue gentechnische Verfahren Dr. Eva Gelinsky Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut)
Technik Verschiedene Verfahren CRISRP-Cas Funktionsweise SDN1, SND2, SDN3 Mögliche Veränderungen Potential
Neue gentechnische Verfahren Verschiedene Verfahren besonders im Fokus „Genome Editing“ • Zink-Finger-Nuklease-Technologie (ZFN-1/2/3) * • Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese (OgM) ** • TALEN *** • CRISPR-Cas ****!!
CRISPR-Cas • Das CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats)/Cas (CRISPR-associated)-System wurde in Bakterien entdeckt und dient dort der Immunabwehr gegen eindringende Viren. • System kann auch als molekularbiologische Methode genutzt & in verschiedenen Organismen angewandt werden. • Labor: zielgerichtet Veränderungen am Erbgut eines Organismus vornehmen.
Site-Directed Nuclease-1 (SDN-1) Herstellung des ursprünglichen Zustands oder fehlerhafte Reparatur der DNA durch NHEJ = „Knock-out“ -Pflanzen NHEJ = Non-homologous end joining ➢ 90% der Anwendungen im Pflanzenbereich
Site-Directed Nuclease-2 (SDN-2) Eine kürzere DNA-Vorlage wird mit in die Zelle eingebracht. Ist bis auf die gewünschte Veränderung (orange) dem Bereich der Zielsequenz identisch. Durch die HDR-Reparatur soll sie ins Erbgut eingebaut werden. HDR: Homology directed repair
Site-Directed Nuclease-3 (SDN-3) Eine längere DNA-Vorlage wird mit in die Zelle eingebracht. Ist bis auf die gewünschte Veränderung (orange) dem Bereich der Zielsequenz identisch. Durch die HDR-Reparatur soll sie ins Erbgut eingebaut werden. HDR: Homology directed repair
Mögliche Veränderungen durch CRISPR-Cas Gene können... ... an- oder ausgeschaltet... ... in ihrer Wirkung verändert... ... entfernt... ... anders abgelesen... ... neu ins Erbgut eingefügt... werden.
Potential von CRISPR-Cas → Mehr und neue Möglichkeiten, präzisere Veränderungen am Erbgut vorzunehmen. → In sehr kurzer Zeit & mit wenig Aufwand können Organismen entwickelt werden, die eine neue Kombination von Veränderungen im Erbgut tragen.
Potential von CRISPR-Cas? "Crispr’s cut-and-paste function doesn’t really work yet in plants. Cutting works. But inserting a new strand of DNA, not so much.” Quelle: https://www.wired.com/story/gene-editing-food-climate-change/
Potential von CRISPR-Cas? „So einfach das beliebte Gen-Editing-Tool CRISPR-Cas9 das Genom verändert, es ist immer noch etwas klobig und anfällig für Fehler und unbeabsichtigte Effekte. (...) Prime Editing* verbessert die Chancen der Forscher, nur die gewünschten Bearbeitungen zu erhalten, anstatt eine Mischung aus Änderungen, die sie nicht vorhersagen können.“ Quelle: https://www.nature.com/articles/d41586-019-03164-5 (eigene Übersetzung) * Prime Editing: Verfahren bei dem nur noch ein Strang der DNA „geschnitten“ wird. Zelleigene Reparaturmechanismen sollen umgangen werden → zu fehleranfällig!
Rechtliche Lage EuGH Urteil Rechtliche Situation global?
→ Genome Editing erfordert klassisches gentechnisches Verfahren! Quelle: Testbiotech 2019: Am I regulated? S. 9
Urteil des Europäischen Gerichtshofes 1. Mit neuen gentechnischen Verfahren erzeugte Organismen sind gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und fallen in den Anwendungsbereich des EU-Gentechnikrechts. 2. EuGH-Richter: NUR solche Mutagenese-Verfahren sind vom Gentechnikrecht ausgenommen, die „herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten“. → Regulierung von ALLEN neuen Gentechnik-Verfahren gemäß Freisetzungsrichtlinie 2001/18.
Die rechtliche Situation global? USA, Argentinien, Brasilien, Japan → Keine spezielle Zulassung, Risikoprüfung, Kennzeichnung für genom-editierte Pflanzen! Australien Seit November 2019 von der Regulierung ausgenommen: → SDN-1, RNAi, Pflanzen, in denen, nach einer gentechnischen Veränderung, keine „Fremd“-DNA mehr nachweisbar ist. China → Regulierungsfrage noch offen! Chinesische Bevölkerung gilt als gentechnikkritisch Aber: Chinesische Regierung investiert Milliarden in Biotech Syngenta/ChemChina setzen auf Gentechnik und erwarten – im grossen, weiter wachsenden chinesischen Markt – entsprechende Gewinne
Risiken und Nebeneffekte Risiken CRISPR-Cas Off-target Effekte On-target Effekte Wissenslücken Vorsorgeprinzip
Risiken von CRISPR-Cas Ungewollte Auswirkungen auf 3 Ebenen möglich: • Folgen des Eingriffs in die Zelle? • Folgen des Eingriffs auf den Gesamtorganismus? • Wie verhält sich der neuartige Organismus in der Umwelt, mit der er interagiert?
Welche Nebeneffekte sind u. a. bekannt? • Off-target Effekte • On-target Effekte • Bildung veränderter Proteine • Weitreichende Umgestaltung des Erbguts
Welche Nebeneffekte sind u. a. bekannt? • Off-target Effekte CRISPR-Cas kann (zusätzlich) an falschen Stellen des Erbguts schneiden. • On-target Effekte • Bildung veränderter Proteine • Weitreichende Umgestaltung des Erbguts Anderson, K. R. (2018). 15(7), 512-514. doi: 10.1038/s41592-018-0011-5
Zu wenig Daten! → Zu wenig Daten!
Welche Nebeneffekte sind u. a. bekannt? • Off-target Effekte • On-target Effekte Es können ungewollte DNA-Fragmente in der Zielsequenz eingebaut werden (z. B. Fragmente der DNA der Genschere oder des Vektors). • Bildung veränderter Proteine • Weitreichende Umgestaltung des Erbguts Carlson et al. (2016). Nature Biotechnology, 34, 479–481. https://doi.org/10.1038/nbt.3560
On-target Effekte – Hornlose Kühe • University of Minnesota & Recombinetics (Patent) • Via TALENs POLLED Gen in Milchkühe eingefügt (Hornlosigkeit) • Aushängeschild für Genom Editierte Tiere: ➢ Erfolgreiche Editierung ➢ Natürliche Eigenschaft in Kühen ➢ Vermeiden von Enthornung Weshalb regulieren? Carlson et al. (2016). Nature Biotechnology, 34, 479–481. https://doi.org/10.1038/nbt.3560
On-target Effekte – Hornlose Kühe • 2019 hat die US Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) per Zufall herausgefunden, dass sich bakterielle DNA (Plasmidvektor) in die Zielregion der beiden Rinder eingeschleust hatte. • Die bakterielle DNA wurde auch an einige Nachkommen weitervererbt. • Die unerwünschte DNA enthielt Antibiotikaresistenz-Gene! → Auswirkung auf Darmbakterien der Rinder? Genome Editing ≠ schnellere Variante der traditionellen Züchtung → Prozess (nicht nur Produkt) muss reguliert werden!
Welche Nebeneffekte sind u. a. bekannt? • Off-target Effekte • On-target Effekte • Bildung veränderter Proteine Durch die gewünschte Veränderung am Erbgut können Proteine entstehen, die in ihrer Struktur ungewollt verändert sind. • Weitreichende Umgestaltung des Erbguts Quellen: Kapahnke et al. (2016). RandoCells, 5(4), 45. https://doi.org/10.3390/cells5040045 Lalonde et al. (2017). PLOS ONE, 12(6), e0178700. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0178700
Welche Nebeneffekte sind u. a. bekannt? • Off-target Effekte • On-target Effekte • Bildung veränderter Proteine • Weitreichende Umgestaltung des Erbguts Grosse Deletionen (Löschungen) und Umkehrungen im Bereich der Zielsequenz wurden in Mauszellen und humanen Zellen nachgewiesen. Quelle: Kosicki et al. (2018). Nature Biotechnology, 36(8), 765–771. https://doi.org/10.1038/nbt.4192
Und wenn alles „nach Plan“ läuft? Non-target effects from on-target alteration (Beispiele): • Beim Menschen • Bei Pflanzen • Bei Tieren
Und wenn alles „nach Plan“ läuft? Non-target effects from on-target alteration (Beispiele): • Beim Menschen ➢ CCR5 gene: AIDS Resistenz und kürzere Lebenserwartung? • Bei Pflanzen • Bei Tieren Quelle: Wei & Nielsen(2019). Nature Medicine, 25(6), 909–910. https://doi.org/10.1038/s41591-019-0459-6
Und wenn alles „nach Plan“ läuft? Non-target effects from on-target alteration (Beispiele): • Beim Menschen • Bei Pflanzen ➢ Veränderter Nährstoffgehalt → höhere Attraktivität für Schädlinge? • Bei Tieren
Und wenn alles „nach Plan“ läuft? Non-target effects from on-target alteration (Beispiele): • Beim Menschen • Bei Pflanzen • Bei Tieren ➢ Mstn KO (Doppelmuskeltiere) bringt verschiedene Gesundheitsprobleme mit sich
Zur Frage der Nachweisbarkeit ➢ ENGL Bericht ➢ Gesetzgebung & Verantwortung Hersteller ➢ Matrix-Ansatz ➢ Dokumentationssysteme ➢ Big-Data etc.
Europäisches Netzwerk der GVO Laboratorien (ENGL) Nachweis z. Z. nur möglich wenn: 1. vorgängig Informationen über die veränderte Genom-Sequenz, 2. ein validiertes Nachweisverfahren und 3. zertifiziertes Referenzmaterial ... vorhanden sind. Verfahren zum Nachweis unbekannter genomeditierter Produkte – müssen teilweise noch (weiter-)entwickelt werden – benötigen mehr Zeit und Ressourcen der GVO-Labore und könnten die Markteinführung verzögern. → Politischer Entscheid! Quelle: ENGL (2019). Detection of food and feed plant products obtained by new mutagenesis techniques
Verantwortung der Hersteller Nach dem EU Gentechnikgesetz Verantwortung der Hersteller Referenzmaterial und Nachweisverfahren zu liefern. Nach dem Gentechnikgesetz (D) zudem: • Wahlfreiheit darf nicht beeinträchtigt werden • Trennung Warenfluss muss gewährleistet werden • Inverkehrbringer muss GVOs kennzeichnen → Regulierung als GVO zentral!
Was ist mit illegalen Importen? Grössere, spezifische Veränderungen (InDels*) können mit herkömmlichen Sequenzierungsverfahren nachgewiesen werden. → Was ist mit Punktmutationen und kleinen InDels (SND-1)? Können nachgewiesen werden! → Frage ist: Herkunft der Punktmutation? *Insertion oder Deletion
Matrix-Ansatz • Nachweis der gewünschten Veränderung • Art, Häufigkeit und Ort der Mutation(en) • Narben und Signaturen im Genom → in-vitro Mutagenese • Rückstände der Gentransfersysteme → Gentechnik • Off-Target Effekte/Muster → Genome Editing • Gewünschte Änderung Nähe PAM Sequenz → CRISPR/Cas → Durchsetzung dieses Ansatzes erfordert politischen Willen Quelle: Yves Bertheau (2019). New Breeding Techniques: Detection and Identification of the Techniques and Derived Products
Weitere Ansätze... • Dokumentationssysteme / Trennung der Warenflüsse (wie bei Labels, z. B. Bio üblich). • Informationen aus Patenten. • Big Data-Ansätze, Data-Mining, künstliche Intelligenz, Deep-Learning- Algorithmen, künstliche neuronale Netzwerke, „Entscheidungsunterstützungswerkzeuge“ (Decision Support Systems) etc. • Auf nationaler Ebene arbeiten verschiedene Labore an Nachweisverfahren.
Forschung und Entwicklung ➢ Pflanzen ➢ Anbau ➢ Entwicklung
Erzeugte Pflanzeneigenschaften Alte Gentechnik: 99% der kommerziell angebauten GV-Pflanzen sind herbizid- und/oder insektenresistent → zunehmend beides
Erzeugte Pflanzeneigenschaften Neu/Genome Editing • Herbizidresistenzen bleiben aktuell. • Veränderter Stoffwechsel/Nährstoffzusammensetzung (z. B. Öle, Stärke, Gluten). • Industrielle Anwendungen (z.B. Biotreibstoffe, Lagerung/Verarbeitung). • Resistenzen gegen diverse Krankheiten (Bakterien, Viren, Pilze). • Toleranzen gegen abiotische Stressfaktoren (z. B. Trockenheit).
Pflanzen im Anbau • RAPS, Herbizid-tolerant (OgM) / CIBUS Seit 2015 im Anbau (USA, seit 2018 Kanada). Öl wird seit 2016 vermarktet. • SOJA mit veränderter Fettsäurezusammensetzung (TALEN) / CALYXT Seit 2018 im Anbau (USA). Öl wird seit Anfang 2019 vermarktet.
Die gv-Sojabohnen wurden 2019 auf ca. 14.500ha angebaut (USA). Das Öl wird über Sysco gehandelt. Sysco = einer der weltweit grössten Lieferanten für Lebensmittel. Sysco beliefert Restaurants, Krankenhäuser, Schulen, Universitäten, Hotels und Fast- Food Ketten.
Pflanzen in Entwicklung u. a. • MAIS, Wachsmais (CRISPR) / DuPont Pioneer Seit 2016 im Freisetzungsversuch (USA) Kommerzialisierung geplant ab 2021 • Weizen, erhöhter Ballaststoffgehalt (TALEN) / CALYXT Im Freisetzungsversuch (USA) Kommerzialisierung geplant ab 2022 usw. usw.
Erzeugte Pflanzeneigenschaften • Probleme der alten Gentechnik werden nicht adressiert: Entwicklung von Resistenzen, Pestizideinsatz etc. • Alte Versprechen: z. B. Trockenheitstoleranz. Aber: Komplexe Eigenschaften lassen sich auch mittels Genome Editing (derzeit) nicht erzeugen. • Verschiedene Eigenschaften lassen sich mit konventionellen Methoden züchten (z. B. High-oleic Sonnenblumen – s. GZPK). • Pflanzen mit verändertem Nährstoffgehalt: Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit?
Ausblick Welche Landwirtschaft brauchen wir? Welche Züchtung brauchen wir? Was fordern wir?
CRISPR = Lösung?
CRISPR = Lösung? Sorte Topaz (im Bioanbau sehr beliebt): Seit 2007 Durchbruch der monogenen Schorfresistenz
Statt einseitiger Fokussierung auf einzelne Techniken... ... sollte die Frage diskutiert werden: Welche Landwirtschaft brauchen wir, um den zukünftigen Herausforderungen zu begegnen? Erst dann kann geklärt werden: Welche Züchtung benötigen wir? ➢ DIE Lösung gibt es nicht! ➢ Wir benötigen eine Vielfalt der Ansätze und Strategien. Diese kann es aber nur geben, wenn die Alternativen nicht massiv behindert werden – z. B. durch: • Kontaminationsrisiken • Patentverletzungsklagen • einen weiteren Verlust der Agrobiodiversität.
Was ist – aus unserer Sicht – zu tun? • Risikobewertung, Regulierung & Kennzeichnung der neuen Verfahren → Wahlfreiheit sicherstellen! • Alternativen ausbauen: Es braucht mehr unabhängige, gemeinnützige Pflanzen- und Tierzüchtung. → Finanzierungsfrage klären! • Agrarökologische Forschung ausbauen. • Patentrecht ändern: Verbot der Patentierung konventionell gezüchteter Pflanzen/Tiere endlich durchsetzen. • Über das Thema aufklären und die weitere Entwicklung kritisch begleiten.
CRISPR auch für Bio? Quelle: Lebensmittelzeitung 6/2018
CRISPR = Gentechnik ≠ Bio! Quelle: https://www.ifoam.bio/en/news/2018/01/11/organic-food-and-farming-movement-calls-regulation-new-genetic-engineering
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