Applaus für beitragsfreie Kita
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Informationen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bremen und Bremerhaven Januar / Februar 2019 Applaus für beitragsfreie Kita Sorge um Personal und Qualität Infos für Mieter Präsentismus Unternehmenskultur Die Betriebskosten- Warum viele Mehr Demokratie abrechnung krank zur Arbeit gehen für die Arbeitswelt
BAM — Januar / Februar 2019 Inhalt Galerie der Arbeitswelt Gesund durch die Erkältungszeit Neu in 2019 Seite 16 Seite 10 Seite 20 Inhalt SERVICE & BERATUNG 10 Arbeit & Gesundheit Nase voll? – Gesund durch die E rkältungszeit 11 Fragen & Antworten THEMEN Die Betriebskostenabrechnung – Infos für Mieter Schwerpunkt 6 Applaus für beitragsfreie Kita 22 Alles, was Recht ist Sorge um Personal und Qualität Rechts- und Steuertipps / Rechtsirrtum: Bei Eisglätte darf ich den 14 Mehr Demokratie für die Arbeitswelt Gehweg vor meinem Haus mit Salz streuen. 18 Warum viele krank zur Arbeit gehen 23 Drei Fragen zu Rente und Steuer 20 Neu in 2019 Was ändert sich im neuen Jahr für Beschäftigte und Verbraucher? IN JEDEM HEFT 3 Editorial 4 Die Bremer Arbeitswelt in Zahlen Am Limit – schwierige Bedingungen in Aktuelle politische Inhalte Gesundheits- und Pflegeberufen und Service-Informationen BAM von uns finden Sie auf T witter 5 Kurz gemeldet im Abo? (@ANK_HB) und facebook (Arbeitnehmerkammer Bremen). 12 Tipps & Termine r.de bam@ ehmerk amme n arbeit 13 Veranstaltungskalender 16 Galerie der Arbeitswelt Die Fachangestellte für Bäderbetriebe 22 Impressum 23 Cartoon Titelfoto: Kay Michalak 24 Beratungsangebote & Öffnungszeiten — 2
Editorial BAM — Januar / Februar 2019 EDITORIAL Pflegeberufe – #first7jobs wir setzen uns ein! Unter dem Twitter-Hashtag #first7jobs erfährt man endlich, wie Karrieren gestartet wurden. Kellner? Babysitter? Oder doch eher Marketing-Hase in der Fuß- gängerzone? Wir wollten wissen, wie prominente Bremerinnen und Bremer ihre Berufslaufbahn begonnen haben. Seit Juli 2018 hat die Hochschule für Künste Bremen (HfK) einen neuen Rektor: Roland Lambrette lehrte von 2004 bis Mai 2017 an Peter Kruse der HfK als Professor für Tempo Präsident der räre Architektur und Ausstellungs Arbeitnehmerkammer gestaltung. Anschließend leitete Bremen er die Hochschule zunächst kommissarisch. Seit 1984 reali siert der gebürtige Frankfurter mit Teams aus Architektur, Design, Digitalen Medien, Film Liebe Leserinnen, liebe Leser, und Sounddesign Ausstellungen und Medieninszenierungen. Für Gesundheit und Pflege – ein Top-Thema derzeit. Doch auch wenn in öffent die Expo-Weltausstellung 2010 in lichen Debatten immer wieder betont wird, wie wichtig das Thema doch sei: Bei Shanghai gestaltete er mit seinen vielen Beschäftigten kommt der vielbeschworene Respekt nicht an, wie unsere HfK-Studierenden den Auftritt Befragung zeigt. Dabei sind es gerade Altenpflegerinnen, Krankenpfleger oder Bremens. Für seine Arbeiten hat Ärztinnen, die sich besonders stark mit ihrer Arbeit identifizieren. In unserer Lambrette zahlreiche Preise und Info-Grafik auf Seite 4 haben wir ein paar wesentliche Daten aus unserer Sonder Auszeichnungen erhalten. auswertung der Beschäftigtenbefragung aufbereitet. Klar ist, dass Pflegearbeit deutlich attraktiver werden muss. Zum einen, Schneeräumer damit sich genügend junge Leute für einen Pflegeberuf entscheiden – zum Schaufensterdekorateur anderen, damit die jetzt Beschäftigten ihren Beruf unter guten Bedingungen bis Roadie zur Rente ausüben können. Mit dem Sofortprogramm Pflege und dem Pflege Projektionskünstler personalstärkungsgesetz sind erste Schritte getan. Doch das reicht bei weitem Grafiker nicht. Was wir dringend brauchen, sind zum Beispiel bundesweite Vorgaben Reprograf zur Personalbemessung in Krankenhäusern. Und solange solche Vorgaben aus Stage Manager bleiben, sollte das Land Bremen voranschreiten und alle Möglichkeiten nutzen, um Standards zu setzen. Und natürlich brauchen wir dringend höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen – insbesondere in der Altenpflege. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass diese Forderungen nicht unter den Tisch fallen und uns für die Interessen unser Mitglieder in den Pflege berufen stark machen. Dafür werden wir das Know-how im Haus in einem Pflegereferat bündeln, das teamübergreifend das Thema Gesundheit und Pflege betreut. Denn wir wollen, dass Pflegearbeit künftig wieder „Dienst am Patienten“ sein darf und sich nicht betriebswirtschaftlichen Vorgaben unterordnen muss. Das sollte nicht nur im Sinne der Pflegebeschäftigten, sondern unser gemein Foto: Sebastian Cunitz sames Interesse sein. Ihr Peter Kruse Roland Lambrette Kontakt: bam@arbeitnehmerkammer.de — 3
BAM — Januar / Februar 2019 DIE BREMER ARBEITSWELT IN ZAHLEN Am Limit – schwierige Bedingungen in Gesundheits- und Pflegeberufen „Ich leiste einen „Ich bin zufrieden mit wichtigen Beitrag für der gesellschaftlichen die Gesellschaft.“ Anerkennung.“ Rund 14.000 Menschen sind im Land Bremen in Krankenhäusern beschäftigt, gut 6.000 in Alten- und Pflegeheimen sagen sagen und rund 7.000 in Arztpraxen. Was 94% 61 % Beschäftigte in unserer Befragung sagen Stress und emotionale Belastung Krankenhaus Alten- und Bei ihrer Arbeit im Krankenhaus oder Pflegeheime Alten- und Pflegeheim befinden sich … 88% 69% 50% Quelle: Koordinaten der Arbeit im Land Bremen, 2017, Arbeitnehmerkammer Bremen … müssen fast immer oder oft schnell arbeiten. Für eine empathische und engagierte Belegschaft geht das oft … quasi ständig in emotional zulasten der Gesundheit. belastenden Situationen. Körperlich belastende Arbeit Arbeitsplätze im Kranken- haus sind nach denen im Baugewerbe die mit der EinDrittel größten körperlichen derjenigen, Belastung. die im In Krankenhäusern und Schichtdienst Alten- und Pflegeheimen arbeiten sagt, sind rund25 % dass auf ihre familiären und privaten der Beschäftigten über Interessen nie oder nur selten Rücksicht 55 Jahre alt. genommen wird. „Ja, Anpassungen am „Nein, mein Betrieb Arbeitsplatz zur Auf- bietet keine unter- rechterhaltung der stützenden Maß- Arbeitsfähigkeit sind nahmen.“ notwendig.“ Rund 45 % der Beschäftig- sagen sagen 80% ten in Krankenhäusern und in Alten- und Pflegeheimen sagen, dass eine Berufsausübung bis zum 74% Rentenalter nicht möglich ist. — 4
BAM — Januar / Februar 2019 Kurz gemeldet Pakt für Ausbildung verlängert Beschäftigten Die duale Ausbildung im Land Bremen stärken, Jugendlichen befragung geht in die den Zugang in Ausbildung erleichtern und zukünftige Fachkräfte nächste Runde sichern – das wollen die Bremer Vereinbarungen erreichen. Das Ausbildungsbündnis besteht seit 2014 und ist zum zweiten Mal Unter dem Namen „Koordinaten der Arbeit im – bis Ende 2019 – verlängert worden. Dabei ist aus Sicht der Land Bremen“ werden zum zweiten Mal Arbeit- Arbeitnehmerkammer weiterhin zentrales Ziel, die Zahl der abge- nehmerinnen und Arbeitnehmer in Bremen und schlossenen Ausbildungsverträge vereinbarungsgemäß deutlich Bremerhaven zu ihrem Arbeitsplatz und ihrer auf 7.800 pro Jahr zu steigern. Denn aktuell fehlen immer noch Arbeitssituation befragt. Für die Telefoninterviews Ausbildungsplätze, zu viele Jugendliche gehen leer aus. zwischen Januar und Mitte März hat die Arbeit- nehmerkammer das Institut für angewandte Sozial- Rücken wissenschaft (infas) beauftragt. Zu den Themen der repräsentativen Befragung zählen unter Weiterbildung 8,3 mm Rahmenbedingungen für Beschäftigte im Bundesland Bremen – Bericht zur sozialen Lage 2018 anderem die Rahmenbedingungen der Arbeit, stärken! Bericht Belastungsfaktoren, die Arbeitszufriedenheit und die berufliche Entwicklung. Ein b esonderer zur sozialen Lage und habe, rdert a n Schwerpunkt wird die Weiterbildung sein. Die en am Doch erschienen g ss en Ergebnisse werden im Sommer veröffentlicht. n ie men ktu- de- Weiterbildung stärken! Weiterbildung stärken! Welchen Stellenwert nimmt Weiter- www.arbeitnehmerkammer.de/ Rahmenbedingungen für Beschäftigte bildung im Land Bremen ein und wie beschaeftigtenbefragung im Bundesland Bremen stark werden die Angebote genutzt? Warum ist es gerade heute so wich- Bericht zur sozialen Lage 2018 tig, auch mit 40 oder 50 Jahren noch Prämie für www.arbeitnehmerkammer.de einmal die Schul- oder Werkbank zu drücken? Und wie lässt sich die Teilnahme von Weiterbildungen Aufstiegsfortbildung besser fördern? Diesen Fragen geht der diesjährige Bericht zur sozialen Lage mit dem Schwerpunkt Weiterbildung nach. 4.000 Euro winken Bremern, die ihre Aufstiegs- fortbildung am 1. Januar 2019 oder später abge www.arbeitnehmerkammer.de/downloads schlossen haben. Dazu zählen etwa Handwerks- und Industriemeister und Fortbildungen in kaufmännischen Berufen. Aufstiegsfortbildungen vermitteln Arbeitnehmern in nicht akademischen Kammer übernimmt Berufsfeldern die notwendigen theoretischen und Weiterbildungsberatung fachpraktischen Kenntnisse, um in ihren Berufen auch Fach- und Führungspositionen einnehmen Beschäftigte wissen häufig nicht, welche Weiterbildung für sie zu können. Die Antragstellung ist ab dem 1.1.2019 sinnvoll wäre, welche Angebote es für sie gibt und auf welche möglich. Fördermöglichkeiten sie zurückgreifen könnten. Vor diesem Hintergrund hat das Land Bremen eine Weiterbildungsberatung Beratung, Antragsannahme und Bewilligung eingerichtet – zeitlich befristet bis Ende 2018. Ab 2019 über- der Prämie: Senator für Wirtschaft, Arbeit und nimmt die Arbeitnehmerkammer das Angebot. Häfen, Abteilung Arbeit Hutfilterstraße 1 – 5, 28195 Bremen, www.arbeitnehmerkammer.de/weiterbildungsberatung 361.9 79 00, claus.wittgrefe@wah.bremen.de — 5
SCHWERPUNKT Applaus für beitragsfreie Kita — Sorge um Personal und Qualität Vorigen März hat die Bremische Bürgerschaft beschlossen, dass Eltern für ihre drei- bis sechsjährigen Kinder ab Sommer keine Kita-Beiträge mehr bezahlen sollen. Die Zustimmung dafür ist groß – auch wenn einige befürchten, dass Personalausbau und Qualität darunter leiden könnten Text: Anne-Katrin Wehrmann – Foto: Stefan Schmidbauer, Kinderhaus Arche der St. Jakobi-Gemeinde Bremen
Schwerpunkt BAM — Januar / Februar 2019 für mich ganz grundsätzlich der rich- tige Weg. Bildung ist unser höchstes Gut und dieses Gut müssen wir allen so „Die beitragsfreie Kita früh wie möglich zugänglich machen.“ darf nicht zulasten Chancengleichheit und des erforderlichen Gerechtigkeit Ausbaus und von Dass sich die politischen Parteien bei einem Thema fraktionsübergreifend Qualitätssteigerungen so einig sind, kommt nicht häufig gehen.“ vor. Die Diskussion über eine Ab René Böhme, schaffung der Kita-Beiträge ist nicht Institut Arbeit und Wirtschaft neu, doch vorigen März bestand unter den Abgeordneten der Bürgerschaft plötzlich breiter Konsens, zum Kita- Jahr 2019/2020 Nägel mit Köpfen zu machen. Dass dafür nun der rich- V or der Arbeit schnell die tige Zeitpunkt gekommen sei, begrün- Kita-Plätze, sondern auch Krippen und Kinder in die Kita und in deten die Vertreter der Koalition aus Horte beitragsfrei zu gestalten. Wichtig die Krippe bringen, nach der SPD und Grünen unter anderem mit sei allerdings auch, nun weiter in die Arbeit hoffen, dass der Feier zu erwartenden Geldern aus Berlin, Qualität sowie den Ausbau der Kitas abendverkehr nicht für Verspätung die der Bund im Rahmen des „Gute- zu investieren und diese drei Berei- beim Abholen sorgt: Der Alltag von KiTa-Gesetzes“ zur Verfügung stellen che nicht gegeneinander auszuspie- Daniela und Alexander Seidlich ist eng will – und mit der Tatsache, dass len. „Es gibt an allen Ecken dringenden getaktet und funktioniert nur, wenn Nachbar Niedersachsen bereits 2018 Handlungs- und Investitionsbedarf“, alles glatt läuft und nichts Unvorher- betont Schwarzer, „und das kostet gesehenes passiert. Die beiden Eltern Geld. Dieses Geld muss auch das Land eines fünfjährigen Sohns und einer ein- Bremen jetzt einbringen.“ jährigen Tochter arbeiten in verant- Da die Beitragshöhe in Bremen wortlicher Position beim Möbel-Riesen „Die Betreuungszeiten bisher vom Einkommen der Eltern Ikea und sind froh, dass ihr Arbeitgeber müssten den Anforde- abhing und Geringverdienende schon bei der Schichteinteilung auf ihre Situ- jetzt befreit sind, zahlten zuletzt ledig- ation Rücksicht nimmt. „Sonst würden rungen der modernen lich 44 Prozent der Eltern tatsächlich wir das alles organisatorisch überhaupt Arbeitswelt angepasst Kita-Beiträge. Der erste Schritt in Rich- nicht auf die Reihe bekommen“, sagt tung Bildung ihrer Kinder sollte für Alexander Seidlich, der seine Stunden- werden.“ die Eltern allerdings nicht gleich mit zahl nach der Geburt der Kinder auf Alexander Seidlich, Vater der Frage nach den Einkommensver 80 Prozent reduziert hat. hältnissen verbunden sein, findet der Die Kosten für die Betreuung Referent. „Es ist gut, wenn Familien von Sohn Linus und Tochter Mette einen Rechtsanspruch haben und nicht machen dem Familienhaushalt ordent- wie ein Bittsteller zuerst ihre Geld- lich zu schaffen. Mit Einführung der börsen öffnen müssen.“ Das Beispiel neuen Kita-Beitragsordnung 2017 er die Kita-Beiträge für den Ü3-Bereich Rheinland-Pfalz, wo bereits vor Jahren höhte sich der Beitrag für Linus’ Kita- abgeschafft und damit den Zugzwang die Kita-Beiträge abgeschafft worden Platz auf 430 Euro plus 35 Euro für erhöht hatte. An der niedersächsischen seien, zeige klar die positiven Effekte: Verpflegung: fast doppelt so viel wie Variante will sich Bremen nun orientie- Dort würden Eltern mit geringen Ein- vorher. „Es geht uns ja finanziell nicht ren. Das zur Umsetzung erforderliche kommen oder mit einer Migrations- schlecht“, meint der 38-Jährige, „aber Gesetz soll noch vor der Bürgerschafts- geschichte ihre Kinder deutlich häufi- das hat uns schon erschreckt. Aktuell wahl im Mai verabschiedet werden. ger in die Kita schicken als in anderen bleibt kein Geld übrig, um zu sparen Flächenländern. „Und wir wissen aus oder etwas für später zurückzulegen.“ Für Thomas Schwarzer von der Arbeit- vielen wissenschaftlichen Studien, dass Dass ab dem Sommer die Beiträge nehmerkammer ist das ein überfälliger gerade diese Kinder besonders von für Drei- bis Sechsjährige abgeschafft Schritt. „Es ist gut und wichtig, die Bei- früher Bildung und Förderung profitie- werden sollen, ist für die kleine Familie träge abzuschaffen“, sagt der Referent ren“, so Schwarzer. perspektivisch eine erhebliche Ent für kommunale Sozialpolitik. „Das ent- lastung – auch wenn Linus dann in die spricht dem Grundsatz der Chancen- Wie weit reicht das Geld? Schule kommt und Mette noch ein Jahr gleichheit und Gerechtigkeit – unab- Einen kritischeren Blick auf das Thema warten muss, bis sie von der Beitrags- hängig von Status und Einkommen hat Grit Wetjen, Personalratsvor freiheit profitiert. „Für uns ergeben der Eltern.“ Schon in ihrem Sozial sitzende von Bremens größtem Trä- sich damit ganz andere Möglichkeiten“, bericht 2016 hatte die Kammer gefor- ger „KiTa Bremen“. Zwar teilt sie meint Seidlich. „Aber vor allem ist das dert, Schritt für Schritt nicht nur die grundsätzlich die Auffassung, dass — 7
BAM — Januar / Februar 2019 Schwerpunkt Kindertagesstätten zum Bildungssystem im Detail geklärt. Dass die Finan- gehören und Bildung für alle zugäng- zierung ein heißes Eisen im Bürger lich und damit kostenlos sein sollte: „Eltern sollen nicht schaftswahlkampf wird, glaubt der „Aber es fehlt ja in allen Bereichen das Abgeordnete trotzdem nicht. „Die Par- Geld.“ In den vergangenen zehn Jahren entscheiden müssen, teien sind sich ja einig, dass wir das sind die Anforderungen an das System welcher Partner umsetzen wollen. Darum kann ich mir Kita laut Wetjen immer weiter gestie- nicht vorstellen, dass es da ein Hauen gen: Ein durch den Rechtsanspruch zuhause bleibt, weil und Stechen geben wird.“ Ziel sei es, auf frühkindliche Förderung erforder- die Kita zu teuer ist.“ dass möglichst viele Familien einen lich gewordener enormer Ausbau der Kita-Platz in Anspruch nehmen – auch Mustafa Güngör, Kita-Plätze, die Notwendigkeit flexib- die, für die der Beitrag derzeit noch ein bildungspolitischer Sprecher lerer Betreuungszeiten, gestiegene An Hindernis darstelle: „Eltern sollen nicht der SPD-Bürgerschaftsfraktion sprüche an die individuelle Förderung entscheiden müssen, welcher Part- sowie die Integration von geflüchte- ner zu Hause bleibt, weil die Kita zu ten Kindern sind da nur einige Aspekte, teuer ist.“ In der öffentlichen Diskus- die die Belastungen für die Erzieherin- sion geäußerte Kritik, dass nun gerade nen und Erzieher erhöht haben. Hinzu die am meisten entlastet würden, die kommt das Problem, dass schon jetzt ohnehin schon gut verdienten, will und Weiterentwicklung der Qualität in erhebliche Fachkräfteengpässe be Güngör nicht gelten lassen: „Gerech- den Kitas“, sagt Wetjen, „und die lässt stehen und zahlreiche Stellen nicht tigkeit in der Gesellschaft stellt man sich vor allem durch ausreichendes und besetzt werden können. „Was wir jetzt durch Steuern her und nicht durch gut ausgebildetes Personal erreichen.“ vor allem brauchen, ist eine Sicherung Kita-Beiträge.“ Der zweite Punkt auf der Priori tätenliste müsse aus ihrer Sicht der weitere Ausbau der Betreuungsplätze sein. „Und wenn dann noch Geld da ist, „Die Beitragsfreiheit können wir über eine Abschaffung der „Was wir jetzt vor kann nur ein Teil eines Beiträge reden. Dann muss man aller- allem brauchen, ist dings auch gleich die Frage mit beant- bunten Straußes worten, warum das erst für Kinder ab eine Sicherung und erforderlicher Maß- drei Jahren gelten sollte.“ Weiterentwicklung der Weil für mehr kein Geld da nahmen sein, die die ist. So lautet zumindest die Argu Qualität in den Kitas Arbeitswelt der Er mentation von Mustafa Güngör, und die lässt sich bildungspolitischer Sprecher der SPD- zieherinnen attrakti- Bürgerschaftsfraktion. „Ich würde mir vor allem durch aus ver machen und die wünschen, dass auch die Krippen bei- reichendes und gut tragsfrei werden“, sagt Güngör, „und Eltern entlasten.“ das wollen wir auch im Blick be ausgebildetes Per Wolfgang Bahlmann, halten. Momentan lässt sich das finan- sonal erreichen.“ Geschäftsführer KiTa Bremen ziell aber nicht darstellen.“ Woher das Grit Wetjen, Geld – abgesehen von den erwarteten Personalratsvorsitzende KiTa Bremen Zuschüssen aus Berlin – für die aktuell geplante Beitragsentlastung kommen soll, ist allerdings ebenfalls noch nicht „Beiträge nicht mehr zeitgemäß“ Bei den Erzieherinnen und Erziehern wird das Ganze weniger kontrovers diskutiert. Die Fachkräfte seien sich im Großen und Ganzen einig, dass die Ent- lastung der Eltern positiv zu bewerten sei, berichtet Birgit Heise. Die Leiterin des Kinder- und Familienzentrums Im Viertel zögert allerdings noch, sich tat- sächlich zu freuen: „Da hat es in der Neben der Beitragsfreiheit Vergangenheit schon so viele Ansa- ist es wichtig, weiter in die gen gegeben. Ich glaube das erst, wenn Qualität und den Ausbau das Gesetz verabschiedet ist.“ Wie sie der Kitas zu investieren es dann bei knapper Personaldecke — 8
BAM — Januar / Februar 2019 KOMMENTAR Böhme vom Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw) der Universität „Es ist gut und wichtig, Bremen. Es habe hierzu in der Ver- gangenheit unterschiedliche Studien die Beiträge abzu- mit unterschiedlichen Ergebnissen schaffen. Foto: Stefan Schmidbauer gegeben, klare Lösungen gebe es daher nicht. Unter dem Strich zeige Thomas Das entspricht sich aber, dass ein höheres Einkom- Schwarzer, dem Grundsatz der men der Eltern die Wahrscheinlich- Referent für keit eines Kita-Besuches der Kinder kommunale Chancengleichheit erhöhe. „Das ist ein deutl iches Sozialpolitik und Gerechtigkeit – Argument für die Abschaffung der Beiträge“, meint Böhme. „Zumal unabhängig von Status gerade in Familien mit großen Ein- und Einkommen der kommensunterschieden Anreize da für bestehen, dass der Elternteil mit Eltern.“ Thomas Schwarzer, Arbeitnehmerkammer dem geringeren Einkommen län- ger zu Hause bleibt, weil sich die Kita nicht rechnet – und das ist in Investieren den meisten Fällen immer noch die Mutter.“ Angesichts der anstehen- in frühe den Aufgaben beim qualitativen und quantitativen Ausbau der Kitas müsse die Politik die Prioritäten Bildung! schaffen soll, gegebenenfalls noch setzen, ist Böhme überzeugt: „Die mehr Kindern je nach Bedarf der beitragsfreie Kita darf nicht zulas- berufstätigen Eltern noch mehr Betreu- ten des erforderlichen Ausbaus und ungszeiten anzubieten, weiß sie noch von Qualitätssteigerungen gehen.“ nicht. „Da warten wir jetzt mal ab, ob sich wirklich so viel verändert. Letzt- Für die Eltern von Linus und Mette Beim Kita-Ausbau und der frühen Bildung lich können wir ja nicht mehr anbieten, sind solche Argumente durchaus „hechelt“ die Politik in Bremen häufig den als es unsere personellen Möglichkeiten nachvollziehbar. Bei aller Freude Maßnahmen in anderen Bundesländern hergeben.“ darüber, dass sie demnächst jeden und dem weiter steigenden lokalen Bedarf Monat mehrere hundert Euro mehr hinterher. Auch aufgrund der besonderen Wie Birgit Heise ist auch Wolfgang zur freien Verfügung haben wer- Haushaltsnotlage. Bahlmann, Geschäftsführer von KiTa den: Es gehe ihnen nicht darum, Soll tatsächlich bei der Bildung auf- Bremen, davon überzeugt, dass Kita- überhaupt nichts für die Kinderbe geholt werden, müssen verschiedene Bau- Beiträge nicht mehr zeitgemäß sind treuung zu bezahlen, betont steine zusammenwirken: durch die Ge und auch Krippen und Horte für Eltern Alexander Seidlich. „Wir wären bührenfreiheit die Teilhabe verbreitern; kostenfrei sein sollten. Die Politik habe bereit, unseren Teil zu tragen. Aber durch den weiteren Ausbau die Vereinbar- zugesagt, dass die Qualitätsentwick- das Geld müsste dann auch direkt in keit steigern und außerdem die Qualität lung und der weitere Ausbau der Ein- den Kita-Ausbau investiert werden.“ erhöhen. richtungen und der Plätze nicht unter Das wichtigste sei, dass es für jedes Letzteres wird vor allem durch dem Wegfall der Elternbeiträge leiden Kind auch wirklich einen Platz gebe bessere Personalschlüssel erreicht. Das würden: „Ich habe das Vertrauen, dass und die Eltern nicht erst mühsam wird bereits in Bremens Grundschulen das so auch funktionieren wird“, sagt danach suchen müssten. „Und dass mit besonders heterogener Schülerschaft Bahlmann. Aus seiner Sicht gebe es die Betreuungszeiten den Anforde- praktiziert. In den Kitas würden die Erzie- keinen kausalen Zusammenhang zwi- rungen der modernen Arbeitswelt herinnen und Erzieher durch kleinere schen Elternbeiträgen und den Fach angepasst werden. Wir können zum Gruppen entlastet und vor allem die Kin- kräfteengpässen, daher halte er die Beispiel samstags nur nacheinan- der profitieren. Kritik an dieser Stelle für unbegründet. der arbeiten und geben uns dann zu Priorität bei diesen Maßnahmen „Klar ist aber auch, dass die Beitrags- Hause die Klinke in die Hand.“ müssen die Einrichtungen am Bremer freiheit nur ein Teil eines bunten Stadtrand erhalten, wo der Großteil der Straußes erforderlicher Maßnahmen Kinder unter sechs Jahren aufwächst und sein kann, die die Arbeitswelt der Er wo ohnehin die meisten Plätze fehlen: in zieherinnen attraktiver machen und die Mutterschutz, Elterngeld und Gröpelingen, Kattenturm, Blumenthal, Eltern entlasten.“ Elternzeit – als Mitglied der Huchting und Tenever. Arbeitnehmerkammer können Prioritäten setzen Sie sich arbeitsrechtlich bera- Aus wissenschaftlicher Sicht sei die ten lassen. Weitere Infos auf Debatte nicht neu, berichtet René der Rückseite dieses Magazins. — 9
BAM — Januar / Februar 2019 Arbeit & Gesundheit Nase voll? — Gesund durch die Erkältungszeit Text: Melanie Öhlenbach E rkältungskrankheiten mit Husten, Schnupfen und Fieber und Gliederschmerzen, die an einen schmerzenden Heiserkeit werden in der Regel via Tröpfchenin Muskelkater ähneln. Wer an ihr erkrankt, sollte sofort einen fektion übertragen. Und das nicht nur durch direk- Arzt aufsuchen. tes Anniesen, -husten oder -sprechen. Robuste Viren und Bakterien finden sich auch auf Türklinken, Halte So waschen Sie Ihre Hände richtig griffen in Bus und Bahn, Computertastaturen, Einkaufs 1. Feuchten Sie die Hände unter fließendem Wasser an. Die wagen und anderen Flächen. Sie gelangen über die Hand auf Temperatur sollte angenehm sein. die Schleimhäute von Auge, Mund und Nase – und somit in 2. Seifen Sie 20 bis 30 Sekunden lang Handinnenfläche, unseren Körper. Handrücken, Fingerspitzen, Zwischenräume und Hand- Um eine Ansteckung zu vermeiden, empfiehlt die gelenk gründlich ein. Betriebsärztin Verena Hartig, sich möglichst nicht ins Gesicht 3. Waschen Sie die Seife unter fließendem Wasser ab. zu fassen, auf Händeschütteln zu verzichten und vor allem: 4. Trocknen Sie die Hände sorgfältig – am besten mit einem sich regelmäßig die Hände zu waschen. Mit Wasser und Seife Einwegtuch. ließe sich das Infektionsrisiko am besten reduzieren, so die Betriebsmedizinerin: „Seife zerstört die Zellwände und tötet Sie können Infekten vorbeugen, indem Sie sich ausgewogen so Bakterien und Viren.“ ernähren, ausreichend schlafen, sich – auch an der frischen Luft – bewegen, Ihren Arbeitsplatz und Ihre Wohnung nicht Im Winter haben aber nicht nur Erkältungskrankheiten überheizen und für Stressausgleich sorgen. Saison. Auch Spurenelemente und Vitamine stehen hoch im Kurs – sei es in Form von echten Orangen und Zitronen oder als Nahrungsergänzungsmittel. Dass sie vor Erkältungskrank- heiten schützen, sei jedoch nicht bewiesen, sagt die Ärztin. Einen Placebo-Effekt mag sie aber nicht ausschließen: „Grundsätzlich tut es Körper und Psyche gut, sich in dieser Zeit besonders zu pflegen.“ Für Husten- und Schnupfengeplagte sind Ruhe und Schonung die beste Medizin. Darüber hinaus hilft es, zwei bis drei Liter Tee und Wasser am Tag zu trinken sowie mit Kamille, Salbei oder Thymian zu inhalieren. Das verflüssige den Schleim und lockeres Sekret lasse sich besser abhus- ten, erklärt Hartig. Um die Krankheitserreger nicht zu ver breiten, empfiehlt sie, in ein Papiertaschentuch oder den Ell bogen zu niesen und sich nach dem Naseputzen die Hände zu waschen. Impfungen gegen Erkältungskrankheiten und grippale Infekte gibt es nicht. Die Schutzimpfung, die ab November angeboten wird, wirkt nur bei echter Grippe, der Influenza. Sie äußert sich binnen Stunden mit Frösteln, Reizhusten, — 10
Fragen & Antworten BAM — Januar / Februar 2019 Die Betriebskosten- abrechnung — Infos für Mieter Was darf der Vermieter abrechnen? Und ist die Abrechnung korrekt? Ein Überblick gesamte Abrechnung oder auch nur ein- Text: Hanna Mollenhauer 4. Wie verhält es sich mit der Betriebskosten- zelne Kosten betreffen. Die Abrechnung Juristische Beratung: Marion Dobner vorauszahlung? kann jedoch auch geringere Fehler ent- Foto: Kay Michalak Haben die Mietparteien festgelegt, halten, zum Beispiel die Umlage nicht dass der Mieter neben der Grundmiete vereinbarter Betriebskosten oder einen Betriebskosten übernimmt, wird üb falschen Verteilermaßstab. In diesem 1. Was sind Betriebskosten? licherweise eine monatliche Voraus- Fall ist zwar der Fehler zu korrigieren, Betriebskosten sind Kosten, die dem zahlung auf die Kosten vereinbart. die Abrechnung bleibt jedoch wirksam. Vermieter laufend entstehen. Hierzu Diese muss der Vermieter jährlich neu gehören unter anderem Gebühren für abrechnen. Mieter, die im Laufe des Müllabfuhr und Wasserversorgung, Abrechnungsjahres ausziehen, können 6. Welche Kosten kann der Vermieter nicht auf den Heizkosten, Grundsteuer und Deich keine Zwischenabrechnung verlangen. Mieter umlegen? beitrag sowie für die Haftpflichtver Als sonstige Betriebskosten hat der sicherung. Mieter nur die Kosten zu zahlen, die im 5. Wie muss die Betriebs- kostenabrechnung Mietvertrag konkret benannt werden, etwa für die Dachrinnenreinigung. 2. Muss die Zahlung der Betriebskosten im Miet- aussehen? Die Abrechnung muss klar, verständ- Verwaltungs- und Instandhaltungs vertrag vereinbart sein? lich und für den Mieter nachvollzieh- kosten können vom Mieter nie verlangt Ja, nur dann können diese Kosten dem bar sein. Sie muss den Abrechnungs- werden. Mieter in Rechnung gestellt werden. zeitraum enthalten. Die Betriebskosten Hierfür reicht der Hinweis, dass der sind im Einzelnen aufzuführen und für Mieter die Betriebskosten zu tragen hat. jede Kostenart ist der Gesamtbetrag 7. Was muss man beachten, wenn man die Abrechnung zu nennen. Der Mieter muss erkennen des Vermieters reklamieren können, mit welchem Verteilerschlüssel 3. Wann muss die Betriebs- kostenabrechnung vorliegen? die einzelnen Kosten auf ihn umgelegt will? Hat der Mieter Einwände gegen die Der Vermieter muss die Abrechnung werden. Die Abrechnung muss außer- Abrechnung, muss er diese ebenfalls spätestens zwölf Monate nach Ende des dem den auf den Mieter entfallenden innerhalb von zwölf Monaten nach Abrechnungszeitraums vorlegen. Ver- Anteil für die einzelnen Kosten enthal- deren Erhalt geltend machen. Das säumt er diese Ausschlussfrist, kann er ten. Die im Abrechnungsjahr gezahlten bedeutet jedoch nicht, dass er sich mit über die bereits erhaltenen Vorauszah- Vorauszahlungen sind zu berücksich- einer Nachzahlung immer ein Jahr Zeit lungen hinaus keine Nachzahlung mehr tigen und es ist das Ergebnis auszu lassen kann. Bestehen keine Einwände, verlangen. Außerdem kann der Vermie- weisen. ist eine geforderte Nachzahlung wohl ter eine rechtzeitig vorgelegte Abrech- Erfüllt die Abrechnung diese spätestens nach einem Monat zu be nung nach Ablauf dieser Jahresfrist Vorgaben nicht und ist sie dem Mieter gleichen. nicht mehr zum Nachteil des Mieters nicht verständlich, ist sie formell korrigieren. unwirksam. Eine daraus resultieren de Nachzahlung muss nicht geleistet werden. Die Unwirksamkeit kann die — 11
BAM — Januar / Februar 2019 Tipps & Termine Tipps & Termine AUSSTELLUNGS-TIPP BUCH-TIPP Jodi Bieber Montags – Works on muss ich Gender immer kotzen Zeitgleich an zwei Orten – im Vegesacker Geschichtenhaus und in der Arbeitnehmerkammer in der Bremer Innenstadt – sind Fotos der südafrikanischen Fotografin Jodi Bieber zu sehen. Vom 25. Januar bis zum 29. März 2019 zeigt die Arbeitnehmer kammer unter dem Titel „Works on Gender“ eine Auswahl aus Niekerken, Anja drei umfangreichen Zyklen: „Real Beauty“, „Quiet“ und „Women Montags muss ich who have murdered their husbands“. Die Künstlerin setzt sich immer kotzen hier mit Geschlechteridentität und -zugehörigkeit im südafrika- Erste Hilfe gegen nischen Kontext auseinander. Bieber ist international vielfach Arbeitsübelkeit ausgezeichnet worden, darunter mit dem Preis für das World BusinessVillage, 2018, Press Photo des Jahres 2011. 218 Seiten Eröffnung im Vegesacker Geschichtenhaus am Der immer größer werdende Leistungsdruck und 25. Januar um 20 Uhr wenig Zeit sorgen bei vielen Beschäftigten für Künstlerinnengespräch mit Jodi Bieber in der Galerie zunehmende Unzufriedenheit im Beruf. Gerade im Foyer am 26. Januar um 20 Uhr zu Beginn der Woche ist deshalb das Aufstehen für viele ein großes Übel. Was man an verhass- Weitere Infos auf Seite 13. ten Montagen tun kann, um diese erträglicher zu gestalten und welche guten Seiten selbst der blödeste Job bietet, wird in diesem Titel aufge- VERANSTALTUNGS-TIPP zeigt. Erfahrungsberichte zeigen wie man seine Arbeit neu entdecken kann und dass die positiven Literarische Woche in Bremen Effekte eines erfüllten Feierabends auf keinen Fall zu vernachlässigen sind. Die Autorin gibt Hilfe zur Im Rahmen des Bremer Literaturpreises 2019 findet vom 23. bis Selbsthilfe für alle, die sich mehr Glück und Zu 30. Januar die 43. Literarische Woche Bremen statt. Unter dem friedenheit im Beruf wünschen. Motto „Die Digitale (R)evolution. Traum oder Albtraum?“ lädt die Stadtbibliothek am Wall zu zahlreichen Veranstaltungen ein. Den Beginn machen eine deutsch-chinesische Lesung („Die Drei Sonnen“) und ein Abend mit Dialog und Diskussion zu Schöpfern und Literatur in der digitalen Ära („Dichter, Erzähler, Essayisten, Übersetzer…“) – jeweils am 23. Januar. Am 25. Januar erwar- tet die Besucher eine abendfüllende Show mit einem Roboter, der Gedichte schreibt („Eloquentron3000“). „Die Schwärmer“ nennt sich der Abend mit Autorenlesung und Gespräch mit dem Dieses Buch können Sie in der Stadtbibliothek Mediensoziologen Willi Hetze (26. Januar) und am 26. Januar ausleihen. KammerCard-Inhaber erhalten auf geht es um die „Die Smartphone Epidemie“ und deren Gefahren die BIBCARD der Stadtbibliothek zehn Prozent für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft. Den Abschluss macht Ermäßigung! eine Lesung mit Gespräch zur Zukunftsmedizin (28. Januar). www.arbeitnehmerkammer.de/kammercard www.literarische-woche.de — 12
Veranstaltungskalender BAM — Januar / Februar 2019 Veranstaltungen BREMEN & BREMEN-NORD Aus der Reihe „Ihr Recht – einfach erklärt“ 5. Februar Mutterschutz, Elterngeld, Elternzeit – Infos für werdende Eltern Bürgerstraße 1, Bremen 5. Februar Rentenbesteuerung – Steuern zahlen bis zum Lebensende? Lindenstraße 8, Bremen-Nord 26. Februar Rentenbesteuerung – Steuern zahlen bis zum Lebensende? Ausstellung: Ebbe, Flut je 18 – 19.30 Uhr Bürgerstraße 1, Bremen und Seemannsbräute – Vom Start bis zum Ziel – Veranstaltungsreihe Fotos von A. E. Eichen, 15. Januar Der Wirtschaftsausschuss: Recht und Struktur (Teil 2) bis 24. Jan. 15 – 18 Uhr Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5, 28195 Bremen Galerie im Foyer, Arbeit nehmerkammer Bremen Aus der Reihe „Alles im Blick“ 23. Januar Wirtschaftliche Mitbestimmung: Die Betriebsänderung (Modul 6) 27. Februar Wirtschaftsausschuss und Betriebsrat: Ein gutes Team (Modul 7) je 15 – 18 Uhr Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5, 28195 Bremen 12. Februar Wie geht es weiter mit der EU? 18 Uhr Solidarischer Ausbau der Währungs- und Fiskalunion – mit Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel Kultursaal der Arbeitnehmerkammer, Bürgerstraße 1, Bremen bis 24. Januar Ebbe, Flut und Seemannsbräute – Fotos von A. E. Eichen Arbeitnehmerkammer, Galerie im Foyer, Bürgerstraße 1, Bremen 25. Januar – Works on Gender – Fotos von Jodi Bieber 29. März im Vegesacker Geschichtenhaus, Zum Alten Speicher 5A, Bremen Öffnungszeiten: Di – So 10 – 16 Uhr Galerie im Foyer der Arbeitnehmerkammer, Bürgerstraße 1, Bremen Ausstellung: 3 × anders – Öffnungszeiten: Mo – Do 8 – 18.30 Uhr, Fr 8 – 13 Uhr, Malerei und Grafik u. a. Weitere Infos auf Seite 12. von Heide Duwe, 17. Jan. – 28. Feb. BREMERHAVEN Galerie der Arbeitnehmer- kammer, Bremerhaven Vom Start bis zum Ziel – Veranstaltungsreihe 23. Januar Der Wirtschaftsausschuss: Recht und Struktur (Teil 2) 15 – 18 Uhr Forum der Arbeitnehmerkammer, Barkhausenstraße 16, Bremerhaven Aus der Reihe „Alles im Blick“ 17. Januar Wirtschaftliche Mitbestimmung: Die Betriebsänderung (Modul 6) 21. Februar Wirtschaftsausschuss und Betriebsrat: Ein gutes Team (Modul 7) je 15 – 18 Uhr Forum der Arbeitnehmerkammer, Barkhausenstraße 16, Bremerhaven Aus der Reihe „Ihr Recht – einfach erklärt“ 12. Februar Mutterschutz, Elterngeld, Elternzeit – Infos für werdende Eltern 19. Februar Rentenbesteuerung – Steuern zahlen bis zum Lebensende? je 17 – 18.30 Uhr Arbeitnehmerkammer, Barkhausenstraße 16, Bremerhaven 17. Januar – 3 × anders – Malerei und Grafik 28. Februar Edelgard de Ahna, Heide Duwe und Petra M. Tränkner Arbeitnehmerkammer, Barkhausenstraße 16, Bremerhaven „Ab dafür! Der satirische Kabarett im Capitol Jahresrückblick” – 9. – 1. März Bernd Gieseking (9. Februar) / Andrea Bongers (15. Februar) / Bernd Gieseking, 9. Feb. jeweils 20 Uhr Florian Schroeder (16. Februar) / Thomas Freitag (23. Februar) / Capitol der Arbeitnehmer- HG. Butzko (28. Februar) / Frank Grischek (1. März) kammer, Bremerhaven Capitol, Hafenstraße 156, Bremerhaven Weitere Veranstaltungen und Informationen unter www.arbeitnehmerkammer.de/veranstaltungen = für alle = für Politikinteressierte = für Betriebs- und Personalräte — 13
BAM — Januar September / Februar / Oktober 20192016 Mehr Demokratie für die Arbeitswelt In der Politik stellt kaum jemand die demokratische Grundordnung infrage. In der Wirtschaft dagegen bestimmt zumeist ein kleiner Kreis von Führungskräften ohne Rücksprache mit den Angestellten, wo es langgeht. Doch immer mehr Unternehmen machen sich auf den Weg, demokratischere Strukturen zu etablieren klassisch hierarchisch organisierten der Unternehmensdemokraten“ ver Text: Anne-Katrin Wehrmann Unternehmensstrukturen zunehmend öffentlicht hat. Darin definiert er Fotos: Karsten Klama schwieriger. Unternehmensdemokratie als „Führung Veränderung musste her und und Gestaltung von Organisationen Als Nicolaj Armbrust und Sebastian so fand sich ein demokratisch gewähl- durch alle interessierten Mitglieder“ Mastalka 2001 in Bremen ihr tes Kernteam aus sechs Mitarbeitern bei einer „verbindlich verfassten Selbst Online-Portal „Traum-Ferienwohnun zusammen, das unter Begleitung eines organisation“, die kein alleiniges Mit- gen“ gründeten, war ihnen nicht klar, externen Coaches das Problem unter tel zum Zweck der Gewinnmaximie- wie erfolgreich das Ganze einmal die Lupe nahm und darüber disku- rung sei. „Es gibt eine stetig wachsende werden würde. Heute arbeiten tierte, wie die Zusammenarbeit künftig Zahl von Unternehmen, die sich im 140 Mitarbeiter für das Unternehmen aussehen soll. „Wir sind schnell darauf Sinn einer sozial-ökologischen Nach- und schaffen den Rahmen dafür, dass gekommen, dass wir eine hohe Agili- haltigkeit aufstellen wollen“, berich- jährlich mehr als 40 Millionen Ur tät brauchen und ein hohes Bedürfnis tet Zeuch. „Zugleich fragen sich immer lauber über die Plattform nach ihrem haben, dass Menschen ihr volles Poten- mehr Beschäftigte, wofür sie eigent- nächsten Feriendomizil suchen. 2015 zial einbringen können“, sagt Hensen. lich arbeiten wollen und warum sie stellten die Verantwortlichen fest, dass Die Lösung sieht so aus: Mittlerweile an ihrem Arbeitsplatz so wenig mit- die Strukturen vor dem Hintergrund arbeiten alle Mitarbeiter in gemisch- gestalten dürfen.“ Dabei gebe es einen des rasanten Wachstums nicht mehr ten, eigenverantwortlichen Teams direkten Zusammenhang zwischen Mit so gut funktionierten wie am Anfang. ohne feste Führungskräfte, wobei sich bestimmung und Motivation, so Zeuch. „Bestimmte Dinge, die wir vorher bei die einzelnen Teams auf jeweils unter- unserer Zusammenarbeit geschätzt schiedliche Zielgruppen wie Gäste, Auf Einladung der Initiative Gemein- private Vermieter oder gewerbliche wohl-Ökonomie (GWÖ) war der Buch- Anbieter fokussieren. Formale Füh- autor kürzlich zu einem Vortrag in rungspositionen gibt es nicht mehr – Bremen zu Gast. Der europaweit stattdessen können alle Mitarbeiter in aktive Zusammenschluss von Interes- „Demokratisierung ist kein Bereichen, die ihnen wichtig sind, Ver- sierten aus unterschiedlichsten gesell- formaler Prozess, sondern antwortung übernehmen. schaftlichen Bereichen hat sich zum Ziel gesetzt, durch Veränderungen eine Frage der Haltung und Mitbestimmung fördert auf wirtschaftlicher, politischer und der Unternehmenskultur.“ die Motivation gesellschaftlicher Ebene ein alternati- Mit der Abkehr von klassischen Füh- ves Wirtschaftssystem zu fördern, das Michael Schottmayer rungsmustern steht das Bremer Unter- dem Gemeinwohl dient. Ein Bestand- nehmen nicht allein da. „Seit einiger teil der Bemühungen ist die Bera- Zeit erlebe ich in der Wirtschaftswelt, tung und Zertifizierung von Organi- haben, gerieten zunehmend in Gefahr“, dass das Thema der Partizipation und sationen, die sich eine standardisierte berichtet Achim Hensen, verantwort- Sinnkopplung immer wichtiger wird“, „Gemeinwohl-Bilanz“ erstellen lassen lich für Organisationsentwicklung berichtet Andreas Zeuch, der als Be möchten, um ihren Beitrag sichtbar und Zusammenarbeit. Schnelle Reak- rater und Trainer Unternehmen bei zu machen. „Demokratische Unter tionsfähigkeit, direkte Kommunika- der Umstellung ihrer Organisations nehmensstrukturen sind ein Effekt, tion, gemischte Teams, wenig Büro- struktur begleitet und 2015 das Buch der während des Prozesses entstehen kratie: Das alles wurde in den zunächst „Alle Macht für niemand – Aufbruch kann“, berichtet Rena Fehre, Soziologin — 14
Arbeitswelt BAM — Januar / Februar 2019 Foto: Traum-Ferienwohnungen Beim Online-Portal Traum-Ferienwohnungen arbeiten die Teams ohne feste Führungskräfte – alle Mitarbeiter können Verantwortung übernehmen und Referentin der GWÖ-Regional- Eine Frage der Haltung ein großer Vorteil, die unter Wettbe- gruppe Bremen. Es gehöre zur „Grund- Vor dem Hintergrund von Globalisie- werbsdruck stünden und sich in einem ausstattung“ des Menschen, sich ein- rung, demografischem Wandel und all- dynamischen Umfeld bewegten. Es bringen zu wollen: „In vielen Bereichen gemeinem Wertewandel sei die Demo- sei jedoch zu bedenken, dass nichts kann Mitwirkung und Mitentscheidung kratisierung der Arbeitswelt ein Gebot aus reiner Menschenfreundlichkeit bei Gemeinwohl-bilanzierten Unter- der Stunde, ist der Arbeitspsychologe geschehe: „Für die Unternehmen muss nehmen entstehen“, erläutert Fehre. Michael Schottmayer von der Univer- es eine ökonomische Notwendigkeit „Mitentscheidung kann in verschiede- sität Bremen überzeugt. In den vergan- geben, sich auf wandelnde Bedingun- nen Abstufungen stattfinden – zum Bei- genen zehn Jahren habe er in diesem gen einzustellen und dabei die Mitar- spiel in einzelnen Abteilungen oder bei beiter mitzunehmen. Demokratisierung bestimmten Projekten.“ ist kein formaler Prozess, sondern eine Das sieht Andreas Zeuch ähn- Frage der Haltung und der Unterneh- lich. Einen fertigen und allgemein menskultur.“ „Es gibt einen d irekten gültigen Bausatz für alle Unternehmen und Organisationen gebe es nicht, Zusammenhang Beim Online-Portal Traum-Ferienwoh betont er. „Stattdessen gibt es ganz nungen sind Mitbestimmung, Selbst zwischen Mitbestimmung viele verschiedene Formen von Demo- organisation und Eigenverantwortung kratisierungen, aus denen abhängig und Motivation.“ längst fester Bestandteil der Unterneh- von der bisherigen Unternehmens menskultur geworden. Abgeschlossen Andreas Zeuch kultur passende Instrumente ausge- ist der Prozess aber noch lange nicht. wählt werden können. Zentrale Vor- „Und das wird er hoffentlich auch nie aussetzung ist allerdings, dass die sein“, meint Achim Hensen. „Der Mehr- bisherige Führung einen solchen Trans- Bereich eine Bewegung wahrgenom- wert des Ganzen ist ja gerade, dass die formationsprozess auch wirklich will men, die zuletzt noch einmal an Fahrt Struktur nicht mehr starr ist und wir und bereit ist, dafür auf Macht und Ein- aufgenommen habe. „Aus Sicht der uns heute immer wieder neu erfinden.“ fluss zu verzichten.“ Dabei sei es wich- Arbeitnehmer trägt die Erweiterung Auch wenn es auf dem Weg schon zahl- tig, dass alle Beteiligten Fehler machen von Handlungsspielräumen zum Erhalt reiche Herausforderungen gegeben dürften – und dass niemand gezwungen ihrer Arbeitszufriedenheit bei“, sagt habe: „Es hat sich absolut gelohnt. Wir werde, Verantwortung übernehmen zu der Wissenschaftler. „Und der Arbeitge- arbeiten jetzt zufriedener und erfolg- müssen. ber macht sich damit attraktiv für neue reicher und können unseren Kunden so Mitarbeiter und kann schneller auf ein besseres Produkt anbieten.“ neue Anforderungen reagieren.“ Letzte- res sei gerade für solche Unternehmen — 15
BAM — Januar / Februar 2019 Galerie der Arbeitswelt Täglich teilt Michelle Sänger die Bahnen für die Schwimmkurse ab — 16
BAM — Januar / Februar 2019 GALERIE DER ARBEITSWELT Ganz nah am Wasser Wenn Michelle Sänger ein Schwimmbecken sieht, möchte sie am liebsten sofort reinspringen. Kein Wunder also, dass die 21-Jährige ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat Text: Frauke Janßen – Foto: Kay Michalak E s ist warm in der Halle des Waller Westbads. Die Leistungssportlerin. Heute schwimmt sie noch fast jeden Luft riecht nach Chlor und aus dem Wasser hallen Tag nach der Arbeit „gemütlich ihre 1.000 Meter, um fit zu Stimmen vergnügt kreischender Grundschüler. bleiben“. Ihr Können gibt sie nun weiter. „Das Schönste ist, Michelle Sänger steht am Beckenrand und beobach- wie sich die Kinder freuen, wenn ich ihnen am Ende eines tet wachsam das Geschehen. Denn wo andere sich austoben, Schwimmkurses ihre Abzeichen gebe“, sagt sie. Die Arbeit geht sie ihrer Arbeit nach – passt auf, beantwortet Fragen, mit den Kleinen fordert Sänger aber auch heraus. Heute hilft und mahnt auch mal zur Ruhe, wenn zu wild getobt stehen so manche Eltern mit am Beckenrand und rufen wird. ihren Kindern zu, dass sie nicht mitmachen müssen, wenn Ihr Job verlangt der ausgebildeten Schwimmmeisterin sie Angst haben. Loslassen ist aber wichtig, muss Sänger viel Konzentration ab. „Wenn ich nur eine Minute abschalte, ihnen manchmal ins Gedächtnis rufen. Dieses Wechselspiel kann hinter mir schon jemand ins Wasser gefallen sein“, sagt aus Einfühlungs- und Durchsetzungsvermögen ist es letztlich, Sänger. was ihr besonders gut an ihrem Job gefällt. Für den Notfall ist sie stets vorbereitet: Erste Hilfe und Rettungsschwimmerfähigkeiten gehören zu den Aus Irgendwann möchte Sänger noch viel mehr Schwimmkurse bildungsstandards. Und wenn abends alle Gäste das Bad geben. Eine Fortbildung zum Babyschwimmen hat sie gerade heil wieder verlassen haben, fährt Sänger mit einem langen abgeschlossen: „Wasser ist einfach mein Element.“ Besen über den Boden des tiefen Beckens und säubert die Scheiben und Fenster in der Schwimmhalle. Den Rest erle- digen automatische Beckensauger, die über die Böden der Schwimmbecken gleiten. Zudem überprüft Sänger täglich Chlorgehalt und PH-Wert im Wasser. Fachangestellte für Bäderbetriebe „Nach der zehnten Klasse habe ich beschlossen, dass ich Zu ihren Aufgaben gehören die Beaufsichtigung des Bade- lieber eine Lehre machen möchte, statt länger in die Schule betriebs in Frei- oder Hallenbädern, die Betreuung der zu gehen. Und zwar dort, wo ich quasi aufgewachsen bin: Badegäste und die Überwachung der technischen Anlagen. im Schwimmbad“, erzählt die heutige Schwimmmeisterin. Sie sind außerdem zuständig für den Kundenservice und Seit August 2017 arbeitet die Fachangestellte für Bremens übernehmen in manchen Bädern auch Verwaltungsauf Bäderbetriebe. Das kleine Bad in Walle hat es ihr angetan. gaben. Spezialisieren können sie sich nach der dreijährigen Direkt nach der Ausbildung arbeitete Sänger einige Monate Ausbildung zum Beispiel im Wellness- oder Unterrichts in einem großen Spaßbad mit Sauna und Wellnessbereich bereich. Mitbringen sollten sie körperliche Fitness, Konzen- und merkte schnell: „Das ist nicht meine Welt.“ trations- und Teamfähigkeit und vor allem Freude an der Am liebsten bringt Michelle Sänger anderen Verantwortung. das Schwimmen bei. Selbst war sie 13 Jahre lang — 17
BAM — Januar / Februar 2019 Warum viele krank zur Arbeit gehen Die Mehrheit der Beschäftigten geht arbeiten, obwohl sie sich krank fühlt. Vor allem zwei Branchen sind im Land Bremen auffällig Text: Melanie Öhlenbach – Foto: Kay Michalak A n manchen Tagen möchte Also raus aus den Federn und Ein Stimmungsbild, das sich man am liebsten einfach ran an den Medizinschrank. Ausge auch mit Ergebnissen von Studien nur im Bett bleiben. Die stattet mit Kopfschmerztabletten, deckt. Laut einer repräsentativen Nacht über hat man kaum Taschentüchern, Tee und Lutsch Umfrage des Deutschen Gewerkschafts geschlafen, der Kopf fühlt sich an wie pastillen geht es dann an den Arbeits- bundes (DGB) aus dem Jahr 2017 in Watte gepackt. Es kratzt im Hals, platz. Ausnahmsweise. gehen mehr als 67 Prozent der Beschäf- die Nase ist dicht. Fieber? Nicht wirk- Ausnahmsweise? Bei einer aktu- tigten krank zur Arbeit. Jeder zweite lich – zum Glück. Denn das Gedanken ellen Umfrage auf der Facebook-Seite arbeitet trotz Krankheit eine Woche karussell rast: War heute nicht das der Arbeitnehmerkammer gab die oder mehr pro Jahr. In Bremen und Meeting mit dem neuen Kunden? Was Mehrheit der 190 Teilnehmer an, Bremerhaven sieht es ähnlich aus, wie wird mit dem Auftrag, der diese Woche krank zur Arbeit zu gehen. „Ich kann die aktuelle Beschäftigtenbefragung der noch raus muss? Wer kann meine meine Kollegen nicht hängen lassen“, Arbeitnehmerkammer zeigt: Drei Vier- Schicht übernehmen – es fehlen doch meinen 64 Prozent. Lediglich 36 Pro- tel aller Beschäftigten gehen demnach schon zwei aus unserem Team? zent würden sich erst mal auskurieren. zur Arbeit, obwohl sie sich eigentlich — 18
Arbeit & Gesundheit BAM — Januar / Februar 2019 krank fühlen. Im Durchschnitt sind Gerade bei Befristungen sei die Sorge Allerdings sollten sich Beschäftigte es mehr als elf Tage innerhalb eines groß, weiß Petra Patschiska. „Etliche bestimmter Berufsgruppen genau über- Jahres. Mitarbeiter kommen krank zum Dienst, legen, ob sie wirklich arbeiten gehen weil sie Angst haben, dass ihr Arbeits- wollen: „Nimmt ein Gabelstaplerfahrer Krank zur Arbeit zu gehen, obwohl vertrag nicht verlängert oder entfristet ein Medikament ein, das das Reaktions- auch eine Krankmeldung möglich wird.“ vermögen negativ beeinflusst, und ver- wäre – dafür gibt es einen Fachbe ursacht dadurch einen Schaden, kann griff: Präsentismus. Er lässt sich mit Dass im Baugewerbe viele Beschäftigte ihm dies als grobe Fahrlässigkeit aus- übertriebener Anwesenheit überset- krank zur Arbeit gehen, erklärt Olaf gelegt werden – was dazu führen kann, zen. Die Initiative Gesundheit und Damerow von der IG BAU mit dem dass er für den Schaden in vollem Arbeit (iga) geht davon aus, dass hohen Druck auf den Baustellen und Umfang haften muss.“ Präsentismus „mehr Regel als Aus- nahme“ ist – auch weil immer mehr Menschen an chronischen Krank- heiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf- „75 Prozent aller Beschäf Facebook-Umfrage Erkrankungen oder Erkrankungen des 19:33 Muskel-Skelett-Systems leiden. Aller- tigten im Land Bremen Arbeitnehmerkammer Arbeitnehmerkammer Bremen Bremen dings dürfe Präsentismus nicht mit motivierten Beschäftigten verwech- gehen zur Arbeit, obwohl sie selt werden, die „trotz vorübergehen- sich eigentlich krank fühlen.“ „Geht ihr krank zur Arbeit?“ dem Unwohlsein, leichter Erkältung Beschäftigtenbefragung 2017 oder auch mäßigen Kopfschmerzen am der Arbeitnehmerkammer Bremen Arbeitsplatz erscheinen und ihre Tätig- JA NEIN keit fortsetzen“. Ich kann die Ich kuriere mich Problematischer sei es vielmehr, Kollegen nicht erst mal aus. hängen lassen. wenn Arbeitnehmer „häufig gegen der Loyalität gegenüber den Arbeit- den ausdrücklichen ärztlichen Rat gebern – gerade in kleinen Betrieben 64 % 36 % krank zur Arbeit gehen“, so die iga mit bis zu sechs Beschäftigten. Dazu weiter. „Hier bestätigen mehrere Stu- kommt seiner Ansicht nach die Be dien, dass ein solches Verhalten auf lastung durch chronische Erkrankun- Kommentare … Dauer die Gesundheit schädigt und gen. „Wenn jemand Muskelschmer- unter Umständen auch zur Chronifi- zen oder leichte Rückenschmerzen Mit ansteckenden Viren bleib ich zu zierung von Krankheiten führen kann. hat, bleibt er deshalb nicht zu Hause. Haus, mein Körper gehört mir und ist Wenn Beschäftigte zudem mit Infek- Die Leute wissen, dass es davon nicht wichtig! tionskrankheiten am Arbeitsplatz er besser wird.“ Bis ein Bauarbeiter nach […] Ich ärgere mich jedes Mal wenn scheinen, besteht darüber hinaus Hause gehe, müsse schon einiges pas- Kollegen meinen, krank zur Arbeit das Risiko, dass weitere Beschäftigte sieren, so der Beauftragte für Arbeits- kommen zu müssen und am Ende man erkranken.“ und Gesundheitsschutz. „Das Klischee, dann selber angesteckt wird. Ich weiß man müsse härter sein, weil man auf aber, das Kollege Leiharbeiter lieber Im Land Bremen ist Präsentismus in den dem Bau arbeitet, bestätigt sich leider krank zur Arbeit kommt, bevor er ent- Branchen Einzelhandel, Gastgewerbe immer wieder.“ lassen wird wegen Krankschreibung […] sowie Lagerei und Verkehr überdurch- schnittlich verbreitet. Spitzenreiter sind In der Pflicht sehen die Beschäftig- Bin in der Küche tätig und sollte letztes mit Abstand die Pflege und das Bauge- tenvertretungen beider Branchen die Jahr auch mit Magen-Darm arbeiten werbe. Hier gehen Beschäftigte durch- Arbeitgeber: Petra Patschiska fordert kommen. Soviel dazu und das obwohl schnittlich mit 17,5 Tagen beziehungs- für die Pflege unbefristete Verträge, wir erst kurz vorher Hygieneschulung hatten. […] weise 22,5 Tagen krank zur Arbeit. mehr Personal und eine Änderung des Edelgard Kleinekemper, Vorsit- Pflegeschlüssels. Olaf Damerow von Ja, ist so in der Gastronomie. zende der Mitarbeitervertretung des der IG BAU fordert mehr Einsatz von DIAKO Bremen, und Petra Patschiska, Maschinen und die Einhaltung von Betriebsratsvorsitzende der Arbeiter- Arbeitszeiten. „Im Sommer werden auf 10 12 Kommentare 6 Mal geteilt wohlfahrt in Bremerhaven, können Baustellen jede Menge Überstunden Gefällt mir Kommentieren Teilen sich viele Gründe vorstellen, warum gemacht. Da fehlen dem Körper die Beschäftigte in der Pflege trotz Erkäl- Ruhezeiten.“ Bei Fragen etwa zum Krankengeld, 4 zur tung, Rückenproblemen oder Überlas- Entgeltfortzahlung oder zur krankheits- tung arbeiten gehen. Loyalität gegen- Sicherlich: Man muss nicht gleich beim bedingten Kündigung können Sie sich über den Kollegen gehört ebenso dazu kleinsten Schnupfen zu Hause bleiben. als Mitglied der Arbeitnehmerkammer wie die Sorge um den Arbeitsplatz: Und auch eine Arbeitsunfähigkeitsbe- arbeitsrechtlich beraten lassen. „Viele haben Angst vor Gesprächen mit scheinigung vom Arzt sei kein Arbeits- Weitere Infos auf der Rückseite Vorgesetzten, wenn sie häufig krank verbot, betont Ingo Kleinhenz, Rechts- dieses Magazins. sind“, meint Edelgard Kleinekemper. berater in der Arbeitnehmerkammer. — 19
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