Neue Kompetenz-Anforderungen für (vernetztes) E-Government
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Neue Kompetenz-Anforderungen für (vernetztes) E-Government Tino Schuppan In diesem Artikel werden Kompetenzanforderungen (im Sinne von auf neue soziale und weitere Kompeten- Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen) für E-Government herausgear- zen an. Ziel dieses Artikels ist, diese neuen beitet. Hauptargumentation ist, dass E-Government nicht nur neue Kompetenzen insbesondere für Nicht-IT- Anforderungen an IT- und E-Government-Experten stellt, sondern an Spezialisten in der Verwaltung zu identifi- zieren und weitergehend zu bestimmten. alle Beschäftigtengruppen. Ziel des Artikels ist es herauszufinden, wel- che neuen Kompetenzanforderungen in Bezug auf E-Government in Bis jetzt wurden diese neuen Kompe- der öffentlichen Verwaltung erforderlich sind. Es sollen insbesonde- tenzen kaum in der Wissenschaft disku- re Kompetenzen ermittelt werden, die jenseits der Bedienfähigkeit tiert. Nur einige wissenschaftliche Artikel von IT-Systemen oder von IT-Spezialistenwissen liegen und damit beschäftigen sich mit E-Government-Kom- für alle Beschäftigten in der Verwaltung relevant sind. Dazu wird auf petenzen bzw. E-Government-Skills; ihre ck konzeptionell-analytische Überlegungen, auf Ergebnisse qualitati- Perspektive ist jedoch oft reduziert auf ver Interviews sowie auf Beobachtungen und Erhebung bei konkreten reines IT-Wissen, organisationales Wissen Projekten zurückgegriffen. Im Ergebnis zeigt sich, dass E-Government und auf Multimedia-Kompetenzen, d.h. neuartige fachliche so genannte „Mixed-Kompetenzen“ erfordert. ru bestimmte IT-Anwendungen bedienen zu Auch neuartiges Abstraktionsvermögen und soziale Kompetenzen können. sind bei vernetztem E-Government im Besonderen gefragt – Aspekte, die in der gegenwärtigen vielfach immer noch technisch dominierten Methodisch wird in diesem Artikel auf bd E-Government-Diskussion wenig Beachtung finden. die Instrumente der Kompetenzforschung zurückgegriffen, die sich wiederum an ge- E-Government: Herausforderung wahrnehmen. In praktischen Projekten nerellen Methoden der Sozialwissenschaft für neue Kompetenzen und im Behördenalltag zeigt sich jedoch orientieren (u.a. Qualitative Interviews, ra zunehmend, dass neue Kompetenzen er- Falluntersuchungen, Beobachtung, Lite- In den letzten Jahren wird die Verwal- forderlich werden, die über die einfache raturanalyse). Kompetenzanforderungen tungsarbeit nicht nur zunehmend von In- Bedienfähigkeit einer Anwendung, IT-Spe- werden in diesem Artikel aus sich abzeich- formationstechnik durchdrungen, sondern zialisten- und Tool-Wissen hinausreichen. nenden neuen E-Government-Strukturen Vo es entstehen auch vielfältige neue Formen Es ist mit einer umfassenden Veränderung und -Prozessen abgeleitet, die über Lite- vernetzter organisationsübergreifender von Kompetenzanforderungen für alle Be- raturauswertung, semi-strukturierte Inter- Zusammenarbeit. Diese erfordern neue schäftigtengruppen zu rechnen, was sich views, Fallanalyse und Fallbeobachtung Fähigkeiten und Fertigkeiten für alle Be- bereits abzeichnet. mit rollenbezogener Bestimmung von schäftigtengruppen in der öffentlichen Kompetenzanforderungen schrittweise Verwaltung. Bisher wird das Thema in Dass neue Anforderungen an das Per- konkretisiert und validisiert werden. der Verwaltungspraxis noch sehr tech- sonal in der Verwaltungspraxis gestellt nisch gehandhabt. Gleiches gilt für die werden, ist generell nichts Neues: Bei- Der Artikel ist wie folgt aufgebaut: Zu wissenschaftliche Gemeinschaft des Pu- spielsweise sind beim New Public Ma- Beginn wird der Kompetenzansatz mit sei- blic Management und der Verwaltungs- nagement insbesondere betriebwirtschaft- nen Methoden dargestellt und aus einer wissenschaft, die E-Government vielfach liches Wissen und diesbezügliche Metho- transformatorischen Perspektive generelle noch sehr einseitig als technisches Thema denkenntnisse gefordert. E-Government neue E-Government-Kompetenzen begrün- setzt jedoch insofern neue Maßstäbe, als det. Zweitens wird die existierende Litera- es ein neuartiges interdisziplinäres Wis- tur in Bezug auf neue Anforderungen im sen voraussetzt. Das heißt, es reicht nicht Kontext von E-Government ausgewertet. mehr, nur informationstechnisches Spezia- Drittens werden aufgrund der begrenzten listenwissen oder nur Managementwissen wissenschaftlichen Diskussion Ergebnisse zu haben, das vielfach in der Verwaltung qualitativer Interviews mit Verwaltungs- Prof. Dr. Tino Schuppan vorhanden ist. Vielmehr kommt es gerade vertretern und Experten dargestellt, die im Geschäftsführer, Ifg.CC – durch organisationsübergreifend vernetzte Hinblick auf gegenwärtig notwendige und Institute for eGovernment, Leistungsstrukturen zusätzlich auf neues auch zukünftig neue E-Government-Kom- Potsdam häufig interdisziplinäres Wissen wie auch petenzen befragt wurden. Viertens wird Verwaltung und Management 135 15. Jg. (2009), Heft 3, S. xx-xx
Schuppan, Neue Kompetenz-Anforderungen für (vernetztes) E-Government eine weitere Konkretisierung von Kompe- ist inputorientiert, während der Kompe- der genannten Kompetenzarten kann es tenzen durch zwei Fallanalysen erreicht, in tenzbegriff outputorientiert ist, d.h. unab- zahlreiche Teilkompetenzen geben, die in denen Kompetenzen für unterschiedliche hängig von formalen Abschlüssen ist. der jeweiligen Zusammenstellung bezogen Rollen innerhalb der Verwaltung ermittelt auf Arbeitsplatzanforderungen ein gesam- werden. Am Schluss werden die Ergebnis- Dabei weist der Kompetenzbegriff eine tes Kompetenzprofil ergeben. Dabei lassen se zusammengefasst und weitere Empfeh- Vielzahl von Facetten auf und wird in der sich unterschiedliche Kompetenzlevel (z.B. lungen für E-Government-Kompetenzen Literatur nicht eindeutig verwendet. Kern- Novize bis Experte) bzw. Lernstufen (z.B. abgeleitet. elemente des Kompetenzbegriffs sind nicht etwas zu wissen, zu verstehen bzw. anzu- nur Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, wenden oder zu beurteilen) unterschei- sondern auch Persönlichkeitseigenschaf- den.6 Grundlagen zu E-Government- ten (Dispositionen) sowie Werte und Mo- Kompetenzen tivationen2, so dass z.B. der im Englischen Im Hinblick auf E-Government-Kom- Im Folgenden werden zunächst Begriff vielfach verbreitetere Skill-Begriff nur eine petenzen sind nicht nur neues Wissen, und Ansatz von Kompetenzen, auch in Teilmenge von Kompetenzen darstellt3. sondern auch neue Fähigkeiten und Fer- Abgrenzung zu verwandten Begriffen wie Oder anders ausgedrückt, Kompetenz tigkeiten erforderlich. Diese arbeitsplatz- Qualifikation geklärt. Darauf basierend stellt ein komplexes Handlungssystem nah zu ermitteln, ist methodisch generell wird danach eine erste Einordnung von E- dar, das kognitive und nicht-kognitive Ele- schwierig, was umso mehr für zukunftsbe- Government-bezogenen Kompetenzanfor- mente umfasst, während Skills häufig nur zogene Aussagen zutrifft. Dabei wäre eine Früherkennung von zukünftigen Kompe- tenzanforderungen für die öffentliche Ver- waltung erforderlich, um den notwendi- ck »Eine Früherkennung von Kompetenzen gen Bildungsvorlauf im Rahmen der Per- sonalentwicklung schaffen zu können. ist erforderlich, um den notwendigen Bildungsvorlauf zu schaffen.« ru Um Kompetenzen zu ermitteln, werden als Methoden Arbeitsplatzanalysen und Beobachtungen sowie Expertenbefragun- gen eingesetzt. Letzteres ist für zukunfts- bd bezogene Aussagen am ehesten angemes- derungen vorgenommen. Eine solche erste im Zusammenhang mit kognitivem oder sen, so dass sie auch für diesen Artikel Einordnung ist notwendig, weil – wie die praktischem Können verwendet wird.4 durchgeführt wurden. Zukunftsbezogene weiter unten vorgenommene Literatur- Kompetenzaussagen lassen sich auch aus ra auswertung zeigen wird – kaum für die Zu den grundlegenden Kompetenzar- neuen Produktions- und Dienstleistungs- Fragestellung dieses Artikels verwendbare ten zählen fachliche, die soziale, die per- strukturen sowie Prozessen – zumindest Forschungsergebnisse vorliegen. sonale sowie methodische Kompetenzen, begrenzt – ermitteln, was durch die Fall- die allesamt – wie noch zu zeigen sein analyse innovativer Projekte in diesem Vo Kompetenzansatz wird – auch in unterschiedlicher Ausprä- Artikel ergänzt und konkretisiert wird. gung für E-Government relevant sind. Die Das bedeutet, dass keine „beste Methode“ Durch die zunehmende Bedeutung von Fachkompetenz umfasst im Wesentlichen existiert, um Kompetenzanforderungen lebenslangem Lernen hat der Kompetenz- organisations-, prozess-, aufgaben- und mit Zukunftsbezug zu erschließen, so dass ansatz weltweit Aufschwung genommen, arbeitsplatzspezifische Fertigkeiten und ein Methodenmix erforderlich ist. da er Lernleistungen, die in nicht forma- Kenntnisse. Sozialkompetenz hat generell len Bildungsprozessen verlaufen, sichtbar in den letzten Jahren an Bedeutung ge- In der Verwaltungspraxis hat das Kom- machen kann.1 Insbesondere in Europa ist wonnen und bedeutet, insbesondere situa- petenzkonzept vielfach noch eine geringe der Kompetenzbegriff wichtig geworden, tionsgerecht zu handeln, d.h. team-, aber Bedeutung. Insbesondere in der deutschen um die Vergleichbarkeit von Bildungs- auch konfliktfähig zu sein sowie über Verwaltung, wie auch in anderen konti- abschlüssen zwischen europäischen Län- kommunikativen Fähigkeiten zu verfü- nentaleuropäischen, rechtlich dominierten dern herzustellen. Denn bezogen auf die gen. Zur personalen Kompetenz gehören Verwaltungen spielen überwiegend noch Arbeitswelt stellt der Kompetenzansatz Eigenschaften wie, sich selbst einschätzen Qualifikationen und formale Abschlüs- darauf ab, was eine Person in einem be- und organisieren zu können oder eigen- se eine zentrale Rolle. Sind Kompetenzen ruflichen Kontext tatsächlich kann, unab- initiativ zu handeln. Die Methodenkom- hängig davon, wie das Wissen erworben petenz schließlich beinhaltet zum einen, 1 Gnahs 2007, S. 16f. wurde. Statt ausschließlich auf formale selbstständig Lösungswege für komplexe 2 Vgl. Cooper 2000, S. 24; Gnahs 2007, S. 24f. Qualifikation und formale Abschlüsse zu Arbeitsaufgaben zu finden, anzuwenden 3 Rowe 1995, S. 15. achten, die in Europa recht unterschied- und reflektieren zu können und zum an- 4 Murray, Clermont et al. 2005, S. 36. lich sind, spielen zunehmend Fähigkeiten, deren die Fähigkeit, sich selbstständig 5 Vgl. Riedl 2004, S. 16; Kauffeld/Grote 2002, S. 32; Fertigkeiten und Können eine Rolle. Mit neue Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertig- Gnahs 2007, S. 27. anderen Worten, der Qualifikationsbegriff keiten aneignen zu können.5 Unterhalb 6 Vgl. Balzert 1999; Dreyfus/Dreyfus 1986. 136 VM 3/2009
Schuppan, Neue Kompetenz-Anforderungen für (vernetztes) E-Government nicht oder nicht ausreichend vorhanden, nisationsübergreifend gestaltet werden arbeiter eine breite Palette von Tätigkei- werden im Regelfall externe Dienstleister können, wodurch bisherige Bauprinzipien ten beherrschen, während ein Mitarbeiter durch Beratungsfirmen oder – wenn recht- organisatorischer Gestaltung in Frage ge- in einem Shared Service Center oder im lich zulässig – durch Outsourcing heran- stellt werden. Konkrete Organisationsan- Back Office in der Regel auf spezialisier- gezogen. Jedoch gerade in Anbetracht der sätze sind beispielsweise die Trennung von te Tätigkeiten ausgerichtet ist. Veränderte rasanten Veränderungen in der Arbeits- Front und Back Office zur besseren Ge- Tätigkeiten und damit Kompetenzan- welt – nicht zuletzt ausgelöst durch die In- staltung des Zugangs zu öffentlichen Leis- forderungen ergeben sich nicht nur im formationstechnik selbst – kommt es noch tungen oder die Einrichtung von Shared Zusammenhang mit organisatorisch-ins- mehr als bisher auf die Weiterentwicklung Service Centern zur verbesserten Ressour- titutionellen Änderungen. Mit zunehmen- von Kompetenzen innerhalb der Verwal- cennutzung. Auch lassen sich Leistungstie- der Informatisierung ist auch mit einer tung an. Denn auch ein Outsourcing er- fenfragen neu beantworten, da nunmehr fordert intern nicht geringere Kompeten- durch verbesserte Controlling-Möglich- veränderten inhaltlichen Erledigung von zen, sondern weitergehende Kompetenzen, keiten und verringerte Transaktionskosten fachlichen Aufgaben zu rechnen. Denn die mit der Steuerung der durch Dritte auch erweiterte Outsourcing- wie auch die Informationstechnik ist durch neue IT- erbrachten Leistungen zusammenhängen.7 Insourcing-Möglichkeiten bestehen.8 Um Funktionen wie bspw. Datenverschneidun- Ebenso wird sich fehlendes Know-how solche neuen Leistungsstrukturen mit gen, Berechnungs- und Auswertungsmodi nicht durch das Einkaufen von Beratungs- ihren vielfältigen technischen, institutio- immer mehr in die inhaltliche Facharbeit leistungen kompensieren lassen, da auch nellen und nicht zuletzt auch rechtlichen auf der ausführenden Ebene der Verwal- deren Ausschreibung und Internalisierung Anforderungen umzusetzen, sind verstärkt tung vorgedrungen. Hierdurch verändern sich fachliche Anforderungen, die mit ck der inhaltlichen Aufgabenerledigung in Zusammengang stehen. So ist beispiels- »Soziale und personale Kompetenzen weise die polizeiliche Ermittlungsarbeit bei Verbrechensbekämpfung durch neue spielen bei zunehmender Vernetzung ru Auswertungsmöglichkeiten (z.B. Crime Mapping) zum Teil grundlegend verän- und Interaktion eine stärkere Rolle.« dert.9 Durch die Verschneidung von Daten bd über begangene Delikte mit Geodaten und Mobilfunkdaten lassen sich automatisiert Auswertungen vornehmen, die eine weit- erhebliche fachliche und methodische so genannte Mixed-Kompetenzen erfor- gehende Eingrenzung von Tatverdächtigen ra Kompetenzen voraussetzen. derlich. Es handelt sich um Wissen, das zulässt. Auch sind durch Crime Mapping sich aus verschiedenen Bereichen, wie In- neue Präventionsmöglichkeiten gegeben, E-Government-Anforderungen formationstechnik, organisationsübergrei- wodurch sich die Polizeiarbeit inhaltlich fender Prozessgestaltung und dem ggf. da- auch ändert. Analoge Beispiele lassen sich Vo Neue Kompetenzanforderungen begrün- zugehörigen Recht, zusammensetzt. Dafür auch für andere Bereiche finden und sind den sich nicht nur aus dem zunehmenden ist jedoch nicht nur fachliches Wissen mit von der Verwaltungsbranche (z.B. Um- IT-Durchdringungsgrad der Verwaltungs- dazugehörigem Methodenwissen erforder- weltverwaltung, Justizverwaltung, Stadt- arbeit an sich, sondern aus den weiteren lich, sondern auch soziale und personale planung durch 3-D-Karten etc.) abhängig. Potenzialen im Anwendungsfeld. Dabei ist Kompetenzen spielen eine Rolle, da mit generell von Bedeutung, dass im Vergleich fortschreitender Vernetzung auch die so- Nachdem oben eine grundsätzliche zum bisherigen IT-Einsatz, der eher Tool- zialen Interaktionen zunehmen. Mit ande- Einordnung von Änderungsbereichen im Charakter hatte, E-Government für Re- ren Worten, es geht um ein neues Mitein- Kontext von E-Government vorgenom- gieren und Verwalten transformatorische ander mit anderen Personen, was generell men wurde, die im Hinblick auf neue Potenziale hat. Diese resultieren wesent- noch mehr als bisher Eigenschaften wie lich aus den Möglichkeiten, gänzlich neue Team- oder Konfliktfähigkeit erfordert. Kompetenzen für die Beschäftigten ins- Organisationsformen für die öffentliche Damit im engen Zusammenhang stehen gesamt relevant sind, wird im Folgenden Leistungserbringung zu etablieren sowie auch personale Kompetenzen, die sich auf eine Literaturauswertung durchgeführt. der Verknüpfung von Daten und Prozesse Persönlichkeitsmerkmale des Individuums, Danach werden E-Government-relevante mit dem Einsatz neuer IT-Funktionen. Bei- wie z.B. seine Organisations- und Abstrak- Kompetenzen empirisch überprüft und de Aspekte einschließlich der sich daraus tionsfähigkeit beziehen. weitergehend bestimmt. generell ergebenden neuen Kompetenzan- forderungen werden im Folgenden weiter- Ebenso sind neue fachliche wie soziale gehend begründet. Kompetenzen erforderlich, um in den neu- 7 Z.B. Farneti/Young 2008; OECD 2005, S. 130 und 136. en Leistungsstrukturen zu arbeiten, da sie 8 Schuppan 2008; Culbertson 2005, S. 103. Neue Organisationsformen sind ins- beispielsweise mit größerer Arbeitsteilung Schuppan 2009. besondere möglich, weil Prozesse orga- einhergehen. So müssen Front-Office-Mit- 9 Vgl. Bonislawski/Rozkosny 1998. VM 3/2009 137
Schuppan, Neue Kompetenz-Anforderungen für (vernetztes) E-Government Literaturauswertung auf die notwendige Steuerungskompetenz Netzwerkfähigkeiten über Organisations- verwiesen und die Anforderungen, die im grenzen hinweg sowie die Fähigkeit, in In die Literaturauswertung sind auch die Zusammenhang mit einer Ausschreibung interdisziplinären Teams und Projekten zu Public Management- bzw. Public-Gover- und der Aufgabenübertragung stehen. arbeiten.15 nance-Literatur einzubeziehen, da hier Hinweise auf Kompetenzanforderungen Artikel, die konkret E-Government-re- Auf neues interdisziplinäres Wissen zu vermuten sind, die auch für E-Govern- levante Kompetenzen behandeln, sind erst bzw. Mixed-Kompetenzen beziehen sich ment relevant sind. Das gilt insbesondere ungefähr seit dem Jahr 2000 erschienen. ebenfalls nur wenige Autoren. Parrado be- für methodische Kenntnisse und Kompe- Allerdings ist das Thema in international tont beispielsweise Umsetzungsfähigkeiten tenzen bei vernetzter Leistungserstellung. wissenschaftlich einschlägigen Konferen- mit integriertem Gestaltungswissen von IT Tatsächlich sind jedoch in der Public- zen bisher de facto nicht präsent. Denn und Organisation, Kenntnisse über fachli- Management- und Public-Governance- eine eigene umfangreiche Auswertung von che Anforderungsanalysen an IT-Systeme Literatur generell nur spärliche Hinweise mehr als 400 Konferenzbeiträgen (Inter- sowie die Fähigkeit, technische Lösungen auf konkrete Kompetenzanforderungen national Research Symposium on Public auf organisatorische Probleme anzuwen- zu finden. Häufig werden dort pauschal Management – IRSPM und der European den.16 Ähnlich wird in der Studie des Eu- betriebswirtschaftliches Denken und In- Group of Public Administration – EGPA ropean Institute for Public Administration strumentenwissen gefordert.10 Informati- sowie der Hawaii International Confe- (EIPA) aus dem Jahr 2005 argumentiert, onstechnik wird im Public Management rence in System Sciences – HICCS, Inter- die es zudem für erforderlich hält, dass – wenn überhaupt – überwiegend als Tool national Conference on Database and Ex- Führungskräfte über die Fähigkeiten ver- verstanden, da es nach dem Verständ- pert Systems Applications – DEXA) von fügen, IKT-Trends strategisch zu bewerten und Schlussfolgerungen für organisatori- ck sche Strategien zu ziehen.17 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch Settles für den »Es gibt bisher kaum wissenschaft- US-amerikanischen Raum, der im beson- ru deren Maße Strategiekompetenzen her- liche Beiträge, die auf die notwendigen vorhebt.18 Kompetenzen im Zusammenhang mit Insgesamt ist festzustellen, dass es nur bd wenige Beiträge gibt, die explizit auf Kom- vernetztem eGovernment eingehen.« petenzanforderungen für E-Government und insbesondere auf vernetztes E-Go- vernment eingehen. Allenfalls sind einige ra Hinweise zu finden, die jedoch überwie- nis dieser Autoren der Unterstützung der 2003 bis 2008 hat gezeigt, dass lediglich gend auf Führungskräfte begrenzt sind, eingesetzten betriebswirtschaftlichen In- ein Artikel12 zum Thema veröffentlicht obwohl die vernetzte Zusammenarbeit im strumente dient. Folglich werden in der wurde. Dieser Artikel basiert auf einer be- hohen Maße auch zu Veränderungen auf Vo Public-Management-Literatur bezogen reits erschienenen und von der EU beauf- der Arbeitsebene führt und damit die Mit- auf Informationstechnik Kompetenzen für tragten Studie, auf die weiter unten einge- arbeiter betrifft. Eine prozess- und arbeits- die Bedienung und für den Umgang mit gangen wird. platznahe Betrachtung von Kompetenzan- IT-Anwendungen in den Vordergrund ge- forderungen, wie sie beispielsweise seit stellt. Der überwiegende Teil vorhandener einiger Zeit in betrieblich-gewerblichen Artikel zielt häufig sehr einseitig auf rei- Berufen (z.B. in der Automobilbranche) Der behördenübergreifende Vernet- ne IT-Kompetenzen ab13, in denen jedoch üblich ist, ist bisher de facto nicht vorhan- zungsaspekt – wie er für E-Government betont wird, dass diesbezüglich auch für den.19 Diese Betrachtung liegt auch nicht relevant ist – kommt allenfalls in der Pu- Führungskräfte zunehmend Wissen erfor- im Fokus der Public-Management- oder blic-Governance-Literatur zum Ausdruck, derlich ist. Ein Teil der Artikel benennt jedoch ohne Bezugnahme auf Informa- zudem nicht-technische Kompetenzan- 10 Vgl. Kaul 2000, S. 169; Finger/Uebelhart 1998, S. tionstechnik und Prozesse. Hier werden forderungen, wobei das Prozessmanage- 29ff. insbesondere soziale und personale Kom- ment besonders hervorgehoben wird, 11 Vgl. Löffler 2003, S. 243 und 259; Broussine 2003, S. 179ff. petenzen unter dem Begriff Leadership da Führungskräften häufig ein vertieftes 12 S. Leitner 2006. – allerdings häufig recht allgemein – ab- Prozessverständnis fehlt.14 In nur weni- 13 Vgl. z.B. Elovaara, Eriksén et al. 2004; Kaiser 2004; gehandelt.11 Dabei werden Aspekte wie gen Beiträgen sind speziell Hinweise auf Mundy, Kanjo et al. 2001. Moderationsfähigkeit, neues Bewusstsein, E-Government-Kompetenzen bei behör- 14 Vgl. z.B. Parrado 2005. Denken in vernetzten Strukturen o.ä. her- denübergreifender Zusammenarbeit zu 15 Gupta 2003. vorgehoben. Hinweise auf Kompetenzan- finden, wie sie eingangs ermittelt wurden. 16 Parrado 2005. forderungen im Kontext vernetzter Struk- Diesbezüglich hervorgehoben werden eher 17 EIPA 2005. turen gibt es auch bei Auslagerung und allgemein insbesondere Team Leadership 18 Settles 2005. Leistungstiefenentscheidungen. Hier wird Skills, informelle Kommunikations- und 19 Schaper 2003. 138 VM 3/2009
Schuppan, Neue Kompetenz-Anforderungen für (vernetztes) E-Government Public-Governance-Literatur, weil sie sich Ausgewählte Ergebnisse den Projektteams sehr hoch ist, während tendenziell eher auf die Management- als Kompetenzen zur organisatorischen Ver- auf die Arbeitsebene konzentriert. Bzgl. des gegenwärtigen Kompetenzstan- änderung im Kontext von E-Government des hat die Befragung ein heterogenes Bild eher gering ausgeprägt sind. Aufgrund der begrenzten Literatur ergeben. Sowohl die Experten als auch die wird insgesamt deutlich, dass es für E- Verwaltungsmitarbeiter waren überwie- Im Hinblick auf notwendige Kompe- Government, insbesondere in der aufge- gend der Meinung, dass Multimedia-Kom- tenzen haben die Experten insbesondere zeigten Vernetzungsperspektive einer wei- petenzen sowie technisches Wissen in der auf die besondere Stellung der Führungs- teren Ermittlung und Konkretisierung von Verwaltung generell gut und ausreichend kräfte verwiesen, die sowohl Strategiefä- Kompetenzen bedarf. Dazu werden im vorhanden sind. Insbesondere im Hinblick higkeit für E-Government brauchen als Folgenden empirische Befunde dargestellt, auf die gängigen Office-Anwendungen auch Kenntnisse über die operativen Pro- um darauf basierend weitere Ableitungen und im Umgang mit dem Internet gab es zesse. Auch wurde von den Experten eine vorzunehmen. in den letzten Jahren umfangreiche interne neue Steuerungskompetenz gefordert, mit Weiterbildungsangebote, die von fast allen der Dienste, Prozesse und IT-Ressourcen Beschäftigtengruppen in Anspruch genom- im Produktionsverbund aufeinander ge- Befragungsergebnisse men wurden. Auch sei technisches Spezia- plant und gesteuert werden kann. Fachlich listenwissen in Bezug auf E-Government wurden auch von den befragten Abtei- Methodische Vorüberlegungen weitestgehend vorhanden. lungsleitern Fähigkeiten genannt, wie neue Trends und Technologiechancen zu erken- Befragt wurden Verwaltungsmitarbeiter Nach einhelliger Meinung der befrag- nen und daraus organisatorische Möglich- einer deutschen Landesverwaltung und ten Experten bestehen jedoch generell bei keiten abzuleiten. Im Hinblick auf soziale ck ausgewählte externe E-Government-Fach- den Führungskräften Kompetenzmängel, Kompetenzen wurden von allen Befragten experten. Die Befragung von Mitarbeitern die jedoch von diesen selbst in der Befra- im Zusammenhang mit E-Government einer deutschen Landesverwaltung bzgl. gung nicht im gleichen Maße erkannt bzw. vermehrt Kommunikationsfähigkeit, neue E-Government-Kompetenzen ist deshalb ru anerkannt wurden. Insbesondere mangelt Führungsfähigkeiten oder die Fähigkeit, sinnvoll, da im Rahmen der föderalen es nach Ansicht der Experten den Füh- in Teamstrukturen zu arbeiten, genannt. Arbeitsteilung in Deutschland die Verwal- rungskräften an Prozesswissen, strategi- Als notwendige Kompetenzen haben die tungs- und damit auch schwerpunktmä- schen Kompetenzen, Denken in vernetzten Verwaltungsmitarbeiter insbesondere die bd ßig die E-Government-Zuständigkeit bei Zusammenhängen sowie der Fähigkeit, Fähigkeit genannt, dem technischen Wan- den Ländern liegt. Insgesamt wurden in der Landesverwaltung 28 Interviews vom 01.09. bis zum 15.10.2006 durchgeführt. »Experten sind der Meinung, dass ra Befragt wurden neun Abteilungsleiter, zu deren Zuständigkeitsbereich E-Govern- ment gehört und elf E-Government-Pro- Führungskräfte heute noch zu wenig das jektleiter, die für die Umsetzung konkreter Zusammenspiel von technischer und Vo Projekte verantwortlich sind. Außerdem wurden acht so genannte E-Government- organisatorischer Entwicklung beurteilen Beauftragte, die eingerichtet wurden, um das Thema in ihrem jeweiligen Wirkungs- können.« bereich voranzubringen, befragt. Insgesamt wurden zwölf Experten aus technische wie organisatorische Entwick- del zu folgen, diesbezüglich neues Wissen Wissenschaft und Unternehmensbera- lungstrends im Zusammenspiel beurtei- auch eigenständig zu erwerben, um der tungen mit mindestens fünfjähriger Er- len zu können. Zum Teil wurde von den Dynamik des Wandels gerecht zu werden. fahrung in dem Themengebiet befragt, befragten Abteilungsleitern in der Ver- Darüber hinaus haben die Projektleiter um auch eine externe Sicht einzunehmen. waltung das auch so gesehen, jedoch für Methodenwissen als wichtig benannt, ins- Damit können die Ergebnisse der Exper- die Verwaltung insgesamt. Sie waren der besondere Methoden, wie angesichts der tengruppe auch als Referenzrahmen für Ansicht, dass das Thema generell kaum Komplexität des Themas E-Government- die Auswertung der verwaltungsinternen gedanklich durchdrungen wird. Große Projekte besser geplant und gesteuert wer- Ergebnisse genutzt werden. Damit wurden Defizite werden insbesondere bei der Ent- den können. insgesamt 40 Interviews durchgeführt. Die wicklung von Strategien für den Einsatz Befragung erfolgte auf Basis von halbstan- von E-Government gesehen. Insbesondere Reflexion dardisierten Interviewleitfäden. Inhaltlich wurde mangelndes Verständnis für be- ging es um die Einschätzung der in der hördenübergreifende Prozesse benannt. Die Befragungsergebnisse haben gezeigt, Verwaltung vorhandenen E-Government- Die befragten Leiter von konkreten E-Go- dass teilweise ein erheblicher Mangel an bezogenen Kompetenzen sowie der Ein- vernment-Projekten, haben zudem geant- Kompetenzen besteht. Während IT-Kom- schätzung zukünftiger Anforderungen. wortet, dass die technische Kompetenz in petenzen und IT-Anwendungskompeten- VM 3/2009 139
Schuppan, Neue Kompetenz-Anforderungen für (vernetztes) E-Government zen generell als gut – wenn auch nicht auch die Back-Office-Prozesse behörden- immer als ausreichend – eingeschätzt wer- Beide Projekte wurden ausgewählt, weil übergreifend neu gestaltet werden, um den, sind teilweise erhebliche Mängel im sie – wie noch zu zeigen sein wird – in Kosten zu reduzieren. Bereich Strategie, Organisationsverständ- Deutschland wegen ihrer ambitionierten nis und Prozesse vorhanden. Bzgl. neuer Zielsetzung bzw. Umsetzungsbreite und Gegenwärtig wird die An-, Ab- und Kompetenzen wurden insbesondere die -tiefe als herausragend gelten sowie behör- Anmeldung von Fahrzeugen in Deutsch- Führungskräfte als relevante Zielgruppe denübergreifend angelegt sind. Außerdem land von ca. 10.000 Mitarbeitern in ca. genannt, die v.a. Strategie- und Gestal- befinden sich die Projekte in unterschied- 450 örtlichen Zulassungsstellen durchge- tungskompetenzen brauchen. Dabei wurde lichen Phasen: Während das erste Projekt führt. Insgesamt finden im Jahr 26 Mio. insbesondere das integrative Verständnis sich noch in der Konzeptions- und damit Transaktionen statt. Die häufigsten Pro- von IT- und Prozesse, d.h. Mixed-Kom- in einer noch frühen Umsetzungsphase zesse sind Außerbetriebsetzung von Fahr- petenzen als wichtig eingeschätzt. Damit befindet, arbeiten im zweiten Projekt die zeugen (ca. 11 Mio.), Besitzerwechsel (ca. wird deutlich, dass auch Führungskräfte Mitarbeiter bereits mit dem neuen System. 8 Mio.) und Zulassung neuer Fahrzeuge Wissen um die Einsatzmöglichkeiten und Mit dem ersten Projekt werden deshalb (ca. 3,5 Mio.). Das Projekt hat von 2006 Chancen von IT-Architekturen und ope- stärker umsetzungsbezogene und mit dem bis Anfang 2009 zahlreiche Konzeptions- ratives Prozesswissen brauchen, um die zweiten Projekt eher ausführungsbezogene und Diskussionsstufen durchlaufen. In anstehenden Veränderungen zu verstehen Kompetenzen in Bezug auf E-Government einer frühen Variante sollte die Online- und strategische Entscheidungen treffen ermittelt. Eine Konkretisierung von Kom- Zulassung mittels Transaktionsnummern zu können. Gerade in der governance- petenzen wird erreicht, indem sie nicht erfolgen, dann wurde eine Umsetzung bezogenen Leadership-Literatur ist dieser nur auf Führungskräfte als Zielgruppe, über elektronische Fahrzeugdokumente Aspekt jedoch eher vernachlässigt. Hier sondern auch auf Mitarbeiter und Pro- über Smart Cards favorisiert mit zentra- ck wird mehr oder weniger explizit davon jektleiter bezogen werden. Ermittelt wur- lem Webzugang und einer weitestgehend ausgegangen, dass operatives Wissen für den die Kompetenzen durch projektnahe automatisierten Abwicklung. Bisher wur- die Strategiefähigkeit nicht erforderlich ist oder generell unbeachtet bleibt. ru Bei den Befragungsergebnissen fällt auf, »E-Government-Projekte sind heute nicht dass wie in der Literatur die Befragten we- nur technologisch, sondern auch wegen ih- bd nig auf die Änderungen für Mitarbeiter eingehen, obwohl hier zuerst Änderungen im Zusammenhang mit E-Government rer komplexen Stakeholder-Struktur organi- eintreten. Eine Erklärung könnte sein, satorisch besonders anspruchsvoll.« ra dass neue IT-basierte Leistungsstrukturen insgesamt vielfach in der Praxis noch am Anfang stehen, so dass sie noch nicht in die Phase des dauerhaften Betriebs über- Beobachtung, Befragung sowie weitere de sich im Projekt grundsätzlich auf die Vo gegangen sind. Die Befragung zeigt auch, induktive wie konzeptionell-analytische Einführung elektronischer Fahrzeugdoku- dass in der Praxis ein ausgeprägtes Be- Ableitungen. Im Folgenden wird im ersten mente bei weitestgehender Beibehaltung wusstsein für die anstehenden und sich Schritt das Projekt kurz beschrieben, um der Zuständigkeiten geeinigt. bereits abzeichnenden Veränderungen be- im zweiten Schritt die dafür erforderlichen steht und dass E-Government nicht mehr Kompetenzen nach der eingangs genann- Das Projekt ist nicht nur technologisch nur ein Thema für Spezialisten in der Ver- ten Vorgehensweise zu ermitteln. anspruchsvoll, sondern auch wegen der waltung ist. komplexen Stakeholder-Struktur. Es sind Kfz-Zulassung Deutschland Online alle Verwaltungsebenen sowie private Stakeholder in unterschiedlichen Formen Fallbezogene Erhebung von Projektbeschreibung und Rollen an der Leistungserbringung Kompetenzen Gestartet wurde das Kfz-Projekt im Jahr beteiligt. Der Bund übernimmt die Gesetz- Für die weitere Konkretisierung von 2006 im Rahmen einer größeren Initiative gebung, die Länder führen die Gesetze als Kompetenzanforderungen bedarf es einer „Deutschland Online“, die das Ziel hat, eigene Angelegenheiten aus und haben die stärkeren arbeitsplatz- und projektnahen Daten und Prozesse über Verwaltungs- unmittelbare Leistungserbringung an die Betrachtung sowie einer zielgruppen- bzw. ebenen hinweg zu integrieren (Joined up Kreise und Städte weitergegeben, um die rollenbezogenen Analyse. Dafür dienen als government). Konkretes Ziel des Kfz- Leistungen ortsnah zu erbringen. Teilwei- empirische Grundlage zwei Projekte: Die Projektes ist es, über Verwaltungsebenen se sind auch noch die Gemeinden betei- Einführung der elektronischen Abwick- hinweg mittels Vernetzung, gemeinsamer ligt, wenn es beispielsweise um kleinere lung der Kfz-Zulassung in Deutschland Datenbanken, einheitlichen elektronischen Prozesse geht, wie z.B. die Namensände- sowie die Einführung eines elektronischen Zugang und möglichst umfassender Au- rung in den Zulassungsbescheinigungen. Vorgangsbearbeitungssystems in einer Mi- tomatisierung Registrierungsprozesse von Es kommen weitere Behörden hinzu wie nisterialverwaltung eines Bundeslandes. Fahrzeugen zu ermöglichen. Dabei sollen Finanzämter (bzgl. Kfz-Steuer), Zollbehör- 140 VM 3/2009
Schuppan, Neue Kompetenz-Anforderungen für (vernetztes) E-Government den (bei Einfuhr von Fahrzeugen), Fachar- erforderlich. Dafür waren auch konkrete traten zeitlich versetzt auf oder konnten beitskreise zwischen den Ländern sowie Gestaltungskompetenzen mit Fachwissen teilweise nur integrativ behandelt werden. zwischen Bund und Länder, die vorrangig notwendig. Andernfalls besteht kaum die Hierfür war ein ausgesprochen vernetztes der rechtlichen Weiterentwicklung des Zu- Möglichkeit, das Vertrauen der Fachebene Denken kombiniert mit den fachlichen lassungswesens dienen. Als private Akteu- zu gewinnen. Notwendig war hohe Über- Mixed-Kompetenzen erforderlich. Diese re sind Schilderpräger, technische Überwa- zeugungskraft kombiniert mit zum Teil fachbezogenen Wellen mussten gleichzei- chungsorganisationen, Kfz-Versicherer etc. detailreichen Fachkenntnissen im Zusam- tig mit den politischen Anforderungen eingebunden. menspiel von technischen Anforderungen, und Fenstern für Veränderungen der be- rechtlicher Machbarkeit und organisatori- teiligten Verwaltungsebenen in Einklang Aufgrund der Anzahl der Stakeholder schen Änderungen. gebracht werden. sowie der divergierenden Interessen ist das Projektmanagement extrem anspruchsvoll, Besondere Herausforderungen hat- Die Mitarbeiterebene war in das Pro- auch wenn der zu verändernde Prozess te der Projektleiter zu bewältigen. Denn jekt als fachlicher Inputgeber zur Neuge- der Kfz-Zulassung selbst zunächst einfach er musste das Wissen der IT-Spezialisten, staltung der operativen Prozesse einbezo- erscheint. Denn die kleinste Prozessver- die Organisationsziele, die spezifischen gen. Hierfür war Wissen erforderlich, die änderung hat zahlreiche Folgewirkungen Fachanforderungen sowie die rechtlichen eigenen Fachprozesse vor dem Hinter- (positive wie negative) für die internen Fragen so aufeinander abstimmen, dass grund der IT-Möglichkeiten (z.B. Portal, Prozesse der jeweiligen Stakeholder. Daher ein konsistentes umsetzbares Gesamt- elektronisches Kennzeichen, eDokumente etc.) zu bewerten und Gestaltungsimpulse aus einer Fachsicht zu geben. Sie mussten ihre eigenen Prozesse vor dem IT-Hinter- ck »Es ist ausgesprochen vernetztes Denken grund neu beurteilen und brauchten in- sofern eine neue fachliche Selbstreflexion mit fachübergreifendem Wissen erforder- ru ihrer eigenen Arbeitsprozesse, insbesonde- re im Hinblick der Vernetzungspotenziale. lich.« Das heißt, auch für die Mitarbeiter sind fachliche Mixed-Kompetenzen erforder- lich; insbesondere wenn sie in Projektar- bd beit involviert sind. Bzgl. sozialer Kompe- sind die für die Umsetzung erforderlichen konzept entstand. Dabei hat sich gezeigt, tenzen hat das Projekt für die Mitarbeiter Kompetenzen im Kfz-Projekt besonders dass unterschiedliche Fachgebiete z.T. in gezeigt, dass Teamfähigkeiten und Mitwir- anspruchsvoll. sehr großer Tiefe beherrscht werden muss- kungsfähigkeit bereits in der Konzeptions- ra ten, um die einzelnen Arbeitsbeiträge der phase verstärkt gefragt waren. Ermittelte Kompetenzen beteiligten Experten aufzunehmen und Für die Führungskräfte, zu deren Verant- integrativ weiter zu „verarbeiten“ und Elektronisches Dokumenten- wortungsbereich das Projekt gehört, hat zu kommunizieren. Bezogen auf Umset- Management-System Vo sich gezeigt, dass Leadership-Fähigkeiten, zungskompetenzen hat sich gezeigt, dass wie sie überwiegend in der Public-Gover- „gutes“ Projektmanagement nicht mehr Projektbeschreibung nance-Literatur gefordert werden, zwar ausreicht. Vielmehr waren in dem Projekt Das Projekt elektronische Vorgangsbear- generell notwendig, jedoch nicht ausrei- ausgesprochene, durch die komplexe Sta- beitung wurde 2006 in einem Innenmi- chend und häufig auch viel zu allgemein keholderstruktur noch mehr als bei her- nisterium eines deutschen Bundeslandes in der Literatur benannt sind. Insbesonde- kömmlichen Projekten Kommunikations-, eingeführt, das seitdem kontinuierlich re wurde deutlich, dass für Führungskräf- Verhandlungs- und Moderationsfähigkeit verbessert und erweitert wird. Unmittel- te nicht nur generelles, sondern zum Teil gefragt. Dafür sind auch im verstärkten bares Ziel war es, Kosten zu reduzieren, ein detailreiches Prozess- und IT-Wissen Maße Persönlichkeitsstrukturen erforder- die durch die gesetzlich vorgeschriebene im Hinblick auf Einsatzmöglichkeiten er- lich, wie die Fähigkeit, Konflikte aushal- Archivierung der Papierakten und durch forderlich war, um die Gestaltung zu ver- ten zu können. Hinzu kommt die Mehr- steigenden Papierverbrauch entstehen. stehen, ggf. selbst anzupassen und in den ebenenproblematik: Es ist in hohem Maße Zwar liegen viele Dokumente heute be- Fachkreisen kommunizieren zu können. erforderlich gewesen, die unterschiedli- reits elektronisch vor, diese müssen jedoch Denn in kritischen Projektphasen war chen Handlungsrationalitäten der Sta- ausgedruckt werden und in die Papierak- es erforderlich, dass der Staatssekretär keholder mit ihren jeweiligen fachlichen te geheftet werden. Denn bislang galt die selbst die Neuerungen an die Fachebene Sichtweisen auf eine gemeinsame Zielset- Papierakte als rechtsverbindliche „Doku- kommuniziert, da zwischen den Verwal- zung auszurichten. Dabei traten die oben mentation“ eines Vorgangs. Des Weiteren tungsebenen aufgrund ihrer durch den beschriebenen fachlichen Anforderungen sollten Arbeitvorgänge beschleunigt und Föderalismus zugewiesenen Autonomie in sich überlagernden und teilweise zeit- Laufzeiten verringert werden. keine hierarchische Durchgriffsrechte lich verschobenen Wellen auf: Informa- bestehen. Deshalb war ausgesprochenes tionstechnische Fragen wurden von pro- Ausgewählt wurde dieses Projekt für Verhandlungsgeschick und Überzeugung zess- und juristischen Fragen überlagert, die Kompetenzermittlung, da es hinsicht- VM 3/2009 141
Schuppan, Neue Kompetenz-Anforderungen für (vernetztes) E-Government lich Tiefe und Konsequenz der Einfüh- werden. Dabei hat sich gezeigt, dass Mit- weniger direkte Anweisungen und stärker rung als herausragend für eine deutsche arbeiter noch mehr als bisher in der Lage fachlich bezogene Kommunikation, so Ministerialverwaltung gilt, was auch in sein müssen, das eigene Tun in Beziehung dass diesbezüglich bereits neue Führungs- einem E-Government-Wettbewerb mit zu anderen Prozessschritten zu setzen. Mit anforderungen – zumindest ansatzweise – dem ersten Platz honoriert wurde. Da das anderen Worten, die elektronische Bear- zu beobachten sind. System mittlerweile 2500 Nutzer hat, ist beitung und Ablage von Dokumenten hat es besonders gut geeignet, um Kompetenz- ein neues und höheres Abstraktionsver- Die Kompetenzanforderungen für Pro- aussagen bzgl. der Nutzung im Behörden- mögen und Prozessverständnis von den jektleiter im DMS-Projekt sind für die alltag zu treffen. Mittlerweile werden alle Mitarbeitern gefordert. Insbesondere ist Umsetzung vergleichbar mit denen des zu einem Vorgang gehörende Dokumente es notwendig, eigenes Handeln in die vor- Kfz-Projektes. Für die erfolgreiche Umset- elektronisch erfasst, erzeugt, revisionssi- angehenden und nachfolgenden Arbeits- zung war entscheidend, dass der Projekt- cher verwaltet und weitgehend medien- schritte anderer Aufgabenträger einord- leiter auch nach der Pilotierung weiterhin bruchfrei weiterverarbeitet, so dass auch nen zu können. An dieser Stelle sind auch den Prozess begleitet hat, um ein Rückfall die behördlichen Geschäftsprozesse (z. neue Kooperationsfähigkeiten und Team- in alte Arbeitsmuster zu verhindern. An B. Einholung von Mitzeichnungen und fähigkeit bei der Bearbeitung erforderlich, dieser Stelle sind erhebliche Kommunika- Schlusszeichnungen) vollständig elektro- was durch die Einführung kollaborativer tions- und Überzeugungsarbeit zu leisten. nisch vollzogen werden. Arbeitsformen – auch zwischen Ressorts Es war auch im hohen Maße Konsequenz Obwohl nicht unmittelbares Projekt- ziel haben sich durch die Einführung des elektronischen Vorgangsbearbeitungs- »Mitarbeiter müssen ihr eigenes Tun noch ck system auch Arbeitsprozesse zum Teil grundlegend geändert. Zum Teil ist eine parallele Sachbearbeitung möglich, Do- mehr als bisher zu anderen Prozess- Schritten in Beziehung setzen.« kumente können leicht recherchiert und ru aufgefunden werden können, wodurch sich Liegezeiten deutlich reduziert haben. Es ist auch eine neue Transparenz einge- bd treten. Mitarbeiter können sofort den Be- arbeitungsstand eines Vorgangs einsehen – unterstützt wurde. Dabei war auch zu erforderlich, um die Routinisierung der und die Bearbeitung weiter verfolgen. Die beobachten, dass im Unterschied zu her- neuen digitalisierten Arbeitsprozesse in Einführung erforderte nicht nur hohe IT- kömmlichen Arbeitsweisen zunehmend den Arbeitsalltag zu erreichen. ra Investitionen, sondern auch hohen Schu- Fähigkeiten zur Selbstorganisation auf der lungsaufwand für Mitarbeiter. Bei den Be- Ausführungsebene gefragt sind. Reflexion schäftigten gab es Akzeptanzprobleme, die nicht nur aus der Unsicherheit in der Be- Auch Führungskräfte, wie z.B. Abtei- Die Projekte haben gezeigt, dass es in Vo dienung der Systems resultierten, sondern lungsleiter oder auch Staatssekretäre sind Zusammenhang mit E-Government eine auch aus der mit ihr zusammenhängenden im besonderen Maße von den Änderungen ganze Reihe von neuartigen Kompetenz- neuen Arbeitsweise, was bereits auf Ände- betroffen. Für sie haben sich unmittelbar anforderungen gibt, die sowohl für die rungen bei Kompetenzen hinweist. Änderungen ergeben, da auch sie nunmehr Umsetzung als auch für das anschließen- das elektronische Vorgangsbearbeitungs- de Arbeiten in den neuen elektronischen Ermittelte Kompetenzen system nutzen müssen. Arbeitsschritte wie Leistungsstrukturen relevant sind. Für Da durch das neue elektronische Vor- das Anbringen elektronischer Schriftver- alle Zielgruppen bedarf es neben neuen gangsbearbeitungssystem die Arbeitspro- merke, steuernde Geschäftsgangvermerke fachlichen Mixed-Kompetenzen, v.a. auch zesse verändert wurden, waren (zunächst) oder auch die elektronische Signierung der soziale und personale Kompetenzen, die unmittelbar die Mitarbeiter auf der Aus- Dokumente ist von den Führungskräften auf mehr Selbstorganisations-, Team- und führungsebene betroffen. Über die Bedie- selbst und eigenständig vorzunehmen. Von Mitwirkungsfähigkeit und auf neue Füh- nung hinaus waren neue operative elekt- den Führungskräften wird das zum Teil rungsstile hindeuten. Als Kernaussagen ronische Arbeitsschritte wie elektronische auch als Dehierarchisierung empfunden, lässt sich für die jeweiligen Zielgruppen Vorgänge anlegen, Metadaten erfassen was durch erweiterte Nachverfolgungs- bzw. Rollen aus den Fällen Folgendes fest- oder Prozesslaufwege festlegen zu erler- möglichkeiten seitens der Mitarbeiter zu- halten (s.a. Zusammenfassung in Tab.1): nen. Dabei hat sich gezeigt, dass Vorgänge sätzlich verstärkt wird. Denn Mitarbeiter Für Führungskräfte reichen allgemeine in einem ganzheitlichen Arbeitszusammen- können nun unmittelbar nachvollziehen, Leadership-Fähigkeiten – wie in der hang über Abteilungs- und Ressortgren- wann Dokumente von Vorgesetzten bear- Public-Governance-Literatur häufig zen hinweg verstanden werden müssen. beitet bzw. abgezeichnet wurden. Dadurch gefordert – kaum aus. Vielmehr haben Konkret müssen Bearbeitungsverläufe ergeben sich auch neue Führungskompe- die Fälle gezeigt, dass es fachübergrei- vorgedacht und Bearbeitungsstände elek- tenzen. Gefordert ist ein stärker koope- fendem Fachwissens, teilweise in hoher tronisch beobachtet und darauf reagiert rativ ausgerichteter Führungsstil. Es gibt Detailtiefe, bedarf, um Führungsaufga- 142 VM 3/2009
Schuppan, Neue Kompetenz-Anforderungen für (vernetztes) E-Government im Kontext der auf- Rollen gezeigten neuen Leis- Projektleiter Mitarbeiter Führungskräfte tungsstrukturen Bezug insbes. vertieftes Ge- insbes. eigene fachli- insbes. Prozess- und nehmen. Deshalb be- staltungswissen ( ju- che Arbeitsprozesse strategisches IT-Archi- steht Forschungsbedarf, Fachlich ristisch, fachlich, org., kritisch hinterfragen tekturwissen, auch im der außerdem auch eine techn.) Zusammenspiel stärkere empirisch-qua- insbes. ausgeprägte insbes. Mitwirkungs- inbes. “Ertragen" von Kompetenzarten litative Herangehens- Verhandlungsfähig- kompetenz, Teamfähig- Dehierachisierung, weise verlangt, um auch Sozial keit, Durchsetzungs- keit, Selbstorganisati- kooperative Führung, Kompetenzanforderun- vermögen onsfähigkeit Überzeugungsfähigkeit gen hinreichend konkret insbes. vernetzt den- insbes. erhöhte Selbst- insbes. zunehmendes bestimmen zu können. Personal ken, stressresistent reflexionsfähigkeit Abstraktionsvermögen Nicht zuletzt deshalb, insbes. Beherrschen insbes. Methoden zur insbes. Gestaltungs- weil in der bestehenden von Umsetzungs- und inhaltlichen Neuge- und kooperative Füh- Literatur Kompetenzen Methodisch nach Plausibilitätskrite- Gestaltungsmetho- staltung der fachlichen rungsmethoden den Arbeit rien benannt, aber kaum abgeleitet sind. Tab. 1: Zusammenfassung wichtiger Kompetenzarten nach relevanten Rollen Die Befragung hat ben in der Projektumsetzung überneh- ausgesprochen kommunikative Fähig- die Vermutung bestätigt, dass IT-Fach- ck men zu können. Diesbezüglich waren keiten sowie Durchsetzungsvermögen kenntnisse und IT-Anwendungskenntnisse Gestaltungskompetenzen mit Kenntnis- und Moderationsfähigkeit gefragt. An- in der Verwaltung weitestgehend vorhan- sen über IT-Einsatzmöglichkeiten ver- dernfalls sind die neuen und teilweise den sind und dass Prozesswissen in Kom- bunden mit ausgeprägtem Gespür für ru komplexen Leistungsstrukturen nicht bination mit IT-Wissen sowie Gestaltungs- die Durchsetzungsfähigkeit von Refor- umzusetzen. kompetenzen generell wenig vorhanden moptionen gefragt. Insbesondere ist es sind. Diese Aussagen konnten durch die erforderlich, dass Führungskräfte neue Insgesamt hat sich in den Fällen gezeigt, Fallbeispiele durch die Bezugnahme auf bd IT-basierte Organisationsmodelle ken- dass fachliche, soziale, methodische wie unterschiedliche Beschäftigtengruppen in nen und deren Umsetzung unter Beach- auch personale Kompetenzen im hohen der Verwaltung weiter konkretisiert wer- tung vorhandener Akteurskonstellatio- Maße verwoben und nur im Zusammen- den. Im Gegensatz zur Literatur hat sich nen strategisch planen können. spiel ihre Wirkung entfalten. Beispiels- gezeigt, dass insbesondere die operative ra Während in der Literatur die Mitarbei- weise sind Kommunikationsfähigkeit und Ebene von den Veränderungen betroffen terebene über die Bedienfähigkeit von Verhandlungsgeschick ganz eng an fachli- ist, die jenseits von IT-Anwendungskennt- Anwendungssystemen hinaus kaum che Fragen geknüpft, die in verschiedenen nissen liegt. Gefragt ist ein neues Ver- Beachtung findet, sind jedoch auch für Phasen auftraten. Diesbezüglich ergaben ständnis von Arbeitsprozessen mit Selbst- Vo die Mitarbeiter mit massiven Änderun- sich für Projekt- und Abteilungsleiter be- organisationsfähigkeit. Projektleiter stehen gen zu rechnen. Denn es ist ein neues sonders hohe Anforderungen. Gleichzeitig besonderen Herausforderungen gegenüber, Arbeitsverständnis bei elektronischen müssen Mitarbeiter in der Lage sein, ihre da sie sehr tiefgehendes interdisziplinär- Leistungsstrukturen erforderlich, insbe- fachlichen Arbeitsanforderungen vor dem fachliches Wissen und vermehrte sozia- sondere die Fähigkeit, die eigene Arbeit Hintergrund der IT-Möglichkeiten neu zu le Kompetenzen haben müssen. Ebenso in größere Sinnzusammenhänge einord- interpretieren und in Projektanforderun- brauchen Führungskräfte Fachwissen in nen zu können. Das ist für die opera- gen zu übersetzen. zum Teil hoher Detailtiefe, um Projekte tive Ebene von besonderer Bedeutung, auch durchsetzen zu können und für den damit sie den Sinn ihrer Arbeit bei politischen Rückhalt zu sorgen. Schlussbetrachtung zunehmender Arbeitsteilung und Digi- talisierung erfassen kann. Ebenso sind Ausgehend vom Kompetenzbergriff wur- Im Hinblick auf die zukünftige Ent- Teamkompetenzen verstärkt gefragt, den konzeptionell-analytische Vorüber- wicklung ist davon auszugehen, dass es da auch die Ausführungsebene zuneh- legungen in Bezug auf Kompetenzverän- tendenziell zu einer abnehmenden Rele- mend interdisziplinär sowie abteilungs- derungen im Kontext von E-Government vanz von isolierter IT-Anwendungskom- und behördenübergreifend in Projekten herausgearbeitet, die über die bloße IT-An- petenz kommt, da diese weitestgehend oder später in den neuen Leistungs- wendung hinausgehen und nicht IT-Spezi- vorhanden ist und Mensch-Maschine-In- strukturen zusammenarbeiten muss. alisten-Wissen betreffen. Die anschließen- teraktionen sich weiter verbessern werden. Projektleiter müssen über hohes inter- de Literaturauswertung hat gezeigt, dass Es ist eher damit zu rechnen, dass stärker disziplinäres Wissen verfügen, IT und neue Kompetenzanforderungen zum Teil die Fachlichkeit in den Vordergrund rückt, Organisationskenntnisse sind zum Teil noch sehr einseitig IT-bezogen sind, sich bei der IT zum integralen Bestandteil wird. in hoher Detailtiefe erforderlich und noch sehr auf Führungskräfte beschrän- Schon heute gibt es kaum noch eine Bran- aufeinander zu beziehen. Ebenso sind ken und auch kaum auf E-Government che in der Verwaltung (z.B. Sicherheit, Jus- VM 3/2009 143
Schuppan, Neue Kompetenz-Anforderungen für (vernetztes) E-Government tiz, Soziales etc.), die ohne IT funktioniert. Literatur Verwaltungsmodernisierung. R. Koch and P. Conrad. Wiesbaden, Gabler: 230-262. Hier bedarf es zukünftig verstärkter For- Balzert, H. (1999). Lehrbuch Grundlagen der Mundy, D., C. Kanjo, et al. (2001). Meeting schung, um die Änderungen inhaltlicher Informatik. Heidelberg, Spektrum Akademischer training needs for information age reform: Art in den einzelnen Verwaltungsbran- Verlag. shortcomings of current training provision. chen mit den daraus entstehenden Kom- Bonislawski, P. and J. Rozkosny (1998). Reform of Reinventing Government in the Information NYPD force. Age: International practice in IT-enabled public petenzanforderungen zu ermitteln. Solche Broussine, M. (2003). Public Leadership. Public sector reform. R. Heeks. London u.a., Routledge: arbeitsplatznahe Kompetenz-Untersu- Management and Governance. T. Bovaird and E. 271-289. chungen haben auch eine weitere Bedeu- Löffler. London, New York, Routledge: 175-187. Murray, T. S., Y. Clermont, et al. (2005). Measu- tung: Sie liefern wichtige Hinweise für die Cooper, K. C. (2000). Effective Competency ring Adult Literacy and Life Skills: New Modeling and Reporting. New York, AMACOM. Frameworks for Assessment. Ottawa, Statistics Gestaltung von Arbeitsplätzen und An- Canada. wendungssystemen im Kontext von eGo- Culbertson, S. (2005). E-Government and Orga- nizational Change. Practicing E-Government: OECD (2005). Modernising Government. The vernment. Denn es wurde deutlich, dass es Way Forward. Paris, OECD Publishing. A Global Perspective. M. Khosrow-Pour. Idea bei den Veränderungen gar nicht so sehr Group Publishing, Hershey: 83-109. Parrado, S. (2005). Skills for Electronic Service um die Digitalisierung an sich geht, als Dreyfus, H. L. and S. E. Dreyfus (1986). Mind over Delivery in Public Agencies. Practicing vielmehr um neue Verfahren und Prozesse machine: the power of human intuition and E-Government: A Global Perspective. M. Khos- expertise in the era of the computer. Oxford, row-Pour. Hershey, dea Group Publishing: 310- des Verwaltens, die neue Kompetenzen er- 328. Blackwell. fordern. Das trifft auch für die Führungs- Riedl, A. (2004). Didaktik der beruflichen Elovaara, P., S. Eriksén, et al. (2004). Educational kräfte zu. Bisher fehlen allerdings noch Programs in e-Government. Electronic Bildung. Stuttgart, Steiner. stimmige Führungskonzepte für digitales Government. Third International Conference, Rowe, C. (1995). Clarifying the use of compe- EGOV 2004. LNCS 3183. R. Traunmüller. Berlin, tence and competency models in recruitment, und ggf. räumlich verteiltes Arbeiten mit Heidelberg, Springer: 457-459. assessment and staff development. Industrial Überlegungen zu den daraus entstehenden ck European Institute for Public Administration and Commercial Training 27(11): 12-17. Kompetenz-Anforderungen. (2005). Organisational Changes, Skills and the Schaper, N. (2003). Arbeitsproben und situative Role of Leadership required by eGovernment. Fragen zur Messung arbeitsplatzbezogener Im Ergebnis wird deutlich, dass mit Luxembourg, European Institute for Public Kompetenzen. Handbuch Kompetenzmessung. Administration. Erkennen, verstehen und bewerten von zunehmender Informatisierung der Ver- ru Farneti, F. and D. W. Young (2008). “A contin- Kompetenzen in der betrieblichen, päda- waltungsarbeit, ein Bedeutungsverlust gency approach to managing outsourcing risk gogischen und psychologischen Praxis. J. von isolierten IT-Kompetenzen einhergeht. in municipalities.” Public Management Review Erpenbeck and L. v. Rosenstiel. Stuttgart, 10(1): 89 - 99. Schäffer-Poeschel Verlag: 185-199. Dies ist nur ein scheinbares Paradoxon, bd Finger, M. and B. Uebelhart (1998). Public Schuppan, T. (2008). “Leistungstiefengestaltung da die IT als integraler Bestandteil der im Zeitalter von E-Government.” eGov Präsenz Management Qualifikationen für öffent- Fachlichkeit neuen Bedeutungszuwachs liche Unternehmen und Verwaltungen. Die 8(2): 52-55. erhält. In diesem Zusammenhang zeich- Ausbildung zum Public Manager. K. Schedler Schuppan, T. (2009): Rethinking Service Depth net sich ab, dass der öffentliche Sektor vor and C. Reichard. Bern, Stuttgart, Wien, Haupt: in the E-Government Era. Paper for IRSPM'09, 15-38. 5.-8. April 2009, Kopenhagen. ra einer grundlegenden Neubewertung von Gnahs, D. (2007). Kompetenzen - Erwerb, Settles, A. (2005). What Skills are Needed in beruflicher Handlungskompetenz auf der Erfassung, Instrumente. Bielefeld, W. an E-World: E-Government Skills and Training Arbeits- wie auch auf der Führungsebene Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG. Programs for the Public Sector. Practicing steht. Gupta, P. (2003). Educating the Administrators E-Government: A Global Perspective. M. Vo on E-Governance: The First Step for Success. Khosrow-Pour. Hershey, Idea Group Publishing: Paper presented at International Conference 383-414. on E-Governance (ICEG 2003), 18-20 December 2003. New Delhi, ICEG. Kaiser, S. (2004). Qualification Requirements in e-Government: The Need for Information Systems in Public Administration Education. EGOV04. Lecture Notes in Computer Science 3183. R. Traunmüller. Berlin, Heidelberg, Springer: 464-467. Kauffeld, S. and S. Grote (2002). “Kompetenz - ein strategischer Wettbewerbsfaktor.” Personal - Zeitschrift für Human Resource Management 8(11): 30-32. Kaul, M. (2000). An Outsider‘s Inside View: Management Reforms in Government: A Review of International Practices and Strategies. Bruxelles, Capam. Leitner, C. (2006). eGovernment: People and Skills in Europe‘s Administration. Proceedings of the 39th Hawaii International Conference on System Sciences. Hawaii, IEEE. Löffler, E. (2003). Leadership im öffentlichen Sektor – nicht nur eine Herausforderung für Führungskräfte. New Public Service: öf- fentlicher Dienst als Motor der Staats- und 144 VM 3/2009
Sie können auch lesen