Neue Lernkultur durch persona li siertes Lernen an der Berufs schule Werkstattbericht aus dem Schulversuch
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Neue Lernkultur durch personalisiertes Lernen an der Berufsschule Werkstattbericht aus dem Schulversuch Stiftung Bildungspakt Bayern
Werkstattbericht digital Die QR-Codes dienen in der digitalen Version gleichzeitig als Links. PERLEN 4.0 Neue Lernkultur durch personalisiertes Lernen an der Berufsschule Werkstattbericht aus dem Schulversuch IMPRESSUM Herausgeber: Stiftung Bildungspakt Bayern Autor (bei allen Texten ohne explizite Autorennennung): Stefan Rieder Redaktion: Ralf Kaulfuß, Stefan Rieder, Dr. Maria Simml, Juliane Stuben- rauch-Böhme Layout: Agentur2 GmbH, München Druck: bonitasprint GmbH, Würzburg Ein herzliches Dankeschön geht an alle, die zum Gelingen dieses Werkstattberichts beigetragen haben, insbesondere an… Anmerkung: Bei Personenbezeichnungen im Text sind selbstverständlich immer alle Geschlechter gemeint. • die beteiligten Lehrkräfte aus den Modellschulen, • die wissenschaftliche Begleitung (Prof. Dr. Karl-Heinz Gerholz, Prof. Dr. Daniel Pittich 1. Auflage, München, 2021 und Prof. Dr. Karl Wilbers) und © Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung • Frau Ministerialrätin Christine Götz-Hannemann und Herrn Oberstudienrat in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen Sebastian Viehbeck sowie alle weiteren beteiligten Kolleginnen und Kollegen schriftlichen Einwilligung des Herausgebers. aus dem Kultusministerium.
Der Werkstattbericht im Überblick Der Werkstattbericht lässt sich grob in vier inhaltliche Bereiche unterteilen: Inhalt 1. Eckpunkte des Schulversuchs 7 2. Statements zum Schulversuch 11 Die Kapitel 1-3 dienen der Einordnung In den Kapiteln 4-6 wird der Schulversuch 3. Der Schulversuch PERLEN 4.0 – 17 von PERLEN 4.0 in die größeren Zusam- aus wissenschaftlicher Perspektive be- menhänge: Hierbei werden dem Leser leuchtet: Dabei werden… Einordnung in den Gesamtzusammenhang die Hintergründe und Intentionen des •d as theoretische Grundgerüst von Schulversuchs, u. a. auch aus Sicht der PERLEN 4.0 – insbesondere der Ansatz 4. Karl-Heinz Gerholz: Braucht die iGeneration eine neue (digitale) Didaktik? 23 Projektpartner, nähergebracht und seine des personalisierten Lernens – Bedeutung im Kontext des beruflichen dargestellt, Schulwesens aufgezeigt. 5. Karl Wilbers: Personalisiertes Lernen in der Berufsbildung: 27 • die Schülerinnen und Schüler als Genera- Konzept und Reformleitbild tion Z gezielt in den Blick genommen sowie 6. Mit hybriden Lernlandschaften (HLL) personalisiertes Lernen 33 • erste praktische Umsetzungsmodelle für das personalisierte Lernen mit digitalen ermöglichen – Ein Podcast mit Daniel Pittich und Stefan Rieder Medien aufgezeigt – insbesondere die hybriden Lernlandschaften. 7. Impulse und Anregungen aus den Modellschulen 37 7.1 Medienkompetenz für „digital natives“ as Herzstück des Werkstattberichts bilden D die in Kapitel 7 dargelegten Ergebnisse 7.2 Formatives Assessment aus den Modellschulen; sie geben einen 7.3 Lehren und Lernen mit Videos thematisch breit gefächerten Einblick in die Arbeit des Schulversuchs. 7.4 Umfassende personalisierte Lernangebote 7.5 Lernen in Projekten 7.6 Neue Technologien: XR bgerundet wird der Bericht durch einen A Ausblick, in dem übergreifende Schwer- 7.7 Personalisiertes Lernen als Teil einer ganzheitlichen Schulentwicklung punktsetzungen für die weitere Projekt- arbeit aufgezeigt werden. 8. Ausblick 63
6 Werkstattbericht 7 Kapitel 1 Eckpunkte des Schulversuchs Schulart: Berufsschule Laufzeit: drei Jahre (2020/2021 - 2022/2023) Hauptpartner: vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. weiterer Partner: BMW – Bayerische Motoren Werke AG Durchführung des Schulversuchs in Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus Zielsetzungen: • Entwicklung und Erprobung von Konzepten zur Förderung von persona- lisiertem Lernen mit digitalen Medien • Vermittlung bzw. Erwerb von Kompetenzen für die Arbeitswelt von morgen („Future Skills“) Wissenschaftliche Begleitung: • Prof. Dr. Karl-Heinz Gerholz, Otto-Friedrich-Universität Bamberg • Prof. Dr. Daniel Pittich, Technische Universität München • Prof. Dr. Karl Wilbers, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg Projektleitung: Stefan Rieder, Stiftung Bildungspakt Bayern Modellschulen: • Berufliche Schulen Altötting • Städtische Berufsschule für Fertigungstechnik München • Staatliche Berufsschule Weilheim • Staatliches Berufliches Schulzentrum Waldkirchen • Staatliche Berufsschule 1 Passau • Staatliche Berufsschule Cham • Staatliches Berufliches Schulzentrum Wiesau • Staatliches Berufliches Schulzentrum Regensburger Land • Staatliches Berufliches Schulzentrum Kronach • Staatliches Berufliches Schulzentrum Bamberg • Staatliche Berufsschule 2 Aschaffenburg • Städtische Berufsschule 2 Nürnberg • Staatliche Berufsschule 1 Kempten • Staatliche Berufsschule 2 Kempten
8 Werkstattbericht 9 Kapitel 2 Statements zum Schulversuch
10 Werkstattbericht 11 Anna Stolz Staatssekretärin Mit digitalen Medien jeden Einzelnen noch besser fördern Die Corona-Pandemie hat für einen enormen Digita- lisierungsschub an den bayerischen Berufsschulen gesorgt. Mit großem Engagement haben die Lehr- kräfte ihren technischen und didaktischen Erfah- rungshorizont erweitert und im Unterricht gezielt neue Lehr-Lern-Konzepte erprobt – zum Wohl der Schülerinnen und Schüler. Für den großartigen Ein- satz, die Kreativität und den Ideenreichtum sage ich allen Lehrkräften ein herzliches Vergelt’s Gott! Die Idee zum Schulversuch PERLEN 4.0 wurde be- reits vor Beginn der Corona-Krise entwickelt, um die vielfältigen Möglichkeiten beim Einsatz digitaler Medien im Unterricht zu erproben. Digitale Medien Der vorliegende Bericht gibt einen ersten Einblick in eröffnen neue Möglichkeiten bei der individuellen die Arbeit unserer Modellschulen. Die Beiträge sol- Förderung, die gerade an den Berufsschulen, die len als Impulse verstanden werden in einem Diskurs sich durch eine sehr heterogene Schülerschaft um die Weiterentwicklung der bayerischen Berufs- auszeichnen, besonders wichtig ist. Hinzu kommt, schule. Ich wünsche mir, dass diese Impulse die Dis- dass der digitale Wandel enorme Veränderungen kussion um den Unterricht der Zukunft anregen und in unserer Lebens- und Arbeitswelt mit sich bringt. bereichern. Allen, die am Modellversuch beteiligt Der Umgang mit Künstlicher Intelligenz und moder- sind, danke ich für das Engagement und wünsche nen Technologien wie 3-D-Druck oder Robotik wird weiterhin viel Freude und Erfolg bei ihrer wichtigen in unserem Alltag bald selbstverständlich sein. Wir Bildungsaufgabe! sehen schon jetzt, dass sich unsere Wirtschaft und damit auch die beruflichen Anforderungen an jeden München, im Juli 2021 Einzelnen verändern. Neben digitalen Schlüsselqualifikationen brauchen junge Menschen vor allem überfachliche Kompeten- zen wie Kreativität, Kollaboration, Kooperation und kritisches Denken, um in der Arbeitswelt gut be- Anna Stolz stehen zu können. Daher müssen wir unsere Schü- Staatssekretärin lerinnen und Schüler zu selbstbewussten und empa- im Bayerischen Staatsministerium thischen Persönlichkeiten erziehen, die über einen für Unterricht und Kultus reichen Erfahrungs- und Wissensschatz verfügen Vorstandsvorsitzende der und unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft Stiftung Bildungspakt aktiv und verantwortungsvoll mitgestalten. Selbst- gesteuerte, soziale und partizipative Lehr- und Lern- prozesse sind eine wichtige Voraussetzung, damit diese umfassende Bildungs- und Erziehungsarbeit gut gelingen kann.
12 Werkstattbericht 13 Bertram Brossardt Hauptgeschäftsführer der vbw Jedes Talent zählt für die Wirtschaft 4.0 Bereits im Jahr 2018 stellte das Gutachten „Digitale Souveränität und Bildung“ des von der vbw – Ver- einigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. initiierten Aktionsrates Bildung fest, dass digitale Lernanwen- dungen vielfältige Möglichkeiten zur Individuali- sierung des Lernens bieten: „Die Berücksichtigung unterschiedlicher Lerngeschwindigkeiten und Ausgangsniveaus wird möglich und bietet damit für alle Zielgruppen die Chance einer Effektivierung des Lernprozesses. Das gilt insbesondere für die be- sonders leistungsschwachen und leistungsstarken Schülerinnen und Schüler.“ Mit PERLEN 4.0 wird die vbw genau dieses Potential heben, als konsequente Weiterführung ihres Enga- gements in den Stiftungsprojekten „Digitale Schule zen bei Schülerinnen und Schülern und eine Stär- 2020“ und „TAFF – Talente finden und fördern“: kung der Kompetenzen unserer Lehrkräfte für eine digitale Didaktik und Methodik. Unsere Modellschu- • In der „Digitalen Schule 2020“ geht es wie auch len liefern in dem vorliegenden Bericht bereits erste bei PERLEN 4.0 darum, die Möglichkeiten des Ergebnisse, wie diese Empfehlungen erfolgreich an digitalen Lehrens und Lernens bestmöglich aus- der Berufsschule umgesetzt werden können. zuschöpfen und gleichzeitig den Schülerinnen und Schülern die notwendigen Kompetenzen für die Guter Unterricht braucht auch immer den richtigen Wirtschaft 4.0 zu vermitteln. Rahmen durch eine strategisch agierende Führung und Schulentwicklung. Dabei legen wir ein beson- • Aus TAFF nehmen wir die starke Ausrichtung auf deres Augenmerk auf die Weiterentwicklung des die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler etablierten Qualitätsmanagements an beruflichen Leseempfehlung: mit. Jeder Jugendliche soll bestmöglich gefördert Schulen (QmbS) und stärken allgemein die trans- werden, um seine Potentiale optimal entfalten formationale Kompetenz von Führungskräften zur • Stiftung Bildungspakt Bayern (Hrsg.): Michael Sailer, Florian Schultz-Pernice, zu können. Denn wir sind überzeugt, dass jeder Bewältigung des digitalen Wandels. Das kürzlich er- Digitale Schule 2020 – Impulse für Johann Vejvoda, Julia Murböck, Mensch ganz besondere Kompetenzen mitbringt. schienene Gutachten „Führung, Leitung, Governan- eine innovative Praxis. Bericht aus Nicole Heitzmann, Shayla Giap und Diese Kompetenzen sind wichtig für die Zukunfts- ce: Verantwortung im Bildungssystem“ des Aktions- dem Schulversuch. München 2020 Frank Fischer. München 2021 fähigkeit unseres Landes, aber auch für die Per- rates Bildung gibt hier Orientierung. sönlichkeitsentwicklung eines jeden Einzelnen. • Stiftung Bildungspakt Bayern (Hrsg.): •v bw – Vereinigung der Bayerischen München, im Juli 2021 TAFF-Leitfaden für eine stärken- Wirtschaft (Hrsg.): Dass wir mit PERLEN 4.0 den richtigen Akzent set- orientierte (Mittel-)Schule. Ergebnisse Digitale Souveränität und Bildung. zen, zeigt auch die vbw Studie „Digitale Bildung an eines Schulversuchs der Stiftung Gutachten. Münster 2018 bayerischen Schulen vor und während der Coro- Bildungspakt Bayern. München 2021 •v bw – Vereinigung der Bayerischen na-Pandemie“ aus dem Frühjahr 2021. Wenngleich • vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (Hrsg.): Wirtschaft (Hrsg.): Führung, Leitung, dieses Gutachten auf Daten aus allgemeinbildenden Bertram Brossardt Digitale Bildung an bayerischen Schulen vor und Governance: Verantwortung im Bil- Schulen fußt, so sind die zentralen Befunde doch während der Corona-Pandemie. Studie. Stand: dungssystem. Gutachten. auch für die Berufsschulen richtungsweisend. We- Hauptgeschäftsführer vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. März 2021. Eine vbw Studie, erstellt von Anne Lohr, Münster 2021 sentliche Empfehlungen des Gutachtens sind dabei die Schaffung von kooperativen digitalen Lernfor- Mitglied im Vorstand der Stiftung Bildungspakt Bayern maten, der Aufbau von Selbststeuerungskompeten-
14 Werkstattbericht 15 Stefan Rieder Leiter des Schulversuchs Heterogenität konstruktiv gestalten genauso wichtig ist es jedoch, diese in überschau- An dieser Stelle geht ein großer Dank an alle Modell- bare und nah an der Unterrichtspraxis angesiedelte schulen. Die beteiligten Lehrkräfte haben seit Einige meiner prägendsten Erfahrungen als Lehr- Ziele zu portionieren. Denn große Ideen und die Beginn des Schulversuchs im September 2020 für kraft habe ich bei der inklusiven Beschulung am damit verbundenen Ansprüche (z. B. beim perso- einen kontinuierlichen Projektfortschritt gesorgt Beruflichen Schulzentrum Kelheim gemacht.1 Was nalisierten Lernen) können auch überfordern und – trotz wechselhaften Infektionsgeschehens und mich damals beeindruckt hat, war die Tatsache, einen gegenteiligen Effekt bei der einzelnen Lehr- schwieriger Bedingungen. Dieses unermüdliche dass wir uns als Lehrkräfte nicht nur auf individuelle kraft erzeugen. Dabei besteht oft auch die Gefahr, Engagement verdient besondere Anerkennung! Hindernisse fokussierten – sondern vor allem halfen, dass sich der schulische Diskurs auf der abstrak- diese zu überwinden. Denn dann treten die Fähig- ten, konzeptionellen Ebene erschöpft und dann nur München, im August 2021 keiten, die Begabungen, die Möglichkeiten und die selten Eingang in das praktische Unterrichtsge- individuelle und bereichernde Persönlichkeit eines schehen findet. Deshalb versucht der Schulversuch, jeden Einzelnen zu Tage. möglichst auf der Umsetzungsebene zu operieren und konkrete Ansätze in Schule und Unterricht zu Gewiss war damals nicht jede Situation einfach und erproben. Das generiert wichtige Erfahrungswerte konfliktfrei. Aber ich durfte miterleben, wie tolle für den schulischen Alltag. Stefan Rieder Klassengemeinschaften entstanden, die geprägt Leiter des Schulversuchs waren von Toleranz, Hilfsbereitschaft, wechsel- In diesem Sinne gehen die Modellschulen mit dem Stiftung Bildungspakt Bayern seitigem Verständnis und Respekt. Und jedem/r Der Schulversuch PERLEN 4.0 kann an den Berufs- vorliegenden Werkstattbericht den Schritt nach Schüler/in wurden dabei Wege eröffnet, seine/ihre schulen ein Schlüssel sein, personalisierte Förde- außen, um bereits in einem frühen Stadium des persönlichen Potentiale optimal zu entfalten. Für rung strukturell zu verankern. Mit PERLEN 4.0 ver- Schulversuchs Erfahrungen und Wissen mit allen mich machte das deutlich: Heterogenität, die uns folgen wir das Ziel, digitale Medien aktiv zu nutzen, Berufsschulen in Bayern zu teilen und sich langfris- in den Berufsschulen auf Schritt und Tritt begleitet, um jede/n einzelne/n Schüler/in bestmöglich zu tig zu vernetzen. ist keine Belastung – sondern eine konstruktiv zu unterstützen. gestaltende Herausforderung. Dazu gilt es aber, für jede/n Schüler/in die richtigen personalisierten Der Ansatz des personalisierten Lernens bietet hier- Zugänge zum Lernen zu bauen. Jenseits der schon für den zukunftsweisenden pädagogischen Rahmen. immer vorhandenen Heterogenität an der Berufs- Denn auch in der langfristigen Perspektive wird die schule hat die Thematik „Individualisierung bzw. Individualisierung bzw. Personalisierung des Ler- Personalisierung des Lernens“2 gerade durch die nens eine immer stärkere Rolle im Bildungswesen coronabedingten Einschränkungen nochmals an spielen. Die OECD-Studie „Zurück in die Zukunft – Bedeutung gewonnen. Einschlägige Studien legen Vier OECD-Szenarien für Schule und Bildung“ weist die Befürchtung nahe, dass bestimmte Schüler- in verschiedenen Szenarien auf diesen Trend hin Literaturverzeichnis: gruppen durch den digital gestützten Distanzunter- [OECD, 2021]. richt abgehängt wurden, z. B. aufgrund mangelnder technischer Ausstattung (vbw, 2021). Besondere Dabei setzt der Schulversuch PERLEN 4.0 auf ein Holmes, W., Anastopoulou S., Schaumburg, H. & Mavrikis, Florian Schultz-Pernice, Johann Vejvoda, Julia Murböck, Unterstützungsmaßnahmen, z. B. die Brückenange- pragmatisches Vorgehen. Das soll auch der Werk- M. (2018). Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien. Nicole Heitzmann, Shayla Giap und Frank Fischer. bote, sollen deshalb helfen, diese Schülerinnen und stattbericht zeigen, der vielfach auf kleinere, aber Ein roter Faden. Stuttgart: Robert Bosch Stiftung. München: vbw [Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft]. Schüler gezielt zu fördern. wirksame Beispiele zählt. Visionen sind wichtig – Online abrufbar unter https://www.vbw-bayern.de/ OECD (2021). Die OECD-Szenarien zur Zukunft von Schule Redaktion/Frei-zugaengliche-Medien/Abteilungen-GS/ und Bildung, Paris: OECD-Publishing. https://doi. Bildung/2021/Downloads/Bi-0174-001_Digitale-Bildung- 1 Das Berufliche Schulzentrum Kelheim hat am Schulversuch „Inklusive Berufliche Bildung“ der Stiftung Bildungspakt Bayern (Laufzeit: 2012-2016) org/10.1787/4d027cb3-de teilgenommen. Im Schulversuch wurden Schülerinnen und Schüler mit und ohne diagnostiziertem sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam an-bayerischen-Schulen-vor-und-während-der-Corona- an der Berufsschule inklusiv beschult. Ausführliche Informationen finden Sie hier: https://www.bildungspakt-bayern.de/projekte-abgeschlossen- inklusive-berufliche-bildung-in-bayern-ibb/ vbw [Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft] (2021). Pandemie_ohne-Fax.pdf, zuletzt geprüft am 18.08.2021. 2 In diesem Zusammenhang werden die Termini „Individualisierung“ und „Personalisierung“ weitgehend synonym verwendet, da mit beiden Begrif- Digitale Bildung an bayerischen Schulen vor und während fen ähnliche Grundüberlegungen und gleichlaufende Zielsetzungen verbunden sind. Vielfach wird in der Wissenschaft versucht, eine Differenzie- rung herbeizuführen, z. B. durch eine besondere Aufladung des Begriffs Personalisierung als partizipativen Ansatz (im Gegensatz zur vermeintlich der Corona-Pandemie. Studie. Stand: März 2021. lehrerbestimmten Individualisierung). Für den vorliegenden Werkstattbericht ist eine weitere Differenzierung aber nicht zielführend, weil die eher theoretisch fundierte Unterscheidung in der praktischen Ausformung wenig Relevanz entfaltet und zudem nicht einheitlich ist. Bisweilen entsteht Eine vbw Studie, erstellt von Anne Lohr, Michael Sailer, dadurch sogar eine unnötige dogmatische Engführung (vgl. hierzu Holmes, Anastopoulou, Schaumburg & Mavrikis, 2018, S. 14ff). Eine ausführliche Definition des Begriffs Personalisierung ist in Kapitel 3 des vorliegenden Berichts zu finden; in Kapitel 5 entwickelt Wilbers ein praxisorientiertes Konzept von personalisiertem Lernen an der Berufsschule.
16 Werkstattbericht 17 Kapitel 3 Der Schulversuch PERLEN 4.0 – Einordnung in den Gesamtzusammenhang Heterogenität und Zukunftskompetenzen • Zudem fließen auch gesamtgesellschaftliche Phä- als Ausgangspunkt für PERLEN 4.0 nomene in die Entwicklung an den Berufsschulen ein. Die Integration von Zugewanderten und die In- Der Schulversuch PERLEN 4.0 nimmt zwei zentrale klusion von Menschen mit Behinderung sind heute Herausforderungen der beruflichen Bildung in den wesentliche Aufgaben der beruflichen Bildung. Blick: Berufsschulen spielen auch im Hinblick auf die Partizipation der angesprochenen Bevölkerungs- 1. Heterogenität gruppen eine entscheidende Rolle. (Euler & Severing, 2020; Heinrichs & Reinke, 2019) Heterogenität muss als Herausforderung für die An den Berufsschulen wird seit jeher eine hetero- Berufsschule klar benannt werden; allerdings darf gene Schülerschaft beschult. Das liegt z. B. darin der Blick für sich daraus ergebende Chancen nicht begründet, dass Klassen nicht strikt nach Leis- verloren gehen. Denn wenn wir aktiv auf Vielfalt ein- tungsvoraussetzungen, sondern primär nach dem gehen und erfolgreiche Lern- und Ausbildungswege gewählten Ausbildungsberuf gebildet werden. Diese für jeden Einzelnen gestalten, ermöglichen wir damit Heterogenität wird in den vergangenen Jahren vor allem ökonomische und auch gesellschaftliche bewusster wahrgenommen. Sie nimmt zudem stetig Partizipation. Das stärkt am Ende unser Gemeinwe- zu; dafür gibt es vielfältige Gründe: sen insgesamt. Ergänzend sei aus volkswirtschaft- licher Perspektive angefügt, dass gerade in Zeiten • Bedingt durch den demographischen Wandel, aber des Fachkräftemangels kein Talent verloren gehen auch durch die gestiegene Zahl an Studierenden darf. stehen immer weniger Schulabgängerinnen und -abgänger für eine Ausbildung zur Verfügung. Die Ausbildungsbetriebe sind deshalb grundsätzlich 2. Zukunftskompetenzen bereit, ein breiteres Spektrum an Auszubilden- (Nida-Rümelin & Weidenfeld, 2018; OECD, 2020; den einzustellen und auch Abstriche in Bezug auf Steppuhn, 2019) die Eingangsvoraussetzungen der Jugendlichen Digitale Medien verändern unser Zusammenleben hinzunehmen. Letztendlich kommen dadurch mehr grundlegend. Dieser allumfassende, fundamentale junge Menschen in eine bestimmte Ausbildung, Transformationsprozess führt zu gewandelten Anforde- denen bisher der Zugang aufgrund ihrer Voraus- rungen an jeden Einzelnen; neue Kompetenzen rücken setzungen (z. B. unzureichende Qualifikation) ver- ins Zentrum von Schule und Arbeitswelt, das sind u. a.: wehrt gewesen war. Das führt insgesamt zu einer stärkeren Spreizung (z. B. in Bezug auf die Vorbil- • 21st Century Skills (4K-Modell: Kreativität, Koopera- dung) in den einzelnen Ausbildungsberufen. tion, Kollaboration, kritisches Denken) • Die PISA-Studien haben den Zusammenhang von • Vielfältige Methoden- und Medienkompetenzen (z. B. sozialer Herkunft und Bildungserfolg aufgezeigt Strategien zum Suchen und Filtern von Informatio- und dabei die nicht unerhebliche Gruppe von nen, Reflexionsfähigkeit, Urteilskraft, informatorische Jugendlichen mit schwieriger Bildungsbiographie Grundkenntnisse) (und teils erheblichen Bildungsdefiziten) in den Fo- • Emotionale und mentale Kompetenzen im Sinne einer kus gerückt. Gerade diese jungen Menschen fin- umfassenden Persönlichkeitsbildung (u. a. auch „Ich- den sich oftmals im beruflichen Übergangssystem Stärke“) und in verschiedenen Ausbildungsberufen wieder.
18 Werkstattbericht 19 In Erweiterung des Konzeptes einer beruflichen Hand- beschleunigt hat. Vielen Lehrkräften wurde dabei Das betrifft organisatorische Fragen (z. B. hohe lungskompetenz (KMK, 2018) hebt die Kultusminister- das große Potential der digitalen Medien – gerade in Schülerfluktuation in einzelnen Berufen) wie auch Exkurs: Personalisiertes Lernen – konferenz (KMK, 2016) in ihrem Strategiepapier „Bildung Bezug auf die gezielte Förderung von Schülerinnen fachliche Zusammenhänge (z. B. das Erfordernis, Was ist damit gemeint? in der digitalen Welt“ besonders folgende Kompetenz- und Schülern – bewusst. Auf diesen erweiterten Ho- stets auf dem aktuellen Stand in einem Berufsbild felder für das berufliche Schulwesen hervor: rizont möchte PERLEN 4.0 bewusst aufsetzen und zu sein). Für den Begriff des personalisierten Ler- besonders den Lernprozess der einzelnen Schülerin/ • Stärkung von Kompetenzen, die durch intelligente nens (mit digitalen Medien) existiert • Berufliche Schulen zeichnen sich durch die Zu- des einzelnen Schülers in den Blick nehmen. Denn Systeme bzw. Maschinen nicht ersetzt werden kön- keine abschließende Definition; er ist ein sammenarbeit verschiedener Professionen aus. erst im passenden Lehr-Lern-Setting wird der Ein- nen, z. B. soziale Kompetenzen (personale berufliche „Containerbegriff“ (Stebler, Pauli & Reus- Hier agieren Wirtschafts- und Berufspädagog/ satz digitaler Medien voll wirksam. Handlungsfähigkeit); ser, 2017), der mit einer ganzen Reihe an innen aus verschiedenen beruflichen Fachrichtun- methodischen Ansätzen korrespondiert Generell kann aber nicht davon gesprochen werden, gen, Sozialpädagog/innen, Gymnasiallehrkräfte, • Selbstmanagement und Selbstorganisationsfähigkeit, bzw. diese auch umfasst, wie z. B. das in- dass die Digitalisierung vor Corona für die bayeri- externes Lehrpersonal (z. B. Ärzt/innen in medi- insbesondere in Bezug auf ein lebenslanges Lernen in dividualisierte Lernen. Holmes, Anastopou- schen Berufsschulen eine „terra incognita“ gewesen zinischen Berufen), Quereinsteiger u. v. m. Multi- einer technologisch sich schnell wandelnden Welt; lou, Schaumburg & Mavrikis (2018) lehnen ist. Vielfach wurde die Notwendigkeit für eine Trans- professionelle Kooperation ist daher ein zentrales • Internationales Denken und Handeln in einer digi- den Begriff des personalisierten Lernens formation erkannt und digitale Veränderungspro- Merkmal von Berufsschule. Das bringt eine Vielfalt tal vernetzten und globalisierten Welt; sehr stark an das im deutschsprachigen zesse angestoßen. Wegweisende Initiativen waren an Perspektiven und fachlichen Kompetenzen. Raum prominentere Konzept der inneren hierbei u. a. die • Kompetenzen zur Lösung komplexer Probleme, • Ergänzt wird diese Multiprofessionalität durch die Differenzierung nach Walter Bönsch an. insbesondere im Rahmen projektorientierter Ko- • Unterstützungs- und Fördermaßnahmen des Frei- systemimmanente Nähe zur Wirtschaft und zur Schaumburg (2021) arbeitet drei Dimen- operationsformen (z. B. Austausch und Abstim- staats Bayern, darunter das Pilotprojekt „Industrie beruflichen Lebenswelt. Das bedeutet, dass sionen des personalisierten Lernens als mung in multinationalen Teams mittels digitaler 4.0“, das Förderprogramm „Exzellenzzentren an sowohl gesamtwirtschaftliche als auch berufsspe- Orientierungsrahmen heraus: Didaktische Medien); Berufsschulen“ und das „Budget für integrierte zifische Trends über die duale Ausbildung rasch Entscheidungsfelder (z. B. Lernmetho- Fachunterrichtsräume an berufsqualifizierenden in die Schule getragen und von dieser adaptiert • Kompetenzen im Bereich Datenschutz und Daten- de, Lernzeit und -ort), Eigenschaften der Schulen“ sowie werden. Zudem haben viele Lehrkräfte bereits sicherheit; Schülerinnen und Schüler (z. B. Vorwissen, praktische berufliche Erfahrungen jenseits der Leistungsfähigkeit) und Locus of Control • verschiedene Aktivitäten der Akademie für Lehrer- • Kritischer und verantwortungsbewusster Umgang Schule gesammelt und bringen damit einen wei- (Steuerung und Auswahl des persona- fortbildung und Personalplanung (ALP) und des mit digitalen Medien. teren professionellen Erfahrungs- und Wissens- lisierten Lernmaterials entweder durch Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsfor- schatz mit. Von zentraler Bedeutung sind auch weiterhin fach- Lehrkräfte oder durch Schülerinnen und schung (ISB), z. B. die Einrichtung der Arbeitskrei- liche Kompetenzen, die sich selbstredend unter Schüler). Es wird deutlich, dass der Begriff se zum Thema Wirtschaft 4.0 am ISB. • Die bayerischen Berufsschulen haben sich bei der den Schlagwörtern „Wirtschaft 4.0“ und „Industrie erst in der Ausformung für einen konkreten Schaffung der Berufsintegrationsklassen eine Weitere wichtige Weichenstellungen kamen seit 4.0“ verändern und auf neue Arbeitsprozesse und Kontext und durch die praktische Aus- hohe Expertise in der Bewältigung kurzfristig auf- März 2020 dazu, insbesondere die Überarbeitung Geschäftsmodelle ausgerichtet sein müssen. Das gestaltung an Kontur gewinnt. In Kapitel 5 tretender Ereignisse angeeignet. Aus dieser Erfah- der Schulordnungen aller beruflichen Schulen in Ende der Fachlichkeit ist also nicht erreicht (wie von entwickelt deshalb Wilbers ein geson- rung von Selbstwirksamkeit resultiert ein starkes Bezug auf den Distanzunterricht. manchen gerne fälschlicherweise kolportiert wird). dertes Verständnis von personalisiertem Selbstbewusstsein und eine gewisse Resilienz in Vielmehr rücken, über den fachlichen Rahmen des Lernen mit digitalen Medien für die Berufs- Bezug auf disruptive Entwicklungen. eigenen Berufsbildes hinaus, verstärkt nun auch schule. Dieses ist handlungsleitend für den Berufsschulen für den digitalen Wandel • Mit dem QmbS (Qualitätsmanagement an beruf- berufsübergreifende Kompetenzen in den Mittel- Schulversuch. gut gerüstet lichen Schulen) verfügen die bayerischen Berufs- punkt, d. h. Kenntnisse aus Professionen, die mit In der Corona-Krise wurde die vielbeschworene schulen über ein vollausgebautes Instrumentarium der eigenen beruflichen Tätigkeit Berührungspunkte Disruption erlebbar. In kurzer Zeit mussten die für die Schulentwicklung, das zudem mit Ressour- und Überschneidungen haben. daraus resultierend auch gelungene Beispiele für Schulen auf unvorhersehbare Entwicklungen re- cen (u. a. Beraterstruktur) ausgestattet ist. Die dargestellten Herausforderungen erfordern die praktische Umsetzung – genau an diesem Punkt agieren. Dabei ließen sich besonders an den Berufs- Diese Rahmenbedingungen waren und sind gepaart neue didaktisch-methodische Konzepte, die einer- setzt PERLEN 4.0 an. schulen gute strukturelle Voraussetzungen für den mit der Innovationsfreude und dem Ideenreichtum seits die unterschiedlichen Voraussetzungen der digitalen Wandel beobachten: der Lehrkräfte. Aus der ursprünglichen Notwendig- Auszubildenden besser berücksichtigen und gleich- Die Corona-Krise als Beschleuniger für die • Die Schulkultur ist von einer pragmatischen Her- keit des Einsatzes digitaler Medien entstand ein zeitig auf die Anforderungen einer digitalisierten digitale Bildung angehensweise geprägt, die nach unkomplizier- gewisser Enthusiasmus angesichts der Möglich- Welt vorbereiten. Besonders dem personalisierten ten und realisierbaren Lösungen sucht. Diese keiten dieser neuen Technologien. Das bewies Lernen mit digitalen Medien wird dabei ein großes Dabei kommt es dem Schulversuch zupass, dass Mentalität entspringt dem Alltag an den Berufs- auch die Ausschreibung zum Schulversuch PERLEN Potential zugeschrieben. Allerdings fehlen bisher sich seit Beginn der Corona-Krise die Implementati- schulen, der eine hohe Flexibilität erfordert und 4.0: Dabei sind 32 Bewerbungen bei der Stiftung systematische Konzepte für die Berufsschule und on von digitalen Medien an der Berufsschule enorm oftmals ganz intuitiv agiles Handeln hervorbringt. Bildungspakt Bayern eingegangen. Bei insgesamt
20 Werkstattbericht 21 183 Berufsschulen in ganz Bayern hat sich damit jede sechste Schule beworben. Das zeigt, dass sich eine Vielzahl an Schulen auf den Weg gemacht hat und mit viel Engagement neue Konzepte und Methoden erprobt. Deshalb möchten wir den vorliegenden Werkstattbericht als Aus- gangspunkt für einen Diskurs verstehen. Dieser Diskurs soll durch die Impulse der Modellschulen im Schulversuch PERLEN 4.0 gespeist werden, aber auch gute Beispiele anderer Schulen in Bayern sicht- bar machen und zu einem Austausch und einer Ver- netzung zwischen Schulen und Lehrkräften führen. Literaturverzeichnis: Euler, D. & Severing, E. (2020). Heterogenität in der KMK (2018). Handreichung für die Erarbeitung von Rah- Berufsbildung – Vielfalt gestalten. Gütersloh: Bertels- menlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den mann Stiftung (Hrsg.). Online abrufbar unter https://www. berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/ Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für heterogenitaet-in-der-berufsbildung-vielfalt-gestalten- anerkannte Ausbildungsberufe. Berlin: o. V. all, zuletzt geprüft am 19.08.2021. OECD (2020). OECD Lernkompass 2030. OECD-Projekt Heinrichs, K. & Reinke, H. (2019). Heterogenität in der Future of Education and Skills 2030 Rahmenkonzept des beruflichen Bildung. Im Spannungsfeld zwischen Er- Lernens. o. O. und o. V. Online abrufbar unter https:// ziehung, Förderung und Fachausbildung. Bielefeld: wbv www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_up- Media GmbH & Co KG. load/OECD_Lernkompass_2030.pdf, zuletzt geprüft am 19.08.2021. Holmes, W., Anastopoulou S., Schaumburg, H. & Mavrikis, M. (2018). Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien. Schaumburg, H. (2021). Personalisiertes Lernen mit digita- Ein roter Faden. Stuttgart: Robert Bosch Stiftung. Online len Medien als Herausforderung für die Schulentwicklung: abrufbar unter https://www.bosch-stiftung.de/sites/de- Ein systematischer Forschungsüberblick. MedienPädago- fault/files/publications/pdf/2018-06/Studie_Personalisier- gik. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, tes_Lernen.pdf, zuletzt geprüft am 19.08.2021. Themenheft Nr. 41, 134-166. Online abrufbar unter https:// www.medienpaed.com/article/view/1259/1009, zuletzt KMK (2016). Bildung in der digitalen Welt. Strategie der geprüft am 19.08.2021. Kultusministerkonferenz. Berlin: Eigenverlag. Stebler, R., Pauli, C. & Reusser, K. (2017). Personalisiertes Nida-Rümelin J., Weidenfeld, N. (2018). Digitaler Humanis- Lernen – Chancen und Herausforderungen für die Lehr- mus. Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelli- person. Lehren und Lernen, 64(5), 21–28. genz. München: Piper. Steppuhn, D. (2019). SmartSchool – Die Schule von mor- gen. Wiesbaden: Springer.
22 Werkstattbericht 23 Kapitel 4 Braucht die iGeneration eine neue (digitale) Didaktik? Karl-Heinz Gerholz rigen Generation ab. Die Abgrenzungen entstehen Drei Episoden zu Beginn durch die prägenden gesellschaftlichen Einflüsse, „Die 17-jährige Lenja steht auf dem Schulhof im Kreis in denen eine Generation aufwächst. In unserer ihrer drei besten Freundinnen. Stolz präsentiert sie heutigen Gesellschaft können vier Generationen ihren Zuwachs von 400 Followern durch ihr neu- unterschieden werden. Die Baby Boomer (Jahrgän- es Tik-Tok-Video von gestern Abend. Die anderen ge 1946-1964), deren prägende Einflüsse die Nach- sagen nur ‚Wow!‘.“ – „Der 18-jährige Lias ist fertig kriegszeit und der Wirtschaftsaufschwung waren. mit der Aufgabenbearbeitung auf dem Tablet und Selbstentfaltung ist ihnen wichtig. Die Generation X spielt noch etwas BrawlStars, um seinen Punkte- (Jahrgänge 1965-1979) ist geprägt durch den Wirt- stand zu verbessern. Er hat das Ziel, bester Brawler schaftsabschwung in den 70er Jahren (u. a. Ölkrise) des Monats bei der Turmpflege zu werden.“ – „Die und die sinkende Geburtenrate (Stichwort Antiba- 16-jährige Lorine schaut das Spiel Italien gegen bypille). Es sind die heutigen etablierten Fach- und Spanien bei der Europameisterschaft und entdeckt Führungskräfte, welche von einer gewissen Per- einen gutaussehenden Spieler, welchen sie schnell spektiv- und Interesselosigkeit (z. B. in Bezug auf googelt und ein Foto von ihm auf ihren Status bei Politik) geprägt sind. Die Generation Y (Jahrgänge WhatsApp setzt. Lauthals verkündet sie der Familie: 1980-1995) ist als erste Generation in einer informa- ‚Mensch Papa, der ist 20 Jahre jünger als Du, sieht tionstechnologischen Welt aufgewachsen (Einzug total toll aus, aber ist leider schon vergeben‘.“ des Computers, Digitalisierung). Die heutigen gut ausgebildeten Berufseinsteigerinnen und -einsteiger oder mittleren Führungskräfte zeichnen sich durch Didaktische Herausforderungen eine hohe Leistungsbereitschaft, Ehrgeiz, aber auch Die Episoden sind exemplarisch, illustrieren aber gewissen Egoismus aus. Die Generation Z (Jahr- die Lebenswelt von Auszubildenden in der heutigen gänge ab 1995) sind i. d. R. durch ‚Helikoptereltern‘ Zeit. Die Generation ist geprägt durch die digitale erzogen, die sie nicht kritisiert haben, weshalb sie Welt. Sie werden als iGeneration, digital natives oder selbst schwer Kritik aufnehmen und verarbeiten Generation Z bezeichnet. Diese Generation unter- können. Prägende Einflüsse dieser Generation sind scheidet sich in vielerlei Hinsicht mit Blick auf die die Informations- und Kommunikationstechnologien Weltanschauung und ihr Verständnis zur Lebensge- (z. B. Social Media), aber auch gesellschaftliche Un- staltung. Das bringt insbesondere Herausforderun- sicherheiten (z. B. Terroranschläge, Finanzkrise). gen in der Unterrichtsgestaltung (z. B. Ablenkungs- potential digitaler Medien) mit sich. Gleichzeitig hat diese Generation Eigenschaften, die im Sinne einer Potentialorientierung didaktisch genutzt werden können. Anders gesagt geht es um die Frage, wie digitaler Unterricht für die iGeneration bzw. Genera- tion Z zu gestalten ist. Unterschiede zwischen den Generationen Der Begriff Generation beschreibt die Erneuerung von Gesellschaften durch einen Werte- und Kultur- wandel. Begründer ist Karl Mannheim mit seinem 1928 erschienenen Werk ‚Das Problem der Genera- tionen‘. Jede Generation grenzt sich von der vorhe-
24 Werkstattbericht 25 • Die Bearbeitung von Lernsituationen sollte multi- Die aufgezeigten didaktischen Gestaltungsempfeh- Generation X Generation Y Generation Z medial sein. Das Angebot unterschiedlicher lungen sind episodisch. Sie geben Hinweise, wie Jahrgänge 1965-1979 1980-1995 1995 bis heute Informationskanäle (z. B. weniger Vorgabe eines das Lernverständnis der Generation Z in beruflichen YouTube-Videos, sondern Auswahlmöglichkeiten Unterrichtsprozessen aufgenommen werden kann. Prägende Einflüsse Wirtschaftsabschwung, Einzug des Computers, Krisen, Kommunikations- zu unterschiedlichen digitalen Informationsquel- Auch hier ist die kohärente, didaktische Gestaltung niedrige Geburtenrate Digitalisierung technologien, len) ist relevant. relevant. So kann es sinnvoll sein, z. B. auf Fach- Helikopter-Eltern bereichsebene in der didaktischen Jahresplanung • Informationen – Wissen – sollte möglichst in klei- didaktische Gestaltungsmuster für die Generation Z Merkmale Selbstentfaltung, Selbstverwirklichung, Per- Individualismus, Familienorien- nen, in sich abgeschlossenen Einheiten angebo- festzulegen, welche in einem Schuljahr erprobt und postmaterielle Werte spektiv- und tierung, Multitasking ten werden (z. B. besser zwei Lernvideos mit 3 am Ende evaluiert und überarbeitet werden. Interesselosigkeit Minuten als ein Lernvideo mit 6 Minuten Dauer). Der Ansatz des Microlearning ist hier vielverspre- Tab. 1: Generationen im Zeitverlauf chend, indem Lernprozesse durch kleine didak- Braucht es eine neue Didaktik für die Generation Z? tische Einheiten begleitet werden. Dies bezieht Allgemein kann festgehalten werden, dass die Inten- sich nicht nur auf die Informationsdarbietung (z. B. Die beschriebenen Merkmale der Generationen sind quick-payoff world of their video games, MTV, and tion beruflicher Didaktik Gemeinsamkeiten mit der ein Lernvideo), sondern auch auf reflexive (z. B. als Verallgemeinerungen zu verstehen. Sie geben Internet”. Dies gibt Anhaltspunkte für das Lernver- Generation Z aufweist. Es geht darum, praktische 3-minütiger Reflexionsauftrag) und kooperative Orientierungshinweise, welche Überzeugungen und ständnis der Generation Z. Lernen wird tendenziell Bezüge zum eigenen Handeln beim Lernen zu er- (z. B. 5-minütige Gruppendiskussion) Elemente. Eigenschaften eine Generation – eine Lernergenera- als Entertainmentprozess aufgefasst. Eine stetige kennen und Ergebnisse – Handlungs- und Lerner- tion – ausmacht. Kommunikation sowie ein sofortiger Zugang zu • Interaktion ist, gleichzeitig in der digitalen und gebnisse – zu haben. Insofern braucht es keine neue Informationen sind der Generation Z wichtig. Auch analogen Welt zu leben. Zum Beispiel sollte ein berufliche Didaktik. Ganz im Gegenteil, die hand- die Erreichung von möglichst schnellen Ergeb- kooperatives Lehr-Lern-Format die digitale Kom- lungsorientierte Gestaltung beruflicher Bildungs- Eigenschaften und Lernverständnis der nissen beim Lernhandeln ist ein Parameter für den munikation (z. B. Chat über Signal oder MSTeams) prozesse hat generell eine Passung zu den Eigen- Generation Z subjektiven Lernerfolg. Die Generation Z hat eine und analoge Kommunikation (z. B. Gruppen- schaften der Generation Z zur Folge. Eine digitale Die Generation Z ist aufgewachsen mit digitalen vergleichsweise kurze Aufmerksamkeitsspanne (z. arbeitstisch) gleichermaßen ermöglichen. Didaktik muss aber aus Perspektive der Generation Technologien, weshalb sie häufig auch als die Ge- B. bei Impulsvorträgen), ist aber gleichzeitig in der Z und nicht aus der Perspektive der Generation • Die Generation Z handelt vernetzt in der digitalen neration der digital natives bezeichnet wird. Hoher Lage, zwischen unterschiedlichen Informationsan- X oder Y gestaltet werden. Es geht um die Frage und analogen Welt. Die Sicherung von Lernergeb- Konsum von Social Media ist für diese Generation geboten zu wechseln und diese hinsichtlich ihrer des digitalen Medieneinsatzes, welche die Eigen- nissen kann den Vernetzungsgedanken aufneh- typisch. Das Smartphone oder Tablet sind ständige eigenen Zielerreichung aufzunehmen (Multitasking). schaften der Generation Z – multitasking, multime- men, indem ein Angebot von unterschiedlichen Begleiter im Alltag, um an jedem Ort und zu jeder Lernprozesse müssen für die Generation Z interaktiv dial, pragmatische Informationsdarbietung, Freude, Dokumentationskanälen (z. B. Whiteboard Miro Zeit mit der ‚Welt‘ oder den Peers virtuell kommu- gestaltet sein. Sie haben keine Freude am stummen Vernetzung oder Ergebnisorientierung – zum Leben oder Padlet, digitales Arbeitsblatt oder analoger nizieren zu können. Die Generation Z ist ständig Zuhören, sondern suchen schnell und unkompliziert erweckt und damit die Potentiale der Generation Z Hefter) gemacht wird, aus denen die Schülerinnen vernetzt. Sie betreibt Multitasking. den sozialen Austausch – v. a. zwischen den Peers – fördert. und Schüler wählen können. zu den Themen. Die Generation Z zeichnet sich durch eine Familien- orientierung, aber auch starken Individualismus und Implikationen für die didaktische Gestaltung von Pragmatismus aus. Dieser Pragmatismus ergibt sich als Lösungsmechanismus vor dem Hintergrund einer Unterricht Literaturverzeichnis: sich als dynamisch verändernden wahrgenomme- Digitale Medien und deren aktive, starke Nutzung Cilliers, J. (2017). The challenge of teaching Generation Z. Kelly, F. S., McCain, T. & Jukes, I. (2009). Teaching the nen Welt. Individualismus und Pragmatismus können sind zentrale Merkmale der Generation Z und damit International Journal of Social Sciences, 3(1), 188-198. Digital Generation: No More Cookie-Cutter High Schools. sich ergänzen, aber auch zu Herausforderungen der heutigen Schülerinnen- und Schülergeneration. Melbourne: Hawker Brownlow Education. der Lernbegleitung der Generation Z führen. Sie will Gleichzeitig bedeutet dies nicht, dass diese Gene- Dauksevicuite, I. (2016). Unlocking the full potential of möglichst passgenaue, individuell auf ihre Interes- ration die digitalen Medien in ihr Lern- und Arbeits- digital native learners. Online abrufbar unter https://www. Kennedy, D. & Fox, R. (2013). Digital natives?: an Asian sen abgestimmte Lernangebote (z. B. ansprechende handeln integrieren kann. Hierzu benötigen sie dprism.com/unlock-your-digital-potential-through-gen-z/, perspective for using learning technologies. International Videos), gleichzeitig agiert sie pragmatisch (z. B. Unterstützung. Digital unterstützter und strukturier- zuletzt geprüft am 23.06.2021. Journal of Education and Development Using Information Google-Suche), wenn sie ein Ziel im Sinne eines für ter Unterricht kann diese Unterstützung leisten. Die and Communication Technology, 9(1), 64-79. Gerholz, K-H. & Schlottmann, P. (in Review). What does sie wichtigen Lernzieles erreichen will. weiteren Eigenschaften der Generation Z, wie bei- ‘micro’ in microlearning mean? – Design and empirical Kirschner, P. & De Bruyckkere, P. (2017). The myths of the spielsweise Multitasking oder sozialer Austausch- illustration in a Teacher Education Program. Journal for digital native and the multitasker. Teaching and Teacher Prensky (2001) umschreibt die Generation Z mit den bedarf, können hierfür didaktisch produktiv genutzt Higher Education Development 16(3). Education 67, 135-142. Begriffen “…twitch-speed, multitasking, random-ac- werden. Als didaktische Gestaltungsempfehlungen cess, graphics-first, active, connected, fun, fantasy, können somit festgehalten werden:
26 Werkstattbericht 27 Kapitel 5 Personalisiertes Lernen in der Berufsbildung: Konzept und Reformleitbild Karl Wilbers Hohe Heterogenität der Berufsausbildung, vor- Sechs Merkmale personalisierten Lernens aussichtlich noch steigend Die Berufsausbildung in Deutschland ist durch eine Umfassende Orientierung an hohe Heterogenität gekennzeichnet (vgl. hier- fachlichen und personalen zu auch die entsprechenden Ausführungen in den Kompetenzen Vorüberlegungen dieser Veröffentlichung). Die Berufsbildung muss der Tatsache gerecht werden, dass die Jugendlichen mit ganz unterschiedlichen Erfassung der Lernausgangslage Lernvoraussetzungen eine Berufsausbildung auf- und individuelle Förderung nehmen, schon aus vorlaufenden Schulabschlüssen (BIBB, 2021). Es ist zu vermuten, dass sich aufgrund der Lernzeitverluste in der Pandemie die leistungs- bezogenen Ungleichheiten (Engzell, Frey & Verha- gen, 2021; Zierer, 2021) für die Berufsbildung weiter Selbstgesteuertes Lernen verschärfen. Personalisiertes Lernen: Ein Reformleitbild Das personalisierte Lernen kann als eine Antwort Nutzung digitaler Lernmedien auf eine hohe Heterogenität betrachtet werden. Das Konzept des personalisierten Lernens wird seit längerer Zeit vor allem in den USA, Großbritannien, Australien und Neuseeland als Reformleitbild disku- Sichtbarmachung von tiert (Dockterman, 2018), auch in der Berufsbildung Lernfortschritten (Duckett, 2010). Dabei ist der Gebrauch digitaler Medien regelmäßig ein Bestandteil personalisier- ten Lernens. Im deutschsprachigen Raum wurde das Konzept kaum aufgenommen (Stebler, Pauli & Geteilte Verantwortung Reusser, 2018), aber in jüngerer Zeit von der Robert für das Lernen Bosch Stiftung (Holmes, Anastopoulou, Schaumburg & Mavrikis, 2018) aufgegriffen. Merkmale personalisierten Lernens Das Konzept wird national und international unter- schiedlich ausgelegt. Für die Berufsbildung können 6 Merkmale ausgemacht werden.
28 Werkstattbericht 29 Merkmal 1: Umfassende Orientierung an Da im Gegensatz zum allgemeinbildenden Bereich Merkmal 3: Selbstgesteuertes Lernen Merkmal 4: Nutzung digitaler Lernmedien fachlichen und personalen Kompetenzen keine umfassenden Bildungsmonitoring-Studien Die auf die Lernausgangslage abgestimmte Kompe- Individuelle Förderung ließe sich prinzipiell auch mit entsprechenden Messinstrumenten existieren Das personalisierte Lernen orientiert sich umfas- tenzentwicklung wird im personalisierten Lernen als ohne digitale Medien realisieren. Im Konzept des und vermutlich in Zukunft aufgrund der Heterogeni- send an Kompetenzen, d. h. stellt einen kompe- selbstgesteuertes Lernen angelegt, d. h. es be- personalisierten Lernens spielen digitale Lernme- tät der Berufsbildung auch nicht existieren werden, tenzorientierten Ansatz (Wilbers, 2021) dar. Perso- stehen Wahlmöglichkeiten zu den zentralen Para- dien jedoch eine zentrale Rolle. Die Kompetenzent- kann in der Berufsbildung nur auf die schul- und be- nalisiertes Lernen in der Berufsbildung zielt nicht metern der didaktischen Situation, also den Zielen, wicklung erfolgt unter Nutzung digitaler Medien, triebsnahe Individualdiagnostik gesetzt werden. Die nur auf die Fachkompetenz, sondern auch auf die den Methoden und den Bedingungen, etwa des wobei digitale Medien sowohl zur Anreicherung des diagnostische Kompetenz des Bildungspersonals in personale Kompetenz ab. Eine besondere Bedeu- Lernorts und der Lernzeit. Selbst- oder Fremdsteue- Präsenzunterrichts als auch zur Virtualisierung, also der Berufsbildung muss damit ausgebaut werden. tung spielt auch die Förderung der Selbstregula- rung stellt ein Kontinuum dar, welches über den im Distanzunterricht, eingesetzt werden (vgl. hier- Die Erfassung der Lernausgangslage entspricht tionskompetenz. Auch in den PERLEN 4.0-Projekten Selbststeuerungsgrad abgegrenzt wird. Selbstge- zu auch die Ausführungen von Prof. Daniel Pittich beim personalisierten Lernen dem sog. assessment- geht es nicht allein um die Fachkompetenz. steuertes Lernen meint dabei nicht zwangsläufig ein zu Hybriden Lernlandschaften im nachfolgenden for-learning (Wilbers, 2020, 264 ff.), also einer Präzi- individualisiertes Lernen, also ein Lernen einzelner Kapitel). Die personale Kompetenz spielt in vielen Projekten sierung der Kompetenzen zur Steuerung von Lern- Lernerinnen und Lerner. Selbstgesteuertes Lernen eine wichtige Rolle. Im Sinne der KMK umfasst die prozessen, aber auch zur Förderung der (Selbst-) kann ebenso kooperativ in Gruppen erfolgen. personale Kompetenz die Selbst- und die Sozial- Diagnosekompetenz der Lernenden. Diesem steht Merkmal 5: Sichtbarmachung von Lernfortschritten kompetenz (KMK, 2018): Dabei bedeutet Selbst- die abschließende Bewertung von Lernprozessen Eine besondere Rolle beim personalisierten Lernen Erzielte Lernfortschritte sollen im personalisierten kompetenz die „Bereitschaft und Fähigkeit, als (assessment-of-learning) gegenüber. spielen individualisierte, selbstgesteuerte Lernme- Lernen sichtbar gemacht werden. Dazu gehören in individuelle Persönlichkeit die Entwicklungschan- thoden. Ein Beispiel ist eine digitale Lerntheke, wie Für die Erfassung der Lernausgangslage können ge- der Berufsbildung neben den hoheitlichen Prüfun- cen, Anforderungen und Einschränkungen in Familie, sie im Projekt der Nürnberger Berufsschule II (siehe bundene Aufgaben, insbesondere durch in der Schule gen vor allem die Arbeit mit dem digitalen Berichts- Beruf und öffentlichem Leben zu klären, zu durch- hierzu Teilkapitel 7.2 Formatives Assessment) entwi- von Lehrkräften entwickelte informelle Tests, aber heft, die Vergabe von ‚Zertifikaten‘, etwa in Form denken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu ckelt wird. Eine weitere Möglichkeit ist die Arbeit mit auch bei nicht gebundenen Aufgaben Checklisten, von Badges und Micro-Credentials (Hughey, 2020) entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und fort- verzweigten Lernpfaden, wie im Projekt der Berufs- Kriterienkataloge und Kriterienraster (Wilbers, 2020, oder die Arbeit mit Portfolios. zuentwickeln“ (S. 15). Sozialkompetenz umfasst die schule Kronach (siehe hierzu Teilkapitel 7.4 Um- 269 ff.) verwendet werden. Die Erfassung der Lern- „Bereitschaft und Fähigkeit, soziale Beziehungen zu fassende personalisierte Lernangebote). Auch die ausgangslage kann auch mehrstufig als Abfolge eines leben und zu gestalten, Zuwendungen und Span- Arbeit mit erweiterten Ich-kann-Listen ist eine Form Merkmal 6: Geteilte Verantwortung für das Lernen Screenings auf der ersten Stufe und eines ggf. vertief- nungen zu erfassen und zu verstehen sowie sich mit individualisierten selbstgesteuerten Lernens. ➀ ten Assessments auf der zweiten Stufe erfolgen. Lernen wird von den Lehrenden und Lernenden ge- anderen rational und verantwortungsbewusst aus- Plan-Arbeit ist hier – in Anlehnung an Wochenplan- meinsam verantwortet. Die Lernenden haben im einanderzusetzen und zu verständigen“ (S. 15). Ein Beispiel für eine solche Erfassung der Lernaus- arbeit – eine Sammlung von Methoden, bei denen Sinne eines „choice and voice“ (Miliband, 2006, S. gangslage in PERLEN 4.0 ist das Projekt der Be- Dabei erweitert PERLEN 4.0 gezielt den Fokus auf Schülerinnen und Schülern ein zeitliches Gefäß, 26) Wahlmöglichkeiten (choice), aber auch (Mit-) rufsschule I in Kempten (siehe hierzu Teilkapitel die sogenannten „Zukunftskompetenzen“. Es geht ursprünglich eine Woche, gegeben wird, selbstge- Verantwortung und Mitgestaltungsmöglichkeiten 7.2 Formatives Assessment). Hier wurde für die aber nicht nur darum, gänzlich neue Kompetenz- steuert zu arbeiten. Dabei kann das Lernen mit Hilfe (voice). Die Mitverantwortung des Lernenden ist ein berufssprachliche Kompetenz ein digitales Verfah- dimensionen einzuführen, sondern das Konzept der von Kanban-Boards strukturiert werden. ➀ wichtiges Ziel personalisierten Lernens. ren zur Erfassung des individuellen Förderbedarfs beruflichen Handlungskompetenz – wie in Kapitel 3 Auch selbstgesteuerte kooperative Verfahren wer- mit teilautomatisierter Auswertung entwickelt. Die dargestellt – für eine digitalisierte Welt neu auszu- den eingesetzt, etwa Leittexte, Fallstudien, Lernsitu- Ergebnisse des ersten Tests dienen im Sinne des deuten. ationen oder Projektarbeit. Screenings dazu, abzuschätzen, ob eine vertiefte Betrachtung der Lernausgangslage für einzelne Merkmal 2: Erfassung der Lernausgangslage und Schülerinnen und Schüler notwendig ist. individuelle Förderung Die Einschätzung der Lernausgangslage muss nicht Die Kompetenzentwicklung der Lernenden wird an immer durch die Lehrkraft allein erfolgen. Im Ansatz die Lernausgangslage angepasst. Dieser Aspekt des personalisierten Lernens tragen auch Lernende ➀ personalisierten beruflichen Lernens entspricht den Verantwortung für das Lernen. Mit Hilfe von Ich- Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur indivi- kann-Listen, die gut mit MS Teams realisiert werden duellen Förderung in den beruflichen Schulen (KMK, können, können die Lernenden ihre Lernausgangs- 2020). Die Bedeutung der individuellen Förderung in lage auch selbst einschätzen. ➀ der Berufsbildung wird auch vor dem Hintergrund in- klusiver Bildungsarbeit herausgestellt (Zoyke, 2014).
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