INTERPELLATIONSBEANTWORTUNG DER REGIERUNG AN DEN LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN BETREFFEND DEN NEUEN LEHRPLAN (LILE) UND DER DAMIT ...
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INTERPELLATIONSBEANTWORTUNG DER REGIERUNG AN DEN LANDTAG DES FÜRSTENTUMS LIECHTENSTEIN BETREFFEND DEN NEUEN LEHRPLAN (LILE) UND DER DAMIT VERBUNDENEN AUSSTATTUNG DER KINDERGÄRTEN, PRIMAR- UND WEITERFÜH- RENDEN SCHULEN MIT DIGITALEN ENDGERÄTEN (TABLETS UND NOTEBOOKS) SOWIE ZUR NUTZUNG VON SMARTPHONES AN DEN SCHULEN Behandlung im Landtag Datum Kenntnisnahme am: Nr. 118/2019
3 INHALTSVERZEICHNIS Seite Zusammenfassung .................................................................................................. 4 Zuständiges Ministerium......................................................................................... 5 Betroffene Stellen ................................................................................................... 5 I. BERICHT DER REGIERUNG ....................................................................... 7 1. Anlass ............................................................................................................. 7 2. Allgemeine Einleitende Bemerkungen ........................................................ 13 2.1 Zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft ................................... 13 2.2 Bildungspolitische Massnahmen ..................................................... 15 2.3 Aufgaben der Schule ......................................................................... 18 2.4 Lehrplanziele im Modul Medien und Informatik ........................... 20 2.5 Infrastruktur ...................................................................................... 24 2.6 Wirksamkeit im Unterricht................................................................. 26 2.7 Studien zur Wirksamkeit digitaler Medien in der Schule................... 28 2.8 Meta-Analysen zu möglichen Auswirkungen digitaler Medien ......... 31 3. Beantwortung der Fragen............................................................................ 33 II. ANTRAG DER REGIERUNG ..................................................................... 73 Beilage: – Modullehrplan Medien und Informatik, Liechtensteiner Lehrplan LiLe
4 ZUSAMMENFASSUNG Die heutige Gesellschaft befindet sich in einem steten und vor allem rasanten Wandel. Eine der wohl einschneidendsten Veränderungen ist die Digitalisierung und mit ihr die digitale Durchdringung des Alltags. Dies hat Einfluss auf die Schu- le, da sie unsere Schülerinnen und Schüler optimal für die Herausforderungen der digitalen Zukunft vorbereiten soll. Zudem sollen die Schülerinnen und Schüler in der Schule zeitgemässe Lern- und Arbeitsformen erlernen. Die Schule orientiert sich dabei an der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler. Kooperatives und kollaboratives Arbeiten, sowie eine kreative, kompetente und verantwor- tungsvolle Nutzung von Medien werden immer wichtiger. Die digitale Kompetenz gehört mittlerweile zu den Schlüsselkompetenzen, um am Prozess des lebenslan- gen Lernens teilnehmen zu können. Um die von Politik und Gesellschaft (Lehrplan, Digitale Agenda) und Wirtschaft (Digital Roadmap) aufgeführten Zielsetzungen auch erreichen zu können, braucht es an den Schulen eine entsprechende Lernumgebung, die mit einer guten Infra- struktur und mobilen Geräten ausgestattet ist. Dafür ist eine entsprechende Investition notwendig. Die Regierung ist überzeugt, dass dies eine sehr gute In- vestition in die Zukunft unseres Landes darstellt. In der Interpellation wurden verschiedene Fragen zu den wissenschaftlichen Ent- scheidungsgrundlagen gestellt. Laut einer systematischen Betrachtung der wis- senschaftlichen Befundlage der Medienpsychologen Markus Appel und Constanze Schreiner von der Universität Konstanz-Landau widersprechen die wissenschaftli- chen Ergebnisse auf vielen Gebieten klar den Thesen zu den schädlichen Auswir- kungen der Internetnutzung. Nach dem jetzigen Stand der Forschung führe ver- mehrte Internetnutzung im Mittel weder zu weniger sozialem Austausch noch zu weniger gesellschaftlich-politischem Engagement. Die Wirkung digitaler Medien im Unterricht kann nur kontextabhängig diskutiert werden. Es gibt hinreichend empirische Evidenz für lernförderliche Aspekte bei der Nutzung digitaler Medien in der Schule. Allerdings lassen sich die Aussagen weder im Hinblick auf einzelne Medienangebote noch in Hinblick auf spezifische Schülergruppen oder Fächer pauschalisieren. Der Bildungsforscher Prof. Dr. Bardo Herzig kommt zum Schluss, dass die derzeit sehr beliebte Frage, ob der Einsatz von Tablets im Unterricht gewinnbringender sei als traditionelle Metho- den, in die Irre führt. Denn die Wirkungen digitaler Medien entfalten sich immer
5 unter den jeweiligen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen eines konkreten Lehr-Lernszenarios. Klar ist jedoch, dass digitale Medien dabei helfen können, Inhalte, Wege und Lernmethoden auf die Bedürfnisse des einzelnen Lerners zuzu- schneiden. Zahlreiche explorative Studien zeigen, dass auf der Ebene des Individuums die Wirkung des Einsatzes von mobilen Geräten auch im Hinblick auf die überfachli- chen Kompetenzen gewinnbringend ist. Konkret zeigt sich, dass durch den Einsatz von mobilen Geräten bei Schülerinnen und Schülern motivationale Effekte, eine stärkere Kooperation, eine höhere Medienkompetenz, eine stärkere Selbststeue- rung und eine höhere kognitive Komplexität erzielt werden können. Eine zentrale Rolle beim Einsatz digitaler Medien spielen die Lehrpersonen und die Unterrichtsformen. Nur mit entsprechender Weiterbildung und Unterstützung der Lehrpersonen können so grosse Bildungsprojekte wie die Einführung des neu- en Liechtensteiner Lehrplans (LiLe) und mobiler digitaler Endgeräte wirksam um- gesetzt werden. Mit entsprechenden Weiterbildungsangeboten wurde bereits vor dem Einführungszeitpunkt des LiLe begonnen und diese werden bis zum Ende der Einführungsphase weitergeführt. Das lernförderliche Potential digitaler Medien wird insbesondere bei schülerorien- tierten, problemorientierten und offenen Unterrichtsformen ausgeschöpft. Alle vorhandenen Daten weisen darauf hin, dass bei einem gezielten, pädagogisch sinnvollen und sorgfältig geplanten Einsatz positive Effekte auf das Lernen erzielt werden können. ZUSTÄNDIGES MINISTERIUM Ministerium für Inneres, Bildung und Umwelt BETROFFENE STELLEN Schulamt Amt für Informatik
7 Vaduz, 8. Oktober 2019 LNR 2019-1355 Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, Sehr geehrte Frauen und Herren Abgeordnete Die Regierung gestattet sich, dem Hohen Landtag nachstehende Interpellations- beantwortung zu unterbreiten. I. BERICHT DER REGIERUNG 1. ANLASS Am 8. April 2019 haben die Abgeordneten der Neuen Fraktion Thomas Rehak, Herbert Elkuch und Erich Hasler die Interpellation betreffend den neuen Lehrplan (LiLe) und der damit verbundenen Ausstattung der Kinder- gärten, Primar- und Weiterführenden Schulen mit digitalen Endgeräten (Tab- lets und Notebooks) sowie zur Nutzung von Smartphones an den Schulen mit folgendem Wortlaut eingereicht: Gestützt auf Art. 45 der Geschäftsordnung vom 19. Dezember 2012 für den liechtensteinischen Landtag reichen die unterzeichnenden Abgeordneten eine Interpellation ein und bitten die Regierung, Auskunft zu den Plänen, Zie- len und Auswirkungen der Einführung und Benützung von digitalen Endgerä- ten auf die Lernfähigkeit der Kinder zu geben. Ebenso wollen die Interpellan- ten Klarheit darüber haben, wie in Liechtenstein mit der Thematik von Smartphones an den Schulen und auf den Pausenplätzen umgegangen wird. Begründung:
8 Liechtenstein führt ab Sommer 2019 den neuen Lehrplan LiLe stufenweise ein. Damit einhergehend werden die Kindergärten, Primarschulen und weiterfüh- renden Schulen mit digitalen Endgeräten ausgestattet. Dazu hat der Landtag im Budget 2019 CHF 6.47 Mio. bewilligt. Insgesamt werden Kosten von CHF 13.0 Mio. erwartet, von denen die Gemeinden CHF 5.0 Mio. tragen müssen. Grundsätzlich ist zu begrüssen, dass den Kindern früh die Risiken und Gefah- ren im Umgang mit den sozialen Netzwerken und dem Konsum von Unterhal- tungselektronik aufgezeigt werden. Zudem ist auch begrüssenswert, dass den Kindern die Werkzeuge der Informations- und Kommunikationstechnologien nähergebracht werden. Allerdings bestehen auch Risiken in deren Anwen- dung, welche es ebenso zu beachten gilt. Kinder und Jugendliche nutzen ihre mobilen Endgeräte viele Stunden am Tag. Die Einflüsse solch intensiver Nutzung sind nicht unerheblich und nachgewie- senermassen schädlich. Die Folgen davon können Kurzsichtigkeit, soziale Ab- geschiedenheit, Lernschwächen etc. sein. Von den Eltern, Kindern und Leh- rern werden die negativen Auswirkungen des übermässigen Konsums oft unterschätzt oder sie sind ihnen gar unbekannt. Der bekannte Ulmer Psychiatrieprofessor und Neurologe Manfred Spitzer hält nichts davon, wenn Kinder schon früh mit Computer und Internet in Kon- takt kommen. Der Mediziner hat jüngst in einem Vortrag in Schaan überzeu- gend dargelegt, dass digitale Medien dem Gedächtnis schaden, zur Förde- rung des Lernens ungeeignet sind und süchtig machen. Er stellt auch die Nützlichkeit des Einsatzes digitaler Medien in Lernprozessen infrage. „Com- puter nehmen uns ja geistige Arbeit ab. Und wenn man weiss, wie das Gehirn funktioniert, nämlich dass geistige Arbeit im Gehirn Spuren hinterlässt, dann kann es gar nicht anders sein, dass Computer sozusagen Lernverhinderungs- maschinen sind."
9 Zudem hat Spitzer Auswertungen der Pisa-Studien, in denen Daten von einer Viertelmillion 15-Jährigen gesammelt wurden, vorgelegt, die gezeigt haben, dass Jugendliche mit Zugriff auf digitale Endgeräte in der Schule genau des- wegen schlechtere Leistungen bringen. Spitzer ist der Ansicht, dass wir Politi- ker, Lehrer und Eltern nicht zulassen dürfen, dass die Köpfe der nächsten Generation durch digitale Medien weiter so ‚vermüllt‘ werden, wie dies ge- rade geschieht. Das Buch des Hirnforschers Spitzer, „Digitale Demenz. Wie wir uns und unse- re Kinder um den Verstand bringen", geht unter anderem auf die Ergebnisse einer Umfrage unter 62 Professoren deutscher Universitäten ein. Demnach gehen dem studentischen Nachwuchs wichtige Fähigkeiten wie argumentati- ve Logik, die Fähigkeit, Texte zu erfassen und auch die Fähigkeit zur Konzent- ration immer häufiger verloren. Deshalb sollten wir uns jetzt Gedanken dar- über machen, ob die geplante Einführung von elektronischen Endgeräten an Kindergärten und Schulen sinnvoll ist. Die Regierung wird daher eingeladen, dem Landtag zu folgenden Fragen Aus- kunft zu erteilen: 1. Welche Studien belegen, dass die Auslagerung oder Ergänzung von Un- terrichtsstoff an elektronische Endgeräte wie Laptops oder Tablets eine Verbesserung der Aufnahme des Lernstoffs bringt? 2. Auf welche Studien und Erfahrungswerte stützt die Regierung den Ent- scheid zur Einführung von elektronischen Endgeräten an Kindergärten und Schulen? 3. Was genau beinhaltet der LiLe in Bezug auf die Informations- und Kommunikationstechnologien, a. im Kindergarten? b. in der Primarschule?
10 c. in den weiterführenden Schulen? 4. Welche digitalen Endgeräte werden wo eingesetzt und mit welcher Lebensdauer wird für diese Geräte kalkuliert? a. Soll jeder Jahrgang beim Eintritt in eine neue Schule jeweils neue Endgeräte erhalten? b. Oder werden die Geräte an die nächste Generation weitergege- ben? Und wie werden diese Endgeräte aufbereitet und gereinigt? 5. Sind die elektronischen Endgeräte offen für weitere Applikationen (In- ternet Browser, YouTube, Spiele und Social-Media Apps etc.), bzw. wer entscheidet, was auf den Endgeräten installiert werden kann? (Schüler, Lehrer oder das Schulamt) 6. Welche Schutzmassnahmen sind vorinstalliert und was passiert, wenn Schüler diese zu umgehen wissen? 7. Wer ist für die Kontrolle der Nutzung der Endgeräte verantwortlich? Die Lehrer, die Eltern oder das Amt für Informatik? 8. Welche Unterrichtsinhalte werden zu wie viel Prozent mit digitalen Endgeräten bearbeitet? (z.B. Rechtschreibung, Einmaleins, Fremdspra- chen, Geografie, Geschichte etc.) 9. Welches sind die messbaren Vorteile des Einsatzes von digitalen Endge- räten bzw. welche Vorteile erwarten sich Regierung und Schulamt durch dessen Einsatz, a. im Kindergarten? b. in der Primarschule 1.-3. Klasse? c. in der Primarschule 4.-5. Klasse? d. in den weiterführenden Schulen? 10. Welche konkreten Vorteile (Rationalisierung) bringen die elektroni- schen Endgeräte im Unterricht,
11 a. für die Lehrer? Können die Geräte dazu verwendet werden, um damit Schulaufgaben und Tests einfacher und schneller zu korri- gieren? b. für die Schüler? Inwiefern würde eine Schreiberkennungssoftware Vorteile bringen, bzw. sollen die Tablets mit solcher Software aus- gestattet werden? 11. Wie viel Zeit (Lektionen pro Woche) ist konkret geplant, dass Kinder mit den digitalen Endgeräten arbeiten, a. im Kindergarten? b. in der Primarschule 1.-3. Klasse? c. in der Primarschule 4.-5. Klasse? d. in den weiterführenden Schulen? 12. Wie stellt sich die Regierung zur Tatsache, dass die früher in den PISA- Studien starken skandinavischen Länder die elektronischen Endgeräte, die sie 2012 angeschafft, in der Zwischenzeit wieder abgeschafft haben, nachdem sie im Jahr 2015 in der PISA-Studie markant abgefallen wa- ren? 13. Wie begegnet die Regierung dem Argument, dass wissenschaftliche Studien belegen, dass schwache Schüler durch den Einsatz von digitalen Medien in der Schule noch schwächer werden, während bei den star- ken Schülern nur eine geringere Verschlechterung der Leistungen er- folgt? a. Wird ein solch möglicher Leistungsabfall zugunsten des Erlangens von Fertigkeiten mit digitalen Endgeräten in Kauf genommen? b. Sind Massnahmen vorgesehen, falls dieser Fall eintreten sollte? c. Entstehen mit dem Einsatz von elektronischen Endgeräten an Schulen nachgewiesene Vorteile bei Kindern mit Lernschwächen
12 oder Legasthenie und Dyskalkulie, bzw. welche wären das? Wurde das im Konzept entsprechend berücksichtigt? 14. Mit welchen effektiven Kosten, die mit dem Einsatz der neu anzuschaf- fenden elektronischen Endgeräte einhergehen, rechnet die Regierung bei der Umsetzung der Ziele in allen liechtensteinischen Schulen, unter- schieden nach Investitionskosten und jährlichen Folgekosten, a. für die Endgeräte wie z.B. Tablets und Notebooks? b. für die Netzwerkkomponenten? c. für Software und Apps der Endgeräte und Server? d. für die wiederkehrenden jährlichen Unterhaltskosten und Lizenz- gebühren etc.? e. für die Schulung der Lehrer? 15. Angenommen, es kommt nun definitiv zur Anschaffung und Einführung der digitalen Endgeräte an den liechtensteinischen Schulen, welche konkreten Erfolgskontrollen wird die Regierung in welchen zeitlichen Abständen durchführen? 16. Welche neutralen, externen Institutionen oder Organisationen könnten die angedachten Erfolgskontrollen durchführen? Mobile Endgeräte (Smartphones): 17. In britischen Schulen werden laut Studien die digitalen Medien (inkl. Smartphones) vom Schulgelände wieder verbannt und zum Teil ganz verboten. Begründet wird dies mit einhergehend schlechteren schuli- schen Leistungen, die man in britischen Schulen nicht mehr in Kauf nehmen will. Sind diesbezüglich auch im Land Massnahmen angedacht? Beispielsweise ein generelles Verbot von mobilen Endgeräten (Handy) an Primarschulen und an weiterführenden Schulen?
13 18. In Südkorea, einem Land mit einer Handyabdeckung bei Schülern von 100% sollen 2019 Smartphones per Gesetz für Minderjährige verboten werden, da die Kurzsichtigkeit unter Schülern in den letzten Jahren sehr stark angestiegen ist. Was gedenkt die Regierung konkret zu unterneh- men, dass es bei uns nicht zu einer analogen Entwicklung kommt? 19. Dass die exzessive Nutzung von sozialen Medien ein enormes Suchtpo- tenzial birgt und auch negative Folgen bis hin zu Depression und sozia- ler Isolation haben kann, ist bekannt. Was ist im neuen Lehrplan LiLe an Unterrichtseinheiten zur Sensibilisierung für diese Gefahren vorgese- hen? 20. Man weiss auch aus Studien, dass zu viel Zeit vor digitalen Endgeräten die Menschen weniger empathisch werden lässt resp., dass sie diese Ei- genschaft nicht erlernen, wenn sie kaum mehr direkten Austausch mit anderen Menschen haben. Gibt es Massnahmen und Sensibilisierungen im neuen Lehrplan LiLe, welche diesem Trend entgegenwirken sollen? 2. ALLGEMEINE EINLEITENDE BEMERKUNGEN 2.1 Zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft Smartphone, digitale Hilfsmittel und Gadgets, Uhren, Haushalte und Autos, digi- tale Verwaltungen, Wirtschaft, Gesundheits- und Pflegesysteme, digitale Kom- munikation via soziale Medien, Werbung, Gefahren von Manipulationen durch Fake News (Hoax), Filterblasen (Eingrenzung und algorithmisch berechnete Zur- verfügungstellung von Informationen) und Shitstorms, Partnersuche, Freund- schaften und Freizeitgestaltung – die digitale Durchdringung der Gesellschaft ist in vollem Gange, die Liste aufgezählter Bereiche liesse sich noch beliebig verlän- gern. Und diese Entwicklung scheint noch lange nicht am Ende angelangt. Die Digitalisierung durchdringt Schritt für Schritt alle Bereiche des Lebens. Weil da- mit grosse Chancen und Möglichkeiten, aber auch Gefahren verbunden sind,
14 gehört sie zu den grössten Herausforderungen der heutigen Zeit. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, dass digitale Kompetenzen für ein erfolgreiches Le- ben, Lernen und Arbeiten im 21. Jahrhundert zunehmend unentbehrlich sind. Aufgrund dieser rasanten Entwicklungen hat die Regierung im Regierungspro- gramm 2017–2021 eine Digitale Agenda Liechtenstein1 ausgearbeitet. Ziel dieser Digitalen Agenda ist es, die Standortattraktivität weiter auszubauen und die Be- völkerung aktiv in die digitale Entwicklung zu integrieren. Dafür wurden ver- schiedene Handlungsfelder, Zielsetzungen und Massnahmen definiert. Eine wich- tige Zielsetzung im Bereich Bildung ist, dass der Umgang mit der Digitalisierung im Schulunterricht in alle Fachbereiche einfliessen soll. Die Chancen und das Po- tenzial digitaler Technologien sollen für das Lernen genutzt werden, indem einer- seits personalisierte, intelligente Lernumgebungen angeboten werden und ande- rerseits neue Kooperationsformen in digitalen Lernräumen entstehen. In der Agenda werden jedoch auch Herausforderungen und Gefahren der Digitalisie- rung erwähnt. Eine gezielte Medienerziehung gemäss neuem Lehrplan ist in die- sem Zusammenhang eine wichtige Aufgabe der Schule im Zusammenwirken mit den Eltern. Dem Aspekt der zunehmenden Digitalisierung wird auch in der Digitalen Road- map2 umfassend Rechnung getragen. Dieses Strategiepapier zeigt den Bedarf aus Sicht der Wirtschaft auf, damit Liechtenstein im Jahre 2025 in der Digitalisierung zu den modernsten Staaten gehört. Liechtenstein hat zudem als Mitglied der Schweizerischen Konferenz der kanto- nalen Erziehungsdirektoren (EDK) bereits 2007 die erste ICT-Strategie der EDK gemeinsam mit den Kantonen verabschiedet. Am 21. Juni 2018 hat sich die EDK 1 https://www.regierung.li/digitale-agenda-liechtenstein 2 https://digital-liechtenstein.li/digitale-roadmap
15 auf die Ziele einer nationalen Digitalisierungsstrategie für das Bildungswesen3 geeinigt. Damit setzt sie gleichzeitig neue Schwerpunkte etwa zur Datennutzung oder Datensicherheit. Im Juni 2019 hat die EDK in einem Arbeitsplan konkreti- siert, mit welchen Massnahmen sie auf der gesamtschweizerischen Ebene zur Zielerreichung beitragen will. Dabei steht die Entwicklung verschiedener Mass- nahmen zur digitalen Transformation der Schulen im Zentrum. 2.2 Bildungspolitische Massnahmen Um die von Politik (Digitale Agenda) und Wirtschaft (Digitale Roadmap) aufge- führten Zielsetzungen erreichen zu können, braucht es auch bildungspolitische Entscheidungen, denn die Digitalisierung stellt die ganze Bildungslandschaft vor grosse Herausforderungen. Beruf und Studium verlangen neue Kompetenzen in den Bereichen Medien und Informatik. Digitale Kompetenzen werden für den beruflichen Erfolg des Einzelnen, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unterneh- men, aber auch für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben vorausgesetzt. Die aktuelle Diskussion des Jugendrats in Liechtenstein unterstreicht die Dring- lichkeit des Anliegens: Zum Thema Digitalisierung wurde in der 4. Jugendsession ein Antrag für den Ausbau der Infrastruktur an den Schulen gestellt mit dem Ziel, den kommenden Herausforderungen mit immer mehr technischen Geräten ent- gegen zu treten. Dem Antrag wurde einhellig zugestimmt. Er wird in der Folge dem Landtag zugestellt werden. Mit dem Beschluss der Regierung im Dezember 2018 zum neuen Lehrplan (LiLe)4, welcher auf dem Lehrplan 21 der Deutschschweizer Kantone basiert, wurde bil- dungspolitisch wichtigen aktuellen Entwicklungen wie Digitalisierung oder auch nachhaltige Entwicklung Rechnung getragen. Die Ausarbeitung des Lehrplans in der Schweiz basiert auf einer breit angelegten Arbeitsweise und fundiertem Hin- 3 https://edudoc.ch/record/204727/files/massnahmen_digitalisierungsstrategie_d.pdf 4 https://fl.lehrplan.ch/
16 tergrundwissen (Experten, Vernehmlassungen, Wirtschaft). Der Lehrplan 21 wurde auf liechtensteinische Verhältnisse angepasst und im August 2019 an allen öffentlichen Schulen eingeführt. Mit dem LiLe wurden die Kompetenzen im Be- reich „Medien und Informatik“ neu umschrieben (vgl. Anhang). Das bedeutet, dass es eine Ausstattung benötigt, die es erlaubt, Geräte dann einzusetzen, wenn sie aus didaktischen, methodischen und lernunterstützenden Gründen benötigt werden. Die Evaluation des Pilotprojekts in Ruggell und die Stellungnahmen in der Konferenz der Schulleitungen der Gemeindeschulen konnten klar die Vorteile aufzeigen, welche eine 1:1-Ausstattung pro Kind ab der 1. Klasse mit sich bringt. Aber nicht nur in Liechtenstein, auch in der Schweiz setzt sich der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer mit einem Positionspapier für eine zeitgemässe Inf- rastruktur und einen angemessenen IT-Support ein.5 Mit der Finanzplanung (2019 – 2020) hat der Landtag in seiner Sitzung vom 8. November 2018 das Gesamtvolumen von CHF 13.4 Mio. für das ICT-Projekt zur Kenntnis genommen. (Davon werden ca. CHF 4.8 Mio. an die Gemeinden weiter- verrechnet.) Auch der Landesvoranschlag 2019 wurde vom Landtag im Novem- ber 2018 bereits bewilligt. Damit gab der Landtag grünes Licht für die Ersatzan- schaffungen und Neuinvestitionen in den nächsten vier Jahren. Die Bildungspolitik trifft vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen normative, auf die Zukunft hin gerichtete Entscheide. Mit dem vorliegenden Ent- scheid trägt sie den aktuellen Entwicklungen durch die Digitalisierung im Bil- dungswesen Rechnung. Ein zukunftsorientierter Entscheid kann nicht auf umfas- sende empirische Grundlagen abgestützt werden. Es gibt zwar heute schon eine Vielzahl von Studien darüber, wie wirksam digitale Medien im Unterricht sind, jedoch noch keine fundierte, wissenschaftliche Untersuchung, die den besten 5 https://www.lch.ch/fileadmin/files/documents/Positionspapiere/180912_Positionspapier_LCH- SER_Digitalisierung.pdf
17 Zeitpunkt für die Einführung von digitalen Medien an Schulen belegt. Es liegen (noch) keine Längsschnittstudien zum Einsatz von mobilen Geräten ab der 1. Klasse vor. Bildung als unsere wichtigste Ressource muss innovative Konzepte umsetzen und sich zeitgemäss weiterentwickeln, um mit dem raschen Wandel Schritt halten und (schulischen) Anschluss gewährleisten zu können. Der Blick in die benach- barten Länder und Regionen zeigt dies deutlich, alleine schon, wenn man die Digitalisierungsstrategie des Kantons St. Gallen in der Bildung betrachtet. Die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ) veröffent- lichte im März 2019 den Bericht «Aufwachsen im digitalen Zeitalter»6 mit Beiträ- gen von Fachleuten aus den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Frühförderung und ausserschulische Aktivitäten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Kompetenzen, die Kinder und Jugendliche benötigen, um in einer digitalen Welt aufzuwachsen, zu studieren, zu arbeiten und daran teilzuhaben. Der Bericht schliesst mit 11 Forderungen der EKKJ an Politik, Wirtschaft, Bildung, Forschung und Gesellschaft. Eine der Forderungen lautet: Es braucht eine digitale Schulkultur. „Es reicht nicht, nur einzelne Inhalte aus Medien und Informatik zu übernehmen. Schulen müssen insgesamt Schritte zu ihrer digitalen Transformation übernehmen“, wird der Medienpädagoge und Prorektor für Forschung und Wissensmanagement an der Pädagogischen Hochschule Thurgau, Prof. Dr. Thomas Merz, zitiert. Die Akteure im liechtensteinischen Bildungswesen haben bereits bei der ersten schulischen Digitalisierungswelle vor 20 Jahren sehr innovativ agiert und lohnend in Infrastruktur und Weiterbildung investiert. Jetzt ist eine erneute Investition in die ICT-Infrastruktur und eine konsequente Weiterbildung für die Lehrpersonen notwendig, um den damals begonnen Weg konsequent weiter zu gehen. Land 6 https://ekkj.admin.ch/themen/digitalisierung/
18 und Gemeinden tätigen mit diesem visionären Projekt eine zentrale Investition in die Zukunft unserer Kinder und unserer Gesellschaft. 2.3 Aufgaben der Schule Es ist grundlegend, dass die Pflichtschule die Schülerinnen und Schüler auf die digital durchdrungene Welt vorbereitet, damit sie die Grundzüge der Informatik verstehen und die Funktionsweise der digitalen Medien reflektieren lernen. Aus bildungstheoretischer Sicht wäre es fatal, wenn bei diesem wichtigen Thema der allgemeinbildende Auftrag der Pflichtschule (und dieser schliesst den Umgang mit der Lebenswelt der Kinder und Zukunftsthemen ein) unerfüllt bliebe. Schon heute spricht man davon, dass Medienkompetenz den Status einer neuen Kultur- technik erreicht, vergleichbar mit Lesen, Schreiben und Rechnen. Die EU hat be- reits 2006 die digitale Kompetenz als eine der acht Schlüsselkompetenzen für das lebenslange Lernen definiert7. Die „International Computer and Information Lite- racy Study“8 (ICILS) untersucht genau diese digitalen Kompetenzen. Die Ergebnis- se zeigen, dass die weit verbreitete Annahme, Kinder und Jugendliche würden durch das Aufwachsen in einer von neuen Technologien geprägten Welt automa- tisch zu kompetenten Nutzerinnen und Nutzern digitaler Medien, nicht zutrifft. Ein nicht unerheblicher Teil der Jugendlichen verfügt nur über rudimentäre bzw. basale Fertigkeiten und Kenntnisse in Bezug auf den Umgang mit neuen Techno- logien. Kinder und Jugendliche wachsen heute in komplett anderen Medienwelten auf- als noch vor zehn bis fünfzehn Jahren. Die Haushalte der Kinder und Jugendli- chen sind inzwischen mit Fernsehern, Smartphones, Spielkonsolen, Internetzu- gang und Computern/Laptops voll ausgestattet. Dies eröffnet viele neue Mög- lichkeiten, ist aber auch mit spezifischen Gefahren für die Heranwachsenden 7 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32006H0962&from=DE 8 https://www.iea.nl/studies/iea/icils/2013
19 verbunden. Dies erkennen auch viele Eltern und sie sind bei der Erziehung ihrer Kinder verunsichert . Unsicherheiten und Ängste in Zusammenhang mit Digitalisierung und digitalen Medien führen zu kontroversen Diskussionen um deren Stellenwert für das Auf- wachsen und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Im Wesentlichen gibt es dabei nach Prof. Daniel Süss aus medienpädagogischer Sicht drei mögli- che Grundhaltungen9, die kulturpessimistische, die medieneuphorische und die kritisch-optimistische. Die kulturpessimistische Position sieht digitale Medien vor allem als Gefährdung für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, weitge- hend ohne einen positiven Beitrag darin zu sehen. Prof. Manfred Spitzer, der von den Interpellanten des Öftern zitiert wird, zählt laut Süss zu diesen Vertretern. Die zweite Position, die der Medieneuphoriker, ist dagegen geprägt vom völlig unkritischen Motto „Jeder Bildschirm lehrt“. Die dritte, die kritisch-optimistische Position, betont die aktive Rolle des Nutzers. Dieser ist in der Lage, je nach Kontext und Bedürfnissen Medien und mediale Themen medienkompetent auszuwählen und zu nutzen. Medien sind nicht Ersatz für das Leben, sondern eine wertvolle Ergänzung. Alle drei Grundhaltungen führen berechtigte und ernst zu nehmende Argumente ins Feld. Die Regierung geht entsprechend auf diese Argumente ein und vertritt die Haltung, dass die Herausforderungen im Umgang mit Digitalisierung und digi- talen Medien aktiv angegangen werden sollen. Diese sind nicht mehr aus der alltäglichen Lebenswelt unserer Gesellschaft wegzudenken und müssen daher auch in der Schule thematisiert werden sowie stufen- und situationsgerecht be- reits im Kindergarten Einzug finden. Schülerinnen und Schüler, die digitale Medi- en souverän und sicher nutzen, sind nicht nur gut auf die Berufsbildung und den 9 Süss, Daniel et al. (2010). Medienpädagogik. Ein Studienbuch zur Einführung. Wiesbaden
20 Besuch weiterführender Schulen vorbereitet, sondern auch auf die Teilnahme am sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Leben. 2.4 Lehrplanziele im Modul Medien und Informatik Soll die Schule also die Kinder und Jugendlichen auf die Gesellschaft von morgen vorbereiten, gehört dazu auch die Förderung eines kompetenten Umgangs mit digitalen Medien. Daraus leitet sich ein Bildungsauftrag für die Schule ab. Was aber sollen die Kinder und Jugendlichen in der Schule lernen? Diese Frage wird im LiLe im Modul Medien und Informatik10 ausführlich beantwortet, dessen Ein- führung in Liechtenstein derzeit im Gange ist. Dabei sind die grundsätzlichen Zielsetzungen folgendermassen beschrieben: - Lebensweltperspektive: Die Schule soll die Erfahrungen, welche die Schüle- rinnen und Schüler ausserhalb der Schule mit Medien machen, als Res- source nutzen und sie in den Unterricht einbeziehen. Sie soll die Lernenden zur kritischen Reflexion ihrer Mediennutzung anregen und sie auf ihrem Weg zu einem mündigen Umgang mit Medien unterstützen. Durch die Auseinandersetzung mit Medien und die Teilhabe daran wird die Entwick- lung der eigenen Persönlichkeit und der eigenen kulturellen Identität mit beeinflusst. - Berufsperspektive: Die Schule soll sicherstellen, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit Medien und Informatik in der Berufslehre oder in den weiterführenden Schulen sinnvoll einsetzen und nutzen können. - Bildungsperspektive: Die Schule soll die Schülerinnen und Schüler befähi- gen, mit der Informationsflut und dem technischen Wandel zurechtzu- kommen. Dazu braucht es grundlegende Kompetenzen wie die Fähigkeit, sich in einem unübersichtlichen Angebot zu orientieren, oder die Kompe- 10 https://fl.lehrplan.ch/index.php?code=b|10|0&la=yes
21 tenz, sich während der gesamten Lebensspanne neues Wissen und neue Fähigkeiten anzueignen. - Lehr-Lernperspektive: Digitale Medien sollen schliesslich in Schule und Un- terricht situations- und stufengerecht als Lehr- und Lernwerkzeuge genutzt werden. Diese Formulierung macht deutlich, dass es sich bei der Erarbeitung eines neuen Lehrplans immer auch um normative, zukunftsgerichtete Fragestellungen han- delt. Die Entwicklung eines Lehrplans ist ein fachlicher und politischer Aushand- lungsprozess, bei dem alle Beteiligten einbezogen werden und Stellung beziehen können. Ein Lehrplan ist also das klassische Ergebnis eines gesellschaftlichen Meinungs- und Konsensbildungsprozesses, basierend auf den Wertvorstellungen einer Gesellschaft. Genau das lässt der Erarbeitungsprozess11 zum Lehrplan 21 deutlich erkennen. Es zeigt sich, dass an dem gesamten Prozess Vertreter der 21 Kantone, der Lehrerschaft und zahlreiche externe Fachexperten mitgewirkt ha- ben. Der Prozess dauerte in der Schweiz insgesamt 11 Jahre (2004 bis 2015). Be- sondere Beachtung fand dabei die Erarbeitung des neuen Moduls „Medien und Informatik“. Auch die Anpassung des Lehrplans 21 auf liechtensteinische Verhältnisse ist nicht einfach unkritisch erfolgt und hat mehrere Phasen des Aushandelns durchlaufen. So hat sich ein mit verschiedenen Fachleuten besetztes Kernteam mit der Anpas- sung befasst, die Schulteams konnten sich in drei Hearings einbringen und mit einer öffentlichen Veranstaltung wurde allen interessierten Kreisen die Möglich- keit eröffnet, Stellung zum Entwurf zu nehmen. Dass Medien und Informatik be- reits im Kindergarten (1. Zyklus) Eingang finden, ist also ein von der Gesellschaft getragener Grundsatzentscheid. 11 https://www.lehrplan21.ch/erarbeitung
22 Der LiLe unterscheidet die Bereiche „Medienkompetenzen“, „Anwendungskom- petenzen“ und „Informatikkompetenzen“. Im Folgenden sind die Kompetenzen aufgeführt, welche im LiLe jeweils über die drei Zyklen aufbauend ausformuliert sind.
23 Medien: 1. Die Schülerinnen und Schüler können sich in der physischen Umwelt sowie in medialen und virtuellen Lebensräumen orientieren und sich darin entsprechend den Gesetzen, Regeln und Wertesystemen verhal- ten. 2. Die Schülerinnen und Schüler können Medien und Medienbeiträge ent- schlüsseln, reflektieren und nutzen. 3. Die Schülerinnen und Schüler können Gedanken, Meinungen, Erfahrun- gen und Wissen in Medienbeiträge umsetzen und unter Einbezug der Gesetze, Regeln und Wertesysteme auch veröffentlichen. 4. Die Schülerinnen und Schüler können Medien interaktiv nutzen sowie mit anderen kommunizieren und kooperieren. Informatik: 1. Die Schülerinnen und Schüler können Daten aus ihrer Umwelt darstel- len, strukturieren und auswerten. 2. Die Schülerinnen und Schüler können einfache Problemstellungen ana- lysieren, mögliche Lösungsverfahren beschreiben und in Programmen umsetzen. 3. Die Schülerinnen und Schüler verstehen Aufbau und Funktionsweise von informationsverarbeitenden Systemen und können Konzepte der sicheren Datenverarbeitung anwenden. Anwendungskompetenzen: Die Anwendungskompetenzen werden zum grössten Teil im Unterricht der Fach- bereiche vermittelt. Die entsprechenden Kompetenzbeschreibungen finden sich in den Kompetenzaufbauten der Fachbereichslehrpläne. Einzelne Anwendungs- kompetenzen sind Teil der Kompetenzbereiche Medien und Informatik. Die drei
24 Kompetenzbereiche sind nicht trennscharf. Gewisse Kompetenzen lassen sich nicht eindeutig einem der drei Bereiche zuordnen. So setzt beispielsweise eine effiziente Internetrecherche sowohl Kenntnisse über die Funktionsweise von Suchmaschinen (Informatik) als auch Hintergründe zu Geschäftsmodellen und Zensurmassnahmen von Suchmaschinen (Medien) und konkretes Wissen zur Bedienung derzeit aktueller Suchmaschinen (Anwendung) voraus. 2.5 Infrastruktur Die Einführung des LiLe und die damit verbundene stärkere Gewichtung der Me- dienbildung macht die Ausstattung der Schulen mit Tablets und Laptops sinnvoll und notwendig. Die digitalen Medien kommen einerseits im Medien- und Infor- matikunterricht zum Einsatz, andererseits ist der LiLe aber auch so konzipiert, dass die Anwendungskompetenzen (Einsatz von Programmen und Apps, Recher- chearbeiten, Bild-, Ton- und Filmbearbeitung, Erstellen von Diagrammen und Präsentationen, etc.) in allen Fächern vertieft werden. Da Kinder schon im frühesten Alter mit digitalen Medien in Berührung kommen, sieht der LiLe bereits im ersten Zyklus (Kindergarten bis zweite Klasse Primar- schule) den Aufbau von Medienkompetenz vor. Der kompetente Umgang mit Medien ist ein Lernprozess, der so früh wie möglich beginnen soll. Ein systemati- scher Aufbau von Medienkompetenz kann aber nur gelingen, wenn neben der Familie auch Kindergärten und Schulen Medienbildung vermitteln und entspre- chende Bildungsangebote geschaffen werden. Eine Studie12 zeigte, dass das Smartphone oder Tablet der Eltern für kleine Kinder ebenso ein Spielzeug dar- stellt wie Lego oder eine Puppe. Eine Kindergartenlehrperson ist bereits heute in ihrem Unterrichtsalltag damit konfrontiert, dass Kinder mit digitalen Medien aufwachsen und sie teilweise bereits vor Kindergarteneintritt einen hohen Medi- 12 https://www.jugendundmedien.ch/fileadmin/user_upload_redesign/Brosch%C3%BCren_Flyer/Brosch% C3%BCre_Medienkompetenz_Schule/Brosch%C3%BCre_Medienkompetenz_im_Schulalltag_2017.pdf
25 enkonsum gewohnt sind. Kinder müssen daher in ihrer Mediennutzung begleitet werden, um einen kompetenten Umgang mit Medien entwickeln zu können. Den Kindern sollen altersgerechte Medienangebote zur Verfügung stehen, sie sollen Medien als Werkzeuge nutzen dürfen und einen kreativen wie auch kritischen Umgang mit ihnen erlernen. Dazu sollen im Kindergarten pro Klasse vier Tablets für den stufen- und situationsgerechten Einsatz zur Verfügung stehen. Mit einem persönlichen Gerät ab der 1. Primarschulstufe sollen den Schülerin- nern und Schülern sowie den Lehrpersonen in Liechtenstein die bestmöglichen Rahmenbedingungen geboten werden. Ein solcher Ausbau ist zwar kostspielig, aber eine zukunftsweisende und lohnende Investition. Die Kompetenzziele, die im LiLe für das Modul Medien und Informatik formuliert sind, können so optimal erreicht werden. Die Erfahrungen im Pilotprojekt in Ruggell13 (Evaluationsbericht Tablet-Projekt GS Ruggell, 2018) sowie weitere Pilotprojekte in der Schweiz14 zeigen deutlich, dass eine 1:1-Ausstattung didaktisch Sinn macht. Das Tablet stellt im Unterricht ein Lehr-, Lern- und Arbeitsmittel dar, ähnlich dem Schulbuch und ergänzend zu diesem. Darum ist es auch wichtig, dass jede Schü- lerin und jeder Schüler ein persönliches Gerät zur Verfügung hat. So sind und bleiben Arbeiten, Lösungswege, persönliche Gedanken und Lernfortschritte indi- viduell und persönlich und das Gerät steht immer dann zur Verfügung, wenn es wenn es sinn- und zweckmässig eingesetzt werden kann. Folglich heisst das auch, dass jedes Kind für sein eigenes Tablet Verantwortung trägt. Beim Übertritt in die Sekundarstufe I werden die Schülerinnen und Schüler einen Laptop als Hilfsmittel zur Verfügung haben und das Tablet wird abgelöst. Zum Verfassen längerer Texte, für die Vorbereitung von Vorträgen oder für komplexe- re mathematische Berechnungen sowie den Einsatz von Lernprogrammen und 13 siehe öffentliches Protokoll des Gemeinderates 08/18 vom 21. Juni 2018 14 https://www.phsz.ch/fileadmin/autoren/fe_dateien/2016-prasse-egger-lernen-und-unterrichten-in- tabletklassen-zwischenbericht1.pdf
26 die Verarbeitung von Ton- und Filmbeiträgen sollte mit Tastatur und Maus und zusätzlichen Schnittstellen zu Peripheriegeräten gearbeitet werden. Im Übrigen gelten hier dieselben Argumente für eine persönliche Ausstattung der Schülerin- nen und Schüler wie auf der Primarschulstufe. Auch die Schulleitungen der Gemeindeschulen und der Sekundarschulen haben sich aus den oben aufgeführten Gründen ganz klar zu dieser Strategie bekannt. 2.6 Wirksamkeit im Unterricht Damit digitale Medien im Unterricht optimal eingesetzt werden können, braucht es neben einer entsprechenden Infrastruktur auch angepasste Unterrichtsfor- men und Lehrpersonen, die im Umgang mit diesen neuen Möglichkeiten kompe- tent sind. Geräte sollen in den Unterricht eingeflochten werden, wenn immer es sinnvoll und gewinnbringend erscheint. Sie sollen den Unterricht nicht dominie- ren, sondern sinnvoll punktuell unterstützen. Zentral ist dabei die Frage, wie digi- tale Medien ergänzend zu traditionellen herkömmlichen Medien und zu den Re- alerfahrungen eingesetzt werden können. Unterstützend eingesetzte Medien holen die Schülerinnen und Schüler bei ihren Interessen und ihrem Vorwissen bezüglich Medien und Informatik ab. Erweiterte Unterrichtsformen wie der Projektunterricht oder das Arbeiten mit Wochenplänen eignen sich für den Einsatz digitaler Medien. Besonders Erarbei- tungs- und Präsentationsphasen, vor allem in Form des kooperativen oder selbstgesteuerten Lernens in der eigenen Klasse und Schule, aber auch über in- ternationale Bildungs-Plattformen bieten sich an. Ein weiteres Einsatzgebiet mit vielen Vorteilen ist das personalisierte Lernen und Üben: Über adaptive Systeme wird der Lernstand des Nutzers gespeichert und die Aufgaben werden fortlau- fend angepasst. Mittels Feedbacks und passenden Hilfestellungen werden die Schülerinnen und Schüler unterstützt und motiviert.
27 In nachhaltigen Lernsettings zeigt sich, dass mit Hilfe von Medien völlig neue Aufgabenstellungen möglich sind. Digitale Medien bieten vielfältige neue Mög- lichkeiten, ihr Einsatz ist quasi unumgänglich. Wie bereichernd Unterricht tat- sächlich ist – mit und ohne Einsatz von Medien – hängt letztlich immer noch von der Lehrperson und deren Gestaltung des Unterrichts ab. Studien und Meta- Analysen kommen immer wieder zum Schluss: Auf die Lehrperson kommt es an15. Kein noch so ausgeklügeltes (digitales) System kann sie ersetzen. Lehrerinnen und Lehrer werden im Unterricht mit digitalen Medien also nicht überflüssig, im Gegenteil: Sie spielen eine zentrale Rolle. In einem Unterricht, der den Schülerinnen und Schülern Freiräume für die selbstgesteuerte und forschen- de Bearbeitung komplexer Aufgabenstellungen und Probleme bietet, brauchen diese individuelle Unterstützung von Lehrpersonen und/oder Mitschülerinnen und Mitschülern. Auch muss der Einsatz digitaler Medien sorgfältig vorbereitet, begleitet und ausgewertet werden, damit sich fachliche und medienbezogene Lernvorteile einstellen. Um Lehrpersonen in dieser neuen Lernumgebung zu unterstützen, hat das Schul- amt eine Weiterbildungsstrategie erarbeitet, die einerseits obligatorische Kurse und ein grosses Angebot an freiwilligen Kursen vorsieht. Zwei Selbstevaluations- und Übungstools stehen den Schulen zur Vertiefung der Anwendungskompeten- zen zur Verfügung. Ausserdem unterstützen ausgebildete pädagogische und technische Medienkoordinatoren jedes Lehrpersonenteam. Umfragen belegen16, Schulen brauchen „Kümmerer“ vor Ort für eine erfolgreiche Digitalisierung. Wäh- rend der Einführungsphase des LiLe werden landesweit zusätzlich pädagogische Medienberaterinnen bzw. -berater eingesetzt, welche von den Schulen zum Bei- 15 https://www.friedrich-verlag.de/bildung-plus/digitale-schule/medieneinsatz-im-unterricht/pro-und- contra/wie-wirksam-sind-digitale-medien-im-unterricht/ 16 https://www.telekom-stiftung.de/presse/umfrage-belegt-schulen-brauchen-kuemmerer-vor-ort-fuer- erfolgreiche-digitalisierung
28 spiel bei der Durchführung von schulinternen Einführungsveranstaltungen, Workshops und Weiterbildungen beigezogen werden können. Die Schulleitungen haben die Aufgabe, für die Weiterentwicklung ihrer Schule besorgt zu sein. Die Weiterbildung der Lehrpersonen spielt beim ganzen Prozess des Ausbaus von digitalen Geräten eine entscheidende Rolle. Nur wenn die Lehr- person den Mehrwert erkennt und gezielt die Geräte im Unterricht einbinden kann, kann ein erfolgreicher Lernprozess bei den Schülerinnen und Schülern in Gang gesetzt werden. Selbstevaluations- und Übungstools dienen dazu, die Kompetenzen der Lehrpersonen zu eruieren. Die Ergebnisse werden im Rahmen des Mitarbeitergesprächs ausgetauscht und bilden die Grundlage für die indivi- duelle Weiterbildung. Trotz aller Anstrengungen bleibt dennoch unumstritten: Neue Unterrichtskonzepte brauchen Zeit sich zu entwickeln. 2.7 Studien zur Wirksamkeit digitaler Medien in der Schule Die Zahl der Studien zu Chancen und Risiken der digitalen Medien, zur Lerneffizi- enz durch Computer, Internet, Smartphone etc. ist kaum zu überblicken. Sowohl Befürworter als auch Skeptiker digitaler Medien in der Schule finden Ergebnisse, die ihre Position stützen. Am vertrauensvollsten sind zwei Formen von wissen- schaftlichen Arbeiten: Meta-Analysen und systematische Übersichtsarbeiten. Meta-Analysen sind Untersuchungen, die die Ergebnisse vieler Studien miteinan- der vergleichen mit dem Ziel, einen durchschnittlichen Trend der wissenschaftli- chen Ergebnisse zu ermitteln. Systematische Übersichtsarbeiten hingegen versu- chen durch geeignete Methoden das zu einem bestimmten Thema verfügbare Wissen zu sammeln, zusammenzufassen und kritisch zu bewerten. Die Fülle vor- handener Studien wird so in einen Kontext gesetzt. Solche Übersichtsarbeiten weisen eine hohe Beweiskraft auf, da der Verfasser zu den ursprünglichen Arti- keln keinen persönlichen Bezug hat (Interessenkonflikt). Im Folgenden soll daher eine aktuelle Übersichtsarbeit zum Thema „Wie wirksam sind digitale Medien im Unterricht?“ vorstellt werden. Die kurze Antwort darauf
29 lautet: „Es kommt darauf an.“ Die vorliegende Expertise des Bildungsforschers Prof. Dr. Bardo Herzig17 zeigt, dass die Wirkung digitaler Medien im Unterricht nur kontextabhängig diskutiert werden kann. Es gibt hinreichend empirische Evi- denz für lernförderliche Aspekte bei der Nutzung digitaler Medien in der Schule. Allerdings lassen sich die Aussagen weder im Hinblick auf einzelne Medienange- bote noch auf spezifische Schülergruppen oder Fächer pauschalisieren. Prof. Her- zig kommt zum Schluss, dass die derzeit sehr beliebte Frage, ob der Einsatz von Tablets im Unterricht gewinnbringender sei als traditionelle Methoden, in die Irre führt. Denn die Wirkungen digitaler Medien entfalten sich immer unter den jeweiligen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen eines konkreten Lehr- Lernszenarios. Klar ist jedoch, dass digitale Medien dabei helfen können, Inhalte, Wege und Lernmethoden auf die Bedürfnisse des einzelnen Lerners zuzuschnei- den. Sie dürfen dabei aber nicht zum Selbstzweck werden. Im Mittelpunkt muss immer das Ziel stehen, dass alle Schülerinnen und Schüler entsprechend ihrer individuellen Voraussetzungen erfolgreich lernen können und dabei vom Einsatz digitaler Medien unterstützt werden. Wenn dies gelingt, kann die Digitalisierung einen wertvollen Beitrag zu einem leistungsfähigen und chancengerechten Bil- dungssystem leisten. Gemäss Prof. Herzig lassen sich im Hinblick auf die Frage nach der Wirkung digi- taler Medien im schulischen Kontext vier wesentliche Einflussfaktoren benennen: Die digitalen Medien bzw. Medienangebote selbst, der Unterrichtsprozess und die Beteiligten, also Lehrpersonen und Lernende. Empirische Aussagen (Studien) über die optimalen Voraussetzungen für den Einsatz digitaler Medien im Unter- richt zu generieren, ist äusserst komplex und multifaktoriell. Folglich können Studien auch nicht zu generellen Aussagen führen, dass digitale Medien per se diese oder jene Wirkung erzeugen. Aus bildungspolitischer Sicht wäre eine gene- ralisierbare Kausalaussage wünschenswert. Im Bewusstsein, dass es sich bei 17 https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/ Studie_IB_Wirksamkeit_digitale_Medien_im_Unterricht_2014.pdf
30 Lehr- und Lernprozessen um dynamische, hochkomplexe Prozesse handelt, muss die Erwartung auf eine solche Aussage allerdings enttäuscht werden. Es gibt sie nicht. Zahlreiche explorative Studien zeigen, dass auf der Ebene des Individuums die Wirkung des Einsatzes von mobilen Geräten auch im Hinblick auf die überfachli- chen Kompetenzen gewinnbringend ist. Konkret zeigt sich, dass durch den Ein- satz von mobilen Geräten bei Schülerinnen und Schülern motivationale Effekte, intensivere Kooperation, bessere Medienkompetenz, stärkere Selbststeuerung und höhere kognitive Komplexität erzielt werden können. Prof. Herzig analysiert die Wirkung des Einsatzes digitaler Medien auch mittels Meta-Analysen. Hier finden sich in der Regel mittlere bis kleine Effektstärken. In Bezug auf die Dauer der Medienanwendungen zeichnet sich ab, dass tendenziell kürzere Interventionen erfolgreicher sind. Höhere Effektstärken lassen sich bei Zusammenhängen und Anwendungswissen feststellen. Der Effekt beim Fakten- wissen ist niedriger. Zudem liegen Hinweise vor, dass der ergänzende Einsatz wirksamer ist als der ersetzende. Eine höhere Effektivität konstatiert Prof. Herzig, den Erziehungswissenschaftler Prof. John Hattie zitierend, wenn Lehrpersonen auf den Medieneinsatz mittels Aus- und Weiterbildung gut vorbereitet werden und wenn die Schülerinnen und Schüler den eigenen Lernprozess kontrollieren können (Auswahl von Aufgaben, Lerngeschwindigkeit, Wiederholungsmöglichkeiten). Ausserdem ist der Effekt höher, wenn Peer Learning unterstützt wird, also die Schülerinnen und Schüler nicht alleine, sondern in Paaren oder Gruppen arbeiten. Bei individuellen Übungssequenzen vor dem Gerät kommt es auf die Feedbackfunktion, wobei die Software Hinweise auf den Lernstand, Fehler und Lernwege enthält. Prof. Herzig zieht den Schluss, dass sich die Forschung darauf konzentrieren soll- te, konkrete mediengestützte Unterrichtsszenarien (Best Practice) zur Erreichung pädagogisch sinnvoller Ziele zu entwickeln anstatt pauschal danach zu fragen,
31 was gewinnbringender sei: traditioneller Unterricht oder mediengestützter Un- terricht. Einzeluntersuchungen zeigen, dass Übungssoftware, bei der es um die Festigung von Wissen geht, von leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern beson- ders bevorzugt wird. Diejenigen mit niedriger Rechtschreib- oder Rechenleistung können hier am stärkten profitieren. Digitale Medien steigern die Leistung stär- ker, wenn sie von professionell geschulten Lehrpersonen in den Unterricht inte- griert werden. Die Übersichtsarbeit von Herzig zeigt, dass die Forschung erst am Anfang steht, was die Frage der Wirksamkeit anbelangt. Die Befunde können auch nicht dar- über aufklären, warum, ob überhaupt und ab welchem Alter neue Medien einge- setzt werden sollen. Die Analyse von Herzig zeigt vielmehr, dass die Forschung vor allem die Frage in den Fokus nehmen müsste, wie die Geräte am besten zum Einsatz kommen sollten. Denn alle vorhandenen Daten weisen darauf hin, dass bei einem gezielten, pädagogisch sinnvollen und sorgfältig geplanten Einsatz po- sitive Effekte auf das Lernen erzielt werden können. Es gibt keine Studie, die zei- gen kann, dass digitale Geräte, wenn sie intelligent eingesetzt werden, einen negativen Outcome erzielen. 2.8 Meta-Analysen zu möglichen Auswirkungen digitaler Medien Meta-Analysen versuchen einen möglichst objektiven Abgleich des aktuellen Forschungsstandes aufzuzeigen, in diesem Fall zu den Auswirkungen digitaler Medien im Unterricht. Entsprechend hart gehen Autoren solcher Studien mit populärwissenschaftlichen Studien um. Laut einer systematischen Betrachtung der wissenschaftlichen Befundlage durch die Medienpsychologen Markus Appel und Constanze Schreiner von der Universität Konstanz-Landau (eine Übersichts- arbeit, die sich v.a. auf Meta-Analysen stützt) widersprechen die wissenschaftli-
32 chen Ergebnisse auf vielen Gebieten klar den Thesen zu den schädlichen Auswir- kungen der Internetnutzung.18 Nach dem jetzigen Stand der Forschung führe vermehrte Internetnutzung im Mittel weder zu weniger sozialem Austausch noch zu weniger gesellschaftlich-politischem Engagement. Auch seien intensive Inter- netnutzer nicht einsamer als Wenignutzer. Alarmistische Thesen hätten zumeist wenig mit dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu tun. Laut den Stu- dienautoren verschleierten die nicht sachgemässen Thesen zu den Auswirkungen von Internetnutzung den Blick für die Herausforderungen, die mit der Verbrei- tung von Computer und Internet verbunden sind. Appel und Schreiner befürch- ten, dass Eltern, aber auch Lehrpersonen durch solche Publikationen fehlinfor- miert und damit fehlgeleitet werden. Neben klaren Diskrepanzen wird in der Studie aber auch über Ergebnisse berich- tet, in denen sich alarmistische Thesen und der wissenschaftliche Kenntnisstand überlappen. Diskutiert werden die Aspekte Wohlbefinden, Übergewicht und Ag- gressionen. Die Zusammenhänge fallen allerdings im Mittel eher schwach aus, so dass auch hier kein Anlass für eine alarmistische Haltung gegeben sei. Im Hinblick auf das menschliche Lernen widerspricht die Befundlage wiederum den alarmis- tischen Thesen. Im Mittel, so kommt die Studie zum Schluss, sei der grösste Wis- senszuwachs zu verzeichnen, wenn Lehren und Lernen Face-to-face-Anteile und Computer- bzw. Internetanteile enthalten. Entsprechende Überblicksarbeiten unterstreichen zudem, dass es auf die Art und Inhalte der Instruktion ankommt, ob Lernende vom computerunterstützten Unterricht profitieren können. 18 https://docplayer.org/7904194-Markus-appel-und-constanze-schreiner-universitaet-koblenz-landau- leben-in-einer-digitalen-welt-wissenschaftliche-befundlage-und-problematische.html
33 3. BEANTWORTUNG DER FRAGEN 1. Welche Studien belegen, dass die Auslagerung oder Ergänzung von Un- terrichtsstoff an elektronische Endgeräte wie Laptops oder Tablets eine Verbesserung der Aufnahme des Lernstoffs bringt? Der Einsatz digitaler Medien in der Schule bedeutet, dass mobile Geräte den Schülerinnen und Schülern in der Kombination von Information, Reflexion und fächerübergreifender Anwendung ermöglicht, digitale Medien verantwortungs- voll zu nutzen sowie umfangreiche Kenntnisse über Chancen und Risiken der Technologien zu erwerben. Der altersgerechte Einsatz in der Schule bereitet sie auf die Lebens- und damit auch auf die Berufswelt vor. Kinder wachsen heute von Geburt an mit digitalen Medien auf. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie automatisch Kompetenzen im Umgang mit diesen entwi- ckeln. Gemäss Art. 1 des Schulgesetzes vom 15. Dezember 1971 (LGBl. 1972 Nr. 7) ist es der Auftrag der öffentlichen Schulen Liechtensteins, jedes Kind „zu einem selbständigen, verantwortungsbewussten und den beruflichen Anforde- rungen des Lebens gewachsenen Menschen und Glied des Volkes und Staates zu erziehen“. Medienkompetenz ist dabei je länger je mehr ein wichtiger Bestand- teil dieses Auftrags. Diesem Aspekt trägt der LiLe Rechnung. Der Bezug zur Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen steht beim kompetenz- orientierten Unterricht im Zentrum. Da bereits Kleinkinder in einem digital durchdrungenen Alltag aufwachsen, soll die Schule an dieser täglichen Lebens- welt anknüpfen. Die Digitalisierung des Schulunterrichts wird seit Jahren breit diskutiert. Wann, wie oft und welche Programme sollen Lehrpersonen am Computer einsetzen? Dazu gibt es eine schwer überschaubare Fülle an Forschungsprojekten. Sowohl Befürworter digitaler Medien in der Schule als auch Skeptiker finden Ergebnisse, die ihre Position stützen. Wie in Kapitel 2 ausgeführt, fassen Meta-Analysen die
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